Folge 26 Vom 25.06.1977

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Folge 26 Vom 25.06.1977 dieute auf Seite 5: £me ^Alternative zur „neuen Ostpolitik"? UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND Jahrgang 28 — Folge 26 Parkallee 84, 2000 Hamburg 13/25. Juni 1977 C 5524 C Gollwitzers törichte Thesen Leider auch falsche Töne beim Berliner Kirchentag - Mit höhnenden Protestsongs gegen unsere Grundordnung Weit über 60 000 Besucher, darunter ein besonders starkes Kontingent junger Men• schen, waren in diesem Jahr zum 17. Evan• Auf dem gelischen Kirchentag nach Berlin gekommen, der mit seinen zahlreichen Veranstaltungen, die unter dem Losungswort standen „Einer Drahtseil . trage des anderen Last", sicherlich zu den großen Ereignissen in der Geschichte des deutschen Protestantismus gezählt werden kann. Es sollte zunächst und grundsätzlich H. W. — Selbst wenn es stimmt, daß der herausgestellt werden, daß die Teilnehmer Künstler, der sich unter der Zirkuskuppel besonderen Wert auf die geistlichen Ver• auf dem Drahtseil bewegt, mit der Zeit anstaltungen legten, sicherlich ein Zeichen immer sicherer wird, braucht das für die dafür, daß sie sich an Gottes Wort orientie• Politik nicht unbedingt zu stimmen. Nie• ren wollten. „Konnte man", so kommen• mand kann daran zweifeln, daß die der• tierte eine Berliner Zeitung, „die Heerschau zeitige Bundesregierung einen Drahtseilakt von Gruppen und Hilfswerken auf dem besonderer Art vollbringt und wenn Josef Markt der Möglichkeiten einesteils als ein• Ertl davon spricht, in Bonn sei „die Decke drucksvolle Dokumentation christlicher Ak• so dünn wie noch nie", dann kann man das tivitäten und sozial engagierten Bürgersinns im übertragenen Sinne sicherlich auf das begrüßen, so waren andererseits weder der Seil beziehen, auf dem die Regierung ihren Mißbrauch zu eindeutiger politischer Agita• Balanceakt darbieten muß. tion noch bestimmte Auswüchse zu über• sehen." Ist nun tatsächlich aus SPD-Kreisen das So wird verständlich, daß auch dieser Gerücht gestartet worden, es sei zu einem Kirchentag in einem gewissen Spannungs• Geheimtreffen zwischen Wehner und Strauß feld stand. Hierzu haben nicht zuletzt The• gekommen? Etwa mit dem Ziel, den eigenen sen, wie sie der Theologe Prof. Helmut Goll- linken Flügel zu stutzen oder den Liberalen witzer vertrat, wesentlich beigetragen. Goll• „eins vor den Bug zu geben". Wenn dem witzer zum Beispiel trat bei einer Veran- so wäre, hätte es sich beim Steuerpaket ge• stdltung in der Berliner Eissporthalle für lohnt. Unzweifelhaft gibt es Bürger, die die Zusammenarbeit mit Kommunisten beim einem Gespann Schmidt und Strauß mehr „Kampf gegen den falschen Schutzgott Rü• zutrauen als einer Kombination etwa zwi• stung" ein und erklärte in diesem Zusam• schen Blüm und Karsten Voigt; doch für menhang, es gelte die Politiker zu unter• uns gilt das Dementi! stützen, die „die Alternativmöglichkeiten des Friedens" erkannt hätten, sicherlich Unabhängig davon können wir davon schmeichelhaft für Willy Brandt, der zu den ausgehen, daß diese Regierung sich nach Besuchern des Kirchentages zählte, der aber, den Parlamentsferien sehnt wie verdursten• wenn er sich über seine „Entspannungs• der Boden nach dem Gewitterschauer. Be• politik" ehrlich Rechenschaft ablegen würde, vor es jedoch soweit ist, werden noch einige sich eingestehen müßte, daß dieses Vorha• Hürden zu nehmen sein: Der Mißbilligungs• ben heute schon als gescheitert bezeichnet antrag, der Haushalt des Kanzlers und des werden kann. Mit Recht hat sich ein Kura• Verteidigungsministers, alles Themen voller toriumsmitglied des Kirchentages, Roman Fußangeln und mit Stolperdrähten. Legien, gegen die von Professor Gollwitzer „Abend der Begegnung" im Schatten der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin: mit Nachdruck vorgetragene Befürwortung Das Schicksal der SPD nach dem Rück• Neben der Frage nach dem Evangelium und der Wahrheit, die die Mehrheit bewegten, von Vorleistungen des Westens in der Ab• tritt des sozialdemokratischen Reichskanz• gab es „eindeutig politisch festgelegte Gruppen, die keineswegs legitimer Ausdruck rüstung gewandt und bedauert, daß der lers Müller (1930) anvisierend, beschwor dessen waren, was die Kirche Jesu Christi auf einem von ihr verantworteten Kirchen• Kirchentag auch dafür herhalten müsse, der• Willy Brandt seine Genossen, „sich nicht tag zu vertreten hat" (Berliner Morgenpost) Foto dpa artige „törichte und gemeingefährliche The• in die Opposition drängen zu lassen". Wei• sen" zu behandeln. tere Belastungen der an sich schon gespann• ten innerparteilichen Situation jedoch könn• Revolution. Fort mit der Nächstenliebe. Was landhalle das Thema „Menschenrechte — ten dem Kanzler Grund sein zu überlegen, Nur Weltfremdheit? wir wollen, ist Haß ... Nur dann können bei uns" sozusagen in ein Tribunal gegen ob es für ihn überhaupt noch sinnvoll ist, In der Tat muß man sich bei der Einstel• wir die Welt erobern." die Bundesrepublik umfunktioniert wurde, so weiterzumachen. wo bei verhöhnenden Protestsongs die Än• lung des Theologen Gollwitzer fragen, ob Das alles kann oder sollte einem führen• derung unserer Grundordnung gefordert es nur Weltfremdheit ist, wenn er derartige den protestantischen Theologen nicht un• Doch selbst dann, wenn die Regierung wurde — ohne daß sich hiergegen offizieller Thesen vertritt und ob er als Christ eigent• bekannt sein. Und ebenso kann Professor den Balanceakt der nächsten Wochen mit Protest erhoben hätte. lich nicht weiß, wovon er spricht. Ob Herr Gollwitzer nicht unbekannt geblieben sein, einer hauchdünnen Parlamentsmehrheit Gollwitzer wohl Karl Marx nicht gelesen daß die Sowjetunion durch eine gigantische Es soll hier nur ein Aspekt aus dem um• übersteht, kann sie für die Zukunft wenig hat, der bereits erkannt hatte, daß der Kom• Rüstung ein gewaltiges Machtmittel geschaf• fangreichen Programm dieses Kirchentages Lorbeeren erwarten. Weder auf innen- noch munismus die „ewigen Wahrheiten aufhebt, fen hat, dessen Einsatz gegebenenfalls er• herausgegriffen werden, einem Treffen, das auf außenpolitischem Feld. Denn zieht alle Religionen und jede Moral abschafft". folgen soll, um dem Kommunismus Geltung mit seinen über 400 Einzelveranstaltungen man die höflichen Redensarten ab, so hat Oder ob ihm unbekannt geblieben ist, was zu verschaffen. Dort aber, wo der Kommu• auch das Interesse der Jugend gefunden hat. die Visite Genschers in Moskau erneut be• stätigt, daß dort die Auffassung in entschei• einer der führenden Kommunisten Mexikos, nismus Fuß faßt, kann es hinsichtlich der Zweifelsohne ist der überwiegende Teil denden Fragen unverändert geblieben ist. La Forte, anmerkte: „Es hat keinen Zweck, Einstellung zur Religion und zur Kirche der Kirchentagbesucher von der echten Erinnern wir uns an Helmut Schmidts erste auf einen kommunistischen Sieg zu hoffen, keinen Zweifel geben. Um so peinlicher, Sorge um die Stellung der Kirche in dieser wenn wir nicht das Christentum ausrotten." wenn Gollwitzer den Abzug der alliierten Welt beseelt und bemüht, ein Gleichgewicht Moskaufahrt, an das „Riesengeschäft", das Noch sehr viel deutlicher und sicherlich auch Truppen aus West-Berlin fordert, ein An• zwischen Glauben und sozialer Tat aus dem er für unsere Wirtschaft mitbrachte. Jenes für den Theologen Gollwitzer hörbar, for• sinnen, das letztlich die zwei Millionen Ber• Glauben zu gewinnen oder zurückzugewin• Kernkraftwerk bei Königsberg, das den mulierte es der Leningrader Rundfunk mit liner auszubaden hätten. nen. Bischof Dr. Werner Krusche aus Magde• Strom für West-Berlin und die Bundesrepu• dem Satz: „Das Evangelium und die christ• burg, einer der fünf Teilnehmer, die vom blik liefern sollte. Heute spricht niemand Peter Lorenz mag richtigliegen, wenn er liche Legende müssen erbarmungslos aus• „DDR"-Kirchenbund nach West-Berlin fah• mehr davon. Deshalb, weil damals wie gerottet werden." sagte, Gollwitzers Auffassung sei die Mei• ren durften, vertrat dort die Meinung, die heute alles daran scheitert, daß die Sowjet• nung einer „verschwindenden Minderheit", union nicht bereit ist, Berlin in internatio• Im 77. Band der amtlichen Berichte aus Kirchen würden für die Zukunft Europas nur doch sollte nicht verschwiegen werden, daß dann eine relevante Rolle spielen, „wenn nale Abkommen der Bundesrepublik dem Parlament der Vereinigten Staaten von eine einseitige politische Einstellung bei Deutschland einzubeziehen. Nicht zuletzt Nordamerika, dem „Congressional Record", sie streng bei ihrer Sache", dem Evange• diesem Kirchentag oft unverkennbar war. lium, blieben. wohl deshalb, weil Moskau an der Drei• ist eine Erklärung des früheren sowjetischen Wie anders wären die Worte zu verstehen, teilung Deutschlands festhält. Staatsministers für Erziehung und Bildungs• die von einer Gewalt sprechen, die den Schließlich würde verhindert, daß die wesen nachzulesen, in der es wörtlich heißt- Menschen eine bessere Welt „freisprengen" Kirche als ein verwirrender Markt und Ex• Wenn auch zu Beginn der Ferien in Bonn perimentierfeld für alles und jedes präsen• „Wir hassen die Christen und das Chri• wollte. Freigesprengt wird bekanntlich das Drahtseil im Parlament zunächst abge• tieren würde, auf dem ihre Glieder geistlich stentum. Selbst die Besten von ihnen müs• nicht mit Gebeten, sondern mit Sprengstoff, baut wird, im Herbst wird die Regierung der sich bisher in den Händen derer befun• heimatlos werden müßten — so heißt es in wieder erneut gefordert werden. Breschnew sen wir als unsere schlimmsten Feinde an• der aus Berlin zitierten Stimme. sehen. Sie predigen, daß man den Nächsten den hat, die unsere Gesellschaftsordnung steht ins Haus und der Kanzler davor mit lieben und Mitleid haben soll, was im Ge• vernichten
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