Oldenburgische Beiträge Zu Jüdischen Studien Band 14
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Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien Band 14 Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien Schriftenreihe des Seminars Jüdische Studien in Fakultät IV der Carl von Ossietzky Universität Band 14 Herausgeber Aron Bodenheimer, Michael Daxner Kurt Nemitz, Alfred Paffenholz † Friedrich Wißmann (Redaktion) mit dem Vorstand des Seminars Jüdische Studien und dem Dekan der Fakultät IV Mit der Schriftenreihe „Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien“ tritt ein junger Forschungszweig der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg an die Öffentlichkeit, der sich eng an den Gegenstand des Studienganges Jüdische Studien anlehnt. Es wird damit der Versuch unternommen, den Beitrag des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur bewußt zu machen. Deshalb sind die Studiengebiete aber auch die Forschungsbereiche interdisziplinär ausgerichtet. Es sollen unterschiedliche Themenkomplexe vorgestellt werden, die sich mit Geschichte, Politik und Gesellschaft des Judentums von der Antike bis zur Gegenwart beschäftigen. Ein anderes Hauptgewicht liegt auf der biblischen und nachbiblischen Religion. Ergän- zend sollen aber auch solche Fragen aufgenommen werden, die sich mit jüdischer Kunst, Literatur, Musik, Erziehung und Wissenschaft beschäftigen. Die sehr unterschiedlichen Bereiche sollen sich auch mit regionalen Fragen befassen, soweit sie das Verhältnis der Gesellschaft zur altisraelischen bzw. Jüdischen Religion berühren oder auch den Antisemitismus behandeln, ganz allgemein über Juden in der Nordwest-Region informieren und hier auch die Vernichtung und Vertreibung in der Zeit des Nationalsozialismus behandeln. Viele Informationen darüber sind nach wie vor unberührt in den Akten- beständen der Archive oder auch noch unentdeckt in privaten Sammlungen und auch persönlichen Erinnerungen enthalten. Diese Dokumente sind eng mit den Schicksalen von Personen verbunden. Sie und die Lebensbedingun- gen der jüdischen Familien und Institutionen für die wissenschaftliche Geschichtsschreibung zu erschließen, darin sehen wir eine wichtige Auf- gabe, die mit der hier vorgestellten Schriftenreihe voran gebracht werden soll. Die Herausgeber Bild 1 Sylke Bartmann / Ursula Blömer / Detlef Garz (Hrsg.) „Wir waren die Staatsjugend, aber der Staat war schwach“ Jüdische Kindheit und Jugend in Deutschland und Österreich zwischen Kriegsende und nationalsozialistischer Herrschaft Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 2003 Verlag / Druck / Bibliotheks- und Informationssystem Vertrieb: der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (BIS) – Verlag – Postfach 25 41, 26015 Oldenburg Tel.: 0441/798 2261, Telefax: 0441/798 4040 e-mail: [email protected] Internet: www.bis.uni-oldenburg.de ISBN 3-8142-0865-X Inhalt Friedrich Wißmann „Eingegliedert und erfüllt von der neuen Freiheit“ – Jüdische Kindheit in der Weimarer Republik 11 Sylke Bartmann / Ursula Blömer / Detlef Garz I. Einleitung 21 Sylke Bartmann / Karin Baumann / Ursula Blömer / Ilse Ernst / Ilse Heinken / Sandra Kirsch / Regina Mudrich II. Biographien 29 Egon Salomon Zeitlin „Aber alles, was wir damals taten, war von einem neuen Leben erfüllt“ 31 Rudolf Steiner „Mich hatten die politischen Ereignisse dieser Monate aufs Tiefste aufgewühlt“ 41 Martin Andermann „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?“ 49 Hilde Wenzel „Und mitten im glühenden Patriotismus kommt mir plötzlich der Gedanke, bin ich denn überhaupt eine Deutsche?“ 61 Wolfgang Yourgrau „Ich lächelte, wenn diese Teutomanen mit dem Worte ‚Deutsch‘ Schindluder trieben“ 71 W.M. Citron „Wir waren die Staatsjugend, aber der Staat war schwach“ 87 Hettie Shiller „Die Kinder waren begeistert, erfüllt von der neuen Freiheit“ 101 Sophoni Herz „Bereits als Gymnasiast stand ich zu der saturierten Welt des deutschen Mittelständlers in Opposition“ 117 David Kollander „Deutsch ist unsere Sprache. Es ist der Ausdruck und Beweis, dass wir eingegliedert sind und zum deutschen Volke gehoeren“ 125 Harry Kaufmann „Ich habe mich selbst immer als Deutscher betrachtet und habe als solcher gefühlt“ 135 Wolf Elkan „Und ich war davon überzeugt, dass es nur ein Land gab, in dem ich leben wollte: Deutschland“ 143 Erica Stein „Ich begann, Marx zu lesen, um meinen Mitschülerinnen das sozialistische Gedankengut überzeugend zu erklären“ 151 Margot Spiegel „Ich wünschte mir oft, daß ich nicht als Jüdin zur Welt gekommen wäre“ 165 Margot Littauer „Wir wurden alle gleichmäßig deutsch erzogen“ 173 Oskar Scherzer „Ueberlasst die Erziehung Eurer Kinder auch ein bisschen der freien Natur“ 189 Walter Sussmann „Zum ersten Mal wurde mir richtig bewußt, daß ich Jude war, und daß diese Tatsache für manche Leute einen Unterschied machte“ 201 Robert B. Lawrence „Ich erklärte ihm unumwunden, dass ich zwar meiner Religion nach Jude sei, mich aber bisher immer für einen ebensoguten Österreicher gehalten habe wie jeden anderen“ 211 Rose Marie Papanek „Aber in den ersten Jahren der jungen oesterreichischen Republik fanden wir uns alle in unserer Liebe für dieses kleine ‚befreite‘ Vaterland“ 221 III. Historische Rahmung Ursula Blömer Die Weimarer Republik: Politische Entwicklung, Regierungen, Parlament und Parteien 229 Sylke Bartmann Die Erste Republik und der Ständestaat Österreichs 249 Ilse Ernst Der Antisemitismus in der Weimarer Republik 293 Sandra Kirsch Berlin in der Weimarer Republik: Kultur und Zeitgeist 337 Sylke Bartmann Die jüdische Gemeinde in Wien 375 Ilse Heinken Das Schulwesen in der Weimarer Republik 385 Karin Baumann / Ursula Blömer Die Jugendbewegung 407 IV. Literatur 423 Bildnachweis 440 Friedrich Wißmann „Eingegliedert und erfüllt von der neuen Freiheit“ – Jüdische Kindheit in der Weimarer Republik Mit der demokratischen Verfassung der Republik von Weimar brach eine Zeit an, in der viele Juden in Deutschland voller Hoffnung auf eine bessere gesellschaftliche Grundhaltung des deutschen Volkes blickten. Endlich waren die großen politischen Ziele zum Verfassungsrang erhoben worden, die viele Juden und mit ihnen die demokratisch und republikanisch Ambitio- nierten angestrebt hatten. Ganz im optimistischen Habitus der Aufklärung dürfte wohl ein Wort des zu seiner Zeit verehrten jüdischen Lehrers und Begründers der sog. Neo-Orthodoxie, Samson Raphael Hirsch, der auch als Landrabbiner in Oldenburg von 1830-1838 gewirkt hat, verstanden worden sein und gegolten haben: „Wären wir selbst nicht so glücklich, unsere Zeit als die Morgenröthe einer zunächst in reinerem Rechtsbewusstsein sich bethätigenden Humanität begrüßen zu dürfen, die auch die Söhne des jüdischen Volkes zur aktiven Betheiligung an allen humanen, socialen, und politischen Bestrebungen des Völkerlebens ladet; trüge selbst unsere Berührung mit dem allgemeinen Kulturleben noch wie zu Zeiten der Väter mehr den passiven Charakter: von welcher eminenten religiö- sen Wichtigkeit wäre nicht selbst dann die Fürsorge, unsere Jugend auf die Höhe der Einsicht zu führen, die sie in den Stand setzt, alle persönlichen, socialen, politischen und confessionellen Verhältnisse, unter denen und in Beziehung auf welche sie, sei es aktiv oder passiv, ihre jüdisch menschliche und bürgerliche Pflichtaufgabe zu lösen haben werden, in Wahrheit und Gerechtigkeit zu würdigen, – von welcher eminenten religiösen Wichtigkeit, sie durch Kenntniß vor Ungerechtigkeit und Vorurtheil zu schützen, sie durch Kenntniß zu einer gerechten, alles Gute und Edle im Kulturleben ihrer Zeit mit Begeisterung ergreifenden Beurtheilung des europäischen Kultur- lebens zu führen, in dessen Strömung sie selbst ihre eigene Aufgabe zu lösen haben!“ (Hirsch 2001, S. 42). 12 Ein friedliches und sozial verantwortbares Miteinander war ja das große Erziehungsziel des politischen Auftrages, den die Verfassung von Weimar formulierte. Dieser gipfelte in der bis dahin nicht ausgesprochenen Völker- verständigung. Der Weltkrieg hatte mit dem Wort Kaiser Wilhelms II., er kenne von nun an nur noch Deutsche, das Volk geeint und damit die Juden in ihren bürgerli- chen Rechten und Pflichten anerkannt. Jedenfalls haben es die vielen Frei- willigen unter ihnen so aufgefasst, als sie mit der allgemeinen Begeiste- rungswelle zu den Fahnen eilten, um ihr Leben für das Vaterland in die Waagschale zu geben. In dieser hohen Gefühlslage konnte auch die schon im Krieg selbst aufkommende Dolchstoßlegende keine Abstriche im neuen Selbstwert erzeugen. Vielmehr galt trotz der Judenzählung im Heer der hohe Blutzoll als Beleg dafür, dass auch die Juden sich zu ihren Aufgaben dem Gemeinwesen gegenüber bekannten und entsprechende Anerkennung ver- dienten. Diese Stimmungslage ist für die Mehrheit der Juden in Deutschland zu einer gesellschaftlich tragenden Gemeinschaftsstiftung geworden. So hat es wohl keine jüdische Schule gegeben, an der nicht mit einer Gedenktafel auf die gefallenen ehemaligen Schüler hingewiesen wurde, die der Krieg 1914 bis 1918 der eigenen Gruppe nahm, wie es gerne formuliert wurde. Das ent- sprach auch der von Vernunft bestimmten Überzeugung, dass mit diesen weltbewegenden Ereignissen die gesellschaftlichen Diskriminierungen in Form des Antisemitismus, der beim Kaiserhaus geherrscht hatte, ein für allemal aufgehoben seien. Dieser Optimismus war geprägt von der Überzeu- gungskraft einer aufgeklärten Vernunft, so wie es der bereits zitierte Samson Raphael Hirsch in seinen Anmerkungen zu den „Beziehungen der allgemei- nen Bildungselemente zu der speziell jüdischen Bildung“ schon 1867 tref- fend ins Wort gesetzt hat: „Nur Kenntniß schützt vor Vorurtheil, nur Kenntniß vor eigenem Un- recht in Beurtheilung und Behandlung der Menschenbrüder; Unkennt-