Ableitung von Mindest-Populationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet in Nordrhein-Westfalen

Studie im Auftrag des Landesamts für Werkvertrag – Nr.: 71-2011 Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen

DR. JÖRG SCHNEIDER & FLORIAN KRAU Bürogemeinschaft für fisch- und gewässerökologische Studien - BFS Unterlindau 78, 60323 Frankfurt a. M. [email protected] [email protected] www.lachsprojekt.de

Frankfurt am Main und Lübeck im August 2012

1

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Inhaltsverzeichnis

1. Hintergrund und Aufgabenstellung ...... 4 2. Populationsgenetische Grundlagen ...... 6 Genetische Vielfalt...... 7 Probleme kleiner Populationen...... 9 Zensus vs. genetisch effektive Populationsgröße ...... 10 Überlebens- und Rückkehrerraten...... 14 3. Historie...... 16 Fischerei ...... 16 Stamm-spezifische Parameter...... 18 Point of no return ...... 19 Historische Verbreitung in der Weser...... 21 Verbreitung in den Fischregionen ...... 21 Historische Verbreitung im Einzugsgebiet der Weser in Nordrhein-Westfalen ...... 24 Eignung der Gewässer aus heutiger Sicht ...... 27 4. Gewässer...... 29 Weser ...... 29 Flächenberechnung geeigneter Jungfischhabitate ...... 33 Werresystem...... 34 Kalle...... 35 Exter...... 35 Nethesystem...... 36 Auswirkungen geographischer Nähe der Gewässer...... 36 5. Populationsmodelle...... 38 Voraussetzungen und Startwerte...... 38 UBA - Szenario 1...... 40 Skjern - Szenario 2a ...... 41 Weser potenziell - Szenario 2b ...... 42 Weser aktuell – Szenario 3...... 42 Durchgängigkeit ...... 42 Smoltproduktionspotenzial...... 44 Modell Smoltabstieg ...... 44 2

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Modell Aufstieg Laichfische ...... 44 6. Synthese und Diskussion ...... 54 Diskussion der Szenarien...... 54 Potenzielle Entwicklung und Eignung des Skjern Stammes...... 55 Favourable range ...... 58 Marine survival...... 59 Vergleich mit Rhein und Maas ...... 61 Wiederansiedelungsprojekte in der Weser ...... 62 Schwarm-Mindestgrößen...... 65 Schlussfolgerung und Auswirkungen auf die Gewässersysteme ...... 66 Zusammenfassung der Kernpunkte...... 69 Literaturverzeichnis...... 71 Anhang ...... 77 Anhang I: Nach Sup-Populationen getrennte Grafiken für den Ab- und Aufstieg ...... 78 Anhang II: 90 % Aufstiegswahrscheinlichkeit (Szenario 2c) ...... 88 Anhang III: Angaben zum marine survival von Lachsen aus dem Rheinsystem ...... 89 Anhang IV: Gewässer mit > 2,5 % Anteil Lachs an Gesamtfischreferenz und potentiellen Jungfischhabitaten...... 90

3

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

1. Hintergrund und Aufgabenstellung

Die in den Atlantik entwässernden großen Flusssysteme Deutschlands, wie Rhein, Elbe und Weser, waren bis Ende des 19. Jahrhunderts durch außerordentlich individuenreiche Bestände des Atlantischen Lachses gekennzeichnet. Der Lachs besaß als jährlich wiederkehrende, verlässlich verfügbare Ressource einen hohen ökonomischen Wert für die Anrainer. Die Weser zählte, ähnlich wie der Rhein, zu einem der bedeutendsten Lachsgewässer Kontinentaleuropas. Doch mit fortschreitender Industrialisierung verschwanden die einst großen Bestände. Der Niedergang des Lachses in der Weser, wie auch in den anderen Strömen, war entsprechend ein schleichender Prozess, der auch andere Wanderfischarten mit einschloss.

Die Ursachen für den Niedergang der Lachsbestände sind letztlich in allen Flusssystemen vergleichbar. Um die Jahrhundertwende begann die Schiffbarmachung der Weser. Hierfür wurden insgesamt acht Staustufen zwischen Bremen-Hemelingen und Hameln errichtet. Ähnlich dem Hauptwanderkorridor versperrten den Wanderfischen auch in den als Laichgewässer genutzten Zuflüssen immer mehr und zunehmend höhere Hindernisse den Weg zu den Laichgebieten. Hinzu kamen starke Beeinträchtigungen der Wasserqualität durch Abwässer aus Industrie, Haushalten und Landwirtschaft. Schließlich dürfte auch die Überfischung der bereits dramatisch zurückgehenden Bestände einen Einfluss gehabt haben. Die bereits im 19. Jahrhundert begonnene Bestandsstützung durch künstliche Vermehrung und Besatzmaßnahmen konnte das Aussterben des Lachses nicht verhindern. Mitte des 20. Jahrhunderts waren schließlich auch die letzten Lachse aus der Weser verschwunden.

Aus heutiger Sicht kommt dem Lachs eine erhebliche Bedeutung als ökologischer Indikator zu. Lachse stellen hohe Ansprüche an die Wasserqualität, und durch die nicht weniger hohen Ansprüche an die Habitatqualität und Durchgängigkeit des Wanderkorridors indizieren Lachsvorkommen eine gute Qualität der im Gewässer vorhandenen Strukturen. Mit Inkrafttreten der EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) wurde die rechtliche Grundlage für die Wiederherstellung und Entwicklung der strukturellen Qualität und Vernetzung einstiger Laichgewässer geschaffen. Damit rücken auch diejenigen nordrhein-westfälischen Zuflüsse der Weser, die historisch Lachsbestände aufwiesen, in den Fokus. In Niedersachsen sind bereits Wiederansiedelungsprogramme initiiert worden, die bis heute durch das Engagement

4

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

von Verbänden fortgesetzt werden.. Programme werden unter anderem in der Leine mit und , Ochtum, Wümme, Delme und Hunte getätigt.

Die vorliegende Studie soll vor diesem Hintergrund Mindest-Populationsgrößen für einen sich selbst erhaltenden Bestand Atlantischer Lachse im Wesereinzugsgebiet Nordrhein-Westfalens herausarbeiten. Der Populationsbegriff wird hier explizit im Sinne einer mehr oder weniger isolierten Fortpflanzungsgemeinschaft verwendet, die eine Mindestgröße haben muss, um lebensfähig zu sein. Die angestellten Berechnungen berücksichtigen dabei sowohl populationsdynamische als auch genetische Aspekte der Populationsökologie des Lachses.

Als zentrale Fragestellungen der vorliegenden Ausarbeitung sind zu nennen:

1. Welche Gewässer weisen historische Belege von Lachsvorkommen auf und sind vorrangig zu behandeln? 2. Welche (Sub-) Populationen lassen sich für die Weserzuflüsse Nordrhein-Westfalens abgrenzen und welche Vernetzungen zwischen den (Sub-) Populationen sind möglich? 3. Lassen sich definitive Mindest-Populationsgrößen berechnen? 4. Bilden die vorhandenen Habitatflächen ausreichende Voraussetzungen für den Selbsterhalt der (Sub-) Populationen? 5. Lassen sich die Systeme auch getrennt voneinander bewirtschaften? 6. Welchen Einfluss hat die eingeschränkte Durchgängigkeit des Hauptwanderkorridors Weser auf den Selbsterhalt der (Sub-) Populationen?

5

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

2. Populationsgenetische Grundlagen

Im Gegensatz zu anderen anadromen Wanderfischen, bspw. Meerneunauge (Petromyzon marinus) und Maifisch (Alosa alosa), zeigt der Atlantische Lachs (Salmo salar) auf seiner Laichwanderung vom Meer ins Süßwasser ein äußerst stark ausgeprägtes Heimfinde- Verhalten – das sogenannte homing. Dabei sucht der Lachs nicht nur mit hoher Präzision sein Geburtsgewässer auf, sondern laicht häufig sogar in der unmittelbaren Nähe seines Schlupfortes. Durch diese räumliche Aufteilung kann sich ein Bestand eines größeren Gewässersystems in verschiedene Sub-Populationen gliedern, die nur bedingt, bzw. nicht in genetischem Austausch miteinander stehen (ähnlich Meta-Populationskonzept, zur Definition von Populationen siehe Glossar). Ein präzises homing gewährleistet somit einerseits über viele Generationen die fortwährende Anpassung (Adaption) an die spezifischen Gegebenheiten des Gewässers. Andererseits werden nicht-adaptierte Fische (aus fremden Gewässern) weitestgehend von der Fortpflanzung mit lokal adaptierten Individuen ausgeschlossen. Die Folge sind Sub-Populationen, deren Unterschiede sich sowohl auf genetischer, als auch ökologischer Ebene zeigen können. Homing kann daher auch als „räumliche Isolation durch Verhalten“ interpretiert werden.

Aufsteigende Lachse finden ihr „Heimatgewässer“ vorrangig über den Geruchssinn auf. Eine Voraussetzung für ein erfolgreiches homing ist daher eine starke Prägung auf die stoffliche Zusammensetzung des Heimatgewässers. Diese Prägung findet während der (in unseren Breiten) ein oder zwei Jahre andauernden Süßwasserphase und insbesondere während der Abwanderung als sogenannter Smolt statt.

Das ausgeprägte homing des Lachses wirkt sich neben dem geringen Austausch genetischen Materials zwischen benachbarten Populationen auch zwangsläufig auf das Wieder- oder Erstbesiedelungspotenzial verwaister Gewässersysteme aus. Dennoch existiert ein gewisser Austausch und es werden (geographisch nahe gelegene) Gewässer ohne Lachsbestand (wieder-) besiedelt. Lachse, die in andere Flüsse anstelle ihres „Heimatgewässers“ aufwandern, werden als Streuner (engl. strayer) bezeichnet. Die Streunerrate liegt im Allgemeinen bei 3-5 % (Aas 2011). Die Ursachen für ein Abweichen vom homing-Verhalten sind noch nicht vollständig verstanden. Streunen ist jedoch nicht einfach mit einer Fehlleistung des Individuums gleichzusetzen, da es eine Grundlage für das

6

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Wiederbesiedlungspotenzial darstellt und auch die Inzuchtgefahr bei kleinen Populationen reduzieren kann (s.u.). Möglichweise lassen sich Streuner auch über Geruchsreize (Pheromone) von jungen Lachsen oder von bereits in das fremde Gewässer aufgestiegenen adulten Artgenossen leiten. Als Faktoren, welche die Streunerrate erhöhen, sind Besatzmaßnahmen mit abwanderbereiten Smolts (die nur kurz auf das Heimatgewässer geprägt sind) und ein verhinderter Aufstieg in das Heimatgewässer bekannt (z.B. durch Querbauwerke, niedrige Wasserführung, chemische oder thermische Belastungen, etc.), aber auch Wasserführung und Populationsgrößen im fremden Gewässer können einen Einfluss ausüben. Am häufigsten werden durch Streuner solche Gewässer aufgesucht, deren Mündungen in relativer räumlicher Nähe zum eigentlichen Geburtsgewässer liegen (Jonsson et al. 2003). Hieraus ergibt sich, dass der genetische Austausch durch Streuner in räumlich eng gekoppelten Systemen theoretisch am höchsten ist.

Durch das präzise homing des Lachses einerseits und durch das Streunen andererseits ergeben sich Auswirkungen auf die Integrität unterschiedlicher Populationen. Um diese zu verdeutlichen soll zunächst die Bedeutung der genetischen Vielfalt dargestellt werden.

Genetische Vielfalt

Der Lachs ist ein diploider Organismus, d.h. er besitzt zwei Chromosomen, auf denen die Gene, die für das Erscheinungsbild (Phänotyp) jedes Individuums verantwortlich sind, lokalisiert sind. Jedes Gen besitzt damit zwei Ausprägungsmöglichkeiten, die sogenannten Allele. Es können entweder zwei gleiche (Homozygotie) oder zwei unterschiedliche Allele (Heterozygotie) vorliegen. Verschiedene Allele entstehen bspw. durch Mutationen in der DNA-Sequenz der Gene oder durch Rekombination. Meist dominiert ein Allel (dominant) das andere (rezessiv) in der Ausprägung. Sind beide Allele gleich beteiligt an der Ausbildung des Phänotyps spricht man von einer intermediären Ausprägung.

Die Gesamtheit aller Allele an sämtlichen Genorten aller Individuen einer Population wird als Genpool bezeichnet. Er stellt die Basis für die Adaptionsfähigkeit (Evolution durch natürliche Selektion, s.u.) an sich ändernde biotische und abiotische Umweltfaktoren dar. Ein zu kleiner Genpool verringert oder blockiert die Chancen der Evolution. Letztere ist dabei nicht als Prozess innerhalb eines Individuums, sondern vielmehr als fortwährende Optimierung durch natürliche Selektion von Generation zu Generation zu sehen. Die sich aus der Allelausstattung ergebenden Phänotypen stellen dabei den Angriffspunkt der Evolution (durch natürliche Selektion) dar. Jene Individuen mit höherem Fortpflanzungserfolg werden statistisch mehr

7

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Nachkommen erzeugen und ihre Allele in einer höheren Häufigkeit (Frequenz) an die nächste Generation weitergeben. Durch die Diploidie (und damit möglich Heterozygotie) werden dennoch seltene Allele im Genpool konserviert. Diese spielen gegebenenfalls unter aktuellen Umweltbedingungen nur eine untergeordnete Rolle, können sich jedoch bspw. als vorteilhaft für eine Anpassung an thermische Veränderungen in Folge des Klimawandels herausstellen. Zu einem großen Genpool trägt zudem eine hohe Zahl an Partnern beim Laichgeschäft bei. Für anadrome Lachse wurden bis zu 18 verschiedene Geschlechtspartner festgestellt. Zusammen mit der Teilnahme von frühreifen Männchen (geschlechtsreife Parrs) erhöht dies die genetische Vielfalt innerhalb einer Lachspopulation erheblich. Frühreife Männchen sind in produktiven Gewässern sehr häufig; als Gruppe kann der Reproduktionserfolg dieser kleinen, noch nicht abgewanderten Junglachse bei rund 50% liegen (s.u.).

Dass sich die evolutionäre Anpassung einer Population an ein spezifisches Gewässer über mehrere Generationen erstreckt, stellt ein zentrales Problem bei der Wiederansiedelung von Lachsen dar. Über die Zeit haben sich bei natürlichen Populationen je nach Gewässersystem Anpassungen an die spezifischen Umweltbedingungen entwickelt, die u.a. die Laichzeit, Migrationsrouten und –zeiträume sowie die Verweildauer im Meer (1-See-Winter = 1SW vs. Multiple-See-Winter = MSW) betreffen. Da kein Weserlachs-Stamm mehr zum Aufbau neuer Populationen zur Verfügung steht, ist man hier auf Besatzmaterial allochthoner Herkunft (aus fremdem Gewässersystem) angewiesen. Im Wesersystem Nordrhein-Westfalens werden Lachse des dänischen Skjern-Stammes genutzt (Bartmann, mdl. Mtl.). Defizite dieser Spenderpopulation hinsichtlich der Anpassung an spezifische Gegebenheiten des Empfängergewässers, die vor allem in den ersten Generationen zum Ausdruck kommen, können sich bspw. in geringerem Reproduktionserfolg, hoher Mortalität und niedriger Rückkehrrate äußern. Die Wiederansiedlung des Lachses im nordrhein-westfälischen Wesereinzugsgebiet ist daher als kontinuierlicher Prozess anzusehen, der erst mit Ausbildung der nötigen Anpassungen an die Besatzgewässer abgeschlossen ist.

Eine breite Palette an sämtlichen Ausprägungen eines Allels - und damit ein großer Genpool - ist dabei von höchster Bedeutung für die Anpassungsfähigkeit und damit den Fortbestand einer Population. Unter rein theoretischen Gesichtspunkten sollte sich die Frequenz eines Allels von Generation zu Generation nicht ändern (Hardy-Weinberg-Gesetz). Verschiedene Annahmen müssen dafür jedoch getroffen werden.

• Die Population ist idealerweise unendlich groß

• Es findet keine natürliche Selektion statt 8

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

• Es gibt keine Migration (Genfluss) zwischen verschiedenen Populationen

• Es gibt keine Mutation (= Alleländerungen) in der DNA-Sequenz

• Die Paarung basiert auf rein zufälliger Auswahl des Geschlechtspartners

Unter natürlichen Umständen trifft meist keine dieser Annahmen zu. Bei großen Populationen wird der Genpool dennoch erstaunlich gut „konserviert“. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass vor allem kleine Populationen verstärkt Änderungen in der Frequenz der Allele erfahren können.

Probleme kleiner Populationen

Kleine und ggf. räumlich fragmentierte Populationen sind von Natur aus fragiler und weniger stark gegen negativ wirkende Faktoren abgepuffert. Zufallsereignisse fallen daher bei kleinen Populationen mehr ins Gewicht als bei großen und gesunden (und damit „robusten“) Populationen. Geschwächte oder im Aufbau befindliche Lachspopulationen sind daher von einer Reihe von Problemen betroffen, die in unterschiedlicher Intensität auftreten können.

Der Genpool einer kleinen Population wird von Genetischer Drift übermäßig stark betroffen. Dabei wird die Vererbung von verschiedenen Allelen nicht durch die natürliche Selektion, sondern durch Zufallsereignisse bestimmt. Seltene Allele können so verloren gehen, während andere fixiert werden. Das Resultat ist eine Verarmung des Genpools. Zu dieser Verarmung trägt auch bei, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich nahe verwandte Individuen paaren (Inzucht), mit kleiner werdender Populationsgröße erhöht. Die Folge ist Inzuchtdepression, welche zu verringerter Fitness (geringere Fruchtbarkeit und Überlebensraten) der Nachkommen führen kann. Die erfolgreiche Teilnahme von Streunern mit vorteilhafter genetischer Ausstattung am Laichgeschäft (Genfluss) kann Inzuchteffekte abdämpfen und ist zudem eine wichtige Komponente, um einen gesunden Genpool zu erhalten. Unter gewissen Umständen kann es jedoch zu Auszucht (outbreeding) kommen.

Outbreeding kann entstehen, wenn sich populationsfremde, nicht an die spezifischen Gewässerbedingungen angepasste Individuen mit Individuen einer lokalen Population reproduzieren. Meist haben die Nachkommen dieser unangepassten Individuen eine geringere Fitness und werden in großen Populationen durch natürliche Selektionsprozesse „ausselektiert“. Gerade in kleinen Populationen können jedoch ähnliche Effekte wie bei der Inzuchtdepression auftreten und eine Gefahr für den Fortbestand darstellen (Houde et al. 2011). Inzucht und outbreeding sind zudem schleichende Prozesse, deren negative Auswirkungen sich gegebenenfalls erst nach einigen Generationen zeigen. 9

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Dennoch ist outbreeding (Genfluss; erfolgreiche Fortpflanzung von Streunern) eine äußerst wichtige Komponente, um den Genpool gesunder Populationen zu vergrößern und der natürlichen Selektion Angriffsfläche zu bieten. Genfluss scheint sogar die Voraussetzung für das Überleben extrem kleiner Populationen zu sein (s.u.).

Zensus vs. genetisch effektive Populationsgröße

Das Auftreten und die Auswirkungen von genetischer Drift, Inzuchtdepression und outbreeding-Depression hängen in hohem Maße von der Populationsgröße und dem zugrunde liegenden Genpool ab.

Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der erfolgreich reproduzierenden Individuen im Rahmen der Naturvermehrung grundsätzlich kleiner ist als die Zahl der Rückkehrer und somit die Anzahl der rückkehrenden Laichfische nicht mit der Populationsgröße im genetischen Sinn gleichgesetzt werden kann. Die „genetisch effektive Populationsgröße“ Ne gibt an, wie viele

Individuen des Gesamtbestandes Nc (census population size) tatsächlich an der Reproduktion und damit an der Weitergabe ihrer genetischen Ausstattung beteiligt sind. Bei vielen

Tierpopulationen beträgt Ne nur 10% von Nc. Für den Lachs besteht hier noch großer Forschungsbedarf, die Rate dürfte jedoch weit höher liegen, wie das Überleben verschiedener kleinerer Populationen zeigt.

Nach Ansicht von Genetikern gilt statistisch gesehen eine effektive Populationsgröße von Ne = 50 bis 100 Tieren (50 % Rogner, 50 % Milchner) für kurze Zeiträume als kritischer Wert. Unterhalb dieser Grenze ist das Auftreten von Inzuchtdepression wahrscheinlich (Nielsen et al. 2001; Consuegra et al. 2005). Auf einen längeren Zeitraum bezogen ist eine effektive

Populationsgröße von Ne = 500 pro Sub-Population notwendig, um einen stabilen Genpool zu erhalten. Beim Atlantischen Lachs stellen Rogner den limitierenden Faktor dar, da sie üblicherweise - aufgrund der Häufigkeit frühreifer Männchen und höherem Anteil an MSW- Fischen - die anteilsschwächere Gruppe ausmachen. Da sich die Reproduktion einer Generation über einen Zeitraum von 3-5 Jahren erstreckt, sind rechnerisch 100 – 167

„effektive Elternfische“ pro Jahr für eine stabile Population von Ne = 500 Tieren notwendig.

Ein Ne von 10% des Nc würde bedeuten, dass ein Bestand von weniger als 5000 Rückkehrern in drei bis fünf Jahren (Nc < 1000-1667/Jahr) auf Dauer nicht überlebensfähig sein kann. Die Existenz diverser kleinerer Populationen in Nordspanien - mit teilweise deutlich weniger als

10

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

100 Rückkehrern pro Jahr - zeigt jedoch, dass der Lachs wesentlich flexibler und genetisch robuster sein könnte, als theoretisch erwartet.

Diese von Consuegra et al. (2005) untersuchten Populationen verteilen sich auf die Flüsse Deva, Nansa, Pas und Asón, deren Mündungen innerhalb von 100 km entlang der Küste Nordspaniens liegen. Der Genpool einer jeden Population wurde mit den Genpools intakter, größerer Populationen in Schottland verglichen. Es wurde dabei beobachtet, dass sich die genetische Vielfalt der spanischen Populationen – auch im historischen Kontext einer negativen Entwicklung der Populationsgröße - nicht signifikant von den schottischen unterscheidet. Die berechnete Anzahl des Ne schwankt dabei zwischen 12 und 31, bzw. 38 bis 175 (Grundlage genetische Marker), und 121 bis 499 (demographisch). Alle Werte unterschreiten damit dauerhaft das theoretische Minimum von Ne = 500, bzw. Nc = 5000 Individuen.

Auch Säisä et al. (Säisä et al. 2003) zeigten, dass die Heterozygosität der Population im finnischen Iijoki bei einem Ne von < 80 Individuen gleich blieb. Die schwächsten Jahrgänge wiesen hier einen Ne von lediglich 13 Individuen auf.

Consuegra et al. (2005) führen diesen Umstand auf einen regen Genfluss, also das Auftreten und den Austausch von Streunern (s.u.), zwischen den Systemen zurück. Dabei reicht theoretisch bereits ein Streuner pro Jahrgang aus, um die genetische Vielfalt zu erhalten. Die allgemein angenommene Streunerrate von 2-3 % (Aas 2011) kann je nach Bestand stark variieren. Jonsson et al. (Jonsson et al. 2003) wiesen bei künstlich vermehrten Lachsen eine Rate von 15 %, bei wilden Fischen von 6 % nach. Dabei suchten 80 % der Streuner Fließgewässer auf, die im Umkreis von 60 km um das Heimatgewässer verteilt liegen.

Solche extrem kleinen Populationen sind demnach wahrscheinlich in höchstem Maße auf genetischen Austausch mit Nachbarsystemen angewiesen, um auf Dauer bestehen zu können. Dennoch ist auch hier zu berücksichtigen, dass - auch wenn die Population unter jetzigen Bedingungen stabil ist – die Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Umweltbedingungen durch einen kleinen Genpool eingeschränkt ist und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Population statistisch (!) geringer ist als bei Vorhandensein eines größeren Genpools. Zusätzlich sind extrem kleine Populationen anfälliger gegenüber Katastrophen. Daher können hier auch kleinere Störungen extreme Auswirkungen haben und den Fortbestand bedrohen.

Die Ursachen für eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen Ne und Nc sind vielfältig. Als häufige Faktoren sind aufzuführen, 11

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

• dass sich nicht alle Rückkehrer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einfinden (timing)

• dass das Geschlechterverhältnis ungleich ist

• dass sich die individuelle Fruchtbarkeit der Rückkehrer unterscheiden kann

• dass nicht alle Rückkehrer (vor allem subdominante anadrome Männchen) erfolgreich an der Reproduktion teilnehmen (soziale Struktur, Schwächung, Besamung von Eiern erst nach der Besamung durch dominanten Milchner)

• dass nicht alle Tiere bis zum Laichakt überleben (z.B. durch Krankheiten, Verletzungen, Prädation, Fang)

• dass einige Tiere aufgrund ihrer sozialen Dominanz (Männchen) oder ihres Körpergewichts (bedingt die Eizahl bei Rognern) einen höheren Reproduktionserfolg als andere haben.

Neben den anadromen Rückkehrern sind frühreife Männchen für die effektive Populationsgröße äußerst relevant. In vielen Gewässern sind sie zahlreich vertreten und können sich außerordentlich effektiv an der Reproduktion beteiligen. Durch ihre geringe Körpergröße können sie beim Laichakt meist unbemerkt in die Laichgrube einfallen und ihre Spermien abgeben. Durch die dominanten anadromen Männchen sind sie dabei kaum abzuwehren. Die Spermien der frühreifen Männchen sind agiler und langlebiger und ihr Anteil ist im Vergleich zum Körpergewicht höher als bei den anadromen Männchen. Die Befruchtungsraten können um die 50% liegen, jedoch bis 100% reichen (vgl. Verspoor et al. 2007; Grimardias et al. 2010). Je höher der Anteil frühreifer Männchen am Laichplatz ist, desto geringer ist zwar ihr individueller Reproduktionserfolg, aber umso höher ist der Gesamterfolg der Frühreifen gegenüber den anadromen Männchen. Das Auftreten frühreifer Parrs erhöht somit die effektive Populationsgröße – insbesondere dann, wenn nur wenige anadrome Männchen an der Reproduktion beteiligt sind. Ohne die Beteiligung frühreifer Männchen am Laichgeschäft dürften viele kleine Populationen nicht lebensfähig sein.

Ein hoher Anteil frühreifer Männchen am reproduktiven Bestand trägt aber nur bedingt zur Erhöhung der effektiven Populationsgröße bei. Liegt ein Missverhältnis in der Geschlechterverteilung vor, kann die effektive Populationsgröße mit folgender Formel ausgedrückt werden:

12

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

4NmNf

Ne = –––––– (m = Männchen; f = Weibchen)

Nm + Nf

Bei 90 Milchnern und 10 Rognern läge hier die Gesamtzahl reproduzierender Individuen zwar bei 100, die effektive Populationsgröße Ne entspräche jedoch nur 36 Tieren. 1 Rogner und eine sehr hohe Anzahl Milchner ergäben eine Populationsgröße Ne von etwa 4. Unter der Annahme, dass ausreichend frühreife Männchen am Laichplatz vorhanden sind, stellen also anadrome Rogner in hiesigen Gewässern grundsätzlich den limitierenden Faktor hinsichtlich der effektiven Populationsgröße dar.

Ein weiterer äußerst wichtiger Faktor sind Streuner. Ihr Einfluss bzw. ihr reproduktiver Erfolg auf der Populationsebene ist umso höher, je geringer die Populationsgröße und je geringer die genetische Distanz zur autochthonen (heimischen) Population ist. Hinsichtlich der effektiven Populationsgröße sind nur „effektive Streuner“ (effektive strayers) relevant. Streunerraten variieren erheblich und in vielen Regionen mit hohen Raten bilden ausgebrochene Farmlachse den Großteil populationsfremder Individuen. Das Problem streunender Farmlachse sind die Hybrid-Nachkommen (Farmlachs x Wildfisch), deren Fitness um 15-30% geringer ist als bei Nachkommen von Wildfische (Verspoor et al. 2007). Dieser Effekt dauert etwa drei bis vier Generationen an. Neuere Studien zeigen jedoch, dass der Reproduktionserfolg von Farmlachsen geringer ist, als bei Wildfischen (Verspoor et al. 2007).

Von Bedeutung für die effektive Populationsgröße Ne sind auch genetisch gesteuerte zeitliche Aspekte der Reproduktion, wie z.B. die Laichzeit (spawning time). Gerade in kleinen Gründerpopulationen fallen Misserfolge eines Teils der Rückkehrer bei der Reproduktion bzw. der Ei- und Larvalentwicklung besonders ins Gewicht, weil hierdurch die effektive Zahl der Laichfische eingeschränkt wird. In solchen Fällen wäre die Ne also geringer als bei zeitlich optimal laichenden Herkünften. Durch mangelhafte Übereinstimmung der Laichzeit (lack of timing) innerhalb der Gründerpopulation kann die effektive Populationsgröße ebenfalls sinken, wenn sich laichreife Tiere außerhalb des Zeitfensters am Laichplatz einfinden. Durch Vermeidung von Mischbesatz und Beachtung der Übereinstimmung der Laichzeit von Spender- und historischer Population im Empfängergewässer lässt sich das Problem des eingeschränkten Reproduktionserfolges aufgrund mangelhaftem timings jedoch minimieren (Schneider 2002, 2011). 13

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Überlebens- und Rückkehrerraten

Die Überlebensrate vom Ei zum Smolt ist abhängig von einer Reihe, oft gewässerspezifischer, Gegebenheiten. Bei Auswertung von Daten aus 275 verschiedenen Populationen zeigte sich eine mittlere Überlebensrate von 1,5 % (Hutchings und Jones 1998). Eine relativ geringe Mortalität liegt dabei in der Interstitial-Phase vor, wo die immobilen Larven zwar abiotischen und anthropogen verursachten Beeinflussungen des Kieslückensystems ausgeliefert, jedoch vor Fressfeinden weitestgehend geschützt sind. Zu den anthropogenen Ursachen für erhöhte Ei- und Larvalmortalität zählt eingetragenes Feinsediment (bspw. aus Mais-Monokulturen) und die damit verbundene Verstopfung des Kiesbettes (Kolmation). Nach der Larvalphase, wenn die Brut nach Aufzehren des Dottervorrats aus dem Kieslückensystem aufsteigt (Emergenz) und mit der eigenständigen Nahrungsaufnahme beginnt, treten innerhalb der ersten 6-8 Wochen die höchsten Verluste (bis über 90%) auf. Als Hauptursachen sind Fraßdruck (vgl. Krau 2011), Konkurrenzeffekte, Nahrungsmangel und hydrologische Ereignisse (Hochwasser, Niedrigwasser) zu nennen. Entsprechend ist ein günstigster, auf die Umweltbedingungen abgestimmter Zeitpunkt des Aufschwimmens ein wichtiger Überlebens- und Auslesefaktor (Schneider 2002).

Bei der Analyse von 275 verschiedener Lachspopulationen zeigte sich eine mittlere Überlebensrate vom Ei zum Smolt von 1,5% (0,2-3,2%; Hutchings 1998). In den produktiven Zuflüssen des Rheins wird eine Überlebensrate von ca. 2% angenommen (Schneider 2009). Je nach Art und Anzahl der flussab zu überwindenden Hindernisse sowie der zurückzulegenden Strecke bis zum Meer ist die Überlebensrate vom Smolt zum Post-Smolt hoch variabel und zwischen verschiedenen Systemen nur bedingt vergleichbar. Basierend auf den Überlebensraten vom Ei zum Smolt und den weiter oben dargelegten Berechnungen kann jedoch ein Management-Ziel formuliert werden, dass den variablen Faktor Abstiegsmortalität in Form eines Puffers beinhaltet.

Für das Rheinsystem wird entsprechend als Management-Ziel eine Rückkehrrate von 3% für eine langfristig stabile, expandierende Population angestrebt (Schneider 2009; Annahmen: Geschlechterverhältnis 1:1, Reproduktionserfolg 75%). Für die Weser geben Thiel und Magath (2011) 2,75 % Rückkehrerrate für den Selbsterhalt zukünftiger Populationen an. Dieser Wert wird als Grundlage für Berechnungen genutzt. Dabei ist zu beachten, dass sich die Anzahl tatsächlich benötigter Rückkehrer verändern kann:

14

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

• durch genetischen Austausch zwischen räumlich nah benachbarten Populationen sowie Teilnahme von frühreifen Parrs am Laichgeschäft wird die effektive Populationsgröße erhöht, sodass die benötige Mindestanzahl an Rückkehrern niedriger ausfallen kann

• bei einem hohen Anteil an weiblichen MSW-Fischen kann die benötigte Anzahl von Rückkehrern (aufgrund der höheren relativen Eizahl/kg Körpergewicht) geringer ausfallen

• umgekehrt kann bei hohem Grilse-Anteil und einem eher ausgeglichenem Geschlechterverhältnis eine höhere Anzahl an Rückkehrern für den Bestandserhalt notwendig sein

Zur Beurteilung notwendiger (Sub-) Populationsgrößen bei der Wiederansiedlung von Lachsen im nordrhein-westfälischen Wesereinzugsgebiet ist es im Hinblick auf die getroffenen Vorbemerkungen unerlässlich, sich die jeweilige Betrachtungsebene zu verdeutlichen. Grundlage aller oben aufgeführten Berechnungen sind jeweils die (weitestgehend genetisch isolierten) eigenständigen Subpopulationen eines jeden Gewässersystems, bzw. nah benachbarter Gewässer. Die Formulierung einer konkreten Mindest-Populationsgröße für den Lachs im gesamten nordrhein-westfälischen Wesereinzugsgebiet wäre durch die geographische Lage und unterschiedliche Größe der potenziellen Laichgewässer irreführend und kontraproduktiv. Die Auswahl der für eine Wiederansiedelung des Lachses im Wesereinzugsgebiet Nordrhein-Westfalens relevanten und geeigneten Gewässer basiert dabei in erster Linie auf der Auswertung historischer Belege sowie der aktuellen oder zukünftig erreichbaren Qualität des vorhandenen Laichhabitats. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet und die Historie des Lachses in der Weser werden daher im Folgenden dargestellt.

15

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

3. Historie

Die Weser war laut historischen Aufzeichnungen nach dem Rhein der bedeutendste Lachsfluss Deutschlands (Wittmack 1875; Häpke 1880). Der Lachsfang hatte daher entlang des Flussverlaufs einen hohen Stellenwert. Wegen seiner Großwüchsigkeit wurden Eier bspw. nach Irland exportiert, um den robusten „Weserlachs“ in kleinwüchsigere irische Stämme einzukreuzen. Mitte des letzten Jahrhunderts war vor allem die Oberweser (oberhalb Porta Westfalica) noch ein „streckenweise wild gischtender Lachsfluss“ (unveröffentlichte Informationen BR Detmold). Der fortschreitende Bau von Staustufen und Begradigungen zur Schiffbarmachung der Weser sowie starke Belastungen durch Abwässer aus Industrie (hier vor allem Kalibergbau im Werra-EZG) und Landwirtschaft sowie Kommunen führten jedoch zum Niedergang der einst starken Lachspopulationen. Auch die anhaltende intensive Fischerei auf Laichfische tat ihr Übriges. Mitte des letzten Jahrhunderts waren die letzten Lachse aus dem Wesergebiet verschwunden.

Fischerei

Zahlenmäßig lagen die Erträge der Lachsfischerei in der Weser weit hinter denen des Rheins zurück (siehe Abbildung 1). Legt man jedoch die Größe des Einzugsgebiets und die lückenhafte Fangstatistik (vgl. Konken 1934) zu Grunde, zeigt sich die große Bedeutung des Wesersystems für den Lachs.

Abbildung 1: Lachsfänge 1894-1932 zwischen Hameln und Elsfleth (links); Lachsfänge 1875 bis 1925 im niederländischen und deutschen Rheingebiet (rechts). (Quelle: ARGE Weser 1996; IKSR)

16

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Das Hauptfanggebiet in der Oberweser lag an der 1886/87 fertig gestellten Staustufe Hameln (bereits 1734 Erbauung der ersten Weserschleuse zur Überwindung des „Hamelner Loches“, s. Abbildung 2).

Abbildung 2: Lachsfangboot an der Staustufe Hameln. (Undatierte Postkarte)

Wie aus den Daten von Konken (1934) ersichtlich ist (s. Tabelle 1) wurde der dort errichtete Fischpass nur von einem geringen Anteil der beobachteten Lachse benutzt. Ein Großteil der Lachse wurde unterhalb der Staustufe abgefischt.

17

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 1: Lachsfänge an der Staustufe Hameln. (Quelle: Konken 1934)

Aus den Daten ist dennoch ersichtlich, dass relativ viele Lachse - trotz der steigenden Anzahl an Wanderhindernissen im Hauptwanderkorridor seit der Jahrhundertwende - immer noch weit in die Weser aufstiegen. Dies zeigt, wie individuenstark die unterschiedlichen Populationen des Lachses in der Weser einst gewesen sein müssen. Konken (1934) weist darauf hin, dass die Fangstatistiken erst ab 1894 „einigermaßen zuverlässig“ sind. Konkrete Aussagen über die Lachsfänge und die tatsächliche Größe der Populationen vor Erbauung der Querbauwerke sind somit nicht möglich.

Ähnlich dem Rhein sind die nur allmählich zurückgehenden Fangzahlen auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. So ermöglichten es beispielsweise neue Fangmethoden die schwindenden Bestände immer effizienter zu befischen und sorgten so für einen relativ konstanten Ertrag (de Groot 1992). Der endgültige Einbruch der Bestände begann mit der Fertigstellung der acht Weserstaustufen und der Edertalsperre Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese schnitt weite Teile des Hauptlaichgebiets des Lachses in der Weser vom Wanderkorridor ab (s.u.).

Stamm-spezifische Parameter

Den negativen Trend der Bestandsentwicklungen konnten auch die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts begonnenen Besatzmaßnahmen nicht kompensieren. Nach der Fertigstellung des Hamelner Wehrs in 1886/87 wurden die dort gefangen Lachse abgestreift und in Hemeringen und Schlikertsbrunnen künstlich erbrütet. Konken (1934) führt für diese Aufzuchtanlagen in „besten Zeiten“ Eizahlen von 900.000 bis 3.000.000 Stück auf. Aus den Angaben zu abgestreiften Laichfischen und gewonnenen Eizahlen lässt sich die absolute Fruchtbarkeit berechnen (s. Tabelle 2). 18

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 2: Mittlere absolute Fruchtbarkeit aller in Hameln gefangenen Rogner. (Quelle: Konken 1934)

Die so errechnete mittlere Eizahl von ca. 8.151 Eiern pro Rogner deckt sich mit der vielfach erwähnten Großwüchsigkeit des Weserlachses. Mit den erbrüteten Jungfischen wurde unter anderem die Exter besetzt (jährlich ca. 25.000 Individuen).

Abbildung 3: Mittleres Gewicht der zwischen 1928 und 1931 in der Weser gefangenen Lachse. (Quelle: Konken 1934)

Abbildung 3 zeigt das Durchschnittsgewicht der zwischen 1928 und 1931 in der Weser gefangen Lachse. Auch hier drückt sich der hohe MSW-Anteil des ehemaligen Weser- Lachsstammes in den hohen mittleren Gewichten aus.

Point of no return

Anhand der Fangzahlen ist es (ähnlich wie am Rhein) nicht möglich eine Aussage über die einstige Größe der ehemaligen Bestände treffen (de Groot 1992). Oft fehlen Angaben über Fänge aus den Nebengewässern, vor allem aus den kleineren, nicht kontrollierten Zuflüssen (AFGN 1997). Darüber hinaus gibt es keine Angaben über wichtige Parameter, wie bspw. den Umfang der Smoltabwanderung oder auch Fangeffizienz auf die Laichfische, 19

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Aufstiegsfrequenz über Schleusen und Fischtreppen und ähnliches. Die vorliegenden historischen Daten können folglich nicht als Grundlage für die Abschätzung von Mindest-Populationsgrößen herangezogen werden.

Da die großen Lachsfänge zum überwiegenden Teil im Hauptstrom selbst und damit dem Wanderkorridor getätigt wurden, setzten sich die dort gefangenen Fische zudem aus Individuen verschiedener Sub-Populationen der oberhalb der Fanglokalität liegenden Laichgewässer zusammen. Aufgrund der dargestellten mehr oder weniger starken Isolation einzelner Lachs-Populationen waren zahlenmäßig schwächere (und dadurch natürlicherweise fragilere Bestände), vergleichbar zur marinen mixed-stock-fishery, wohl zuerst betroffen.

Rückschlüsse auf den endgültigen Zusammenbruch bzw. das Erlöschen einzelner Bestände lassen sich daher nur, falls vorhanden, aus historischen Quellen für einzelne Gewässer rekonstruieren, wie bspw. an der Kalle (s.u.).

Neben dem unklaren Faktor Fischerei stellte in der Weser vor allem die Verschmutzung durch Abwässer aus dem Kali-Bergbau an der Werra ein großes Problem dar. Das Problem wurde früh erkannt (vgl. Konken 1934), kann in seinen Auswirkungen auf das Wanderverhalten anadromer Wanderfische jedoch nur schlecht quantifiziert werden (Schneider 2001). Zweifelsohne dürfte die Intensität der Kontaminierung der Weser ungleich höher gewesen sein, als in den letzten Jahren und so zu dem Niedergang des Lachses in nicht zu unterschätzendem Maße beigetragen haben.

Durch das komplexe Wechselspiel unterschiedlichster Faktoren, sowie die unbekannte Größe der einstigen Populationen lässt sich daher kein point of no return für die historischen Populationen des Lachses in der Weser formulieren.

20

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Historische Verbreitung in der Weser

Das Hauptlaichgebiet des Lachses lag im Wesergebiet eindeutig in der Eder und ihren Zuflüssen. V.d. Borne berichtet (1882): „Der Lachs steigt in der Fulda nur bis zur Mündung der Eder auf und geht dann in diesen Fluß hinauf, wo er seine besten Laichplätze hat.“ und „Die Eder war von jeher der Lieblingsfluss des Weserlachses“. Größere Fänge wurden bei Wolfershausen („Vor 1669 wurden bei Wolfershausen nicht selten bis 300 Lachse in einem Jahre gefangen […]“), in späteren Jahren in der Region um Frankenberg und Battenberg verzeichnet (v.d. Borne 1882; Hoffmann 2010). Mit dem Bau der Edertalsperre wurde jedoch mit einem Zug der größte Teil der Laichgebiete im Oberlauf der Eder abgeschnitten. Hinzu kam die nun starke (auch thermische) Beeinträchtigung des Unterlaufs durch den Schwallbetrieb des Edersee-Wasserkraftwerks.

Lachsvorkommen gab es auch in der Diemel und ihren Zuflüssen, unter anderem der Eggel, vereinzelt in der oberen Fulda, Schwalme und Werra (v.d. Borne 1882). In Niedersachsen wiesen neben anderen kleineren Gewässern u.a. die Örtze, Eiter, Ochtum, Hunte, Leine, Innerste und die Aller (mit Oker) Lachsaufstiege auf (v.d. Borne 1882; Konken 1934).

Auch im nordrhein-westfälischen Wesereinzugsgebiet reproduzierte der Lachs erfolgreich. Die historisch belegten Laichflüsse umfassen die Werre mit Bega und Aa (Johannisbach), Kalle, Exter, Emmer, Nethe mit der Aa (Hoffmann 2010) sowie die Bückeberger Aue und Eggel (Hoffmann 2010). Aufgrund lückenhafter Dokumentation und der einst weiten Verbreitung des Lachses in der Weser kann man jedoch davon ausgehen, dass auch andere Systeme (Sub-) Populationen aufwiesen.

Verbreitung in den Fischregionen

Zweifelsohne liegt ein großer Teil der (auch aus historischen Quellen bekannten) bevorzugten Laichgebiete des Lachses in den Äschenregionen der Fließgewässer. Es zeigt sich jedoch, dass sich in Abhängigkeit von der vorhandenen Habitatqualität die Laichgebiete des Lachses (entgegen der Darstellung in Adam et al. 2000) nicht nur auf die Äschenregionen beschränkten, sondern sich großflächig in die untere Forellenregion erstrecken. Auch in der Barbenregion können geeignete Habitate zu finden sein. Beispiele für „Forellenbäche“ als Reproduktionsgewässer finden sich bei Fritsch (1893) bezüglich verschiedener kleinerer Elbzuflüsse, oder bei Landau (1865) hinsichtlich der Ederzuflüsse Itter und Nuhne. Für das

21

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Emsgebiet berichtet Konken (1934) von Lachsfängen in der Großen Süderbäke bei Linswege. In dem nur ca. 1,5 m breiten Bach laichten jährlich bis zur Erbauung des Wehres bei Westerstede zwischen 20 und 50 Lachse. Die Gewichte reichten hier von 12 bis 25 Pfund. Für das Jahr 1906 ist der Fang von 29 Lachsen – größter Lachs ca. 40 Pfund – für die Große Süderbäke bei Westerstede verbürgt (Konken 1934). Seiler (1999) führt verschiedene Zuflüsse der Mosel als Laich- und Jungfischhabitate auf, so bspw. den Biewerbach (Länge 13 km / Einzugsgebiet 26,3 km²), Foehrenbach (11,2 km / 22 km²), Feller Bach (16,7 km / 49,4 km²), Welschbilligerbach (11,1 km / 33,1 km²) als direkte Zuflüsse der Mosel und den Konzer Bach (6,4 km / 16 km²) als Zufluss der Saar. Auch die hessische Wisper, in der 2003 die erste Naturvermehrung nachgewiesen wurde, ist als wahrscheinliches ehemaliges Lachsgewässer der unteren Forellenregion zuzurechnen. Im Rhein stieg der Lachs weit auf, um dort unter anderem „in zahllosen kleineren Flüssen und Bächen der Voralpen und des Mittellandes“ zu laichen und auch in der Schweiz gelten kleinere Gewässer wie bspw. Önz (24 km / 96 km²), Wyna (Länge 32 km), Surb und andere Bäche als potenzielle Laichgewässer (Mertens 2011). Auch im nordrhein-westfälischen Naafbach (22,7 km / 45,9 km²) wurde bereits eine umfangreiche Naturvermehrung festgestellt (Nemitz, mdl. Mtl.).

Kleinere Salmonidengewässer scheinen vor allem dann genutzt zu werden, wenn diese direkt in den Hauptstrom einmünden. Das Fehlen von Kolken als Refugialräume zwischen einzelnen Laichetappen stellt höchstwahrscheinlich den limitierenden Faktor dar. Im Falle einer direkten Einmündung in den Hauptstrom stehen diese Unterstände jedoch in großem Umfang dort bereit. Ein weiterer Faktor könnte sein, dass bei der Einmündung kleinerer Gewässer in die Äschenregion des nächst größeren Gewässers dort ausreichend bevorzugtes Habitat zur Verfügung steht. Eine Nutzung der kleinen Bäche würde dann natürlicherweise bei dichter Besiedelung des größeren Gewässers stattfinden. Die Besiedelung kleiner Zuflüsse der Eder (vgl. Landau 1865) dürfte ein solches Beispiel sein.

Neben den Gewässern der Forellen- und Äschenregionen kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Weser selbst als Lachhabitat in Betracht. Oberhalb Hameln sollen im Hauptstrom der Weser „zahlreiche Laichplätze“ gelegen haben (AFGN 1997). Die Oberweser wird dem LAWA-Fließgewässertyp 10 „Ströme des Mittelgebirges“, in NRW „Schottergprägter Strom des Deckgebirges“ mit der Leitart Barbe zugeordnet. Der Verlauf der Oberweser zeichnet sich durch weitestgehend natürliche Strömungsverhältnisse und Gewässerverlauf sowie eine relativ geringe Tiefe aus. Wenn sich Nährstofffracht und andere Belastungsquellen – vor allem die Salzbelastung aus dem Kalibergbau (vgl. Schneider 2001) -

22

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

verringern, könnte das überwiegend kiesige Substrat und die variable Strömung der Oberweser durchaus geeignete Habitate zur Reproduktion bieten. Die räumliche Ausdehnung und Qualität und tatsächliche Eignung dieser vermuteten potenziellen Laichgründe im Hauptstrom sind bisher – wohl vor allem aufgrund methodischer Probleme – nicht untersucht worden und bedürfen dringender Klärung.

Natürliche Reproduktion im Hauptstrom (neben Notablaichungen unterhalb verschiedener Querbauwerke, bspw. Lahnmündung) ist auch aus anderen Gewässern bekannt. Dabei spielt die Gewässertiefe bei der Laichplatzwahl der Lachse offensichtlich eine untergeordnete Rolle. So schreibt Lauterborn (in: Lauterborn 2009 S. 73) über den Hochrhein (Barbenregion) zwischen Thur-Mündung und Rheinfall: „Welch anderes Bild bot gerade diese Strecke bei meinen Besuchen 1908-1911, die in die letzten Tage des Novembers fielen. Überall war um diese Zeit bei 9,2°C Wassertemperatur das Laichgeschäft der Lachse in vollem Gang. Die zahlreichen Laichgruben, bis 3 m lang und 1 m breit, waren im Rheinbett zwischen Rheinau und Ellikon ausschließlich auf losen nicht zu groben Kiesbänken der Ufer angelegt, und zwar etwa 1,5 bis 2 m tief, niemals aber auf „schwarzem Boden“, wie die Fischer sagen, den von dunkelgrünen Moosen überwucherten und Kalkalgen zu festen Sinterbänken verkitteten kopfgroßen Geröllen der Tiefe.“

Diese Schilderung deckt sich mit Beobachtungen am russischen Varsuga, wo ebenfalls regelmäßig Laichgruben in größeren Tiefen (bis 2 m) beobachtet werden (Veselov A., Schneider, mdl. Mtl.). Auch scheinen tiefe Habitate in großen Flüssen durchaus eine wichtige Bedeutung für juvenile Lachse der Altersklasse 0+ zu haben (Linnansaari et al. 2010). Dies steht im Widerspruch zur allgemeinen Auffassung, der Lachs habe eine diesbezügliche Präferenz für ausschließlich flache Gewässerabschnitte (vgl. Armstrong et al. 2003).

Das Potenzial der Weser als Laichgewässer für den Lachs dürfte vor den Begradigungen und Stauregulierungen zweifelsohne um ein Vielfaches größer gewesen sein. Jedoch ist auch heute noch denkbar, dass bestimmte Abschnitte durchaus zur erfolgreichen Reproduktion genutzt werden könnten, wenn die Salzbelastung reduziert würde. So wurden auch in der nordrhein-westfälischen Lippe (Barbenregion; Bartmann mdl. Mtl.) wiederholt Junglachse aus Naturvermehrung nachgewiesen. Aus dem Oberrhein wurde ebenfalls eine erfolgreiche Reproduktion gemeldet (Schneider 2009). In der Weser könnten geeignete Habitate ggf. als „stepping stones“ für die natürliche Besiedelung weiterer geeigneter Zuflüsse genutzt werden (!). 23

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Historische Verbreitung im Einzugsgebiet der Weser in Nordrhein-Westfalen

Eindeutig verbürgt ist die erfolgreiche Reproduktion des Lachses im Wesereinzugsgebiet Nordrhein-Westfalens in diversen Zuflüssen.

In der Werre soll Heinrich Apke, der Wärter des bereits 1753 erbauten Sielwehres bei Bad Oeynhausen, noch bis Ende des 19. Jahrhunderts an guten Tagen bis zu 30 Lachse gefangen haben (Huneke 2003). Konken (1934) bezeichnet die Werre als „bedeutenden [Lachs-] Nebenfluss“ der Weser, in deren Einzugsgebiet es „[…] viele zum Brutaufwuchs geeignete Bäche […]“ gibt. Für den Fischpass am Sielwehr in Bad Oeynhausen gibt Konken (1934) die in Tabelle 3 dargestellten Aufstiegszahlen an.

Tabelle 3: Aufstiegszahlen Lachs für den Fischpass am Sielwehr in Bad Oeynhausen. (Quelle: Konken 1934)

Jahr 1894 1895 1905 1906 Anzahl 63 34 3 *) 13 *) Im Jahr 1905 war das Wehr wg. Hochwasser teils geöffnet, Zahl evtl. unterschätzt.

Die Zahl bis zum Sielwehr aufsteigender Lachse dürfte aufgrund schlechter Auffindbarkeit des Fischpasses und der bereits im rapiden Rückgang befindlichen Bestände historisch um ein Vielfaches höher gelegen haben. Pauschale Angaben über Lachsvorkommen belegen, dass sich die Laichgebiete des Lachses weit in das Werre-System erstreckten, so auch in die Bega sowie die Westfälische Aa/Johannisbach (Hoffmann 2010).

Die in enger räumlicher Nachbarschaft liegenden Weserzuflüsse Kalle und Exter wiesen im Hinblick auf ihre Größe ebenfalls einen beachtlichen Lachsaufstieg auf. Für die Exter belegen dies verschiedene Quellen (Wittmack 1875; Häpke 1878; v.d. Borne 1882; Landois 1892; Konken 1934). Die Exter wurde zudem zur Bestandsstützung, bzw. -erhalt bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts jährlich mit Brütlingen besetzt. So bestand der Besatz 1928/29 aus ca. 15.000, 1929/30 ca. 20.000, 1930/31 ca. 20.000 und 1931/32 insgesamt ca. 25.000 Junglachsen (Konken 1934).

24

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

An der Kalle zählte der Lachsaufstieg alljährlich zu den fischereilich-kulturellen Höhepunkten. V. d. Borne (1882) schreibt, dass „[…] Lachs und Meerforelle zahlreich bis zur Niedermühle […]“ aufstiegen und dort „[…] bisweilen in recht erheblicher Menge gefangen (wurden)“. Es muss an dieser Stelle herausgehoben werden, dass v. d. Borne und auch Konken (s.u.) eindeutig zwischen Lachs und Meerforelle („Lachsforelle“) unterscheiden, sodass hier das Vorkommen und die Häufigkeit des Lachses zweifelsfrei belegt sind. Aus dem fotografischen Beleg (s. Abbildung 4) der umfangreichen Fänge geht zudem die für ein Gewässer dieser Dimension beachtliche Größe der Laichfische hervor. Bei Wittmack (1876) finden sich Angaben, dass jährlich im Schnitt 40, maximal 60-70 Lachse an der Niedernmühle unterhalb Kalldorf gefangen wurden. Albert Kampmeier (in: Hoffmann 2010, S. 38) berichtet wie folgt von diesen jährlichen Fangfesten. „Bei uns jungen Leuten im Kalletal wurde die Laichzeit mit großer Spannung erwartet. Jagd- und Fangfieber ließen die Herzen höher schlagen und machten schon die Vorbereitungen zu einer wahren Freude. Wesentliche Arbeiten ließ der Fangrechtinhaber, der Besitzer der Niedernmühle treffen: Die Kallemündung an der Weser wurde tief ausgeschlagen, damit sich die starke Wasserschüttung bis in die Weser auswirkte und die Lachse gewissermaßen zum Abbiegen einlud. Weiter kalleaufwärts wurden beidseitig Pfähle eingeschlagen, an denen man die Fangnetze befestigte, und schließlich hieß es den Lachsgraben im Mühlenpark vorzubereiten. Hier wurden die gefangenen Lachse bis zu ihrer Verwertung in der Küche gehalten. Zuvor aber wurde sorgsam vom Fischmeister der Laich abgestreift, artgerecht befruchtet in das Bachbett gegeben. So blieb die Nachzucht immer gewährleistet.“ Stephan Ludwig Jacobi unternahm 1738 die ersten Versuche der künstlichen Fischzucht. An der Westerkalle streifte er „[…] Forellen und Lachse, die die Kalle bevölkerten oder dort aufstiegen […]“ (Konken 1934, S. 2). Das Vorkommen des Lachses in der Westerkalle bedeutet, dass die Fische keineswegs nur den Unterlauf der Kalle nutzten, sondern weit aufstiegen. Das Vorkommen des Lachses bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zeugt einerseits für den Erfolg der künstlichen Vermehrung, andererseits für die hohe Habitatqualität der Kalle, da die Vermehrungsmethoden in Effizienz und Erfolg wohl nicht an heutige Standards heranreichten. 1935 war der Lachs jedoch auch in der Kalle ausgestorben.

25

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 4: Lachsfang aus der Kalle. Vlotho, 1909. (Quelle: Hoffmann 2010)

Für die Nethe gibt es Berichte, dass dort in der Nähe von Höxter bis 1932 jährlich noch bis zu 100 Lachse ablaichten (Rathke 2004). U.a. führt auch Konken (1934) (Übersicht: Hoffmann 2010) die Nethe mit pauschalen Angaben zu Lachsvorkommen auf.

Für die Emmer finden sich ebenfalls pauschale Angaben zu ehemaligen Lachsaufstiegen. Konken (1934) zählt die Emmer als wichtigen Nebenfluss der Weser zwischen Hameln und Hannoversch Münden. Die Emmer weist jedoch seit je her natürlicherweise eine hohe Feinsedimentfracht auf, die Berichte sind vor diesem Hintergrund zu interpretieren (Bartmann, mdl. Mtl.).

Für die in Nordrhein-Westfalen gelegenen Diemelzuflüsse kann eine Wiederansiedelung nur Erfolg haben, wenn die Durchgängigkeit in optimaler Weise hergestellt werden würde und im hessischen Einzugsgebiet Besatzprogramme initiiert werden. Eine länderübergreifende Koordination wäre hier Grundvoraussetzung. Zum jetzigen Zeitpunkt wird die Lachswiederansiedelung durch zahlreiche Querbauwerke in der Diemel verhindert. So beträgt

26

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

die momentane Erreichbarkeit der Nordsee für Lachse aus dem Diemel-Einzugsgebiet nur ca. 2 % (Keunecke und Dumont 2011). Die entsprechenden nordrhein-westfälischen Zuflüsse gehen daher nicht in die Betrachtung ein.

Eignung der Gewässer aus heutiger Sicht

Generell zeugen die Daten zu ehemaligen Lachspopulationen des nordrhein-westfälischen Wesereinzugsgebietes dafür, dass wichtige Laichhabitate sehr wohl auch in der unteren Forellenregion lagen, bzw. auch in der Barbenregion gelegen haben dürften. Weitere umfangreiche potenziell geeignete Laich- und Jungfischhabitate liegen laut Übersicht der Fischgewässertypen NRW in zahlreichen Fließgewässern des Projektgebietes (Anhang IV) und könnten nach erfolgreicher Etablierung der Bestände erschlossen werden und so im Rahmen einer Vernetzung zur Förderung und Stabilisierung der (Sub-) Populationen beitragen.

Die angeführten Literaturquellen zeugen dafür, dass die behandelten Gewässer den vielfältigen komplexen Ansprüchen des Lachses bezüglich der Habitatqualität (sowohl Laich- als auch Jungfischhabitate) entsprachen.

Bei konsequenter Umsetzung der in der EG-WRRL geforderten Verbesserungen hinsichtlich Struktur, Güte und Durchgängigkeit der Gewässer ist daher davon auszugehen, dass die einstigen Lachsgewässer auch zukünftig potenziell für eine Wiederansiedelung des Atlantischen Lachses im nordrhein-westfälischen Einzugsgebiet der Weser geeignet sind. Die unter Federführung der Bezirksregierung Detmold durchgeführten Besatzstudien bestätigen diese Vermutung.

Die Emmer als einstiges Lachsgewässer wird dabei aufgrund ihrer natürlicherweise hohen Feinsedimentfracht, sowie der Problematik der Emmer-Stausee-Umgehung vorerst nicht berücksichtigt. Nach Umsetzung der Durchgängigkeit ist die Eignung zu überprüfen.

Ebenso ist im Fall der Westfälischen Aa ein Erreichen der zur Wiederansiedelung des Lachses nötigen strukturellen Voraussetzungen nicht wahrscheinlich.

27

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Die im Rahmen dieser Studie angestellten Berechnungen beschränken sich daher auf die folgenden Gewässersysteme:

- Werre - Kalle - Exter - Nethe

Die Begrenzung auf die oben genannten Gewässer bedeutet jedoch nicht, dass sich zukünftige Populationen nach erfolgreicher Etablierung auf diese beschränken werden. Nach der Etablierung gesunder und starker Populationen ist damit zu rechnen, dass auch strukturell geeignete Nachbargewässer (Anhang IV) besiedelt werden können, ggf. über die Nutzung geeigneter Habitate in der Weser.

28

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

4. Gewässer

Im Folgenden werden die behandelten Gewässer samt ihrer hydrologischen Eigenschaften und verfügbaren Flächen dargestellt.

Weser

Die Weser entsteht bei Hannoversch Münden durch den Zusammenfluss von Werra und Fulda. Zwischen Hannoversch Münden und Porta Westfalica wird sie als Oberweser bezeichnet. Die Abflussverhältnisse sind in Tabelle 4 dargestellt.

Tabelle 4: Abflussverhältnisse [m³/s] der Oberweser an den Pegelstellen Hannoversch Münden und Vlotho. (Quelle: Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch Weser-Ems 2008)

Pegel MNQ MQ MHQ Hannoversch Münden 36,6 115 629 Vlotho 59,9 168 724

Das nordrhein-westfälische Einzugsgebiet (EZG) der Weser beträgt 4963 km² und damit 10,7% des Gesamt-EZGs. Die hier behandelten Gewässersysteme umfassen die Werre, Kalle, Exter und Nethe.

Als Grundlage für die Beschränkung auf die oben genannten Gewässer dient das Vorhandensein historischer Belege in Kombination mit Angaben über die strukturelle Qualität des vorhandenen potenziellen Laichhabitats. Die einstigen Lachsvorkommen zeugen davon, dass Habitatqualität und –ausdehnung den hohen Ansprüchen des Lachses genügten. Bei konsequenter Umsetzung der EG-WRRL sind diese Habitate im möglichen Rahmen wiederherzustellen. Dies umfasst neben den chemischen und ökologischen Wasserparametern in erster Linie die lineare Durchgängigkeit entlang der Wanderkorridore und innerhalb der Laichgewässer und die konsequente Entwicklung der Qualität des dort anliegenden Laichsubstrats. Werre, Nethe, Kalle und Exter wurden vor diesem Hintergrund als prioritäre Bereiche für die Lachswiederansiedelung und damit für Gewässerentwicklungsmaßnahmen ausgewählt (MKULNV 2011).

Neben den aufgeführten Gewässern bieten jedoch langfristig auch weitere Zuflüsse geeignete Bedingungen für die erfolgreiche Reproduktion des Lachses, wie z.B. der Forellenbach

29

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

(VDSF 2003). Zudem besitzen Eder und Diemel in Hessen teils großes Potenzial. Nach Erschließung dieser Habitate durch Wiederherstellung der Durchgängigkeit könnten ggf. zukünftige Bestände mit den nordrhein-westfälischen Beständen interagieren. Die Nethe liegt nahe der Mündungen von Diemel (Hessen) und Forstbach (Niedersachsen), welche qualitativ geeignetes Laichhabitat für Großsalmoniden aufweisen (Keunecke und Dumont 2011).

Im Falle der Emmer einerseits und des Johannisbachs/Aa (Werre) andererseits ist aufgrund der aktuellen Belastungslage - trotz vorhandener historischer Belege einstiger Lachsvorkommen - nicht davon auszugehen, dass die Gewässer kurzfristig derart wiederhergestellt werden können, um eine nachhaltige Wiederansiedelung des Lachses realisieren zu können (Bartmann, mdl. Mtl.). Dennoch wird im Falle der Emmer angestrebt, die lineare Durchgängigkeit für anadrome Wanderfische „so weit wie möglich“ zu realisieren, bzw. zu optimieren (FGG Weser 2009a). Sich hieraus ergebende Möglichkeiten für die Einstufung des Gewässers sind nach Umsetzung der angestrebten Maßnahmen zu überprüfen. Im vorliegenden Bericht werden die Emmer und der Johannisbach/Aa von der Betrachtung ausgeschlossen.

Der aktuelle Zustand hinsichtlich der linearen Durchgängigkeit der Weser sowie Teilen der hier behandelten Nebengewässer macht eine erfolgreiche und nachhaltige Wiederansiedlung des Lachses zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Der Aufstieg laichreifer Lachse wird dabei durch die in der Weser befindlichen Staustufen (s. Abbildung 5) nahezu vollständig verhindert. Aufstiegswillige Fische haben mit Ziel Werre, Kalle und Exter sieben, mit Ziel Nethe acht Staustufen zu überwinden. Diese sind flussaufwärts gesehen:

1. Bremen-Hemelingen (BRE) 2. Langwedel (NI) 3. Dörverden (NI) 4. Drakenburg (NI) 5. Landesbergen (NI) 6. Schlüsselburg (NRW) 7. Petershagen (NRW) 8. Hameln (NI) An sämtlichen Standorten sind Wasserkraftanlagen (WKA) in Betrieb. Am Standort Hameln sind zwei WKA in Betrieb, die sich auf den West- bzw. Ostarm der Weser verteilen; in die Berechnungen für die auf- und abwärts gerichtete Passierbarkeit geht der Mittelwert beider Anlagen ein (Keunecke und Dumont 2011).

30

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

1. Bremen-Hemelingen (BRE) 2. Langwedel (NI) 3. Dörverden (NI) 4. Drakenburg (NI) 5. Landesbergen (NI) 6. Schlüsselburg (NRW) 7. Petershagen (NRW) 8. Hameln (NI)

Abbildung 5: Karte der Staustufen in der Weser. (verändert nach Bewirtschaftungsplan FGG Weser 2009)

31

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 6 zeigt den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Standorte und der Erreichbarkeit der oberhalb liegenden Laichhabitate. Dabei wird die langfristig erreichbare, durch ideale Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Standards hinsichtlich des Fischaufstiegs mögliche „gute Aufwanderrate“ von 95 % zugrunde gelegt (FGG Weser 2009b; Keunecke und Dumont 2011). Die wirtschaftliche und technische Umsetzung der guten Durchgängigkeit waren jedoch nicht Gegenstand der Studie von Keunecke und Dumont (2011, hier S. 179). Aufgrund der Komplexität und des Umfangs wurden diese Angaben in der vorliegenden Studie ebenfalls nicht überprüft, sondern als Voraussetzung verwendet.

Die aktuellen Einschätzungen hinsichtlich der Durchgängigkeit flussauf und flussab sind in Kapitel 5 ausführlich dargelegt.

Abbildung 6: Zusammenhang zwischen Anzahl Querbauwerke im Wanderkorridor und Erreichbarkeit von Laichhabitaten oberhalb. (Verändert nach FGG Weser 2009)

Neben den Wanderhindernissen im Hauptwanderkorridor Weser behindern zahlreiche Querbauwerke in den Laichgewässern selbst den Aufstieg (s. Abbildung 5). Da die aktuelle Situation hinsichtlich Durchgängigkeit und anderen Faktoren vieler Bauwerke unbekannt ist, sind Standorte und spezifische Auswirkungen auf die jeweiligen Gewässer sowie technische und wirtschaftliche Möglichkeiten der Umgestaltung nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Detaillierte Angaben zu den Wanderhindernissen finden sich bspw. in Schubert (Schubert

32

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

1998) und Adam et al. (Adam et al. 2000). An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass sämtliche Querbauwerke in den Laichgewässern im Zuge der Umsetzung der EG-WRRL optimal durchgängig gestaltet oder gänzlich zurückgebaut werden. Daher gehen die aus den Fischgewässertypen errechneten geeigneten Flächen (Berechnung s.u.) für den Lachs in vollem Umfang in die Berechnungen ein.

Flächenberechnung geeigneter Jungfischhabitate

Die Berechnung der Fläche geeigneter Jungfischhabitate erfolgt nach folgendem Muster.

Festlegung und Voraussetzungen Die Angaben zu Zielgebietsflächen beziehen sich auf Flächenangaben innerhalb der Fischgewässertypen NRW. Dazu wurden die Gewässer einbezogen, in denen der Lachs einen Anteil von mindestens 2,5 % an der Gesamtreferenz hat. Für den Fischgewässertyp „09 Äschentyp Mittelgebirge“ wurde eine mittlere Gewässerbreite von 7 m, für den Fischgewässertyp „02 Unterer Forellentyp Mittelgebirge“ eine mittlere Breite von 3,5 m angesetzt. Eine flächendeckende Kartierung der Bröl (Sieg) ergab einen Anteil geeigneter Jungfischhabitate von 50 % der Gesamtfläche.

Berechnung der geeigneten Habitate im Wesergebiet Nach Wunsch des Auftraggebers wurde dieser Wert für die potenziellen Laichgewässer des Wesersystems verwendet. Die tatsächliche Ausprägung und Qualität des anliegenden Habitats ist vor Ort in den jeweiligen Gewässern zu überprüfen. Die Flächenangaben sind vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Die in

Tabelle 5 dargestellten Flächen stellen demnach 50 % der in den Fischgewässertypen NRW verzeichneten Zielgebietsflächen für den Lachs dar. Eine Liste aller Gewässer in denen der Lachs einen Anteil von 2,5 % an der Gesamtreferenz hat, ist dem Anhang (IV) zu entnehmen.

Tabelle 5: Flächen Jungfischhabitate Weser-EZG NRW laut Fischgewässertypen NRW

33

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Im Folgenden werden die einzelnen potenziellen Laichgewässer samt vorhandenem potenziellem Laichhabitat vorgestellt. Die Abflussverhältnisse sind Tabelle 6 zu entnehmen.

Tabelle 6: Abflussverhältnisse der potenziellen Lachsgewässer der Weser in NRW. Aufgrund Fehlender Pegelmeßstelle stellen die Abflusswerte der Kalle den Mittelwert aus Exter und Aa (Nethe) dar. (Quelle: Gewässerkundliches Jahrbuch Weser-Ems 2008)

Werresystem

Die Werre ist ein orographisch linker Zufluss der Weser. Sie entspringt in Horn-Bad Meinberg und mündet nach ca. 72 Fließkilometern bei Bad Oeynhausen-Rehme in die Weser. Das EZG umfasst 1485,4 km², davon 1291,63 km² in NRW. In Bad Salzuflen nimmt die Werre die als historisches Laichgewässer belegte Bega als orographisch rechten Nebenfluss auf. Die Bega entspringt südlich von Barntrup. Bei ca. 41 km Fließlänge beträgt das Einzugsgebiet 375,6 km².

Von 2003 bis 2005 wurde unter Federführung der Bezirksregierung Detmold Lachsbesatz in der Bega durchgeführt. Die besetzten Jungfische entwickelten sich erfolgreich bis zum Smoltstadium. Ebenfalls besetzt wurden laichreife adulte Tiere. Belegt wurden hierbei erfolgreiches Ablaichen sowie Aufwuchs der Jungtiere. Die durchgeführten Besatzmaßnahmen zeugen von der aktuell gegebenen Eignung der Bega als Laichgewässer für Lachse. Im Werresystem liegen laut Fischgewässertypen NRW in großem Umfang potenziell geeignete Laich- und Jungfischhabitate vor. Für die Berechnung werden 61,5 ha an Jungfischhabitaten veranschlagt. Da größtenteils Flächen in den Nebengewässern der Werre einbezogen wurden, kommen gegebenenfalls weitere Flächen in der Werre selbst in Betracht. Die Flächenangabe ist daher als konservative Einschätzung zu betrachten.

34

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Kalle

Die Kalle ist ein orographisch linker Nebenfluss der Weser. Sie entspringt als Osterkalle südöstlich von Lüdenhausen. Nach dem Zusammenfluss mit der 9,9 km langen Westerkalle wird sie als Kalle bezeichnet. Die Fließlänge beträgt 19,2 km und das Einzugsgebiet umfasst 81,71 km². Die Mündung liegt nordwestlich von Kalldorf.

Nach Schubert (1998) bildet die substratspezifische Beschaffenheit des Unterlaufs der Kalle bis zum Zusammenfluss von Oster- und Westerkalle sowie die unteren Abschnitte von Oster- und Westerkalle (Adam et al. 2000) geeignete Voraussetzungen für die erfolgreiche Wiederansiedelung von Wandersalmoniden. Dabei dürften die von Adam et al. (2000) vorwiegend als für die Meerforelle geeignet aufgeführten Laichhabitate mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch für Lachse in Frage kommen, wie der durch verschiedene historische Quellen belegte große einstige Lachsbestand untermauert. Im Rahmen einer Ortsbegehung durch die Autoren dieser Studie wurden sehr gut geeignete Laich- und Aufwuchshabitate vorgefunden. Die Eignung der Kalle als Jungfischhabitat wurde zudem in Besatzversuchen mehrfach dokumentiert. Die von 2002 bis 2006 ausgesetzten Brütlinge erreichten dabei das Smoltstadium. Aus den Fischgewässertypen NRW wurde für die Kalle eine für Jungfische potenziell geeignete Habitatfläche von 1,8 ha abgeleitet.

Für die Kalle werden verschiedene Probleme aufgeführt, die einer erfolgreichen Wiederansiedelung derzeit noch im Wege stehen. Diese sind u.a.:

- Lineare Durchgängigkeit - Geringe Wasserführung durch Wasserentnahme - Nährstoffbelastung

Exter

Die Exter ist ein orographisch linker Nebenfluss der Weser. Sie entspringt südwestlich von Alverdissen (NRW) und mündet nach ca. 26,1 km in Rinteln (NI) in die Weser. Das gesamte Einzugsgebiet umfasst 108,718 km², das nordrhein-westfälische 89,22 km². Die Hauptanteile der potenziellen Laichgebiete liegen im nordrhein-westfälischen Teil der Exter.

Nach Schubert (1998) liegen die ersten geeigneten Laichhabitate in der Exter bereits 500 m oberhalb der Mündung. Aufgrund der Qualität des Substrates, vor allem im Übergang der

35

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Äschen- zur Unteren Forellenregion, sprechen sich auch Adam et al. (2000) für die Ausweisung der Exter als Wiederansiedelungsgewässer aus. Besatzmaßnahmen sowohl mit Brütlingen als auch mit laichreifen Fischen zeigten wiederholt positive Ergebnisse. Aus den Fischgewässertypen NRW ergibt sich eine für Jungfische potenziell geeignete Habitatfläche von 2,1 ha.

Dennoch bestehen Defizite, die derzeit einer erfolgreichen Wiederansiedelung im Wege stehen. Diese sind u.a.:

- Erheblich beeinträchtigte lineare Durchgängigkeit - Vereinzelte strukturelle Defizite in den potenziellen Laicharealen - Geringe Wasserführung

Nethesystem

Die Nethe ist ein orographisch linker Nebenfluss der Weser. Sie entspringt in Neuenheerse und mündet nach 48,53 km bei Godelheim in die Weser. Das Einzugsgebiet umfasst 458,79 km². Südwestlich von Brekel nimmt die Nethe die Aa als historisch belegtes Laichgewässer auf, deren gesamte Fließlänge von der Quelle östlich von Altenbeken 18,57 km beträgt. Das Einzugsgebiet der Aa beträgt 80,09 km.

Im Nethesystem liegen laut Fischgewässertypen großflächig potenziell geeignete Laich- und Jungfischhabitate vor. In die Berechnung gehen 19,5 ha als für Jungfische geeignet ein. Neben Nethe und Aa für die historische Belege von Lachsvorkommen existieren bieten auch weitere Zuflüsse geeignete Jungfischhabitate (Nemitz und Molls 1999) und könnten nach erfolgreicher Etablierung eines selbstreproduzierenden Lachsstammes natürlicherweise erschlossen werden. Die tatsächliche Eignung für eine natürliche Reproduktion ist jedoch zu überprüfen. Schubert (1998) gibt hinsichtlich der Durchgängigkeit für die Nethe an, dass wertvolle Habitate mit relativ geringem Aufwand erschlossen werden können.

Auswirkungen geographischer Nähe der Gewässer

Der genetische Austausch zwischen verschiedenen (Sub-) Populationen nimmt im Allgemeinen mit der geographischen Nähe der Mündungsgebiete zu. Die Mündungen von Werre und Kalle trennen nur ca. 10 km, Kalle und Exter nur rund 20 km Fließstrecke. Ein im populationsgenetischen Kontext „signifikantes“ Auftreten von Streunern aus den Nachbarpopulationen in den jeweiligen Zuflüssen kann daher vorausgesetzt werden.

36

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Der genetische Austausch zwischen Populationen der Werre, Kalle, Exter einerseits und Nethe andererseits ist durch die große Entfernung der Mündungen sowie durch die dazwischen gelegene Staustufe Hameln weit weniger wahrscheinlich.

Daher werden für das nordrhein-westfälische Wesereinzugsgebiet zwei Sub-Populationen definiert:

1. Sub-Population: Werre, Kalle, Exter

2. Sub-Population: Nethe

Durch das Auftreten von Streunern lassen sich Populationen generell nur schwer abgrenzen. Die getroffene Einteilung ist vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Da sich die Betrachtung einerseits auf das EZG der Weser in Nordrhein-Westfalen beschränkt und der Faktor Streunen andererseits mit einer hohen Unsicherheit belegt ist, wird der eventuelle genetische Austausch mit Nachbarpopulationen anderer Bundesländer nicht in den Berechnungen berücksichtigt. Die Sub-Population Nethe wird daher an dieser Stelle als geschlossene Reproduktionseinheit betrachtet, obwohl es möglich ist, dass Streuner aus potenziellen Populationen des Diemel-Systems auftreten könnten, da die Mündungen nur 25 Fließkilometer auseinander liegen. Der Einfluss auf die benötige Mindest-Populationsgröße wird im abschließenden Kapitel diskutiert.

37

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

5. Populationsmodelle

Im Folgenden sind die Berechnungen für Mindest-Populationsgrößen im Wesereinzugsgebiet Nordrhein-Westfalens dargestellt. Die Berechnungen berücksichtigen dabei die getroffene Unterteilung in die zwei Reproduktionseinheiten Werre/Kalle/Exter als erweiterte Subpopulation einerseits und Nethe als eigenständige Subpopulation andererseits.

Für die Berechnungen wurden vier Szenarien erstellt, die auf unterschiedlichen Grundvoraussetzungen basieren.

UBA (Szenario 1) basiert auf den von Thiel und Magath (2011) dargelegten Werten für den Selbsterhalt zukünftiger Populationen.

Smolt Skjern (Szenario 2a) basiert auf den von Thiel und Magath (2011) dargelegten Werten, die um die vom Danmarks Center for Vildlaks bereitgestellten Daten ergänzt und erweitert wurden.

Weser potenziell (Szenario 2b) stellt die Experteneinschätzung dar, wie sich die Parameter bei einer sich selbst reproduzierenden Population entwickeln könnten.

Aktuell (Szenario 3) bezieht sich auf die aktuelle auf- und abwärtsgerichtete Durchgängigkeit aller Querbauwerke in der Weser und kombiniert diese mit den von Thiel und Magath (2011) dargelegten Werten.

Voraussetzungen und Startwerte

Eine grundsätzliche Diskussion der für die einzelnen Modelle zugrunde gelegten Werte sind Tabelle 7 zu entnehmen. Die jeweils für die Modelle angesetzten spezifischen Werte sind in Tabelle 8 aufgeführt.

38

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 7: Übersicht der in Modellen verwendeten Parameter.

Durch- In den Berechnungen wurde ausschließlich die Durchgängigkeit der Weser berücksichtigt. Die gängigkeit lineare Durchgängigkeit der Laichgewässer wird an dieser Stelle vorausgesetzt, kann tatsächlich jedoch erheblich eingeschränkt sein und ist zu überprüfen. Eine gute Durchgängigkeit (95 % auf- und abwärts) der Weser gilt als langfristig technisch erreichbar (Keunecke und Dumont 2011), die praktischen Umsetzungsmöglichkeiten sind zu überprüfen. Der Parameter Durchgängigkeit wird anschließend an die Schilderung der Szenarien separat betrachtet (s.S. 43). Berechnung Die Angaben zu Zielgebietsflächen beziehen sich auf Flächenangaben innerhalb der geeigneter Fischgewässertypen NRW. Dazu wurden die Gewässer einbezogen, in denen der Lachs einen Flächen Anteil von mindestens 2,5 % an der Gesamtreferenz hat. Für den Fischgewässertyp „09 Äschentyp Mittelgebirge“ wurde eine mittlere Gewässerbreite von 7 m, für den Fischgewässertyp „02 Unterer Forellentyp Mittelgebirge“ eine mittlere Breite von 3,5 m angesetzt. Zusammen mit den Längenangaben wurden Gesamtflächen berechnet und 50 % dieser als potentiell geeignete Jungfischhabitate angesetzt (siehe Kapitel 4). Smolt- Das Smoltproduktionspotenzial der geeigneten Habitate wird mit 1.000 pro Hektar angesetzt produktion (analog IKSR, vgl. Schneider 2009). In der Literatur finden sich Angaben von durchschnittlich 1340 Smolts / ha (300 - 3100 / ha; siehe Jonsson 1998). Der hier verwendete Wert ist daher als konservative Einschätzung für die Smoltproduktion eines geeigneten Habitats mit guter struktureller Qualität zu sehen. Geschlechter- Am Rhein zeigt sich, dass 1SW Rückkehrer zum überwiegenden Teil männlich, MSW Rückkehrer verhältnis zum überwiegenden Teil weiblich sind (u.a. Schneider 2011, Holdensgaard mdl. Mtl.). In den Berechnungen wird insgesamt von einem Geschlechterverhältnis von 1:1 ausgegangen, was dem tatsächlich beobachteten Verhältnis im Skjern sehr nahe kommt (Holdensgaard, schr. Mtl.). Reproduk- Unter statistischer Betrachtung liegt der Reproduktionserfolg einzelner Individuen bei tionserfolg verschiedenen Arten bei rund 10 %. Tatsächlich dürfte der Reproduktionserfolg des Lachses jedoch (deutlich) darüber liegen (s. Kapitel 2). Für die Skjern gibt es Angaben von bis zu 90 % (Holdensgaard, schr. Mtl. in Thiel und Magath 2011). Absolute Für den Skjern-Stamm liegt die relative Fruchtbarkeit bei ca. 1215 Eiern / kg Körpergewicht Fruchtbarkeit (Holdensgaard, schr. Mtl.) und damit deutlich unterhalb des von Thiel und Magath (2011) festgestellten Medians von 1.862 Eiern / kg. Generell hängt die absolute Eizahl von der Größe des Weibchens ab, mit Spannen von wenigen 1000 bis über 10.000. Der hohe Anteil an MSW- Individuen innerhalb des Skjern-Stamms kompensiert die relativ niedrige relative Fruchtbarkeit. Überlebens- Die Überlebensrate vom Ei zum Smolt hängt von einer Reihe komplexer Faktoren ab. Je nach rate Ei Wirksamkeit und Einfluss ergeben sich Spannen in den Überlebensraten von 0,2 bis 3,2 % (Mittel zu Smolt 1,5 %; Hutchings 1998). Es wird davon ausgegangen, dass die Laich- und Jungfischhabitate der Weserzuflüsse Nordrhein-Westfalens im natürlichen bzw. naturnahen Zustand die Kriterien erfüllen, um eine Überlebensrate von mindestens 1,5 % zu sichern. Marine Marine survival bezieht sich auf die Überlebensrate vom Austritt aus dem Wanderkorridor in das survival Meer bis zum erneuten Aufsteigen. Das marine survival hängt von zahlreichen Faktoren wie Fischerei, Wanderrouten, Aufenthaltsdauer im Meer, etc. ab. Je nach Einfluss der einzelnen Faktoren gibt es erhebliche Schwankungen zwischen Populationen und auch innerhalb einzelner Populationen zwischen den Jahrgängen. Der Trend scheint insgesamt rückläufig zu sein, klare Tendenzen lassen sich dennoch nicht ableiten (vgl. ICES 2012). Für den Rhein wurde in einer Studie ein marine survival von 10,3 bis 23,5 % errechnet. Für Szenario 2b wurde aufgrund der großen Spanne der pessimale Wert angesetzt. Rückkehrer- Die Rückkehrerrate bezeichnet den prozentualen Anteil der an der Mündung der Laichgewässer rate abgewanderten Smolts, der als adulte Rückkehrer erneut an der Mündung registriert wird. Aufgrund der zahlreichen in der Weser vorhandenen Querbauwerke ist es schwierig potenzielle Rückkehrerraten abzuschätzen. Die hier angenommenen und angestrebten Rückkehrerraten sind Annahmen, die sich in Bereichen bewegen, die in anderen Gewässersystemen noch nicht erreicht sind. Abgesehen von der Durchgängigkeit dürften aufsteigende Lachse in der Weser verglichen mit dem Rhein, wo die geschätzten Rückkehrerraten – wohl aufgrund der schlechten Umstände im Rheindelta - bei max. 1 % liegen (Nemitz, mdl. Mtl.), jedoch (wesentlich) bessere Überlebenschancen haben (s.a. Kapitel 6). Mortalitäts- In den Berechnungen der Szenarien wurde nur die theoretische Mortalität an der jeweiligen faktoren Staustufe (Nichtauffinden der Umgehung, Umkehr etc. für den Aufstieg / Schädigung durch Turbinenpassage, an Walzen etc. für den Abstieg) einbezogen. Weitere mögliche Mortalitätsfaktoren werden im abschließenden Kapitel dargelegt und diskutiert. 39

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 8: Übersicht die in den Modellen verwendeten Vorausbedingungen. Alle nachfolgenden Modelle fußen auf folgenden Annahmen.

UBA - Skjern - Weser potenziell Weser aktuell - Szenario 1 Szenario 2a - Szenario 2b Szenario 3 1) 1) 1) aktuelle Durchgängig- aufwärts 95 % 95 % 95 % Durchgängig keit abwärts 95 % 1) 95 % 1) 95 % 1) -keit 4) Smoltproduktions- 1000 Smolts/ha 2) 1000 Smolts/ha 2) 1000 Smolts/ha 2) 1000 Smolts/ha 2) potenzial

Geschlechterverhältnis 1:1 3) 1:1 3) 1:1 3) 1:1 3)

Reproduktionserfolg 90% 4) 90% 4) 50% 4) 90% 4)

Absolute Fruchtbarkeit ø 5030 Eier 4) ø 5979 Eier 3) ø 7000 Eier 5) ø 5030 Eier 4) Rogner Überlebensrate Ei bis 1,6 % 4) 1,6 % 4) 1,5 % 5) 1,6 % 4) Smolt

Mortalität nur Kraftwerke nur Kraftwerke nur Kraftwerke nur Kraftwerke

1) Keunecke, R.; Dumont, U. (2011): Erarbeitung und Praxiserprobung eines Maßnahmenplanes zur ökologisch verträglichen Wasserkraftnutzung. UBA Texte 72/2011. Hg. v. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau. 2) Schneider, J. (2009): Fischökologische Gesamtanalyse einschließlich Bewertung der Wirksamkeit der laufenden und vorgesehenen Maßnahmen im Rheingebiet mit Blick auf die Wiedereinführung von Wanderfischen. Hg. v. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) (Bericht Nr. 167). 3) Mdl. Mitteilung Gert Holdensgaard, Danish Center for Vildlaks 4) Thiel, R.; Magath, V. (2011): Populationsdynamik diadromer Fischarten: Atlantischer Lachs, Meerforelle, Meerneunauge, Flussneunauge und Europäischer Aal. UBA Texte 76/2011. Hg. v. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau. 5) Experteneinschätzung durch die Autoren der vorliegenden Studie

UBA - Szenario 1

Tabelle 9 zeigt die von Thiel und Magath (2011) für die Weser errechneten Werte. Für die Modellberechnung wurden die dort für den Selbsterhalt der Population als notwendig erachteten Werte genutzt. Ausgangspunkt des Szenarios bildet eine Rückkehrerrate von 2,75 % an der Mündung der Laichgewässer. Die Durchgängigkeit aller Querbauwerke im Hauptwanderkorridor der Weser wird mit 95 % angesetzt.

Tabelle 9: Zusammenfassung von Überlebensraten des Lachses. (verändert nach Thiel & Magath 2011)

* Minimum und Maximum statt Quartile

40

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Skjern - Szenario 2a

Die für Szenario 1 (UBA) genutzten Daten wurden durch Angaben des Danmarks Center for Vildlaks (Holdensgaard, schriftl. Mtl.) ergänzt. Für die Jahre 2000 bis 2004 liegen nach Geschlecht getrennte Daten vor. Für die Jahre 2005 bis 2011 sind Gesamtwerte bereitgestellt worden. Die relative Fruchtbarkeit des Skjern-Stammes liegt dabei bei durchschnittlich 1215 Eiern/kg Körpergewicht. Aus den Daten von 2000 bis 2004 wurden die Anteile von 1SW, 2SW und 3SW Rognern errechnet (s. Abbildung 7) und anhand der Angaben zum mittleren Gewicht jeder Altersklasse in eine absolute Eizahl von 5979 Eiern / Rogner umgerechnet (s. Tabelle 10). Für die Modellberechnungen wurden ein Geschlechterverhältnis der Rückkehrer von 1:1 und ein Reproduktionserfolg der Rückkehrer von 90 % (Holdensgaard, schriftl. Mtl. in Thiel und Magath 2011) zugrunde gelegt. Ausgangspunkt bildet eine marine Überlebensrate von 4,8 % (aus Smoltbesatz; Holdensgaard, schriftl. Mtl.). Die Durchgängigkeit aller Querbauwerke wird analog zu Szenario 1 mit 95 % angesetzt.

Tabelle 10: Mittlere absolute Fruchtbarkeit Skjern Stamm 2000-2004. (Quelle: G. Holdensgaard, schriftl. Mtl.)

100,0 91,1 87,9 90,0 81,8 80,0 72,4 73,3 70,0 Mittel 60,0 1SW 14,3 50,0 2SW 81,3 40,0 3SW 4,4 30,0 20,7 20,0 20,0 16,7 10,0 8,6 6,9 6,7 3,4 1,5 5,6 3,3 0,0 2000 2001 2002 2003 2004

Abbildung 7: Anteile der verschiedenen Altersklassen an der Gesamtzahl rückkehrender Rogner 2000- 2004. (Quelle: G. Holdensgaard, schriftl. Mtl.) 41

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Weser potenziell - Szenario 2b

Die Daten des Danmarks Center for Vildlaks, um die Szenario 2a erweitert wurde, stammen aus Befischungen in den Jahren 2000-2004 (abs. Eizahl, Anteile Rogner/Milchner), bzw. aus Versuchen mit Besatzfischen (marine survival). Es ist daher notwendig die potenzielle Entwicklung der Parameter nach Etablierung selbstreproduzierender Bestände abzuschätzen. Darüber hinaus erscheint es angebracht konservative Werte anzusetzen, die dadurch eine Art Puffer darstellen.

Aufgrund des stetig steigenden Anteils von MSW-Individuen innerhalb der Skjern- Spenderpopulation über die letzten Jahre sowie der historischen hohen absoluten Fruchtbarkeit der Rogner (s. Tabelle 2) wird für Szenario 2b von einer erhöhten absoluten Eizahl von 7000 Eiern / Rogner ausgegangen. Der Reproduktionserfolg jedes Individuums wird mit 50 % angesetzt, um gegenüber der vorigen Szenarien bei diesem Unsicherheitsfaktor einen Puffer einzurechnen. Aufgrund von Adaptionsprozessen ist davon auszugehen, dass Jungfische aus Naturvermehrung ein höheres marine survival erreichen, als die bei Smoltbesatz festgestellten 4,8 %. Für das Rheinsystem wurde ein marine survival von 10,3 bis 23,5 % berechnet (Jansen et al. 2008). Diese Berechnungen sind mit gewissen Unsicherheiten behaftet, weshalb das untere Minimum von 10,3 % für Szenario 2b genutzt wird. Dennoch bildet diese Studie die beste Grundlage für die Abschätzung der Weser. Dieser Umstand wird im abschließenden Kapitel 6 diskutiert.

Weser aktuell – Szenario 3

Szenario 3 basiert auf den Daten des UBA Szenario 1, bezieht jedoch die aktuelle Situation hinsichtlich der nicht wiederhergestellten Durchgängigkeit der Weser mit ein. Diese ist im nachfolgenden Abschnitt dargestellt.

Durchgängigkeit

Die Überlebensraten für die auf- und absteigenden Fische an den einzelnen Querbauwerken berücksichtigen nur die direkte Kraftwerksmortalität. Sie basieren auf den in Keunecke und Dumont (2011) dargelegten Berechnungen. Die dort aufgeführten Daten zu Auf- und Abstiegswahrscheinlichkeiten sind Tabelle 11 und Tabelle 12 zu entnehmen.

42

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 11: Einteilung der Durchgängigkeit von Querbauwerken flussauf- und abwärts. (verändert nach Keunecke und Dumont 2011)

Tabelle 12: Aktuelle Einschätzung der Durchgängigkeit der Weserbauwerke. (verändert nach Keunecke und Dumont 2011)

Wie Tabelle 12 aufzeigt, wird ein effektiver Laichfischaufstieg unter den aktuellen Voraussetzungen bereits durch die Staustufe Dörverden unterbunden. Werre, Kalle und Exter werden durch vier als unpassierbar eingestufte Querbauwerke von der Nordsee abgeschnitten, die Nethe zusätzlich durch die ebenfalls als unpassierbar eingestuften Staustufen des West- bzw. Ostarms der Weser in Hameln.

43

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Smoltproduktionspotenzial

Tabelle 13 fasst die veranschlagten Flächen potenziell geeigneter Jungfischhabitate zusammen. Das darauf basierend berechnete Smoltproduktionspotenzial geht von einer durchschnittlichen Produktion von 1000 Smolts/ha geeigneten Habitats aus (vgl. Tabelle 7).

Tabelle 13: Smoltproduktionspotenzial der in NRW gelegenen potenziellen Laichgewässer.

Modell Smoltabstieg

Anhand des in Tabelle 13 dargestellten Smoltproduktionspotenzials der einzelnen Gewässer ergeben sich für die zwei Sub-Populationen die auf den nachfolgenden Seiten dargestellten Szenarien hinsichtlich des Smoltabstiegs. Die Tabellen und Abbildungen sind den Seiten 465 bis 47 zu entnehmen und stellen eine mixed-stock Betrachtung dar. Die nach den zwei Sub- Populationen getrennten Grafiken sind dem Anhang (I) zu entnehmen.

Modell Aufstieg Laichfische

Anhand des dargestellten Smoltabstiegs und darauf basierend der je nach Szenario angesetzten Überlebens- / Rückkehrerraten ergeben sich für den Aufstieg von Laichfischen die im Nachfolgenden dargestellten Berechnungen. Die Tabellen und Abbildungen sind den Seiten 48 bis 53 zu entnehmen und stellen eine mixed-stock Betrachtung dar. Nach den zwei Sub-Populationen getrennte Grafiken sind dem Anhang (I) zu entnehmen.

44

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 14: Smoltabstieg Szenarien 1 bis 3.

45

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 8: Smoltabstieg Szenarien 1, 2a und 2b.

46

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 9: Smoltabstieg Szenario 3. 47

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Tabelle 15: Aufstieg Laichfische Szenarien 1 bis 3, Fortsetzung auf nächster Seite.

.

48

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

.

49

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 10: Aufstieg Laichfische Szenario 1. 50

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 11: Aufstieg Laichfische Szenario 2a. 51

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 12: Aufstieg Laichfische Szenario 2b. 52

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 13: Aufstieg Laichfische Szenario 3.

53

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

6. Synthese und Diskussion

Vorrangig aufgrund historischer Belege sowie struktureller Qualität wurden die im Einzugsgebiet Nordrhein-Westfalens gelegenen Gewässer des Werresystems, der Kalle, der Exter und des Nethesystems für Berechnungen von Mindestgrößen potenzieller zukünftiger Lachspopulation ausgewählt. Die Interaktionsmuster benachbarter Populationen und die geographische Distanz der Gewässer untereinander legt dabei die Unterteilung in zwei erweiterte Sub-Populationen nahe. Entsprechend unterscheiden sich die aufgestellten Szenarien der Populationsentwicklung.

Die Flächenangaben dieser Studie basieren auf den Fischgewässertypen NRW. Die tatsächliche Ausdehnung geeigneter Laich- und vor allem Jungfischhabitate kann von diesen Werten abweichen. Neben den hier behandelten Gewässern weisen auch zahlreiche weitere Weserzuflüsse und deren Nebengewässer - überwiegend im Fischgewässertyp der unteren Forellenregion - potenziell geeignete Habitate auf (s. Anhang IV).

Diskussion der Szenarien

Die in dieser Studie vorgestellten Szenarien dienen als Hilfskonstrukte zur groben Abschätzung, ob die vorhandenen Flächen zur Etablierung selbstreproduzierender Bestände ausreichen. Die tatsächliche Entwicklung populationsspezifischer Parameter sowie Anpassungschancen und –zeiträume lassen sich – auch aufgrund der Einzigartigkeit des Faktorenkomplexes der Weser und ihrer Zuflüsse in Nordrhein-Westfalen – nur schwer abschätzen. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass im Modell nur die theoretische Mortalität an den Querbauwerken im Wanderkorridor der Weser berücksichtigt werden konnte, die jedoch aufgrund der Anzahl der Hindernisse einen Großteil der Gesamtmortalität ausmachen und damit eine der Hauptkomponenten in der Weser darstellen dürfte. Daneben stellen je nach Lebensstadium weitere Faktoren Bedrohungen und Risiken dar, die aufgrund ihrer Unsicherheit nur in Form eines ausreichenden Puffers berücksichtigt werden können. Es lassen sich daher keine zielgebietsspezifischen Mindest-Populationsgrößen festlegen. Aufgrund der genetischen Erkenntnisse liegt es allerdings nahe, eine Mindestgröße von 500 effektiven Laichfischen pro Generation anzustreben. Dabei ist der positive Einfluss kleinerer Bestände in Nachbargewässern auf die benötigte Anzahl an Laichfischen mit einzubeziehen.

Das auf den von Thiel und Magath (2011) ermittelten Parametern zum Selbsterhalt der Population basierende Szenario 1 „UBA“ ist dabei für die hier behandelten Zuflüsse als nicht

54

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

realistisch einzustufen. In Kapitel 2 wurden verschiedene Gründe dargelegt, weshalb das Verhältnis von beobachteten und effektiven Laichfischen extrem variabel ist. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verhältnis von Laicher zu Rückkehrer von 0,9 als recht hoch, obwohl es auf Angaben des Skjern Stammes basiert (Holdensgaard, schriftl. Mtl.) und daher auch für das Szenario 2a „Skjern“ übernommen wurde. Die absolute Fruchtbarkeit liegt bei dem in Weserbesatzprojekten verwendeten Skjern-Stamm dagegen über den veranschlagten 5030 Eiern pro Rogner. Aus diesem Grund wurde Szenario 1 „UBA“ durch ergänzende Angaben des Danmark Center for Vildlaks erweitert.

Ausgangspunkt für Szenario 2a „Skjern“ bildet neben der erhöhten Eizahl ein marine survival von 4,8 %. Diese Angabe wurde aus Besatz mit markierten Smolts errechnet und spiegelt daher nicht die Raten einer sich selbst reproduzierenden natürlichen Population wieder. Generell liegen die Überlebensraten wilder Smolts deutlich – teilweise zweifach (Jonsson et al. 1991) bis vierfach (Nemitz, mdl. Mtl.) - über jenen von Lachsen aus Zuchtanlagen (Verspoor et al. 2007; Aas 2011). Auch die Angaben zur durchschnittlichen absoluten Eizahl pro Rogner stellen nicht den aktuellen Stand dar, da sie auf Daten aus den Jahren 2000 – 2004 basieren. Seither hat sich der Anteil von MSW-Individuen im Stamm jedoch stetig erhöht. Diese Entwicklung erforderte die Konstruktion eines weiteren, auf Experteneinschätzung basierenden Modells, dass sowohl die potenzielle Entwicklung der verschiedenen Parameter als auch ausreichende Puffer in die Berechnungen einbezieht.

Potenzielle Entwicklung und Eignung des Skjern Stammes

Der hohe Anteil von MSW-Rückkehrern der historischen Populationen der Weser spricht für eine (zumindest historisch vorhandene) typische Populationsstruktur großer Lachsgewässer. Noch 1928 lag das mittlere Gewicht der in der Weser gesamt gefangenen adulten Lachse bei durchschnittlich (!) 17,7 Pfund, trotz des Fangs auch von 1SW Fischen. Auch die mittlere absolute Eizahl von in Hameln gefangenen Rognern (der bereits im endgültigen Niedergang begriffenen Lachspopulation) von

Abbildung 14: Entwicklung des MSW-Anteils seit 2000. (Quelle: Holdensgaard, schriftl. Mtl.) 55

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

über 8.100 Eiern pro Individuum verdeutlicht diesen Umstand. Bei einer erfolgreichen Anpassung ist zusammen mit der natürlichen Entwicklung des MSW-Anteils innerhalb der Spenderpopulation des Skjern-Stammes (Abbildung 14) davon auszugehen, dass sich die absolute Eizahl pro Rogner zunächst graduell erhöhen wird. Eine durchschnittliche Eizahl von 7.000, wie im Szenario 2b „Weser potenziell“ angesetzt, dürfte daher eine langfristig gesehen realistische Entwicklung darstellen.

Abbildung 15: Laichzeiträume verschiedener Lachs-Stämme. (Quelle Schneider 2011)

Generell zeigt sich, dass der Skjern-Stamm von seinen Grundparametern her sehr gut mit den historischen Angaben der Weser harmoniert. Dies gilt auch für den Laichzeitraum (Abbildung 15), der weitestgehend mit den historischen Angaben übereinstimmt (vgl. Konken 1934). Dieses richtige timing des Laichzeitraums stellt dabei eine der Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Etablierung zukünftiger Populationen dar.

Neben der Kraftwerksmortalität, die als einziger Mortalitätsfaktor im Modell berücksichtigt wurde, gibt es naturgemäß zahlreiche weitere sowohl natürlich als auch anthropogen beeinflusste Mortalitätsursachen. Ihre Quantifizierung ist bei Nichtvorhandensein vitaler Populationen im Zielgewässer äußerst schwierig. Ein Vergleich mit Rhein und Maas ist aufgrund der bestehenden Deltaproblematik (Schneider 2009) nur in sehr begrenztem Umfang zielführend (s.u.). Daher wurde in Szenario 2b „Weser potenziell“ in Form der Überlebensrate vom Ei zum Smolt von 1,5 % (die in den potenziell strukturell gut geeigneten Habitaten unter normalen Umständen übertroffen werden sollte), sowie einem Verhältnis von Laicher zu Rückkehrer von 50 % (Angaben Skjern: 90 %) ein Puffer integriert. Abbildung 16 zeigt die theoretische Populationsentwicklung je nach Szenario bei initialer vollständiger Ausnutzung

56

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

des Smoltproduktionspotenzials jedes Gewässers. Daraus ist ersichtlich, dass die für Szenario 2b zugrunde gelegten Parameter theoretisch eine stabile, expandierende Population selbst bei zusätzlich auftretenden Mortalitätsfaktoren (je nach Intensität) ermöglichen würden.

Abbildung 16: Theoretische Entwicklung der Sub-Populationen Werre, Kalle Exter (A) und Nethe (B) für Szenario 1, 2a und 2b, bzw. bei einer Aufstiegswahrscheinlichkeit von lediglich 90 %, bei jeweils initialer vollständiger Ausnutzung des vorhandenen Smoltproduktionspotentials und ohne Habitatlimitierung in den Folgegenarationen.

Setzt man die Aufstiegswahrscheinlichkeit per Kraftwerk auf lediglich 90 % (zusammen mit der aktuellen abwärtsgerichteten Durchgängigkeit, siehe Tabelle 12) so zeigt sich, dass die für Szenario 2b zugrunde gelegten Parameter nicht ausreichen (s. Abbildung 16), da die Erreichbarkeit von Werre, Kalle und Exter unter diesen Umständen lediglich 47,8 %, die der Nethe nur 43 % beträgt.

57

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Generell ist anzumerken, dass Szenario 2b „Weser potenziell“ den Zustand nach fortgeschrittener Anpassung darstellt. In der Anfangsphase der Wiederansiedelung ist mit höheren Mortalitäten und geringeren Rückkehrerraten zu rechnen (vgl. Szenario 2a). Der Wiederansiedelungsprozess ist als kontinuierliche Maßnahme zu verstehen, die sich je nach Gewässer und Einflussfaktoren auf unterschiedlich lange Zeiträume erstrecken kann.

Favourable range

Die Berechnungen zeigen, dass die für Nordrhein-Westfalen festgelegte favourable range für den Lachs, die sich bisher nur auf den Rhein und seine Nebengewässer erstreckt, auf die hier behandelten Weserzuflüsse ausgeweitet werden kann. In den jeweiligen Gewässern liegen bei den hier zugrunde gelegten Parametern ausreichend potenzielle Jungfischhabitate vor, um ein langfristiges Überleben der Art zu sichern.

Dabei liegen die flächenmäßig größten Anteile dieser potenziellen Jungfischhabitate im Werresystem, das zusammen mit Kalle und Exter somit die günstigeren Voraussetzungen aufweist. Darüber hinaus haben Laichfische mit Ziel Nethe und Smolts aus der Nethe eine zusätzliche Staustufe (Hameln) zu überwinden.

Weitere Mortalitätsfaktoren

In den Modellen wurde lediglich die Kraftwerksmortalität berücksichtigt. Szenario 2b „Weser potenziell“ beinhaltet daher einen Puffer in Form von konservativ angelegten Werten, vor allem hinsichtlich der Reproduktionswahrscheinlichkeit und des marine survivals (s.u.).

Je nach Lebensstadium gibt es für den Lachs verschiedene Faktoren, die die Überlebensrate beeinflussen. Sie können in natürliche und anthropogene Mortalitätsursachen unterteilt werden (vgl. Thiel und Magath 2012).

Natürliche Faktoren umfassen vor allem Prädation durch eine Reihe fischfressender Räuber. Diese reichen von Groppen im Laichgewässer (erbeuten Eier und Larven; vgl. Krau 2011), über andere Raubfische (Larven, Brütlinge, Smolts) und den Kormoran (vorrangig Smolts), bis hin zu Prädatoren im marinen Bereich der Futtergründe des Lachses. Ihr Vorkommen und ihre Häufigkeit unterscheiden sich sowohl innerhalb eines Systems mit seinem Verlauf als auch von Gewässer zu Gewässer. Ihre Ausprägung ist daher hochvariabel. Ein weiterer wichtiger Mortalitätsfaktor ist die Konkurrenz junger Lachse untereinander um Lebensraum und Nahrung. Sie tritt in der ersten Phase nach Aufstieg aus dem Kiesbett (Emergenz) ein.

58

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anthropogen bedingte Mortalität umfasst sämtliche durch den Menschen mittel- oder unmittelbar beeinflusste Faktoren. Hierzu zählt die Fischerei, in der hauptsächlich erwachsene Individuen im Meer erbeutet werden. Jedoch stellen bspw. auch Stellnetze in den Mündungsbereichen eine große Gefahr für abwandernde Smolts und Rückkehrer dar. Neben der kommerziellen Fischerei bildet auch die Sportfischerei einen wichtigen Faktor. Die Intensität der kommerziellen Fischerei sowie Freizeitfischerei in der Weser ist wahrscheinlich deutlich geringer als am Rhein (vgl. Schneider 2009). Die Bedeutung dieses Faktors kann jedoch mit steigendem „Angebot“ zunehmen und sollte genau beobachtet werden.

Der potenziell größte bekannte anthropogene Mortalitätsfaktor für Lachse in der Weser ist die Wasserkraftnutzung an den acht Staustufen. Durch die Aneinanderreihung der Standorte kumuliert die Gesamtmortalität. Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Wanderkorridors stellt entsprechend den Schlüssel für den Erfolg jeglicher Wiederansiedelungsbestrebungen dar (s.u.).

Zusätzliche anthropogene Faktoren sind Wasserentnahme und Einträge von Nährstoffen und Feinsediment in die Gewässer. Hiervon sind vor allem die ersten Lebensstadien des Lachses bis zum Smolt betroffen. Die Landnutzung entlang der Gewässer ist daher von großer Bedeutung für die Wasser- und Habitatqualität der Laichgewässer. Die EG-WRRL gibt jedoch auch hier klare Vorgaben, deren Umsetzung anzustreben ist.

Generell sind sämtliche, für den Lachs wichtigen Mortalitätsfaktoren in der Weser je nach Standort zu identifizieren und zu quantifizieren. Im Rahmen dieser Studie können diese Mortalitätsfaktoren (bis auf die Wasserkraftnutzung) aufgrund ihres Umfangs und ihrer Variabilität nur in Form eines ausreichenden Puffers berücksichtigt werden (vgl. Szenario 2b).

Marine survival

Eine wichtige Grundlage für Szenario 2b „Weser potenziell“ ist das marine survival (Überlebensrate in der marinen Phase des Lebenszyklus), das mit 10,3 % angesetzt wurde. Angaben hierzu liegen von verschiedenen west-atlantischen Populationen vor, wobei eine direkte Vergleichbarkeit mit europäischen Populationen wegen der spezifischen Verhältnisse der marinen Wanderrouten, unterschiedlicher Prädationsrisiken und weiterer Gefährdungen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Zudem schwanken die Angaben erheblich zwischen den Jahren (vgl. ICES 2012). Für europäische Bestände liegen Daten zu „Rückkehrerraten“ vor (ICES 2012), in denen jedoch die Mortalität bei der Ab- und Aufwanderung im Süßwasser enthalten ist. Danach erreichen 1SW Lachse in Mitteleuropa 59

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

(Schottland, England & Wales sowie Frankreich) Rückkehrerraten ab Smoltstadium von 3,6 – 6,1% und MSW Lachse 1,0 – 3,4% (5 und 10-Jahresmittel). Für viele Angaben zu „Rückkehrerraten“ ist dabei der Einfluss kommerzieller Fischerei und Sportfischerei sowie Wilderei unsicher. Das reine marine survival dürfte entsprechend deutlich höher liegen. Das marine survival besetzter (!) Smolts des Skjern-Stamms beträgt 4,8 %.

Für das auf Experteneinschätzung basierende Szenario 2b „Weser potenziell“ wurden Daten der IMARES Studie (Jansen et al. 2008) aus 2008 genutzt. Das darin berechnete marine survival (ab Rheinmündung) liegt im Bereich von 10,3 bis 23,5 % (s. Anhang III). Es sind die einzigen den Verfassern dieser Studie bekannten Werte, die für die Weser als System der norddeutschen Küste plausibel erscheinen. Durch die relative geographische Nähe zur Rheinmündung sowie größtenteils ähnlicher Wanderrouten im Meer und damit auch ähnlicher Gefahren für die wandernden Individuen ist davon auszugehen, dass sich die Werte für die Weser in ähnlichen Bereichen bewegen werden. Da die Spanne von 13,2 % zwischen dem Minimal- und Maximalwert relativ hoch ist und keine Werte vergleichbarer Systeme vorliegen, wird sicherheitshalber der pessimale Wert für Szenario 2b zugrunde gelegt. Da jedoch das marine survival besetzter Smolts des Skjern-Stamms bereits bei 4,8 % liegt, ist es wahrscheinlich, dass für wilde Smolts dieser Herkunft Werte von mindestens 10% erwartet werden können. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die geographische Nähe der Mündungsgebiete von Skjern und Weser und die damit verknüpften gemeinsamen Wanderrouten mit ihren spezifischen Mortalitätsrisiken hingewiesen. Während der letzten Eiszeit verfügten Weser und Skjern sogar über ein gemeinsames Deltagebiet (Abbildung 17).

Es ist jedoch zu beachten, dass das marine survival aufgrund unbekannter Faktoren generell rückläufig zu sein scheint (vgl. ICES 2012). Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, nach begonnenem Wiederansiedelungsprozess durch geeignete Versuche das marine survival aus der Weser abwandernder Smolts zu untersuchen.

Abbildung 17: Die Weser und die Flüsse Jütlands (inkl. Skjern) verfügten während der letzten Eiszeit über ein gemeinsames Deltagebiet. (Quelle: verändert nach Schmidt 1996).

60

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Vergleich mit Rhein und Maas

Ein direkter Vergleich potenzieller Bestände in der Weser mit den (im Aufbau befindlichen) Beständen in Rhein und Maas ist aufgrund spezifischer Probleme in den Wanderkorridoren des Rhein-Maas-Systems und unterschiedlicher Spenderpopulationen wenig zielführend. Für potenzielle Wiederansiedelungsprojekte im nordrhein-westfälischen Einzugsgebiet der Weser ist aus Sicht der Autoren der Fokus darauf zu richten, die Weser-spezifischen Probleme für die Wiederansiedelung zu lokalisieren und durch geeignete Maßnahmen zu quantifizieren. Diese Faktoren geben zusammen mit populationsspezifischen Parametern die benötigten Mindest-Populationsgrößen vor.

Vergleich mit erfolgreichen Wiederansiedelungsprojekten

Aufgrund des komplexen Lebenszyklus des Atlantischen Lachses und der Verschiedenheit der Habitate ergeben sich je nach Gewässer einzigartige Faktorenkomplexe, die nicht ohne weiteres übertragbar sind:

In der französischen Dordogne (Gironde-System) gelang die Wiederansiedelung Atlantischer Lachse mit dem ersten Reproduktionsnachweis in 1994. Anfangs wurde Besatzmaterial verschiedener Stämme verwendet, seit 1990 wurden nur noch Individuen des geographisch relativ nahe gelegenen Allier-Stammes genutzt. Anschließend begann die schrittweise Umstellung auf den nun vorhandenen Dordogne-Stamm (mdl. Mtl. P. Jatteau). Die Rückkehrerzahlen, mit über 1000 Rückkehrern jährlich zu Anfang der 2000er Jahre (Daten www.migado.fr), zeigten den Erfolg des Programms. Zusätzlich wurde die Wiederbesiedelung verschiedener kleiner Zuflüsse der Dordogne verzeichnet (!). Die mehrfache Aufstauung des Hauptlaufs und damit verbundener fortwährender Schwallbetrieb sowie ggf. Folgen der Klimaveränderung (zunehmend höhere Wassertemperaturen) stellen das Wiederansiedelungsprojekt jedoch vor große Schwierigkeiten. Die Rückkehrernachweise unterliegen starken Fluktuationen und sind in den letzten Jahren wieder (stetig) leicht gestiegen auf (bis Juli registrierte) 349 Rückkehrer in 2012.

Am russischen Onega-See gelangen bei land-locked - Lachsen (Binnenpopulationen) im Anschluss an Habitatrestaurationen (insbesondere Laichhabitate) Wiederansiedlungs- maßnahmen mit Herkünften aus benachbarten Flusssystemen, u.a. im Fluss Suna (Veselov, 2012, mdl. Mtl.). Sehr hohe Dichten (> 10 Sömmerlinge/m2) weisen auf die Nachhaltigkeit

61

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

der Habitatmaßnahmen hin. Daneben wird eine geographische Nähe der Spenderpopulationen als Schlüssel für gelungene Wiederansiedlungen gesehen.

Detaillierte Daten zu Rückkehrerraten oder weiteren Parametern aus den Projekten liegen nicht vor. Es zeichnet sich jedoch ab, dass eine Voraussetzung der erfolgreichen Wiederansiedelung - neben struktureller Güte und Durchgängigkeit der Gewässer - vor allem die Auswahl einer geeigneten Herkunft als Spenderpopulation ist. Offensichtlich geeignet sind geographisch nahe Herkünfte, die weitgehend hinsichtlich genetischer (Vor)Anpassungen (vor allem hinsichtlich des timings der Laichzeiträume sowie der Wanderrouten) mit den ursprünglichen Beständen übereinstimmen. Die Wahl des Skjern- Stammes für die Weser bietet a priori eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiederansiedelung in der Weser Nordrhein-Westfalens (s.o.).

Wiederansiedelungsprojekte in der Weser

Auch der Vergleich mit derzeitigen Wiederansiedelungsprojekten in der Weser selbst bringt nur wenige Anhaltspunkte für die Entwicklungsmöglichkeiten einer zukünftigen Population in Nordrhein-Westfalen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in der Weser noch kein erfolgreich abgeschlossenes Wiederansiedelungsprojekt für den Atlantischen Lachs.

In der Diemel (Hessen) wurden von 2000 bis 2005 wiederholt Jungfische besetzt. Aufgrund der nicht vorhandenen Durchgängigkeit von Weser und Diemel wurden diese Besatzmaßnahmen vorerst wieder eingestellt (RP Kassel, schriftl. Mtl.).

In der Werra (Thüringen) gibt es Pläne, den Lachs zukünftig in verschiedenen Nebengewässern wieder anzusiedeln. Auch hier steht die noch nicht wiederhergestellte Durchgängigkeit der Weser als zentrales Problem den Wiederansiedelungsbestrebungen im Weg (Thüringenforst, schriftl. Mtl.).

In Niedersachsen werden die Programme zur Lachswiederansiedelung nicht aus Landesmitteln finanziert. Dennoch gibt es verschiedene Programme, die vor allem von Fischereiverbänden durchgeführt werden. Hervorzuheben sind die Hunte und Ochtum, die Aller (mit Oker), die Leine und die Wümme.

An der Leine sowie an Aller und Oker wurden bisher schwedische Herkünfte (Lagan, Ätran) und dänische Skjen-Lachse besetzt (Leine-Lachs e.V.; Aller-Oker-Lachs-Gemeinschaft - 62

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

AOLG). Dabei wird sowohl mit Brütlingen und Parrs der AK 0+ als auch mit Smolts gearbeitet. An der Oker wurde bereits 1993 der erste Lachsbesatz durchgeführt. Die Arbeitsgemeinschaft Oker e.V., , ist Träger des Lachs-Infocenter Wöltingerode (www.lachs-infocenter.de) und betreibt auch die Nachzucht in einer Aufzuchtanlage für Lachse auf dem Vereinsgelände beim Klostergut Wöltingerode. Als wichtigste Beeinträchtigungen werden in beiden Subsystemen Wanderhindernisse, die teils intensive Gewässerunterhaltung, Wasserverschmutzungen und die Wasserkraftnutzung aufgeführt. Insgesamt liegen bisher nur wenige Rückkehrernachweise vor (Leine).

Vor allem aufgrund der günstigen Mündungslage der Wümme vor dem ersten Querbauwerksstandort in Bremen-Hemelingen ist dieses Projekt von besonderem Interesse und soll anhand von Angaben des Landessportfischerverbands Niedersachsen e. V. (Ralf Gerken) an dieser Stelle ausführlicher dargestellt werden. 1984-1990 erfolgte in der Wümme erstmaliger Besatz mit Brütlingen und Smolts (verschiedene Herkünfte aus Schweden und Irland); 1999-2005 wurde Besatz mit dänischen Smolts (Danish Center für Vildlaks) durchgeführt. Im oberen Wümmegebiet wurden zunächst nur vereinzelte Rückkehrer registriert (bis heute nur ca. 4-5 adulte Laichfische; erster Rückkehrer 2000). Daher erfolgte 2005 die Einstellung des Lachsbesatzes. In einigen Fällen wurde die Einwanderung von entwichenen Zuchtlachsen dokumentiert. Daneben liegen vereinzelte Angelfänge vor, die aber oft nicht oder nur verspätet als Lachs identifiziert wurden (oft werden Lachse als Meerforellen angesprochen). Trotz Einstellung des Besatzes gelang im Jahr 2011 erstmalig ein Nachweis natürlicher Reproduktion an der Unteren Wümme bei Fischerhude-Ottersberg (Wümme- Nordarm); hier wurden im Bereich naturnah gestalteter Sohlgleiten zahlreiche Junglachse nachgewiesen (Befischungen im Auftrag der LAVES, Dez. Binnenfischerei, Auftragnehmer P. Rathcke). Im Wümmeoberlauf und in den zumeist kleineren Nebengewässern (z. B. Veerse, Fintau, Ruschwede) mit Breiten von meist unter 5-6 m scheint eine Koexistenz von Lachs und Meerforelle nicht ohne Weiteres möglich. Nach Einschätzung des LSFV ist die Meerforelle (in den Tieflandgewässern!) konkurrenzfähiger gegenüber dem Lachs. Die Meerforelle zeigt nach Beobachtungen des LSFV auch gegenüber deutlich größeren Lachsen ein aggressives und erfolgreiches Territorialverhalten und verdrängt den Lachs aus potenziellen Habitaten. Die ökologische Einnischung der Junglachse in Abschnitte mit deutlich stärkerer Strömungsgeschwindigkeit ist hier aufgrund der geringen Gewässergröße offenbar nicht möglich. Eine natürliche Reproduktion der Meerforelle ist in den vergangenen Jahren an allen vom LSFV renaturierten Gewässerabschnitten eindeutig nachgewiesen.

63

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Wümme ist in den vergangenen Jahren weit fortgeschritten. So sind fast alle Wehre im Unterlauf der Wümme inzwischen zu Sohlgleiten umgebaut worden. Das bestehende Wehr im Mittellauf der Wümme bei Scheeßel ist aber offenbar für Lachse kaum überwindbar. Die Meerforelle ist hier nach Beobachtungen des LSFV besser in der Lage, den alternativen Aufstiegsweg am Ausleitungswehr mit Fischtreppe zu finden, während die Lachse offenbar im Unterwasser der Wasserkraftanlage (größter Abfluss) erfolglos den Aufstieg suchen. Im gesamten Wümmegebiet ist die anthropogen überhöhte Sandfracht offenbar der größte Beeinträchtigungsfaktor für die Gewässerökologie und die Reproduktionsbedingungen für Kieslaicher. In besonderem Maße hat sich dies durch den großflächigen Grünlandumbruch, den enorm gestiegenen Maisanbau und die daraus folgenden Erosionserscheinungen in den letzten Jahren verstärkt. Auch die intensive, maschinelle Unterhaltung zahlreicher Vorfluter trägt maßgeblich zur hohen Sandfracht sowie zur strukturellen Verarmung potentieller Laich- und Aufzuchtgewässer bei. Die Initialbesatzmaßnahmen waren offenbar im oberen Wümmegebiet nicht nachhaltig und haben nicht zum gewünschten Aufbau einer ausreichend großen Laicherpopulation geführt. Im unteren Wümmegebiet (Wümme-Nordarm) hat sich aber offenbar ein vermutlich kleiner Stamm mit Laichfischen etabliert, der sich auch 7 Jahre nach Einstellung der Besatzmaßnahmen gehalten hat (!). Die Größe der Laicherpopulation ist aber unbekannt. Im Unteren Wümmegebiet werden aufgrund des Reproduktionsnachweises (2011) in 2013 durch den Landkreis Verden weitere Renaturierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Laichgebiete des Lachses umgesetzt. Hier werden an drei größeren Abschnitten des Wümme- Nordarms Kiesbetten angelegt. In den Folgejahren soll der natürliche Reproduktionserfolg des Lachses durch Befischungen weiter überprüft werden. Eine Weiterführung des Initialbesatzes ist zur Zeit nicht geplant (www.wuemme-meerforelle.de).

Der Landesfischereiverband Weser-Ems e.V. koordiniert die Wiederansiedelungsprojekte in Delme und Hunte. Besetzt werden auch hier ausschließlich Junglachse (hauptsächlich Smolts) des Skjern-Stammes, mit Stückzahlen um die 6.000 bis 10.000 je System. Sowohl in der Delme als auch in der Visbecker Aue (Hunte) werden regelmäßig Rückkehrer nachgewiesen. Die Anzahl der Nachweise schwankt jedoch stark mit der Wasserführung. In verschiedenen Jahren wurde zudem Naturvermehrung nachgewiesen. Ein negativer Trend hinsichtlich anthropogen verursachten Sandeintrags limitiert jedoch verfügbare

64

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Jungfischhabitate und sorgt wie an der Wümme für eine vergrößerte Konkurrenz mit (überlegenen) juvenilen Meerforellen.

Aus den Angaben des LSFV zur Wümme und des Landesfischereiverbands Weser-Ems e.V. zu Delme und Hunte wird deutlich, dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse und Erfahrungen aus norddeutschen Tieflandgewässern mit ihrem geringeren Gefälle, spezifischer Substratbeschaffenheit und teils hohen Sedimentfrachten auf die potenziellen Wiederansiedlungshabitate in den Mittelgebirgsbächen Nordrhein-Westfalens nur sehr bedingt zweckmäßig ist. Festzuhalten ist jedoch, dass auch außerhalb Nordrhein-Westfalens die Wiederherstellung der Durchgängigkeit weiterhin eines der Hauptprobleme der Lachswiederansiedlung darstellt.

Schwarm-Mindestgrößen

Smoltifizierte Jungfische nutzen verschiedene Umweltfaktoren, um den Eintritt ins Meer bei vorteilhaften Bedingungen abzupassen. Dies sind u.a. Abflussverhältnisse und Temperatur. Innerhalb eines Gewässersystems wandern Smolts aus weiter flussaufwärts gelegenen Zuflüssen meist früher ab, als solche, die weiter flussab aufgewachsen sind. Dieser Mechanismus sorgt für einen simultanen Eintritt in das Meer in Schwärmen, was meist mit dem besseren Schutz vor Prädatoren erklärt wird (Aas 2011). Das timing des Abwanderns scheint dabei genetisch verankert zu sein (Stewart et al. 2006), was sich bei im Aufbau befindlichen Populationen mit allochthoner Herkunft des Besatzmaterials bspw. in anfangs verringerten Überlebens- und Rückkehrerraten ausdrücken könnte.

Die Größe solcher Smoltschwärme, oder eine Mindestgröße, ist nicht bekannt. Manche Autoren gehen von solitärer Abwanderung im Geburtsgewässer (Riley 2007) und anschließendem Zusammenfinden im Wanderkorridor aus. Versuche zeigten auch, dass verwandte Smolts sich eher in Gruppen zusammenfinden und gemeinsam abwandern als fremde Individuen (Olsén et al. 2004). In der Literatur sind jedoch keine Angaben zu finden, nach denen es Mindestgrößen für Schwärme abwandernder Smolts gibt, die eine maximale oder verbesserte Überlebenswahrscheinlichkeit garantieren. Je nach Einfluss nehmendem Faktor sind Vor- und Nachteile der Schwarmbildung denkbar, deren Auswirkungen unterschiedlicher Natur und Stärke sein können (bspw. größerer Schutz im Schwarm bei Jagd durch verhältnismäßig kleine Prädatoren gegenüber größerer Anfälligkeit bei Jagd durch große oder hoch abundante Prädatoren). 65

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

An Querbauwerken kann es je nach Abflusssituation sowie Beschaffenheit der Abstiegsvorrichtungen (generelles Vorhandensein, Auffindbarkeit, Attraktivität) zu Verzögerungen der Abwanderung kommen. Das gemeinsame Abwandern im Schwarm kann dabei gestört oder unterbunden werden (Schneider et al. 2012). Auswirkungen und Folgen sind dabei standortspezifisch und beinhalten bspw. erhöhte Prädation auf die im Oberwasser des Querbauwerks verbliebenen Individuen sowie mögliche schlechtere Bedingungen bei verspäteter Abwanderung. Auch hier gibt es keine Angaben über eine zur Risikominimierung vorteilhafte Schwarmgröße.

Ähnliches gilt auch für aufsteigende Laichfische. Es gibt keine Angaben über Mindestgrößen von Schwärmen, obwohl bekannt ist, dass Ansammlungen laichreifer Fische durchaus Auswirkungen auf das Aufstiegsverhalten (bspw. Streunen) anderer Individuen haben können (s. Kapitel 2).

Der Faktor Schwarmgröße ist folglich bei der Einschätzung von Mindestpopulationsgrößen - zumindest entsprechend des heutigen Kenntnisstands - zu vernachlässigen.

Schlussfolgerung und Auswirkungen auf die Gewässersysteme

Zusammenfassend lässt sich aussagen, dass gemäß der in dieser Studie geschilderten Umstände und Rahmenbedingungen im Einzugsgebiet der Weser in Nordrhein-Westfalen die optimale Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Hauptwanderkorridors (sowohl auf- als auch abwärts gerichtet) von herausragender Bedeutung für eine erfolgreiche und nachhaltige Wiederansiedelung des Atlantischen Lachses ist. Selbst bei guter Durchgängigkeit jedes Querbauwerkstandortes auf- und abwärts von 95 % zeigt sich mit Erreichbarkeiten von 66,3 % (Sub-Population Nethe) bzw. 69,8 % (Sub-Population Werre, Kalle, Exter), wie hoch die Auswirkungen der Wanderhindernisse auf Lachspopulationen sind. Da potenzielle Jungfischhabitate in bedeutendem und ausreichendem Umfang vorhanden sind und mit der Herkunft Skjern eine geographisch nahe Spenderpopulation verfügbar ist, bildet die Durchgängigkeit des Wanderkorridors sowie der Laichgewässer derzeit den limitierenden Faktor für eine erfolgreiche und nachhaltige Wiederansiedelung des Lachses im Weser-Einzugsgebiet Nordrhein-Westfalens.

66

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Hinsichtlich populationsökologischer und genetischer Faktoren zeigt der Fortbestand diverser kleiner Populationen, dass der Lachs wesentlich flexibler sein könnte als bisher gedacht. Dennoch ist es aus genetischer Sicht angebracht, für jede Sub-Population eine Anzahl von 500 effektiven Laichfischen pro Generation anzustreben. Diese Angabe entspricht also der statistisch genetisch benötigten Mindest-Populationsgröße für jede Sub-Population.

Die Populationsgrößen vitaler Bestände sind jedoch extrem variabel und hängen meist von gewässerspezifischen Faktoren ab. Wichtig ist daher, mittels optimal gestalteter Durchgängigkeit des Wanderkorridors einem Maximum an Laichfischen den Weg zum Laichgewässer zu ermöglichen. Hiermit kann ein ausreichender genetischer Puffer aufgebaut werden.

Wie die hier berechneten Szenarien zeigen, ist bei optimaler Durchgängigkeit eine erfolgreiche Besiedelung aller hier behandelten Gewässer möglich. Dabei lassen sich die zwei gebildeten Sub-Populationen auch getrennt voneinander bewirtschaften. Es ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es aus populationsdynamischer und genetischer Sicht von besonderem Vorteil ist, im Falle der Sub-Population 1 nicht nur das Werresystem, sondern damit verbunden auch Kalle und Exter mit einzubeziehen, da hier mit relativ kleinem Aufwand ein extrem wichtiger genetischer Puffer aufgebaut werden kann. Die Bedeutung solcher Pufferbestände ist nicht hoch genug einzuschätzen. Die günstige geographische Lage der drei Gewässersysteme – und damit verbunden der hochwahrscheinliche Austausch genetischen Materials zwischen den einzelnen Beständen - kann die benötigte Mindestgröße der Sub-Population positiv beeinflussen und so zur Stabilisierung beitragen. Möglicherweise kann perspektivisch auch die Weser selbst als Trittstein-Habitat entwickelt werden, sofern die Salzbelastung reduziert wird und die Reproduktionsbedingungen verbessert werden.

Eine von den anderen Gewässern losgelöste Bewirtschaftung ausschließlich der Kalle oder der Exter ist indes aufgrund der dann deutlichen Unterschreitung der genetischen Mindest-

Populationsgröße von Ne = 500 ausdrücklich nicht zu empfehlen.

Selbst wenn auch kleinere Populationen durch Genfluss lebensfähig sind ist zu berücksichtigen, dass individuenstarke Bestände (auch genetisch) stets besser gegen Umwelteinflüsse und Katastrophen gepuffert sind.

67

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Der komplexe Lebenszyklus des Lachses verlangt zudem nach einem ausreichenden Puffer gegen verschiedene Unsicherheitsfaktoren, wie dem des Verhältnisses von effektiven

Laichfischen (Ne) zu Rückkehrern (Nc), verschiedenen Mortalitätsfaktoren (inkl. Einleitungen/Havarien in den Aufwuchsgewässern), negativer Trend des marine survival, etc. Auch aus diesen Überlegungen heraus ist dringend zu empfehlen, durch eine optimale Gestaltung der Durchgängigkeit des Wanderkorridors für eine maximale Anzahl an Laichfischen zu sorgen.

Aufgrund dieser vielfältigen Unsicherheitsfaktoren können die hier erstellten Szenarien nur als grobe Anhaltspunkte dienen. Die tatsächliche Entwicklung der verschiedenen die Entwicklung der Populationen beeinflussenden Faktoren ist nach Etablierung erster Bestände stetig zu überwachen.

68

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Zusammenfassung der Kernpunkte

1. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Wiederansiedlung ist eine optimale Ausgestaltung der Durchgängigkeit des Hauptwanderkorridors, da diese bei optimaler Ausprägung der übrigen Faktoren den kritischen Punkt darstellt. Die Durchgängigkeit muss sowohl für den Aufstieg der Rückkehrer als auch für die abwandernden Smolts so gestaltet sein, dass durch eine sehr gute Auffindbarkeit der Wanderkorridore Verletzungsrisiken, Prädationsrisiken und Belastungen des Zeitbudgets minimiert werden (s.a. Kap. 5 Populationsmodelle). 2. Das Werresystem, die Kalle, die Exter und das Nethesystem weisen Belege über historisch bedeutende Lachsvorkommen auf und sind auch zukünftig aufgrund potenziell großflächig vorhandener Jungfischhabitate für Wiederansiedelungs- bestrebungen von prioritärer Bedeutung. 3. Es konnten realistische und populationsbiologisch begründete Szenarien für eine erfolgreiche Wiederansiedlung des Lachses im nordrhein-westfälischen Wesersystem entwickelt werden. 4. Aufgrund der geographischen Lage der Gewässer wurden zwei Sub-Populationen Nethesystem (1) und Werresystem, Kalle, Exter (2) angenommen. 5. Unter den zugrunde gelegen Parametern bieten sämtliche behandelten Gewässer ausreichend potenziell geeignetes Jungfischhabitat, um selbstreproduzierende Bestände zu etablieren (im Falle der Kalle und Exter unterstützt durch Genfluss). 6. Die favourable range für den Lachs in Nordrhein-Westfalen kann daher potenziell um die hier behandelten Gewässer erweitert werden. 7. Die gebildeten Sub-Populationen Nethesystem (1) und Werresystem, Kalle, Exter (2) lassen sich getrennt voneinander bewirtschaften. 8. Innerhalb der Sub-Populationen ist es sinnvoll, alle behandelten Gewässer zu bewirtschaften, um ausreichende (genetische) Puffer aufzubauen und damit die Population zu stützen. 9. Populationsdynamisch lässt sich keine definitive Mindest-Populationsgröße festlegen; genetisch gesehen ist eine Einhaltung einer statistischen Mindest-Populationsgröße von 500 effektiven Laichfischen pro Generation und Sub-Population – bestmöglich verbunden mit kleineren Beständen in Nachbargewässern als genetischem Puffer – sinnvoll.

69

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

10. Aufgrund der vielfältigen Unsicherheitsfaktoren innerhalb des komplexen Lebenszyklus des Lachses ist es notwendig einem Maximum an Laichfischen die Passage zu den Laichgewässern zu ermöglichen, um eine Pufferung gegen vielfältige natürliche und anthropogene Umweltfaktoren zu erreichen. 11. Die für die jeweiligen Lebensstadien auftretenden Mortalitätsfaktoren sind für die Weser zu identifizieren und ihre Intensität zu quantifizieren sowie geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen; dies schließt die Mortalität durch Wasserkraftnutzung bzw. die Überprüfung der Effizienz von Fischabstiegsanlagen ein. 12. Mit dem Auftreten erster Rückkehrer und erfolgreicher Naturvermehrung sollten sämtliche Parameter und ihre Entwicklung über die Zeit einem Monitoring unterzogen werden; dies schließt die Effizienz von Fischaufstiegsanlagen im durch Wasserkraftnutzung beeinträchtigten Wanderkorridor Weser mit ein.

Frankfurt am Main, 30.8.2012 (Dr. Jörg Schneider)

70

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Literaturverzeichnis

Aas, Øystein (2011): Atlantic salmon ecology. Oxford: Wiley-Blackwell. Adam, B.; Schwevers, U.; Engler, O. (2000): Wiederansiedlung von Wanderfischen im Wesereinzugsgebiet. Erfassung von Laichhabitaten. Hg. i. Rahmen Weserlachsprogramms der ARGE Weser Im Niedersächsischen Landesamt für Ökologie. Institut für angewandte Ökologie. Wahlen. AFGN (1997): Bericht des Sprechers. Ergänzung zum Vortrag Bartmann, L. 25. Fachtagung. Arbeitsgemeinschaft für Fischarten- und Gewässerschutz in Norddeutschland. Achim, 26.10.1997. Armstrong, J. D.; Kemp, P. S.; Kennedy, G. J. A.; Ladle, M.; Milner, N. J. (2003): Habitat requirements of Atlantic salmon and brown trout in rivers and streams. The Scientific Basis for Management of Salmonid stocks in the British Isles. In: Fisheries Research 62 (2), S. 143–170. Bij de Vaate, A. & A.W. Breukelaar (2001): De migratie van zeeforel in Nederland. RIZA rapportnr. 2001.046. Consuegra, S.; Verspoor, E.; Knox, D.; Garcia Leaniz, C. de (2005): Asymmetric gene flow and the evolutionary maintenance of genetic diversity in small, peripheral Atlantic salmon populations. In: Conservation Genetics 6 (5), S. 823–842. FGG Weser (Hg.) (2009a): Bewirtschaftungsplan 2009 für die Flussgebietseinheit Weser - Maßnahmenprogramm 2009 für die Flussgebietseinheit Weser. Hildesheim. FGG Weser (Hg.) (2009b): Gesamtstrategie Wanderfische in der Flussgebietseinheit Weser. Hildesheim. Fritsch, A. (1893): Der Elbelachs: Eine biologisch-anatomische Studie: Selbstverl. Grimardias, D.; Merchermek, N.; Manicki, A.; Garnier, J.; Gaudin, P.; Jarry, M.; Beall, E. (2010): Reproductive success of Atlantic salmon (Salmo salar) mature male parr in a small river, the Nivelle: influence of shelters. In: Ecology of Freshwater Fish 19 (4), S. 510–519. Groot, S. J. de (1992): Decline and fall of the salmon fisheries in the Netherlands: is restocking the Rhine a reality? In: Aquaculture Research 23 (2), S. 253–264. Häpke, L. (1878): Zur Kenntnis der Fischfauna des Wesergebiets. In: Abh. naturwiss. Verein Bremen 5, S. 165– 190. Häpke, L. (1880): Fische und Fischerei im Wesergebiet. In: Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen 6 (3), S. 577–587. Hoffmann, A. (2010): Historisches Vorkommen von ausgewählten Fischarten in Nordrhein-Westfalen. Greven: Bitter & Lose. Houde, Aimee L. S.; Fraser, Dylan J.; O’Reilly, Patrick; Hutchings, Jeffrey A. (2011): Relative risks of inbreeding and outbreeding depression in the wild in endangered salmon. In: Evolutionary Applications 4 (5), S. 634–647. Huneke, Andreas (Hg.) (2003): Rehme. 1250 Jahre Orts- und Heimatgeschichte eines Minden-Ravensberger Dorfes. 2. Aufl. Bielefeld: Verl. für Regionalgeschichte. Hutchings, J.A; Jones, M.E.B (1998): Life history variation and growth rate thresholds for maturity in Atlantic salmon, Salmo salar. In: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 55 (S1), S. 22–47. ICES (2012): Report of the Working Group on North Atlantic Salmon (WGNAS). 26 März - 4. April 2012. Kopenhagen, Dänemark. Jansen, H. M.; Winter, H. V.; Tulp, I.; Bult, R. (2008): Bijvangsten van salmoniden en overige trekvissen vanuit een populatieperspectief. Jonsson, B.; Jonsson, N.; Hansen, L. P. (2003): Atlantic salmon straying from the River Imsa. In: Journal of Fish Biology 62 (3), S. 641–657. Jonsson, N.; Hansen, L.P; Jonsson, B. (1991): Variation in age, size and repeat spawning of adult Atlantic salmon in relation to river discharge. In: The Journal of Animal Ecology, S. 937–947.

71

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Keunecke, R.; Dumont, U. (2011): Erarbeitung und Praxiserprobung eines Maßnahmenplanes zur ökologisch verträglichen Wasserkraftnutzung. UBA Texte 72/2011. Hg. v. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau. Konken, E. (~ 1934): Die Weser als Lachsfluss. Krau, F. (2011): Einfluss der Groppe (Cottus rhenanus) auf Überlebensrate und Wachstum juveniler Atlantischer Lachse (Salmo salar). Masterthesis. Zoologisches Institut Universität Rostock, Rostock. Landau, G. (1865): Die Geschichte der Fischerei in beiden Hessen: Freyschmidt. Landois, H. (1892): Westfalens Tierleben. 3. Die Reptilien, Amphibien und Fische. In: F, Schöningh: Paderborn. Lauterborn, R. (2009): Fünfzig Jahre Rheinforschung. Lebensgang und Schaffen eines deutschen Naturforschers: Lavori. Linnansaari, T.; Keskinen, A.; Romakkaniemi, A.; Erkinaro, J.; Orell, P. (2010): Deep habitats are important for juvenile Atlantic salmon Salmo salar L. in large rivers. In: Ecology of Freshwater Fish 19 (4), S. 618–626. Mertens, Marion (op. 2011): Der Lachs. Ein Fisch kehrt zurück. 1. Aufl. Bern [etc.]: Haupt - Verlag. Online verfügbar unter MKULNV (2011): Wanderfischprogramm Nordrhein-Westfalen – Phase 2011–2015. Hg. v. Umwelt Landwirtschaft Natur-und Verbraucherschutz Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) Ministerium für Klimaschutz. Düsseldorf. Nemitz, A.; Molls, F. (1999): Kartierung von Fließstrecken im Einzugsgebiet der Nethe (NRW) im Hinblick auf ihre Eignung als Besatzorte für den Lachs (Salmo salar L.). im Auftrag der Bezirksregierung Detmold. Köln. Nielsen, E.E; Hansen, M.M; Bach, L.A (2001): Looking for a needle in a haystack: discovery of indigenous Atlantic salmon (Salmo salar L.) in stocked populations. In: Conservation Genetics 2 (3), S. 219–232. Olsén, K.H; Petersson, E.; Ragnarsson, B.; Lundqvist, H.; Jarvi, T. (2004): Downstream migration in Atlantic salmon (Salmo salar) smolt sibling groups. In: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 61 (3), S. 328–331. Rathcke, P. C. (2004): Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Mäanderfischpasses im Wasserkraftwerk Pfortmühle (Hameln). In: Abschlussbericht Fischereiwissenschaftlicher Untersuchungs-Dienst, Auftrag: Stadt Hameln. Riley, W. D. (2007): Seasonal downstream movements of juvenile Atlantic salmon, Salmo salar L., with evidence of solitary migration of smolts. Smolt 2005: Proceedings of the 7th International Workshop on Salmonid Smoltification. In: Aquaculture 273 (2–3), S. 194–199. Säisä, Marjatta; Koljonen, Marja-Liisa; Tähtinen, Jaana (2003): Genetic changes in Atlantic salmon stocks since historical times and the effective population size of a long-term captive breeding programme. In: Conservation Genetics 4 (5), S. 613–627. Schmidt, G. (1996): Wiedereinbürgerung des Lachses Salmo salar L. in Nordrhein-Westfalen: allgemeine Biologie des Lachses sowie Konzeption und Stand des Wiedereinbürgerungsprogramms unter besonderer Berücksichtigung der Sieg: Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten. Schneider, J. (1998): Zeitliche und räumliche Einnischung juveniler Lachse (Salmo salar Linnaeus, 1758) allochthoner Herkunft in ausgewählten Habitaten. Diss: VNW, Verl. Natur und Wiss, Solingen. Schneider, J. (2001): Beurteilung der Einwirkungen der Salzwassereinleitung des Kalibergbaus an der Werra (Thüringen) auf das Wanderverhalten von Langdistanz-Wanderfischen. Gutachten im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt. Frankfurt am Main. Schneider, J. (2002): Zur ursprünglichen Laichzeit des Sieglachses und Stammauswahl bei der Wiedereinbürgerung. - Fischer & Teichwirt 8/2002, S. 304-307. Schneider, J. (2009): Fischökologische Gesamtanalyse einschließlich Bewertung der Wirksamkeit der laufenden und vorgesehenen Maßnahmen im Rheingebiet mit Blick auf die Wiedereinführung von Wanderfischen. Hg. v. Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) (Bericht Nr. 167). Schneider, J. (2011): Review of reintroduction of Atlantic salmon (Salmo salar) in tributaries of the Rhine River in the German Federal States of Rhineland-Palatinate and Hesse. In: Journal of Applied Ichthyology 27, S. 24– 32.

72

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Schneider, J.; Hübner, D.; Korte, E. (2012): Funktionskontrolle der Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen sowie der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main. Endbericht 2012. Im Auftrag der WKW Staustufe Kostheim/Main GmbH & Co. KG. Frankfurt am Main. Schubert, H. J. (1998): Laichgewässer für Wanderfische (insbesondere Lachs und Meerforelle) im Wesereinzugsgebiet. Hg. v. Wassergütestelle Weser im Niedersächsichen Landesamt für Ökologie. Köthel. Seiler, H. (1999): Zur Geschichte der Lachsfischerei im Bezirk Trier insbesondere zu deren Niedergang und Ende. mit einer Auflistung von potentiellen Laichplätzen und Jungfischhabitaten für Lachse in Zuflüssen der Mosel im Bezirk Trier. Unter Mitarbeit von Lothar Kroll. Trier. Stewart, D. C.; Middlemas, S. J.; Youngson, A. F. (2006): Population structuring in Atlantic salmon (Salmo salar): evidence of genetic influence on the timing of smolt migration in sub-catchment stocks. In: Ecology of Freshwater Fish 15 (4), S. 552–558. Thiel, R.; Magath, V. (2011): Populationsdynamik diadromer Fischarten: Atlantischer Lachs, Meerforelle, Meerneunauge, Flussneunauge und Europäischer Aal. UBA Texte 76/2011. Hg. v. Umweltbundesamt. Dessau- Roßlau. v.d. Borne, M. (1882): Die Fischerei-Verhältnisse des deutschen Reiches, Oesterreich-Ungarns, der Schweiz und Luxemburgs, bearbeitet im Auftrage des deutschen Fischerei-Vereins durch Max von dem Borne: Moeser Hofbuchdruckerei. VDSF (2003): Lachse in Deutschland. Dokumentation der Wiedereinbürgerungsprojekte des atlantischen Lachses (Salmo salar L.) in Deutschland. Hg. v. Verband Deutscher Sportfischer e.V. Offenbach am Main. Verspoor, Eric; Stradmeyer, L.; Nielsen, Jennifer L. (2007): The Atlantic salmon. Genetics, conservation and management. Oxford ;, Ames, Iowa: Blackwell Pub. Wittmack, L. (1875): Beiträge zur Fischerei-Statistik des Deutschen Reichs: Sowie eines Theiles von Oesterreich-Ungarn und der Schweiz: Moeser (Drucker).

73

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Glossar

1SW- / 2SW-Lachs: Lachse die einen (1 See-Winter) bzw. zwei (2 See-Winter) Winter im Meer verbracht haben, s.a. MSW Adaption: genetische Anpassung an die im Habitat gegeben Umstände Adult: erwachsen Allel: Mögliche Ausprägung eines Gens an einem bestimmten Ort (Locus) auf einem Chromosom Allochthon: nicht heimisch (auch: importierte Lachse bzw. Besatzlachse fremder Herkunft; vgl. autochthon) Anadrom: Reproduktion und Jugendphase im Süßwasser, adulte Phase im Meer (Beispiele: Lachs, Meerforelle, Maifisch, Meerneunauge, Stör) Autochthon: heimisch (auch: Lachse ursprünglich fremder Herkunft, die sich bereits aus natürlicher Reproduktion im Rheinsystem rekrutieren; vgl. allochthon) Brütling: Jungfisch in den ersten Wochen nach dem Dottersackstadium (engl.: Fry) Chromosomen: Enthalten die Gene, somit die Erbinformation eines Organismus Diploidie: Vorhandensein zweier vollständiger Chromosomensätze in den Zellen eines Organismus Dominant: Ausprägung eines Merkmals eines Lebewesens, das eine andere Ausprägung überdeckt (bei heterozygotem Erbgut); siehe auch: rezessiv, intermediär Emergenz: Aufstieg des Brütlings aus dem Kieslückensystem (Interstitial) nach Aufzehren des Dottersacks, Beginn der Fressfähigkeit EZG: Einzugsgebiet FAA: Kurzform für Fischaufstiegsanlage Favourable range: „Günstiges natürliches Verbreitungsgebiet“: Gebiet, das die für eine Art wichtigen Lebensraumstrukturen aufweist und groß genug ist, um das langfristige Überleben der Art zu sichern Fixierung: Allel, das im gesamten Genpool einer Population nur noch in einer Ausführung (homozygot) vorliegt, gilt als fixiert Frühreif: Junger Lachs, der bereits vor der Abwanderung als Smolt im Süßwasser geschlechtsreif wird und sich an der Reproduktion beteiligen kann (fast nur männliche Parrs, sog. frühreife Milchner); in seltenen Fällen entfällt die Abwanderung (stationärer frühreifer Parr) Genetische Drift: Rein zufällige Veränderung innerhalb des Genpools einer Population (siehe auch: natürliche Selektion) Genfluss: Austausch genetischen Materials zwischen zwei Populationen einer Art (bspw. durch Streuner) 74

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Genpool: Gesamtheit aller Allele einer Population Grilse: Kleiner Lachs-Rückkehrer, der nach einem Winter im Meer in das Süßwasser zurückkehrt (s.a. 1SW-Lachs) Heterozygotie: die Allele für ein bestimmtes Merkmal sind auf den zwei Chromosomen unterschiedlich Homing (engl.): „Heimattreue“, Heimfindeverhalten adulter Individuen. Homozygotie: die Allele für ein bestimmtes Merkmal sind auf beiden Chromosomen gleich Intermediär: Gemischte Merkmalsausprägung bei einem Lebewesen, die von beiden Allelen beeinflusst wird. Interstitial: durchströmtes Kieslückensystem, in dem die Eier und Larven im Dottersackstadium der Kieslaicher (u.a. Lachs, Meerforelle) heranreifen Inzuchtdepression: Reduktion der Fitness (Fruchtbarkeit, Resistenz gegenüber Krankheiten, etc.) durch Inzucht Juvenil: jung, Jugendstadium (bei anadromen Arten die Lebensphase im Süßwasser) Lockströmung: auch Leitströmung; die Strömung, die wandernde Fische wahrnehmen und so als Orientierung nutzen (u.a. bedeutend für die Auffindbarkeit von Fischaufstiegsanlagen) Marine survival: Überlebensrate vom Eintritt in das Meer (als Smolt) bis zum Aufsteigen (als adulter Fisch) in den Wanderkorridor des Geburtsgewässersystems Meta-Population: Gruppe von Populationen oder Sub-Populationen, die untereinander einen (meist eingeschränkten) Genaustausch haben. Migration: Auf- oder Abwanderung Milchner: Männlicher Lachs Mixed-stock-fishery: Fang von Fischen, die aus versch. Altersgruppen, Größen, Arten, geographischer oder genetischer Herkunft stammen, bspw. marine Fischerei in Nahrungsgebieten des Lachses Mortalität: Sterblichkeit MSW-Lachs: „Multi-See-Winter”-Lachs, großer Rückkehrer, der mindestens zwei oder mehr Jahre (Winter) im Meer verbracht hat Natürliche Selektion: Natürliche Auslese der Individuen, die aufgrund ihrer genetischen Ausprägung in ihrer Fitness (Reproduktionserfolg, etc.) eingeschränkt sind Outbreeding depression (Auszucht): Reduktion der Fitness (Fruchtbarkeit, Krankheitsresistenz, etc.) aufgrund der Teilnahme von populationsfremden Individuen am Laichgeschäft (bspw. ausgebrochene Farmlachse) Parr: Junglachs im 1. bis 3. Lebensjahr; das Jugendkleid ähnelt dem der Forelle. Population: Bestand von Individuen, der als relativ stark isolierte Fortpflanzungseinheit in geringem genetischen Austausch mit anderen Populationen steht

75

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Postsmolt: Smolt nach Erreichen des Meeres Potamodrom: Kompletter Lebenszyklus im Süßwasser, ggf. mit Wanderungen innerhalb der Fließgewässer (Beispiel: Bachforelle) Prädator: Fressfeind; Organismus, der einen anderen, noch lebenden Organismus oder Teile von diesem konsumiert Reproduktion: Vermehrung Rezessiv: Ausprägung eines Merkmals eines Lebewesens, das durch ein anderes Merkmal überdeckt werden kann (bei heterozygotem Erbgut); siehe auch: dominant, intermediär Rogner: Weiblicher Lachs Rückkehrerrate: Prozentualer Anteil der abgewanderten Smolts, die als adulte Fische in das Laichgewässer zurückkehren, hier: vom Verlassen des Geburtsgewässers bis zur Wiederkehr an der Mündung Salmoniden: Lachsartige (umfasst u.a. Atlantische und pazifische Lachse sowie Forellen) Smolt: Silbrig umgefärbter Salmoniden-Jungfisch (häufig im 2. bis 4. Lebensjahr), der meist im Frühjahr in Gruppen oder Schwärmen ins Meer abwandert Smoltifikation: physiologische Umwandlung vom Parr zum Smolt (u.a. Entwicklung der Salzwassertoleranz) Stepping stone: „Trittstein“, hier: außerhalb des eigentlich präferierten Umfelds genutztes Habitat Streuner: (engl.: strayer): Aufwanderndes adultes Individuum, das nicht in sein Ursprungsgewässer, sondern in andere Gewässer aufsteigt (beim Lachs meist benachbarte, geographisch nahe Gewässer) Sub-Population: Bestand, der als gering isolierte Fortpflanzungseinheit in ständigem genetischen Austausch mit benachbarten Subpopulationen einer Populationen steht Timing: zeitliche Übereinstimmung von Abschnitten des Lebenszyklus, hier: der Laichzeit; lack of timing: fehlende zeitliche Übereinstimmung Überlebensrate Ei zu Smolt: Prozentualer Anteil der bis zum Smolt entwickelten Jungfische, bezogen auf die ursprüngliche Anzahl an befruchteten Eiern WKA: Kurzform für Wasserkraftanlage zur Stromproduktion

76

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anhang

77

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anhang I: Nach Sup-Populationen getrennte Grafiken für den Ab- und Aufstieg

78

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

79

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

80

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

81

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

82

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

83

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

84

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

85

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

86

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

87

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anhang II: 90 % Aufstiegs- wahrschein- lichkeit (Szenario 2c)

88

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anhang III: Angaben zum marine survival von Lachsen aus dem Rheinsystem (Jansen 2008)

89

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

Anhang IV: Gewässer mit > 2,5 % Anteil Lachs an Gesamtfischreferenz und potentiellen Jungfischhabitaten

Gewässerkennung Gewässername Fischgewässertyp (Nr. / Name) Teileinzug DE_NRW_428_128485 Eder Eder FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_428_128485 Eder Eder FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_428_154222 Eder Eder FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_428114_0 Benfe Benfe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_42814_0 Odeborn Odeborn FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_42814_3960 Odeborn Odeborn FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_428146_0 Schwarzenau Schwarzenau FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_42816_2450 Elsoff Elsoff FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_4282_12240 Nuhne Nuhne FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_4284_17631 Orke Orke FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_4284_20958 Orke Orke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_42846_18359 Wilde Aa Wilde Aa FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Eder DE_NRW_44_37264 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_46930 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_49230 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_51930 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_57431 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_66559 Diemel Diemel FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_66559 Diemel Diemel FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44_66559 Diemel Diemel FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4418_0 Rhene Rhene FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_442_0 Hoppecke Hoppecke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44336_0 Wõschebach Wõschebach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4434_13258 Orpe Orpe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4436_0 Hammerbach Hammerbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44362_0 Schwarzbach Schwarzbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4438_0 Mühlengraben Mühlengraben FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44382_0 Naure Naure FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44384_0 Ohme Ohme FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_44392_0 Kõlberbach Kõlberbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_444_0 Twiste Twiste FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4454_0 Eggel Eggel FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4454_4187 Eggel Eggel FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Diemel DE_NRW_4512_0 Bever Bever FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_452_0 Nethe Nethe FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_452_0 Nethe Nethe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_452_33356 Nethe Nethe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_4526_0 Aa Aa FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_45264_0 Katzbach Katzbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_4528_0 Brucht Brucht FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_4528_10600 Brucht Brucht FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_45286_0 Hakesbach Hakesbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Nethe DE_NRW_4534_0 Grube Grube FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4534_3100 Grube Grube FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_45352_0 Schelpe Schelpe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_456_19700 Emmer Emmer FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_456_29410 Emmer Emmer FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_456_33669 Emmer Emmer FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_456_42128 Emmer Emmer FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer 90

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

DE_NRW_45614_0 Mühlenbach Mühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_4562_0 Beberbach Beberbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_45624_0 Röthe Röthe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_4564_0 Heubach Heubach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_45642_0 Silberbach Silberbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_45652_0 Napte Napte FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_4566_0 Diestelbach Diestelbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_45662_0 Königsbach Königsbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_4568_0 Niese Niese FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_4568_7680 Niese Niese FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer Kleinenbredener Kleinenbredener DE_NRW_45684_0 Bach Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_45694_0 Ilsenbach Ilsenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_456944_0 Wörmke Wörmke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Emmer DE_NRW_458_8264 Exter Exter FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Rintelner Rintelner DE_NRW_45912_0 Herrengraben Herrengraben FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4592_0 Twiesbach Twiesbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4594_0 Herrengraben Herrengraben FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4596_0 Kalle Osterkalle FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_45962_0 Westerkalle Westerkalle FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4598_0 Forellenbach Forellenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_4598_2753 Forellenbach Forellenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_45992_0 Borstenbach Borstenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge DE_NRW_46_21000 Werre Werre FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_26350 Werre Werre FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_44270 Werre Werre FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_46680 Werre Werre FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_46680 Werre Werre FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_53870 Werre Werre FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46_58270 Werre Werre FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4612_0 Wiembecke Knochenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4612_3000 Wiembecke Wiembecke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4612_9000 Wiembecke Wiembecke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4618_0 Haferbach Haferbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46182_0 Gruttbach I Gruttbach I FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_462_0 Bega Bega FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_462_0 Bega Bega FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_462_23700 Bega Bega FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_46214_0 Hillbach Hillbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_4622_0 Passade Passade FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_46224_0 Marpe Marpe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_46232_0 Linnebach Linnebach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_4624_0 Ilse Ilse FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_46242_0 Niederluher Bach Niederluher Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_4626_0 Ítternbach Ítternbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_46272_0 Rhienbach Rhienbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_4628_0 Salze Salze FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre/Bega DE_NRW_464_0 Aa Aa FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_464_17470 Aa Johannisbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_464_2670 Aa Johannisbach FiGt_09 Äschentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4642_0 Schwarzbach Schwarzbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre Beckendorfer Beckendorfer DE_NRW_46422_0 Mühlenbach Mühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46452_0 Jölle Jölle FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4646_0 Lutterbach Weser-Lutter FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46462_0 Windwehe Windwehe FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre

91

BFS 2012: Ableitung von Mindestpopulationsgrößen für den Lachs im Flussgebiet Weser in Nordrhein-Westfalen

DE_NRW_464628_0 Oldentruper Bach Oldentruper Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre Eickumer DE_NRW_4648_0 Mühlenbach Kinsbeke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4652_0 Düsedieksbach Düsedieksbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4654_0 Bramschebach Bramschebach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4664_12779 Violenbach Violenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46654_0 Kilverbach Kilverbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4666_0 Warmenau Warmenau FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre Spenger Spenger DE_NRW_46664_0 Mühlenbach Mühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46672_0 Darmühlenbach Darmühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46674_0 Neue Else Neue Else FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_466742_0 Werfener Bach Werfener Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46676_0 Gewinghauser-Bach Landwehrbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_466794_0 Ostbach Ostbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4668_0 Brandbach Bolldammbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre Rehmerloh- Rehmerloh- Mennighüffer Mennighüffer- DE_NRW_468_0 Mühlenbach Mühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4684_0 Tengerner Bach Tengerner Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46844_0 Mühlenbach Mühlenbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4694_0 Mittelbach Mittelbach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_46992_0 Kaarbach Wulferdingser Bach FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge Werre DE_NRW_4724_4938 Schermbeeke Schermbeeke FiGt_02 unterer Forellentyp Mittelgebirge

92