Editorial Inhalt

Veränderungen

o ist das nun einmal im Leben, liebe Lese- Neben Klaus Koltzenburg von der DFB-Direk- Titel-Thema: Srin, lieber Leser der DFB-Schiedsrichter- tion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Zeitung. Die Zeit bleibt nicht stehen, die und Klaus Löw von der DFB-Abteilung Respekt ist das Schlüsselwort 4 wechselnden Jahreszeiten summieren sich, Schiedsrichter konnten wir nunmehr mit Lutz die Jahre gehen dahin. Vom 1. Juli 2008 an Lüttig einen absoluten Profi als mitverant- hat es im Schiedsrichter-Bereich Verände- wortlichen Redakteur gewinnen. Dass er nicht Handspiel bleibt rungen gegeben. Veränderungen, die einmal nur im Zeitungsgeschäft groß geworden ist immer ein Problem 8 Hans Ebersberger und Günter Linn und auf und über Jahrzehnte dort gewirkt hat, son- der anderen Seite betreffen. In dern auch absoluter Fachmann in Schieds- dieser DFB-Schiedsrichter-Zeitung würdigen richter-Fragen ist (er amtierte unter ande- Report: wir die großartigen Leistungen von Markus rem jahrelang als Assistent in der Bundesli- Merk in einem Sonderpart, so dass ich an die- ga), merkt man bereits in dieser Ausgabe – Elf Fragen an die Aufsteiger 13 ser Stelle nur nochmals „danke“ an dieses inhaltlich und auch vom Erscheinungsbild her. große Vorbild sagen kann. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm und sind sicher, dass seine Impulse Regel-Test: Danken möchte ich auch Hans Ebersberger, unseren Lesern zu gute kommen werden. Wenn die Fahne zu früh kommt 17 der sich aus der seit 1974 von ihm verantwor- teten Redaktion der DFB-Schiedsrichter- Natürlich nimmt die EURO 2008 in Österreich Zeitung nunmehr verabschiedet. Nach Carl und der Schweiz einen großen Raum der Lehrwesen: Koppehel war Hans von 1973 bis 1995 DFB- Ausgabe 4/08 der DFB-Schiedsrichter- Schiedsrichter-Lehrwart und Mitglied im DFB- Zeitung ein. Da ich als Mitglied der UEFA- Die Eskalation Schiedsrichter-Ausschuss. Generationen von Schiedsrichter-Kommission vor Ort war, sind Schiedsrichtern haben von seinem Wissen meine Eindrücke authentisch. Eugen Strigel rechtzeitig stoppen 20 profitiert, sein liebenswerter Charakter prägt analysiert die einzelnen Spiele und kristalli- ihn als eine Ausnahmeerscheinung. Er war siert die positiven und die zum Teil zu ver- FIFA-Instruktor und Beobachter in inter- bessernden Aspekte heraus. Vor allem ande- Report: nationalen Spielen der UEFA und FIFA. Er hat ren steht für mich ganz deutlich das Wort Markus Merk: die DFB-Schiedsrichter-Zeitung maßgeblich „Respekt“. Ich habe in meinen „Ansichten“ und äußerst positiv beeinflusst. Es bleibt mir schon häufig geschrieben, dass Respekt und Die nächsten Gipfel warten schon 22 nichts anderes, als meinen großen Respekt Disziplin etwas mit Erziehung zu tun haben. vor diesem herausragenden Sportsmann zum Bei dieser Europameisterschaft wurde dies Ausdruck zu bringen. Als kleiner Trost bleibt deutlich bestätigt. Hoffen wir, dass wir die- Analyse: uns, dass Hans Ebersberger weiterhin die sen gelebten „Respekt“ auch in der gerade Beiträge aus den Landesverbänden bearbei- begonnenen Saison erkennen können. Wenn aus Lust Frust wird 27 ten wird. Ich wünsche Ihnen, liebe aktive und passive Erstmals seit der Ausgabe 1/1996 müssen die Schiedsrichter-Freunde, viel Vergnügen beim Wettbewerb: Leser auf die Rubrik „Für den jungen Schieds- Lesen dieser erneut informativen DFB- Anzahl der Preise erhöht 29 richter“ von Günter Linn verzichten. Auch ihm Schiedsrichter-Zeitung und hoffe, dass beim gebührt mein besonderer Dank für seine Lösen der neu konzipierten Regelfragen 75 Beiträge, die den Schiedsrichtern wichtige keine Wissenslücken erkennbar werden. Blick in die Presse 30 Hilfestellung geleistet haben. Günter ist weiter- hin Schiedsrichter-Obmann des Fußball-Regi- onal-Verbandes Südwest und in der Regional- Aus den Verbänden 32 liga als Schiedsrichter-Beobachter tätig.

Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 3 Titel-Thema Respekt ist das Volker Roth analysiert die Umsetzung der UEFA-Vorgaben durch die EM-Schiedsrichter

h je. Regensdorf, nahe dem OFlughafen Zürich gelegen. Die- Ob bei den Fans, ob auf Banden, Plakaten oder bei allen offiziellen ser Ortsname, ein schlechtes UEFA-Anlässen: Die Forderung nach gegenseitigem Respekt war Omen? Schon während des Vorbe- allgegenwärtig. Sie wäre aber wohl nutzlos geblieben, wenn reitungs-Lehrgangs zur EURO 2008 die Akteure sie auf dem Platz nicht erfüllt hätten. Vorbildlich, im April tief hängende Wolken, oft- wie Miroslav Klose nach dem mühsamen deutschen 1:0-Sieg mals Regen, ganz einfach kalt und dem österreichischen Torwart Macho seinen Respekt zollt. ungemütlich. Nun, bei meiner Ankunft zur EURO 2008 am 3. Juni wieder Regen. Kalt. Nach der son- nigen Europameisterschaft vor vier Jahren in Portugal mit all den positiven Aspekten vielleicht doch negative Begleiterscheinungen? Abwarten, man wird sehen. Wichtig sind die Spiele, nicht die Wetter- bedingungen. In jedem Fall ein Mövenpick Hotel mit äußerst freundlichen Mitarbeitern, aus- gesprochen gutem Essen (unter anderem mit dem weltbekannten Mövenpick-Eis), einladenden, sau- beren und komfortablen Räumen. Zwölf Schiedsrichter mit jeweils zwei Assistenten aus dem eigenen Land, acht Nachwuchsleute, die als Vierte Offizielle Erfahrungen in großen Turnieren sammeln sollten, sind vor Ort. Alle fit, nach dem ersten Augenschein. Die von man- chen geübte Praxis, den Aktiven direkt vor Beginn eines Turniers nochmals (!!) eine Leistungsprü- fung abzuverlangen, war im Vor- Beginn der EURO 2008 aufgefallen. Vorbereitungs-Lehrgänge erhalten Nun sind solche Veranstaltungen feld von der Kommission abge- Also kommen Forderungen nach hatten, zu übermitteln. Dazu waren für Bundesligaspieler nicht neu, lehnt worden. Stattdessen eine permanenten Leistungstests offen- 13 Beispiele (allesamt äußerst klar da unsere Schiedsrichter seit Jah- Trainingseinheit, in der die absolute sichtlich von den „Experten“, die und ohne große Interpretations- ren vor Beginn jeder Saison mit Fitness aller Teilnehmer festge- an sich „nur“ für betreuende Fit- möglichkeiten) präpariert worden, solchen Beispielen in die betref- stellt wurde. Warum manche Kom- nessübungen während des Tur- die die folgenden sieben Schwer- fenden Vereine gehen. Allerdings missionen unbedingt darauf beste- niers zuständig sind. Bedenklich, punktthemen umfassten: sind unsere Erfahrungen unter- hen, immer und immer wieder Fit- auch diese Entwicklung. schiedlicher Natur, da das Interesse nesstests zu veranstalten, wird mir ■ Rohes Spiel eben ganz einfach unterschied- stets ein Geheimnis bleiben. Wer, Im Vorfeld der EURO 2008 war ■ Einsatz von Ellenbogen lich ist und den Aktiven teilweise wie in diesem Fall, bereits im April beschlossen worden, dass die Mit- ■ Halten vorgeworfen wird, dass sie das, sich diesen Tests unterzogen hat glieder der UEFA-Schiedsrichter- ■ Simulation was sie da demonstrieren, wäh- und (was noch viel bedeutender Kommission zu allen teilnehmen- ■ Protest gegen Schiedsrichter- rend der Saison teilweise nicht ist) die laufende Saison mit den Nationen „ausschwärmen“ Entscheide praktizieren. Insofern wird sicher- nationalen und/oder internationa- sollten, um Spielern, Trainern und ■ Konfrontation unter den lich zu überlegen sein, diese len europäischen Spitzenspielen Offiziellen anhand einer DVD die Spielern Instruktionen nicht mehr von akti- bis Ende Mai bestritten hat, ist fit. Instruktionen, welche die Schieds- ■ Verhalten bei Verletzungen ven Schiedsrichtern vorführen zu Anderenfalls wäre dies schon vor richter während verschiedener während des laufenden Spiels. lassen. Ich selbst hatte die Aufga-

4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Schlüsselwort

Rohes Spiel rigoroses Durchgreifen gegenüber den Übeltätern, bis diese Unsitte Interessant erscheint eine Statistik über Persönliche Strafen von den nicht mehr vorhanden ist. letzten vier Europameisterschaften: Halten Jahr Gastgeber Spiele Gelbe Karten Gelb/Rote Karten Rote Karten 1996 England 31 155 4 3 Die EURO-Schiedsrichter waren im Vorfeld insbesondere auf das Hal- 2000 Niederlande/ 31 118 5 5 ten im Strafraum hingewiesen wor- Belgien den. Einige der 13 DVD-Szenen 2004 Portugal 31 145 5 1 stammen aus dem Qualifikations- 2008 Österreich/ 31 121 0 3 spiel England – Kroatien, als der Schweiz Assistent wegen eines solchen Hal- tens dem Schiedsrichter Strafstoß Bereits aus dieser Aufstellung ger talentierten Spielern zu tun signalisierte. Im deutschen Lager kann man erkennen, dass das Ver- hat. Hinzu kommt, dass keines die- war bei der Vorführung Skepsis halten der Spieler bei der EURO ser „Asse“ einen Gegner aus dem (insbesondere bei den Stürmern) 2008 gegenüber den Vorjahren Turnier „treten“ wollte. Und aufgekommen, ob die Schiedsrichter deutlich besser geworden ist. Nur schließlich hat der auf dem Trikot hier auch strikt vorgehen würden. drei Rote Karten in 31 bedeutenden angebrachte Slogan „Respect“ die Spielen verdeutlichen dies ein- Spieler offensichtlich daran Als dann der Pole Lewandowski drucksvoll, wobei die Hinausstel- erinnert, sich entsprechend zu den Österreicher Prödl im Straf- lung für Schweinsteiger im Spiel verhalten. Dass keine Gelb/Rote raum deutlich am Trikot festhielt Kroatien - Deutschland etwas Karte verteilt werden musste, legt und ein berechtigter Strafstoß ver- übertrieben war. Eine Verwarnung zudem den Schluss nah, dass die hängt wurde, war der Protest der hätte es hier auch getan, da er sei- Spieler sich nach Erhalt einer Gel- bestraften Mannschaft groß. Und nen Gegner, der ihn vordem an der ben Karte besonders fair verhiel- nicht nur die Mannschaft, sondern Achillessehne schmerzhaft getrof- ten, diese also äußerst wirksam auch Außenstehende meinten, fen hatte, an sich nur wegschubs- waren. dass man einen solchen Strafstoß te. Die Disziplinarkommission der nicht geben könne. Auch hier bin UEFA sah dies auch so und sperrte Einsatz von Ellenbogen ich anderer Meinung, da Halten ihn nur für ein Spiel. Im Gegensatz nun einmal einen direkten Freistoß hierzu wurde der türkische Tor- Auch in diesem Punkt kann erfreu- beziehungsweise Strafstoß nach wart Volkan für zwei Spiele sus- licher Weise vermerkt werden, sich zieht. Drei, vier Mal demons- pendiert, da er seinen tschechi- dass es keine dramatischen Vor- triert, werden Spieler sich sicher- be übernommen, die österreichi- schen Gegner Koller heftig stieß. fälle gab. Es wurde zwar der eine lich daran erinnern, dass Fußball sche, deutsche und griechische Schließlich wurde beim Spiel oder andere Freistoß verhängt, nichts mit Wrestling zu tun hat. Nationalmannschaft zu informie- Frankreich - Italien Abidal wegen aber ich habe keinen vorsätzlichen Nur sollten sich alle Schiedsrichter ren. Wohlgemerkt: zu informieren, einer „Notbremse“ an Luca Toni Einsatz der Ellenbogen gesehen. daran halten, ohne den Bogen nicht zu instruieren! Denn es konn- und anschließendem Strafstoß mit Auch nicht im Spiel Österreich - jedoch zu überspannen und jeden te ja nur um Informationen gehen, „Rot“ berechtigt vom Feld geschickt. Kroatien, als Zeitlupen-Fernseh- kleinen Kontakt zu bestrafen. aus denen die Verantwortlichen Experten „Rot“ gegen Robert Kovac ihre eigenen Schlüsse zu ziehen Nun fragt man sich, wieso gab es gesehen haben wollten. Dies Simulation hatten oder aber auch nicht. Schau- nicht mehr „Rohes Spiel“? Sicher- demonstriert doch wieder einmal, en wir mal, welche Auswirkungen lich liegt ein Grund darin, dass bei dass es auch in diesem Bereich Ein schwieriges Feld. Oftmals für sich während des Turniers in den einem solchen Turnier nicht nur durchaus fair zugehen kann und die Offiziellen nicht einfach zu einzelnen Schwerpunkten ergeben die besten Mannschaften, sondern Spieler sich nicht nach jedem sehen und damit zu entscheiden. haben, welche Tendenzen sich aus eben auch die besten Spieler auf mehr oder weniger unfairen Kon- Es hat sich aber als erfolgreich den einzelnen Spielen ableiten las- dem Platz stehen. Dieser Umstand takt „halb tot“ auf dem Boden wäl- herausgestellt, wenn Schiedsrich- sen, welche Instruktionen den schafft von vornherein ein faireres zen müssen. Und falls es unfair ter nicht nur zwei Möglichkeiten in Schiedsrichtern zu geben sind. Umfeld, als wenn man es mit weni- zugeht, hilft – wie üblich – nur ihre Betrachtungsweise einbezie-

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 5 hen, nämlich Foul oder aber Simu- Trainer fokussierte, obwohl wir Wege finden, die solche Gefahren lation, sondern noch eine dritte immer die Anweisungen geben, ausschließen. Variante: dass es nichts von bei- dass der Schiedsrichter im Falle dem war und das Spiel damit eines Fehlverhaltens zunächst ein- Verhalten bei Verletzungen weiterläuft. In einigen Situationen mal ruhig vorab informiert wird, wurden von „Zeitlupen-Experten“ damit er sich vor einer „Verban- Hier hatte es bei der U 21-Europa- Strafstöße gefordert, die es aber nung“ mit den Betroffenen nahe meisterschaft 2007 in den Nieder- nicht gab. Deshalb nicht gab, weil der Seitenlinie „unterhalten“ kann. landen beim Spiel England - Ser- Schiedsrichtern bewusst ist, dass Und Fakt ist schließlich auch, dass bien einen unerfreulichen Vorfall zum Fußball Körperkontakt ge- die Coaching- Zone im Wiener gegeben, als die Engländer ein Tor hört. Und wenn dann ein Vertei- Ernst-Happel-Stadion immense erzielten, obwohl ein gegnerischer diger einem Angreifer im Straf- Ausmaße hat, da die Zuschauer Spieler (allerdings sehr lange und raum ein wenig zu nahe an den Volker Roth besuchte Öster- hinter den Bänken in den unteren provozierend) „verletzt“ auf dem Oberschenkel kommt und dieser reichs Nationalmannschaft in Reihen sonst nichts sehen würden. Rasen lag. Danach war es zu Hand- dann sogleich zu Boden geht (wie ihrem Trainingslager, um die In jedem Fall unerfreulich und greiflichkeiten gekommen, die wir in einigen Fällen geschehen), dann Spieler und Offiziellen über unnötig. auch als „Rudel-Bildung“ bezeich- erhebt sich eben die Frage nach die Instruktionen für die EM- nen. Insofern war die Frage aufge- den drei Möglichkeiten. Die richtige Schiedsrichter zu informieren. Bei dieser Gelegenheit muss ange- taucht, was die Schiedsrichter in Antwort in solchen Fällen (wenn merkt werden, dass das Zeigen des solchen Fällen entscheiden sollen. das Foul also nicht glasklar war) Offensichtlich fehlten in der UEFA- Fernsehbildes auf den Anzeigenta- Interessant war für mich die ist dann ganz einfach: weiterspie- DVD wohl aber Hinweise auf das feln innerhalb des Stadions sicher- Diskussion bei den Mannschaftsbe- len. Verhalten in der Coaching-Zone lich ein Service für die Zuschauer suchen. Die Antworten der Spieler beziehungsweise teilweise auch ist. Allerdings kann dies zu einem waren, offensichtlich je nach Posi- Protest, Konfrontation Instruktionen auf entsprechende gefährlichen Service werden, wenn tion, unterschiedlich. Die Abwehr- Deeskalations-Maßnahmen durch Zeitlupenaufnahmen (gar noch spieler meinten eher, dass sofort Auf den Slogan „Respect“ habe den Vierten Offiziellen. Jedenfalls wiederholt und zeitversetzt!) von zu unterbrechen sei, die Stürmer, ich schon verwiesen. Die EURO- gehörten die Vorfälle beim Spiel strittigen oder falschen Schieds- dass weitergespielt werden müsse, Schiedsrichter haben in den am Österreich - Deutschland, als beide richter-Entscheidungen über diese einige meinten, dass der Ball ins Tag nach den Spielen stattgefun- Trainer bereits in der 41. Minute (!) Bildschirme flimmern. Im Spiel Aus gespielt werden sollte. denen Analysen immer wieder auf die Tribüne verwiesen wurden, Portugal - Deutschland regte sich betont, dass sie über das Verhal- nicht zu den erfreulichen Aspekten „nur“ Trainer Scolari auf, als Bal- Wie dem auch sei. Wir hatten, ten der Spieler sehr erfreut waren. dieser Veranstaltung. Da ich das lack seinen Gegner Paulo Ferreira zumal ähnliche Vorkommnisse in Ich habe in Referaten immer wie- Spiel nur im Fernsehen verfolgt vor dem 1:3 leicht schob. Im Spiel Champions-League-Spielen vor- der darauf verwiesen, dass Diszi- habe, kann ich mir kein abschlie- war dies weder für den Schieds- handen waren, im Vorbereitungs- plin und Respekt durch Erziehung ßendes Urteil erlauben. Fakt ist richter noch den Assistenten Lehrgang die Anweisung gegeben, erreicht werden können. Und da- aber, dass der Schiedsrichter (geschweige denn für die Zuschau- dass der Schiedsrichter das Spiel rauf, dass Erfolg auf diesen beiden bereits vor diesem Zeitpunkt die er) zu sehen, auch nicht im norma- unterbrechen solle, wenn er den Säulen aufgebaut ist. Und so gab Trainer darauf aufmerksam len TV-Bildablauf. Wohl aber in Eindruck habe, der Spieler sei es bei der diesjährigen Europa- gemacht hatte, sich ruhiger zu einer später eingeschobenen ernsthaft verletzt. Daran hielten meisterschaft, bis auf kleinere verhalten. Fakt ist auch, dass es Super-Zeitlupenaufnahme. Dass es sich die Spielleiter, auch wenn es Scharmützel, auch wirklich keine zu einer Begegnung beider in der aufgrund solcher Bilder zu gefähr- nur wenige solche Situationen gab. erwähnenswerten Situationen. deutschen Coaching-Zone kam. lichen Eskalationen kommen kann, Oftmals wurde der Ball von den Sehr erfreulich. Fakt ist auch, dass der Vierte liegt auf der Hand. Das sollten die Spielern direkt ins Aus befördert. Offizielle sich zu sehr auf beide Verantwortlichen bedenken und Alles in allem scheint mir dieses Problem gelöst. Einer der wenigen unerfreulichen Momente des Turniers: Schiedsrichter Mejuto Gonzales ver- weist die Trainer Joachim Löw und Josef Hickersberger auf die Tribüne. Assistenten

Etwa 30 (!!) Kameras verfolgten jedes Spiel, immer auf der Suche nach schönen Momenten, aber auch nach falschen Pfiffen oder Signalen, nach unfairen Attacken. Von der Tribüne, von der Aschen- bahn, von oben, von hinter dem Tor, von was weiß ich woher. Sicher gab es klar falsche Abseits-Entscheide, wie in den Spielen Spanien - Russ- land, Österreich - Polen oder bei Italien - Rumänien. Offensichtlich aber hatte die Weisung, sich im Zweifel (bei den vielen Millimeter-

6 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Fazit ger gefoult wird. Dies macht uns Turniers immer sommerlicher wer- die Aufgabe leichter, auch wenn dende Regensdorf eine gewisse In fast allen Kommentaren, offiziel- jede Sekunde volle Konzentration Rolle. Vielleicht aber auch nicht. len und inoffiziellen, war die Rede angesagt ist, um nur ja nichts zu davon, dass sich das Spielniveau übersehen. So kann ich nach der Dass sich der erfreuliche Trend bei dieser Europameisterschaft Teilnahme an den letzten drei spielerischer Qualität in die neue erneut verbessert hat, dass Spieler Europameisterschaften als Mit- -Saison übertragen sowohl im Angriff als auch in der glied der UEFA-Schiedsrichter- lässt, hoffe ich. Sicher sind Punkt- Verteidigung permanent rochieren Kommission feststellen, dass die spielrunden nicht mit Europameis- müssen. Das führt einerseits dazu, Leistungen der Offiziellen alles in terschaften vergleichbar. Aber dass das Spiel viel schneller allem mit der spielerischen Qua- zumindest hoffen wird man dürfen, geworden ist. Andererseits aber lität mitgehalten haben, obwohl dass die EURO 2008 eine gewisse auch dazu, dass die Spieler keine ich im Vorfeld ein wenig besorgt Signalwirkung für die Zukunft hat. Zeit mehr haben, sich mit Neben- war. Nahtlos angepasst hat sich ■ schauplätzen zu beschäftigen. Sie das deutsche Team mit Herbert müssen ständig auf der Hut sein, Fandel, Carsten Kadach und Volker Volker Roth, seit 1995 Vorsitzen- Wirklich ein Fortschritt? um nicht überlaufen zu werden, Wezel, denen drei wichtige und der des DFB- nestelt an um dem Gegner nicht zu viel Raum interessante Spiele übertragen Schiedsrichter- seinem Headset, um sich bes- zu gönnen. wurden. Auch ihnen meine beson- Ausschusses, ist ser mit einem seiner Assisten- dere Anerkennung. Vielleicht spielte Mitglied der UEFA- Schiedsrichter- ten verständigen zu können. Für uns Schiedsrichter bedeutet bezüglich der Qualität der Offi- Kommission. dies, dass mehr gespielt und weni- ziellen auch das im Verlauf des Situationen kann es schon mal einen Zweifel geben) für den Angreifer zu entscheiden, eine positive Wirkung. Wenn man zudem die große Anzahl von Die Ansetzungen der 31 Spiele Portugal - Türkei (VR) Abseits-Situationen (strafbar oder Niederlande - Frankreich (VR) nicht strafbar) berücksichtigt, war Zu den sehr guten Leistungen Webb mussten nach der Spanien - Italien (VF) die Fehlerquote wirklich gering. von in seinen Vorrunde nach Hause fah- PETER FRÖJDFELDT Insbesondere im Spiel Niederlande - beiden Vorrundenspielen und ren. Der Spanier Mejuto Niederlande - Italien (VR) Italien wurde richtig auf Nicht- dem Viertelfinale Kroatien Gonzales und der Grieche gegen Türkei kam das Aus- Türkei - Tschechien (VR) Vassaras durften bleiben, Abseits entschieden, als der Spieler scheiden seiner italienischen Portugal - Deutschland (VF) Panucci vom eigenen Torhüter nach kamen aber nur noch als Landsleute in der Runde der LUBOS MICHEL Vierte Offizielle zum Ein- Außen katapultiert wurde und dort letzten Acht. Damit war der Schweiz - Türkei (VR) drei (!) Sekunden bis zur Torerzie- Weg frei für den Italiener, satz. Herbert Fandel und Frankreich - Italien (VR) lung lag. Eine weitere erfreuliche seinen Assistenten Carsten Niederlande - Russland (VF) Entscheidung, die allerdings viele Kadach und Volker Wezel MANUEL MEJUTO GONZALES wurde der Weg zu einem unserer „Experten“ überraschte. Rumänien - Frankreich (VR) vierten Spiel verbaut - Österreich - Deutschland (VR) Mehr oder weniger alle Teams durch den Halbfinaleinzug TOM-HENNING ÖVREBÖ setzten das Headset ein, wobei die der eigenen Nationalmann- Deutschland - Polen (VR) schaft… Entscheidung jedem einzelnen Italien - Rumänien (VR) Schiedsrichter überlassen war. Wie berichtet wurde, war die Kommuni- ROBERTO ROSETTI Spanien - Russland (VR) kation untereinander durchaus Schweiz - Portugal (VR) hilfreich. Allerdings musste die Schweiz - Tschechien (VR) Kommission im Verlauf des Tur- Griechenland - Russland (VR) Tschechien - Portugal (VR) niers doch darauf hinweisen, dass Drei sehr wichtige Spiele Kroatien - Türkei (VF) Polen - Kroatien (VR) technische Hilfsmittel niemals den gepfiffen und dabei mit Deutschland - Spanien (F) seinen Assistenten starke Augenkontakt ersetzen können MASSIMO BUSACCA Leistungen abgeliefert: Österreich - Kroatien (VR) und man sich nicht zu sehr auf die Griechenland - Schweden (VR) Für Herbert Fandel lief die Schweden - Spanien (VR) Wirksamkeit des Headsets verlas- EM rund. Niederlande - Rumänien (VR) sen sollte. Wenn dann das System Deutschland - Türkei (HF) nicht funktioniert, kann es schnell neben dem Eröffnungsspiel Österreich - Polen (VR) Griechenland - Spanien (VR) zu einer Fehlinterpretation kom- auch das Finale zu pfeifen. Der Norweger Övrebö, der Öster- Kroatien - Deutschland (VR) men, wenn der Schiedsrichter (wie reicher Plautz, der Niederlän- Russland - Schweden (VR) es in einem Fall geschah) in sei- der Vink und der Engländer Russland - Spanien (HF) nem Kopfhörer „Gelb“ versteht, obwohl „kein Gelb“ gemeint war.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 7 Titel-Thema Handspiel bleibt immer Eugen Strigel hat aus den 31 EM-Spielen Lehrbeispiele für die Praxis herausgesucht

Schweiz - Tschechien 0:1 Foto 1

in sehr faires Eröffnungsspiel, in Edem der unaufgeregt und präzise leitende Roberto Rosetti nur eine wirklich knifflige Situation meistern musste: Ein Kopfball aus rund einem Meter Entfernung flog im tschechischen Strafraum in der 80. Minute an Ujfalusis über den Kopf gehobene linke Hand (Foto 1). Rosetti hatte freie Sicht und ließ weiterspielen. ZDF-Reporter Béla Réthy zur Zeitlupe: „Nee, die Hand geht nicht zum Ball, kein Elfmeter.“ ZDF-Experte nach dem Spiel: „Strafstoß, die Hand hat da oben nichts zu suchen.“ Er unter- Streller köpft aus einem stellte dem Tschechen also, dass er Meter Entfernung an den den Arm sozusagen auf Verdacht Arm von Ujfalusi. Hat der nach oben streckte. Andererseits Tscheche den Arm mit der kam der Ball aus ganz kurzer Ent- Absicht so hoch gehalten, um fernung, und zudem wurde Ujfalusi die Chance zu vereiteln? von seinem Gegenspieler noch Oder kann er ihn nur nicht leicht gestoßen. Das spricht eher schnell genug wegziehen? für „unabsichtlich“. Dieser Ein- schätzung ist Rosetti gefolgt und fällte beim Stand von 0:1 eine mutige dabei dem protestierenden Poga- noch nicht reichte, trat er Olic auch Schade, denn eine berechtigte Entscheidung. Für mich eine 50:50- tetz „Gelb“ zeigte, brachte ihn eine noch leicht in die Beine, um ihn zu frühe Gelbe Karte sollte bei einem Situation, deshalb hätte ich auch halbe Stunde später in eine knifflige Fall zu bringen. Klar „Gelb“ – und Spieler vorsichtigeres Verhalten einen Strafstoß akzeptiert. Situation. Pogatetz hielt Olic ein- damit „Gelb/Rot“. Pieter Vink aber auslösen. Das war bei dem Österrei- deutig fest, als dieser Richtung drückte beide Augen zu und cher nicht der Fall - und er wurde Portugal - Türkei 2:0 Strafraum laufen wollte. Als das ermahnte Pogatetz lediglich. dafür auch noch belohnt.

Unser Schiedsrichter-Team mit Her- Die Hintertor-Kamera erfasst die ganze Situation vor dem 1:0 der Niederländer: das Abspiel bert Fandel leitete dieses Spiel aus- (leicht verdeckt durch das EURO-Logo), den zentral vor dem Tor scheinbar abseits stehenden gezeichnet und souverän. Vorbild- van Nistelrooy und den neben dem Tor im Aus liegenden Panucci. lich die Vorteilsauslegung, als Gökhan Zan seinen Gegenspieler Foto 2 Simao rüde foulte und die Portugie- sen durch einen Pfostenschuss fast ein Tor erzielten. In der nächsten Spielunterbrechung sah Zan dann „Gelb“ – so macht man das!

Österreich - Kroatien 0:1

Der Strafstoß, der schon in der 4. Minute zum Siegtor für die Kro- aten führte, wurde von Pieter Vink völlig zu Recht gegeben. Dass er

8 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 ein Problem

Niederlande - Italien 3:0 den Schiedsrichter erkennbar - das oder gar abzubrechen, führt für Foto 4 Spielfeld absichtlich verlässt. Ste- den Schiedsrichter ja eigentlich Eine einzige Szene sorgte für welt- fan Wittberg hat diese komplizierte immer zu Ärger - je nach Spiel- weites Aufsehen: Peter Fröjdfeldt Situation brillant gelöst, zumal stand. Das blieb Lubos Michel und sein Assistent hatten das 1:0 Panucci auf der für den Assistenten erspart. für die Niederlande anerkannt. Für abgewandten Seite des Tors lag. die meisten Zuschauer und „Exper- Österreich - Polen 1:1 ten“ lag hier eine klare Abseitsstel- Schweiz - Türkei 1:2 lung von van Nistelrooy vor. Das Riesenchancen für Österreich, sah Assistent Stefan Wittberg ganz Lubos Michel hatte weniger mit aber Polen ging in Führung - leider anders - und er hatte völlig Recht! den Spielern als mit den Platzver- durch ein klares Abseitstor. Der Italiens Verteidiger Panucci lag im hältnissen zu tun, denn kurz nach Fehler des Assistenten von Moment des Abspiels außerhalb des Spielbeginn begann es wie aus Schiedsrichter Webb: Er blieb an Spielfelds neben dem Tor am Boden Kübeln zu schütten. Wir wurden an der Eckfahne stehen, obwohl sich (Foto 2). In solch einem Fall zählt das Bundesligaspiel Nürnberg das Geschehen wieder einige der Abwehrspieler mit, er wird so gegen Wolfsburg erinnert, als Meter vom Tor weg verlagert hatte. gewertet, als ob er sich auf der Tor- Jochen Drees die Partie abbrechen Dadurch schaute er beim entschei- Als Luca Toni aus rund acht linie befunden hätte. Ohne diese musste. Hier hatten der Schieds- denden Abspiel „schief“ (Foto 3). Metern den Ball mit links aufs Bestimmung könnten Abwehrspie- richter und die Organisatoren Eine Unkonzentriertheit, die ein- Tor schießen will, verhindert ler laufend das Spielfeld verlassen, mehr Glück: In der Phase vor der fach nicht passieren darf, weil eine der Franzose Abidal den um Stürmer in eine Abseitsstellung Halbzeit war der Ball zwar kaum so klare Fehlentscheidung schnell Schuss, indem er mit seinem zu bringen. In diesem Fall wurde mehr kontrollierbar, vor dem 1:0 die vielen engen, aber richtigen linken Bein die Bewegung des Panucci sogar noch vom eigenen wurde er sogar von einer Pfütze Entscheidungen der Assistenten italienischen Stürmers stoppt. Torhüter nach außen befördert. im Torraum gestoppt, aber im überlagert. Korrekt war dafür der Die logische Folge: Strafstoß Sollten die Holländer dafür bestraft Gegensatz zum Nürnberg-Spiel ließ Strafstoß in der 3. Minute der für Italien, „Rot“ für Abidal. werden? Die Regel 11 bestimmt der Regen nach und hörte dann Nachspielzeit, als der Pole Lewan- sogar, dass der Abwehrspieler ver- ganz auf. Die Ermessens-Entschei- dowski nach einer Freistoß-Ausfüh- Österreich - Deutschland 0:1 warnt werden muss, wenn er - für dung, das Spiel zu unterbrechen rung seinen Gegenspieler Prödl am Trikot packte und eindeutig nieder- Von diesem wichtigen Sieg für die riss. Dieser Pfiff entsprach genau deutsche Mannschaft wird vor Foto 3 den Anweisungen. allem der gleichzeitige Innenraum- Verweis für beide Trainer im Niederlande - Frankreich 4:1 Gedächtnis bleiben. Volker Roth ist in seiner Analyse darauf eingegan- Durch seine Persönlichkeit und die gen. geschickte Anwendung von Ermah- nungen kam Herbert Fandel in die- Frankreich - Italien 0:2 sem Top-Spiel mit drei Gelben Kar- ten aus. Für kurze Aufregung sorgte Lubos Michel aus der Slowakei mal wieder eine Handspiel-Situ- wurde mit der Leitung dieses Klas- ation: Ein Schuss von Henry kurz sikers beauftragt. In der wichtigs- vor dem Fünf-Meter-Raum traf ten Szene des Spiels lag er absolut Ooijer aus zwei Metern am rechten richtig: Strafstoß für Italien, als Arm. Ooijer hatte sich in den der Franzose Abidal seinen Gegen- Schuss geworfen, wie ein Fußballer spieler Luca Toni klar foulte (Foto 4). das macht - mit abgewandtem Auch die fällige Rote Karte gegen Die Situation unmittelbar vor dem 1:0 der Polen. Als der Ball Kopf. Auch von einer unnatürlichen Abidal war zwingend geboten. fast am Torraum-Eck abgespielt wird, verharrt der Assistent Armhaltung (und damit einer ver- Wenn nicht hier, wann kann dann an der Eckfahne und steht damit rund drei Meter „daneben“. steckten Absicht) konnte hier von der Vereitlung einer eindeuti- Von dort verdeckt ihm auch noch der Torwart die Sicht auf keine Rede sein. Dieses Handspiel gen Torchance gesprochen wer- den abseits stehenden Torschützen. war zweifelsfrei unabsichtlich. den? Dass manche Journalisten

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 9 Foto 5

Türkei - Tschechien 3:2 Vielleicht das spannendste und aufregendste Spiel dieser EM, nicht nur vom Spielverlauf her (Tschechien lag bis zur 75. Minute 2:0 vorn). Schiedsrichter Peter Fröjdfeldt hatte wirklich viel zu tun: Von der Anordnung eines Schuhwechsels bei einem darauf wieder zurück. Was war türkischen Spieler vor dem geschehen und war dies richtig? In Spiel (der Spielbeginn hätte dadurch nicht verzögert werden meinen Augen beging Kolodin ein dürfen!) bis zur Gelben Karte Entschuldigung oder Fußballer-Flachs? Michael Ballack nach Foulspiel an Snejder, das im TV erst für den Tschechen Baros auf dem Schlusspfiff mit dem Portugiesen Paulo Ferreira, gegen Mal durchaus gelbwürdig aussah. der Auswechselbank (90.+5) den er sich den Weg zum 3:1 „freiräumte“. Die beiden spielen Die Zeitlupe offenbarte dann die war er fast ständig gefordert. in der englischen Premier League gemeinsam für Chelsea… Harmlosigkeit des Foulspiels, „Gelb“ erschien jetzt deutlich überzogen. Vor allem, weil nach dem 2:0 von einer überzogenen Roten zwar beim Gegenspieler einen Als Michel auch noch bemerkte, für Tschechien in der 63. Minute das Spiel nicht etwa an Fahrt Karte sprachen, war für mich unnatürlichen Bewegungsablauf, dass Kolodin schon verwarnt war verlor, geschweige denn, dass unverständlich. Sicher kann man aber man kann die Ursache nicht und er jetzt „Gelb/Rot“ zeigen mus- die Türken aufgaben. Im Gegen- darüber diskutieren, ob eine „Not- ausmachen. War's ein Foul, ist er ste, „erschrak“ er. Zudem machte teil, es ging erst richtig los. Die bremse“ im Strafraum nicht mit nur gestolpert oder will er uns gar ihn Kolodin darauf aufmerksam, letzte halbe Stunde war ein „Gelb“ ausreichend bestraft ist, etwas vorspielen? Diesem blitz- dass der Assistent vorher gewunken Lehrbeispiel dafür, warum ein schließlich ist die eindeutige Tor- schnellen Gedankenablauf muss hatte, weil der Ball nach dessen Mei- Schiedsrichter in seiner Konzen- chance durch den Strafstoß wieder der Schiedsrichter eine ebenso nung wohl im Toraus gewesen war tration nie nachlassen darf, hergestellt. Aber solange der Inter- rasche Entscheidung folgen las- (was ich sehr bezweifle). Warum auch wenn schon fast alles national Board hier nichts ändert, sen. Fröjdfeldt legte sich auf „kein diese Aktion trotz Pieper und Head- gelaufen scheint. Es lohnt sich, kann es in solch einem Fall nur Foul, Tor korrekt“ fest. set nicht unmittelbar bei Michel diese Phase noch mal genauer „Rot“ geben. ankam, ist ungeklärt. Jedenfalls war anzuschauen. Niederlande - Russland damit beim Stand von 1:1 in der letz- 63. Minute: „Gelb“ für den Tür- Portugal - Deutschland 2:3 1:3 n.V. ten Spielminute eine äußerst kom- ken Arda, der gegen die Aner- plexe Situation entstanden. kennung des tschechischen 2:0 Wieder ein Spiel, das trotz seines Schiedsrichter Lubos Michel traf protestiert. K.o.-Charakters (Viertelfinale) am Schluss der regulären Spielzeit Lubos Michel ging (trotz Headset!) 66. Minute: Im inzwischen strö- wohltuend fair verlief und Schieds- eine regeltechnisch hochinteres- zu seinem Assistenten und sprach menden Regen zerfällt die richter Fröjdfeldt keine größeren sante Entscheidung. Er verwies kurz mit ihm. Danach wusste der Fahne von Assistent Andren bei Schwierigkeiten bereitete. Diskus- den Russen Denis Kolodin mit Schiedsrichter, dass sein Helfer einer Anzeige in ihre Einzelteile. sionswürdig war lediglich das 3:1 „Gelb/Rot“ des Feldes (Foto 6) – vor dem Foul „Aus“ angezeigt Der Ersatz-Assistent bringt eine für Deutschland durch Michael Bal- und nahm diesen Feldverweis kurz (Fortsetzung auf Seite 12) neue. lack. Vor seinem Kopfball stieß er 73. Minute: „Gelb“ für Emre seinen Gegenspieler Paulo Ferreira Foto 6 Asik, der seinem Gegenspieler leicht mit beiden Händen in den bei einem Konter die Beine weg- Rücken und verschaffte sich so zieht. den notwendigen Freiraum. Die Frage: normales Zweikampfverhal- 74. Minute: Emre Asik, gerade verwarnt, trifft Polak im Tor- ten oder Foul? Für mich war es ein raum der Türken mit hohem Foulspiel. Und ich bin sicher, Fröjd- Bein am Kopf. Regeltechnisch feldt hätte gepfiffen, wenn er die ein Strafstoß, aber Fröjdfeldt notwendige Seiteneinsicht in die kann sich nicht zum Pfiff durch- Situation gehabt hätte. Aber die ringen. Der Tscheche wird ver- fehlte ihm ebenso wie seinem letzt, bekommt einen „Turban“ sonst so sicheren Assistenten Ste- verpasst. Es hätte das 3:0 für fan Wittberg. Zudem hatte Ballack die Tschechen sein können… seine Regelwidrigkeit „rechtzeitig“ 75. Minute: Stattdessen fällt 60 begangen, als die Flanke noch Sekunden später der Anschluss- durch die Luft segelte. Aus diesen treffer für die Türken, nur noch beiden Faktoren ergab sich für den Bei einem Blick auf seine Notizen hat Lubos Michel erkannt, 1:2. Schiedsrichter Fröjdfeldt ist schwedischen Schiedsrichter ein dass er Kolodin (Nr. 8) wegen der zweiten Gelben Karte vom erfahren genug, keinen Gedan- Problem, vor dem wir alle immer Platz stellen muss. Dessen Kollegen verweisen schon auf ken an eventuelle Versäumnisse wieder stehen: Man konstatiert Michels Assistenten. Die Unglücks-Szene nimmt ihren Lauf.

10 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Und als die 95. Minute läuft, Leistung vom gesamten Eine ganz besondere sieht der protestierende Baros Team, das von der UEFA mit auf der Auswechselbank auch dem Auftrag für das Viertel- noch „Gelb“. finale Portugal gegen halbe Stunde Deutschland belohnt wurde. 95:18 zeigt die Digitaluhr im TV-Bild, als Fröjdfeldt abpfeift! zu verschwenden. Er weiß ation im Spiel Niederlande Alles in allem eine Klasse- genau, dass er jetzt noch prä- gegen Italien richtig gelöst senter sein muss. hatte. 80. Minute: Der Schiedsrichter 90. Minute: Die Nachspielzeit leitet das Spiel „enger“. Galasek von vier Minuten wird ange- für ein wirklich rüdes Foul zeigt. „Gelb“ zeigen zu können, 90. Minute+2: Fröjdfeldt zeigt kommt ihm da sicher nicht dem türkischen Torwart Volkan, ungelegen. der den Tschechen Koller mit 87. Minute: Nihat schießt nach beiden Händen vor die Brust einen schweren Torwartfehler stößt, völlig zu Recht „Rot“. von Cech den Ausgleich. Fröjd- Denn das war weit mehr als ein feldt muss die Türken nach dem unsportlicher „Schubser“ wie Jubel wieder „einfangen“ und im Fall Schweinsteiger. Glück sich selbst auf eine noch „hei- hatte Volkan, dass der Ball ßere“ Endphase des Spiels ein- bereits im „Aus“ war, denn stellen. sonst hätte es auch noch einen Strafstoß in allerletzter Sekun- 89. Minute: Nihat schießt den de gegeben. Weil die Türkei Siegtreffer für die Türken. Es ist schon drei Mal ausgewechselt ganz knapp kein Abseits, richtig hat, muss ein Feldspieler ins Tor. und sehr mutig entschieden von Stefan Wittberg. Das ist der 90. Minute + 4: Jetzt bekommt Assistent von Fröjdfeldt, der noch Ujfalusi für ein Frustfoul schon die Panucci-Abseits-Situ- im Mittelfeld die Gelbe Karte.

„Rot“ für den Torwart! Auch in der 2. Minute der Nachspiel- zeit hatte Fröjdfeldt alles unter Kontrolle.

Peter Fröjdfeldt und Stefan Wittberg (rechts), der Mann, der ihm so großartig assistierte. Die beiden Schweden wurden von der Den Türken läuft die Zeit davon. Tuncay hat sich vom UEFA auch noch als Vierter Offizieller und als Ersatz-Assistent Ersatz-Assistenten die neue Fahne geben lassen und bringt für das Finale nominiert. sie flugs zum Assistenten 2.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 11 Foto 7

hatte und zudem der Meinung war, wohl auch weil ihm die Unterstüt- dass „Gelb“ für Kolodin nicht nötig zung seines Assistenten fehlte, der war. Michel gab also Abstoß für eigentlich eine gute Seiteneinsicht Russland statt Freistoß für die hatte. Niederlande und nahm die Gelbe und damit die Gelb/Rote Karte Deutschland - Spanien 0:1 zurück. Und das geschah, weil sich der Schiedsrichter von seinem Mit der Leitung des Endspiels Assistenten überzeugen ließ, dass wurde Roberto Rosetti beauftragt. seine Einschätzung des Fouls über- Er leitete bereits das Eröffnungs- zogen war. Und nicht etwa, wie spiel und hatte sich mit sehr guten viele Zuschauer und Journalisten Leistungen für das Finale empfoh- meinten, weil der Ball vorher im len. Insgesamt gesehen leitete er Aus war. Denn für eine Persönliche es souverän und hatte es bestens Strafe wegen Unsportlichkeit, gro- im Griff. Bei einer wichtigen Ent- ben Foulspiels, einer Tätlichkeit scheidung lag er allerdings nicht oder Ähnlichem spielt es keine optimal. Als sich Lukas Podolski Rolle, ob der Ball im Spiel ist oder und David Silva Kopf an Kopf nicht. Disziplinarstrafen können gegenüberstanden, versetzte vom Betreten bis zum Verlassen David Silva seinem Gegenüber des Spielfelds in jedem Moment einen Kopfstoß, den Rosetti voll- verhängt werden. kommen ignorierte. In meinen Philipp Lahm hat sich den Ball vorgelegt, als ihn Sabri mit sei- Augen war das „Rot“. Vielleicht Insgesamt sah die ganze Szene nem rechten Oberschenkel zu Fall bringt. Das Foul ist unstrittig, hätte hier ein unverzügliches Ein- leider wenig souverän aus, was aber wo fand es statt? Nicht mal die TV-Bilder oder Fotos wie greifen den Kopfstoß verhindern gerade einen so erfahrenen dieses können darüber Aufschluss geben. Der Versuch eines können. Ein Sonderlob hat sich Schiedsrichter wie Lubos Michel Videobeweises würde zu endlosen Diskussionen führen… dagegen das Team für die richtige besonders geärgert haben wird. Beurteilung der kniffligen Situ- dierten die „Experten“ dazu, dass gut. Richtig daneben lag er in ation in der 80. Minute verdient, Spanien - Italien 4:2 n.E. auch ein Strafstoß möglich (oder meinen Augen lediglich in zwei als Jens Lehmann den Ball zwar richtig) gewesen wäre. Die zweite Situationen. Zu Beginn der zweiten weit außerhalb seines Tores mit Dieses letzte Viertelfinalspiel Situation dann eine Viertelstunde Halbzeit foulte Sabri Philipp Lahm, der Hand abwehrte. Allerdings wurde von Herbert Fandel geleitet. später, als knapp außerhalb des als dieser in den Strafraum ein- nicht außerhalb des Strafraums, Eine ehrenvolle Auszeichnung, mit Strafraums der Spanier Villa gegen dringen wollte (Foto 7). Für mich wie viele Beobachter glaubten, diesem Klassiker betraut zu wer- Grosso zu Fall kam. Hier zeigten ein klares Foul, auf der Strafraum- wohl weil Lehmann von seinem den. In meinen Augen hatte er die Fernsehbilder deutlich, dass linie oder noch knapp außerhalb eigenen Schwung über die Straf- diese Partie bestens im Griff und der Italiener seinem Gegner auf des Strafraums. Statt erst Mal zu raumlinie getragen wurde. Ent- leitete insgesamt gesehen sehr den Fuß getreten hatte. Aber wenn pfeifen und sich dann zur Fest- scheidend ist ja, wo die Hand den gut. In den 120 Minuten wurde wir schon über ein nicht gepfiffe- legung des Tatorts den Vorgang Ball berührte – und das war auf der eigentlich nur über zwei Situatio- nes Foulspiel außerhalb des Straf- blitzschnell noch mal vor das geis- Linie. Prima gesehen! nen diskutiert. Ambrosini traf Villa raums sprechen, zeigt das nur, wie tige Auge zu holen, unterlief ■ im Strafraumeck leicht an der stark insgesamt gesehen die Leis- Busacca der Schrecksekunden- Wade. Im normalen TV-Bild war das tung von Herbert Fandel mit sei- Fehler, der einem so hochklassigen für mich kein Strafstoß. Zunächst nen fehlerlosen Assistenten Carsten Schiedsrichter nicht mehr passie- Eugen Strigel sagte auch Kommentator Béla Kadach und Volker Wezel war. ren dürfte: Der Pfiff unterblieb seit 1995 Lehr- wart im DFB- Réthy, dass es kein Strafstoß war ganz. 20 Minuten später zog dann Schiedsrichter- und „viel mehr Ball als Gegner Deutschland - Türkei 3:2 Lahm seinen Gegenspieler Kazim Ausschuss. getroffen“ wurde. Je öfter dann innerhalb des Strafraums ganz Super-Zeitlupe und Standbild Schiedsrichter Massimo Busacca deutlich am Trikot. Auch hier blieb gezeigt wurden, desto mehr ten- leitete alles in allem dieses Spiel die Pfeife von Busacca stumm,

12 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Report Elf Fragen an die Aufsteiger Doppel-Interview mit den Bundesliga-Neulingen und Guido Winkmann

urch das verletzungsbedingte DKarriere-Ende von Franz-Xaver Wack kurz nach dem Saisonbeginn 2007/2008 und durch den frei- willigen Verzicht von Markus Merk wurden zwei Plätze auf der Liste der Bundesliga-Schiedsrichter frei. Auf Vorschlag des Schieds- richter-Ausschusses vergab das DFB-Präsidium sie an Deniz Ayte- kin (30) und Guido Winkmann (34). Lutz Lüttig stellte ihnen elf Fragen zu ihrem Aufstieg.

Wie habt Ihr von Eurem Aufstieg erfahren?

Aytekin: Nach der Qualifikations- sitzung hat mich Manfred Amerell telefonisch über die Nominierung informiert. Winkmann: Mich hat Hans-Jürgen Weber, Mitglied im DFB-Schieds- richter-Ausschuss, angerufen. Ich habe, wollte ich einige Entschei- Deniz Aytekin Geboren am 21. Juli 1978 habe mich natürlich sehr gefreut, dungen besser nachvollziehen Wohnort 90522 Oberasbach als er die Nachricht übermittelt können. Ich habe mich deshalb im Landesverband Bayerischer FV hat. März 1995 beim Schiedsrichter- Verein SC Germania Lehrgang angemeldet und dann Nürnberg Wie seid Ihr zum Pfeifen eine große Leidenschaft für die Beruf Betriebswirt (VWA) gekommen? Schiedsrichterei entwickelt. Größe 1,97 m Winkmann: Ich habe persönlich für Gewicht 84 kg Aytekin: Nachdem ich rund acht mich schon früh erkannt, dass ich Hobbies Sport, Musik Jahre selber aktiv Fußball gespielt Schiedsrichter sein wollte. Zum DFB-Schiedsrichter Seit 2004 erstmöglichen Zeitpunkt habe ich Bundesliga Seit 2008 mit 15 Jahren die Prüfung abgelegt 2. Bundesliga Seit 2006 und mit 17 konsequenterweise auf- Spiele 2. Bundesliga 14 gehört, Fußball zu spielen.

Wie verbindet Ihr die Monaten habe ich schon festge- Aytekin: Der ehemalige Bundesli- Schiedsrichterei mit dem Beruf? stellt, dass man einer dauerhaften ga-Schiedsrichter Manfred Dölfel Belastung unterworfen ist. Die hat mich in den ersten Jahren mei- Aytekin: Als Internet-Unternehmer Regeneration darf jedoch nicht zu ner Schiedsrichter-Tätigkeit regel- habe ich gewisse Freiheiten, die kurz kommen. Von daher gilt es, mäßig begleitet. Von seinen Hin- mir bei meiner Tätigkeit als die Weichen in den kommenden weisen zur Spielleitung konnte ich Schiedsrichter die notwendige Fle- Wochen entsprechend zu stellen. sehr viel lernen. Das war sicher die xibilität verleihen. Natürlich wäre Es ist schwierig, in beiden Berei- Basis für die weitere Entwicklung. das ohne ein funktionierendes chen gleichzeitig „Karriere“ zu Winkmann: Ich bin in den vergan- Team und die Unterstützung der machen. genen Jahren kontinuierlich auf- weiteren Gesellschafter nicht gebaut worden und hatte so die denkbar. Von wem habt Ihr am meisten Möglichkeit, insbesondere als Winkmann: In den vergangenen gelernt? Schiedsrichter-Assistent sehr viele

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 13 Dinge auf und neben dem Platz Winkmann: Jeder Spielort hat von verschiedenen Schiedsrich- seine individuellen Reize. Ich freue tern zu lernen. mich, wenn es zeitnah losgeht. Es wird ohnehin eine bleibende Erin- Wer ist Euer Vorbild? nerung für mich sein.

Aytekin: Es gibt eine Vielzahl von Was wolltet Ihr in Sachen herausragenden Persönlichkeiten, Schiedsrichterei immer schon mal die das eigene Denken und Han- sagen? deln positiv beeinflussen. Jeman- den besonders hervorzuheben, Aytekin: Es wäre super, wenn es fällt mir deshalb sehr schwer. noch mehr erfahrene Kollegen Winkmann: Ein spezielles Vorbild geben würde, die die jungen habe ich nicht. Es ist jedoch sehr Schiedsrichter nach ihrer Anwärter- Guido Winkmann Geboren am 27. November 1973 interessant, mit denjenigen im Prüfung über einen längeren Zeit- Wohnort 47647 Kerken Coaching- Bereich zusammen zu raum unterstützen und begleiten. Landesverband FV Niederrhein arbeiten, die ich als Kind und So wäre sichergestellt, dass der Verein SV Nütterden Jugendlicher oft in der Sportschau Nachwuchs mit Rückschlägen bes- Beruf Polizeibeamter gesehen und bewundert habe. ser umgeht und nicht nach wenigen Familienstand ledig Auch wenn man nach einem Spiel negativen Erlebnissen aufgibt. Größe 1,80 m nicht immer der gleichen Meinung Winkmann: Egal in welcher Sport- Gewicht 72 kg ist… art und in welcher Klasse: Men- Hobbies Sport, Reisen schen, die das Hobby eines DFB-Schiedsrichter Seit 2001 Bleibt noch Zeit für ein Hobby? Schiedsrichters ausüben und ihr Bundesliga Seit 2008 Bestes geben, verdienen absoluten 2. Bundesliga Seit 2004 Aytekin: Meine verbleibende Frei- Respekt. Manchmal scheint der Spiele 2. Bundesliga 34 zeit verbringe ich mit meinen zwei eine oder andere zu vergessen, Kindern und meiner Frau. Da bin dass es ohne Schiedsrichter ich dann auch gut beschäftigt, und Was ist Eure größte Stärke? Haltet Ihr vor dem Spiel (wirklich) nicht geht. das lastet mich komplett aus. bestimmte Rituale ein? Winkmann: Ich treffe mich so häu- Aytekin: Über die eigenen Stärken fig wie möglich mit Freunden. spricht man ja eher selten. Inso- Aytekin: Am Spieltag hat man Ansonsten bleibt nicht viel Zeit. fern ist es nicht einfach eine natürlich meistens den gleichen bestimmte Stärke zu benennen. Tagesablauf. Bestimmte Rituale Ich denke jedoch, dass ich ein aus- á la „Ich ziehe den linken Schuh geprägtes Organisationstalent zuerst an“ sind nicht meine Sache. besitze. Winkmann: Nein. Platzbesichti- Winkmann: Auch unter größtem gung, Absprache, Kaffee und Druck, absolut konzentriert zu Kuchen, Umziehen, Warmlaufen, sein. Konzentration aufnehmen, Anpfei- fen. Das ist wohl wie bei vielen An welcher Schwäche müsst Ihr anderen auch. am meisten arbeiten? In welchem Stadion würdet Ihr Aytekin: Ich bin ziemlich ungedul- am liebsten Eure Bundesliga- dig. An dieser Schwäche arbeite Premiere feiern? ich laufend. Winkmann: Auf dem Platz gibt es Aytekin: Da habe ich keinerlei Prä- Verbesserungspotenzial in allen ferenzen. Ich freue mich, wenn es Bereichen. Darüber hinaus muss soweit ist. Wo das sein wird, ist ich mich noch bewusster ernähren. dann nachrangig.

14 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Bundesliga: 2. Bundesliga: Wagner ist jetzt der Senior Der Jüngste ist 20

Nach dem Ausscheiden von Markus Merk mit 46 Jahren ist jetzt 22 Schiedsrichter stehen auf der DFB-Liste für die 2. Bundes- Lutz Wagner der älteste und zugleich der dienstälteste Schieds- liga. Fünf neue Namen sind dabei. Mit Robert Kempter, dem richter auf der Bundesliga-Liste. Der Hesse pfeift schon seit Bruder des Bundesliga-Schiedsrichters Michael Kempter, 1994 in der obersten Klasse. Der Erfahrenste ist EM-Schieds- ist der Jüngste gerade 20 Jahre alt. Zwei sehr erfahrene richter Herbert Fandel, der bis zum Erreichen der Altersgrenzen Schiedsrichter sind ausgeschieden: Matthias Anklam (39, noch eineinhalb Jahre international und bis zum Saisonende Hamburg) und Andre Stachowiak (37, Duisburg), die für den 2010/2011 national pfeifen kann Nachwuchs Platz machten.

Name (Alter*) Bundes- Spiele Landesverband Name (Alter*) 2. Bundes- Spiele Landesverband liga seit liga seit Aytekin, Deniz (30) 2008 0 Bayern Bandurski, Christian (25) 2007 7 Niederrhein Brych, Dr. Felix** (32) 2004 69 Bayern Christ, Tobias (32) 2007 7 Südwest Drees, Dr. Jochen (38) 2005 35 Südwest Dingert, Christian (28) 2004 33 Südwest Fandel, Herbert** (44) 1996*** 233 Rheinland Fischer, Christian (37) 2005 26 Westfalen Fleischer, Dr. Helmut (44) 1998*** 145 Bayern Frank, Thomas (38) 1999 74 Niedersachsen Gagelmann, Peter (40) 2000*** 100 Bremen Fritz, Marco (29) 2008 0 Württemberg Gräfe, Manuel** (34) 2004 65 Berlin Grudzinski, Norbert (31) 2004 32 Hamburg Kempter, Michael (25) 2006 20 Südbaden Hartmann, Robert (28) 2007 8 Bayern Kinhöfer, Thorsten** (40) 2002*** 91 Westfalen Henschel, Holger (35) 2003 40 Niedersachsen Kircher, Knut** (39) 2002*** 106 Württemberg Kempter, Robert (20) 2008 0 Südbaden Meyer, Florian** (39) 1999*** 149 Niedersachsen Metzen, Thomas (27) 2008 0 Mittelrhein Perl, Günther (38) 2005 45 Bayern Schalk, Georg (40) 2002 49 Bayern Rafati, Babak** (38) 2005 42 Niedersachsen Schößling, Christian (35) 1997 80 Sachsen Schmidt, Markus (34) 2003 45 Württemberg Schriever, Thorsten (31) 2003 45 Niedersachsen Seemann, Marc (35) 2006 15 Niederrhein Steinhaus, Bibiana (29) 2007 7 Niedersachsen Sippel, Peter** (38) 2000*** 107 Bayern Steuer, Florian (28) 2008 0 Westfalen Stark, Wolfgang** (38) 1997*** 180 Bayern Thielert, Sascha (28) 2008 0 Hamburg Wagner, Lutz (45) 1994 172 Hessen Walz, Wolfgang (40) 2002 47 Württemberg Weiner, Michael** (39) 2000*** 128 Niedersachsen Welz, Tobias (31) 2004 34 Hessen Winkmann, Guido (34) 2008 0 Niederrhein Willenborg, Frank (29) 2007 7 Niedersachsen Wingenbach, Markus (29) 2007 7 Rheinland * Stand: 1.8. 2008 Zwayer, Felix (27) 2007 8 Berlin ** FIFA-Schiedsrichter *** wurde bereits vorher in der Bundesliga getestet *Stand: 1.8. 2008

25 Jahre liegen zwischen Jung und Alt

Auf diesem Diagramm ist die die Bundesliga- (violett) und Altersstruktur der 42 Schieds- daraus dann die zehn FIFA- richter der Bundesliga und der Schiedsrichter (gelb) ent- 2. Bundesliga dargestellt. Sie wickeln. Aus Gelb und Violett reicht von dem 20-jährigen lässt sich folglich der Alters- Robert Kempter bis zu Lutz aufbau in der höchsten Spiel- Wagner, der 45 Jahre alt ist. klasse ablesen. Mit Stichtag Die blauen Flächen stellen die 1. August 2008 beträgt der Zweitliga-Schiedsrichter dar, Schnitt der 20 Bundesliga- die naturgemäß den linken Schiedsrichter 37,2 Jahre, die „jüngeren“ Teil des Diagramms 22 Unparteiischen der 2. Bundes- beherrschen. Man kann sehr liga sind durchschnittlich 30,77 schön nachvollziehen, wie sich Jahre alt. aus ihnen im Laufe der Jahre ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 15 Frauen: Jaworek, Jung und Söder Name (Alter*) FBL seit Spiele Landesverband neu in der Bundesliga 07/08 Beck, Christine ** (34) 1999 10 Württemberg Dietz, Miriam*** (27) 2000 8 Südwest Mit Christina Jaworek aus dem für die Spitzenliga im Frauen- pfälzischen Rötsweiler, Sandra fußball immer wichtiger. Mit Hussein, Riem (28) 2006 11 Niedersachsen Jung aus Kleve am Niederrhein Jaworek, Jung und Söder Jaworek, Christina (22) 2008 0 Südwest und Angelika Söder aus dem sowie den bereits bewährten Jung, Sandra (27) 2008 0 Niederrhein bayerischen Schwarzenbruck Kräften wird dieser Anforde- steigen drei Schiedsrichterin- rung Rechnung getragen“, Klauß, Monique (31) 2005 8 Niederrhein nen zur neuen Saison sind sich der für das Schieds- Kunick, Anja ** (33) 2002 11 Sachsen 2008/2009 in die Frauen- richter-Wesen zuständige Bundesliga auf. Zusammen mit Vizepräsident des Deutschen Kurtes, Marija (21) 2006 11 Niederrhein den beiden „Schiedsrichterin- Fußball-Bundes, Dr. Rainer Müller, Inka*** (32) 1997 3 Berlin nen des Jahres“, Christine Koch, und der Vorsitzende des Beck und Bibiana Steinhaus, DFB-Schiedsrichter-Ausschus- Pansch, Sandra (23) 2007 5 Hamburg und weiteren 13 Schiedsrichter- ses, Volker Roth, sicher. Kolleginnen bilden sie in der Rafalski, Katrin (26) 2007 9 Hessen neuen Spielzeit den um eine Neu in den Kreis der dann 24 Reichert, Moiken*** (27) 2002 8 Südwest Schiedsrichterin aufgestockten Schiedsrichterinnen für die Schneider, Daniela (31) 2003 10 Sachsen 18-köpfigen Kreis der höchsten 2. Frauen-Bundesliga rücken deutschen Spielklasse. Freiwil- zur Saison 2008/2009 Sandra Schönfeld, Christiane (26) 2004 7 Thüringen lig aufgehört haben Tanja Blumenthal (Groß Pankow/ Söder, Angelika (19) 2008 0 Bayern Schneider (Amberg) und Nicole Prignitz), Mirka Derlin (Bad Schumacher (Oberhausen). Schwartau), Katrin Naber Steinhaus, Bibiana** (29) 1999 1 Niedersachsen „Die Bedeutung des Frauenfuß- (Krummenaab) und Beatrix Storch-Schäfer, Martina (42) 1996 8 Hessen balls wird im Vorfeld der FIFA Nieder (Mainz). Ausgeschieden Wozniak, Marina*** (28) 2006 10 Westfalen Frauen-WM 2011 in Deutschland sind neben den drei Aufsteige- immer größer. Dementspre- rinnen in die Frauen-Bundes- * Stand 1.8.2008 chend wird auch die Qualifika- liga Katrin Brendel (Löpsingen) ** FIFA-Schiedsrichterin tion der Schiedsrichterinnen und Angela Hahn (Berlin). *** FIFA-Schiedsrichter-Assistentin LEHRBILD

In den Lehrbildern dieser Ausgabe geht es um den Einsatz der Arme. Mit angewinkeltem Arm und angespannten Muskeln trifft der Spieler im weißen Trikot seinen Gegner im Gesicht - schwere Verletzungen drohen! Ein klarer Fall von „Rot“.

16 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Regel-Test Wenn die Fahne zu früh kommt 15 Situationen, die beim DFB-Lehrgang in Altensteig-Wart von den Assistenten schriftlich beurteilt werden mussten

Situation 1 an. Bevor der Schiedsrichter die- Das „Wait-and-see“-Prinzip verlangt vom Assistenten ses Zeichen erkennt, beendet er Der Schiedsrichter-Assistent sieht, höchste Konzentration. Zieht er die Fahne zu schnell, stiftet das Spiel mit dem Schlusspfiff. dass der Torhüter während des er meist Verwirrung – auch beim Schiedsrichter. Unmittelbar danach informiert der laufenden Spiels außerhalb des Schiedsrichter-Assistent seinen Strafraums einen Gegenstand in Schiedsrichter über die signali- die Hand nimmt und ihn einem im sierte Tätlichkeit. Strafraum stehenden Gegenspieler an den Kopf wirft. Situation 8

Situation 2 Der Torwart hat eine hohe Flanke abgefangen und will den Ball Der Schiedsrichter-Assistent sieht, schnell wieder abschlagen. Als er wie ein Auswechselspieler außer- den Ball aus der Hand fallen lässt, halb des Spielfelds steht und wäh- sieht der Schiedsrichter-Assistent, rend des laufenden Spiels einen dass ein Angreifer den Ball mit der Gegenstand einem auf dem Spiel- Fußspitze zur Seite spitzelt, so in feld stehenden Gegenspieler heftig Ballbesitz gelangt und ein Tor an den Kopf wirft. schießt.

Situation 3 Situation 9

Während des laufenden Spiels Strafstoß! Der Spieler mit der Nr. 23 sieht der Schiedsrichter-Assistent, legt sich den Ball auf die Strafstoß- ohne es verhindern zu können, marke, geht zurück, der Schieds- dass der Trainer auf das Spielfeld richter pfeift. Jetzt läuft der Spie- läuft. Von einem Spieler der geg- ler mit der Nr. 18 an. nerischen Mannschaft wird der Trainer heftig zu Boden geworfen. Situation 10

Situation 4 Ein verteidigender Spieler wird seit einigen Minuten hinter dem Spielentscheidung durch Elfmeter- eigenen Tor behandelt. Das Spiel schießen. Ein Schuss muss wieder- läuft weiter. Der Torwart dieser holt werden, da der Schütze Mannschaft wehrt einen Ball zum unsportlich getäuscht hat und Eckstoß ab. Als das Spiel nun dafür verwarnt wurde. Unmittelbar unterbrochen ist, möchte der ver- danach, bevor es zur Wiederholung letzte Spieler wieder am Spiel teil- kommt, beleidigt der Schütze des- haben soll. Der Schiedsrichter sprintet nach dem Ball und schießt nehmen und meldet sich beim halb den Schiedsrichter. zeigt diesem die Rote Karte. Nach ihn ins Tor, während sich der deut- Schiedsrichter-Assistenten an. kurzer Diskussion wird deutlich, lich im Abseits stehende Spieler Situation 5 dass der Trainer der Mannschaft zurückhält. Der Schiedsrichter Situation 11 diesen Stoß ausgeführt hat. sieht das Fahnenzeichen und pfeift Nach einer Unterbrechung wegen „Abseits“. Unmittelbar am Strafraum wird ein eines Foulspiels kommt es vor den Situation 6 Angreifer von einem Abwehrspie- Trainerbänken zur „Rudelbildung“ Situation 7 ler regelwidrig zu Fall gebracht. mit Unsportlichkeiten. Der Als ein Spieler einen langen Pass Der Schiedsrichter ist sich nicht Schiedsrichter-Assistent weist den schlägt, steht ein Angreifer deut- Der Schiedsrichter-Assistent zeigt sicher, ob das Foul innerhalb oder Schiedsrichter darauf hin und lich im Abseits. Sofort zieht der kurz vor Spielende eine Tätlichkeit außerhalb des Strafraums statt- zeigt in Richtung eines Spielers, Schiedsrichter-Assistent die Fahne. eines Verteidigers im eigenen Straf- fand, entscheidet trotzdem spon- der einen Gegner umgestoßen Ein nicht abseits stehender Spieler raum gegen einen Gegenspieler tan auf Strafstoß. Da bemerkt er

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 17 ein deutliches Zeichen seines Assistenten, dass das Foul außer- halb des Strafraums erfolgte.

Situation 12

Nach 90 Minuten zeigt der Schiedsrichter an, dass er zwei Minuten nachspielen lassen wird, da die Gäste mehrfach die Zeit ver-

zögert hatten. Kurz danach erzie- LEHRBILD len die Platzherren die 1:0-Füh- rung.

Situation 13

Bei einem Schuss auf das Tor steht ein Angreifer im Abseits, greift jedoch nicht ins Spiel ein. Der Ball wird vom Torwart zu einem nicht im Abseits stehenden Angreifer abgewehrt, dieser köpft den Ball erneut aufs Tor. Wieder wird der Ball abgewehrt und kommt zu dem vor dem ersten Schuss abseits ste- henden Spieler, der beim Kopfball nun jedoch hinter dem köpfenden Spieler steht.

Situation 14

Ein direkter Freistoß für die angrei- fende Mannschaft wird in Straf- raumnähe schnell ausgeführt, obwohl sich die Abwehrspieler noch nicht auf die Freistoß-Ausfüh- rung eingestellt haben. Der Ball geht unberührt ins Tor. Der Schiedsrichter befand sich nicht unmittelbar bei den Spielern und hatte keinerlei Zeichen gegeben.

Situation 15 Immer wenn ein Spieler den Ellenbogen im Zweikampf angewinkelt hat, muss der Schiedsrichter besonders aufmerksam sein. Grundsätzlich ist bei einer Berührung immer Ein weiter Ball kommt zum Torhü- ein Pfiff angebracht, die Persönliche Strafe richtet sich nach der Intensität. ter, der den Ball zwar aufnehmen könnte, ihn aber von den Handflä- chen abklatschen lässt. Anschlie- wart Martin Brücken und Schieds- werk zu klären. Damit leisteten ßend führt er den Ball mit den Südwest richterin Hasret Gökcen empfin- die Speyerer Unparteiischen Füßen bis zur Strafraumlinie, gen interessierte weibliche Fuß- einen kleinen Beitrag zum besse- nimmt ihn mit den Händen auf und ballanhänger. Mit Hilfe einer Mag- ren Verständnis gegenüber schlägt ihn ab. Dieses sieht der nettafel und von Videosequenzen Schiedsrichter-Entscheidungen in Schiedsrichter-Assistent. Neue PR-Wege wurde den Frauen ein Überblick Spielen der Profis und auf den ■ der Unparteiischen über das Regelwerk verschafft. regionalen Fußballplätzen. Kurz nach der Regelschulung Die Kreis-Schiedsrichter-Vereini- erhielt Christian Seifert eine Ein- Abschließend bleibt die Hoffnung, gung Speyer veranstaltete im ladung in die Morgenshow des dass sich vielleicht die ein oder Vorfeld der EURO 2008 zwei regionalen Radiosenders „Radio andere Kandidatin angesprochen Regelabende für Frauen und Mäd- Regenbogen“, um dort mit den fühlt und für sich ein neues chen. Der stellvertretende Moderatoren gemeinsam Begriffe Hobby entdeckt. Die richtige Beurteilung steht auf Obmann Christian Seifert, Lehr- und Fragen rund um das Regel- Frank Roß Seite 19.

18 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Regel-Test Wenn die Fahne zu früh kommt Die richtige Beurteilung der Spiel-Situationen von den Seiten 17 und 18

Situation 5 Situation 12 Situation 14

● Schiedsrichter nimmt die Rote ● Die angezeigte Nachspielzeit ● Keine Anzeige, das Tor wurde Karte zurück muss nachgespielt werden, sie korrekt erzielt ● ● Trainer wird aus dem Innen- kann nicht verkürzt werden Schiedsrichter muss den Ball raum verwiesen nicht freigeben Situation 13 Situation 6 Situation 15 ● Keine Anzeige ● Falsch, weiterspielen wäre ● Fahnenzeichen, Meldung an ● richtig gewesen Weiterspielen, da sich mit dem den Schiedsrichter ● Schiedsrichter-Assistent und Kopfball eine neu zu bewertende ● Indirekter Freistoß gegen den Schiedsrichter müssen warten, Situation ergeben hat Torwart bis klar ersichtlich ist, welcher Spieler den Ball spielt

Situation 7 Situation 1 ● Rote Karte, Spielende ● Fahnenzeichen, Meldung an den Schiedsrichter Situation 8 ● Rote Karte gegen den Torhüter, Strafstoß ● Fahnenzeichen, Meldung an ● Tatort ist dort, wo der Spieler den Schiedsrichter getroffen wurde ● Kein Tor, indirekter Freistoß für LEHRBILD den Torwart Situation 2 Situation 9 ● Fahnenzeichen, Meldung an Schiedsrichter ● ● Feldverweis Sofortige Unterbrechung mit ● Indirekter Freistoß dort, wo Pfiff ● der Ball sich bei der Spiel- Verwarnung des Spielers mit unterbrechung befand der Nr. 18 ● Strafstoß muss nach Identifi- Situation 3 zierung des Schützen erneut freigegeben werden ● Fahnenzeichen, Meldung an den Schiedsrichter Situation 10 ● Feldverweis ● Trainer aus dem Innenraum ● Weitergabe an den Schieds- ● Schiedsrichter-Ball, wo sich richter, der es erlaubt, da es der Ball bei der Spielunterbre- sich um eine Spielruhe handelt chung befand Situation 11 Situation 4 ● Der Schiedsrichter sollte seine Ein „beliebtes“ Foul: Mit nach hinten gestreckten Armen will ● Feldverweis, der Gegner muss Entscheidung korrigieren und der linke Spieler seinen Gegner daran hindern, an den Ball zu kommen. Dass der dann seinen Arm einklemmt, ist nur die nicht reduzieren auf direkten Freistoß für die Folge daraus – also Freistoß für Gelb, weil das erste Foul zu ● Schuss wird vom Mitspieler Angreifer entscheiden, da er bestrafen ist. ausgeführt sich nicht sicher war

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 19 Lehrwesen Die Eskalation rechtzeitig s Günther Thielking über den Kampf gegen die Gewalt auf dem Fußballplatz

it einer Kopfnuss zertrümmerte richter nicht rechtzeitig und ange- Der DFB hat diese Problematik tionsträger stehen in der Pflicht, MRoland B. wenige Minuten vor messen reagiert. Er hätte präven- erkannt und sieht die Schiedsrich- dem Phänomen „Gewalt“ zu dem Abpfiff die Nase seines tiv eingreifen müssen, dann wäre ter neben den Trainern und Betreu- begegnen und die fair spielenden Gegenspielers. Der hatte ihn seiner es gar nicht erst zu einer solchen ern in einer Schlüsselfunktion zur Aktiven zu schützen. Meinung nach 80 Minuten lang Brutalität gekommen. Erziehung der Spieler. Die Funk- provoziert, gehalten, gestoßen und Provokationen sofort getreten. Roland B. sprach schon unterbinden in der ersten Halbzeit den Unpar- teiischen deswegen an. Doch der Die Unparteiischen müssen so gut meinte nur: „Die Entscheidungen geschult werden, dass sie im Ver- treffe ich hier! Und wenn Ihnen das lauf eines Spiels präventive und nicht passt, dann sehen Sie ganz deeskalierende Maßnahmen tref- schnell „Gelb!“ Nach der Roten fen können, um Gewalt einzudäm- Karte vom Referee entschied das men oder zu verhindern. Die An- Sportgericht wenig später auf weisung des DFB in seiner Ausbil- sechs Monate Sperre. Roland B. dungsordnung für neue Schieds- fühlte sich vom Schiedsrichter und richter ist eindeutig: „Den Anwär- von den Richtern ungerecht tern ist zu vermitteln, welche Mög- behandelt, denn sein Gegenspieler lichkeiten sie haben, Aggressionen war ungestraft davon gekommen. zu vermeiden, und welche Maßnah- Der Bestrafte hatte die Nase voll men sie dagegen ergreifen kön- vom Fußball. nen.“

Die Funktionäre in den Kreisen und Doch es reicht nicht, nur die Verbänden stecken in solchen Fäl- zukünftigen Unparteiischen auf len in einer Zwickmühle. Einerseits diese Problematik vorzubereiten. muss natürlich ein solches Verhal- Auch die gestandenen Schiedsrich- ten hart bestraft werden, anderer- ter müssen wissen, dass sie Spie- seits wollen sie nicht auf solch ler wie Roland B. im Sinne der eine Weise das Laufbahnende des Regel 5 zu schützen haben, damit Übeltäters heraufbeschwören. Für es gar nicht erst zu solchen sie war klar: Hier hat der Schieds- Gewaltausbrüchen kommen muss. Sie sind darauf vorzubereiten, dass Wenn Spieler aufeinander losgehen, kann der Schiedsrichter die Aggressionen kaum noch in es in jedem Spiel Gewaltpotenziale den Griff bekommen. Sein Ziel muss immer sein, durch rechtzeitiges Einwirken auf die Akteure gibt, die von den Aktiven wie von solche Ausbrüche von Gewalt zu vermeiden. den Zuschauern ins Spiel getragen werden. Das Thema „Gewaltprä- vention“ gehört in der aktuellen Situation deshalb zur Arbeit der Schiedsrichter-Lehrwarte wie Frei- stoß, Abseits und Vorteil.

In umfangreichen Untersuchungen von Verbänden und Hochschulen hat sich gezeigt, dass Aggressio- nen und daraus resultierende Gewalthandlungen einer fast schon systematischen Entwicklung unterliegen. Sie sind oft bereits in der Entstehung erkennbar. Nicht die „Notbremse“, mit der eine

20 Schiedsrichter sind Schlüsselpersonen Im Lehrbrief 20 des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses steht das Thema Gewalt im Mittelpunkt. Sein Titel: „Arbeitshilfen zur Gewaltprävention“. Sein Inhalt: konkrete Hinweise, wie toppen man auf eskalierende Situationen reagiert sowie didaktisch- methodische Lehrhilfen. Das Thema „Gewalt“ auf und neben den Sportplätzen hat in den letzten Jahren eine qualitative, mehr aber noch negativ quantitative Dimension angenommen, die dem friedlichen, Mannschaft um den sicheren Tor- dem ja eigentlich vom Gedanken des „Fair Play“ bestimmten erfolg gebracht wird oder das Foul Fußballspiel enormen Schaden zufügt. Immer häufiger wer- Hamburg im Mittelfeld, nach dem sich der den offensichtlich Probleme in der Familie, im Beruf und in Altersgrenze erhöht Gegner mit einem Tritt revanchiert, der Beziehung zu den Mitmenschen auf dem Platz kompen- bereitet den Schiedsrichtern Sor- siert und ausgelebt. Damit werden der früher undenkbare Der Verbands-Schiedsrichter- gen. Hier wird die Rote Karte als Tritt gegen den am Boden liegenden Gegenspieler oder der Ausschuss Hamburg hat Konsequenz akzeptiert. Es ist die Faustschlag ins Gesicht des Schiedsrichters zur Wirklichkeit. beschlossen, das Höchstalter für ausufernde Gewalt, an der häufig Der DFB weiß, dass die Unparteiischen Schlüsselpersonen Schiedsrichter in der Hamburg- mehrere Spieler beteiligt sind, die sind, die beim Thema „Gewaltprävention“ einen besonderen Liga und der Landesliga von 47 das sportlich faire Miteinander auf Einfluss auf die Aktiven haben. Deshalb gibt es inzwischen auf 49 Jahre hoch zu setzen. dem grünen Rasen massiv belastet. sowohl in der Trainer-Ausbildung wie auch in der Ausbildung der Schiedsrichter eine Reihe von Fortbildungsveranstaltun- „Wir haben eine Reihe von erfah- Gewalt, die eskaliert und dann gen, die diesem Phänomen begegnen sollen. renen Unparteiischen, die sehr kaum noch in den Griff zu bekom- Plattheiten wie „Das bringt sowieso nichts!“, „Da kann man gute Leistungen bringen und men ist, beginnt meist mit einer doch nichts gegen machen!“ oder „Daran zu arbeiten, ist topfit sind. Diese Kollegen kön- verbalen Provokation, mit einer vertane Zeit!“ bringen uns als Fußballfamilie nicht weiter, sie nen zwei Jahre länger in den aggressiven Körpersprache, gegen sind eine soziale Bankrotterklärung. Hamburger Top-Klassen aktiv die der Schiedsrichter bereits ein- sein. Im Sinne der Vereine sollen schreiten muss. Ähnlich verhält es die besten Schiedsrichter in den sich mit Beschimpfungen von der ationen geben kann, die sie vorher Im Rollenspiel höchsten Klassen pfeifen“, Seitenlinie durch Trainer, Betreuer so noch nicht erlebt haben, deren den Mut stärken begründete der Vorsitzende des oder Eltern jüngerer Spieler. Wer- Strukturen sie aber im Ansatz Verbands-Schiedsrichter-Aus- den sie sofort und konsequent In unterschiedlichen Rollenspielen während der Lehrabende schon schusses, Wilfred Diekert, die unterbunden, ist die Chance groß, können solche Szenarien vorgetra- einmal besprochen haben. Entscheidung. dass sich die Situation beruhigt. gen und aufgearbeitet werden. Die beteiligten Schiedsrichter lernen Zusätzlich erfahren gerade die Carsten Byernetzki Hieraus wird deutlich, dass bei der dabei, wie sie durch eine gezielte neuen Schiedsrichter dabei etwas Ausbildung der Schiedsrichter in Ansprache an die Spieler, mit ihrer über die notwendigen Persönlich- Sachen Gewaltprävention vier Lern- Körpersprache und durch ein keitsmerkmale eines Unparteii- Bayern ziele angestrebt werden müssen. rechtzeitiges Eingreifen Konflikte schen. Merkmale, die neben einer Die Unparteiischen müssen sensibi- lösen, ohne gleich zu Persönlichen sicheren Kenntnis der Spielregeln Helmut Sammet gestorben lisiert werden für die Entstehung Strafen greifen zu müssen. Sie die Grundlage sind, um ein Fußball- von Gewalt. Dies kann auf den werden feststellen, dass oft ein spiel sicher zu leiten. Sie lernen, Der langjährige Bezirks-Schieds- Belehrungsabenden durch den Aus- beruhigendes Wort oder eine dass ein guter Schiedsrichter von richter-Obmann von Oberfran- tausch mit erfahrenen Unparteii- besänftigende Geste ausreicht, um der ersten bis zur letzten Spielmi- ken, Helmut Sammet, ist im Alter schen erfolgen. Gleichzeitig haben die erhitzten Gemüter wieder nute selbstbewusst und fachkom- von 84 Jahren plötzlich verstor- die Schiedsrichter im Gespräch mit etwas abzukühlen. Reicht dies petent seine Entscheidungen zu ben. anderen Kameraden und in der dagegen nicht, so wird der Lehr- vertreten hat. Er muss den Mut Information durch den Lehrwart wart seinen Schiedsrichtern deut- haben, diese Entscheidungen ohne Während seiner Amtszeit hat er Strategien zu entwickeln, die ihnen lich machen, dass gewalttätiges Wenn und Aber durchzusetzen, so besonders die Lehrarbeit und helfen können, präventiv auf Spiel mit dem Einsatz von Gelben dass er seine Spiele im Griff behält die Ausbildung der Beobachter Gewaltpotenziale zu reagieren. Ist und Roten Karten bestraft werden und von den Spielern wie von den vorangebracht. Durch seine Kor- es jedoch schon zu gewalttätigen muss. Offiziellen akzeptiert wird. rektheit und Gewissenhaftigkeit Handlungen gekommen, beleidigen ■ hat er sich in allen Bereichen sich zwei Spieler oder stehen sie In anschließenden Gruppenarbei- Ex-DFB-Schieds- hohes Ansehen erworben. Einige sich in einer Rudelbildung aggres- ten werden von den Schiedsrich- richter Günther Jahre war er auch sehr erfolg- siv gegenüber, so muss der tern alternative Strategien zum Thielking ist Lehr- reich im Lehrstab des Bayeri- wart in Niedersach- Schiedsrichter wissen, welche Verhalten der Unparteiischen in sen und Mitglied im schen Fußball-Verbandes tätig. repressiven Möglichkeiten er hat, solchen Entstehungs-Situationen DFB-Lehrstab. um diese Situation wieder zu ent- von Gewalt entwickelt. Sie stellen Hans Ebersberger schärfen. fest, dass es in jedem Spiel Situ-

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 21 Report Markus Merk: Die nächst Oliver Trust porträtiert Deutschlands erfolgreichsten Schiedsrichter nach seinem Abschied von der Fußball-Bühne

an wird sich daran gewöhnen Weile dauern, bis man ihn mit ins kurzen Hosen, keine Pfeife im des Status quo zu kommen. Auch Mmüssen, ihn an Orten zu tref- „normale“ Leben steckt. So kam Mund. Einen wie ihn hätte man in als er kurz vor dem Ende seiner fen, an denen man ihn nicht ver- es, dass ihn mancher in Horb um der Schweiz oder in Österreich Karriere über den Video-Beweis mutet. Es hat sich herumgespro- ein Haar nicht erkannt hätte. Hier vermutet. Stattdessen schlüpfte er sprach, um mehr Verständnis für chen, Markus Merk hat seine Kar- mitten unter 60.000 Menschen, die zur besten EM-Zeit mit einem die Arbeit der Schiedsrichter zu riere als Schiedsrichter nach 339 sich im Juni 2008 durch die Stra- Lächeln in die Rolle des Schirm- erreichen oder den „Fußball Bundesliga- und 50 Länderspielen ßen schoben und ein fröhliches herrn der Horber Ritterspiele. Das gerechter“ zu machen. „Wenn ich und 78 Einsätzen im Europapokal Fest feierten. Der schicke Hut, das Beispiel Horb passt zu einem der auf diese Weise eine klare Fehlent- beendet. Trotzdem wird es eine Gewand eines edlen Ritters - keine Sätze, die der 46 Jahre alte Pfälzer scheidung korrigieren kann, dann Merk in den Wochen seines sollte ich das tun“, sagte Merk. Abschieds sagte: „Man muss das Fußball solle durch den „Ein- Dr. Markus Merk eine beenden, um etwas anderes spruch“ nicht seine Dynamik ver- zu beginnen.“ lieren. „Er wird bei strittigen Situ- Geboren am 15. März 1962 Wohnort 67731 Otterbach Landesverband Südwestdeutscher FV Verein 1. FC Kaiserslautern Beruf Zahnarzt Familienstand verheiratet, 1 Kind Größe 1,81 m Gewicht 72 kg Hobbys Triathlon, Reisen DFB-Schiedsrichter Seit 1984 2. Bundesliga Seit 1985 Spiele 2. Bundesliga 84 Bundesliga Seit 1988 Markus Merks Gedanken beim Betrachten dieses Fotos: „Das Bundesligaspiele 339 lehrreichste, persönlich beeindruckendste Bild aus 20 Bundes- DFB-Pokal-Endspiel 1993 liga-Jahren. Mein zehntes Bundesligaspiel, wieder bestätigt das A-Länderspiele 50 Fernsehen später alle Entscheidungen. Und trotzdem das Gefühl, nicht die nötige Akzeptanz zu haben. Fazit war: Noch FIFA-Schiedsrichter 1992 bis 2007 mehr an sich arbeiten, mit permanenter Selbstorientierung an Europapokalspiele 78 eigener natürlicher Persönlichkeit!“ Europameisterschaft 2000 Niederlande/Belgien, 2004 Portugal Bis zum Mai 2008 gab es wenige ationen ohnehin unterbrochen. Der Weltmeisterschaft 2002 Korea/Japan, 2006 Deutschland Sommer in seinem Leben, die wirk- Video-Beweis kann da innerhalb Olympische Spiele 1992 Barcelona liche Sommer waren. Meist gab es einer Minute Klärung bringen.“ große Turniere, Lehrgänge und Sit- Endspiel Europapokal 1997 (Paris St. Germain - FC Barcelona) zungen - die sich stets ums Thema Genau hat er sich die Reaktionen der Pokalsieger Schiedsrichter drehten. Er sprach betrachtet und sich über manche Endspiel Champions 2003 (Juventus - AC Mailand) dabei von „Wir“, wenn er die gewundert, die auf ihn als Person League „Familie“ der Schiedsrichter mein- zielten und nicht auf die „Überle- EM-Endspiel 2004 (Portugal - Griechenland) te. Oft, wenn er über Belange der gung“ des Video-Beweises ge- Auszeichnungen Schiedsrichter der Spieljahre Männer mit der Pfeife und denen münzt war. Mancher warf ihm gar 1994/95, 1995/96, 1999/2000, 2002/03, an der Linie nachdachte, lieferte er vor, sich profilieren zu wollen. 2003/04 und 2005/06 Denkanstöße, regte Diskussion an, Doch er ging oft eigene Wege, Welt-Schiedsrichter 2004, 2005, 2007 um Meinungen zu verknüpfen oder wenn er das Gefühl hatte, alte wenigstens zu einer Überprüfung Pfade verlassen zu müssen, um

22 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 en Gipfel warten schon

eine Veränderung herbeizuführen. res“ kam, stand es praktisch fest“, Viele Bilder seiner Laufbahn Betzenbergs bei Rudi Merk, der Und manche Experten wunderten sagt Merk. Für ihn ist diese Aus- kamen ihm in den vergangenen seit 1963 die Schiedsrichter be- sich, dass die Schiedsrichter die zeichnung nach dem Ende seiner Monaten in den Sinn. Auch die sei- treute, die in Kaiserslautern pfif- Diskussion nicht nutzten, um für internationalen Laufbahn so etwas nes Vaters Rudi, der im Frühjahr fen, und selbst Schiedsrichter war. sich mehr zu erreichen. Nämlich wie der krönende Abschluss einer 2008 im Alter von 74 Jahren starb. „Er hat mir die letzten zwei Jahre als kleinsten Nenner, die Bereit- langen und mit besonderen Ereig- Rudi Merk war sein Motivator und einen enormen Schub gegeben“, schaft der „Kundschaft“, künftig nissen gespickten Karriere, die seine Triebfeder. In der elterlichen sagt Merk Junior. Rudi Merk war „Fehler“ akzeptieren, die trotz Merk nie nur auf den Fußball Küche lernte er die Welt der „Schi- oft Begleiter bei seinen besonde- einer beispielhaft professionellen beschränkt sehen wollte. ris“ kennen. Man saß unweit des ren Spielen. Ob bei Champions- Vorbereitung auf Spiele und den League-Spielen, EM- und WM-Par- Job überhaupt einfach „passie- tien oder Pokalspielen in aller ren“. Welt. Ein Höhepunkt das EM-Finale 2004 in Portugal. Sein „Ritter- Merk wollte lieber „Spielleiter“ schlag“. oder „Spielmanager“ als Schieds- richter sein, im Hintergrund blei- ben und durch rechtzeitige Kom- munikation versuchen, „Span- nungsfelder zu vermeiden“. Das habe er erst lernen müssen. „Es kam vor, dass ich Unsicherheit mit vielen Karten überdeckte oder auf dem Feld weniger als nötig kommunizierte, mich quasi ab- schottete.“

Merk wird „immer Fußballer und Sportler“ bleiben. Nun steht ihm Unabhängigkeit ins Haus, die ihm wichtiger war als alles andere. „Ich bin stolz, dass ich nie einen Tele- fonhörer in die Hand genommen habe, um eine Stufe höher zu kom- men“, sagt er. Dazu passt auch das überraschende Ende seiner Lauf- bahn, das für ihn seit Monaten feststand. „Als die erneute Wahl zum „Welt-Schiedsrichter des Jah-

Ein nachdenklicher Moment im allgemeinen Abschieds- trubel: Mit dem Trikot von Oliver Kahn, der am gleichen Tag wie er aufhörte, über der Schulter nimmt sich Markus Merk noch auf dem Spielfeld einen Augenblick des Inne- haltens – Blick zurück? Nein, eher wohl nach vorn!

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 23 Sich der Verantwortung stellen, mitunter Tiefen zu überwinden, um vorwärts zu kommen, das trieb Markus Merk an. Das soll auch im neuen Leben ohne Fußball so blei- ben. Denn die nächsten Gipfel war- ten schon. „Vielleicht gibt es des- halb die Leidenschaft für Berge“, Markus Merk (hier mit Franziska van Almsick und Armin Hary): „Auszeichnungen waren für sagt er und lächelt wiederum, „es mich immer Bestätigung, aber auch Verpflichtung. Neben den sportlichen gab's auch viele ist ein Doppelpass des Lebens“. Als soziale Auszeichnungen: das Bundesverdienstkreuz, den Deutschen Ethik-Preis des Sports, Referee stand er für Kompetenz, Deutschlands Sportler mit Herz. Ich fühle mich „AUS“gezeichnet… Fairness und Seriosität. Das Fair- Play-Diplom der UNESCO mag Mit 26 war er damals der jüngste me und gründete den Verein quenz eines Menschen, der Verän- ebenso Beleg dafür sein wie der Schiedsrichter der Bundesliga, 1991 „Indienhilfe Kaiserslautern e.V.“. derungen braucht, um beweglich Fairplay-Award der UEFA und die flog er trotz des Irak-Kriegs nach Für alle um ihn herum kam der zu bleiben. Eine treffende Berufs- Auszeichnung „Deutschlands Indien und begann sein seit über Entschluss im Jahr 2005, seine bezeichnung für Merk scheint sich Sportler mit Herz“. Er war Bot- 15 Jahren andauerndes soziales Zahnarztpraxis aufzugeben, so nicht zu finden. Nun ist er „Vor- schafter internationaler Hilfskam- Engagement, baute Schulen (800 überraschend wie sein selbst tragsreisender“, „Motivationstrai- pagnen. 2006 erhielt er den Jah- Kinder), Waisenhäuser (140 Kinder), bestimmtes Ende der Karriere. Für ner“ oder „Unternehmens- und respreis des Kinderschutzbundes Ausbildungszentren und Altenhei- ihn war es die logische Konse- Führungskräfteberater“. Es ist die sowie 2007 den „Ethik-Preis des Sports“ von Kardinal Karl Leh- mann. ie ein kleiner Held fühlt deutscher Geschäftsmann, der Wsich Markus Merk. Alles Chef der deutschen und der Wenn die Bundesliga Mitte August fällt ihm leicht. Gehen, Zähne- europäischen Schiedsrichter. in ihre neue Saison startet, wird er Der putzen, Autofahren, Atmen - Und Roth ist anders als alle fehlen. Der Pfälzer wird in Südame- ein sanftes Kissen aus Zufrie- anderen. Eine Spur nüchterner. rika auf den 6.400 Meter hohen denheit trägt ihn. Was gilt im Das ganze Brimborium nach Chimborazo klettern. Davor einen Fußball schließlich mehr als ein einer EM, die oberflächlichen 4.800er und einen 5.200er bestei- Rüffel Wort von Franz Beckenbauer, Lobeshymnen schiebt er bei- gen. „Abtasten und sehen, wie weit dem einzigen Menschen, der seite. Merk fällt aus allen rosa- kommst du?“, nennt er sein neues den Ball auch vom Weißbierglas roten Wolken. „Die ganze Welt Abenteuer. Das klingt nach hoch- aus in die Torwand schießen ist zufrieden, nur dein eigener vom kann. Und der „Kaiser“, von Chef nicht“, sagt Merk und alpiner Expedition. Die Berge in dem sein Sohn Stefan einst klingt immer noch eine Spur Ecuador hat Merk ausgewählt, sagte, der „liebe Gott“ müsse betrübt. Roth kritisiert Teile „weil man in ein paar Tagen rauf seinem Vater einmal die Hand seiner Spielleitung. „Ich habe kommt“. Anfang August wird er Chef gegeben haben, lobt den deut- gar nichts mehr verstanden. dort sein. Später könnte Asien schen Halbfinal-Schiedsrichter. Ich wollte nichts davon an- kommen. Etwas Höheres als der Wie Volker Roth bei der Genieße, befiehlt sich der Ge- nehmen. Roths Kritik war be- Chimborazo. Berge sind seine Welt EURO 2000 nach dem Halb- adelte. Genieße den Tag danach, sonders schlimm für mich, nach und die seiner Familie. Die Merks finale Italien - Niederlande du hast es verdient. Keiner me- vier Wochen hast du einfach die haben nun etwas mehr Zeit für ihr reagierte ckert, keiner kritisiert, in keiner Nase voll.“ Roth findet, Merk Hobby. „Für mich ist es der ideale Zeitung steht, du hast deinen hat sich zu stark ins Spiel ein- Zeitpunkt aufzuhören“, sagt Merk. Job schlecht gemacht. gemischt: „Mit zu starkem prä- „Ich wollte selbst bestimmen, Vorfreude brennt in Merks ventivem Eingreifen hast du wann Schluss ist. Was ich nicht Brust, als er sich auf die Rück- dich selbst zu Entscheidungen wollte, war eine Abschiedstournee reise ins Brüsseler Hotel gedrängt. Du schaukelst ein und im letzten Jahr Sprüche hin- macht, und sie hält an, bis er Spiel hoch, wenn du mit zuviel ter vorgehaltener Hand, von durch die Tür von Volker Roth Kommunikation einschreitest.“ wegen, warum ist der noch nicht in geht. Roth, ein typischer nord- Was bedeutet, eine Ermahnung Pension?“

24 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 „Marke Merk“, die Firmen, Unter- die fußballerische Ausbildung der nehmen und Verbände sowie poli- Spieler umfasst, für besonders tische Organisationen buchen. Der interessant. „Die Grundsätze, die Redner Merk ist beliebt. Einer, der Dietmar Hopp da propagiert, halte wie er aus praktischer Erfahrung ich für sehr positiv. Soziale Verant- im sensiblen Umfeld Profifußball wortung und der Ansatz, fürs über Entscheidungen, Kommunika- Leben etwas mitzunehmen, kom- tion und Menschenführung berich- men oft zu kurz“, sagt Merk, der ten kann, kommt lebendig und bald selbst aktiv werden will: „Drei, glaubwürdig rüber. vier Monate möchte ich demnächst mit Mitstreitern durch Schulen in Nun kommt ihm zugute, „immer Deutschland ziehen, um auf leben- über den Tellerrand hinaus“ dige Weise Bildung zu vermitteln geschaut zu haben. Nie gab es den und Sozialkompetenz zu schulen“. Tunnelblick im Fußball, vielmehr wirbt Merk für mehr „soziale Kom- Aber erst Mal warten die nächsten petenz“ und meint, „wir verschen- Gipfel… ken da im Fußball sehr viel Poten- Markus Merk: „Spielabbruch beim Mailänder Derby, schwere zial“. Deshalb hält er das Projekt und einsame Momente. Aber aus Siegen und Niederlagen Stärke von 1899 Hoffenheim, das nicht nur ■ zu gewinnen, macht den Top-Athleten aus!“

lieber einmal runter zu schlu- besseren Nachrichten. Roth cken, statt danach gleich eine aber bleibt bei seiner Meinung. Gelbe Karte ziehen zu müssen. Und in Merk reifen prägende Mit jeder Ermahnung, mit Erkenntnisse. „Ich habe mich jedem Pfiff wird der Spielraum mehr und mehr versucht, mit kleiner. Am Ende muss es die seiner Kritik konstruktiv ausein- Karte Gelb oder Rot sein, ob- anderzusetzen. Er ist der größte wohl sich das hätte vermeiden Experte, mit einem 360-Grad- lassen. Blick. Das Rundumlob aller war Wie ein trotziger Bub wehrt sich eine großartige Sache für mich, der nachhaltigere Erfolg aber Merk. Innerlich tobt ein Kampf war, dass ich die für mich gegen Roths Argumente. Nein, zuerst unverständlichen nein, nein, du musst dir diesen Instruktionen Volker Roths Schuh nicht anziehen. „Es hat umsetzen konnte, für große lange gedauert, bis ich das Spiele und meine weiteren Tur- annehmen konnte, bis ich niere. Ich glaube, dass mich wusste, er hat Recht, auch wenn diese Kritik und ihre Verarbei- er der einzige war, der das sah“, tung letztendlich vom Schieds- sagt Merk. Selbst eine Woche richter zum unauffälligen Spiel- später, als man sich in Leipzig zu leiter hat reifen lassen." einer Tagung trifft, glaubt Merk ■ an einen Sinneswandel seines Chefs. Der „Sünder“ erinnert sich: „Ich war drauf und dran, Diesen Text entnahmen wir mich über seine Kritik zu stel- der Biografie „Bewegend“, die len.“ Er geht wieder auf Roth Oliver Trust 2005 mit Markus Er hat ihn gefördert und gefordert: Volker Roth, selbst zu und hofft etwas naiv, der Merk gemeinsam geschrieben WM-Schiedsrichter, hat Merks Karriere intensiv begleitet. Chef überrasche ihn diesmal mit hat.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 25 „Alles Gute, Dr. Merk – und danke“ Viel ist gesagt und geschrieben Walter M. Straten in der BILD am worden am 17. Mai 2008 und SONNTAG: „Bewegend auch, wie danach. Eine kleine Auswahl: Markus Merk nach seinem per- sönlichen Schlusspfiff mit Oliver Oliver Kahn: „Markus Merk hat Kahn das Trikot tauschte. immer großartige Leistungen Viele (besonders auf Schalke) gebracht. Unser Trikottausch mögen über die eine oder andere nach dem letzten Spiel war für merk-würdige Entscheidunge mich eine Geste des gegenseiti- geschimpft haben. Ein respekt- gen Respekts. Aber den Job des volles Adieu hat unser Welt-Schiri Schiedsrichters würde ich mir nie von allen verdient.“ antun wollen.“ Mark van Bommel, als Oliver Christian Eichler in der FAZ: Kahn in seinem letzten Spiel aus- „Die Eitelkeiten und Aufgeregt- gewechselt wurde: „Markus, lass heiten einer Branche, in der dich auch auswechseln, du hast „Jungmillionäre an der Mittellinie den gleichen Applaus verdient.“ um einen Einwurf streiten“, waren nie Merks Sache. Er behielt Marcel Reif im Berliner Tages- sportliche Distanz zu einem Busi- spiegel: „Irgendwo in Japan, ness, das für ihn ein Spiel blieb. während der Weltmeisterschaft Markus Merk: „Endspiele wie hier das EM-Finale 2004 sind Wie man in Situationen, die 2002, es war am Vorabend eines große Augenblicke in einem Sportlerleben. Für mich persön- längst über Millionenbeträge ent- Halbfinalspiels, da traf ich ihn auf lich war aber die Konstanz immer mein größter sportlicher scheiden können, seine Entschei- einer Flussbrücke. Wir joggten, Erfolg. Und: Große Ziele sind nur im Team möglich, den Assis- dungsfähigkeit schärft und das heißt, ich joggte, Merk lief. tenten und ihrer so schweren Aufgabe gilt meine absolute wahrt, zeigte Merk in zwanzig Wir plauderten, ich kenne ihn Wertschätzung.“ Bundesligajahren.“ noch aus der Zeit, in der ich in Kaiserslautern lebte, sein Vater Stefan Kuntz: „Mit Markus Merk war mein Trainer in der C-Jugend. verlieren wir einen der weltbes- Dann liefen wir weiter, ich ten Schiedsrichter, da geht Qua- hechelnd, er locker. Markus Merk lität verloren. Auch was Fair Play ist immer noch fitter als mancher angeht, war er immer ein Vor- Bundesligaprofi. Alles Gute, bild.“ Dr. Merk, und danke.“

Markus Merk: „Sierra Leone 2004, Kampagne ,Schützt Kin- der im Krieg’ der UEFA und des Internationale Roten Kreu- zes, Spiel zwischen Jugendmannschaften aus zwei Flücht- lingslagern. Welche Gegensätze! Ein paar Momente des Ver- Dank und Abschiedsgruß von Markus Merk an alle gessens einer grausamen Vergangenheit. Fußball kann so Schiedsrichter im DFB viel bewegen - danke, Fußball!“

26 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Analyse Wenn aus Lust Frust wird Karsten Vollmar hat den Blick auf die Basis. Er erklärt, warum so viele Schiedsrichter so schnell aufhören

ie Lust stand am Anfang: Lust, richter-Vereinigung Biedenkopf DEntscheidungen zu treffen, Ver- (Hessen): „Es gibt ein hohes antwortung zu übernehmen, sich Anspruchsdenken. Der heutige das Taschengeld aufzubessern oder Nachwuchs meint, er müsse heute den großen Vorbildern in den in der Kreisoberliga und morgen in Bundesligastadien nachzueifern. der Gruppenliga sein. Beim ersten Auch bei Victor, einem 14-jährigen Rückschlag hören sie dann auf. Wer Jung-Schiedsrichter aus Darmstadt, heute 20 Spiele im Jahr geleitet der 2005 mit viel Motivation und hat, meint, er habe was geleistet.“ Bereitschaft einen Neulings-Lehr- Was sich ein wenig bitter anhört, ist gang absolvierte und im selben nichts weiter als eine realistische Jahr seine ersten Spielleitungen Einschätzung, die viele Verantwort- mit Erfolg meisterte, war das so. liche an der Basis teilen werden. Beste Voraussetzungen also. Aber Victor gehört auch zu jenen 150 Wenn also Antworten auf die Frage Schiedsrichtern des Hessischen „Warum hören Schiedsrichter auf?“ Fußball-Verbandes, die 2007 aus gefunden sind, stellt sich natürlich „beruflichen“ Gründen aufhörten: die nächste Frage: „Wie kann man Der Stress, Hobby und Schule mit- mehr Schiedsrichter gewinnen und einander zu vereinbaren, war zu vor allem erhalten?“ Wir müssen groß, die Schiedsrichterei war nach So ging es los für Neu- immer neue Wege finden, jungen knapp zwei Jahren wieder vorbei. Schiedsrichter Victor. Menschen schneller deutlich zu Schade, dass er nach machen, was die Schiedsrichterei Victor gehört damit zur zweitgröß- zwei Jahren schon ihnen bieten kann. Man denke nur ten Gruppe der „Aufhörer“. Denn wieder aufhörte. an die Chancen der Persönlichkeits- rund 14 Prozent machen Schule und Entwicklung! An anderer Stelle in Beruf dafür verantwortlich, dass sie geben Probleme bei der Spiellei- der diese Gründe angibt. dieser Ausgabe ist die Entwicklung nicht bei der Pfeife bleiben. Das tung jedoch nur zwei Prozent an. von Markus Merk beschrieben - ein ergibt sich aus einer Statistik, die Möglicherweise spielt dieser Grund Dass aber mehr als ein Viertel aller Vorbild für das, was man jungen Schiedsrichter-Referent Klaus Löw aber auch bei den 14 Prozent eine neuen Schiedsrichter „keine Lust“ Leuten vermitteln muss. im Auftrag des DFB-Schiedsrichter- Rolle, die sagen: „Die Aufgabe mehr hat (14 Prozent) oder gestri- Ausschusses erstellt hat. Mit Hilfe befriedigt mich nicht.“ chen werden muss (ebenfalls 14 Was also tun? der Landesverbände hat er die Prozent), weil die Anforderungen in Gründe von rund 8.000 Schiedsrich- Spitzenreiter sind vielmehr Motive Sachen Lehrabendbesuch, Training Zweifellos ist eine Ausbildung in tern gesammelt, mit ihrem Hobby aus dem familiären Bereich (siehe und Übernahme von Spielaufträ- der größtmöglichen Breite wichtig. Schluss zu machen. Die Zahl ent- Aufstellung auf der nächsten Seite). gen nicht erfüllt werden, ist er- Die Aussage „Wir brauchen nicht spricht fast genau den „Verlusten“ Die neue (oder erste?) Freundin schreckend. Aber es steckt auch jeden!“, ist nur bedingt richtig, des Jahres 2007. oder der neue Freund der Neu- eine Perspektive darin. Denn hier Schiedsrichterin sind bei den Jün- muss doch etwas zu holen sein, die Die Zahlen stellen zunächst Mal geren achtbare Gründe ebenso wie Zahl der Abgänger aus diesen Grün- zwei weit verbreitete Vorurteile in bei Älteren die Folgen der Familien- den muss man verkleinern können. Frage. Erstens: „Die meisten hören gründung. Wenn das zusammen- Auch wenn manche verloren gehen, nach einer Saison wieder auf.“ trifft mit einer möglicherweise weil sie lieber (wieder) selbst Fuß- Stimmt nicht, es sind nur 14 Pro- unsicheren Schul- oder Berufsposi- ball spielen wollen. Und andere zent. Zweitens: „Viele hören auf, tion, hat die Schiedsrichterei kaum nicht bereit sind, regelmäßig und weil sie sich das Gepöbel und noch eine Chance. Denn gerade über einen längeren Zeitraum ihre Geschimpfe von Eltern und zum Teil heute, wo eine gute schulische Aus- Leistung zu bringen, um für einen auch Trainern bei Jugendspielen bildung und qualifizierte Abschlüsse Aufstieg in Frage zu kommen. und ganz allgemein den mangeln- der Schlüssel für eine Perspektive den Respekt vor dem Schiedsrich- auf dem Arbeitsmarkt sind, muss Dazu sagt Heinz Althaus (58), seit Fast 30 Jahre Obmann: Heinz ter nicht antun wollen.“ Konkret man für jeden Verständnis haben, 28(!) Jahren Obmann der Schieds- Althaus.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 27 Westfalen mitglied drückte Kreis-Schieds- richter-Obmann Michael Allery Ehrung für seine Freude und Hochachtung Karl-Heinz Scheffczik über die jahrzehntelange über- aus gedeihliche Zusammenarbeit Ihre jährliche Saisonabschluss- aus. fahrt ins sauerländische Winter- berg nutzten einige Mitglieder Scheffczik dankte den anwesen- des Kreis-Schiedsrichter-Aus- den Schiedsrichtern des Kreises Voll konzentriert: Ob Victor schuss Unna/Hamm um den dort Unna/Hamm für diese ehrenvolle irgendwann wieder das wohnenden ehemaligen Kreis- Berufung, die umso erstaun- Schiedsrichter-Hemd anzieht? Schiedsrichter-Obmann des Krei- licher ist, wenn man weiß, dass ses Bochum, Karl-Heinz Scheffczik, Scheffczik nie Mitglied dieses in einer kleinen Feierstunde zum Kreises war, sondern mehr als 30 denn jeder der schon einmal beob- aber auch innerhalb der Schieds- Ehrenmitglied zu ernennen. Jahre den Schiedsrichtern des achten konnte, wie aus einem „hoff- richter-Vereinigungen muss „was Kreises Bochum vorstand. nungslosen Fall“ doch noch ein laufen“. Hier sind es besonders die Scheffczik, der viele Jahre die guter Schiedsrichter wurde, weiß, charismatischen Führungspersonen Geschicke der westfälischen Michael Allery und René Kunsle- dass die Schiedsrichter-Ausbildung wie Lehrwarte, Obleute und Spitzen- Schiedsrichter als Mitglied im ben überreichten dem Wahl-Win- in jedem(!) Fall ein Dienst an der Schiedsrichter, die als Vorbilder Verbands-Schiedsrichter-Aus- terberger eine Urkunde und ein Gesellschaft und auch an jedem verstärkt eingebunden werden schuss mitgestaltete, zeigte sich Präsent. Einzelnen ist - selbst bei den müssen, um innerhalb der Schieds- ebenso überrascht wie erfreut. „Schnell-Aufhörern“ wird etwas richter-Gruppen Strukturen zu ent- Mit der Ernennung zum Ehren- Torsten Perschke hängen bleiben in punkto „Ohne wickeln, die verhindern, dass der Regeln geht es nicht!“. Neben Pro- Nachwuchs-Schiedsrichter sich als grammen zur Spitzenförderung, „Einzelkämpfer“ vorkommt. Fahrten Förderkadern und Trainingslagern zu Bundesligaspielen, gesellige Abende, das gemeinsame Beobach- Die Gründe fürs Aufhören ten eines Spiels - alles ist erlaubt. Hauptsache, die neuen Schiedsrich- Familie, Partnerschaft 19% ter entwickeln einen persönlichen Schule, Beruf 17% Bezug zu „ihrer“ Schiedsrichter- Aufgabe befriedigt nicht 14% Vereinigung und werden so moti- Streichung wegen viert, dabei zu bleiben. Die DFB- Versäumnissen 14% Aktion „Faszination Schiedsrichter“

ist sicher ein Schritt in die richtige LEHRBILD Keine sportliche Richtung, weil hier Schiedsrichter Perspektive 5% selbst beschreiben, was sie an Altersgründe 5% ihrem Hobby so ungemein reizt, um Gesundheit 4% damit andere zu überzeugen. Probleme bei der Spielleitung 2% Schwierig wird es allemal, gerade Andere Sportart gewählt 2% bei denjenigen, an denen der Zug Sonstige 8% des Aufstiegs vorbeifährt aus Leis- Nicht bekannt 10% tungs- oder - noch gravierender - aus Altersgründen. Denn Leistung für talentierte Perspektiv-Schieds- kann man steigern, sich jünger richter müssen Modelle für die machen geht nun mal nicht. Das Basis entwickelt werden, die vor weiß auch Heinz Althaus, der zwar allem den Übergang der Jung- die guten(?) alten Zeiten kennt, Schiedsrichter (16 bis 18 Jahre) in aber sie nicht beschwört. Er würde den Seniorenkader interessanter wohlmöglich auch den jungen Vic- und damit stabiler gestalten, denn tor aus Darmstadt später wieder gerade hier sind die Verlustzahlen zur Schiedsrichterei bringen. enorm. Sein Motto macht jedenfalls Mut Das kann durch Patenmodelle oder beim Kampf um mehr Schiedsrich- Ein klares Aufstützen, bei dem aber der Pfiff reicht. Beide den regelmäßigen Einsatz in ter: „Weiter volle Kraft voraus!“ Spieler konzentrieren sich auf den Ball, eine Persönliche Schiedsrichter-Teams passieren, ■ Strafe ist nicht erforderlich.

28 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Faszination Schiedsrichter Wettbewerb: Anzahl der Preise erhöht

Die Sieger werden bei einem Bundesligaspiel geehrt

ie Sieger des Wettbewerbs, der Volker Roth: „Das machen unsere Ddie DFB-Werbeaktion „Faszina- Spitzen-Schiedsrichter sehr gern. tion Schiedsrichter“ begleitet, ste- Keiner von ihnen hat vergessen, hen fest - dürfen hier aber noch dass er es ohne die Hilfe der Basis nicht verraten werden! nie ganz nach oben geschafft hätte. Hier etwas zurückzugeben, ist Die Mitglieder der Arbeitsgruppe selbstverständlich.“ Aber auch alle „Schiedsrichter-Gewinnung und - nicht prämierten Teilnehmer kön- Erhaltung“ haben sich intensiv mit nen sich freuen. Mierswa: „Sie den zum Teil erfreulich ausführ- erhalten als Zeichen der Anerken- lichen Einsendungen der Teilneh- nung ein Dankeschön des DFB und mer befasst. Ex-Bundesliga- des Schiedsrichter-Sponsors DEKRA Schiedsrichter Wolfgang Mierswa, zugesandt.“ der die Gruppe leitet: „Es macht Freude zu sehen, unter welch ver- Wer die Teilnahme an einem Lehr- schiedenen Aspekten aktive gang der Bundesliga-Schiedsrichter Schiedsrichter ihr Hobby betrach- (1. Preis Einzel-Wettbewerb) bezie- ten und wie sie versuchen, die Fas- hungsweise die Fahrt seiner Gruppe zination dieser Tätigkeit zu vermit- zu einem Bundesligaspiel (1. Preis teln. Vor allem bei den vielen aus- Gruppen-Wettbewerb) gewonnen gezeichneten Gruppenbeiträgen fiel hat und wer die weiteren Sieger es uns nicht leicht, Abstufungen zu sind, wird im Rahmen eines Bundes- finden.“ ligaspiels am ersten Spieltag bekannt gegeben. Die DFB-Schieds- Deshalb entschied der DFB-Schieds- richter-Zeitung wird in ihrer nächs- richter-Ausschuss, mehrere zweite ten Ausgabe darüber ausführlich Preise (ein Bundesliga-Schiedsrich- berichten und die besten Beiträge ter kommt zum Lehrabend in die abdrucken. Gruppe) zu vergeben. Vorsitzender ■

Schaut man bei diesem Zweikampf nur auf die Füße, sieht alles fair aus. Erst der Blick auf die Körpermitte offen- bart das fast versteckte Foul des Spielers im LEHRBILD hellblauen Trikot – er hält seinen Gegner an der Hose fest. Ein Assis- tent sollte eine solche Regelwidrigkeit immer anzeigen, denn er muss damit rechnen, dass der Schiedsrichter sie nicht erkennen kann.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 29 Blick in die Presse

Die Logik der Blutgrätsche

Doppelmoral im Fußball: Im Wettkampf unterliegt die Fairness dem Leistungsprinzip

ach FIFA-Angaben haben die sprüchliche Erwartungen verschie- resse des Erfolgs zu verletzen“. gefordert oder gar gewürdigt. NNationalspieler Ballack, Frings dener Normsender zu sein“, sagt Pilz zitiert einen C-Jugend-Aus- Unfaire, also brutale Fouls lehnen und Co. während der WM 2006 ins- Sportwissenschaftler Andreas wahltrainer mit den Worten: „Fair- die Übungsleiter mehrheitlich ab. gesamt 125 Mal gefoult. Das waren Hoffmann von der Universität play wird viel zu hoch gehängt. Ich Foul ist nicht gleich Foul - so lautet fast 18 unfaire Aktionen pro Spiel. Stuttgart. „Einerseits ist es werde dafür bezahlt, erfolgreich zu die Doppelmoral des Fußballs. Psychologen und Sportwissen- geprägt vom so genannten olym- sein und da kann ich keine Rück- 2002 konnte Gabler nachweisen, schaftler erforschen seit Jahren pischen Gedanken mit Ideen der sichten auf Fairplay-Bemühungen dass Fußballer taktische Regelver- das Fairness-Verhalten von Fußbal- Friedenserziehung, Völkerverstän- nehmen.“ Wenn sich Trainer so stöße wie „Notbremsen“, „Schwal- lern. Eine ihrer Erkenntnisse lau- digung und des Fairplays. Anderer- äußern, verwundert es nicht, dass ben“ und Zeitspiel zwar als regel- tet: Der Trainer als Vorbild hat gro- seits provoziert die klassische C-Jugendspieler Sprüche wie diese widrig einstufen, aber nicht als ßen Einfluss darauf, ob seine Spie- Sieg-Niederlage-Kodierung die von sich geben: „Ich werde lieber normverletzend. Die Logik des Fuß- ler bereit sind, gegen Fairness- Norm einer absoluten Erfolgs- unfair Meister als fair Letzter.“ ballers klingt so: Es entspricht Normen - und damit auch gegen orientierung.“ Oder: „Fairness bedeutet nach zwar nicht der Regel, ein Foul zu Gerechtigkeitsprinzipien - zu ver- Möglichkeit, fair zu spielen und begehen, aber der Norm. stoßen. Toleriert der Trainer unfai- Foulen lernen Kinder wenn es sein muss, fair zu foulen.“ res Verhalten seiner Spieler, ver- im Verein Faires Foul - das ist ein Gegensatz „Hau ihn um!“ halten sie sich eher unfair; duldet in sich. Dieser semantische Wider- er es nicht, agieren sie eher regel- Eigentlich sollen Kinder, die Fuß- spruch versinnbildlicht das morali- Wer aber legt diese Norm fest? In gerecht. Von vielen Fußball-Leh- ball im Verein spielen, positive sche Dilemma des Sportlers: Dass einer Fragebogenstudie hat Hoff- rern ist bekannt, dass sie ihre Werte wie Fairness und Respekt er beides zugleich sein soll, näm- mann vor kurzem 547 Jungfußbal- Spieler auffordern, den Gegner vor dem Gegner vermittelt bekom- lich fair und erfolgreich, beides ler folgendes Szenario beurteilen hart anzugehen. Ein bekannter men. Gleichzeitig sollen sie erfolg- aber nicht gleichzeitig einlösen lassen: „Bei einem Fußballspiel Bundesliga-Trainer sagte über reich sein. Und diese beiden Nor- kann. rennt ein Gegner eine Minute vor seine Spieler: „Der Charakter der men sind nun mal nicht in Einklang Spielende auf euer Tor zu, wo er Mannschaft ist gut, aber er ist auf zu bringen, wie eine Studie des Wie Untersuchungen belegen, eine sehr gute Schussposition dem Platz nicht schmutzig genug. Sportwissenschaftlers Gunter Pilz unterscheiden Trainer und Spieler erreicht. Du befindest dich hinter Da muss man den Gegner auch Mal von der Universität Hannover zwischen „fairen“ und „unfairen“ ihm und kannst ihn nur durch ein verbal attackieren, ihn provozie- schon vor Jahren belegt hat. Pilz Fouls. Faire Fouls sind taktisch Foul stoppen.“ Die Frage lautete, ren, ihn beschimpfen.“ hatte 1.000 Fußballer zwischen 12 motiviert und werden von Trainern unter welchen Bedingungen die und 14 Jahren zu ihrem Fairness- Man kann solche Kraftmeier-Sprü- Verständnis befragt. Dabei zeigte che amüsant finden. Die pädagogi- sich, dass die Bereitschaft der jun- sche Botschaft dahinter lautet gen Sportler, ein absichtliches Foul jedoch: Entdecke den Materazzi in zu begehen, mit der Dauer der Ver- dir. Zeige, dass du ein Eisenfuß einsmitgliedschaft zusammenhing. bist. Solche Sprüche sind Fußball- Je länger jemand im Verein kickte, Folklore - und zugleich geben sie desto eher war er bereit, unfair zu den Blick frei auf das grundlegende spielen. Zu einer ähnlichen Er- Dilemma des Fußballsports. Nir- kenntnis gelangte der Sportpsy- gendwo sonst stehen sich nämlich chologe Hartmut Gabler, der zwei konkurrierende Normen so gleichfalls 1.000 Jugendliche unversöhnlich gegenüber wie auf befragte. Je größer der Wett- dem Fußballplatz. Leistungs-Norm kampfcharakter des Fußballs, so und Fairness-Norm ringen mitein- Gabler, desto irrelevanter werden ander. Doch egal was passiert, am Fragen der Fairness. Ende gewinnt stets die Leistungs- norm. So unfair kann Fußball-Ethik Von Fairness und Respekt fehlt sein. irgendwann jede Spur. Nach Ansicht von Pilz lernen junge Fuß- „Das weite Feld des Sports scheint baller, „dass es akzeptabel, ja Bei den Großen abgeschaut? Auch die Jüngsten können geradezu prototypisch für wider- sogar geboten ist, Regeln im Inte- schon ordentlich hinlangen

30 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 Blick in die Presse LEHRBILD Nachwuchs-Spieler bereit waren, zu foulen? Fast acht von zehn Jugendlichen würden foulen, wenn ihre Mannschaft abstiegsbedroht wäre. In einem Freundschaftsspiel würden 22 Prozent foulen.

42 Prozent der Kinder geben sogar an, dass sie unter den Augen ihrer Eltern foulen würden. Sitzen Papa und Mama im Stadion, langt der Sprössling gerne mal hin. Selbst aggressive Zuschauersprüche wie „Hau ihn um!“ stacheln Jugendli- che nicht so stark zu unfairem Ver- halten an wie die Präsenz der Eltern. Unter deren Blicken möch- ten Kinder offenbar unbedingt als erfolgreich dastehen. Welcher Vater würde sich brüsten, dass sein Sohn der fairste E-Jugend- spieler des Vereins ist? Es greift Auf den ersten Blick drückt der rechte Spieler seinen Gegner nach unten, sein folglich zu kurz, den Trainer allein rechter Ellenbogen ist gefährlich nahe am Kopf - allerdings in einer normalen Hal- für das unfaire Verhalten junger tung. Der zweite Blick lässt auch den Schluss zu, dass der Spieler im orangefarbe- Sportler verantwortlich zu nen Trikot die Nr. 22 am Weiterlaufen hindern wollte. Schwierig zu entscheiden, machen. der Schiedsrichter muss den gesamten Bewegungsablauf sehr gut beobachten.

Denn einen Grund für fehlende Fairness gibt es nicht. Mario Herr- gegeben hat - und ARD-Kommenta- scheiden sich millionenschwere mann, Claudia Dalbert und Oliver tor Steffen Simon, vermutlich der Profispieler und Profi-Kommenta- Stoll von der Universität Halle lie- einzige Nicht-Schiedsrichter in die- toren nicht von der Mehrzahl der ßen 117 Fußballspieler aus 14 Verei- ser Runde. Das ist, trotz der illus- Amateure auf dem Platz und vor nen einen Fragebogen ausfüllen. Abseitsfalle tren Umgebung, ein harter Schlag dem Fernseher. Das gilt allemal für Darin fanden sich Aussagen wie: für uns Ersatz-Bundestrainer und selten gebrauchte Regeln wie die „In der letzten Saison habe ich Fußballerisch befanden sie sich Sowieso-Besserwisser. Der zweite aus dem Holland-Spiel, aber beilei- versteckte Fouls begangen“, „In vermutlich in bester Gesellschaft. schon in dieser Saison - den ersten be nicht nur. Man frage mal auf entscheidenden Situationen bin Bundestrainer Jogi Löw, der ehe- versetzte uns der Bochumer einem x-beliebigen Fußballplatz ich bereit, ein Foul zu begehen“. malige Nationalspieler Günter Net- Azaouagh, als er gegen Frankfurt unter Zuschauern oder auch Spie- Gleichzeitig wurde erfasst, ob sich zer, der niederländische Torjäger einen Ball ins Tor schoss, während lern nach, wann und warum es bei Spieler von Trainern und Schieds- Ruud van Nistelrooy, eine komplette die Eintracht noch an ihrer einem Handspiel im Strafraum Elf- richtern gerecht behandelt fühlen. italienische Nationalelf, meine Abwehrmauer bastelte. Das war meter gibt - und wann nicht. Eine Dabei zeigte sich, dass jene Spieler Kumpels und ich - keiner hatte je wider Erwarten auch erlaubt. Szene, die in jeder zweiten Partie besonders oft gegen Fairnessre- von der Regel gehört, ein Spieler entschieden werden muss! geln verstießen, die Schiedsrichter außerhalb des Spielfelds beeinflusse Daraus lernen wir - und unsere als ungerecht empfanden. Fairen die Abseitsregel. Das tut er aber. bekannteren Brüder in Unwissen- Und nun? Gelobt seien die Herren Fußball gibt es also nur, wenn der heit -, dass sich unglaublich viele Fröjdfeldt und Simon; und für uns Referee als fair erlebt wird. Klar, Wer das wusste: DFB-Schiedsrich- Menschen mit dem ach so einfa- andere heißt es: Regeln pauken. dass am Ende der Mann mit der ter-Lehrwart Eugen Strigel etwa, chen Fußballsport in unterschied- Am Ende der EM wird abgefragt! Pfeife schuld ist. oder der schwedische Fifa-Referee lichster Intensität beschäftigen Peter Fröjdfeldt, der das erste Tor und alle eint ein gründliches Halb- Nikolas Westerhoff der Niederländer gegen Italien wissen in Regelkunde. Darin unter- Arnd Festerling

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 31 Blick in die Presse Aus den Verbänden

Schleswig- 74.000 Zuschauern im bayerischen Holstein Bundesliga-Schlager zwischen dem FC Bayern München und dem Schiedsrichter 1. FC Nürnberg, als er als Linien- Trauer um Oskar Schwantes richter ein vermeintlich umstritte- nes Tor für die Bayern durch Sören im Laufschritt Die schleswig-holsteinische Lerby dem damaligen Schiedsrich- Schiedsrichter-Gemeinschaft trau- ter Rainer Jupe aus Mühltal (Darm- ert um Oskar Schwantes (TuRa Mel- stadt) signalisierte. dorf), der im Alter von 73 Jahren nach schwerer Krankheit verstor- Begonnen hat die Schiedsrichter- Eines wird jedem klar, der sich an Drei inzwischen auch Spaß an ganz ben ist. Tätigkeit von Kurt Kost in weit der Fußball-Europameisterschaft besonderen Fitness-Tests gefun- ruhigeren Gewässern: Nach seiner erfreut: Auch die Schiedsrichter den. Schwantes, seit 1964 Schiedsrich- Karriere als Fußballspieler legte er müssen immer mehr und immer ter, leitete während seiner aktiven 1958 erfolgreich die Schiedsrich- schneller rennen und sprinten kön- So standen sie beim Buchholzer Laufbahn Spiele bis hin zur Ver- ter-Prüfung ab. Nun begann ein nen. Der Deutsche Fußball-Bund Stadtlauf als Team „Referees and bandsliga und war als Linienrich- recht flotter Aufstieg, der Kurt hat deshalb für seine Spitzenkräfte Friends“ am Start des Halbmara- ter bis zur Regionalliga im Einsatz. Kost schon 1966 in die Bezirksliga mit der Pfeife einen Test ausge- thons, wo allerdings jeder für sich Bis zum vergangenen Jahr wurde führte. Schon drei Jahre später schrieben: 150 Meter rennen in 30 lief. Sascha Thielert hatte dafür er noch regelmäßig als Schieds- pfiff er sein erstes Gruppenliga- Sekunden und dann 50 Meter eine Stunde und 57 Minuten benö- richter in der Kreisliga des KFV Spiel. 1973 der erste Höhepunkt gehen in 35 Sekunden. Das klingt tigt. „Beim Hamburg-Marathon Dithmarschen angesetzt und kam seiner Schiedsrichter-Laufbahn: harmlos und müsste noch von haben wir die ersten 20 Kilometer in seiner Karriere auf über 1.500 der Aufstieg in die Oberliga Hes- jedem fitten Rentner zu schaffen gemeinsam gekämpft, dann ist Spielleitungen. sen. sein. Die deutsche Schiedsrichter- jeder in seinem eigenen Tempo Elite muss das jedoch 20 Mal weiter gelaufen.“ Darüber hinaus widmete sich hintereinander schaffen. Oskar Schwantes seinen Tätigkei- Allein die Linienrichter müssen bei ten als Kreis-Schiedsrichter-Lehr- „Und schon nach dem sechsten Profispielen bis zu acht Kilometer wart von 1967 bis 1980 im KFV Dith- oder siebten Mal spürst du, wie die an der Außenlinie ihrer Spielhälfte marschen und von 1979 bis 1990 Beine schwerer und die Atemstöße auf- und abrennen. „Der Schieds- als Verbands-Schiedsrichter-Lehr- hastiger werden“, sagt Sascha richter wird die doppelte Kilome- wart im Schleswig-Holsteinischen Thielert, der Spitzenmann von terzahl zurücklegen müssen“, Fußballverband. Von 1989 bis zu Buchholz 08, der gerade einen ent- rechnet Sascha Thielert hoch. Der seinem Tod war Schwantes scheidenden Karriere-Sprung einzelne Profifußballer kommt Schiedsrichter-Ansetzer in den macht. inzwischen auf rund zehn Kilome- Verbandsklassen des SHFV. Außer- ter während der 90 Minuten. dem war er über viele Jahre Beob- Sascha Thielert war 19 Jahre alt, achter in der Oberliga und Ver- Kurt Kost hat viele Erinnerun- als er die ersten Spiele in der Ver- Wie die Profis wird auch Sascha bandsliga und gab dort seine gen an große Fußballspiele. bandsliga, damals die höchste Thielert in den nächsten Wochen Erfahrung an junge Schiedsrichter Hamburger Amateurklasse, leitete. mit seinem Trainingsprogramm für weiter. Der Einstieg ins Profigeschäft Jetzt, mit 28 Jahren, hat er die die 2. Bundesliga beginnen. begann an der Seitenlinie beim vorletzte Sprosse erklommen. Ab Strecken von acht oder zehn Kilo- Der passionierte Langstreckenläu- Spiel der damaligen 2. Liga Süd, der neuen Saison wird der kauf- meter rennt er dabei öfter mit sei- fer wurde aufgrund seiner Verdiens- Spvgg. Fürth gegen den SC Frei- männische Angestellte die Profis nem Buchholzer Kollegen Matthias te mit der Silbernen und Goldenen burg im August 1978. 1980 erhielt in der 2. Bundesliga mit seiner Anklam zusammen. „Dazu kommt SHFV-Schiedsrichter-Ehrennadel, Kurt Kost den ersten Einsatz als Pfeife zähmen. das Schnelligkeits- und Sprint-Trai- der Silbernen und Goldenen Ehren- Linienrichter beim Bundesligaspiel ning und was sonst dazu gehört“, nadel des SHFV sowie der DFB-Ver- zwischen dem 1. FC Köln und Diesen Aufstieg wiederum hat sagt er. Denn zum eingangs dienstnadel ausgezeichnet. Borussia Dortmund, das unter der Sascha Thielert dem zweiten Top- beschriebenen Fitnesstest können Leitung von Werner Roß aus Ingol- Pfeifenmann aus Buchholz zu ver- die Bundesliga-Schiedsrichter Jan Kohlmann stadt stand. Nach Linienrichter- danken. Matthias Anklam ist inzwi- ganz plötzlich berufen werden. Einsätzen bei Norbert Brückner schen 39 Jahre alt und leitete zehn „Wer die geforderten Zeiten einmal (Darmstadt), Winfried Walz (Waib- Jahre lang Spiele in der 2. Bundes- nicht schafft, darf die Fitness-Prü- Hessen lingen) oder Jürgen Meßmer liga. Jetzt hat er für seinen Freund fung wiederholen“, bestätigt Thie- (Mannheim), kam Kurt Kost 1983 Sascha Thielert seinen Platz ge- lert. „Wer das zweite Mal durch- auf die Liste der Unparteiischen räumt und sich aus dem Bundesli- fällt, fliegt aus der Bundesliga.“ 50 Jahre Schiedsrichter für die 2. Bundesliga. Ein weiterer ga-Betrieb verabschiedet. Zusam- Höhepunkt war der internationale men sind die beiden wiederum Peter Hansaul Richtig bekannt wurde der Wetter- Einsatz beim Europacup-Spiel zwi- auch in der Bundesliga aktiv, als auer Schiedsrichter Kurt Kost am schen dem FC Watford gegen Spar- Linienrichter von 21. September 1985 im ausverkauf- ta Prag an der Seitenlinie von FIFA- aus Bremen. Gemeinsam haben die ■ ten Münchner Olympiastadion vor Schiedsrichter .

32 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 +++ Ein Muss für jeden Fußballfan +++

Ab sofort überall im Buchhandel erhältlich! Unsere Jungs – 100 Jahre Länderspiele: Tore, Titel, Triumphe

Und noch viel mehr: unvergessene Spiele, Stars und Legenden – namhafte deutsche Sport- journalisten erzählen aus ihrer persönlichen Perspektive über 100 Jahre deutsche Länderspiele. »Unsere Jungs: 100 Jahre deutsche Länderspiele – Tore, Titel, Triumphe« ist das Buch für alle Fußballfans, die alles wissen wollen zum großen Jubiläum der Nationalmannschaft. Preis: 29,95¤ | 200 Innenseiten, Hardcover mit Schutzumschlag | ISBN: 978-3-577-14703-3

© 2008, DFB Lizenz durch m4e AG, Grünwald © medienfabrik Gütersloh GmbH, Gütersloh 2008 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008 33 Während seiner bisherigen So kann der Austausch pünktlich Schiedsrichter-Aktivitäten war zur neuen Saison starten: Pro Sai- Kurt Kost 18 Jahre Schiedsrichter- son werden künftig zehn Spiele Lehrwart der Vereinigung Fried- der Rheinlandliga mit einem berg. Dabei bildete er rund 650 Schiedsrichter-Team aus Luxem- Neulinge aus. Kurt Kost stellt sich burg besetzt, Schiedsrichter aus seit 1987 als Schiedsrichter-Beob- dem Rheinland werden bei zehn LEHRBILD achter zur Verfügung und begut- Spielen in der Ehrenpromotion, der achtete zwischenzeitlich die statt- Zweiten Luxemburgischen Liga, liche Zahl von rund 600 Unparteii- zum Einsatz kommen. „An der schen. ersten Resonanz unserer Schieds- richter haben wir gemerkt, dass Rainer Jupe das Interesse sehr groß ist, einmal in einem anderen Land als Schiedsrichter tätig zu sein“, sagt Rheinland Erich Schneider. Auf Luxemburger Seite ist man bereits routiniert, was den Schiedsrichter-Austausch „Fußball kennt keine Grenzen“ mit den Nachbarländern betrifft: Man tauscht bisher bereits Für die neue Saison haben die Schiedsrichter mit Frankreich, Bel- Schiedsrichter-Ausschüsse des FV gien und dem Saarland aus. „Ins- Rheinland und des Luxemburgi- gesamt gesehen gibt es nur positive schen Verbandes einen Austausch Erfahrungen und zwar mit allen ihrer Unparteiischen beschlossen. Verbänden“, sagt Charles Schaack. „Fußball kennt keine Grenzen, auch „In all den Jahren gab es sehr wenn die Spielstärke sowie Spiel- wenige Probleme, die Leistungen Ein eindeutiges Halten. Der linke Spieler setzt beide Arme kultur der einzelnen Ligen unter- der Schiedsrichter aus den einzel- ein, um seinen Gegner zu stoppen. Wenn es sich auch schiedlich sind“, sagt Charles nen Verbänden waren insgesamt noch um ein taktisches Foul handelt, ist „Gelb“ zwingend. Schaack, in Luxemburg der verant- mit gut, meist mit sehr gut zu wortliche Mann für das Schieds- bezeichnen.“ Einmal pro Jahr tref- richter-Wesen. fen sich die Luxemburger immer Für alle Beteiligten soll die interna- ren Spielkulturen regt die Anpas- mit Vertretern der Nachbarverbän- tionale Zusammenarbeit positive sungsfähigkeit an. Das sind wichtige Die Idee zu dem Austausch ent- de, wobei auftretende Probleme Erträge bringen: „Die Möglichkeit, Faktoren, die dazu beitragen, die stand am Rande einer Tagung, auf organisatorischer oder praktischer in einem anderen Verband einge- Persönlichkeit des jeweiligen der sich Schaack und der rheinlän- Natur besprochen und gelöst wer- setzt zu werden, wird die Schieds- Schiedsrichters reifen zu lassen.“ dische Obmann Erich Schneider den. So nahm bereits Ende Mai richter zusätzlich motivieren, was trafen. Um den Austausch in die eine Luxemburger Delegation am in jeder Hinsicht nur leistungsför- David Bittner Realität umzusetzen, war zunächst Rheinlandliga-Lehrgang in Koblenz dernd sein kann“, sagt Charles die Zustimmung des FVR-Präsidi- teil, eine deutsche Delegation wird Schaack. „Mit der Zahl der im Aus- Bildnachweis ums sowie des DFB notwendig. im Sommer beim Lehrgang der land geleiteten Spiele steigt das AFP, AP, ddp, dpa, firo/Augen- Beide haben inzwischen grünes luxemburgischen Schiedsrichter Selbstvertrauen der einzelnen klick, Imago, Imhof, Keystone, Licht gegeben. dabei sein. Spielleiter, die Erfahrung mit ande- Picture Point

Herausgeber: Deutscher Fußball-Bund e.V., Frankfurt am Main Redaktion: Klaus Koltzenburg, DFB-Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Lutz Lüttig, Berlin Gestaltung, Satz und Druck: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 71 (Leonardo) Anzeigenleitung: kuper-druck gmbh, Franz Schönen Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2002 gültig. Erscheinungsweise: zweimonatlich. Abonnementpreis: Jahresabonnementpreis 15,– €. Lieferung ins Ausland oder per Streifband auf Anfrage. Abonnementskündigungen sind sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Zeitraums dem Abonnement-Vertrieb bekannt zu geben. Zuschriften, soweit sie die Redaktion betreffen, sind an den Deutschen Fußball-Bund e.V., Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt am Main, zu richten. Vertrieb: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, ISDN 0 24 03 - 94 99 70 PC, 0 24 03 - 94 99 71 MAC Nachdruck oder anderweitige Verwendung der Texte und Bilder – auch auszugsweise und in elektronischen Systemen nur mit schriftlicher Genehmigung und Urhebervermerk. IMPRESSUM

34 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2008