Bergsteigen Unter Echt-Bedingungen
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DAV Panorama 5/2009 Schwierigkeitsgrad II? Sportkletterer mögen lächeln über diese Zahl, doch im Gebirge fordert sie umfassend Andi Dick Foto: kompetente Bergsteiger. Jenseits gebahnter Wege finden diese ein schier unendliches Potenzial für Bergerleb- nisse „back to the roots“, die als Gegenpol zum Event-Tourismus eine Renaissance erleben könnten. Von Andi Dick „Alpinwandern“ und der Zweite Grad Bergsteigen unter Echt-Bedingungen s riecht nach Schwefel. Der In Kletterhallen wird man vergeb- Nun scheint dieser riskanten Berg- Stein, den ich gerade noch als lich nach Routen des Zweiten oder Ers- sport-Disziplin eine Wiederbelebung Griff benutzt habe, verschwin- ten Grades suchen. Leichter als Vier zu blühen. Zumindest findet sie An- Edet polternd in der Tiefe. Die Drei- ist dort kaum etwas zu haben. Doch wälte. Im AV-Jahrbuch „Berg 2009“ punkt-Klettertechnik bewährt sich – dürfte jeder typische Hallenkletterer hält Dennis Cramer ein Plädoyer und bewahrt mich vor dem unfrei- in einer alpinen Tour des Zweiten für den „vergessenen zweiten Grad“ willigen Schnellabstieg. Konzentriert Grades heillos überfordert sein. Denn als „Unabhängigkeitserklärung an bringe ich die letzten Meter des Steil- Seilsicherung ist hier Menschen und Geräte“; abbruchs hinter mich und steige wei- weitgehend illusorisch, Intensiv erleben in wil- in Heft 6/09 der „Al- ter, vom Mottone zum Pizzo di Claro Haken sucht man meist der Natur – der Schlüssel pen“, der Zeitschrift des im Tessin. Schwierigkeitsgrad II: Das vergebens, die Quali- zum Genuss liegt Schweizer Alpenclubs, bedeutet echtes Bergsteigen. Einen tät des Gesteins ist nicht in Können, Erfahrung schwärmt Marco Volken ganzen Herbsttag lang balanciere ich immer vorbildlich, da- und Selbsteinschätzung. über „Die neuen ‚erfah- auf luftigen Graten über der Gotthard- für gibt es reichlich Gras renen Bergwanderer‘“, autobahn, schlendere über Grasfirs- und Rollsplittbelag – dynamisch-ex- die sich von der Leidenschaft des te, steige zerborstene Felsstufen hi- plosives Klettern aus eingedrehter Po- „Alpinwanderns“ inspirieren lassen. nauf und hinunter, greife rauen Gra- sition ist nicht wirklich angesagt. Eher Der Begriff ist gut gewählt, denn auf nit oder kerbe den Sohlenrand auf der sanfte Kriechgang der Altvorde- solchen alpinen Routen sind kom- Verflachungen in grasigen Schrofen – ren. Und statt ruppigem Reißen am plexe bergsteigerische Fähigkeiten umweht vom Duft von Freiheit und Klettersteig-Drahtseil katzengleich gefragt, die über klassisches Wan- Abenteuer. elegante Gesamtkörperbewegung. dern hinausgehen; aber „echtes“ Klet- 18 DAV Panorama 5/2009 Bergsport heute ANZEIGE tern oder „echte“ Hochtouren sind sie neuen AV-Führers „Berchtesgadener eben auch nicht. Alpen alpin“. Auch er stellte fest, dass Mit der UIAA-Skala für Kletter- im Land von Watzmann und Hochkal- Kathmandu, und du? schwierigkeiten, von I über II bis XI, ter viele Berggänger die kleinen, ver- lassen sich ihre Anforderungen al- borgenen, anspruchsvollen Pfade lie- so nicht korrekt erfassen, denn soli- ben – dass aber für sie die 2005 defi- der Fels ist dort oft rar gesät. Auch die nierte DAV-Bergwegeklassifizierung Schweizer „Alpenskala“ für Hochtou- zu wenig differenziert. So entsprechen ren, deren erste zwei Stufen „leicht“ bei ihm die DAV-Kategorien Gelb (un- und „wenig schwierig“ leichte Klette- schwierige Talwege), Blau (leichte Tal- rei wie etwa am Mönch oder Finsteraar- oder Bergwege) und Rot (anspruchs- horn abdecken, passen nicht exakt, weil volle Bergwege) den Ziffern W1 bis bei Hochtouren Schwierigkeiten in Eis W3, die Kategorie Schwarz (schwie- Nepal für jeden. Jetzt buchen. und Firn dazukommen können. Folg- rige Bergwege) unterteilt er in W4 bis lich differenzieren die Eidgenossen mit W6, um die steigenden Kletter- und Schweizer Präzision ihre Schwierig- Klettersteigschwierigkeiten markierter steigpassagen). Wichtige Informati- AZ_summit_1214_Nepal_F.indd 1 08.06.2009 8:59:31 Uhr keitsskala für Bergwanderungen: Statt Wanderwege klarzustellen. So ist et- onen, die aus der Beschilderung nicht der bis vor wenigen Jahren gebräuch- wa der Rinnkendlsteig von St. Bar- hervorgehen. lichen Steigerung „Bergwanderer – Er- tholomä nach Kühroint W4 (häufige, Doch dieser Vorschlag wird nicht fahrener Bergwanderer – Berggänger“ aber noch relativ einfache Kletterstel- von heute auf morgen in jedem Füh- gelten nun die Klassen T1 bis T6 (und len), die Watzmannüberschreitung rer und mit jedem Wegweiser umge- die schweren „Alpinwanderwege“ sind W5 (längere Kletterstellen im I. Grad setzt werden. Erst recht jenseits mar- mit weißblauen statt roten Farbkleck- und schwierige Klettersteigpassagen) kierter Wege, wo das echte alpine sen markiert). und der Hochkalteranstieg über den Abenteuer lockt, wird man noch lan- Diesen Ansatz hat Bernhard Kühn- Schönen Fleck W6 (Kletterei bis zum ge auf sehr ungefähre Angaben an- hauser aufgegriffen, der Autor des II. Grad oder sehr schwierige Kletter- gewiesen bleiben. Und wo die greif- baren Führerwerke lapidar Schwie- rigkeiten von I oder II ausweisen, wird man sich oft in Gelände finden wie Hermann von Barth 1870 am La- liderer Falk: „Dort sah’s schlimm ge- nug aus; ein paar schmale Grasbänder Touren für Könner und Kenner laufen quer durch die Felsen, von ih- Ein paar Tourenvorschläge aus den Nördlichen Kalkalpen. Vorsicht: hochalpines Gelände, rem Rande weg stürzt die Steilwand praktisch ohne Sicherungsmöglichkeiten. Nur für absolut trittsichere Bergsteiger mit umfas- hinunter – wo Wiese, Wald und Bach sender Erfahrung, Kondition und Orientierungsfähigkeit. des Thals in unermesslicher Tiefe ver- schwimmen.“ Die Mittlere Reife (markierte Wege mit leichter Kletterei) Das ist der Moment, wo man das n Parseier Spitze, Normalweg (II) – Augsburger Höhenweg (Lechtaler) Herz in die Hände nehmen muss und n Ehrwalder Sonnenspitze, Überschreitung S-N (I, Stellen II, Mieminger) die Augen in die Füße, wo „Trittsi- n Nuaracher Höhenweg – Nackter-Hund-Klettersteig (I, Loferer) cherheit und Schwindelfreiheit“ ge- n Saalfeldener Höhenweg – Persailhorn – Mitterhorn – Weißbachlscharte (I-II, Berchtesgadener) fragt sind und langfristig erworbene Erfahrung, Bewegungstechnik und Die Hohe Schule (unmarkierte Routen, noch relativ häufig begangen) Orientierungsfähigkeit – der Moment, n Kleiner Waxenstein von Norden (II, Abstieg 20-m-Abseilstelle) – Großer Waxenstein der keine Drahtseil-Installation und (Wetterstein) keinen Flying Fox braucht, um „na- n Arnspitzen-Überschreitung (II, Varianten bis III, Karwendel) tural highs“, intensive Gefühle, zu er- n Scheffauer – Hackenköpfe – Sonneck (I-II, Wilder Kaiser) zeugen. Souverän durch Schrofen und leichten Fels: Das ist kein Viertausen- Die Meisterprüfung (Fels in der Wildnis) der oder Siebener, mit dem man am n Frieder – Kreuzspitze (II, Ammergauer) Hüttentisch punkten kann. Aber es ist n Innsbrucker Klettersteig – Brandjoch – Solsteine (bis III-) – Solsteinhaus – Erlspitze – der Schlüssel zu einem einsamen, in- Kuhljochspitze (II) – Freiungen-Höhenweg (2 Tage; Karwendel) tensiven Berg-Erleben wie vor hun- n Tiefkarspitze – Nördliche Karwendelspitze (II, Stelle III, Karwendel)0 dertfünfzig Jahren – und die Tür öff- net sich zu einem unermesslichen Re- vier voller Möglichkeiten. o 19 DAV Panorama 5/2009 Kletter-WM 2009 in China Irgendwie findet sich doch eine Lösung Als Delegierter des Inter- Zehnmeterstrecke fallen die nationalen Sportkletterver- ersten Entscheidungen, Chi- bands IFSC fuhr Wolfgang na dominiert. Im Athleten- Wabel zur Kletter-WM nach dorf nehmen die Magen- Xining. Ein Blick hinter die Wabel Wolfgang Foto: Darm-Probleme zu – chine- Kulissen. sisch essen im Hinterland ist Risikosport. Krisensitzung 25. Juni: Beijing Interna- bis spät in die Nacht, ein tional Airport, nach Regen Maßnahmenplan wird verab- und zwölf Grad im „som- schiedet. Die Organisatoren merlichen“ München ereilt nehmen die Sache ernst, „yes mich der Hitzeschock in Chi- we do“. nas Hauptstadt. Doch die In- 2. Juli: Die Situation ent- frarotkameras stellen keine spannt sich langsam, Sport- verdächtige Körpertempe- kletter-Qualifikation. Sehr raturerhöhung fest, also ha- guter Ablauf. be ich wohl keine Schweine- 3. Juli: Kein wirkli- grippe und darf ins Land der cher Ruhetag: Demons- Kletter-WM 2009 einreisen. Der Team-Speed-Wettbewerb hatte versuchsweise trationswettkämpfe im Bei 37 Grad Außentempera- Premiere und entfachte Begeisterungsstürme. Team-Speed (Dreier- tur stellen sich die Symptome teams) und Dyno (so der neuen Grippe automa- Sieger der WM in Xining von 30.6. bis 5.7. hoch wie möglich sprin- tisch ein … Ich bin im Auf- gen). Das Team-Speed ist äu- Damen Herren trag des Internationalen Klet- ßerst spannend und spek- Lead Johanna Ernst (AUT) Patxi Usobiaga (ESP) terverbands IFSC auf dem takulär, das wird sicherlich Bouldern Julia Abramchouk (RUS) Alexey Rubtsov (RUS) Weg nach Xining: in eine bald offizielle Disziplin. Test Speed 15 m Cuilian He (CHN) Quixin Zhong (CHN) Stadt, die niemand kennt, die des Dyno wegen technischer Speed 10 m Cuilian He (CHN) Quixin Zhong (CHN) aber trotzdem zwei Millio- Probleme nicht geglückt. nen Einwohner hat. 4. Juli: Erster Halbfinal- Sieger der World Games in Kaohsiung am 18./19.7. 26. Juni: Weiterflug nach und Finaltag. Bouldern Her- Xining nach abenteuerlicher Damen Herren ren, Sportklettern Frauen und Fahrt zum Flughafen. Chinas Lead Maja Vidmar (SLO) Sacchi Amma (JPN) Speed 15 Meter Frauen. Russ- Autofahrer haben den Füh- Speed Cuilian He (CHN) Quixin Zhong (CHN) land, Österreich und China rerschein im Schnitt nicht holen Gold. Teilweise bis zu Komplette