Die Beischriften Des Peter Paul Rubens
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Die Beischriften des Peter Paul Rubens Überlegungen zu handschriftlichen Vermerken auf Zeichnungen Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie des Fachbereichs Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg vorgelegt von Veronika Kopecky aus Wien Hamburg und London 2008 / 2012 1. Gutachter: Prof. Dr. Martin Warnke 2. Gutachter: Prof. Dr. Charlotte Schoell-Glass Datum der Disputation: 16. April 2008 Tag des Vollzugs der Promotion: 02. Juli 2008 Textband Vorwort 2 Danksagung 6 Einleitung 8 Die Unterschrift 11 Signatur und Fälschung, Zuschreibung und Bewertung 11 Der Adressat der Beischrift I. Die Auftragszeichnung 14 Inschriften und Inschriftenträger 15 Form. Von der Vorgabe zur Zeichnung, von der Zeichnung zum Werk 18 Farb- und Materialangaben, Maße und Gewichte 19 Der Adressat der Beischrift II. Anleitungen für ausführende Künstler 22 Inhalt. Die Erweiterung des Sichtbaren 24 Der Adressat der Beischrift III. Der künstlerische Monolog 25 Identifikation und Titel 26 Ort und Zeit 31 Das Zitat. Inhalt, Interpretation und Stimmung 33 Zusammenhanglose und unleserliche Beischriften 35 Die Beischrift bei Rubens 38 Die Zeichnung in Rubens’ Werkstatt 39 Erudizione ed eloquenza 41 Rubens’ Handschrift 48 Sprachhierarchie und Höflichkeit 49 Die Signatur des Rubens 55 Zuschreibungen 57 Der Adressat der Beischrift I. Die Auftragszeichnung 58 Inschriften 59 Formales bei Rubens. Farbe, Material und Größe 64 Kopien nach der Antike. Vom Antiquarius zum Archäologen 69 Nützliches und Wesentliches. Der Adressat der Beischrift II. Anleitungen und Hinweise 73 Der kürzeste Weg von der Idee zum Werk. Die erläuternde Beischrift 78 Identifikationen 78 Beschreibungen des Inhalts 81 Vorausblick und Auswahlmöglichkeiten 82 Veränderungen und Ergänzungen 86 Das Literaturzitat 93 Offene Fragen. Unleserliche und zusammenhanglose Beischriften 102 Endnoten 107 Vorwort Zeichnen und Malen sind kreative Prozesse, die mit einer Idee beginnen und für deren Ausführung es der Hand bedarf. Viele malende Künstler bedienten und bedienen sich der Zeichnung, um diesen Ideen Ausdruck zu verleihen. Die Wertschätzung der Zeichnung als selbständiges Kunstwerk ist für den heutigen Museumsbesucher keine grosse Besonderheit. Die Nähe und Unmittelbarkeit, die wir ihnen zuschreiben, als sähen wir dem Künstler beim Arbeiten über die Schulter, ist längst ein Topos der Kunstbetrachtung. Zu dieser Ansicht sind wir durch Blätter gelangt, die nicht mehr makelfreie Schaublätter sind, sondern pentimenti – Fehler – aufweisen. Der Meister ließ sie stehen, obwohl er die Skizze als gelungen erachtete. Über viele Jahre hinweg haben wir gelernt, in diesen unfertigen Versuchen und verworrenen Anläufen die Suche nach der Lösung zu erkennen, die als Vorlage für ein Gemälde dienen konnte. Diese Zeichnungen repräsentieren den mit der Hand ausgeführten Denkprozess des Malers. Wer schon einmal von der Gelegenheit Gebrauch gemacht hat, die Handzeichnungen verschiedener Künstler in einem Kupferstichkabinett zu studieren, dem wird eventuell aufgefallen sein, dass viele Zeichnungen ein gemeinsames Merkmal aufweisen. Sie tragen Beschriftungen, und im Fachjargon werden diese handschriftlichen Anmerkungen und Notizen Beischriften genannt. Sie beschreiben und schreiben zu, erläutern und heben hervor, erinnern und unterstützen, benennen und belehren, legen dar und führen Beweis, weisen an, verändern oder streichen. Aus dem soeben Gesagten wird vielleicht deutlich, dass Beischriften sowohl glossieren als auch etwas festhalten können, was die Zeichnung noch nicht wiedergibt oder im ausgeführten Werk nicht mehr zu finden sein wird. Sie sind dann Stellvertreter für eine nicht stattgefundene zeichnerische Handlung und übernehmen die Aufgabe der Überarbeitung oder Retusche. Beischriften gehören also zur Entwurfsphase. Diese Anmerkungen sind für uns interessant, weil sie mit dem fertigen Kunstwerk in Beziehung stehen und in ihnen die Gedanken des Künstlers zum Zeitpunkt des Erfindens lebendig werden. Das hier vorgelegte Buch handelt von solchen Zeichnungen und ihren Kommentaren als Vorbereitung auf das Kunstwerk. Betrachtet man die Gesamtheit der erhaltenen Zeichnungen, so ist eine Beischrift von der Hand des Zeichners eher die Ausnahme. Ganz gleich aber um wessen Handschrift es sich handelt, der Vermerk lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters und beeinflusst seine Seherfahrung und Gedanken. Die Beischrift ist Teil des Werkes, seiner Interpretation und seiner Geschichte. 2 Die hier abgedruckten Seiten begannen im Jahr 2002 als Dissertation am Kunsthistorischen Seminar (Department Kulturgschichte und Kulturkunde) der Universität Hamburg, die im Frühjahr 2008 zum Abschluss kam. Seither habe ich einige Umstellungen vorgenommen, den Fußnotenapparat abgespeckt und in Endnoten verwandelt, um hoffentlich sowohl dem Leser ohne Vorkenntnisse als auch Kollegen vom Fach gerecht werden zu können. Nach einer allgemeinen Einleitung zum Thema ist der Hauptteil den annotierten Zeichnungen des Peter Paul Rubens gewidmet. Seine Bemerkungen geben Einblick in das Zusammenspiel von Idee, Experiment, Erfahrung und Lehre und sie erlauben uns die Gedanken des Zeichners zum Zeitpunkt der Entstehung nachzuvollziehen. Dies macht Rubens und seine Werkstatt zu einem wichtigen Studienschwerpunkt der flämischen Kunst und viel näher kann man einem Künstler über 400 Jahre nach seinem Tod nicht kommen. Von seinen heute erhaltenen rund 250 Zeichnungen tragen etwa einhundert Vermerke seiner Hand. Dies ist ein hoher Anteil im Vergleich zu anderen Künstlern und daher bieten sie die Gelegenheit, den Künstler als Fallstudie heranzuziehen. Obwohl ein Katalog von hundert Stück nicht viel erscheint, habe ich mich hier auf die interessantesten Zeichnungen beschränkt, einerseits um anderen Künstlern in der Einleitung Platz zu machen, andererseits um Wiederholungen und Langeweile zu vermeiden. Die Literaturhinweise geben reichlich Auskunft über die hier nicht angeführten Blätter. Rubens’ Anmerkungen sind hier, so fern möglich, vollständig von den Originalen transkribiert und im Bedarfsfall ins Deutsche übersetzt.1 War eine sinngemäße Übersetzung ins Deutsche bereits vorhanden, wurde keine neue angestrebt. Die meisten Beischriften auf Rubens’ Zeichnungen wurden in der Literatur bereits erwähnt, viele in andere Sprachen übersetzt. Nur deutlich abweichende Transkriptionen und Übersetzungen werden wiedergegeben. Auch die inhaltliche Analyse der Beischriften ist kein neuer Aspekt der Rubensforschung, doch ist sie ein allgemein vernachlässigtes Forschungsgebiet der Kunstgeschichte, welches durch diese Arbeit weiter angeregt werden soll. Das exemplarische Arbeiten an den Beischriften klammert Aspekte der Kunst des Rubens und der Zeichnungsforschung aus, wie beispielsweise die Provenienzenforschung. Einige Hinweise zu Stillagen und Datierung drängen sich jedoch auf, da die Beischrift ein Argument in der zeitlichen Reihung der Blätter darstellen kann und soll. Dies mag unbefriedigend erscheinen, doch im Rahmen dieser Zusammenstellung ein notwendiger Schritt, um sich von dem Ballast der Forschung zu trennen. Kommentare und Verweise auf die neue und neueste Literatur müssen daher der Vollständigkeit Genüge tun. Ohne den Anspruch gehabt zu haben, ein neues Blatt oder eine neue Beischrift zu entdecken, sollen diese Seiten Einblick in Rubens’ Arbeitsprozesse und seine Werkstatt geben. 3 In der deutschsprachigen Kunstgeschichte steht ein Buch dieser Art bisher allein.2 Alle Zeichnungen dieses Buches tragen handschriftliche Notizen in der einen oder anderen Form. Es wurden Zeichnungen unterschiedlicher Künstler aller Schulen von ca. 1430-1900 so ausgewählt, dass Sie representativ für bestimmte Formen der Beischrift stehen und eine diachronische Zusammenstellung ergeben. Eine solche Gruppierung ist sinnvoll, um die Vielfalt der möglichen Anmerkungen aus kulturhistorischer Perspektive zu betrachten, denn nicht jede Art der Anmerkung ist zu jedem Zeitpunkt möglich. Sie bettet die Verbildlichung der Idee in die Geschichte der Zeichnung und ihrer Theorie, des Künstler(selbst- )verständnisses und der Werkstattpraxis. Aus der technischen Zeichnung für ein Glasfenster lässt sich so mithilfe der Beischrift neben der Arbeitsteilung zwischen entwerfendem und ausführendem Künstler auch die entstandene soziale Trennung zwischen dem ausführenden Handwerker und dem erfindenden Denker lesen. Die Signatur, wiederum, wird zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als Merkmal des Zunftwesens interpretiert, sondern als Zeichen des selbständigen Malers bzw. jener Persönlichkeit, der es frei steht, sich ihre Auftraggeber auszusuchen. Gleichzeitig werden die Beischriften in solche unterschieden, die wörtlich zu nehmen sind, und jene, die einer Interpretation bedürfen, wie beispielsweise das Motto, dessen Bedeutung sich erst auf einer Metaebene erschließt. Dieses Betrachtungsmodell findet daher Ergänzung durch Aspekte der Semiotik, indem es Denotation, Konnotation und Funktion der Notizen beachtet.3 Jede Anmerkung ordnet sich somit einer bestimmten „Kategorie“ unter, die durch ihre Funktion festgelegt wird. Natürlich kommt es vor, dass sich eine Beischrift nicht immer nur einer Gattung unterordnet. In solchen Fällen wurde dem offensichtlichen Schwerpunkt der Notiz Vorrang gegeben. Im Vergleich zur Einleitung wird bei der Besprechung der Rubenszeichnungen auffallen, dass das System der Beischrift-Kategorien beweglich und erweiterbar ist, und im Rahmen eines Œuvres einer Individualisierung unterzogen werden kann: die Zusammenstellung von Rubens’ Zeichnungen und Beischriften