Kunststoffkarosserien in Der DDR : Revolutionär Oder Einfach Nur Alternativlos?
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Kunststoffkarosserien in der DDR : revolutionär oder einfach nur alternativlos? Autor(en): Breuninger, Joachim Objekttyp: Article Zeitschrift: Ferrum : Nachrichten aus der Eisenbibliothek, Stiftung der Georg Fischer AG Band (Jahr): 89 (2017) PDF erstellt am: 11.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-685421 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Trotzdem war die Verwendung einer Kunststoffkarosserie alles andere als innovativ, stammte doch sowohl die Idee für die Verwendung von Kunststoff statt Stahlblech wie die gesamte Technik des Trabants aus den Dreissigerjahren des 20. Jahrhunderts und wurde bis kurz vor Ende der Produktion nie grundlegend modernisiert. AIi Vis Carl Benz 1886 seinen Motorwagen als erstes ne Elektroautos mit Carbonrahmen wie der BMW i3 haben Automobil der Geschichte zum Patent anmeldete, fehlte ein wieder getrennte Baueinheiten von Chassis, BMW nennt heute unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Personen- dies «Drive Modul», und Karosserie, bei BMW jetzt «Live kraftwagens an diesem neuen Gefährt: die Karosserie. Das Modul». revolutionäre Fahrzeug von Carl Benz hatte noch nichts Rückblickend war das erste «moderne» Auto- dergleichen vorzuweisen. Die Passagiere sassen auf einer mobil, das eine Karosserie aufwies, der Mercedes 35 PS aus Sitzbank über dem frei liegenden Motor und waren Wind dem Jahr 1900' mit einem Bienenwabenkühler vorne, lan- und Wetter, wie in offenen Pferdekutschen damals auch, gern Radstand, einem auf dem Rahmen montierten Motor schutzlos ausgesetzt. und einer Motorhaube, die den Motor komplett verdeckte. Karosserien, vom französischen «Carrosse» für Bis in die Dreissigerjahre des zwanzigsten Jahr- Kutsche, bilden eine Art Aussenhaut für Automobile zum hunderts verlief die Automobilproduktion in Deutschland in Schutz der Passagiere und der verbauten Technik. Grund- der Regel zweigeteilt. Antrieb und Chassis kamen von an- sätzlich setzt sich ein Automobil aus den drei Teilen An- deren Herstellern als die Karosserie. So baute etwa die trieb, Chassis und Karosserie zusammen. Ursprünglich sächsische Luxusmarke Horch aus Zwickau Karosserien wurden Karosserien unabhängig von Chassis und Antrieb nie selbst, sondern liess diese von Karossiers nach Kun- gebaut und als eigenständige Einheit mit dem Chassis ver- denwünschen anfertigen. Renommierte Karosseriebauer, bunden. Heutzutage bilden Chassis und Karosserie mit den zum Beispiel die Firma Gläser aus Dresden, fertigten für selbsttragenden Karosserien eine Einheit. Doch scheint ganz unterschiedliche Automobilhersteller wie Mercedes neuerdings die Entwicklung wieder zurückzugehen. Moder- Benz, Opel, Fiat, Horch, Audi und viele mehr. 108 Kunststoffkarosserien in der DDR - revolutionär oder einfach nur alternativlos? Ferrum 89/2017 Für den Karosseriebau gab es anfänglich ver- Materialien beim Karosseriebau eingesetzt. Während hoch- schiedene Methoden. In der Regel bestand die Unterkon- preisige Hersteller bereits auf Blechkarosserien, in der struktion aus einem Holzgerippe, das mit verschiedenen Regel mit Holzunterkonstruktion, setzten, verwendeten Materialien - Stahlblech, Aluminium, aber auch z. B. Kunst- Hersteller wie Hanomag, DKW oder Wanderer für ihre leder - beplankt bzw. bezogen wurde. So lässt sich auch Fahrzeugkarosserien auch zum Beispiel Sperrholzplatten, der Umstand erklären, dass viele Karosseriebauer ur- die mit Kunstleder überzogen wurden. Allerdings erwiesen sprünglich Kutschenbauer waren und oftmals noch längere sich diese Karosserieteile in der Praxis als relativ anfällig, Zeit parallel Kutschen und Automobilkarosserien fertigten. vor allem auf Feuchtigkeit. Die Auto Union hatte bereits 1935/36 zusammen Automobilbau in den USA und in Deutschland mit Dynamit Nobel begonnen, mit Kunststoffkarosserien zu vor dem Zweiten Weltkrieg experimentieren. Phenolharz-imprägnierte Papierbahnen, Für die Entwicklung des Automobilbaus sind die USA in die- später dann Krepppapier, wurden mit hohen Drücken von ser Zeit von sehr grosser Bedeutung. Nicht nur etabliert bis zu 40n/qmm bei 180 Grad Celsius verpresst. Schliess- Henry Ford die Fliessbandfertigung von Automobilen, in lieh wurden 1939 versuchsweise Karosserieteile des DKW den 1920er-Jahren wird auch und vor allem von General F8 produziert. In diesem Zusammenhang führte die Auto Motors (GM) erkannt, dass das Design eines Fahrzeuges Union 1937/38 auch die ersten Crash-Versuche der Auto- neben der Technik ein wichtiges Verkaufsargument dar- mobilgeschichte durch, um die Festigkeit des neuen Mate- stellt. Dementsprechend beginnen amerikanische Herstel- rials im Vergleich zu Stahlblech zu testen/ Die hohen Pro- 1er in dieser Zeit, mehr Aufwand bei der Gestaltung der duktionskosten verhinderten jedoch die Serieneinführung. äusseren Form des Automobils zu betreiben. 1927 gründete GM als erster Autohersteller weit- Die fehlende Industrie in der DDR weit eine «Styling»-Abteilung, deren Aufgabe es war, aus- Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland in vier Be- schliesslich Karosserieformen und Farbkonzepte zu entwi- satzungszonen eingeteilt. Aus der sowjetischen Besät- ekeln. In dieser Zeit führte GM auch die jährlichen zungszone ging 1949 die DDR hervor. Die DDR hatte im Ver- Modellwechsel ein, die oftmals nur mit Änderungen an den gleich zur Bundesrepublik Deutschland mit mehreren Karosserien und nicht an der Technik der Fahrzeuge ver- Startnachteilen zu kämpfen. So musste die DDR nicht nur bunden waren. Karosserien bestanden nun in der Regel aus mit starken Zerstörungen ihrer PKW-Produktionsanlagen tiefgezogenen Stahlblechen, teilweise noch mit Holzunter- zurechtkommen - das BMW-Werk in Eisenach war zu konstruktionen, teilweise bereits mit Stahlblechgerippen. 60 Prozent, die Anlagen in Zwickau zu 50 Prozent zerstört -, Dieses Material wiederum brachte auch Restriktionen bei erschwerend kam vor allem hinzu, dass die Sowjetunion auf der Formgebung mit sich, weswegen in den USA in den hohen Reparationsleistungen bestand.und daher unter an- Vierzigerjahren mit künstlichen Ersatzmaterialien wie derem ganze Industrieanlagen, wie z.B. die Überbleibsel Fiberglas experimentiert wurde. 194-6 baute die amerikani- des Horch-Werks in Zwickau, komplett demontieren liess/ sehe Firma Stout Motor Car Company of Detroit einen ers- Ganze Industriezweige, unter anderem der Hochseeschiff- ten Prototyp eines bereits bestehenden Modells mit einer bau, wurden nur zu dem Zweck aus dem Boden gestampft, Fiberglaskarosserie, das jedoch nie in Serie ging. Das erste Reparationen an die Sowjetunion zu leisten. in Serie gebaute Auto mit einer Fiberglaskarosserie war Erschwerend kam für die gesamte DDR-Industrie dann schliesslich die Corvette ab 1953, die die Zeitgenos- hinzu, dass viele Firmenzentralen - und damit auch die sen wegen ihrer ungewöhnlichen futuristischen Formge- Entwicklungsabteilungen - im Westen Deutschlands lagen bung beeindruckte. und nun von den Produktionsstellen in Ostdeutschland ab- Waren es in den USA also vor allem Designfragen, geschnitten waren/ Für die Automobilindustrie lag das die die Automobilbauer mit anderen Materialien experi- Hauptproblem darin begründet, dass der Grossteil ihrer mentieren dessen, so führten im nationalsozialistischen spezialisierten Werkzeugmaschinen vor dem Krieg aus Deutschland Bestrebungen, Stahlbleche für die Kriegsfüh- dem Westen kam und diese Quellen nun nicht mehr genutzt rung einzusparen, zu Experimenten im Karosseriebau mit werden konnten, um die Fertigungsanlagen wieder aufzu- künstlichen Materialien. bauen. Fehlende Devisen und vor allem die Embargobe- Die deutsche Automobilindustrie war noch bis in Stimmungen der Westmächte verhinderten in den Fünf- die Dreissigerjahre von vielen kleinen, mittelständischen zigerjahren den Import von Werkzeugmaschinen in die Automobilherstellern geprägt. Nur vier, die Firmen Opel, DDR. Die wenigen Investitionsmittel für den Fahrzeugbau, Mercedes Benz, Auto Union und Ford, kamen in den Dreis- die die DDR-Regierung bereitstellte, flössen zudem vor al- sigern in Deutschland