<<

Luftgütekarte Flechtenuntersuchungen 2008 – 2010 Flechten mögen gute Hohe Belastung an Autobahn Luftqualität und in Altdorf Baumflechten haben eine Eigenschaft, die Verschiedene Quellen – vor allem der Ver- sie gegenüber anderen Lebewesen auszeich- kehr, aber auch die Industrie, Heizungen und net – sie reagieren äusserst empfindlich auf die Landwirtschaft – tragen zur Belastung der Schadstoffe in der Luft. Das macht sie inte- Urner Luft mit Schadstoffen bei. Die Luft- ressant als einfache, aber verlässliche Anzei- gütekarte gibt ein Gesamtbild der Luftbelas- ger für die Luftqualität. Mittels einer standar- tung, die auf Menschen, Tiere und Pflanzen disierten Methode wird das Vorkommen und einwirkt. Sie unterscheidet nicht zwischen die Häufigkeit einzelner Flechtenarten erfasst der Herkunft der Luftschadstoffe. (Abbildung 1) und in einer so genannten Luft- Die höchsten Belastungen treten im gütekarte dargestellt. Zentrum von Altdorf auf, wo der Durch- Wo Baumflechten nur in kleiner Zahl gangsverkehr die Luftqualität prägt. Hier und Artenvielfalt auftreten, ist davon auszu- weisen auch die Messwerte seit Jahren eine gehen, dass die Grenzwerte der Luftrein- steigende Tendenz auf (Abbildung 2). Der halte-Verordnung bei mehreren Schadstoffen andere Belastungsschwerpunkt ist das In- deutlich überschritten werden. Die Kartie- dustriegebiet von Schattdorf. rung der Flechten erlaubt damit zuverlässige Neben diesen beiden lokalen Schwer- Rückschlüsse auf die örtliche Luftqualität. Mit punkten bildet die Autobahn die Hauptquelle technischen Messungen wären vergleichbare für Luftschadstoffe im Kanton Uri. Unter- Aussagen nur mit grossem Aufwand möglich. suchungen für das Dorf Erstfeld zeigen, dass Das Ergebnis der Untersuchungen im der Anteil der Autobahn an der durchschnitt- Kanton Uri ist wenig erfreulich ausgefallen: In lichen Belastung der Luft mit Stickstoff- grossen Teilen des Urner Reusstals machen dioxid (NO2) selbst im Siedlungsraum bis sich die Baumflechten rar, die Luftqualität ist über 50 % erreicht (Abbildung 3). schlecht.

3 50

45

40

35

30

25 (Jahresdurchschnitt) in µg/m in (Jahresdurchschnitt) 2 0 NO

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Messstation Altdorf Zentrum Grenzwert

1: Standardisierte Auszählung von Flechtenarten. 2: Zu viel Stickstoffdioxid (NO2) im Kern von Altdorf. Enges Alpental sorgt von Stickstoffdioxid (NO2) zwischen der für «dicke Luft» Autobahn A2 und dem Siedlungsraum Die sehr hohe Belastung der Luft mit Schad- Altdorf belegen dies. In Autobahnnähe und stoffen im Kanton Uri lässt sich mit dem Ver- im verkehrsreichen Zentrum von Altdorf kehrsaufkommen allein nicht erklären. Wei- treten ganzjährig Spitzenwerte auf. Insbe- tere wichtige Faktoren sind die speziellen sondere im Winter bleibt im ganzen Tal- räumlichen und klimatischen Verhältnisse im boden die Luftbelastung deutlich erhöht Urner Reusstal. (Abbildung 5). Im Gegensatz zum besser durchlüf- teten Mittelland sind in engen Alpentälern Schadstoffe beeinträchtigen die Windzirkulation und damit der Austausch die Gesundheit verschmutzter mit sauberer Luft einge- Wenn der Mensch regelmässig zu hohen schränkt. Schadstoffquellen haben hier einen Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt ist, bedeutend grösseren Einfluss auf die Luft- leidet die Gesundheit. Die Luftgütekarte qualität. Dieser Effekt kann zusätzlich ver- gibt an, wo erhöhte gesundheitliche Risiken stärkt werden durch ein Phänomen, das im bestehen. Urnerland in der Nacht und in den kalten In Gebieten der zweithöchsten und der Jahreszeit häufig auftritt: so genannte Inver- höchsten Belastungsstufe ist die Konzen- sionslagen. tration einzelner oder mehrerer Luftschad- Diese Wetterlagen sind oft an einer stoffe aus gesundheitlicher Sicht bedenklich. Dunstschicht erkennbar, die wenige Dut- Hier muss gehäuft mit Husten, chronischer zend Meter über dem Talboden liegt (Ab- Bronchitis und Asthma gerechnet werden. bildung 4). Kalte, bodennahe Luft bleibt Besonders gefährdet sind Kinder, ältere dabei unter einer wärmeren Luftschicht Menschen und Personen, die bereits durch gefangen. Besteht eine Inversionslage über eine Erkrankung geschwächt sind. Aufgrund mehrere Tage, so reichern sich die Schad- der Ergebnisse der Flechtenuntersuchun- stoffe in Bodennähe stark an. Messungen gen muss davon ausgegangen werden, dass

20%

55% 25%

Autobahn Heizungen/Gewerbe lokaler Verkehr

3: Ursachen der Luftbelastung in Erstfeld. 4: Dunstschleier als Folge einer Inversionslage. über 15'000 Urnerinnen und Urner oder 45 % haben ebenfalls zum Ziel, die lokale Schad- der Kantonsbevölkerung mehr oder weniger stoffbelastung zu senken. Eine spürbare dauernd einer übermässigen Luftbelastung Entlastung wird zum Beispiel erreicht, wenn ausgesetzt sind. Diese Zahlen belegen die der Durchgangsverkehr nicht mehr durch Notwendigkeit von Massnahmen zur Verbes- die Siedlungsräume geleitet wird. Gleich- serung der Luftqualität. zeitig soll der öffentlichen Verkehr ausgebaut und verbessert werden. Mit dem Förder- Massnahmen gegen die programm Energie werden zudem Anstren- Luftverschmutzung gungen unterstützt, die neben dem Energie- als Betreiber der Autobahnen hat sparen zu einer besseren Luft beitragen. Massnahmen eingeleitet, die sich positiv auf die Luftqualität auswirken werden. Die Alle können etwas zu guter wichtigste für den Kanton Uri ist der Bau des Luftqualität beitragen Gotthardbasistunnels. Mit der Inbetrieb- Bund, Kantone und Gemeinden können viele nahme dieses Jahrhundertwerks soll ein Massnahmen zur Reduktion der Luftbe- grosser Teil des schweren Güterverkehrs von lastung nur erfolgreich umsetzen, wenn diese der Strasse auf die Schiene verlagert werden. von allen mitgetragen werden. Die Behör- Auch der Kanton arbeitet aktiv an der den sind darauf angewiesen, dass die Bevöl- Verbesserung der Luftqualität. Mit dem kerung verkehrsvermindernde Massnahmen Massnahmenplan Luftreinhaltung setzt er und die Förderung des öffentlichen Ver- unter anderem in den Bereichen Heizungen, kehrs unterstützt und das individuelle Ver- Feuer im Freien, Abgase von Fahrzeugen und halten im Alltag anpasst. Häufiger zu Fuss Baumaschinen sowie Landwirtschaft klare oder mit dem Velo unterwegs sein, Bahn Vorgaben zur Reduktion des Schadstoff- und Bus statt das Auto benutzen, energie- ausstosses um. sparend heizen und keine Abfälle verbren- Verschiedene Vorhaben im regionalen nen verbessern die Luftqualität und nützen Gesamtverkehrskonzept Unteres Reusstal der Gesundheit.

Impressum 60 Herausgeber: Amt für Umweltschutz Uri Redaktion: dialog:umwelt, Markus Nauser, - 50 Amt für Umweltschutz Uri, Alexander Imhof, Altdorf (Januar) 3 Gestaltung: anamorph.ch , Marcel Schneeberger, 40 Flechtenkartierung: Arbeitsgemeinschaft für Bioindikation AGB, Rolf Herzig, Bern 30 in µg/m Fotos: AGB, Rolf Herzig, Bern 2 Amt für Umweltschutz Uri

NO 20 Hintergrundkarten: Lisag Uri, Altdorf Vergleichskarten: AVAG, 10 Amt für Umweltschutz, Stadt Bern Altdorf Reproduziert mit Bewilligung von (BA110502) 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 Bestellung und Download: www.afu-uri.ch oder 041 875 24 30 Distanz zur A2 in Metern © AfU 2012

5: Verbreitet hohe Luftbelastung im Winter. Isleten Sisikon

Flüelen

Altdorf Seedorf

Bürglen Spiringen

Schattdorf Unterschächen Attinghausen

Erstfeld

Silenen

Amsteg Bristen

Intschi

Gurtnellen

Wassen

N

Luftgütekarte Urner Reusstal Göschenen Flechtenuntersuchungen Andermatt 2008 – 2010 Luftgütekarte Urner Reusstal Zwischen 2008 und 2010 wurde im Kanton Uri die Luftqualität mit der Methode der Flechtenkartierung erstmals grossräumig erfasst. Diese Methode erlaubt eine flächendeckende Aussage über die aktuelle Gesamtluftbelastung. Je mehr verschiedene Arten von Baum- flechten auftreten, desto geringer ist die Luftbelastung. Das Resultat wird in einer Luftgütekarte mit fünf Belastungsstufen dargestellt.

Innerhalb des untersuchten Gebiets leben ca. 29'500 Personen, das sind 84 % der Urner Bevölkerung. Der Grossteil des unteren Reusstals und die Gebiete entlang der A2 im oberen Reusstal weisen eine hohe bis sehr hohe Schadstoffbelastung der Luft auf. Gut 15'000 Urnerinnen und Urner oder 45 % der Bevölkerung sind regelmässig einer übermässigen Luftbelastung ausgesetzt. Kritische Gesamtbelastung der Luft Das Gebiet mit der höchsten Luftbelastung beschränkt sich auf den Kern von Altdorf und einen Teil des Industriegebiets von Schattdorf. Es handelt sich flächenmässig um ein kleines Gebiet, in welchem sich aber nebst den Anwohnern zahlreiche Menschen regelmässig zum Einkaufen, in der Freizeit oder aus beruflichen Gründen aufhalten. Starke Gesamtbelastung der Luft Diese Zone erstreckt sich, mit Ausnahme des Abschnitts Silenen – Amsteg, über fast den gesamten Talboden entlang der Autobahn A2. Eine starke Belastung bedeutet, dass regelmässig Schadstoffbelastungen auftreten, die aus gesundheitlicher Sicht als bedenklich einzustufen sind. Mittlere Gesamtbelastung der Luft Abgesehen vom Abschnitt Altdorf – Flüelen besteht entlang der Talränder eine mittlere Luftbelastung. In Sisikon ist die Luft aufgrund des Durchgangsverkehrs trotz der Lage am See relativ stark belastet. Zwischen Silenen und Amsteg ist die Luftqualität dank Frischluftzufuhr aus dem Maderanertal selbst in Autobahnnähe knapp genügend. Geringe Gesamtbelastung der Luft Eine geringe Luftbelastung findet sich in höheren Lagen entlang der Talflanken, im Osten des Siedlungsgebiets Silenen – Amsteg, am südwestlichen Ende des Urnersees sowie in zwei eng begrenzen Gebieten im unteren Reusstal. Bei letzteren dürfte sich die lokale Wind- zirkulation positiv auf die Luftqualität auswirken. Sehr geringe Gesamtbelastung der Luft Die Zone mit sehr geringer Luftbelastung ist im Urner Unterland beschränkt auf Höhenlagen über 1000 m sowie auf eine kleine, insel- förmige Gunstzone im Naherholungsgebiet Altdorf-Gartenmatt. Im Urner Oberland findet sich diese Luftgütezone ebenfalls nur in höheren Lagen sowie im Dorf Andermatt.

Vergleich mit Bern und der Region Thun/ Der Vergleich mit anderen Gebieten, für welche in den letzten Jahren ebenfalls Luftgütekarten erstellt wurden, zeigt: Das Urner Reusstal ist hohen Schadstoffbelastungen ausgesetzt. So ist bei- spielsweise in der Region Thun/Spiez – ebenfalls in den Alpen gelegen und an einen See grenzend – nur gerade im Stadt- zentrum von Thun eine starke Gesamtbelastung der Luft fest- zustellen. Kritische Belastungen, wie sie im Dorf Altdorf vor- kommen, kennt diese Region nicht. Selbst in der Stadt Bern zeigen die Baumflechten nur gerade im Zentrum eine kritische Luftbe- lastung an. Thun

Bern

Spiez

2004 2001