Die Reinhardswald-Grenze Überlegungen Zum Grenzverlauf
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Roland Henne Die Reinhardswald-Grenze Überlegungen zum Grenzverlauf Zum Gebiet des Reinhardswaldes gibt es mehrere Beschreibungen mit Angaben zur Grenze. Seine Ausdehnung im Hochmittelalter weicht von der im ausgehenden Mittelalter und der Frühneuzeit ab. Der Betrachtung liegen zugrunde: Die Kaiserurkunden von 1019 und 1020. Kaiser Heinrich II. überträgt den königlichen Jagdforst (noch ohne Namen), gelegen an unterer Fulda und oberer Weser, an Bischof Meinwerk von Pa- derborn. Waldgrenze 1455. Seit 1429 ist der gesamte Reinhardswald im Besitz von Hessen. Das Erzbistum Mainz hat jedoch Rechte an Dörfern am und im Wald. Die Gemengelage ist wohl ein Grund, dass Landgraf Ludwig I. vom Amt Grebenstein im Jahr 1455 eine Grenzbeschreibung erstellen lässt. Die Grenzbeschreibung des Reinhardswaldes im Salbuch des Amtes Sababurg und Gerichts Gie- selwerder von 1570. Grenzen sind vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit nicht vermessen und versteint worden. Sie waren allenfalls durch Malbäume, Aufwürfe oder Gräben markiert. Landwehren sind meist bei Städ- ten ab dem späten Mittelalter bekannt. Erst in der Neuzeit haben sich exakte Abmarkungen durchge- setzt. Die Reinhardswald-Grenze ist in den Urkunden und Salbuch-Einträgen grob umrissen mit An- gabe von Wasserläufen, Wegen und Randsiedlungen. Daher ist es in einigen Abschnitten schwierig, den genauen Grenzverlauf nachzuvollziehen. Die Grenzen sind in einer Karte dargestellt (Abb. 1). I. Die Umrisse des Forstes zu Beginn des 11. Jahrhunderts In der Schenkungsurkunde vom 05. Dezember 1019 sind erstmals die Grenzen dieses Areals aufge- führt. Etwas präziser beschrieben ist der Grenzverlauf in der Urkunde vom 22. Mai 1020. Beide Ur- kunden sind im Latein des Hochmittelalters abgefasst. Dem Verfasser sind 4 Übersetzungen bekannt, die in wenigen Details etwas voneinander abweichende Interpretationen anbieten. Zugrunde liegt weitgehend die Übersetzung von BANNASCH, 316. Grenze im Jahr 1019 Der Forstbezirk grenzt an den Fluss Fulda. Die Grenze verläuft dann über Reinersen (Reginhereshus- on), Udenhausen (Utenhuson), Beberbeck (Biberbach) und Rotbrehteshusun zur Weser, dann fluss- aufwärts bis Altmünden (Gimundin), geht in einem Bogen zurück zur Fulda und führt flussaufwärts wieder zu dem Ausgangsort Reinersen (Reginhereshuson). Grenze im Jahr 1020 Die nur wenig später abgefasste zweite Urkunde bringt eine konkretere Beschreibung des Grenzver- laufs. Das dürfte der Hauptgrund für die Ausstellung der zweiten Urkunde gewesen sein. Nach der Übersetzung von BANNASCH, 316: Rothalmingahusun – geradewegs zur Weser – weser- aufwärts in die Fulda – die Fulda und den einmündenden Krumbach (Crummelbichi) aufwärts bis Holzhausen („oppidum“ Holthusun) – Othilanham – Reinersen (Rechinherishusun) – Rodersen (Rot- hiereshusun) – Rikillahusun – Beberbeck (Beuerbiki) – „zu dem Weg, der nach Wulfredeskirchun führt, diesem und einem zweiten [Weg], der über Gottsbüren (Gunnesburin) und Wichmanessen (Wicmonneshusun) zieht, entlang und gelangt in einem Bogen auf den Weg, der das vorgenannte „oppidum“ Rothalmingahusun passiert“. 1 Abb. 1: Karte mit dem Gebiet des Reinhardswaldes. Die Grenze des Königsforstes, der mit Urkunden von 1019 und 1020 an das Bistum Paderborn übertragen wur- de, ist mit einer roten Linie markiert. An der Westgrenze sind die in der Urkunde von 1020 genannten und später wüst gefallenen Grenzorte an den im Gelände ermittelten Stellen eingetragen. Mit blauer Linie umrandet ist der bis 1455 hinzugekommene Waldteil im Westen und Norden. Im Norden sind dies das „Bennhäuser Holz“ und der Forst „Sieburg“. Der Grenzverlauf ist im Wesentlichen auch 1570 gegeben, allerdings ohne gerodete Flächen der angrenzenden Orte. 2 Die Lage der Grenzorte Abschnitt von Reinersen bis Beberbeck Beginnen wir mit Reinersen. Dieser in beiden Urkunden genannte Ort bildet einen Fixpunkt in der Abgrenzung des Königsforstes nach Westen. Die wohl im 14. Jahrhundert aufgegebene Siedlung lag südsüdwestlich des Ahlbergs. Obertägig erkennbar ist nur noch der Schutthügel der einstigen Dorfkirche (Abb. 2). Der Name „Reinhardswald“ dürfte von diesem Ort abgeleitet sein. Erstmals ist in der Urkunde der Kaiserin Agnes vom Jahr 1059 (für ihren Sohn König Heinrich IV., DH IV 52) von „foresto Reginhe- reshuson“, also dem Reginhereshuson-Wald, die Rede. Das Bestimmungswort des Ortsnamens Re- ginhereshuson geht mutmaßlich auf einen adligen Grundherrn zurück. Reginhard (oder ähnlich) ist eine Frühform von Reinhard. 1019 verläuft die Grenze von Reinersen über Udenhausen nach Beberbeck, das gleichfalls in beiden Urkunden genannt wird. Anstelle von Udenhausen sind 1020 nun zwei andere Grenzorte aufgeführt, nämlich Rothiereshusun und Rikillahusun. Beide Dörfer sind spätestens in der Wüstungsperiode des 14. Jahrhunderts aufgegeben worden, ihre genaue Lage im Gelände ist nicht bekannt. Es wird daher der Versuch unternommen, eine Lösung hierzu anzubieten. Abb. 2: Digitale Geländeaufnahme des wüsten Grenzortes Reinersen mit dem dominanten Ahlberg. Schwach zu erkennen ist der Schutthügel der Kirche des Dorfes. Nordwestlich: Wüstung Hildesheim sowie Mariendorf. Wo lag Rothiereshusun/Rodersen? Der Name Rothiereshusun ist nur einmal in der Urkunde von 1020 zu lesen. Spätere Erwähnungen sind in der abgewandelten Form „Rodersen“ (oder ähnlich) überliefert. Im Jahr 1272, Urkunde von 1273, veräußert Graf Ludolf VI. von Dassel Teile seiner Grafschaft an das Erzbistum Mainz. Zu den in geografischer Reihe aufgeführten Dörfern zählen: „Nordgeismar – Bünichheim – Gothardessen – Sudheim – Hombressen – Lebecke – Rotherssin – Sihardessen – Be- berbeck …“ Nach dem Lehnbuch des 13./14. Jahrhunderts der Edelherren von Schöneberg hat Johann de Lebe- cke Grundstücke in Lehensbesitz in … Beberbeck, Lebeke, Rodersen und Syhardessen (DOLLE, 51, 52). 3 1345/1346 klagt Erzbischof Heinrich von Mainz gegen den Landgrafen von Hessen, Conrad von Schö- neberg als hessischer Amtmann habe durch Brand und Raub an Kirchen, Kirchhöfen und Dörfern Schaden getan … zu Gottsbüren, Wolfersen (Wulversin, nicht Wülmersen), an dem Hain („hene“) vor der Sababurg, Bensdorf, Beberbeck, Ludenbeck (Lebecke), Hombressen, Rodersen, Nordgeismar … 1423 gibt Dietrich von Haldessen das Dorf Rodersen, das er zu Lehen in Besitz hat, an Heinrich von Schöneberg zurück (GÜNTHER, 45). Vermutlich lag das Dorf längst wüst. Eine geografische Gruppierung ist unverkennbar. Die häufige Nennung von Rodersen mit Hombressen, Lebecke und Sihardessen ist auffällig. Da die Lage von Hombressen und die der wüsten Dörfer Lebecke und Sihardessen bekannt ist, wird Roder- sen ebenfalls in der Nähe gelegen haben, vermutlich auch in der heutigen Gemarkung von Hombres- sen oder unmittelbar angrenzend. Suche in Archivalien und alten Karten Nach LANDAU, 32, lag Rodersen am Rodenfeld bei dem Röddenhof, Gemarkung Hofgeismar, am Waldrand unweit der Straße nach Bebebeck (Kreisstraße 55). Er zitiert aus dem Register des Klosters Lippoldsberg (vermutlich Verzeichnis um 1380): „In Rotterssen prope Geysmar in campe prope ge- heyten dat Rodenfelt“. Ihm folgen andere Autoren wie REIMER, PFAFF, JÄGER, BANNASCH. Lediglich FALCKENHEINER 1842 sieht „Rüddenhof“ (benannt nach der Haltung von Jagdhunden) im 16. Jahr- hundert als die früheste Bezeichnung für den Weiler Röddenhof. Insoweit ist unklar, ob der Name Röddenhof auf die Wüstung Rodersen zurückgeht. Hinzu kommt auch, dass HENNECKE und DESEL, die sich in ihren Werken eingehend mit dem Kloster Lippoldsberg und seinen Gütern befasst haben, den von LANDAU zitierten Text zu Rodersen nicht bringen. Überhaupt kommt bei ihnen Lippoldsberger Besitz in Rodersen nicht vor. Das Lippoldsberger Güterverzeichnis (um 1380) führt unter Bünichheim (Wüstung bei Schöneberg- Süd nahe der Bundesstraße 83 am Bünichheimer Grund) 8 Hufen und den Zehnten als Klosterbesitz auf. Im Lippoldsberger Salbuch von 1569 ist nochmals der umfangreiche Besitz des Klosters in und um Hofgeismar mit 14 Meierhöfen angegeben. Einzelne Grundstücke liegen „obern Büncheim“, „an dem Rüdden Felde“ (Bl. 63), „im oberen Büncheimer Feldt“, „an dem Rodenfelde“ (Bl. 78), „Brach- land bei dem Rodenfelde“ (Bl. 88). Bereits die Grenzbeschreibung des Reinhardswaldes von 1455 enthält den Passus „vor dem Roden- feldt hin als die Landtwehr gehet“. Wenn 1423 der Name „Rodersen“ urkundlich belegt ist, warum nennt die Grenzbeschreibung von 1455 dann ein „Rodenfeld“ und nicht den Dorfnamen? Diese Tat- sache nährt Zweifel an der Lage der Siedlung Rodersen beim Rodenfeld. In der Beschreibung der Grenze 1570 heißt es, „über das Rühdenfelt nach der Landtwehr hinaus“. In der aktuellen Gemar- kungskarte wird als „Röddenfeld“ die Feldlage westlich (unterhalb) der Gebäude bezeichnet. PFAFF, 157, hält das Röddenfeld mit dem Röddenhof für die Dorfstelle der Wüstung Rodersen. Er nennt in seiner Auflistung der Flurorte von Hofgeismar einen Bornpfad „westlich vom Röddenhof“. Dies kann nur der Weg zur Röddenhofquelle sein. Unklar ist, warum dieser Born oberhalb des Röd- denhofs nicht Roderser Born genannt wird. In Flurbezeichnungen der Gemarkung Hofgeismar kommt Rodersen nicht vor. Das Feld unterhalb des Röddenhofs, Ecksiek/Eisiek genannt, ist nach PFAFF erst im 16. Jahrhundert gerodet worden. Geländebegehung Befindet sich beim Röddenhof eine mittelalterliche Dorfstelle? Eine Geländebegehung sollte Klarheit schaffen. Etwa 200 m oberhalb der Gebäude des Weilers Röddenhof befindet sich eine Quelle mit geringer Schüttung. Vermutlich führt der talwärts die bebauten Grundstücke passierende und wenig eingetiefte Bachlauf nur temporär Wasser. Im Quellbereich wäre