Der Federbruch Im Reinhardswald – Wiederentdeckung Und Renaturierung Eines Herausragenden Moorgebietes
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Landschaften, Lebensräume und Arten Der Federbruch im Reinhardswald – Wiederentdeckung und Renaturierung eines herausragenden Moorgebietes Marcus Schmidt, Philipp Küchler, Christian Henschke, Markus Ziegeler, Klemens Kahle & Petra Walter Einführung ten DecisionSupportSystems Wald die StagnogleyBöden, die teilweise auch moorschutz (DSSWAMOS) durchge als MoorStagnogley ausgebildet sind Auch wenn Hessen zu den moorärmsten führt (MEYER et al. 2009, 2010). Im Er (BAILLY 2007). Viele mit „Bruch“ (= Bundesländern in Deutschland zählt, ge gebnis konnte das DSSWAMOS als Moor oder Sumpfland) gebildete Flur hören in Wälder eingebettete Moore eine wichtige Unterstützung zur zielge namen sind in historischen und aktuel (Waldmoore) in einigen hessischen richteten Renaturierung von Waldmoo len Karten des Reinhardswaldes zu fin Naturräumen zu den charakteristischen ren empfohlen werden. In Hessen wurde den und nehmen Bezug auf die natür Landschaftselementen. Intakte naturna das Entscheidungsunterstützungssystem liche Vernässung der Standorte (z. B. he Waldmoore erfüllen als Kohlenstoff DSSWAMOS ab 2012 durch die NW Brander Bruch, Faule Brache, Feder speicher und senke wichtige Klima FVA in den Forstämtern Hessisch Lich bruch, Rinnebruch, Sababurger Bruch, schutzfunktionen und haben große tenau und Burgwald mit gutem Erfolg Staufenberger Bruch, Stitzbruch). Bedeutung für den Landschaftswasser eingesetzt. Bereits ab 2011 entstanden in Bereits die 1592 entstandene älteste haushalt. Als Lebensraum seltener und den Forstämtern Reinhardshagen, Hes Übersichtskarte des Reinhardswaldes gefährdeter, oft hochspezialisierter Tier sisch Lichtenau und Burgwald moor von Joist Moers (um 1540 – 1625) zeigt und Pflanzenarten tragen sie in hohem kundliche Gutachten unter Einsatz des im Bereich des Staufenberger Bruchs Maße zur Biodiversität auf der Land DSSWAMOS. Im Rahmen eines sol und der Faulen Brache eine sehr lockere schaftsebene bei. Wie in den meisten chen Gutachtens (KÜCHLER 2011) wurde Baumsignatur (HStAM Karten P II deutschen Bundesländern kann jedoch mit dem Waldmoor Federbruch im 15629). Diese vor allem durch Holznut nur ein geringer Teil der hessischen Reinhardswald ein besonders wertvoller zung und Waldweide entstandene Auf Waldmoore als intakt eingestuft werden. Standort kartiert, über dessen Wieder lichtung der ReinhardswaldHochfläche, Infolge direkter oder indirekter Entwäs entdeckung und Renaturierung nachfol besonders im Bereich der Moorstand serungsmaßnahmen oder nach Torfab gend berichtet werden soll. orte, erreichte ihren Höhepunkt im 18. bau sind nur noch wenige naturnah aus Jahrhundert (JAHNK et al. 2020). Vom gebildete Reste erhalten geblieben. Die Ende des 18. bis zum 20. Jahrhundert überwiegende Zahl der heute noch vor Moorstandorte im fanden mit der zunehmenden Nadel handenen Waldmoore ist degradiert, teil Reinhardswald holzaufforstung forstlich bedingte Ent weise auf den ersten Blick nicht mehr als wässerungsmaßnahmen statt (BAUER Moorstandort erkennbar und in seinen Die Hochfläche des stark vom Mittleren 1884, HÖFER 1947, IMMEL 1987). Im vielfältigen Schutzfunktionen mehr oder Buntsandstein geprägten Reinhardswal Zuge dieser Maßnahmen wurden viele weniger stark eingeschränkt. Gegenüber des fällt nach Osten zu den Flüssen Fulda Moorstandorte degradiert und moor Mooren im Bereich landwirtschaftlich und Weser hin steil ab und wird von typische Pflanzenarten gingen durch genutzter Flächen ist jedoch in der Regel Bachtälern tief durchschnitten. Nach Wasser und Lichtmangel verloren. von einer besseren Renaturierbarkeit der Westen zur landwirtschaftlich geprägten Am Beispiel des 17,5 ha großen Natur Waldmoore auszugehen. Hofgeismarer Rötsenke hin ist sie dage schutzgebietes „Bruch an der Eichkan gen nur schwach geneigt (KLINK 1969). zel“ wird dies in besonderer Weise deut Die Abteilung Waldnaturschutz der Die Plateaulagen des mittleren und süd lich. Das Gebiet diente bis zur Mitte des Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchs lichen Reinhardswaldes mit Höhenlagen 19. Jahrhunderts der Waldweide und anstalt (NWFVA, Göttingen) beschäf zwischen 300 und 450 m über NN emp wurde anschließend mit Fichten aufge tigt sich bereits seit 2008 intensiv mit der fangen hier im langjährigen Mittel forstet, die aber keine guten Wuchsbe Renaturierung von Waldmooren. So (1961 – 1990) etwa 950 mm Jahresnie dingungen hatten und schließlich größ wurde zunächst im Rahmen eines von derschlag, davon etwas weniger als die tenteils den Windwürfen von 1970 und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Hälfte in der Vegetationsperiode. Die 1972 zum Opfer fielen. Daraufhin wur (DBU) geförderten Vorhabens am Bei Jahresmitteltemperatur liegt bei etwa de das Gebiet streifenweise gepflügt und spiel verschiedener Renaturierungspro 7,5 °C; die Jahresschwankung der Luft wieder mit Fichten aufgeforstet. Lichtlie jekte von Waldmooren in Nordwest temperatur beträgt 16,5 °C (GAUER & bende moortypische Pflanzenarten wie deutschland ein Praxistest des von der ALDINGER 2005). In diesem Bereich herr Schmalblättriges und Scheidiges Woll HumboldtUniversität Berlin und der schen wechselfeuchte, feuchte und nasse gras (Eriophorum angustifolium, E. vagi- Fachhochschule Eberswalde entwickel Böden vor. Eine Besonderheit sind dabei natum), Deutsche Rasenbinse (Tricho- Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 19 / 2020 73 Der Federbruch im Reinhardswald phorum germanicum) oder Moosbeere bis 424 m ü. NN (Abb. 1). Nach boden Das Quellmoor bildet eine nach Westen (Vaccinium oxycoccus) wurden dabei bis kundlicher Definition sind 2,5 ha des vorgeschobene Torfzunge, die nach drei auf letzte Reste dezimiert. Erst nach Pfle Federbruchs ein echtes Moor mit über Seiten abfällt. Offene Quellaustritte mit gemaßnahmen ab den 1980er Jahren 30 cm Torfauflage. Weitere 1,5 ha haben wassergefüllten Schlenken befinden sich konnten sich diese Arten wieder ausbrei eine geringere Torfmächtigkeit. Der Fe an der westlichen Stirnseite des Quell ten (NITSCHE & NITSCHE 2003). derbruch ist ein geneigtes Niedermoor, moors. Die Torfmächtigkeit beträgt im das von Quellaustritten gespeist wird. Zentrum der Torfzunge 2,5 bis 3 m. Da Die pHWerte der Wasseraustritte liegen bei sind bereits nahe am oberen Moor Der Federbruch um 5,5. Hydrogenetisch lässt sich ein rand Torfmächtigkeiten von über einem knapp 1 ha großer Quellmoorteil von Meter zu finden. Das Moor ist auf quel Der vier Hektar große Federbruch liegt einem unterhalb daran anschließenden ligem, schluffigtonigem Untergrund etwa vier Kilometer nordöstlich von Im Hangmoor unterscheiden (vgl. SUCCOW aufgewachsen, der stellenweise von san menhausen in einer Höhenlage von 404 & JOOSTEN 2001). digem Lehm unterlagert ist. Die Torfe Abb. 1: Moorkarte des Federbruchs: Zusammen mit den beiden Profilschnitten wird die Lage am Hang und die Aufwölbung des Moores deutlich. (Grafik: P. Küchler) 74 Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 19 / 2020 Der Federbruch im Reinhardswald sind überwiegend stark zersetzt und somit HStAM Bestand Karten Nr. P II 14623). ihm hingegen „nur in wenigen abdichtend. Sie enthalten Erlenholz als Dennoch weisen die Forstkarten das Exemplaren auf trockneren Stellen“ be einzigen im Gelände erkennbaren Groß Gebiet 1841 als Blöße und 1876 sowie merkt (HENTZE 1846a, b). rest in Tiefen von ca. 50 bis 250 cm. In 1900 als Birkenbestand aus. Erst zwi Der Kasseler Arzt und Naturkundler einigen Bohrungen fanden sich quell schen 1900 und 1928 erfolgte eine Auf Louis Pfeiffer (1805 – 1877) war eben moortypische Toneinschwemmungen im forstung mit Fichten (HÖFER 1947). In falls selbst im Federbruch und gibt als Torf. Die obersten Dezimeter – also die diesem Zuge wurden auch Entwässe Gefäßpflanzenarten der Moor und jüngsten Torfe – wirken nährstoffärmer rungsgräben angelegt. Eine zweite Fich Nassstandorte u. a. MoorBirke (Betula und sind offenbar schneller aufgewach tengeneration wurde, wohl als Neuauf pubescens), KarpatenBirke (B. carpatica), sen: Sie sind weniger stark zersetzt und bau nach dem Windwurf von 1972 (vgl. Rundblättrigen Sonnentau (Drosera ro- enthalten als Großreste Torfmoose, Ra KILIAN 1991), auf dem Quellmoor um tundifolia), TannenBärlapp (Huperzia dizellen und stellenweise in sehr geringen 1975 gepflanzt. selago), ZwergIgelkolben (Sparganium Mengen Birkenholz. natans) und Gewöhnliche Rasenbinse Das Hangmoor erhält sein Wasser teils (Trichophorum caespitosum) an (PFEIFFER aus dem Abfluss aus dem Quellmoor, im Naturkundliche Erforschung 1847, 1855). GRIMME (1958) nennt zu südlichen Moorteil auch von am An im 19. und 20. Jahrhundert dem noch die KriechWeide (Salix repens) moorrand gelegenen Quellen. Seine und die Gewöhnliche Moosbeere (Vacci- Torfauflage ist 20 bis 70 cm mächtig und In der älteren naturkundlichen Literatur nium oxycoccos) für das Gebiet. heterogener aufgebaut als im Quellmoor. wird der Federbruch als eines von weni An Moosen fand bereits Pfeiffer Leuco- Gegenüber dem Quellmoor ist es negativ gen Moorgebieten im Reinhardswald bryum glaucum, Sphagnum compactum gekennzeichnet durch das Fehlen von immer wieder namentlich besonders her und S. subsecundum (PFEIFFER 1855, Wasseraustritten, Stufen im Torf und vorgehoben. Die älteste genauere Be LAUBINGER 1903, 1905). GRIMME (1936) quellmoortypischen homogenen Erlen schreibung aus dem Jahr 1845 stammt führt noch Sphagnum auriculatum auf. bruchtorfen. Torfe und Vegetation wir von dem Kasseler Hofgartendirektor Auf der Grundlage dieser Angaben mit ken nährstoffärmer als im Quellmoor Wilhelm Hentze (1793