Friihbauerliche Siedlungsverbande an , Esse und Unterer Fulda Gedanken zur sozialen und wirtschaftlichen Struktur vor 7000 Jahren Jlirgen Kneipp

Die Zeit des Obergangs von der aneignenden Lebensweise der mesolithi­ schen Jager und Sammler zu der produzierenden Daseinsform der ersten Bauem gehort noch immer zu den weitgehend unbekannten Abschnitten der Menschheitsgeschichte. Die erste nachweisbare Ackerbau- und Viehzlichterkultur Mitteleuropas - die Bandkeram ik - erscheint in den meisten Kulturrelikten wie z. B. beim Hausbau und den keramischen Erzeugnissen derartig ausgereift, daB man sie lange Zeit auf eine Einwanderung von in Slidosteuropa beheimateten Bevolke­ rungsgruppen zurtickftihrte. Seit dem Beginn der 80iger Jahre mehren sich aber die Anzeichen, daB an der Herausbildung der bandkeramischen Kultur auch west- und slidwesteuropaische Kulturen und Kulturgruppen wesentlich beteiligt waren 1. Dariiber hinaus erscheinen in den letzten lahren zunehmend Publikationen, in denen auf Steingerate aus altest- und alterbandkeramischen Siedlungsstellen hingewiesen wird, die in einem engen Zusammenhang mit mesolithisc hen Formen und Herstellungspraktiken stehen '. Aus dieser Sicht ist das im folgenden naher zu beleuchtende Gebiet zwi­ schen dem FltiBchen Nethe im Norden und dem ZusammenfluB von Eder und Fulda im Sliden von besonderem Interesse, da es si ch an der nordlichen Peripherie der geschlossenen bandkeramischen Besiedlung befindet (Abb. I). Nordlich und nordwestlich des slidostwestfalisch-nordhessischen Siedlungs­ gebietes fanden sich bis 1994 mit einer Ausnahme nur einzelne GefaBe und Steingerate, die zweifelsfrei von den frtihen Bauem angefertigt wurden. Bei der Ausnahme handelt es sich urn einen rund 60 km nordlich der Warburger Borde im Wesertal bei Minden-Dankerse n gelegenen Siedlungsplatz. Der wie ein Vorposten zur ErschlieBung des Norddeutschen Tieflandes wirkende Platz, dessen Keramik auf eine Besiedlung zur Zeit der alteren Bandkeramik ver­ weist, liegt bezeichnenderweise am Rand der groBen mitteleuropaischen LoB­ region '- Anders dagegen die sporadischen Einzelfunde, die ausnahmslos weit auBerhalb der fruchtbaren LoBbOden im nordwestdeutschen Tiefland zutage kamen. Dabei handelt es sich urn einen alterbandkeramischen Kumpf, der zusammen mit einem aus Bogen, Pfeilen und Kocher bestehenden Jagdgerat in einem Moor bei Diepholz deponiert wurde sowie urn ein Randstiick der mit der altesten Bandkeramik in Verbindung zu bringenden Fremdkeramik vom Typ La Hoguette' . Wahrend diese beiden Funde sowohl zeitlich al s auch raumlich in irgendeiner Verbindung mit dem nach Ausweis der Streufunde immerhin 4,5 ha groBen Siedlungsgelande bei Minden-Dankersen zu stehen scheinen, kann dies fUr einen mit Einstichen und Ritzlinien geschmiickten Kumpf der jlingeren Bandkeramik aus der bei Osen im Krei s Verden a. d. Aller ausgeschlossen werden.

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Abb. I Ge sa mt vc rbn:ilung der bandkcT

~ Verbreitung deTa ltestcn BandkcrJmik WM Verbreilung dCTa lteren hi s jfin gcrcn Bandkerarn ik • Gebict zwi schen Ncthe und Umcrcr Fulda

Ausflihrliche, im Rahmen meiner Frankfurter Dissertati on durchgefUhrt e Studien an dem mit 15 000 GefaBe inheiten enorm umfangreichen frtihneo· lithischen Keramikbestand aus dem nordmainischen Hessen haben ergeben, daB zur Zeit der jtingeren und jtingsten Bandkeramik (Stilgruppen 8- 10 nach Kneipp) vier klar abgrenzbare regionale und zwei lokale keramische Stilpro­ vin ze n ex isti erten5. Die Ausdehnung der sich durch relativ scharfe Kommu­ nikationsgrenzen au sweisenden Stilprovin zen ist auf Abb. 2 wiedergegeben. Dabei rallt auf, daB sich das naher zu betrachtende Gebiet zwischen den Fltissen Diemel, Esse und Unterer Fulda im wesentl ichen mit dem Verbrei­ tungsgebiet des Westfa li sc h -Nied e rhess is c h e n Schra ffurs til s deckt. Nur in einem kl einen Gebiet im Ostteil der westftili schen He llwegborden bestanden im heutigen Stadtgebiet von Soest zwe i "Siedlungsenklaven", deren keramischer Fundbestand weit gehend mit dem heimischen tibereinstimmt. D agegen Ji eg l von den nur wenige Ki lometer westlich van Saest entdeckten Siedlungsplatzen Werl , Bremen, Westonnen, Ostonnen und Bad Sassendorf ein Spektrum an EB ,- Trink- und KochgefaBen vor, das aufgrund anderer Verzierungstec hniken und -e lemente dem an Niederrhein und M aas verbreite­ ten Rh e i n - M a a s - S t i I zugewiesen werden muB (siehe Abb, 2). Die im Raum Werl -Soest auf engstem Raum zu beobachtende scharfe Kommunikati ons­ grenze wird in ihrer Bedeutung noch dadurch verstarkt, daB hi er auch mark ante Einschnitte im Auftreten der Rohstoffe Feuerstein und Kieselschiefer liegen. Neben di eser kulturell en G renze in einer offenen und naturraumlich einheitlich ausgestatteten L6 Breg ion ex isti ert eine zweite sc har fe Kommunikati ons­ barriere in einer ganz ahnlich besc haffenen L oBregion in der mittleren Wett erau .

2 Abb.2 Verzicrungssli le der jUngeren und jUngslcn Bandkeramik ($tilgruppen 8-10) zwischen Rhein, Wcscr ulld Main

• Fundplatze mit Hinkelstcin-Keramik

KARTENVORLAGE ,, Kortc dcs in'tituts Hir Angowandte C;,ooii.'ic und Ami Hir M iiiliiri"hes Geowc'"n. 2. Aun. 1987 " ,. ",.,' • ,. - • • Diese am keramischen und lithischen Fundbestand kleinster, naturraumlich einheitlich ausgestatteter Regionen hervonretenden Unterschiede weisen dar­ auf hin, daB zwischen den unmittelbar benachbanen friihneolithischen Ge­ meinschaften nicht zwangsHiufig engere Kontakte bestanden haben miissen. Dies konnte vor allem dann der Fall gewesen sein, wenn in den' ei nzelnen Regionen Stamme oder Familienverblinde mit unterschiedlichen sozialen, reli­ giosen und vielleicht auch winschaftlichen Strukturen siedelten. Die Tatsache, daB sowohl an der Grenze in den ostlichen Hellwegborden als auch an derjeni­ gen in der zentralen Wetterau groBere Salzvorkommen liegen. spricht dafiir. daB die Menschen aus beiden Stilprovinzen allergroBtes Interesse an der Nutzung der relativ leicht auszubeutenden Solequellen besaBen. Leider fehlen fiir eine so friihe Salzgewinnung aus Hessen und Westfalen noch die eindeuti­ gen archaologischen Belege ' . Eine weitere Grenze zwischen zwei kulturellen Teillandschaften befand sich inmitten der fruchtbaren LoBebene zwischen Kassel und Fritzlar. Dies ergab eine Durchsicht der keramischen und lithischen Neufunde aus diesem Raum, die in den lahren 1988-94 vom Autor durchgefiihn wurde. Damit ist neben der Nord- und Westgrenze auch die Siidgrenze jenes friihneolithischen Siedlungsraumes umrissen, dessen innere Struktur sich langsam abzeichnet. Der Siedlungsraum an Diemel, Esse und Unterer Fulda stellt den nordlich­ sten AusHiufer jenes ausgedehnten friihneolithischen Siedlungsgebietes dar, das sich ohne groBere siedlungsfreie Zonen in Siid-Nord-Richtung von der Untermainebene iiber die mittel- und nordhessischen Senkenlandschaften bis in den siidostwestfalischen Bereich erstreckt. Derzeit sind fiir dieses Gebiet fast 500 Siedlungsplatze nachgewiesen. Davon entfallen immerhin knapp 10% (48 Siedlungsplatze) aller Platze auf das im Westen durch die Paderbomer HochfIache und im Osten durch das Weserbergland von den Siedlungs­ kammem in den Hellwegborden und dem Leinetal getrennte Untersuchungs­ gebiet (siehe Abb. 3_4) 7. Mit dem Fundplatz Willebadessen (20) und den beiden Siedlungsstellen im Siidwesten der Gemarkung Natingen ( 12- 13) ist die nordliche Grenze des sich zwischen dem FItiBchen Nethe, den Ostauslaufem von Egge- und Rothaar­ gebirge sowie dem und der Gudensberger Kuppenschwelle erstreckenden Raumes umrissen, der sich durch eine verhaltnismaBig gute Befunderhaltung, eine langjahrige Betreuung durch Geschichtsvereine und einzelne HeimatpfIeger und eine relativ dichte bandkeramische Besiedlung auszeichnet. Der Wen der in Nord-Siid-Richtung 55 km und in West-Ost­ Richtung 35 km groBen Region fiir die Erforschung der friihbauerlichen Siedlungsstrukturen wird noch dadurch unterstrichen, daB gleich mehrere der ansonsten so seltenen nichtagraischen Sonder- oder Funktionsplatze aufge­ spiin werden konnten. Abb. 3 zeigt die Veneilung aller bis zum Februar 1995 bekannt gewordenen 48 Siedlungsplatze. Aufgrund ihrer stark differierenden Ausdehnung und Fundmenge. einer unterschiedlich langen Besiedlungsdauer, dem Vorhandensein keramischer Sonderformen und der Versorgung mit onsfremden Gesteinen sowie dem Vorherrschen spezieller Steinwerkzeuge lassen sich die Fundstellen in Ze n ­ tral -, Peripher- und Sonderpllitze unteneilen (siehe Legende zuAbb. 3). Hinzu kommen noch die wenigen, als regulare Bes tattun gspllitze anzu­ sprechenden Lokalitaten. Die besondere Rolle der im Untersuchungsgebiet 4,5

4 'N. 'N . bis 17,2 ha groBen und mit filnf bis sieben keramischen Stilgruppen lange besiede lten Ha upt- o d er Zentralplatze wird durch ihre ex poniene Lage an groBe ren flieBenden Gewassern, an Talflanken, im Zentrum ausgedehnter LoBfl achen oder im naheren Umfeld von umfangreicheren Rohstoffvor­ kommen unterstrichen. Typisch fiir diese Plalze ist eine iiberdurchschnittliche Menge an westeuropaischen Feuersteinvari etaten sowie den vielse itig benutz­ baren Hlimatitbrocken aus dem Lahn-Dill-Gebiet und dem Amphibolit; einer harten sc hwarzgriinen Schi eferfazies, deren Herkunft nach wie vor immer noch ni cht geklan is!. Die als Zentralplatze definienen Onlichkeiten li egen im Bereich des We stfalisch-Niederhessischen-Schraffurstil s gut verteilt in Ab­ standen von 4,8 bis 18 km zueinander. M it einer Ausdehnung von 17,2 ha stellt der Siedlungsplatz Dissen-Siid (46) unweit des Zusammenflusses von Eder und Fu ld a das groBte zusammenhangende Siedlungsgeliinde der Region dar. Nur wenig kle in er war mit mindestens 15,5 ha das friihneolilhische Siedlungs­ gellinde im heutigen Industriegebiet von Hofgeismar (30). In ganz Mitteleuro­ pa werden diese beiden bedeutenden Platze nur von der bohmischen Mikro­ region Bylany I mit nahezu 30 ha sowie je einem erst kiirzlich entdecklen Siedlungsplatz in Thiiringen und der sich siidlich von Schwalmstadt-Treysa erstreckenden Kern schwalm mil GroBen von 19 bzw. 17.5 ha iibenroffen. Auffalligerweise li egen in der Nahe dieser vier GroBsiedlungen mehr oder weni ger groBe Bestattungsplatze. Bei den aufscheinenden funktionalen Ge­ setzmaBigkeiten im frii hneolilhischen Siedlungswesen drlingt sich unwillkiir-

Fundli slc zu den Abb. 3-- 12 I 8tihne • .,I 1Il Papcnoosch" 26 Grebenstein. nordwestl. dcr Lincnmii hle 2 IHlhne ... Bl:luc Stcinc" 27 Grehenstein. Rt)( hbcrg-SUdhang 3 Da.whurg, Zicgelci Sicvcni 28 Grebenstein. & tl. der Bahntrassc 4 I>ase burg, siJdl. Hof Kl ingcnburg 29 Hofgeismllr. Kabemiih lenweg 5 I>aseburg •..Am Dicrnclbcrg" 30 Hofgelsmar• .. Am hohlen Weg" 6 lhIseburg. siid!. Ortsr,md 31 Hofgeismar. nOrdI. des Frcibadcs 7 Grolk neder. .. Am Sundcm" 32 Hofgeismar, WU ~ tun g BUnchhci m 8 Hohenwepel, ..Kluppcrbcrg' · 33 Hor~eismar. stldiJstl. Sla

Abb.3, Zenlr:lle und pcriphcre Siedlungsniedcrlassungen sowie ni eht agr-di sche SonderpHit zc da Bundk erami k zwis.: hcn Dicmd. Esse und Unlerer Fulda Legend I' • Zcntralp lat z ® nichlagrai schc Sondcrpliitl.c • Pcriphcrsiedlung ... Bcstattun gsplalz

5 li ch der Gedanke auf, daB die ziemlich seltenen Graberfelder al s "kommunale Einrichtungen mit zentralem Charakter" am Rande der groBen Wohnpllitze angelegt wurden. Befunde aus dem Vntermai ngebiet (z. B. Wiesbaden-Erben­ heim, Bad Nauheim-Nieder-Morlen) und dem Rheinland (z.B. Langweiler 8) unterstreichen diese verfolgenswerte Hypoth ese. Die Uberortliche Funktion von Hofgeismar (30) und Di ssen (46) tritt auf Abb. 4 hervor, auf der auch alle Ubri gen Zentralplatze der Landstriche an Diemel, Esse und Vnterer Fulda mit ihren vermeintlichen Nebensiedlungen zu S ie d I u n g s ve rba nde n (grau schattierte Flachen) zusammengefaBt wurden '. Kriterien fUr die Zusammenfassung zu Siedlungsverbanden sind neben ver­ sc hiedenen geographischen Faktoren wie z. B. kleinraumigen Wasserscheiden und der GroBe der zur VerfU gung stehenden Ackerflachen vor allem Gemein­ samkeiten bei der Kerami k und der Bestand an einhei mi schen und fremden Gesteinsmaterialien. So zeigen sich hinsichtlich der Keramik in dem 9 X 7 km groBen Siedlungsverband am Vnterlauf der Esse unter den fUnf halb­ kreisftirmig um den Hauptort Hofgeismar-West (30) angeordneten Peripher­ siedlungen zahlreiche Affinitaten, die nur bei einem engen Kontakt all er Siedlun gen untereinander verstandlich werden.9 Ein reprase ntativer Ausschnitt der fUr den Hofgeismarer Siedlungsverband typischen mittel- bis jUngerband­ keramischen Tonware wurde auf Abb. 7- 8,3 und Abb. 9 zusammengestellt. Ahnlich wie mit der Keramik ve rhalt es sich mit den Steingeraten, wobei der Rohstoff der aus Feuerstein geferti gten Artefakte zum Uberwiegenden Teil (> 90%) aus den Glazialablagerungen bei Paderbom (Fundstelle "Im Riemeker Felde") und Detmold (Raum Leislrup-Reminghausen) stammt. Westeuropa­ ischer Feuerstein ist selten und konnte in nenn enswertem V mfang (>2% ) nur in der Hauptsiedlung Hofgeismar-West (30) sowie der in Sichtweite davon gelegenen Siedlung am KabemUhl enweg (29) angetroffen werden, was die besondere Rolle der zentralen Platze unterstreicht. FUr die mindestens 3,75 ha groBe, zur Zeit der alteren und jUngeren Bandkeramik bewohnte Siedlung am KabemUhl enweg (29) zeichnet sich daruberhinaus eine Spezialisierung auf die Anfertigung von GetreidemUhlen und Schleifsteinen zur Bearbeitung von Knochen und Steinen ab, wie zahlreiche Abschlage und weit Uber 300 Auf­ und Vnterlieger aus ortlich anstehendem Sandstein zeigen. Eine ganz anders geartete Sonderstellung im Leben der fruhbauerlichen Gemeinschaften dUrft e die kontinuierlich von der frUhen alteren bis zur jUnge­ ren Bandkeramik genutzte Zentralsiedlung des Grebensteiner Siedlungs­ verbandes (26) am Mittellauf der Esse eingenommen haben. Der in besonders verkehrsgUnstiger Lage am ZusammenfluB von Esse und Holzkape gelegene Hauptplatz erbrachte bei zahlreichen Gelandebegehungen durch die Arbeitsge­ meinschaft der Albert-Schweitzer-Schule Hofgeismar ein derartig ausgefalle­ nes Sprektrum an GefaBformen und -ve rzierungen (eine kleine Auswahl zeigt Abb. 10, 4-8), daB man nicht umhin kommt, in dem Platz einen religiosen Mittelpunkt zumindest fUr den Grebensteiner Siedlungsverband zu sehen 10.

Abb. 4 Bandk ernm ischc Zcntral pliillC und sich abzcichncnde Sicd lu ngsvc: rbiindc an Dicmcl. Esse und Unlerer Fulda Legcndc • Zenlrnl plalz ... Angcnommcne Ausdehnu ng • Pcriphersiedlung ..., deT SiedlungsverN inde

6 DaG es derarti ge kultisch-reli giOse Zentre n zur Zeit der Band ke ramik gab, beweise n zwei 12,5 km voneinander entfernte Pl litze in der mittleren Wetterau, van denen rund 50 anthropomorphe und zoo morphe Figiirchen sowie eine Reihe der im tagli chen Leben nicht verwendeten kerami schen Sonderform en stammen. Mit einer FHiche vo n 8 X 7 km und ftinf Periphersiedlungen besitzt der Grebensteiner Siedlungsverband eine ahnlich groGe Ausdehnung und Siedlungsdichte wie der im Norden unmittelbar anschlieGende Verband rund urn Hofgeismar (vg I. Abb. 4). Allerdings zeichnen sich in der GroGe der Ne bensiedlungen markante Unterschiede ab. So sind di e zum Grebensteiner Zentralplatz gehori gen Siedlungsstellen mit Flachen vo n 1, 15 ha (Immen­ hausen [35]) bi s 1,85 ha (Grebenstein-Ost [27]) deutl ich kleiner, als die sich rund um Hofgeismar-West (30) scharrenden Ein zelh Ofe und Weil er. Diese erreichen immerhin Ausdehnungen von 1,32 ha (Hofgeismar [3 1) bis 4 ha (Hofgeismar [32]) und gehoren damit, sieht man einmal von zwei ungewohn­ li ch groGen Platzen am Westrand der Warburger Borde (Hohenwepel [8; 10]) ab, zu den groGten Peri phersiedlungen der ganzen Region (siehe Abb. 11 ). Die Funktion dieser NebenpHitze bestand vornehmlich in der Versorgun g der Zentralsiedlungen mit Agrarprodukten und besonderen handwerklichen Er-

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Abb.5 Bandkeramisches Wohnhaus (Langhau s) in scincr rckonstruicrtcn Umgebung (Zeichnung G. Lan z, Seminar fUr Vor- und Friihgeschi chlc FrankfunlM.) ze ugni sse n wie beispieisweise der an Feuchtarea le gebundenen Anferti gung von Korben und Matten. In diesem Zusammenh ang drangt sich die Frage auf, wieviele Menschen vor rund 7000 l ahren in den ein zelnen bandkeramischen Siedlungsverbanden zu r gleichen Zeit lebten. Bei den vorhandenen Siedlungsilachen kann davon ausgegangen werden, daG auf den Nebenorten des Grebensteiner Siedlungsverbandes jeweils ein bis zwei Hauser gestanden haben (zur Rekonstruktion eines bandkeramischen Hauses siehe Abb. 5), was bei maxi mal zehn Hausbewohnern einer Kopfzahl

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Abb, 6 Warburg ( 17). Kreis HO)!.ler. 1- 10 Lese fundc. Hohcnwcpcl (10). Kre is Ho)!.\cr, 11- 21 Lescfundc MaBs tab 1:3

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Abb. 7 ~ I ofg ci s mar (30). Landkrcis Kasscl. Grubc I (sog ... Kiichcngrubc") MaBstab 1:3

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Abb. 8 Hofgcismar (30 ). Landkreis Kassel. Grube I (sog. "Kilchcngrube") Ma Bslab 1:3

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Abb. 9 Hofgeismar (30). Lllnd kreis Ka sse J. 1-4 Grube 2 5- 9 Grube 3 10 Grubc 4 MaBstab 1:3

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Abb. 10 Grcbenstci n (26). Landkreis Kasscl. Lesefundc Ma6stab 1:3

12 von 70 bis 90 Siedlern entsprache. Hinzu kommen noch di e Bewohner des lokalen Mittelpun ktes, deren Zahl analog tihnl ich groBer Platze in besser erforschten Regionen, wie z. B. auf der Aldenhovener Platte westlich von Koln, bei vier Hofp latzen mit anntihemd 50 Bewohnem angegeben werden kann . Demnach gehorten zu dem Siedlungsverband an der mittleren Esse etwa 120 bis 150 Menschen. Rechn et man zu der Grebensteiner Gruppierung noch den unmittelbar benachbarten Siedlungsverband von Hofgeismar mit seinen zume ist groBeren Platzen hinzu, kommt man fUr die LoB- und Schwemmland­ tlachen des Essetales auf eine bandkeramische Gesamtbevolkerung von schat­ zungsweise 400 Menschen". Dies entspricht einer Dichte vo n 20 Bewohnem pro Quadratkil ometer; in Anbetracht der Bevolkerungsdichte von 30 Men­ schen auf einem Quadratkilometer landwirtSc haftli cher Nutztlache zur Zeit des Splitmittelalters eine stattliche AnzahJ. Geomorphologische Gegebenheiten erlauben in Verbindung mit erhebli­ chen Unterschieden im Fundbestand eine Abgrenzung der aus zwei Siedlungs­ verbanden bestehenden S ied lungsk a mme r im Esseta J. Da ist zu m einen im Sliden die Diemel-Ful da-Wasserscheide, die den nordlichsten Zipfel Hessens vom Siedlungsgebiet am Nord- und Westrand des Kasseler Beckens trennt, und zum anderen im Nordwesten das bis auf 450 m ansteigende Liebenauer Bergland, das eine natu rraumliche Barriere zur groBen slidostwestfa lischen Siedlungskammer darstellt. Diese setzt sich aus drei Siedlungsverbanden zu­ sammen, von denen die beiden Gruppierungen am Slidrand der Warburger Borde sowohl hinsichtlich ihrer Ausdehnung als auch in der Anzahl der Neben­ siedlungen gut mit den Siedlungsverh altnissen im Essetal vergleichbar si nd (siehe Abb. 4). Lediglich der dri tte, sich am Westrand der Warburger Borde herauskristall is ierende Siedlungsverband mit seinem Hauptort GroBeneder (7) ist mit einer Ausdehnung von I I X 8,5 km et was groBer als die librigen Siedlungsgruppierungen der nordhessisch-ostwestfa lischen Region. Mit sie­ ben Fun dplatzen ist auch di e Anzahl der Nebensiedlungen hoher, wobei auf­ fa llt, daB mit dem nahegelegenen Fundplatz Hohenwepel ( 10) eine weitere groBe Siedlung existierte, die all erdings nur wahrend der li lteren (z.B . Abb. 6, 13, 15) sowie kurzfr isti g im Verl auf der jlingsten Bandkeramik (Abb. 6, I I, 14) bewohnt war. Wie die graphische Darstellung der Siedlungskontinuitlit auf Abb. I I zeigt, verlagerte man zur Zeit der fruhen jlingeren Bandkeramik (Stilgruppe 7 nach Kneipp) die Siedlungsakti vitliten von dem 7,5 ha groBen Hohenwepeler Siedlungsplatz ( 10) an einen 1,5 km weiter slidostlich gelegenen Mittelhang (Fundplatz Hohenwepel [8]). Erst in einem Splitstadium der bandkeramischen Kultur 109 man wieder an den al ten Standort zuruck, neben dem dann nur noch der nach einem kurzen FuBmarsch erreichbare Hauptort GroBeneder (7) be­ stand. Es hat den Anschein, als ob man sich gegen Ende der bandkeramischen Kultur wieder auf das alte Siedlungszentrum am Mittell auf des Ederbaches zuruckziehen wollte, was einer Konzentrati on der (schwi ndenden?) Krafte in di esem Kleinraum gleichkommt. Dieses Phli nomen der Z u samme n sied ­ lung HiBt sich auch beim benachbarten Daseburger Siedlungsverband beob­ achten, wo in der vorl etzten Stufe der bandkeramischen Entwicklung (Stil­ gruppe 9 nach Kn eipp) nur noch der Zentralplatz Daseburg (3) bewohnt war.

13 ZENTRAlPlATZE

Besiedlungskontinuitat anhand GraBe der keramischen Stilgruppen 1/2 - 10 Fundplatz in ha 1/2 I 3 I 4 I 5 I 6 I 7 I 8 I 9 I 10 ------1 1 1111 1 1 Oaseburg (3 ) 4,50 ==c= == Oissen (46) 17,20 Gleichen (50) 9,00 , " r _

Grebenst. (26) 5,60? " ,' - GroOeneder (7) 12,20 ' I ,_ r Hofgeismar (30) 15 , 50 " " - KS-Stadt (40) 9,70? Metze (49) 11,50 Warburg ( 17) 4 ,60? I I , _

PERIPHERSIEOlUNGEN

8uhn. (1) 0,80 1 1 1 1 Oaseburg (4) 3,90 1 Oaseburg (5) 1 , 80 = =1 =1=1= _=1=1=1= Oase burg (6) 1,00? 1 I I Hohenwepel (8) 4,60 Hohenwepel (10) 7,50 1 1 1 Natingen (12) 0,90 1 1 = =1 =1== Natingen (13) 0,50 1 1 1 f??ZZ??lMvmzmWZIZZZ4 1 Burguffeln (23) 1, 60? 1 1 1 - 1 GroOenritte (43 ) 1,25 1 1 - 1 Hofgeismar (29) 3,75 Hofgeismar (31) 1,32 - 1 1 1 1 Hofgeismar (32) 4 , 00? 1 1 - 1 Ihringshsn. (34) 2,00 1 - 1 1 1 1 Immenhsn. (35) 1,15 1 1 - • 1 1 S1mmershsn . (37) 0,70 - 1 1 1 1 Vollm . hs n. (38) 1,85 , , - , - KS-Stadt (39) 1 , 00 , --- KS - Stadt (41) 1,25 ===~I==::::II ==::::II==::::II=== __pz?????z n===

Abb. I1 Gro/k und SiedJungskontinuitiit dcr oondkcfami schcn Plii lzc an Diemcl, Esse und Umcrcr Fuld:l

_ gesichcnc Dat icru ng 1$""'51 ungesichcnc Dalicrung

14 Uber die Besiedlungsdauer von drei nichlagraischen Sonderpllilzen am Nord- (Blihne [2), Peckelsheim [15], Schweckhausen [16)) und zwei funklio­ nalen Pltilzen am Slidrand der Warburger Borde (Warburg [1 8), Calenberg [19]) iSl leider ni chlS bekannt, da von den bei Gelandebegehungen enldecklen Fundslell en auBe r zahlreichen Sleingeralen bislang nur weni ge unve rziene Scherben in lypisch bandkeramischer Machan vorliegen (zur Lage der Platze siehe Abb. 3). Alle runf Plalze zeichnen sich durch ein en re lali v hohen Anleil an halb fe rligen und fenigen Beilen, Klingen, Bohrern und Pfe il spilzen sowie den zu ihrer Herslellung benoliglen Perculeuren, Kl opfslein en und Schleif­ wannen aus. Neben ei nheimischen RohslOffen wie Basah und Horn slein iSl ei n erslaunlich hoher Allleil an Werkzeugen aus Amphibolil zu ve rzeichn en, der aus groBen Enlfernungen eingehandell werden muBle. DaB die Werkzeuge aus di esem RohslOff ni chl nur in fenigem Zusland ein geflihrt wurden, beweisen drei 7- 17 cm lange Dechselrohlinge aus der Zentralsiedlung Warburg ([17) ; Abb. 6, 8) ". Da fasl ni chls liber die sehenen Sonder- oder FunklionspJatze bekannt geworden iSl, solllen diese in ganz besonderer Weise durch Prospek­ li onen erkundel und durch Grabungen in ihrer Eigenan gekl arl werden. Bei der Durchsichl der Sleingerale aus den Siedlungsslell en an Diemel, Esse und Unterer Fulda fa lll vor allem der hohe Besland an unve rsehn en oder nur geri ngfUgig beschtidigten Beilen auf. Derzeit li egen aus keiner anderen bandkera01ischen Siedlungskammer zwischen Rhei n und Elbe so viele zur Holzbearbeilung benoligle Werkzeuge vor, wie aus der hier naher beleuchlelen Region. So sind von verschiedenen Platzen in den Ge01arkungen Blihne (1 - 2), Daseburg (3- 6) und Warburg ( 17- 18) liber 150 Dechsel und Flachbeile be­ kannt geworden, die keine nennenswen en vorgeschi chllichen Beschadig ungen aufweisen (siehe z. B. Abb. 6, 18). An eine regelrechle " Manufaktur" zur Herslellung von Beil en mag man gar bei jenem Plalz im Norden von Hohenwepel (9) denken, wo auf einer nur 30x 15 m kleinen Flache rund 50 weileslgehend unve rsehrte Dechsel aus Amphibolil aufgesammell werden konnten 13 . Uber die Grlinde des ex!rem hohen Anleils an gUl erhallenen Beilen der unterschi edli chslen Formgebungen laBl sich oh ne moderne Ausgrabungen nur spekulieren. So muB zunachSl an eine besondere Bedeulung der Holzverarbei­ tung gedachl werden; freilich, ohne daB dabei Erzeugni sse genannl werden konnlen, deren Weilergabe in entfernlere Gebiele sich besonders lohnen wlir­ de. Da erschei nl ein erh ohler Bedarf an Beilen zur ErschlieBung der umliegen­ den Minelgebirge sowie des sich 50 km weiler nordlich ausbreilenden Nord­ deulschen Tieflandes schon etwas plausibler, zumal aus den genannlen Gebie­ len immer hau fi ger ei nzelne Dechsel geme ldel werden. Bei einer besseren Kenntnis der winschafllichen und sozialen Verhallnisse in Slidniedersachsen, Thliringen und Sachsen-Anhall wird sich klaren lassen, ob den heimischen Siedlern eine zentrale Roll e im Zwischenhande l mil dem vermullich aus Schlesien stammenden Amphibolil zufiei. Denn es liegl nahe, daB die an brauchbaren Felsgesleinen sehr armen Landslriche am Niederrhein und an der Maas von Nordhessen und OSlweslfa len mil fenigen Produkten beliefen wurden. 101 Gegenzug gel angle daflir der qualilaliv hochwerlige westeuropti isc he Feuerstein in un sere Breiten. Dieser wurde anders als die schweren Felsgesleine vorwiegend in Form ferliger Gerale weilergegeben. Lediglich ein zelne Rohsllicke (Knollen) und Kern sle in e von einigen Fund-

15 platzen am West- un d Sudrand der Warburger Bbrde (z. B. Will ebadessen [20]) zeigen an, daB verein zelt auch ei ne Herstellung von Geraten aus den westeuropaisc hcll Feuerstei nvarietaten vo r Ort gewun scht wurde. Bei der ein gangs hervorgehobenen Lage des Untersuchungsgebietes am Nordrand der bandkerami schen Koine drangt sich abschlieBend die Frage nach dem Verh altnis zwischen den fruhneolithischen Siedlern und den noch weitge­ hend unbekannten spatmesolithischen Bevblkerungsgruppen auf. Zu dieser schwieri gen Problematik wurden die aus Nordhessen und Sudost­ westfalen pu blizierten mittelsteinze itlichen Fundin ventarel4 nac h neo lithi­ schen Elementen durchgesehen. Dabei zeigte es sich, daB von den sieben bis 1994 bekannt gewordenen Mesolithpliitzen der Region kein e Arte rakt e vorlie­ gen, die mit dem Neolithikum in Verbindung gebracht werden kbnnen. Dies uberrascht um so mehr, als sich immerhin fOn f der sieben Fundstell en in unm inelbarer Nahe von bandkeramischen Siedlungsplatzen befin den. So be­ tragt beispi elsweise die Entfernung zwischen der Fundstelle der spat­ mesolithischen Mi krolithen am Hakenberg bei Volkmarsen-Kulte und einer kleinen bandkeramischen Ansiedlung (22) ungefahr 350 m. Noch geringere Distanzen waren zwischen der mesolithischen Fund stell e im Nordostcn des Hofgeismarer Fre ibades und e iner von H. Burmeister aufgespurten alterband­ keramischen Ansiedlung (3 1) sowie zwei minel- und jungstei nzeitlichen Fundstell en im ostwestfa li schen Buhne ( I) und GroBeneder (7) zuruckzulegen. Bei G udensberg-Dissen konnten sogar in unminelbarer Nahe eines langfri sti g besiedelten Zentralplatzes (46) zahlreiche spatmesolithi sche Stei ngerate, dar­ un ter basal Oachi g retuschierte Spitzen, aufgelesen werden. Bei erst jungst abgeschl ossenen Ausgrabungen am Rande dieser minelstein zeit lichen Fund­ stell e sti eBe n Marburger Prahi slOri ke r auf eine sehr fruhe bandkerami sche Siedlung, zu deren Fundspektrum auch einige primar fazeniert e Kl eingerate und ein un verziertes GeraB der La Hoguene-Gruppe gehbren". Deren beson­ derer Ste llenwert am Obergang vom Mesolithikum zum Neolithikum trin durch ein e erst kurzli ch ver6ffentlichte "reinrassige" Fundstell e bei Stungart l6 zutage . Fur die Zukunft darf man gespannt sein, ob die rund um Gudensberg gelegenen altestbandkeramischen Siedlungsstellen von Di ssen (46), Gleichen (50) und Maden (ohne Fundplatz-Nr.) bei systematischen Untersuchungen konkrete Hinwe ise auf eine Berii hrung mil spatm esolithischen Jager- und Sammlergru ppen erbringen. N6rdli ch der frli hbauerlichen " Keimzelle" rund um G udensberg fehl en einstweil en eindeutige Belege einer altestbandkeramischen Dauerbesiedlung. Oaruber k6nnen auch ni cht einige organi sch gemagerte Wandscherben mit 2-4 mm brei ten und im Pro fil U-f6rmigen Ritzlinien von zwei Siedlungspl atzen im Stadtgebiet von Hofgeismar (29-30) hinwegtauschen. Wie sieht es nun mit "mesolithisch anmutenden" Art.efakten auf fruh­ bauerlichen Siedlungsstell en aus? Auf einen in minelstein zeitlicher Tradition stehenden Keulenkopf aus graubraunem Kell erwaldkammquarzit vom bedeu­ tenden Zentral platz Metze (49) wurde schon an anderer Stell e ausfOhrlich hingewiesen ". Oem beidseiti g angepi ckt en und dann schrag durchbohrten StO ck (Abb. 12, I) kann ein ahnlich geferti gtes Exempl ar vom band­ keramischen Zentralplatz Grebenstein (26) zur Seite gestellt werden. Oer Grebensteiner Keulenkopf wurde ebenfa ll s aus dem im Kell erwald anstehen-

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Abb, 12 Vcnnullich rnesolithischc Stcingcrtilc von bandkcro.l mi schcn Zcnl ralsiedlungen zwischen Diemel und Unlcrcr Fulda I Kculcnkopf aus Metzc (49) 2 Gcrtillkculc nus GroBcncdcr (7) 3-5 lwci Qucrschncidcr und cine sc hr..ig rctuschi crtc Spitzc aus BUhne ( 1- 2). 1- 2 MaBsl

den Quarzil gearbeilel, was Handelsbeziehungen Ober eine Dislanz von fasl 70 km offenbart. Auch aus der friihneolilhi schen Hauplsiedlung von GroBenedcr (7) slamml eine Gerollkeule (Abb. 12, 2). Das oval geformle, aus Grauwacke oder Diabas geferti gle StUck wurde wie die beiden anderen Keul enkopfe wersl angepickl und dann, anders als in Grebenslein und Melze, doppelkonisch durchbohrt. Es dOrfle kaum auf Zufall beruhen, daB die in frOhneolithischem Kontexl sellenen Keulenkopfe bi slang nur von den groBen ZentralpUilzen vorli egen, deren breitgefacherles Fundspektrum die besondere Rolle im Auslausch und Handel verdeUllichl. Inwieweil auf den kleinen Neben- und Sondersiedlungen der Bandkeramik Kontakte mit nichtbauerli chen Gemeinschaften stattfanden , kann im Rahmen

17 dieser Studie ni cht naher verfolgt werden. Es sei an dieser Stelle nur auf zwei Kleinstsiedlungen in der ostwestnili schen Gemarkung Bilhne ( 1-2) hingewie­ sen, von denen einige kleine schrag retuschierte Spitzen und Querschneider aus norddeutschem Flint stammen (Abb. 12, 3-5), die in den spatmeso­ lithischen Stationen von Yolkmarsen-Killte und Gudensberg-Dissen nicht son­ derlich auffallen wilrden " . DaG sich die in diesem Aufsatz aufgezeigten frilhbauerlichen Siedlungs­ strukturen mit einem Zentralort und darum gruppierenden Neben- und Sonder­ pl atzen in ahnlicher Form auch in anderen Regionen - freilich mil naturraum­ li ch und ethnisch bedingten Abweichungen - wiederfinden, veranschaulicht ein Blick auf die seit einem kilrzlich abgeschl ossenen Bericht et was besser bekannte Besiedlung an der mittleren Eder und der Schwalm (Abb. 13) 19. Sowohl die Ausdehnung der ein zeln en Siedlungsverbande als auch die Anzahl der jeweili gen Nebenorte weicht dabei nicht wesentlich von den Yerhaltnissen an Diemel, Esse und Unterer Fulda ab. Zukilnftig gi lt es, di ese zaghaft aufscheinenden Siedlungsstrukturen zu ilberprilfen. Bei dem schleichenden Yerfall der mei sten Fundstellen wird dies immer dringender. Denn nur durch gezielte Feldforschungen in verschi edenen Regionen kann es gelingen, "in angemessener Weise der ehemali gen Realitat des Altneolithikums gerecht zu werden und es aus seiner totalen Aphangigkeit vom Denken der heutigen Wirklichkeit und ihren Zwangen wenigstens ansatz­ wei se zu losen" 20 .

Anmerkungcn: I Bcsonders empfchlenswcn Zll di escm Thema sind : C. C. Bakels: Der Mohn, die Linien­ bandkeramik und das we stliche M inclmeergebicL - In: Arch. Korrbl. 12. 1982, 11 ff.: C. Constantin u. J. P. Demoule : Elements non-Rubanes du Neoli thique Anc ien entre les Valh~e s du Rhin in fe: ri eur et de la Seine. - In: Helinium 22 . 1982. 255ff. : J. Ltining. U. Kloos u. S. Albert: Westliche Nachbarn dcr bandkera mi schen Kultur: La Hogucnc und Limburg. - In: Gennanie 67. 1989. 355ff. 2 D. Gronenbom : Eine Pfeilspitze vom liItestbandkeramischen Fundplalz Friedbcrg-Bruchen­ bruc ken in der Wetterau. - In: Gennania 68 . 1990. 223 ff.: J. Kneipp u. B. Langenbrin k: Keramik vom Typ La Hoguette aus einer aheslbandkerami schen Siedlung be i Sleinfunh im Weneraukreis. - In: Arch. Korrbl. 20. 1990. 149ff.. und groBriiu mig zusammcnfassend: A. lillmann : Kiminuitat oder Diskontinui tat? Zur Frage eincr bandkeram ischen Land nahmc im su dlichen M ineleuropa. - In : Arch. Informalionen 1612. 1993. I 57ff. u. 171 1. 1994. 65fr. 3 K. Gilnlher: Eine linie nbandkerami sche Siedlung i m Wesertal bei M inden . - In : Arch. Korrbl. 18. 1988. 237 1T. 4 A. Died :: Giftpfeile au s der Zei t der Lin ienbandkeramik im Diepholzer M oor. - In: Nachr. Niedersachsens Urgesch. 46. 1977 . 149ff.: K. Glinther: Ein GefjBresl der Gru ppe La Hoguette au s dem Unteren Weserbergland. - In: Germania 69. 199 1. 15 3f. 5 J. Kneipp: Die Bandkera mik zw ischen Rhei n. Weser und Main. Di ssertation. Frankfurt am Main ( 1993). Druck in Vorbereitung . Die Untersuchungen zum zei llich und raumlich differi erenden Erstauftreten neuer Verzierungselemente und -techniken ergaben . daB sich in den einzelnen Rcg ionen verhaltni smaBig frUh verschiedene Verzierun gseigenheiten herau sbildetcn. So IaBt sich schon zur Zeit der alteren Bandkeramik (Stil gruppen 4- 5 nach Kneipp) eine Bevorzu gung der nordwes tlich und we sllich gelegenen Gebicte fUr die Verzi erun g mit Einstichen belegen. wahrend in Ober- und Nordhcssen sowie in Ostwes tfaJen vorwiegend geritzle Verlieru ngsmoti ve wie quer- und langsschraffiene Bander und Dreiecke entwickeh wurden.

Abb. 13 Bandkcramischc Zc ntralp1:ilze und sich abzeichnende Siedlungsvc rbandc an dcr Untcren Edcr und im Tal der Schwal m sowie den angrenzendcn Minclgc birgcn

18 • Fundplat7 mit Ird. Nr. * AbOOuplatz fUr QuarLit L Grcnzcll dc.. Arbcit<,gcbictc\..., 6 Di e von W. Leidi nger (Arch. Korrbl. 13. 1983. 269fT.) fUr den bandkeram ischen Siedlungsplatz Werl -Salinenri ng poslUl iene Salzgewinnung ist kritisch zu betrachten. Dcn ei ndeutigen Nach­ weis flir neol ithische Salzgewi nnung erbrac hlen A. Jodlowski (Jahresschr. Halle 6 1. 1977. 85fO fLir das frii he Spatneolithikum Polens und D. W. MUlier (Jahresschr. Halle 70. 1987. 135f f.) fUr die Walternienburg-Bemburger-Kultur im mi llleren Saalegebiel. 7 Eine fundi erte Abgrenzung der ostwestfti lisch-niedersiichsischen Kullurprovinz zum sUd­ niedersachsischen Gebiel wird ersl moglich sei n. wenn eine von U. Moos Z. ZI. laufende GOllinger Dissertalion zur bandkeramischen Besiedl ung des Le inelals vorliegl. 8 Dic mil den Fund plalz-Nr. 40--50 markierten PJa lze beze ichnen ausgedchnle Zent ralsiedlungen im nordwcsllichen Hcssengau. 9 Zu den ken w:irc dabei an wandemde TopfercJans, die ausschlieBlich odcr primar fUr die Herslel­ lung und Verteilung dcr Keramik zusHindi g warcn. Lokal bcgrcnzle Eigcnancn bei dcr techni­ schen GcslallUng und die Verwendung unterschiedlich geformlcr Gertite zum Einbringen der Ve rzierungen legen dies nahe. Weiter ist man hinsichtlich di eser Fragestellung in dcr Wettcrau, wo vo rnch mlich im Raum Bad Nauheim - Friedberg hauchdUnnes Ell- und Trinkgeschirr auftritt, das nur von hochspczialisicrten Topfem (vor Ort?) hcrgeslellt werden konntc. 10 Mehrere vo ll standi g erhaltene Dechsel (z. B. Abb. 10, 10-- 11 ) und eine groBere Anza hl vorge­ schichllicher Knochen vcrweisen in Grebenslei n (26) zudem auf ei nen peripher ge legenen Beslatlu ngsplatz. 11 Bei dieser als Schatzung zu wertenden Berechnu ng blieb die Tatsache, daB nicht alle Peripher­ siedl ungcn lur gleichen Zeit bewohnt waren, unberiicksichligL Demgegeni.l bcr kann man davon ausgehen, daB Itingsl nicht alle Ansiedl ungen des Esselals und sc iner Randbereiche aufgespUrt wcrden konnlen. 12 Ein weitcrcr Rohli ng iSI abgebildet in : NeujahresgruB des Landschaftsverbandes Weslfa len­ Uppe 1986. S. 22 Abb. 9. J3 Freundlichc Ausku nft durch Herrn OberslUdienral R. Bialas (Warburg i. Weslfalen). 14 Ausgr. und Fundc in Weslfalen -Lippe L 1983 - 7, 1989: L. Fiedler in Vorgeschichte Hessens ( 1990) 11 4fT. u. dcrs .. AIt- und mittclsteinzeilliche Funde in Hesse n. FUhrer zu r hess. Vor- u. Friihgesch. 2 ( 1994), bes. Abb. 166. 15 Mlindl. Millcilung dUTCh Herrn Dr. L Fiedler vom Hessischen Landcsanu fli r Den kmalpnegel AuBenstelle MarburgIL. 16 C. SchUt z u.a.: Ausgrabungen in der Wilhe lma von Sluugart-B:ld Cannsl

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