Bibliographien, Nachschlagewerke, Zeitschriften
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BIBLIOGRAPHIEN, NACHSCHLAGEWERKE, ZEITSCHRIFTEN A Companion to Latin Greece. Hgg. Nickiphoros I. Tsougarakis / Peter Lock. Leiden, Boston/MA: Brill 2015. 532 S., ISBN 987-90-04-28402-9, € 249,99 Das lateinische Griechenland gehört zu jenen Feldern der europäischen Geschichte, die eine rund 200-jährige Forschungsgeschichte aufweisen. Mit diesem Thema werden u. a. Namen wie Jakob Philipp Fallmerayer, Alexandre Buchon und Karl Hopf sowie William Miller, Ernst Gerland und Antoine Bon verbunden. Entsprechend umfangreich ist die Forschung. Die einzelnen Territorien – Lateinisches Kaiserreich, Fürstentum Achaia und Herzogtum des Archipels (jeweils mit ihren Vasallen), venezianische und genuesische Be- sitzungen, Johanniterstaat und katalanische Expansion, um nur die wichtigsten zu nennen – werden oftmals schon als getrennte Einzelthemen behandelt. Eine Zusammenschau der Forschung ist daher in regelmäßigen Abständen willkommen. Und dies will der „Weg- gefährte“ auch ermöglichen. Nickiphoros Tsougarakis bietet eine Forschungsgeschichte und einen Überblick über die wesentlichen Quellen (1-22). Gerade bei einem solchen Thema wäre ein wissen- schaftsgeschichtlicher Zugriff sehr willkommen gewesen. Doch geht der Verfasser über die so wichtige ältere Forschung rasch hinweg Der Leser bleibt somit etwas enttäuscht zurück, denn eine Orientierungsfunktion kann diese oberflächliche Präsentation nicht erfüllen. Nikolaos G. Chrissis (23-72) zeichnet die wesentlichen Entwicklungsstufen des klein- räumigen und durch komplexe Lehensbeziehungen gegliederten Gefüges nach. Besonderes Gewicht legt er auf die Diskussion des Kreuzzugscharakters der fränkischen Herrschaften. Dass diese den Gegensatz zwischen Katholiken und Orthodoxen vertieften, ist bekannt. Chrissis weist aber darauf hin, dass nach dem Kreuzzug gegen die Orthodoxen sich ange- sichts der steigenden Gefahr durch westanatolische Emirate und die Osmanen eine regio- nale katholisch-orthodoxe Interessensgemeinschaft ergab. In die Strukturgeschichte führt das Kapitel von Charalampos Gasparis ein, der Land und Landbesitz beschreibt, die er selbst in Studien und Quelleneditionen eingehend er- forscht hat (73-113). Prägend ist hier die Übertragung des Lehenssystems in den einst byzantinischen Raum. Das Land bildete dabei die zentrale Ressource von Herrschaft und Wirtschaft. Kaiserlich-byzantinisches Land wurde eingezogen und als Lehen vergeben, orthodoxer wurde lateinischer Kirchenbesitz. Die Erschließung erfolgte in einer Band- breite von Adelslehen, Siedlerlehen bis hin zur Verpachtung an Unternehmergruppen, wie z. B. die genuesische Mahona auf Chios. Als Hauptzonen unterscheidet Gasparis zwischen fränkischen und venezianischen Besitzungen, auch wenn im 14. Jh. die Assisen der Romania als Lehensrecht auch in venezianischen Gebieten mit Ausnahme Kretas zur Anwendung ge- langten. Aus den Lehensnehmern rekrutierten die fränkischen Fürsten und der lateinische Kaiser ihre Ritterheere. Zumindest auf Euböa wurden auch byzantinische Notabeln in das neue System eingebunden. Anastasia Papadia-Lala, ausgewiesene Kennerin der Ver- waltungsgeschichte, behandelt „Gesellschaft, Verwaltung und Identitäten“ (114-144). Sie 282 Südost-Forschungen 77 (2018) Rezensionen hebt die allmähliche Annäherung von Eroberern und griechischen Eliten hervor, während der konfessionelle und der soziale Gegensatz sich im vertikalen Verhältnis verbanden und eine stärkere Abgrenzung bewirkten. Dem schwierigen Verhältnis von orthodoxer und katholischer Kirche widmet sich der Beitrag von Nicholas Coureas (144-184). Neben bekannten institutionellen Strukturen, den Ritterorden und der Unionspolitik be- schreibt er auch das Übergehen von Katholiken zum östlichen Ritus, vor allem im Rahmen konfessionell gemischter Ehen. Das Währungs- und Münzsystem stellt Julian Baker vor (217-254). Der Experte in der Forschung zum lateinischen Griechenland, David Jacoby, fasst seine jahrzehntelangen Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte in einem weiteren Essay zusammen (184-216). In seinem 2. Beitrag geht er den jüdischen Gemeinschaften nach (255-287). Er stellt dabei fest: „Social and cultural dynamics generated a partial symbiosis between Latins and Greeks in 13th- and 14th-century Cretan cities. No similar process of acculturation occurred be- tween Jews and Christians, whether individually nor collectively. The tightly knit Jewish community remained segregated and marginalised. Everyday social interaction at the in- dividual level between Jews and Christians remained limited to utilitarian purposes, and somewhat tempered ethnic tensions. On the other hand, it failed to alter Greek collective popular perceptions and attitudes regarding the Jews“ (287). Gill Page analysiert die Literatur des fränkischen Griechenlands (289-325) mit Schwer- punkt auf der Morea, dem sog. Morea-Chansonnier und der Chronik von Morea. Dem materiellen Erbe gehen die Beiträge von Maria Georgopoulou (326-368) und Sophia Kalopissi-Verti (zu Athen und Theben, 369-417) nach. Eine nützliche Gesamtbiblio- graphie und Indices beschließen den Band. Wie oft bei handbuchartigen Unternehmen, stehen tatsächliche Überblicksdarstellungen neben Texten, die besser in eine Zeitschrift oder einen Sammelband gepasst hätten. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Vielsprachigkeit der zweihundertjährigen Forschungen vielen Autoren Mühe bereitet. Der Rezensent möchte aus eigenem Interesse heraus besonders die Beiträge von David Jacoby, Charalampos Gasparis und Julian Baker hervorheben. Der Band bietet einen guten Überblick über wichtige Bereiche des fränkischen Griechenlands. Im Mittelpunkt stehen Morea und Kreta, ergänzt um den Athener Raum. Etwas zu kurz gekommen sind dabei das Königreich Thessaloniki, die mittelgriechischen Herrschaften und der Archipel, aber auch die ionischen Inseln. Dennoch führt der „Companion“ den Leser so durch die wichtigsten Landschaften des fränkischen Griechenlands. Wer aber den ganzen Reichtum dieser Welt ausschreiten will, muss noch weitere „Weggefährten“ in Anspruch nehmen. Wien Oliver Jens Schmitt Südost-Forschungen 77 (2018) 283 Quellen QUELLEN Andreas LASKARATOS, Δημοτικά τραγούδια εθνικά μαζευμένα από τους τραγουδιστάδες εις το Ληξούρι (Κεφαλληνία – επαρχία Πάλης) του 1842. Άγνωστη χειρόγραφη συλλογή [Volks- lieder, gesammelt von den Sängern in Lixuri (Kefallonia, Provinz Pali) 1842. Unbekann- te handschriftliche Sammlung]. Athen: Ekdoseis Agra 2016. 214 S., einige Abb., ISBN 978-960-505-223-2, € 15,50 Es handelt sich bei dieser Publikation um eine der frühesten griechischen Liedsamm- lungen, nach der Sammlung von Manusakis in Wien (aus der auch Goethe einige Lieder übersetzt hat, ediert allerdings erst sehr viel später)1, der zweibändigen Ausgabe von Fauriel 1824/252, der edierten Sammlung von Niccolò Tommaseo 18423 und gleich da- rauf der russischen Ausgabe von Georgios Evlampios mit russischer Übersetzung und Kommentaren4. Entdeckt wurde die anonyme handschriftliche Liedsammlung von Giannis Papakostas, emeritierter Philologieprofessor an der Universität Athen, im Archiv von Stamatis K. Karatzas; sie stammt vermutlich aus dem Nachlass des französischen Gräzisten Hubert Pernot. Papakostas erzählt in seiner ausführlichen Einleitung (15-52) von der Spurensuche nach dem unbekannten Kompilator, die letztlich zu dem Satiriker Andreas Laskaratos (1811- 1901) aus Kefalonia geführt hat. Laskaratos war im Zeitraum von 1828 bis 1834 auf Korfu gewesen, wo er vermutlich mit dem Dichter Dionysios Solomos, bekanntlich sehr interessiert an Volksliedern und der kretischen Literatur der Venezianerzeit, in Kontakt war. Laskaratos unternimmt auch 1845 eine eigene Reise ins noch türkenzeitliche Kreta, um Volkslieder zu sammeln, doch dürfte diese Expedition wenig erbracht haben, wie er selbst in seiner italienischen Autobiographie darlegt. Die Einleitung von Papakostas bringt eine ausführliche Beschreibung der Handschrift, die zwischen den Blättern 22 und 23 auch einen Einschub mit Datierung „Korfu, Januar 1844“ besitzt, sauber und lesbar ge- schrieben, aber mit der eigentümlichen Orthographie von Laskaratos. Es folgt ein umfang- reicher Abschnitt, der die sukzessive Eruierung des Kompilators wiedergibt; sodann wird erläutert, wie die Sammlung in das Archiv von Hubert Pernot gelangte: Nach seiner „Antho- logie populaire de la Grèce Moderne“ aus dem Jahr 1910 fuhr dieser 1913 wiederum nach Griechenland, um unveröffentlichtes Material zu sammeln. Dabei besuchte er auch die Insel Kefalonia. Die Einleitung endet mit der Kommentierung der theoretischen Schriften von Laskaratos zur Metrik. Die 2. Einleitung (55-97), betitelt nach einem Zitat von Laskaratos mit „Die ‚schöne Ein- fachheit‘ der Volkslieder“, stammt aus der Feder des Essayisten, Dichters und Journalisten Pantelis Bukalas, einem der besten Kenner der griechischen Volksliedtexte, der die Sammlung in den historischen Kontext der Volksliedkollektionen des 19. Jh.s stellt. Bukalas erklärt auch, dass das Eigenschaftswort „ethnika“ im Titel noch nicht die Bedeutung von „national“ trägt, sondern einfach „zum Volk gehörig“ bedeutete, ebenso wie „dimotika“. Hier wird außerdem festgehalten, dass Laskaratos mit dieser Sammlung eigentlich der erste griechische 284 Südost-Forschungen 77 (2018) Rezensionen Literat gewesen ist, der selbst gesungene Oraldichtung gesammelt hat, wenn auch nur von seiner Heimatstadt Lixuri. Ein umfangreicher Abschnitt geht dann auch auf die Biographie von Laskaratos ein sowie auf die Kritik seines Werkes, das in den Sprachkämpfen vor und nach 1900 eine gewisse Rolle gespielt hat. Auch auf Laskaratos als Kritiker