Lisa Jürß | Heiko Brunner

KUNSTMUSEUM Bestandskatalog 2012

Ω HINSTORFF Vorderansicht der Kunstmühle Schwaan Zehn Jahre Kunstmühle Schwaan

Längst sind die letzten Kornsäcke verarbeitet. tativen Ausstellung zu den Künstlerkolonien Vom Mühlengraben her schnattern die Enten, Europas im Jahre 2001 Schwaan vorstellte, wo- und das alte Mühlrad sucht man vergebens. durch der kleine Ort an der Warnow erstmals Am Giebel des Gebäudes ragt nur noch eine überregionale Aufmerksamkeit erfuhr. abgesägte Welle aus Eiche heraus und lässt die Alle diese Aktivitäten ließen auch aus touris- Mächtigkeit der Holzkonstruktion erahnen. tischen Erwägungen den Gedanken an ein städ- Das letzte Getreide wurde um 1985 verarbeitet, tisches Museum und den Aufbau einer eigenen danach stand das Gebäude leer und wurde nur Sammlung reifen. Was lag näher, als dafür die als Abstellmöglichkeit für einen Landwirt- alte Wassermühle zu nutzen? Um aber so ein schaftsbetrieb genutzt. Die vorhandenen Woh- finanziell aufwändiges Vorhaben zu realisieren, nungen in der Mühle waren noch bis ins Jahr bedurfte es der Zustimmung einer Reihe von 2000 hinein belegt. Der wohl älteste Profanbau Gremien, zuerst der Stadtverordnetenversamm- von Schwaan, im historischen Stadtkern gele- lung, denn ohne den gemeinsamen politischen gen, musste unbedingt saniert werden. Nut- Willen, das Projekt durchzusetzen, wären die zungsmöglichkeiten für das imposante Fach- Bestrebungen der Stadtverwaltung unter Bür- werkhaus gab es mehrere, aber der Etat der germeister Peter Faix im Sande verlaufen. Lan- Kleinstadt war begrenzt. desregierung, Kultusministerium und Landes- Mit der „Wende“ hatte sich auch in Schwaan museum Schwerin unterstützten die Gründung ein neues Traditionsbewusstsein entwickelt. eines Museums in Schwaan. Amtsträger ver- Man erinnerte sich vor allem der Maler um schiedener Ebenen, so auch der damalige Kul- Franz Bunke. Ausgelöst war dieses Interesse tusminister, Prof. Dr. Peter Kauffold, machten durch die repräsentative Ausstellung „100 Jahre sich auf den Weg nach Schwaan und ließen sich Künstlerkolonie Schwaan“, die das Staatliche von dem Konzept für den Ausbau der Wasser- Museum Schwerin 1992 zeigte. Aus heutiger mühle überzeugen. Mit Fördermitteln aus dem Sicht wissen wir, dass es die Kolonie schon ei- Bundes- und Landeshaushalt sowie den finan- nige Jahre früher gegeben hat. In der Folge ziellen Möglichkeiten der Stadt wurde das jener Ausstellung wurde noch im gleichen Jahr ehrgeizige Vorhaben Wirklichkeit. Nach nur mit Schweriner Unterstützung und der einiger einem Jahr Bauzeit konnte das Kunstmuseum Enthusiasten eine erste Präsentation in Schwaan Schwaan, inzwischen als Kunstmühle bekannt organisiert, die wegen fehlender Ausstellungs- geworden, am 26. Oktober 2002 seine Pforten möglichkeiten im Sitzungsraum der Stadtver- öffnen. tretung stattfand. Die Künstlerkolonie war zu In vier Etagen stehen Ausstellungsflächen diesem Zeitpunkt in der Region kaum bekannt. von 600 qm sowie Depot-, Atelier-, Verkaufs- Weitere Ausstellungen folgten, und die Schwaa- und Arbeitsräume zur Verfügung. Auch an ner Maler kehrten nach und nach in das Be- einen barrierefreien Zugang, Fahrstuhl und wusstsein der Öffentlichkeit zurück. entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für die Hinweise auf bisher unbekannte Bilder, Leih- Kunstwerke wurde gedacht. Das Haus ist nach ersuchen und Kaufangebote rückten die Kolo- modernen Gesichtspunkten als Museum ein- nie verstärkt ins Blickfeld. Im Jahre 2000 wurde gerichtet und durch seinen historischen Schwaan Mitglied der Euro-Art, einer interna- Charme auch ästhetisch zu einer Augenweide tionalen Vereinigung von europäischen Künst- geworden. Letzteres wird besonders an der er- lerorten. die u.a. gemeinsame Ausstellungen freulichen Besucherresonanz deutlich. ausrichtet, an denen Schwaan regelmäßig be- Mit der Entscheidung für ein Museum und teiligt war, und wirkt heute sogar im Vorstand für eine eigene Sammlung, galt es, Ankaufsan- mit. Dass in Schwaan Maler tätig waren, deren gebote zu überprüfen, Hinweisen nachzugehen Kunst von internationalem Rang ist, wurde be- und Sponsoren zu finden. Anfänglich besaß sonders daran deutlich, dass das Germanische Schwaan zwölf Gemälde, bei Eröffnung des Nationalmuseum Nürnberg in seiner repräsen- Hauses bereits 43, und heute kann die Kunst-

| 4 Rückansicht der Kunstmühle Schwaan

5| Innenraum der Kunstmühle, ehemalige Tordurchfahrt

mühle auf über 130 Gemälde, 87 Zeichnungen andere Sponsoren wie die Ostdeutsche Spar- und Aquarelle, 16 Grafiken sowie einige Skulp- kassenstiftung, die OstseeSparkasse turen verweisen. Die erste ständige Ausstellung oder die Volks- und Raiffeisenbank halfen bei wurde dankenswerter Weise von den Museen der Erweiterung der Kollektion. Mancher Hin- in Rostock und Schwerin unterstützt, auch pri- weis zu Briefen oder Telefonaten führte in ent- vate Leihgeber beteiligten sich an der Präsenta- ferntere Gegenden Deutschlands, endete sogar tion. Hier sind wir besonders dem Kunst- gelegentlich mit Überraschungen oder weiteren handel zu Dank verpflichtet, der auch in den Entdeckungen. Auf diese unterschiedliche Wei- Folgejahren interessante Werke für uns „aufstö- se, auch mit etwas Verhandlungsgeschick und berte“ und zum Ankauf oder als Leihgabe zur gutem Willen der Besitzer, wurde es möglich, Verfügung stellte. Stellvertretend für alle priva- Werke von Malern wie Franz Bunke, Rudolf ten Leihgeber möchte ich den Kunsthändler Bartels, Peter Paul Draewing, Alfred Heinsohn Hans Strüber nennen, der uns vor allem bei der oder Otto Tarnogrocki zu erwerben. Andere Vorstellung des Werkes von Alfred Heinsohn Spuren gaben Hinweise auf bisher für Schwaan unterstützte, sowie die Enkel von August Bur- unbekannte Künstler und Künstlerinnen, die meister, die uns ihre Bartels-Sammlung zur ebenfalls in Schwaan gearbeitet haben. Verfügung stellten. Im Laufe der vergangenen Den Arbeiten der Vertreter der Künstlerko- zehn Jahre wuchs die eigene Sammlung durch lonie um Franz Bunke gilt unsere besondere Ankäufe oder Schenkungen aus bis dahin un- Aufmerksamkeit im Ankauf sowie in der Prä- bekanntem Privatbesitz. Große Unterstützung sentation. Dennoch möchten wir in unserer fanden wir beim Kultusministerium, das so Sammlung auch Künstler dokumentieren, die manchen Antrag positiv entschied. Aber auch in späteren Jahren in Schwaan wirkten sowie

| 6 Ausstellungsraum der Kunstmühle, erste Etage

Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern, die kulturellen Erbes sein. Dem dienen die in den mit heutigen Augen die hiesige Landschaft the- vergangenen Jahren erarbeiteten Publikationen matisieren. Deshalb finden in bestimmten zeit- und Kataloge sowie Beiträge in Fachzeitschrif- lichen Abständen Plenairs von professionellen ten. Aber auch repräsentative Ausstellungen mit Malern in Schwaan statt. Hier stehen wir noch beispielsweise 130 Arbeiten auf der Zitadelle in ganz am Anfang. Wir freuen uns, dass Schwaan Spandau, in Worpswede oder Ahrens- und die Umgebung nach wie vor Künstler zu hoop ließen die Schwaaner Künstler bekannt Gestaltungen anregen. Ich denke hier an Helga werden. Selbst im amerikanischen Atlanta wur- Kaffke oder an Fritz Brockmann und Barbara de Schwaan mit 13 dort interessierenden euro- Nowy, die darüberhinaus mit ihrer Zirkelarbeit päischen Künstlerkolonien vorgestellt. Gezeigt in Schwaan interessierte Laien förderten. Stu- wurden im Laufe der Jahre verschiedenste Leih- denten von der Kunstschule Rostock oder gaben aus Schwaan in Barbizon bei Paris, Brüs- Schüler des Gymnasiums Bad Doberan haben sel, Nürnberg, Eisenach, Schwerin, Rostock. bereits seit Jahren Schwaan als Ort ihres Natur- Aber auch wir traten inzwischen in einen regen studiums entdeckt. Der 2004 gegründete För- Ausstellungsaustaus ch mit anderen Künstler- derverein der Kunstmühle richtet jährlich ein kolonien, wie Worpswede, Ferch, Ahrenshoop, Plenair mit Schülern aus, die dann die Mög- Hiddensee. So konnten Schwaaner Besucher lichkeit haben, ihre Arbeiten in einer kleinen das Schaffen in anderen Kolonien kennenler- Ausstellung zu präsentieren. nen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Auf diesem Weg wollen wir weitergehen. Vergleichen feststellen. Einen weiteren Schwer- Unsere Kunstmühle soll Stätte der Pflege von punkt der Ausstellungstätigkeit sehen wir in der Traditionen bei weiterer Erschließung dieses Vorstellung von Künstlern, die zeitgleich mit

7| Ausstellung X-Positionen 2007 im Außengelände der Kunstmühle

den Schwaanern tätig waren oder in der Tradi- Werke und der Lebensumstände der jeweiligen tion mecklenburgischer Landschaftsmalerei ar- Künstler auslösen. Bei allen Ausstellungsaktivi- beiteten bzw. besondere Beziehungen zu täten ist zu bedenken, dass die Größe des Hau- Schwaan haben oder hatten. Dazu gehören Per- ses und seine finanziellen Möglichkeiten, auch sonalausstellungen von Künstlern wie Egon die Personaldecke, Grenzen sowohl im Ausstel- Tschirch, Thuro Balzer oder zeitgenössischen lungsgut als auch im Umfang, in der wissen- Künstlern. Hier sind stellvertretend Anneliese schaftlichen Bearbeitung und in der Herausgabe Schöfbeck, Michael Todenhöfer, Miro Zahra, von Publikationen setzen. Was uns hier bisher Barbara Nowy oder die gebürtigen Schwaaner gelungen ist, finden Sie im Anhang dieser Ver- Lisa Jürß und Fritz Brockmann zu nennen. Als öffentlichung aufgelistet. sehr interessant sehen wir außerdem die Prä- Unser Museum soll ein Haus der Begegnung sentationen privater Sammlungen an, da hier sein. Deshalb bietet es seinen Besuchern neben zumeist erstmals völlig unbekannte Werke der ständigen und Sonderausstellungen und deren Öffentlichkeit zugänglich werden. Zu unserer festlichen Eröffnungen unterschiedlichste Ver- Freude konnten aus Familienbesitz Gemälde- anstaltungen. Vorträge, Führungen, Konzerte kollektionen von Rudolf und Otto Bartels oder Lesungen, schauspielerische Darbietun- ebenso wie Sammlungen von Arbeiten der gen u.a. ließen die Kunstmühle zu einem le- Maler Peter Paul Draewing, Alfred Heinsohn bendigen kulturellen Zentrum der Stadt und oder Thuro Balzer gezeigt werden. Die Sichtun- ihrer Bürger werden. Unsere häufig weither an- gen der Privatsammlungen halten oftmals ei- gereisten Gäste bestätigen den wachsenden nige Überraschungen bereit. Es ist nicht nur die Stellenwert des Museums und damit den Erfolg Vielfalt, es sind vor allem die Erzählungen und aller Bemühungen. Das zehnjährige Jubiläum Briefe, die eine teilweise Neuinterpretation der der Kunstmühle ist uns Anlass, eine erste Bilanz

| 8 Ausstellung Kunst und Garten 2010 im Außenbereich der Kunstmühle

zu ziehen. Wenngleich nicht alle Möglichkeiten Ein Museum erwirbt seine Bedeutung vor erschöpft sind und die Kunstmühle noch un- allem durch seine Bestände. Sie sind auf spezi- genügend in ein breiteres touristisches System fische Weise das Gedächtnis der Menschen. Da- eingebunden ist, so hält bereits heute so man- für braucht es Raum mit entsprechenden Aus- cher Reisebus in Schwaan. Auch die Presse in- stattungen zur Pflege und Bewahrung. Aber teressiert sich mehr und mehr für die Aktivi- leider wird heute schon Platzmangel deutlich, täten in unserem Hause. zumal an den Aufbau einer Museumsbibliothek Zu dem gelungenen Ambiente der Mühle ge- gedacht werden muss. Dennoch freuen wir uns hört, dass das Gelände hinter dem Gebäude über jede Erwerbung. Da die Forschungen zur einfühlsam landschaftsgärtnerisch gestaltet, der Künstlerkolonie und die Sammlungstätigkeit einmalige Blick auf die Mündung der Beke in zu unseren vordringlichsten Aufgaben zählen, die Warnow frei und zu einem besonderen Na- sind wir nach wie vor für Hinweise dankbar. turerlebnis wurde. Auf längere Sicht wird die Die vorliegende Publikation führt alle sich „Bürgermeisterwiese“ für Freiplastiken oder heute im Besitz der Kunstmühle befindenden bildkünstlerische Objekt genutzt werden, wie Arbeiten auf, macht durch Abbildungen und bei der Sonderausstellung „X-Positionen“ 2007 einführende Texte mit der Materie bekannt. In mit Sabine Egelhaff, Berit Lüdtke, Lin Rus, Grit einer umfangreichen Sonderausstellung zeigen Sauerborn, Andrea Schäfer, Susanna Schultz wir anlässlich unseres Jubiläums die Ergebnisse und Renate Schürmeyer und der Ausstellung unserer Sammlungstätigkeit und hoffen auf ein „Kunst und Garten“ unter Beteiligung der breites öffentliches Interesse. Künstlerinnen Lucia Schoop, Iris Thürmer, Tanja Zimmermann und Miro Zahra im Jahr Heiko Brunner 2010. Leiter des Kunstmuseums Schwaan

9| Die Künstler der Schwaaner Kolonie im Hotel Drewes, von links neben dem Kellnerjungen: Rudolf Bartels. Schwaan, Pferdemarkt, im Jahr 1900. Untere Reihe sitzender Personen von links nach rechts Obere Reihe stehender Personen von links nach gesehen: rechts gesehen: Klavierspielend Eugen Harder, Drogist. Ihm im Rücken Herr mit Hut vermutlich Alfred Heinsohn. Am Klavier Karl Gumbert, Zimmerer. Am Tisch vordergründig in lehnend Franz Bunke. Daneben Richard Starcke (Ma- Seitenansicht Reinhold Neubert (Student aus Wei- lerkollege aus ). Vor dem Gemälde in Seiten- mar). Darüber in Vorderansicht Otto Bartels. Daneben ansicht Peter Paul Draewing. Otto Tarnogrocki (Stu- Otto Gumbert, Zigarrenmacher. Im Vordergrund mit dent aus Weimar) wendet sich Karl Bartels zu. Zweiter Bierkrug Karl Drewes.

| 10 Die Künstlerkolonie Schwaan

In Nachschlagewerken, ob auf Papier oder di- Hier agierten vorwiegend einheimische Maler. gital, werden Künstlerkolonien als Gemein- Neben Franz Bunke (1857–1939) setzten die schaften gleichgesinnter Künstler beschrieben, ebenfalls gebürtigen Schwaaner Peter Paul die sich oft an einem ländlichen Ort in der Draewing (1876–1941) und Rudolf Bartels Nähe größerer Städte niederließen. Vorwiegend (1872–1943) als einheimische Maler bestim- junge Künstler fanden sich zusammen, um sich mende gestalterische Akzente. Rudolf Bartels gegen die starren Regeln der Akademien aufzu- sollte sich zum bedeutendsten Maler Mecklen- lehnen und wendeten sich dem Studium der burgs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Natur und der direkten Anschauung zu. Mit entwickeln. 1902 siedelte sich der Hamburger der Flucht ins Ländliche begegnete man der zu- Alfred Heinsohn (1875–1927) in Schwaan an. nehmenden Industrialisierung, Anonymität Alle vier Künstler erhielten ihre Ausbildung an und Hektik in den großen Städten. Auf dem der Weimarer Malerschule bei Theodor Hagen Lande war es möglich, der Natur nahe zu sein, (1842–1919). Die dortigen modernen Lehrme- in Ruhe und Abgeschiedenheit, frei von Zwän- thoden begründeten die Ausbildung individu- gen, den künstlerischen Neigungen nachzuge- eller Künstlerpersönlichkeiten. hen. Die Künstler genossen die Beschaulichkeit Franz Bunke hatte einen wesentlichen Anteil und Ursprünglichkeit, das Licht, die außerge- an der Herausbildung und der Stellung der wöhnlichen Motive beim Malen in der freien, Schwaaner Kolonie in der damaligen Zeit. Bun- abwechslungsreichen Natur. Die Sehnsucht ke hatte ab 1878 an der Weimarer Malerschule nach dieser Idylle und einfachem, naturnahem studiert und war anschließend selbst als Lehrer Leben förderte die Herausbildung solcher Ge- für Landschaftsmalerei tätig. Anfangs kam der meinschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts junge Bunke mit Kollegen und Gleichgesinnten in Deutschland. nach Schwaan, ab 1892 folgten ihm regelmäßig Künstlerkolonien sind ein gesamteuropäi- Schüler, vor allem Schülerinnen, da Weimar als sches Phänomen. Der Grundstein für die Künst- eine von wenigen Bildungseinrichtungen sei- lerbewegung wurde in der Schule von Barbizon nerzeit Frauen zum Studium zuließ. gelegt, die sich um 1830 in diesem Ort in der Die Künstlerkolonie Schwaan ist ohne die Nähe von Paris etablierte. Neue Ausdrucksfor- Weimarer Malerschule kaum denkbar, und es men mit dem Blick auf die Natur, in der der versteht sich fast von selbst, dass die in Weimar Mensch nur eine untergeordnete Rolle spielte, geltenden Lehrmethoden in Schwaan prak- kamen einer Revolution in der europäischen tische Umsetzung erfuhren. Aufschlussreich Landschaftsmalerei gleich. Diese Ideen wurden ist, dass gerade in Weimar 1890 erstmals in von Künstlern in anderen Ländern aufgenom- Deutschland Werke von Monet gezeigt wurden, men und spiegelten sich in den zahlreichen denen 1891 weitere französische Impressionis- Künstlergemeinschaften wider. ten folgten. Weimar hatte als frühe Lehrer Hier in Mecklenburg bildete sich schon um so bedeutende Künstler wie Arnold Böcklin 1880/85 eine durchaus vergleichbare Gemein- (1827–1901) und Franz Lenbach (1836–1935). schaft von Malern heraus. Die kleine Ackerbür- Besonders unter Theodor Hagen (1842– gerstadt Schwaan war zweifelsohne wegen ihrer 1919), der 1871 berufen worden war und bis zu reizvollen, abwechslungsreichen Motive für die seinem Tode hier lehrte, sollte sich Weimar zu Freilichtmalerei besonders geeignet. Im Gegen- einer der gefragtesten Ausbildungsstätten für satz zu den bekannten Kolonien Worpswede Landschaftsmalerei entwickeln. Man teilte an- und Ahrenshoop kann das Entstehungsjahr fänglich das Jahr in Studiensommer und Ate- nicht genau festgelegt werden. Die Schwaaner lierwinter, betrachtete demzufolge die vor der Künstlergemeinschaft wies im Vergleich zu an- Natur entstandenen Arbeiten als Skizzen oder deren Kolonien in Europa eine Besonderheit Vorstudien für das im Atelier ausgeführte Ge- auf: Hier, in diesem verträumten mecklenbur- mälde. gischen Städtchen wurde das künstlerische Hagen vollzog in seiner eigenen Kunst um Schaffen nicht durch fremde Künstler geprägt. 1891/92 den Schritt zur Primamalerei und

11 | Peter Paul Draewing arbeitet vor der Natur

erhob damit die direkt vor der Natur gefertigte sohn als Jüngere sich zunehmend auf unter- „Studie“ zum eigenständigen Bild. Mit ihm schiedliche Weise modernen Auffassungen bis gingen viele Professoren und Studenten den hin zur Abstrakte näherten. Hat Draewing zeit- Weg zur Freilichtmalerei, auch sein Schüler und lebens vor allem in der älteren Weimarer Tra- späterer Kollege Franz Bunke. Theodor Hagens dition gearbeitet, gelangte Heinsohn zu einer Auffassungen hatten für die Malerei in Meck- überraschenden Flächigkeit und Abstraktion, lenburg weitreichende Bedeutung, waren doch die im Gegensat z zu Bartels eine subtile Mal- neben Carl Malchin (1938–1923) und anderen weise vollständig aufhebt. alle Schwaaner von Rang dessen Schüler. Während Bunke zunehmend Ehrungen er- Franz Bunke, Rudolf Bartels, Peter Paul fuhr und eine große Käuferschaft hatte, auch Draewing und Alfred Heinsohn stellten erst- Draewing erfolgreich wirkte, blieben Rudolf mals gemeinsam 1904 im Museum Rostock mit Bartels und Alfred Heinsohn zumeist unver- großem Erfolg aus. standen. Beide arbeiteten nach ihrer Ausbil- Im Umkreis von Bunke malten nicht nur dung freischaffend in Schwaan. Kollegen und Studenten, sondern ebenso einige Franz Bunke hatte seinen Wohnsitz in Wei- begabte Schwaaner Handwerker, die teilweise mar, weilte aber lange Jahre für mehrere Mo- beachtliche künstlerische Ergebnisse erzielten. nate mit seiner Schülerschaft in seiner Geburts- Zu ihnen zählen die Zimmerer Otto und Karl stadt. Draewing lebte nur zeitweise nach der Gumbert sowie der Dekorationsmaler Ernst Ausbildung in Schwaan. Hardt. Dank zeitgenössischer Artikel von Otto Welt- Franz Bunkes Verdienst bleibt es, der Frei- zien und Ferdinand Runkel sowie gründlicher lichtmalerei in Mecklenburg zum Durchbruch Nachforschung von Johann Joachim Bernitt verholfen zu haben, während Bartels und Hein- haben wir einen Eindruck von der Szene in

| 12 Franz Bunke mit seiner Frau, Tochter und Schwester vor dem Elternhaus in Schwaan 1913

Schwaan zur Zeit der Künstlerkolonie. Eine ge- Sommeraufenthalten, auch Gegenbesuche, wie wisse Aufgeschlossenheit für die naturnahe beispielsweise der von Paul Müller-Kaempff Malerei war in der Bevölkerung durch enge (1861–1941) als Gast in Schwaan. Bindungen zur heimatlichen Landschaft vor- Der Erste Weltkrieg brachte einen tiefen Ein- handen. Allmählich gewöhnte man sich an das schnitt in das lebendige Schaffen der Schwaaner jährlich gemeinsam mit dem Zug 4. Klasse aus Künstler. Draewing, Bartels sowie Heinsohn Weimar eintreffende Künstlervölkchen. Als wurden eingezogen und verließen die heimatli- Sohn der Stadt hatte Franz Bunke auch mit che Kleinstadt. Bartels und Draewing fanden Hilfe seiner plattdeutschen Mundart kaum sich gelegentlich noch später ein. Nur Rudolf Kontaktschwierigkeiten, sodass man ihn, seine Bechstein blieb während der Kriegsjahre in Schüler und Kollegen geradezu erwartete. Oh- Schwaan. Wenngleich die Künstlerkolonie sich nehin war Bunke ein humorvoller Erzähler, der nicht vollends auflöste, waren die fruchtbarsten gerne in geselliger Runde weilte. Auch brachten Jahre beendet. Franz Bunke kam auch weiterhin die jungen Leute mit ihren fröhlichen Kahn- bis zu seinem Tode 1939 nach Schwaan, nun- fahrten auf Beke und Warnow, ihren Festen mehr allein oder mit wenigen Schülern. und Zusammenkünften im Hotel Drews und Ab und zu sah man auch Rudolf Bartels. anderen Gaststätten der Stadt, ihren Naturstu- Nach dessen Tod im Jahr 1943 kam offensicht- dien in und um Schwaan zusätzlich Leben und lich kein Künstler mehr nach Schwaan. Man- besondere Farbe in den Ort, der um die Jahr- gelnde geistige Aufgeschlossenheit für moderne hundertwende zu einem beliebten Ausflugs- Kunstauffassungen ließ die Maler ausbleiben. ziel, vor allem für Rostocker, geworden war. Künstlerkolonien und auch die Weimarer Ma- Gemeinsame Ausflüge in die Rostocker Heide lerschule hatten ihre progressive Aufgabe zu oder nach Ahrenshoop gehörten zu den Beginn des 20. Jahrhunderts mit realistischer

13 | Franz Bunke Natursicht und Entwicklung zur Freilichtma- kommerzielle Ambitionen aufkamen, noch ir- Stadt Schwaan, 1928 lerei erfüllt. gendwelche andere Anziehungspunkte für Be- Öl auf Leinwand Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die sucher belebt wurden. 77 x 101 cm Schenkung des Künstlerkolonie Schwaan fast völlig in Verges- Bis auf wenige Arbeiten von Bunke und Bar- Künstlers an die Stadt senheit. Fernab von allen Kunstzentren und tels verblieben die Nachlässe in weit verstreu- Schwaan anläßlich der Kunstschulen mußte die Erinnerung an jene tem, zumeist unbekanntem privaten Besitz, Verleihung der Ehren- schöpferische Atmosphäre um die Jahrhun- sodass größere Einzelausstellungen lange Jahre bürgerschaft 1927 dertwende verblassen, zumal in Schwaan weder nicht stattfanden.

| 14 Theodor Hagen Landschaft in Thüringen Öl auf Leinwand 76 x 103 cm

17 | Franz Bunke Schwaan 1857–1939 Weimar

Grundstock der Schwaaner Kunstsammlung der holländischen Meister des 17. Jahrhunderts. bilden einige Gemälde, die sich schon seit Jahr- Zunehmend dominiert nach 1890 eine freie zehnten im Besitz der Stadt befinden. Sie sind Natursicht bei aufgehellter Palette, lebendigem in unserem Katalog als „alter Bestand“ ausge- Strich und großzügigem Gesamteindruck, wo- wiesen. Zu ihnen gehören vier nicht unbedeu- bei moderne Bildelemente wie Licht und Schat- tende Werke von Franz Bunke. Es versteht sich ten oder pastoser Farbauftrag Verwendung fast von selbst, dass der Erweiterung der Samm- finden. Bunke war ein Ästhet in der Handha- lung mit Arbeiten seiner Hand besondere Auf- bung der Farben, dessen stimmungsvolle Na- merksamkeit gilt. Der nunmehr in Schwaan turschilderungen aus einer tiefen emotionellen vorhandene Fundus von 41 Arbeiten des Grün- Bindung und achtungsvollen Haltung vor ders der Künstlerkolonie beinhaltet Kompo- allem zur heimischen Landschaft entstanden. sitionen aus der frühen Schaffenszeit des Viele Bilder tragen lyrische Titel, die meisten Meisters bis in die späten Jahre. Dabei sind sind signiert, aber nur wenige datiert. Franz unterschiedlichste Formate von der kleineren Bunkes Gesamtwerk kennt keine formalen Studienarbeit bis zu großformatigen Bildkom- Brüche, farbige Dissonanzen oder Oberfläch- positionen vertreten. Einige der Gemälde wie lichkeiten in der Wiedergabe der Realität und „… Wenn der Flieder …“, „Weites Land“, „Ein deren malerischer Umsetzung. Nachdem er stiller Herbsttag“ oder „Morgennebel“ zählen Ende des 19. Jahrhunderts seine Thematik in zweifelsohne zu Bunkes besten künstlerischen der Landschaftsmalerei und die ihm eigene Leistungen. Wenngleich die Anzahl der inzwi- künstlerische Ausdrucksweise gefunden hatte, schen vorhandenen Gemälde einen beachtli- änderten sich die Darstellungen stilistisch nur chen Umfang aufweist und das Schaffen Franz unwesentlich. Mit seiner poetischen Natursicht Bunkes in seiner Vielschichtigkeit und seinem hat er bei aller Treue zum Detail bildkünstleri- ästhetischen Anspruch generell veranschaulicht sche Formulierungen gefunden, die die Land- werden kann, sollten auch zukünftig weitere schaft vom bloßen Abbild in eine geistige Ergänzungen das Wissen über diesen verdienst- Dimension erheben und damit Bleibendes für vollen Maler vertiefen. Zeichnungen, Aquarelle die deutsche Landschaftsmalerei geschaffen. und Grafiken sind bisher nur ansatzweise im Bereits zu Lebzeiten war Franz Bunke ein an- Bestand dokumentiert. Auch in diesen Techni- gesehener Maler, der zahlreiche Auszeichnun- ken hat er Meisterliches geleistet. Durch Bunkes gen und Ehrungen erhielt, dessen Gemälde Bemühungen als Lehrer für Landschaftsmalerei ausgestellt und vielfach auch ins Ausland ver- an der Weimarer Malerschule, Kenntnisse und kauft wurden. Erfahrungen an junge Menschen weiterzuge- ben, konnte sich die Freilichtmalerei in Meck- lenburg durchsetzen und gleichzeitig das eigene Werk entwickeln. Franz Bunke hat wie fast alle Schüler von Theodor Hagen anfänglich im Sommer Stu- dien vor der Natur gefertigt und sie im Win- terhalbjahr im Atelier als Vorlagen für größere Kompositionen genutzt. Genaue Beobach- tungsweise bei sensibler Durchbildung des Ge- genständlichen kennzeichnen sein Frühwerk. Gelegentlich werden Staffagefiguren in die Bildfindungen eingebunden. Einige der mit zeichnerischer Präzision und farbiger Ausgewo- genheit dargestellten Fluss-, Meeres- und Ha- fenansichten erinnern an die Marinemalerei

| 20 Franz Bunke In Buchfahrt, um 1921 Öl auf Papier/Karton 42 x 55 cm

Franz Bunke Buchfahrt, 1921 Öl auf Leinwand/ Karton 42 x 55 cm

45 | Peter Paul Draewing Schwaan 1876–1940 Eisenach

Mit 13 Gemälden und einer Reihe Zeichnun- zeitlebens ein angesehener Maler, dessen Werke gen ist Peter Paul Draewing bereits heute ver- sich nach wie vor in vielfachem Privatbesitz be- hältnismäßig umfangreich in der Sammlung finden. Seine Bilder zeigen nicht nur Motive vertreten. Bis auf das Gemälde „Warnow- aus Mecklenburg, sondern stellen ebenso Ge- brücke“ aus dem Jahre 1927 wurden alle Arbei- genden aus Thüringen oder Süddeutschland ten in den vergangenen Jahren erworben, die dar, die er gelegentlich auch im Auftrag malte. größte Anzahl aus Familieneigentum des Ma- In seinem Schaffen finden sich Stadtansichten lers, aber auch aus dem Kunsthandel sowie pri- von Schwaan, Rostock, Weimar und Eisenach, vatem Besitz. Noch immer sind Gemälde aus auch einige Selbstbildnisse und Porträts. Er war der Weimarer Zeit weniger präsent, dafür einige außerdem Zeichner und Grafiker, schuf bei- interessante Zeichnungen. spielsweise 1921 für eine Notgeldserie der Stadt Peter Paul Draewing war wie Franz Bunke Eisenach die Entwürfe. und Rudolf Bartels gebürtiger Schwaaner, Während seines gesamten Wirkens blieb er stammt wie sie aus einfachen Verhältnissen, hat seiner Heimatstadt treu, kam jährlich zu den ebenfalls eine Lehre als Dekorationsmaler ab- Zusammenkünften der Maler nach Schwaan geschlossen und war wie sie u.a. Schüler von und betrieb hier nach wie vor Naturstudien. Theodor Hagen in Weimar. Sein künstlerischer Peter Paul Draewing gehört zur Gründergene- Weg ging wie der seiner Lehrer und Kommili- ration der Schwaaner Künstlerkolonie und hat tonen von der realistischen Natursicht aus und mit seinen besten Arbeiten nicht unwesentlich führte zu einer lichtdurchfluteten, vom Impres- zur Herausbildung einer realitätsbezogenen re- sionismus beeinflussten, kraftvollen Farbigkeit lativ eigenständigen Landschaftsmalerei in bei lockerem Strich. Besonders in den Weima- Mecklenburg beigetragen. rer Jahren zeigte er sich als kultivierter Maler, der allerdings die konventionellen Grenzen kaum überschritt. Über Besonderheiten in sei- nem Schaffen schreibt Weltzien bereits 1905: „ … tritt bei Draewing , der ursprünglich mehr zum Porträt neigt, eine Vorliebe für Staffage hervor. Er malt selten eine Landschaft um ihrer selbst willen. So ziemlich immer ist es ihm darum zu tun, nicht so sehr das Sein in der Natur, vielmehr die Betätigung in ihr zur An- schauung zu bringen …“. Zumeist werden daher verschiedene Nutztiere oder andere fi- gürliche Objekte in die Landschaftsausschnitte einbezogen, häufig Personen bei ihren Beschäf- tigungen gezeigt. Da Draewing ein genauer Beobachter war, sind alle Details sorgsam in harmonischer Far- bigkeit ausgeführt, und so manche Arbeit ent- behrt nicht einer gewissen erzählenden Idylle. Diese Neigung scheint sich in seinen Eisenacher Jahren nach 1915 noch verstärkt zu haben. Möglicherweise orientierte er sich am Ge- schmack seiner Käufer, denn seine Arbeiten las- sen besonders in den dreißiger Jahren zuneh- mend künstlerische Kraft vermissen. Trotz die- ser Einschränkung war Peter Paul Draewing

| 66 Peter Paul Draewing An der Warnowbrücke in Schwaan, um 1905 Öl auf Leinwand 95,5 x 115 cm

| 68 Peter Paul Draewing Die Warnowbrücke in Schwaan, 1927 Öl auf Leinwand 79,5 x 99 cm

69 | Wilhelm Kruse Mädchen mit Tuch Eiche 40 x 34 cm

| 128 Willi Möller Stadtmühle Schwaan, 1946 Öl auf Karton 29 x 38 cm

131 | Die „Malweiber“ aus Schwaan

Eigentlich ist der Name scherzhaft gemeint, ler tätig wurde. So auch Lisa Jürß und Luise wohl gerade deshalb, weil er kunsthistorisch Hartmann, deren berufliche Wege in die Kunst- negativ besetzt ist. Als diese Bezeichnung für wissenschaft bzw. ins Museumswesen führten malende Mädchen oder Frauen im ausgehen- sowie Lydia Kalt, die lange Jahre als Fachschul- den 19. Jahrhundert entstand, war damit eine dozentin für Kunsterziehung tätig war. Die un- gute Portion Nichtachtung und Unverständnis terschiedlichen Lebenswege der drei Frauen verbunden, denn die Kunst blieb immer noch brachten unterschiedliche Intensitäten für die Domäne der Männer. Bis auf Ausnahmen war eigene Malerei, gelegentlich auch längere Pau- Frauen ein Studium an Hochschulen bis 1919 sen. nicht gestattet. Das erklärt auch die hohe An- Als sich die gebürtige Schwaanerin Lisa Jürß zahl von Schülerinnen in den Künstlerkolo- in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts ver- nien, die mit ihrem jeweiligen Meister Studien stärkt der persönlichen Malerei zuwendete, ent- aus der direkten Anschauung in der Natur stand die Idee eines gemeinsamen Plenairs. Seit betrieben und auf diese konkrete Weise eine Er- dem Sommer 1997 finden diese Zusammen- satzausbildung erhielten. Für die Ortsansässi- künfte jährlich fast ausnahmslos in Schwaan gen entbehrte der Anblick vor der Staffelei statt. Hauptthema ist die Erkundung der Land- sitzender Weiblichkeit nicht einer gewissen Fri- schaft in und um Schwaan. Witterungsbedingt volität. Häufig verspottet, gewöhnte man sich entstehen auch Stillleben oder Gartenstücke. erst allmählich an die strebsamen jungen Gelegentlich stellen sich die Frauen einer be- Künstlerinnen und zollte ihnen die gebührende stimmten Thematik. Gemeinsam ist ihnen ein Anerkennung. sicheres Gefühl für Farbe, die immer zu harmo- Nun sind die „Malweiber“ aus Schwaan we- nischer Gesamtwirkung geordnet wird. Grafi- der Schülerinnen noch ein ungewöhnlicher sche Elemente finden nur sparsame Verwen- oder gar anstößiger Anblick. Was sie mit der dung. Es entstehen bei aller Unterschiedlichkeit Historie verbindet, ist allein die Liebe zur Natur der Handschriften Ergebnisse, die an die Tra- und das Bemühen, dem Wesen der Dinge bei ditionen in der Landschaftsmalerei Mecklen- intensiver Beobachtung der Realität in bildli- burgs anknüpfen und zugleich neue Sichtwei- chen Formen nachzuspüren. Sie sind Studien- sen veranschaulichen. Besonders deutlich wird kolleginnen der Universität Greifswald, die dieser Aspekt bei den Architekturbildern von schon in jungen Jahren mit Zeichenblock, Mal- Luise Hartmann und den „freien“ Landschaf- pappen, Rohrfeder oder Pinsel in der Umge- ten von Lisa Jürß, die zumeist als weiterfüh- bung Greifswalds oder auf Rügen die Natur als rende Anregungen aus den Auseinanderset- Teil ihrer Ausbildung zum Kunstpädagogen zungen mit dem Formenreichtum der Natur erforschten. Auf Grund ihrer malerischen Be- im Atelier entstehen. gabungen gehörten sie zu einer speziellen Stu- Die drei Malerinnen sind seit ihrem ersten diengruppe, die Unterweisungen von den pro- gemeinsamen Naturstudium in Schwaan aktiv fessionellen Künstlern Martin Franz, Wolfgang künstlerisch tätig. Ihre Arbeiten wurden bereits Frankenstein sowie Harald Hakenbeck erhielt. in zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Seit ihrer Die Institute für Kunstwissenschaft und Kunst- Emeritierung im Jahre 2000 lebt Lisa Jürß stän- erziehung wurden nach 1959 im Geiste Herbert dig in Schwaan, ist für die Kunstmühle fachli- Wegehaupts von dessen Schüler Günther Regel che Beraterin und hat mit zahlreichen Veröf- geführt. Der gesamte Lehrkörper, dem zeitweise fentlichungen die Werke der fast vergessenen auch Otto Niemeyer-Holstein und Fritz Cre- Maler der Künstlerkolonie Schwaan erneut in mer angehörten, war bestrebt, die schöpferi- das Interesse einer breiten Öffentlichkeit ge- schen Fähigkeiten der einzelnen Studenten auf rückt. verschiedensten Gebieten zu entwickeln und zu fördern. So ist nicht verwunderlich, dass eine Reihe von ihnen auf der Basis dieser profunden Ausbildung als Maler oder Kunstwissenschaft-

| 132 Lisa Jürß Rapsfelder bei Schwaan, 2004 Öl auf Hartfaser 60 x 80 cm

133 | Helga Kaffke geb. 1934 in Leipzig – lebt in Irland

In Leipzig ausgebildet und in den 70-er Jahren nach Schwerin gezogen, ist Helga Kaffke in Mecklenburg heimisch geworden, bevor die „Wende“ sie 1993 außer Landes gehen ließ. An- fänglich in der Bretagne tätig, wurde Majo im Nordwesten Irlands zur Jahrtausendwende zu ihrer neuen Wahlheimat. Dennoch führte ihr Weg immer wieder nach Sachsen und Meck- lenburg zurück, hier hat sie Familie, Freunde und Künstlerkollegen. Zumeist nutzte sie die längeren Aufenthalte zu Studien vor der Natur. Hatte sie in früheren Jahren Gemälde mit figür- lichen Szenen, Bildnissen, darunter zahlreiche Selbstdarstellungen und Landschaften, auch grafische Arbeiten, gestaltet, so wurde das Aqua- rell mehr und mehr zu ihrer gegenwärtigen Technik, die Landschaft, gelegentlich auch Il- lustrationen zu ihrem Thema. Dabei sind nicht nur die freie Natur für sie von Interesse, son- dern auch Stadt- und Dorfansichten, Straßen- züge oder einzelne Gebäude. Im Frühling 2004 sah man sie für ein paar Wochen in Schwaan. In kleinformatigen Aqua- rellen gestaltete sie akribisch einige Straßen, die Kirche im Zentrum kleinstädtischer Bebauung, Einzelgebäude unter blühenden Kastanien, Fel- der, Buschwerk, Gewässer in und um Schwaan. Mit feinen, weich lavierten Pinselstrichen bei genauer Beobachtung des Motivs fängt sie die sich darbietende Situation unter verschieden- artigem Licht ein. In ihren reizvollen miniatur- haften Arbeiten erschließt sich eine differen- zierte Welt, die zum genauen Hinsehen zwingt. Alle Details sind sowohl strukturell als auch far- big in einen Gesamtzusammenhang geordnet, wobei das durchschimmernde helle Papier der jeweiligen Komposition häufig einen heiteren Charakter verleiht. Aus einer Fülle von in Schwaan entstandenen Aquarellen konnte die Kunstmühle einige Blät- ter erwerben, mehrere private Interessenten nutzten die Möglichkeit zum Ankauf einer Schwaan-Darstellung aus der Sicht von Helga Kaffke.

| 140 Helga Kaffke Helga Kaffke Straße an der Beke, 2004 An der Warnowbrücke in Schwaan, 2004 Aquarell Aquarell 7,5 x 12 cm 7,5 x 12 cm

Helga Kaffke Helga Kaffke Blick in die Mühlenstraße, 2004 Blick über die Beke in die Fritz Reuter Straße, 2004 Aquarell Aquarell 7,5 x 12 cm 7,5 x 12 cm Barbara Nowy Generationen, 2011 Eiche, Metall Höhe 73 cm

| 146 Ausstellungen in der Kunstmühle

26. 10. 2002 Eröffnungsausstellung 06. 12. 2003 Die Sammlungen der Familien Bernitt und Burmeister Rudolf Bartels Mai 2004 „Schülerarbeiten“ Leistungskurs Kunst Gymnasium Bad Doberan 06 .12. 2004–03. 04. 2005 Der Maler Egon Tschirch – Bilder + Radierungen + Notgeld 25 .06. 2005–09. 10. 2005 „Stadtschätze und Stadtansichten“ Ausstellung zur 775-Jahrfeier der Stadt Schwaan 04. 12. 2005–31. 03. 2006 „Impressionen von Wald und Baum“ – Kabinettausstellung Alfred Heinsohn 11. 09. 2006–22. 09. 2006 1. Plenair in Schwaan Anneliese Schöfbeck, Michael Todenhöfer, Barbara Nowy, Grit Sauerborn 20. 01. 2006–15.04.2006 „Grafik Malerei Objektkunst“ Fritz Brockmann zum 70. Geburtstag 26. 08. 2007–20. 10. 2007 „X-Positionen“ Installation und Objektkunst mit Sabine Egelhaaf, Berit Lüdtke, Lin Russ, Grit Sauerborn, Andrea Schäfer, Susanna Schultz, U. Schürmeyer 04. 11. 2007–30. 03. 2008 150. Geburtstag von Franz Bunke 12 .07. 2008–14. 09. 2008 „Randsichten“ Wilhelm Facklam, Peter Busch, Harry Rutenbeck, Otto Bartels, Helga Kaffke, Fritz Reichenbacher, Karl Zülow, Karl Gumbert, Willi Möller 10. 05. 2008–06. 07. 2008 „Landschaften Stillleben Portraits“ Thuro Balzer 23. 11. 2008–01. 02. 2009 Rudolf Bartels und die „Laternenkinder“ 04. 07. 2009–30. 08. 2009 Franz Bunke zu Gast in Würzburg 05. 09. 2009–18. 10. 2009 „Carl Malchin – ganz Privat“ Bilder und Zeichnungen von Carl und Friedrich Malchin 25. 10. 2009–10. 01. 2010 „Mixed Culture/Kunst und Garten“ Installationen, Fotografien mit Licia Schoop, Renate U. Schürmeyer, Iris Thürmer, Dagmar Tin- schmann-Lichtefeld, Miro Zahra, Tanja Zimmermann – Film, Zeichnungen, Malerei und Collagen 01. 03. 2010–18. 04. 2010 „Ankauf und Schenkung – Kunstförderung“ Paul Riess, Fritz Möller-Schlünz, Richard Starke, Theodor Hagen, Wilhelm Kruse 24. 04. 2010–04. 07. 2010 Lisa Jürß – Malerin aus Schwaan – Gemäldeausstellung zum 70. Geburtstag 10. 07. 2010–12. 09. 2010 Bilder aus Ahrenshoop – Aus den Sammlungen des Förderkreises und der Gemeinde Ahrenshoop 03. 10. 2010–31. 01. 2011 „Begegnungen – Aufgewachsen mit Bartels“ Mechthild und Anna Mannewitz inspiriert von Otto und Rudolf Bartels 01. 03. 2011–30. 04. 2011 Alfred Heinsohn – Aquarelle Skizzen Zeichnungen 06. 05. 2011–30. 06. 2011 „Ein Malerdorf – Die Havelländische Malerkolonie Ferch“, Karl Hagemeister, Siegward Sprotte, Oda Schlicke, Gustav Schliwa, Hans von Stegmann und Stein, Franz Reuter, Carl Göbel, Hans Wacker, Carl Kayser Eichberg, Max Koch, Gerhard Gisevius, Arthur Borghard, Margarethe von Zawadzky, Theodor Schinkel, Helene von Winterfeld, Theo von Brockhu- sen, Franz Heckendorf, Max Jablonski, Hans Otto Gehrcke 24. 07. 2011–23. 10. 2011 „Worpswede – In seiner ganzen Vielfalt“ Bilder und Skulpturen von: Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Christian Ludwig Bokelmann, Hans am Ende, Fritz Mackensen, Heinrich Vogeler, Carl Vinnen, Marie Bock, Emy Rogge, Tetjus Tügel, Bernhard Hoetger, Ottilie Reylaender, Carl Emil Uphoff, Walter Müller, Lore Uphoff Schill, Georg Tappert, Karl Arste, Sophie Bötjer Mallet, Emmy Meyer, Walter Bertelsmann, Udo Peters, Lisel Oppel, Willi Dammasch, Albert Schiestl, Arding, Bernhard Huys, Bram van Velde, Richard Oelze, Alfred Koll- mar, Fritz Uphoff, Max Neumann, Daniel Spoerri 29. 10. 2011–30. 12. 2011 „Auf dem Weg sein“ Eine zeitgenössische Ausstellung mit Barbara Nowy im Rahmen von „Kunst Heute“ 15. 01. 2012–11. 03. 2012 Paula Modersohn Becker Grafikausstellung 18. 03. 2012–13. 05. 2012 „Selbstbildnisse aus sechs Jahrzehnten“ Fritz Brockmann 19. 05. 2012–30. 09. 2012 „Gerhart Hauptmann und seine Insel Hiddensee“ mit Gemälden und Zeichnungen von Elisabeth Büchsel, Clara Arnheim, Katharina Bamberg, Felix Krause, Leo Klein von Diephold, Erich Kliefert, Günter Fink, Ivo Hauptmann, Emil Orlic, Ferdinand Staeger, Heinrich Vogeler

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