Paul Hindemith
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Paul Hindemith Mainzer Umzug Symphonische Metamorphosen Haase · Spemann · Dahmen LandesJugendChor Rheinland-Pfalz · Philharmonisches Staatsorchester Mainz Hermann Bäumer cpo 555 257–2 Booklet.indd 1 14.01.2021 15:40:12 Weihnachtskarte von Paul Hindemith cpo 555 257–2 Booklet.indd 2 14.01.2021 15:40:12 Paul Hindemith (1895–1963) 1 Vorspiel. Requiem Als jüngst der Flieder mir im Garten blüht 4'19 Sinfonische Metamorphosen 21'21 nach Themen von Carl Maria von Weber 2 Allegro 5'34 3 Turandot. Scherzo 2'18 4 Andantino 6'02 5 Marsch 3'24 Mainzer Umzug 39'42 für drei Singstimmen, Chor und Orchester (1962) 6 Chor. Lebhaft Zweitausend Jahr sind wenig Zeit 5'34 7 Terzett. Mäßig schnell Hier sehe mer se voriwwergleite 2'18 8 Bariton Solo und Dialog So e freundlich Auskunft soll mer nit verwerfe 6'02 9 Couplet. Die Schwarzkünstler Der Gensfleisch, der Schöffer und der Fust 3'24 10 Ariette. Heiter Wo aach in der Weltgeschicht passiert 7'46 11 Bariton Solo Die Erzbischöfe nahen schon 0'56 12 Variationen Ohne Kunst und Gelehrsamkeit 3'52 cpo 555 257–2 Booklet.indd 3 14.01.2021 15:40:12 13 Quodlibet. Gemächlich, scherzando Was der Goethe da beschrieb 5'20 14 Schluss, Soli und Chor. Ruhig und feierlich 4'30 Das ist das große Heer der Schatten BONUS: Georg Karl Zulehner (1805-1847) 2'46 15 Narrhalla-Marsch T.T.: 68'18 Marie-Christine Haase, soprano* – Böppche Alexander Spemann, tenor* – Schöppche Michael Dahmen, baritone* – Pronobis LandesJugendChor Rheinland-Pfalz* Pilharmonisches Staatsorchester Mainz Hermann Bäumer cpo 555 257–2 Booklet.indd 4 14.01.2021 15:40:12 Philharmonisches Staatsorchester Mainz cpo 555 257–2 Booklet.indd 5 14.01.2021 15:40:13 Philharmonisches Staatsorchester Mainz, LandesJugendChor Rheinland-Pfalz & Solisten (Mainzer Umzug, 2018, © Andreas Orban) cpo 555 257–2 Booklet.indd 6 14.01.2021 15:40:14 Dichter und Erbauer – oder: berühmten Bühnendichter und Schriftsteller Carl Zuck- Zwei reifere Herren ziehen um mayer aus Nackenheim »im fröhlichen Weinberg« zu einem Autorenteam zu koppeln und dasselbe mit einer De Meenze Fazzenacht trogge beschraiwe – Festmusik zu beauftragen, die dem hochbrisanten Anlaß Des sollt mä besse losse blaiwe. in jeder Hinsicht gerecht würde. (Hieronymus Bembel, um 1960) Das war an sich keine schlechte Idee, denn die bei- den Künstler kannten und schätzten sich bereits seit Jahr- War’s ein glücklicher Zufall, war’s höhere Einge- zehnten. Schon Mitte der zwanziger Jahre, so berichtet bung, daß mir die zwei Zeilen just in dem Augenblick Old Zuck, wie sich der bekennende Karl-May-Anhänger zufielen, als ich darüber brütete, wie einem Werke bei- gelegentlich unterzeichnete, hatte es in Heidelberg zukommen sei, das sein Vorhandensein einer historisch nach einem »gewagten« Konzert einen denkwürdigen zwar bedeutsamen, letztlich aber doch lokal-regionalen Umzug gegeben. Hindemith spielte »zuerst auf der Viola Angelegenheit verdankte und darum nach kurzer Weile d’Amore, seinem Lieblingsinstrument, alte Musik – un- von der Bildfläche verschwand? angefochten und mit Beifall bedacht. Dann, als er eine Darauf vermag ich ebensowenig Auskunft zu erteilen eigene Komposition auf der Bratsche zu Gehör brachte, wie über die Identität des Herrn Bembel, der die oben gab es Krach, Unruhe, Pfiffe, Gelächter, Pfuirufe, was zitierten Zeilen verfaßt hat. Nachdem ich mich jüngst uns zu emphatischen Ovationen für den Vorkämpfer und ein wenig mit der Entstehungsgeschichte des hier erst- Meister der musikalischen Moderne erregte. Auf den mals eingespielten Mainzer Umzugs beschäftigt und die Schultern schleppten wir den kleinen, immer lach- und Hintergründe dank einer sehr gut dokumentierten Publi- scherzbereiten Musikanten – er liebte sich so zu nennen kation1) zumindest angeleuchtet habe, kann ich heute – durch die Stadt, zu unserem Stammlokal, dem ›Gol- allerdings mit zwei Hypothesen aufwarten: Entweder denen Hecht‹, nahe bei der alten Neckarbrücke«2) – wo hatte sich der Autor des mundartlichen Verses während dann, um es zu einem kurzen Stück von mir zu machen, der Ratssitzungen, in denen die Mainzer Politik über die das »Paulche« (so steht’s im Original) seine begeisterte gebührlichen Feiern zum 2000jährigen Jubiläum des Gemeinde an einem alten Klavier bis in die Nacht hinein einstigen Römerkastells Mogontiacum debattierte, die mit Parodien auf Liszt, Chopin und Wagner regalierte. ersten Notizen zu einer späteren Büttenrede gemacht, Ende der Zwanziger und Anfang der Dreißiger oder er war als Protokollführer der langwierigen Ver- mehren sich die Zeichen, daß Hindemith, stets auf der handlungen derart entnervt, daß er seinem Unmut nicht Suche nach neuen Textbüchern, auch Carl Zuckmayer anders als durch den gereimten Protest glaubte Herr in die Wahl möglicher Librettisten zieht. Eine Begeg- werden zu können. nung in Berlin, wo der Komponist am 13. Juli 1931 So oder so: Es muß hinter den Kulissen recht hoch den spektakulär erfolgreichen Hauptmann von Köpenick her gegangen sein, bis man schließlich die Entschei- besucht, führt zwar zu keinen künstlerischen Resultaten, dung traf, den weltbekannten Komponisten Paul Hinde- zeigt aber erneut, daß die zwei aufsehenerregenden mith (der freilich aus Hanau stammte und in Frankfurt Persönlichkeiten sich nicht schlecht miteinander ver- am Main aufgewachsen war) mit dem nicht weniger stehen – wobei die guten Beziehungen Hindemiths zu 7 cpo 555 257–2 Booklet.indd 7 14.01.2021 15:40:14 Carls Bruder, dem Pianisten und Dirigenten Eduard es könne – wo dem Gebabbel unserer Protagonisten Zuckmayer (1890–1972), sicherlich nicht ohne Ein- schon keine Oper folgte – die Auftragserteilung der fluß waren: Mit diesem hatte Max Strub am 10. April Stadt Mainz auf der Hand gelegen haben und nur eine 1920 in Frankfurt am Main die Violinsonate in D op. 11 Frage schneller Verabredungen gewesen sein. Nr. 2 uraufgeführt, ihn holte Hindemith im Auftrage Das aber war nicht »am den«, wie der Schmiede- Kemal Atatürks 1936 aus der braunen Gefahrenzone geselle Baldrian in Karl Mays großem Roman Szepter nach Ankara, und sein Wohlergehen in der Türkei wäh- und Hammer zu sagen pflegte. Einfache Lösungen, auf rend des Krieges ist auch Gegenstand der Briefe, die politischem Gebiete ohnehin dem Machterhalt zuwider, »Zuck« und Hindemith im amerikanischen Exil tauschten. sind auch dort, wo’s eigentlich heiter zugehen sollte, be- Tatsächlich war der Schriftsteller aus Rheinhessen einer kanntermaßen selten: Humor ist nun mal eine todernste von ganz wenigen deutschen Auswanderern, denen Sache, und mengt sich in diese die wiederum nahelie- sein Nachbar vom Main damals nicht aus dem Wege gende Eigenwichtigkeit der »Großkopferten« (wie man geht ... in Bayern sagt), denen es oft genug mehr um die Set- Der Kontakt mag zwischendurch, der jeweiligen zung eigener Denkmäler als um echte »Belustigungen« Arbeitsverpflichtungen und Lebensumstände wegen, zu tun ist, so gerät der ursprüngliche Einfall – im gegen- unterbrochen gewesen sein, abgerissen ist er nie. Im wärtigen Fall die Idee eines recht bemerkenswerten Ju- Oktober 1960 sieht man sich in Berlin, wo Hindemith biläums – ins langsame Mahlwerk diverser Institutionen, im Anschluß an eine Zuckmayer’sche Lesung ein Kon- und aus dem, was anfangs »Rucki-Zucki« hätte über die zert gibt: »... als ich schließlich rauskonnte«, heißt es in Bühne gehen können, bleibt oft genug ein melancho- einem Brief des Dichters an seinen Freund, den Regis- lisches »Heile, heile Gäns’che« oder die Katerstimmung seur Ludwig Berger (1892–1969), »sass das Paulche, eines Aschermittwochs übrig. die Bratsche unter den Backen geklemmt, mit seinem Der erste, der nachweislich über die Klinge sprang, Seehundkopf, übend, im Nebenzimmer und liess mich war oben erwähnter Ludwig Berger, der seinem Freund durch die geborene Rottenberg [er meint natürlich Ger- Zuck am 5. Januar 1961 schreibt, er habe »alle Mitar- trud H.] hereinrufen: Ei Zuck, wann mache mir denn beit an dem Mainzer Festjahr abgesagt, da – wie über- emal e Oper zusamme? Ich sagte: Du machst Dir doch all – die Herren dort alles besser wissen und es völlig Dei’ Textbücher am liebste selbst! – Darauf Hindemith: sinnlos ist, Mühe und Zeit zu verschwenden. Nun wirst Is nur Notstand. Schreib mir doch emal so e rischdisch du gegen mich ausgespielt – ›was brauche mir den Ber- mainzer Fassenachtsstück ...« cher – mir hawwe ja den Zuckmayer!‹ Ich hatte ihnen Während ich – immerhin mit Figuren wie Frau Bab- damals, als ich noch glaubte, vielleicht etwas wirklich bich und Frau Struwwelich oder dem Bajazz mit der La- ›über-Mainzerisches‹ schaffen zu können, gesagt, dass terne aufgewachsen – mir nach diesem Dialog mühsam du vielleicht an einem Festspiel in irgend einer Form das obligatorische »Tataa-tataa-tataa« verbiete, scheint mitzuarbeiten geneigt wärst«. Schon am nächsten Tag der launige Wortwechsel auf den ersten Blick eine gang- antwortet Zuckmayer, daß ihm »der Prälat Gottron,3) bare Brücke zu dem Hauptwerk unserer gegenwärtigen den ich immer sehr reizend fand und der auch sicher Produktion zu bilden. Jedenfalls nährt er die Vermutung, mit der ›Clique‹ dort nichts gemein hat, mir kurz vor 8 cpo 555 257–2 Booklet.indd 8 14.01.2021 15:40:14 Weihnachten geschrieben, dass man daran denke, Carl künstlerisch näher als Orff, so dass ich auch in diesem Orff für eine Chorkomposition zu gewinnen (...), und Fall nicht absagen würde, aber nur, wenn Schott das mich ›halboffiziös‹, vorläufig von sich aus, angefragt, ganze vertritt«, erfährt Ludwig Berger in einem auf den ob ich eventuell bereit wäre, dafür den Text zu schrei- 21. Januar datierten Brief. Derweil verlautbart