Neresheim und das Härtsfeld in der Vor- und Frühgeschichte

Bernhard Hildebrand

Das Härtsfeld um bildet den men abgebildet und es wird deutlich, östlichsten Teil der Schwäbischen Alb dass die Unterteilung primär der Geo- und wird durch das Kocher-Brenz-Tal logie folgt, obwohl nach Aussage der nach Westen hin vom übrigen Albkör- Begleitschriften zu den Naturraumkar- per abgetrennt. Seit der Geographi- ten auch noch weitere Faktoren wie Kli- schen Landesaufnahme der Bundesan- ma und Vegetation berücksichtigt wur- stalt für Landeskunde und Raumfor- den. Auch vom geologischen Unter- schung1 wird die Hochfläche des Härts- grund her unterscheiden sich die Teil- feldes im Gebiet des Ostalbkreises wei- räume beträchtlich. Im nordwestlichen ter in sogenannte Naturräume unter- Härtsfeld ist die Weißjurahochfläche teilt, die in Karte 01 zusammen mit un- noch von einer mächtigen Schicht aus serem heutigen Siedlungsgebiet darge- Feuersteinlehm überlagert, die in den stellt werden. Schon diese einfache Kar- anderen Naturräumen fehlt. Im inneren te mit Siedlungen, landwirtschaftlich ge- Härtsfeld besteht die Oberfläche fast nutzten Flächen und Waldflächen zeigt ganz aus Weißjura Zeta, während im die Berechtigung dieser Einteilung und Nordöstlichen Härtsfeld der Weißjura erste Unterschiede zwischen den Teil- Epsilon vorherrscht, der hier noch teil- räumen: Während sich der größte Na- weise von Riesauswurfmassen überla- turraum, das Nordwestliche Härtsfeld gert wird. Als Naturraum 096.34 wird (mit der Ordnungsziffer 096.30) um schließlich noch das Egertal um Bopfin- Waldhausen und Ebnat als fast ge- gen und Aufhausen zum Härtsfeld ge- schlossene Waldfläche mit nur wenigen rechnet. Der weiße Jura Alpha und der Rodungsinsel zeigt, ist der anschließen- Ipf als der am weitesten vorgeschobene de Naturraum des Inneren Härtsfeldes Zeugenberg der Ostalb liefern die (096.32) dagegen fast schon eine ge- Gründe dafür. Diese Zone der Härts- schlossene Siedlungsfläche. Im dritten feld-Randhöhen unterscheidet sich aber Naturraum, dem nordöstlichen Härts- hinsichtlich Klima und Vegetation schon feld (096.33) dominieren wiederum die ganz erheblich von der eigentlichen weitläufigen Waldgebiete. Albhochfläche. Nach Osten hin ist noch der kleine Naturraum der Hohen Ries- Naturräume und Geologie alb (098.00) zu erwähnen, der zwar nicht mehr zum Härtsfeld gehört, für Nach welchen Kriterien die Unterteilung unsere Untersuchung aber dennoch re- in die einzelnen Naturräume vorge- levant ist, da ein Teil der Gemarkung nommen wurde, zeigt die Karte 02: Neresheim-Schweindorf zur Hohen Hier werden die geologischen Forma- Riesalb gehört. tionen2 zusammen mit den Naturräu-

23 Geologie des Härtsfeldes Geologie und naturräumliche Gliederung

Jagst Kocher Härtsfeld- Randhöhen Jagst 096.34 096.30 Nordwestliches Härtsfeld Eger Nordöstliches Härtsfeld 098.00 096.33 096.32 Hohe Riesalb Inneres Härtsfeld

024 6810 km Egau Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta

14. Karte 02

Standortfaktoren men. Allenfalls der alte Spruch, dass es auf dem Härtsfeld „einen Kittel kälter“ Wer heute das Härtsfeld besucht, erlebt ist, lässt sich heute noch nachvollziehen. eine Kulturlandschaft von besonderem Dabei ist schon der Landschaftsname Reiz mit schmucken Dörfern, weiten so aussagekräftig wie kaum ein ande- Wald- und Ackerflächen und einer gu- rer: Die ursprüngliche Schreibung als ten Infrastruktur. Die Faktoren, die das „Hertfeld“ von 1095/1098 n. Chr. wird Leben der Menschen seit der Vor- und von der Sprachwissenschaft heute als Frühgeschichte bis weit ins 19. Jahrhun- „das harte (steinige) waldfreie Gelände“ dert hinein entscheidend bestimmten, übersetzt und schon eine Beschreibung werden heute kaum noch wahrgenom- von Ladislaus Suntheim aus der Zeit um

24 1500 gibt dieser Deutung mehr als Landwirtschaft gut geworden. Noch zur recht: „Campidurus latine, in teutsch Zeit der Oberamtsbeschreibung des das Hertfeld, ain rauch pergig vellsig Jahres 18726 war der Ertrag an Getrei- stainigs Länndle“ 3 . Noch deutlicher ist de pro Morgen Land nur gut halb so die Bezeichnung aus dem Volksmund hoch wie in den Gemarkungen am durch einen Begriff, der wohl in Stutt- Riesrand. gart entstand. Aus dortiger Sicht be- gann bereits hinter der Remsbrücke in 3. Klima Schwäbisch Gmünd der Balkan und das Aus heutiger Sicht wird das Klima auf Härtsfeld wurde abwertend als „Schwä- dem Härtsfeld als sehr gesund betrach- bisch Sibirien“ bezeichnet. tet. Für die Menschen früher waren Tatsächlich war das Leben auf dem aber die im Vergleich zum Albvorland Härtsfeld früher weitaus härter als im niedrigeren Durchschnittstemperaturen Albvorland. Die Standortfaktoren für und die kürzeren Vegetationsperioden eine Besiedlung der Albhochfläche sind eine zusätzliche Erschwernis. grundlegend für eine Beurteilung der Siedlungsgeschichte und werden des- 4. Rohstoffe/Bodenschätze halb im folgenden kurz aufgezählt. Wenigstens in dieser Beziehung hat das Härtsfeld einiges zu bieten. Noch im 1. Wasserversorgung 19. Jahrhundert wurden z. B. die aus- Durch die Verkarstung gibt es im größ- gedehnten Bohnerzvorkommen um Mi- ten Teil des Härtsfeldes weder Quellen chelfeld und Dorfmerkingen intensiv noch fließende Gewässer. Besonders ausgebeutet, die Oberamtsbeschrei- die Dörfer des Nordwestlichen Härtsfel- bung berichtet von tausenden von Zent- des waren jahrhundertelang von per- nern, die im Tagebau gewonnen und in manentem Wassermangel betroffen4 . den Schwäbischen Hüttenwerken in Die Menschen versuchten zwar durch Wasseralfingen weiterverarbeitet wur- Anlage von Sammelbecken für das Re- den7 . Ein weiterer Rohstoff ist der Feu- genwasser (sogenannten Hülben oder ersteinlehm des Nordwestlichen Härts- Hülen) und durch Zisternen, die aus feldes. Seine Eignung für die Töpferei Dachrinnen gespeist wurden, die beweist allein schon der Name Häfner- Grundversorgung sicherzustellen, die Ebnat im 18. und 19. Jahrhundert8 . dadurch bedingte Wasserqualität war aber so schlecht, dass unter anderem Fundstellen und Bodendenkmale: noch in der Neuzeit die Säuglingssterb- Zeugen der Siedlungsgeschichte lichkeit dramatisch über der des Albvor- landes lag5 . In trockenen Sommern Trotz zum Teil ungünstiger Standortfak- mussten die Dörfer Waldhausen, Ebnat toren, die sich durch die vor- und früh- und Hülen ihr Trinkwasser gar aus den geschichtlichen Anbaumethoden noch Quellen des Albvorlandes mit Fuhrwer- einmal relativieren, scheint das Härts- ken holen. feld dennoch für die Menschen attraktiv gewesen zu sein. Dies legen zumindest 2. Bodenqualität 98 Einträge in der Archäologischen Hier hat sich im Volksmund der Begriff Kartei des Kreisarchivs nahe, die ar- vom „stoiniga Äckerle“ bis heute gehal- chäologische Fundstellen und Boden- ten. Die Ertragsbedingungen der Härts- denkmale des Härtsfeldes betreffen. feldböden sind erst durch die moderne Eine Denkmalgattung tritt dabei beson-

25 ders hervor: Nicht weniger als 364 vor- geschichtliche Grabhügel sind bis heute vom Härtsfeld bekannt. Diese vergleichsweise hohe Zahl an Fundstellen und Bodendenkmalen bildet eine gute Basis um die Siedlungsge- schichte des Härtsfeldes zu beurteilen. Sie ist das Resultat einer mehr als 100- jährigen archäologischen Forschung, deren Geschichte allerdings nicht im Vordergrund der folgenden Spurensu- che stehen soll. Genauso wenig ist be- absichtigt, zum wiederholten Mal eine komplette Übersicht zur Vor- und Früh- geschichte zu geben oder einzelne Fundstellen besonders hervorzuheben. Hier sei auf die zahlreichen und durch- weg modernen Darstellungen in den Anmerkungen verwiesen9 . Vielmehr sol- len die besonderen Verhältnisse des Härtsfeldes sowie seine Siedlungsge- schichte im Mittelpunkt stehen. Zentrale Fragen sind dabei 1. die Entstehung un- 15. Steinbeil von Unterriffingen. seres heutigen Siedlungsbildes, 2. die Aus: Fundberichte aus Schwaben Gründe für die Besiedlung dieser Land- NF 18.II, 1962-1966, Tafel 40,5 schaft und natürlich 3. der Vergleich mit den Nachbarlandschaften, der erst eine Einordnung der Verhältnisse auf dem Der älteste Fund Härtsfeld gestattet. Ein Steinbeil, dass in den frühen 60er Steinzeitjäger auf dem Härtsfeld? Jahren bei Drainagearbeiten auf der Flur Mähder, Gemarkung - Auf dem Härtsfeld gibt es keine größe- Unterriffingen, gefunden wurde, ist das ren Höhlen wie z. B. im Rosenstein bei bisher älteste Fundstück von der Härts- oder die Ofnet-Höhle bei Utz- feldhochfläche10 . Das Beil, das in dieser . Deshalb überrascht das Form auch in gleichzeitigen Siedlungen Fehlen altsteinzeitlichen Fundmaterials vorkommt, stammt aus dem frühesten nicht. Das Härtsfeld liegt aber fast vor Abschnitt der Jungsteinzeit, der bandke- der „Haustür“ der Ofnet-Höhle bei Utz- ramischen Kultur. memmingen, die in der Altsteinzeit von Mit den Bandkeramikern erreichen un- den Jägern und Sammlern der Epoche sere Gegend um 5500 v. Chr. Einwan- aufgesucht wurde, ein sicheres Indiz, derer aus dem Donauraum, die eine dass die Härtsfeldlandschaft zumindest neue Lebensweise und eine neue Kultur zum Jagdrevier der damaligen Men- ins Land bringen. Anders als die einhei- schen gehört hat, genauso wie in der mischen Jäger und Sammler leben die folgenden Mittelsteinzeit, für die eben- Bandkeramiker als Bauern in kleinen falls Funde auf dem Härtsfeld fehlen. Dorfgemeinschaften, betreiben Vorrats-

26 Das Härtsfeld in der Jungsteinzeit ca. 5500 - 2300 v. Chr.

Goldberg

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Siedlung Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Einzelfund

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta

16. Karte 03 haltung, haben Haustiere, fertigen ke- die Wasserversorgung musste ebenfalls ramische Gefäße und bestatten ihre gesichert sein. Verstorbenen. So verwundert es nicht, dass die Ver- Mit diesen Menschen, die als erste re- breitungskarte der Fundstellen für die gelrechte Siedlungen errichten, beginnt Jungsteinzeit auf der Härtsfeldhochflä- die Umwandlung der Gegend in eine che nur drei Einzelfunde zeigt. Sie be- Kulturlandschaft. Allerdings haben diese treffen das schon erwähnte Beil sowie Einwanderer ganz konkrete Vorstellun- einen Keramikfund bei Waldhausen und gen in Bezug auf die Standortfaktoren ein Feuersteingerät, das unterhalb der ihrer Siedlungen: Bevorzugt werden die Kapfenburg gefunden wurde. leicht zu bearbeitenden Lößböden und Die sicheren Siedlungen der Jungstein-

27 zeit dagegen liegen am Riesrand und besonders schlecht. Die niedrigen Stein- im Egertal11 bei Bopfingen, während grabhügel der Bronzezeit sind über- das Härtsfeld siedlungsleer bleibt. haupt nur in den alten Waldgebieten noch erkennbar. In Gegenden mit in- Siedlungsbeginn in der Bronzezeit? tensiver landwirtschaftlicher Nutzung dürften sie längst ein Opfer des Pfluges Erst in der Bronzezeit beginnen die geworden sein. Zudem wurden sie we- archäologischen Spuren von der Härts- gen ihrer geringen Höhe von den Kar- feldhochfläche. Die große, vorge- tographen nicht in die Kartenwerke ein- schichtliche Wallanlage auf dem getragen16 , im Gegensatz zu den Hü- Schlossbaufeld bei der Kocherburg geln der Hallstattzeit. oberhalb von Unterkochen wurde da- Betrachtet man aber das Siedlungsbild mals nach den Grabungsergebnissen der Bronzezeit im Zusammenhang mit Hartwig Zürns wahrscheinlich als Flieh- dem vorhergehenden jungsteinzeitli- burg ausgebaut12 und von den Gemar- chen, so wird wahrscheinlich, dass wir kungen Schweindorf und Utzmemmin- für die Bronzezeit nur mit einer beschei- gen sind seit den Forschungen des denen Ausdehnung der besiedelten Flä- Nördlinger Apothekers Frickhinger13 chen vom Riesrand aus nach Westen zu drei bronzezeitliche Grabhügelfelder rechen haben, und die Härtsfeldhoch- mit insgesamt 45 Grabhügeln be- fläche bleibt genauso wie die Keuper- kannt14 . waldberge um Gschwend und Ellwan- Beides, Höhensiedlung und gen siedlungsleer. Grabhügelfelder betreffen die Härtsfeldhochfläche nur rand- Urnenfelder und Höhensiedlun- lich und sind noch kein Hinweis gen auf einen Siedlungsbeginn in dieser Zeit. Von der eigentlichen Wie sich an Hand der bronze- Hochfläche sind bis jetzt nur zeitlichen Fundstellen gezeigt zwei Höhlenfundstellen mit be- hat, ist unser heutiges Bild dieser scheidenen Keramikfunden und Epochen von den Entdeckungs- ein Bronzedolch vom Schlos- bedingungen der jeweiligen ar- shof bei Dorfmerkingen be- chäologischen Spuren abhängig kannt15 . und deswegen auch ein Produkt Dieser relativ schlechte For- des Zufalls. Nur Kulturen mit schungsstand könnte durch die oberirdisch noch gut erkennba- Entdeckungsbedingungen der ren Siedlungs- und Bestattungs- bronzezeitlichen Siedlungen spuren sind in ihrem Siedlungs- und Grabhügel bedingt sein bild gut zu fassen. Genau hier und ist auch ein Spiegelbild der wirkt sich aber der Bestattungs- Situation im restlichen Kreisge- brauch der Urnenfelderzeit – biet. Siedlungsspuren sind nur Verbrennung der Toten und Be- vom Riesrand und von wenigen stattung der Asche in Urnen – di- befestigten Bergen bekannt und rekt auf den Forschungsstand die genannten Grabhügel sind aus, der landesweit überaus be- 17. Bronzedolch gar die einzigen im ganzen vom Schloßhof scheiden ist. Landkreis. Allerdings sind die Aus dem sind bis Entdeckungsbedingungen hier

28 18. Der Ipf bei Bopfingen: Urnenfelderzeitliche Höhensiedlung und hallstattzeitlicher Fürstensitz

heute überhaupt nur die Reste von we- siedlung der Härtsfeldhochfläche in der nigen Gräbern bekannt, die entweder Urnenfelderzeit hindeuten könnten. bei Baumaßnahmen oder aber bei ar- chäologischen Ausgrabungen entdeckt Hallstattzeit: Fürsten und Bauern wurden. Grabungsbefunde gibt es von wenigen befestigten Höhensiedlungen, Eine neuerliche Änderung der Bestat- wie dem Ipf bei Bopfingen17 , dessen tungssitte bringt für die erste Stufe der mächtige Wallanlagen in der Urnenfel- Eisenzeit, die sogenannte Hallstattzeit, derzeit beginnen. Erst seit wenigen Jah- erstmals einen guten Forschungsstand ren ist dann auch eine Siedlung aus und ein relativ dichtes Siedlungsbild. dem Gebiet des Ostalbkreises bekannt, In der Hallstattzeit wurden die Verstor- die anlässlich einer Sportplatzerweite- benen in Grabhügeln bestattet, die sich rung in Riesbürg-Pflaumloch entdeckt wegen ihrer Größe und Höhe als Bo- und ausgegraben wurde18 . dendenkmale vielfach bis heute erhal- Ganz ähnlich ist der Forschungsstand ten haben. Die Zahlen sind vor allem für das Härtsfeld: Nur vier Fundstellen im Vergleich mit dem Fundbestand der sind gemeldet, zwei davon sind Höhlen- vorherigen Epochen beeindruckend: Al- fundstellen, die hinsichtlich der Sied- lein aus dem Ostalbkreis sind 863 vor- lungsgeschichte ohne weitere Bedeu- geschichtliche Grabhügel bekannt, von tung sind. Neben einem Keramikfund denen 404 mehr oder weniger sicher von der Gemarkung Kösingen sind nur der Hallstattzeit zuzurechnen sind. Wei- Siedlungsspuren von der Flur Beuge in tere 400 Hügel sind unerforscht, schei- Neresheim bekannt, die auf eine Be- nen aber auf Grund ihrer Größe und

29 Das Härtsfeld in frühkeltischer Zeit Hallstattzeit, ca. 750 bis 450 v. Chr.

60

Fürstensitz IPF Goldberg

3

15 5 12

4 6

3

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Grabhügel 5 Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Grabhügelfeld mit Anzahl der Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Hügel Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Siedlung

19. Karte 04

Form zum großen Teil ebenfalls in diese kaum mehr zu erkennen sind. Epoche zu gehören. Diese Grabhügel und Grabhügelfelder Weitere Hügel in landwirtschaftlich in- deuten alle auf in der Nähe gelegene tensiv genutzten Flächen sind durch die Siedlungen hin und sind damit sichere Jahrhunderte ein Opfer des Pfluges ge- Zeichen für eine sehr dichte keltische worden, wie eindrucksvoll ein großer Besiedlung während der Hallstattzeit. Grabhügel auf Markung Benzenzim- Für die Härtsfeldhochfläche heißt dies, mern19 zeigt und wie sich auch bei den dass die 13 Grabhügelfelder (mit insge- Grabhügeln nördlich von Niesitz auf samt 88 Hügeln) und 5 Einzelhügel al- dem Härtsfeld beobachten lässt, die, lein schon auf mindestens 18 hallstatt- auf einem Acker gelegen, mittlerweile zeitliche Siedlungen hindeuten und sich

30 Das Härtsfeld in frühkeltischer Zeit (2) hallstattzeitliche Grabhügel und "vorgeschichtliche" Grabhügel

60

Fürstensitz IPF Goldberg

3 2 B 4 6 9 3 15 5 5 12 16 11 5 B 10 3 4 B 6 3 3 16 2 4 6 6 2 3 23 3 8

9 2 47 4 024 6810 km 18 2

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Grabhügel Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie 9 Grabhügelfeld mit Anzahl Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm der Hügel Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta B Neuzeitliche Bohnerzgruben

20. Karte 05 erstmals eine Kartierung der Fundstellen stätigt sich, dass die Grabhügel in den lohnt. (Karte 04) großen Waldgebieten des Nordwestli- Eine noch weitaus dichtere Besiedlung chen und Nördöstlichen Härtsfeldes ist zu vermuten. Zumindest weitere 226 scheinbar die Zeit besser überstanden bisher unerforschte Grabhügel, die von haben als im landwirtschaftlich intensiv ihrer Größe her sehr wahrscheinlich aus genutzten Inneren Härtsfeld um Elchin- der gleichen Zeit stammen, legen dies gen, Dorfmerkingen und Neresheim. nahe. Trotz unterschiedlicher Erhaltungsbedin- Die Karte 05 zeigt dieses Bild und bringt gungen fällt aber auf, dass die sied- in der Verteilung der Grabhügel gleich- lungsgünstigeren Flächen des Inneren zeitig eine Überraschung. Zunächst be- Härtsfeldes in der Hallstattzeit fast fund-

31 leer und somit siedlungsleer sind. Ob dies allein auf die landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen ist, sei dahin- gestellt. Auf jeden Fall zeigt die Karte eine dichte Besiedlung gerade der Gebiete, deren Standortfaktoren wie Bodengüte, Klima und Wasserversorgung als besonders schlecht zu bezeichnen sind. Die Ein- zeichnung der neuzeitlichen Bohnerz- gruben bei Dorfmerkingen und Michel- feld deutet an, was die Kelten auf dem Härtsfeld (zumindest auf dem nordöstli- 21. Kösingen, Viereckschanze in Flur chen Teil) gesucht haben: Das in riesi- Farzach gen Mengen vorhandene Bohnerz20 und die leicht im Tagebau zu findenden sogenannten Eisenschwarten. cher hallstattzeitlichen Höhensiedlung Damit lässt sich aber die relativ dichte auf dem Ipf bei Bopfingen dagegen Besiedlung des Nordwestlichen Härtsfel- könnten noch einige der Grabhügel des des um Ebnat und Waldhausen noch Nordöstlichen Härtsfeldes gehören. Be- nicht erklären. Von den Standortfakto- sonders im Fall solcher mächtigen Hö- ren her müssen es schon gute Gründe hensiedlungen, in der Forschung auch sein, die die Kelten zu einer Besiedlung als Dynastenburgen oder Fürstensitze23 dieser kargen Feuersteinlehmhochflä- bezeichnet, liegen die Grabhügel der che ohne jegliche Wasservorkommen reichen Burgherren oft sehr weit von bewogen haben. Der Grund dafür der Höhensiedlung entfernt. könnte der Feuersteinlehm selbst sein. Wie die neuzeitliche Töpfertradition be- Latènezeit: sonders in Ebnat zeigt, eignet sich die- Viereckschanzen auf dem Härtsfeld ser Feuersteinlehm gut für die Töpferei. Passenderweise gibt es in der Hallstatt- Die Latènezeit gilt als die Glanzzeit der zeit eine Keramikgattung, die sich durch keltischen Kultur. Sie erhielt ihren Na- ihre Armut an Verzierungen auszeichnet men nach einem Fundort am Neuen- und die in Grabhügeln auf dem Härts- burger See in der Schweiz, wo 1857 feld genauso zu finden ist wie z.B. in massenhaft Eisenwaffen in einer Untiefe der Nekropole Wagenhardt bei - des Sees gefunden wurden. Ein neuerli- Dalkingen21 und die in der Fachwelt als cher Wechsel in der Bestattungssitte er- Keramik der Ostalb-Gruppe22 bekannt schwert für diesen jüngeren Abschnitt ist. Hier könnte eine mögliche Erklärung der vorrömischen Eisenzeit die Beurtei- für die vielen Grabhügel des Nordwest- lung des Siedlungsbildes. Die Verstorbe- lichen Härtsfeldes liegen. Ein Zusam- nen werden jetzt in Flachgräbern beige- menhang mit der Höhensiedlung bei setzt, die anfangs noch als Nachbestat- der Kocherburg auf Gemarkung Unter- tungen in die hallstattzeitlichen Grabhü- kochen ist nach dem derzeitigen For- gel eingebracht werden. Später domi- schungsstand auszuschließen. Für die nieren dann die Flachgräber und am Kocherburg liegen erst wieder Funde Ende der Epoche setzt sich schließlich von der späteren Latènezeit vor. Zur si- die Verbrennung der Toten durch. Diese

32 Das Härtsfeld in spätkeltischer Zeit Latènezeit, ca. 450 v. Chr. bis um Chr. Geburt

Ipf

Kocherburg

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm "Viereckschanze" Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Siedlung/ vermutet

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Einzelfund Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Höhlenfund

22. Karte 06

Bestattungssitten wirken sich direkt auf von denen bisher acht Anlagen im Ost- unseren Forschungsstand aus: Aus dem albkreis bekannt waren und die das gesamten Ostalbkreis ist bis heute nur keltische Siedlungsbild der vorherge- ein Grabfund der Epoche bekannt ge- gangenen Hallstattzeit im großen und worden, ein unvollständiges Krieger- ganzen markieren. grab in im Leintal. In dieses Siedlungsbild fügen sich drei Dass aber dennoch nicht mit einer Än- weitere Viereckschanzen nahtlos ein, derung des keltischen Siedlungsgebietes die 1998 vom Luftbildarchäologen des zu rechnen ist, legt eine andere Gat- Landesdenkmalamtes, Otto Braasch, im tung von Bodendenkmälern nahe. Es Ostalbkreis entdeckt wurden24 . Eine da- sind die sogenannten Viereckschanzen, von liegt auf der Härtsfeldhochfläche

33 südlich von Hohenlohe in der Flur Gro- zu sehen. Auf dem Schlossbaufeld hin- ßes Feld und passt auch hier, wie Karte ter der Kocherburg und auf dem Ipf 6 zeigt, gut in das bisher festgestellte deuten entsprechende Funde und Befe- keltische Siedlungsbild. Die andere Vier- stigungen große keltische Siedlungen eckschanze auf dem Härtsfeld liegt auf an, die vielleicht sogar als „Oppida“, der Flur Farzach in Kösingen und wurde als die stadtartigen Siedlungen der spä- bereits von ihrem Entdecker Frickhinger ten Kelten gesehen werden können. Zu- in den Fundberichten aus Schwaben mindest für den Ipf und seine Wallanla- von 1935/1938 veröffentlicht25 . gen unterhalb der Hochfläche wird eine Die Funktion dieser spätkeltischen Anla- solche Siedlung vermutet28 . gen, deren für ihre Form zutreffende Bezeichnung als Viereckschanze eher Alle Straßen führen nach Rom eine militärischen Verwendungszweck vortäuscht, ist derzeit wieder im Brenn- In den 90er Jahren des ersten Jahrhun- punkt der Forschung. Nach langen Dis- derts nach Christus beginnt für die Ost- kussionen schien ihre Zuweisung zu den alb eine neue Zeit mit der schrittweisen keltischen Heiligtümern als gesichert Einbeziehung in das Weltreich der Rö- und so werden sie auch im Standard- mer. Sehr oft ist in diesem Zusammen- werk „Die Kelten in Baden-Württem- hang von Eroberungen zu lesen und die berg“ von 1981 noch pauschal als sol- Römer werden gar als Besatzungsmacht che bezeichnet. Erst die Ausgrabungen bezeichnet. Übersehen wird dabei gern, der Viereckschanze in Bopfingen-Floch- dass zwischen dem Ende der keltischen berg brachten wieder Bewegung in die Kultur im Bereich der schwäbischen Alb Diskussion. Dort wurden im Inneren der einige Jahrzehnte vor Christi Geburt Anlage ungemein massive Ständerbau- und dem Beginn der römischen Präsenz ten gefunden, die mit dem seither an- in den letzten Jahrzehnten des ersten genommenen fast leeren Innenraum Jahrhunderts nach Christus gut ein der Heiligtümer nicht in Einklang zu Jahrhundert vergeht, aus dem bisher bringen sind26 . nicht die geringsten archäologischen Seither wird die vermutete Funktion der Spuren vorliegen. Es scheint fast, als ob Schanzen wieder weiter gefasst und die die Römer ein weitgehend menschen- Annahmen gehen verstärkt in Richtung leeres Gebiet in Besitz genommen hät- zivile Siedlung. Neuerdings werden sie ten, allenfalls eine sehr geringe kelti- als die typische ländliche Siedlungsform sche Restbevölkerung wird vermutet und des 2. und 1. Jahrhunderts vor Chri- die alte Nachricht Cäsars von der Hel- stus27 gesehen. vetiereinöde ist nach wie vor nicht von Für die keltische Besiedlung des Härts- der Hand zu weisen. feldes scheint sich in der Latènezeit we- Auf jeden Fall fehlen alle Spuren einer nig zu ändern. Der Bestand an Boden- kriegerischen Besetzung der Ostalb. Die denkmälern ist zwar ungleich geringer römische Zeit ist eher ein schrittweises im Vergleich zur Hallstattzeit, die Lage Vortasten von der Donau aus nach Nor- der beiden Viereckschanzen und die den, das im Zusammenhang mit groß- wenigen anderen Fundpunkte auf der räumigen strategischen Überlegungen Karte zeigen aber im Prinzip eine Beibe- zu sehen ist. Noch um 50 n. Chr. bilden haltung des Siedlungsraumes. In Zu- Rhein und Donau die Grenzen des rö- sammenhang mit der Härtsfeldhochflä- mischen Reiches im heutigen Süd- che sind noch zwei weitere Wallanlagen deutschland. Der Verlauf der Flüsse ist

34 Das Härtsfeld in der Römerzeit ca. 85 bis 260 n. Chr. Straße zum Straße zum Kastell Munningen Kastell Buch Kastell ca. 85 n. Chr. bis ca. 130 n. Chr. (?) Kastell Oberdorf ca. 85 n. Chr. bis ca. 130 n. Chr. (?)

Straßen nach Nördlingen

Kastell 164 n. Chr. bis 260 n. Chr.

Straße zum Kastell Heidenheim Straße zum Kastell Heidenheim 024 6810 km Straße nach Faimingen Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Römischer Gutshof Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie (VILLA RUSTICA) Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Römische Zivilsiedlung Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Römische Straßenstation

23. Karte 07 allerdings von der Länge der Grenze n. Chr.) wurde eine Verkürzung der Ver- her und vor allem in verkehrstechni- kehrsverbindungen und eine Begradi- scher Hinsicht sehr unbefriedigend. Der gung der Grenze in Angriff genommen gesamte militärische und zivile Verkehr und unter seinem Nachfolger Domitian zwischen den Provinzen Obergermani- mit der Besetzung des Neckarlandes en und Raetien und ihren Hauptstädten fortgeführt. In domitianischer Zeit ent- und Augsburg lief damals noch stand dann auch die neue Fernstraße über Basel um das Rheinknie und be- von Mainz über -Bad Cannstatt deutete einen gewaltigen Umweg. nach Augsburg. Die Distanz zwischen (Distanz Mainz-Augsburg: 640 km). beiden Städten wurde dadurch auf 360 Bereits unter Kaiser Vespasian (69–79 km verkürzt29 . Ebenfalls in domitiani-

35 scher Zeit in den Jahren um 85/90 n. Chr. wird die östliche Alb Teil des römi- schen Imperiums. Mit dem sogenannten Alblimes entsteht eine erste, von der Donau aus vorgeschobene Grenzlinie, die aber nicht wie der spätere Limes be- festigt, sondern nur durch Kastelle über- wacht wird. Militärisches Zentrum wird jetzt das neue, 5,2 ha große Kastell der Ala II Flavia in Heidenheim, das mit den weiter vorgeschobenen Kastellen , Lauchheim (?) und Oberdorf mit Straßen verbunden wird. Es sind die ersten befestigten Straßen im Gebiet der Ostalb und für das Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts kann von einer direkten Straßenverbindung von Oberdorf am Ipf über Augsburg nach Rom ausgegangen werden. Gleich zwei dieser Straßen führten über das Härtsfeld und haben sich in ihrer 24. Römerstraße Faimingen-Oberdorf Trassenführung zum größten Teil bis beim Fluertshäuser Hof heute erhalten (Karte 07). Die östliche Straße, die Verbindung vom Kastell Oberdorf zum römischen Faimingen, zumindest die Verbindung Oberdorf- zeigt in ihrem Verlauf eindrucksvoll die Heidenheim noch im späten ersten Prinzipien des römischen Straßenbaues: Jahrhundert nach Christus entstanden Kennzeichen der Römerstraßen ist ihr, sein muss. Wenigstens über die Bauart wo immer möglich, geradliniger Ver- der Straßen sind wir seit den Ausgra- lauf. So zieht auch die Straße Oberdorf- bungen in Bopfingen-Flochberg infor- Faimingen als fast 13 km lange Gerade miert. Dort wurde 1990 im Egertal eine von Frickhingen aus kommend über komplette römische Straßenstation aus- das Härtsfeld bis Hohenberg, wo sie gegraben, die direkt an der wichtigen dann nach Nord-Osten abknickt und Fernverbindungsstraße des 2. und 3. ins Egertal hinunterführt. Jahrhunderts vom Neckarraum ins Ries Einen ähnlich geraden Verlauf zeigt die entlang der Schwäbischen Alb lag. Der wohl militärisch wichtigere Verbindung eigentliche Straßenkörper war nicht Oberdorf-Heidenheim, die heute be- mehr erhalten, wohl aber Teile des Un- sonders noch am Flughafen Elchingen terbaues aus Kies mit einer Breite von im Gelände zu sehen ist. Beide Straßen fast 6 Metern (20 römischen Fuß), flan- sind eine der wenigen gesicherten Bei- kiert von den typischen Straßengrä- spiele solcher Römerstraßen im Gebiet ben30 . Anders als die Römerstraßen in der Ostalb, obwohl auch für sie ein Italien sind in Süddeutschland bisher Baudatum nur vermutet werden kann. noch keine Anhaltspunkte für eine stei- Der Bau der Straßen ist aber im direk- nerne Pflasterung der Straßen gefunden ten Zusammenhang mit der Anlage des worden. Immerhin waren es befestigte Kastells in Oberdorf zu sehen, so dass Straßen, die einen gesicherten militäri-

36 schen und zivilen Verkehr gewährleiste- zug der Römer auf die Donaulinie um ten. 260 n. Chr. endet auch die römische Um die Mitte des zweiten Jahrhunderts Besiedlung des Härtsfeldes. Nur die gut finden dann wieder großangelegte Bau- ausgebauten Römerstraßen dürften als maßnahmen der Römer statt und die Fernverbindungen weiterhin ihre Funkti- Kastelle des Alblimes verlieren ihre on behalten haben. Funktion. Die wichtigste Truppeneinheit der Provinz Raetien, die Ala II Flavia Narin, der Alamanne wird von Heidenheim nach Aalen vor- verlegt, wo 164 n. Chr. die Bauarbeiten Verantwortlich für den Fall des Limes in für das über 6 ha große Kastell abge- den Jahren um 260 n. Chr. war ein ger- schlossen werden. Der vordere Limes manischer Kampfverband, dessen erst- entsteht und die spätestens am Ende maliges Auftauchen in der Geschichte des zweiten Jahrhunderts durchgehend eng mit der Ruine eines römischen Ge- befestigte Grenze wird im Vorland der bäudes in Rainau-Dalkingen verbunden Ostalb durch die Kastellkette , ist. Dort wurde das Limestor in den Jah- Schwäbisch Gmünd-Schirenhof, Unter- ren 213/214 n. Chr. von den Römern böbingen, Aalen, Rainau-Buch und Hal- mit einer Prunkfassade in Form eines heim gesichert. Im Schutz dieser Gren- Triumphbogens versehen. Der Anlass ze, im Volksmund als Teufelsmauer be- dafür war der Sieg des römischen Kai- kannt, dürfte sich dann spätestens auch sers Caracalla über die Alamannen im eine rege zivile Besiedlung entwickelt Sommer 213 n. Chr., Ausgangspunkt haben. Die Karte 07 zeigt dieses römi- des Feldzuges ins freie Germanien war sche Siedlungsbild, dessen Schwerpunk- das Limestor in Dalkingen. Die Berichte te im fruchtbaren Ries und seinen Rand- über den Feldzug sind widersprüchlich. gebieten zu finden sind. Aber auch ent- Die römische Propaganda bescheinigte lang der Römertraßen auf dem Härts- dem Kaiser einen glanzvollen Sieg, feld entstanden die typischen Anlagen während kritischere Zeitgenossen be- der römischen Gutshöfe, von denen bis haupten, Caracalla hätte die Alaman- jetzt 10 Anlagen durch Funde und alte nen mit Gold bestochen31 . Nachrichten mehr oder weniger sicher Erfolgreich war sein Feldzug allemal: bekannt sind. Hier liegt noch eine gro- Die Alamannen gaben darauf hin gut ße Aufgabe der Luftbildarchäologie, 20 Jahre Ruhe. entlang der Straßen nach solchen Guts- Erst ab 233 n. Chr. bedrohten germani- höfen Ausschau zu halten. sche Kampfverbände wieder den Limes, Die Verteilung der bekannten Anlagen der 260 schließlich von den Römern lässt aber immerhin das Siedlungsver- aufgegeben werden musste. halten der Römer vermuten. Die Karte Wer waren nun diese Alamannen, die 07 zeigt, dass die römischen Landwirte damals zum ersten Mal in der Ge- die Weißjuraflächen des Nordöstlichen schichte auftauchten? Die moderne For- und vielleicht auch des Inneren Härtsfel- schung sieht sie als Kampfverband aus des bevorzugt haben, während sich für verschiedenen germanischen Stämmen eine Besiedlung der Feuersteinlehm- aus dem Gebiet der mittleren Elbe und hochflächen des Nordwestlichen Härts- erst die Eroberung des Limesgebietes feldes um Ebnat und Waldhausen keine und das sesshaft werden, machte aus Anhaltspunkte ergeben. dem Kampfverband einen Stamm. Rai- Mit dem Fall des Limes und dem Rück- ner Christlein, der Verfasser des moder-

37 nen Standardwerkes zur Geschichte der hunderts übernehmen die Alamannen Alamannen, hat es wie folgt formuliert: von den Franken eine neue Bestattungs- „Das Jahr 260 ist die Geburtsstunde sitte. Die Verstorbenen werden jetzt mit des alamannischen Stammes als Staats- voller Tracht und Bewaffnung in „Rei- gebilde32 “. hengräbern“ beigesetzt, die Männer mit Die frühe alamannische Besiedlung der ihrem „Heergewäte“, die Frauen mit ih- Ostalb ab dem späten 3. bis zur Mitte rem „Gerade“. Sowohl Schmuck als des 5. Jahrhunderts ist bis heute nur auch die Bewaffnung, vor allem die rei- schwer archäologisch fassbar. Der chen Gürtelgarnituren der Männer un- Grund dafür liegt in der sehr uneinheit- terliegen modischen Veränderungen, lichen Grabsitte und der scheinbar ge- die es der Forschung gestatten, die ein- ringen Siedlungsdichte. Die einzigen zelnen Gräber zeitlich einzuordnen. Zu- aus der Umgebung sicher bekannten dem spiegeln die Grabbeigaben in ih- Siedlungen liegen in Großkuchen und rer Reichhaltigkeit den sozialen Status Sontheim im Landkreis Heidenheim. der Verstorbenen wider. Aus dem Gebiet des Ostalbkreises gibt Der Beginn eines solchen Reihengräber- es nur vergleichsweise wenige Funde, feldes liefert zudem noch einen Anhalts- die auf eine Anwesenheit der frühen punkt auf die Gründung der zugehöri- Alamannen hindeuten. Es sind in der gen Siedlung. Für den Ostalbkreis er- Hauptsache spätrömische Münzen aus gibt sich durch die Reihengräberfelder dem 4. Jahrhundert, die für die Orte ein sehr dichtes Siedlungsbild und ein Lauchheim, Bopfingen und auch Neres- sehr guter Forschungsstand, was allein heim eine frühalamannische Siedlung schon die Zahl der über 4000 erforsch- wahrscheinlich machen könnten. Ein ten Gräber zeigt. einzelner Münzfund ist freilich als Indi- Die Entstehung unseres heutigen Sied- kator für eine Siedlung kaum geeignet. lungsbildes beginnt damit nach Aussa- Größere Fundkomplexe dagegen kön- ge der Reihengräberfelder in der Mitte nen nicht mehr als Alt- oder Sammlers- des 5. Jahrhunderts in Lauchheim und tücke erklärt werden. Aus Neresheim Neresheim. Die übrigen auf der Karte gibt es eine solche Münzreihe. Es sind 08 eingezeichneten Ortschaften folgen 10 spätrömische Münzen, die in ihrer im zeitlichen Abstand von 50 bis 100 Prägezeit das gesamte 4. Jahrhundert Jahren. In Lauchheim gehört das euro- abdecken und alle von Gärtner Brenner paweit bedeutende Gräberfeld in Flur im Bereich der Gärtnerei und der Wasserfurche zu einer inzwischen auf- Schafhauswiese gefunden wurden.33 gelassenen Siedlung in der Flur Mittel- Der Fundort liegt im Bereich des später hofen und der Zusammenhang mit der einsetzenden Reihengräberfeldes, aus späteren Siedlung im benachbarten dem zwei weitere Münzen des 4. Jahr- Lauchheim ist bisher noch nicht geklärt. hunderts stammen, so dass die anderen Neresheim wäre damit mit seinem in 10 Münzen auch aus zerstörten Grä- der Mitte des 5. Jahrhunderts beginnen- bern stammen könnten. Eine sichere den Gräberfeld die älteste, heute noch Einordnung der Münzreihe ist ohne nä- bestehende Siedlung im Ostalbkreis. here Kenntnis der Fundumstände nicht Nur für die Jahre nach 700 bis zur ur- möglich. kundlichen Erwähnung 1095 n. Chr. ist Erst das 5. Jahrhundert n. Chr. bringt eine Siedlung am Ort bis jetzt nicht für die Forschung eine Änderung der nachweisbar, wohl aber mit Quellenlage. Um die Mitte des Jahr- Sicherheit anzunehmen.

38 Frühgeschichtliche Besiedlung des Härtsfeldes ca. 450 bis 700 n. Chr.

Hüttlingen

Lauchheim Kirchheim

Kapfenburg Bopfingen

Aalen Trochtelfingen

Unterkochen

Dorfmerkingen

Kösingen Neresheim

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Reihengräberfeld Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Siedlung

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Einzelfund Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Burg

25. Karte 08

Die Auswertung des 1975 und 1976 Narin35 wird die Siedlung benannt, er vom Landesdenkmalamt ausgegrabe- darf als der Gründer der heute noch nen Reihengräberfeldes34 bei der Gärt- bestehenden Siedlung gelten. Die er- nerei Brenner, die Ergebnisse der Na- sten Neresheimer bestatten ihre Verstor- mensforschung sowie die Zusammen- benen auf der heutigen Flur Krautgär- stellung und Kartierung der Fundstellen ten zwischen der Nördlinger Straße und ergeben für das Härtsfeld den folgen- der Trasse der ehemaligen Härtsfeld- den Ablauf der Siedlungsgeschichte: bahn. Das Gräberfeld lässt 4 Bestat- Um die Mitte des 5. Jahrhunderts lassen tungsgemeinschaften erkennen, die auf sich in Neresheim alamannische Siedler genauso viele Höfe in der zugehörigen nieder. Nach dem Sippenoberhaupt Siedlung hinweisen. Die genaue Lage

39 Frühgeschichtliche Besiedlung des Härtsfeldes (2) alamannische Siedlungen und ihre Lage zum römischen Straßennetz

Hüttlingen

Lauchheim Kirchheim

Kapfenburg Bopfingen

Aalen Trochtelfingen

Unterkochen

Dorfmerkingen Oberkochen

Kösingen Neresheim

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Reihengräberfeld Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Siedlung

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Einzelfund Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Burg

26. Karte 09 der Hofstellen ist bis heute nicht be- stellt werden. Gut ein Jahrhundert spä- kannt, ist jedoch entweder im Bereich ter gründet ein weiterer Alamanne na- der heutigen Innenstadt oder in der mens Kazo36 die Siedlung Kösingen, die Nähe einer der Egauquellen zu vermu- nach Aussage des Gräberfeldes aus 3 ten. Eine der Hofstellen scheint später Einzelhöfen bestand. Ebenfalls im 6. im Verlauf des 6. Jahrhunderts wieder Jahrhundert lässt sich die Sippe des aufgegeben worden zu sein. Die Beiga- Marcho37 in Dorfmerkingen nieder, wo ben der insgesamt 158 Gräber deuten ebenfalls Reihengräber gefunden wur- auf eine bäuerliche Bevölkerung hin, den. Die Gräberfelder Neresheim und Ortsadel oder gar fränkischer Hochadel Kösingen werden bis zum Ende (Kösin- wie in Lauchheim konnte nicht festge- gen) oder kurz vor dem Ende (Neres-

40 Frühgeschichtliche Besiedlung des Härtsfeldes (3) alamannische Siedlungen und ihre Lage zur 600 m Höhenlinie

Hüttlingen

Lauchheim Kirchheim

Kapfenburg Bopfingen

Aalen Trochtelfingen

Unterkochen

Dorfmerkingen Oberkochen

Kösingen Neresheim

024 6810 km

Weißer Jura Epsilon Weißer Jura Alpha Lehm Reihengräberfeld Brauner Jura Delta-Zeta Bunte Breccie Siedlung

Brauner Jura Gamma Feuersteinlehm Einzelfund Brauner Jura Beta Weißer Jura Zeta Burg

27. Karte 10 heim) der Reihengräber und der Beiga- gebung. Nach dem heutigen For- bensitte belegt und bezeugen damit schungsstand erscheint das Siedlungs- auch die zeitgleichen Siedlungen. Um verhalten der Alamannen eindeutig: Be- 700 endet unter dem Einfluss des Chri- siedelt werden nur die Weißjuraflächen stentums die Beigabensitte und auch die des Inneren und der südliche Teil des Reihengräberfelder werden aufgegeben Nordöstlichen Härtsfeldes um Kösingen. und zu den neu entstandenen Kirchen Damit nehmen die Alamannen im Prin- im Ort verlegt. zip nur den älteren römischen Sied- Die Karte 08 zeigt eine Zusammenfas- lungsraum in Besitz. Die absoluten Hö- sung des alamannischen Siedlungsbil- henlagen des Härtsfeldes sowie das des auf dem Härtsfeld und seiner Um- Gebiet des Feuersteinlehms um Wald-

41 hausen und Ebnat bleiben zunächst bis in das 8. Jahrhundert n. Chr. siedlungs- leer. Wie die Karte 09 zeigt, ist auf dem Härtsfeld ein Zusammenhang zwischen den Römertrassen und den alamanni- schen Siedlungen nicht nachzuweisen. Die letzte Karte 10 könnte die Grenzen der alamannischen Besiedlung des 5.- 7. Jahrhunderts zeigen: Keine der bis- her bekannten Siedlungen liegt ober- halb der in der Karte gestrichelt einge- zeichneten 600 Meter Höhenlinie. 28. Bohnerz aus den ehemaligen Für die Orte oberhalb dieser Höhenlinie Bohnerzgruben bei Michelfeld und vor allem für die Ortschaften des Nordwestlichen Härtsfeldes deutet sich damit eine spätere Entstehungszeit nach anschließt. Die von den Römern urbar dem Ende der Reihengräbersitte, also gemachten Flächen werden dann spä- im 8. Jahrhundert oder gar noch später, testens im 5. Jahrhundert von den Ala- an. Dem scheinen zum größten Teil mannen besiedelt, die aber genauso auch die Ortsnamen nicht zu widerspre- wie die Römer die Höhenlagen und das chen: Während die Orte mit den Na- Gebiet des Feuersteinlehms meiden. Mit mensendungen auf –ingen oder einer Besiedlung der Hochflächen des –heim als die älteren Gründungen gel- Nordwestlichen Härtsfeldes ist erst im 8. ten, werden Rodenamen wie Waldhau- Jahrhundert oder noch später zu rech- sen oder Stellenbezeichnungen wie Eb- nen, sieht man von der vermuteten ala- nat in spätere Jahrhunderte gesetzt. mannischen Höhensiedlung am Platz der heutigen Kapfenburg einmal ab. Zur Siedlungsgeschichte des Härtsfeldes

Wie die Zusammenstellung und Kartie- rung der Fundstellen und Bodendenk- male zeigt, ist nach dem derzeitigen Forschungsstand mit einer dichten Be- siedlung des Härtsfeldes erst in kelti- scher Zeit zu rechnen. Wie die Karte 05 nahe legt, lagen die Gründe für die Be- siedlung des Härtsfeldes für die Kelten in der Ausbeutung der Bodenschätze Bohnerz und Lehm, während die Land- wirtschaft wohl keine oder eine unterge- ordnete Rolle gespielt hat. Die Einbezie- hung ins Siedlungsland der Römer ist wohl primär auf die beiden wichtigen Verbindungsstraßen zurückzuführen, an denen sich im Lauf der Zeit dann im Vergleich zum fruchtbaren Ries eine be- scheidene landwirtschaftliche Nutzung

42 Das Härtsfeld in der Vor- und Frühgeschichte - Zeittafel

Ende der Reihengräberzeit. um 700 Reihengräberfunde in Reihengräber- Dorfmerkingen. zeit Um 550: Der Alamanne Kazo gründet Kösingen. um 450 Frühes Mittelalter Alamannen Um 450: Der Alamanne Narin Frühe gründet Neresheim. Alamannen Münzreihe: 10 Fundmünzen des 4. Jahrhunderts in Neresheim. 260 Limesfall Mindestens 10 römische Gutshöfe Römische Römer auf dem Härtsfeld. 180 Zeit Vorderer Limes Bau der Römerstraßen Heidenheim- Oberdorf und Faimingen-Oberdorf. um 85 Alblimes „Viereckschanzen“ in Kösingen und Spätlatènezeit Dorfmerkingen. Latènezeit Mittellatènezeit Frühlatènezeit -450 Kelten Jüngere Hallstattzeit Mindestens 93 Grabhügel verteilt Hallstattzeit auf 13 Standorte zeugen von einer Ältere relativ dichten Besiedlung. Hallstattzeit -750 Urnen- Jüngere Urnenfelder K. 2 Höhlenfunde, ein Einzelfund und felder- Ältere Siedlungsspuren bei Neresheim. kultur Urnenfelder K. -1.200 Späte Bronzezeit

Hügelgräber- 3 Grabhügelfelder bei Schweindorf Bronzezeit Bronzezeit und 1 Grabhügelfeld bei Utzmemmingen. Frühe Bronzezeit Bronzedolch vom Schloßhof. -2.300 Becherkulturen Jung- Goldberg III Michelsberger steinzeit Rössener Bislang ältester Fund vom Härtsfeld: Bandkeramik Steinbeil von Unterriffingen. -5.500

Mittel- Schädelbestattungen in der Ofnet- steinzeit Höhle. Keine Funde vom Härtsfeld. -10.000

Funde aus der Grossen Ofnet-Höh- Altsteinzeit le. Keine Funde vom Härtsfeld.

43