Geschichtsverein Aalen E.V
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Aalener Jahrbuch Online Geschichtsverein Aalen e.V. Bearbeitet von Georg Wendt ©2020 Geschichtsverein Aalen e.V. Bildnachweis: Soweit nicht anders vermerkt, wurden die Fotos und Illustrationen vom Stadtarchiv Aalen zur Verfügung gestellt. 012 Das Ende des Krieges im Kreis Aalen im Spiegel der Ortsberichte von Martin Grasmannsdorf Furchtbar muss unser Volk für den ren Bürgermeister, Lehrer und Pfarrer, Wahnsinn der Vergangenheit büßen.1 in Dalkingen eine Frau. So lautet das Fazit des Berichts zum Ganz lapidar geht es auch: Aus Unter- Kriegsende aus Hüttlingen. Aufbe- riffingen traf eine halbe Seite in Stutt- wahrt wird er, wie 61 weitere aus dem gart ein, und in Ellenberg nutzte man Altkreis Aalen, im Bestand J 170 des die Zwischenräume des Anschreibens Hauptstaatsarchivs Stuttgart. für die Antwort. Der Anstoß zur Anfertigung der Be- Die Berichte sind inzwischen nach richte kam vom Württ. Statistischen Ortschaft sortiert auf der Homepage Landesamt, das Anregungen von des Landesarchivs einsehbar (Signa- Oscar Paret aus dem Jahr 1945 aufgriff. tur: Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 170 Der Bericht sollte nach vorgegebenen Bü 1 für den Landkreis Aalen). Gesichtspunkten gegliedert werden, der Rücklauf bis zum 1.11.1948 abge- Am 1. April 1945 deutet der Wehr- schlossen sein. machtsbericht mit der Erwähnung von Bad Mergentheim darauf hin, Alle Gemeinden kamen dieser Auf- dass sich der Krieg der Ostalb nähert, forderung nach. Nur zu Ellwangen ist denn nun steht endgültig fest, dass vermerkt: siehe Ellwanger Jahrbuch die deutschen Truppen der alliierten 1947. Militärmaschinerie nur noch wenig entgegenzusetzen haben. Die Hoff- Die meisten Berichte umfassen gera- nung auf den Einsatz der Wunderwaf- de einmal zwei maschinenschriftliche fen schwindet: Es wäre doch sicher Seiten, zwei sind von Hand geschrie- höchste, allerhöchste Zeit, die ange- ben. kündigten Wunderwaffen endlich einzusetzen (Hofen). Die Texte aus einigen Orten lassen in- des darauf schließen, dass Vorarbei- Im Verhalten der Bevölkerung kann ten, vor allem in Form von Tagebuch- man Zeichen der Auflösung erken- einträgen geleistet worden waren. nen: Bei der Bestattung hob sich an Hervorzuheben sind hier Aalen, Bop- dem Soldatengrab zum ersten Mal kei- fingen, Essingen, Fachsenfeld, Hofen, ne Hand zum Hitlergruß (Jagstzell, 11. Hüttlingen, Jagstzell, Oberdorf, Ober- April). kochen, Rindelbach, Unterwilflingen. Lediglich bei BdM und HJ ist der Glau- Diese Berichte umfassen fünf Seiten be an den Endsieg ungebrochen. In und mehr (Bopfingen 22 Seiten) und Bopfingen wird zu Ostern am Ipf ein geben dadurch weitreichende Einbli- großes Werwolfzeichen gelegt und cke. Als Verfasser zeichnen des öfte- allenthalben stand eines Morgens an 1 den Zäunen und Mauern das Wer- durchzuführen. Der Feind solle nur wolfzeichen und die Worte „Wir sie- ein schlafendes Land vorfinden. gen doch“ mit Ölfarbe geschrieben. Die Organisation Werwolf, eine Grün- Als am 7.April vom Landratsamt der dung von Heinrich Himmler, sollte Befehl „Cäsar“ durchgegeben wird, den Untergrundkampf gegen die Alli- sieht man in Fachsenfeld nirgends et- ierten organisieren. was, was auf eine Ausführung des Be- fehls schließen lassen könnte. Auf den Der Jahrgang 1930 wird zwei Tage Rathäusern jedoch beginnt man mit nach der Konfirmation am 20. März der Aktenvernichtung. Der Fleiß, den gemustert und soll sich zum Eintritt in man dabei an den Tag legt, scheint die SS verpflichten (Bopfingen). Am 17. örtlich verschieden. April werden 20-24 Angehörige des HJ-Jahrgangs 1929 von der SS ein- Ehe die deutschen Truppen auf ihrem gekleidet, ohne Kragenspiegel. Vom Rückzug das Kreisgebiet erreichen, Jahrgang 1930 einzelne Freiwillige. muss die Bevölkerung mit ansehen, Sie werden noch vier Tage lang aus- wie KZ-Häftlinge durch das Kochertal gebildet. getrieben werden. Der „Hessentaler Todesmarsch“ schlägt sich in einigen Aalen und Umgebung sollen zur Ver- Ortsberichten nieder, so in Dalkingen, teidigung eingerichtet werden. Daher Kirchheim am Ries, Kerkingen, Ober- beginnen die örtlichen Volkssturm- dorf und besonders eindrücklich in führer mit der Festlegung der Vertei- Bopfingen und Dirgenheim. digungsgräben, Schützenlöcher und Panzersperren. Die Männer des Volks- In Neresheim, wo schon viele Aus- sturms beginnen am Karfreitag zu gra- länder in einem Umsiedlungslager ben. Man kann nicht gerade von gro- seit Jahren zusammengepfercht le- ßer Begeisterung sprechen, berichtet ben, werden Inder und Neger durch- man aus Fachsenfeld. Hier wie auch geführt. Das Kriegsgefangenenlager andernorts, z.B. in Dalkingen, werden Ludwigsburg ist auf dem Marsch (10. auch Frauen und Mädchen eingesetzt. April). Die Bürgermeister des Kreises werden Auch in Goldburghausen beobachtet am 29. März in Fachsenfeld zusam- man den Durchzug von 1.000 Kriegs- mengerufen und erfahren dort vom gefangenen (Franzosen, Polen, Tsche- neu ernannten Kreisleiter Trefz, dass chen). Nicht genug damit. Kosaken bei Annäherung des Feindes mit zwei der so genannten Wlassow-Armee Befehlen zu rechnen sei: „Cäsar“ und sind bereits auf ihren Pferden durch „Nero“. die Stadt gezogen (11. März). Aber auch tschechische und ungarische „Cäsar“ bedeute die Vorbereitung der Fremdarbeiter sind bereits auf dem völligen Räumung des Gebietes von Weg in ihre Heimat.(Dirgenheim). Menschen und Vieh, bei den Behör- den und Ämtern müsse mit der Ak- KZ-Häftlinge gehören zum Ellwan- tenvernichtung begonnen werden. ger Alltag, denn dort arbeiten Häft- Werde das Stichwort „Nero“ gege- linge des Konzentrationslagers Natz- ben, wäre die Räumung des Gebietes weiler-Struthof. Sie stellen in einer in Richtung der angegebenen Ziele Holzköhlerei im Waldteil in der Nähe 2 der Dalkinger Straße Holzkohle her zum Beispiel bei Essingen, wo ein An- (Schwabsberg). griff am 8. April zehn Tote und zahl- reiche Verletzte fordert. Jedoch der Beschuss durch Tiefflieger im Volks- Bahnhof kam mit dem Schrecken mund „Rotschwänze“-wird nahezu davon. In Oberkochen wird ein Zug überall verzeichnet.² Er fordert nicht angegriffen, in dem KZ-Häftlinge aus wenig Tote: Bauern, Bauersfrauen, Neckarelz nach Dachau transportiert Mägde, Fremdarbeiter bei der Feld- werden. Acht Häftlinge sterben. arbeit, Kinder im Haus und im Frei- en. Können sich Menschen oft noch Abgesehen von zielgerichteten Bom- in Deckung retten, so sind die ange- bardierungen wie in Aalen entledi- schirrten Arbeitstiere, Pferde, Ochsen, gen sich Bomber gelegentlich ihrer Kühe, ein leichtes Ziel. Last über Feldern und Wäldern. Davon schreiben Kerkingen, Lauchheim (100 Ebenso leicht sind Züge zu treffen, so Bomben bei Gromberg), Pfahlheim, Abb.1: Bombardierung des Aalener Bahnhofs am 17. April 1945. Links unten sind deutlich die Umrisse der Aalener Altstadt zu erkennen (US-Airforce; 534.365) 3 Abb.2: Das zerstörte Bahnhofsgelände in Aalen nach dem Angriff. Unterschneidheim,(circa 20 Bomben), len am Horizont den Vormarsch der Röttingen, Zipplingen (46 tiefe Krater). Amerikaner anzeigen. Wo nicht be- reits geschehen, wird allerorten der Aalen wird Ziel eines heftigen An- Bau von Panzersperren vorangetrie- griffs, der auch von Fachsenfeld aus ben. Geschlossen werden sie noch beobachtet wird. Am 17. April fliegen nicht. Sprengungen werden vorberei- 35 zweimotorige dunkle Flugzeuge in tet. Und bald durchqueren die ersten 4-500 m Höhe an und werfen jeweils „Rückwärtigen Dienste“ den Kreis. So zwei Bomben ab, die eine beträchtli- wird in Kerkingen ein mobiles Pferde- che Größe haben müssen, da sie von lazarett aufgeschlagen. hier aus einzeln gesehen werden. Das Auftreten geschlossener deut- Deutsche Abwehr ist nicht bemerkbar. scher Einheiten wird mehrmals be- Riesige Rauch - und Staubwolken stei- sonders erwähnt. Das Erscheinungs- gen auf. Am Abend erfolgt ein zweiter bild der Waffen-SS erweckt Mitleid: Angriff mit 36 Maschinen. Bewohner Diese Formation bestand vorwiegend verlassen daraufhin in großer Zahl die aus sehr jungen Menschen. Abgema- Stadt in die umliegenden Ortschaf- gert und traurig gingen die jungen, ten und Waldungen. Im Ortsbericht bemitleidenswerten Soldaten durch schätzt man ihre Zahl auf 400-500, die die Straßen. […] Die Disziplin dieser in Fachsenfeld Zuflucht suchen. Truppe war gut (Tannhausen). In der zweiten Aprilwoche rückt der Um Auftreten, Ausrüstung und Be- Krieg näher. Bald werden Rauchsäu- waffnung des Volkssturms war es 4 nicht gut bestellt. Während in Bop- Panzerregiment acht Tage lang im fingen noch Gewehre ausgegeben Quartier und hunderte von Lastwagen werden, die man einige Tage zuvor und Tankwagen waren in den Wäl- aus Oberndorf geholt hatte, verfügt dern abgestellt. Als dann am 20. April der Volkssturm in Neresheim weder der Abmarsch bekannt wurde, gerie- über Waffen noch über Ausrüstung. ten sie in eine solche Stockung, dass In Stödtlen müssen sich jeweils 15 stundenlang der ganze Verkehr stock- Mann die wenigen vorhandenen Waf- te (Schweindorf). fen (einige ausländische Gewehre mit einigen Schuss Munition) teilen. Von Nicht wenige Soldaten entledigen Kampfstimmung ist zumeist nichts zu sich ihrer Waffen und auch ein Ge- spüren. schütz bleibt schon mal stehen (Oh- menheim). Auf der anderen Seite Dafür ist die Stimmung im Adler in Eb- erleichtern requirierte Traktoren (Bull- nat umso besser, da Anfang April der dogs) oder gewaltsam weggenomme- deutsche Ortskommandant zum Ball ne Pferde aber auch Kinderwagen das lädt, zu dessen Vorbereitung ca. 600 Fortkommen (Rindelbach, Hüttlingen, Eier requiriert werden. Bei Schnaps, Waldhausen, Dankoltsweiler). Wein, Bier und Tanz, wobei sich eva- kuierte Frauen und hiesige Mädchen Der Eindruck vom