Bio-dynamische Landwirtschaft IV

Ausgewählte Vorträge aus Bildung und Weiterbildung 2012/2013

Seite 3 Bio-dynamische Landwirtschaft IV Eine Auswahl von Vorträgen aus Bildung und Weiterbildung 2012/2013

Herausgeber: Lehr- und Forschungsgemeinschaft für bio-dynamische Lebensfelder Dank für die finanzielle Unterstützung zur Herausgabe dieses Sammelbandes:

Danksagung

Die Lehr- und Forschungsgemeinschaft für bio-dynamische Lebensfelder bedankt sich bei den ReferentInnen für die wertvollen Vorträge. Die Ringvorlesung wurde durch die großzügige Unterstützung von Sponsoren er- möglicht. Wir danken folgenden Sponsoren: Lackner&Lackner GmbH. Deutschlandsberg, Lisa Dyk, Romana Prasser, Verein Vielfalt im Waldviertel und dem Österreichischen Demeterbund.

Impressum Herausgeber: Lehr- und Forschungsgemeinschaft für bio-dynamische Lebensfelder In der Auen 543, 8583 Edelschrott; Tel: 03144 3545

Die Vorträge wurden aufgezeichnet, transkribiert, als Text gestaltet, den ReferentInnen vorgelegt und nach deren Zustimmung in den Sammelband aufgenommen.

Aufnahmen: Willi Erian

Transkription: Mag. Waltraud Neuper, Astrid Reisz, Doris Edler

Lektorat: Oskar Grollegger

Umschlag-Foto: Dr. Manfred Klett anlässlich des Vortrages an der Universität für Bodenkultur in Wien im Jänner 2012

Layout, Satz, Bildbearbeitung: Peter Polz

Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Wienerstraße 80, A-3580 Horn

Seite 2 Vorwort ben. Die menschliche und tierische Arbeitskraft wurde nach und nach durch die Maschine ersetzt. Parallel dazu konnte Mit dieser Ausgabe erscheint nun mittlerweile schon der 4. eine zunehmende Individualisierung der Menschen beob- Sammelband der Ausbildung zum biologisch-dynamischen achtet werden. Das menschliche Individuum wurde seiner Landwirtschaften. Abermals sind tiefgründige Beiträge von selbst immer mehr bewusst. Und damit einhergehend bra- Referenten aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammen- chen auch die Fäden zum übergeordneten kulturellen Zu- gefasst, die eines gemeinsam haben: Sie vermitteln ein um- sammenhalt ab. Die Spezialisierung in einzelne Fachdiszip- fassendes Verständnis über Zusammenhänge, die schein- linen wurde auch in der Landwirtschaft unter gleichzeitiger bar weit über das eigentliche Fachgebiet „Landwirtschaft“ Vernachlässigung des Blickes auf größere Zusammenhänge hinausgehen. Gerade dieses Umfassende ist aber - wie forciert. Erst dadurch sind Missstände, wie wir sie beispiels- ich meine - das Charakteristische an der bio-dynamischen weise von der Massentierhaltung her kennen, möglich ge- Methode. Für eine Kultur, die den Menschen trägt, ist eben worden. Zusammenfassend gesagt, können wir also einen mehr nötig als bloßes Fachwissen. Und nur ein Bewusstsein, Zusammenhang beobachten zwischen dem allgemeinen das sich auch über unmittelbare Einzelheiten zu erheben Niedergang von Kultur, der Degeneration in der Landwirt- vermag, kann die kulturelle Degeneration überwinden. Wir schaft einerseits und der zunehmenden Individualisierung leben in einer Zeit, wo das Wort Krise allgegenwärtig ist. Ein des Menschen andererseits. Skandal wird vom nächsten abgelöst. Nun, wie sind wir in diese Situation geraten? Zur Erläuterung sei ein Rückblick ins Der individuell gewordene Mensch ist aber aufgerufen zur vergangene Jahrhundert mit persönlichen Erlebnissen ge- Selbsterkenntnis. „O Mensch, erkenne dich selbst“ stand stattet. schon über der Pforte des Tempels von Delphi. Rudolf Stei- ner hat sich als Lebensaufgabe gestellt, die uralt heiligen Ich hatte noch das Glück, meine Kindheit in einer primär von Mysterien so zu erneuern, dass der gegenwärtige Mensch Landwirtschaft geprägten bäuerlichen Kultur zu durchleben. daran anknüpfen kann. Das Resultat ist die Anthroposophie. Damals schien es, als gäbe es keine Grenze zwischen den Sie ist ja der Erkenntnisweg, der zum Ziel hat, das Geistige Belangen, welche die Landwirtschaft regelten und dem im Menschen mit dem Geistigen in der Welt zu verbinden. allgemeinen kulturellen Zusammenhang. Jahresfeste und Jede wahre Selbsterkenntnis führt naturgemäß zur Welter- Arbeitsabläufe standen in enger Beziehung zueinander, ja kenntnis. Denn der Mensch als Mikrokosmos unterliegt den gingen ineinander über. Der kulturelle Zusammenhalt wirk- gleichen Kräften und Gesetzen wie der Makrokosmos. Und te gleichsam wie von selbst durch Überlieferung von einer von hier aus kann eine Erneuerung der Kultur erfolgen. Und Generation auf die nächste. Erst später kam auch bei uns die die biologisch-dynamische Landwirtschaft ist genau jene, sogenannte „neue Zeit“, als die bisherige Ordnung zuneh- in welcher versucht wird, aus der Anthroposophie heraus mend an Tragkraft verlor. Nichts ging mehr wie von selbst. neue Kräfte und Mittel zu finden, welche die Landwirtschaft Die jüngere Generation konnte oder wollte nichts mehr au- aus ihrer misslichen Situation befreien können. tomatisch von der älteren übernehmen. Zugleich wurde die Wir können nicht mehr zurück zu der bäuerlichen Kultur der Mechanisierung in der Landwirtschaft massiv vorangetrie- vergangenen Jahrhunderte. Unser gegenwärtiges Selbst-

Seite 3 bewusstsein ist aber die Frucht aus dem Herausfallen aus großem Interesse das Entstehen dieser Initiative, freue mich dieser. Und ausgehend von diesem Bewusstsein können über das schon Erreichte und wünsche alles Gute für die wir eine neue zukunftsweisende Kultur schaffen. Wir sehen Zukunft. also, dass die neue Ordnung eigentlich schon da ist. Aller- dings muss sie auch als solche erkannt und ergriffen werden. Das Gute muss auch getan und verwirklicht werden, nicht Hubert Winter nur gedacht und gefühlt. In diesem Sinne verfolge ich mit Dr. DI LEC-TU Graz

Seite 4 Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Danksagung, Impressum...... 2 Elisabeth Stöger Tierhaltung im Spannungsfeld von Vernachlässigung und Vorwort...... 3 Vermenschlichung … ...... 71

Einleitung ...... 7 Doris Edler Manfred Klett Jahreszeitenbetrachtung - ...... 81 Das Organismus- und Individualitätsprinzip als Gestaltungsformen der bio-dynamischen Landwirtschaft Anton Rohrer, Barbara Scherbaum ...... 9 Potenzieren und Dynamisieren - ...... 89 Michael Kassner Ernährung in den Lebensaltern - Johannes Fetscher ...... 31 Heilungsmöglichkeiten der Bodenprozesse in der bio- dynamischen Landwirtschaft -...... 93 Harald Siber Auflösungs- und Verhärtungsprozesse Jürgen Friedel in Mensch und Natur auf Grundlage der Drei- und Vierglie- Bodengesundheit und Bodenfruchtbarkeit - derung - ...... 41 ...... 109

Manfred Klett Walter Cloos Der Mensch als Leiter und Begleiter der Tierwelt - Über die Bildung der belebten Erde ...... 127 ...... 53 Doris Edler Oskar Anderl Das Hofentwicklungsgespräch - ...... 135 Der Bien - ...... 65 Wolfgang Eichinger CSA in Österreich - ...... 131

Seite 5 Seite 6 Einleitung

Waltraud Neuper

Wie können wir Landwirtschaft so beschreiben, dass sich alle gut zur Leitschnur unseres Handelns werden kann: Bauern und Bäuerinnen darinnen wiederfinden? Die lange In einer Tierhaltung, welche das Tier wieder Tier sein lässt, wel- Zeit geltende Formulierung, dass die Landwirtschaft Nahrung che den Menschen in ein richtiges Verhältnis zum Tier bringt. für Mensch und Tier bereitstellt, taugt nicht mehr. Inzwischen Elisabeth Stöger zeigt in ihrem Vortrag auf, in welche Extreme produziert die Landwirtschaft auch Rohstoffe für die Energie- Tierhaltung sich auswachsen kann, wenn dieses Verhältnis nicht gewinnung. beachtet wird. Sie entwickelt dieses Thema an den Krankheits- Also müssen wir etwas bescheidener fragen: Woran könnte bildern von Sklerose und Entzündung. sich die Landwirtschaft heute in ihrem Handeln orientieren? Verhärtung und Auflösung als polare Endpunkte aller unserer Le- Einen Konsens zu finden wird auch hier nicht gelingen, zu un- bensprozesse liegen auch den Ausführungen von Harald Siber terschiedlich sind die Zielsetzungen der Bauern selbst und der über die Wesensglieder und die Dreigliederung des mensch- Interessenslagen außerhalb, welche aber massiv in die Land- lichen Organismus zugrunde. In einfühlsamer, durchaus aber wirtschaft hereinwirken. auch humorvoller Beobachtungs-Genauigkeit vermittelt er ein Bild über unsere Lebensprozesse und ihre angestammten Orte Für die biologisch-dynamische Landwirtschaft hat Rudolf Stei- in den verschiedenen Systemen des Organismus. Verlagert ner einen hilfreichen Hinweis gegeben, nach welchem sich sich ein Prozess an einen Ort im Körper, wo er nicht hingehört, diese in sinn- und respektvoller Weise gegenüber allem Leben- entsteht Krankheit. Der Vortragende bleibt aber nicht bei der digem ausrichten lässt: Krankheit stehen, sondern weist darauf hin, dass solch eine Die Landwirtschaft muss den Menschen zur Grundlage ihres Krankheit auch ein Heilungsprozess sein kann. Um das erken- Handelns machen. nen zu können, braucht es aber ein tieferes Verständnis des Eine Landwirtschaft muss sich orientieren am Bild des Men- Ineinander-Wirkens der Wesensglieder und des dreigliedrigen schen – diese Forderung ist auch das Credo der Vorträge von Systems des Organismus. Manfred Klett, welche diesem Sammelband das geistige Ge- Wir können diese Prozesse der Verhärtung und Auflösung auch rüst geben. Seine lange Erfahrung als Landwirt, als Forscher und an den Böden in unseren Landwirtschaften erkennen. Johannes als Leiter der Landwirtschaftlichen Sektion am Fetscher führt uns in seinem Beitrag hinein in diese Prozesse der spricht sich in diesem Satz aus; in einer Wahrhaftigkeit, welche Erde, welche unseren Sinnen meist entzogen sind; sie drücken uns biologisch-dynamisch arbeitenden Bauern und Bäuerinnen sich in verschiedenen Phänomenen aus. Es gelingt in diesem

Seite 7 Vortrag, ein Gefühl für diese Prozesse im Boden zu vermitteln – Dieses Füreinander von Konsumenten und Produzenten, von und die Erkenntnis, dass es der Mensch, der Bauer ist, welcher Verbrauchern und Erzeugern, Bauern und Käufern wird als neue den Boden durch seine Maßnahmen in das eine oder andere Kooperationsform im Beitrag von Wolfgang Eichinger sichtbar. Extrem bringt. Johannes Fetscher legt den, das Land bebauen- Er stellt verschiedene Formen von kooperativem und assozia- den Menschen, eindrücklichst den kritischen Zustand unserer tivem Handeln zwischen diesen beiden Seiten vor. Dass sich Kultur-Böden nahe. Auch hier scheint wieder das biologisch- dabei auch ein neues Verständnis von gegenseitiger sozialer dynamische Credo von der Orientierung der Landwirtschaft Verantwortung entwickelt, lässt die Hoffnung für das Weiter- am Bild des Menschen herein. Wir sind aufgefordert, den Bo- Bestehen und Neu-Entstehen kleinstrukturierter Landwirtschaf- den als Organismus zu erfassen; nur so können wir seine Le- ten wachsen. bens-Prozesse verstehen lernen. Denn es geht nicht nur um das Einen Hof biologisch zu führen, Vielseitigkeit zu pflegen und Wissen um die Fakten und Details, sondern um ein Verständnis dabei auch noch Zeit für das soziale Miteinander am Hof zu seiner inneren Vorgänge und Lebenszusammenhänge. finden, stellt oft eine große Aufgabe dar. Die Hofentwicklungs- Von der naturwissenschaftlichen Seite her, hat Jürgen Friedel gespräche sollen helfen, das eigene Tun zu reflektieren, Wege sich dem Boden über die Thematik Bodengesundheit und Bo- zur Verbesserung der Situation am eigenen Hof zu entdecken, denfruchtbarkeit angenähert. Er gibt Aufschluss darüber, wie gemeinsam das Entwicklungspotenzial zu finden. Doris Edler die Art und Weise, wie wir den Boden bearbeiten, sich auf berichtet in ihrem Beitrag über die gelebte Praxis dieser neuen den Boden auswirkt. Dabei werden die Fragen nach dem Zu- Form von gegenseitiger Unterstützung. sammenhang von Maschinen und Bodenverdichtung erörtert Den Zusammenhang zwischen Nahrungsmittel-Qualität, wel- und mit Zahlen unterlegt, es werden Hinweise für den Aufbau che zuallererst von der angewandten landwirtschaftlichen von Dauerhumus gegeben und auch die für den biologisch- Methode und dann von genauer Verarbeitung abhängt, und dynamischen Landbau relevante Frage diskutiert, ob die Ent- sozialem Wohlbefinden in allen Lebensaltern, beschreibt Mi- wicklung von Bodenfruchtbarkeit ohne Tierhaltung möglich chael Kassner in pädagogisch beredter Weise. ist. Neben der Tierhaltung spielt im biologisch-dynamischen Möge es gelungen sein, in diesem vierten Sammelband eine Landbau auch der Einsatz der Kompost- und Spritzpräparate anwendbare Mischung aus grundsätzlich Bekanntem und er- eine bedeutende Rolle für Bodenfruchtbarkeit und Bodenge- kenntnismäßig Neuem gefunden zu haben. Indem die bio- sundheit. logisch-dynamische Landwirtschaft vom Ausgangspunkt her Einerseits bietet hier Manfred Klett eine vertiefende Darstellung untrennbar mit der sozialen Frage verbunden ist, sollten diese von Hornmist und Hornkiesel, anderseits haben sich Anton Beiträge, wenigstens in Ansätzen, Heilungsmöglichkeiten für Rohrer und Barbara Scherbaum bemüht, die Art und Weise der diese Wunde unserer Zeit anbieten. Verdünnung sowohl aus homöopathischer wie auch anthro- posophischer Sicht zu verdeutlichen. Waltraud Neuper Schmalzhof im April 2013

Seite 8 Das Organismus- und Individualitätsprinzip als Gestaltungsformen der bio-dynamischen Landwirtschaft

Manfred Klett

Liebe Freunde der Landwirtschaft!

Darf ich vorerst kurz etwas zu meiner Person sagen: Ich war rund 20 Jahre als Landwirt auf dem 200 ha großen Dotten- felderhof in einer Betriebsgemeinschaft mit 4 weiteren Fa- milien und 20 Jahre am Goetheanum in der Schweiz tätig. Am Letzteren verantwortlich für die biologisch-dynamische Landwirtschaft weltweit. Dieser Organismus-Begriff, der Thema meines Vortrags sein soll, ist nicht eine Erfindung des bio-dynamischen Landbau- es, sondern er war die Grundlage eines rund tausendjähri- gen, abendländischen, christlichen Landbaues.

Das Dorf – die Dorfgemeinschaft Ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. gab es in Europa die erste Besiedelungswelle mit größeren Rodungen; der eng mit der Christianisierung verbundene europäische Ackerbau be- gann im Laufe des 9. Jahrhundert. Der Organismusgedanke ist charakterisiert dadurch, dass der Organismus einen Mittelpunkt hat und eine Peripherie, die zueinander in einem polaren Verhältnis stehen und dennoch einander bedingen. Der Kulturträger dieser mitteleuropäischen Landwirtschaft war die Dorfgemeinschaft, von der Form her das Dorf. Je

Seite 9 nach Dorfform ordneten sich um diesen Mittelpunkt herum Diese, aus den Kräften des Volkstums heraus geborene, auf in- die einzelnen Gebäude, in denen die Menschen und die stinktivem Wissen basierende Landbewirtschaftungsform blieb Tiere unter einem Dach lebten, weswegen wir diesen wun- bis in das 19. Jahrhundert, auch für Einzelgehöfte, in dieser or- derbaren Begriff „Haustier“ haben. ganistischen Form fast unverändert erhalten. Um diesen Gebäudekomplex herum legte sich ein Kreis von Auch die landwirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre war Bauerngärten, in denen Gemüse, Kräuter und Heilpflanzen Anfang des 20. Jhts. der Auffassung, dass dieses Prinzip die gezogen wurden. Drum herum bildete sich ein Saum von Erzeugungsbedingungen der Landwirtschaft trägt. Man hat Obstgärten mit sämtlichen Obstkulturen, gefolgt von einem dieses Prinzip von Seiten der Wissenschaft weder im 19. Jhts. ringförmigen Gürtel an Wiesen, Weiden und verschiedenen noch in der ersten Hälfte des 20. Jhts. in Frage gestellt, hat an Ackerkulturen. Daran schloss sich ein Bereich des Waldes seiner Gültigkeit nicht gezweifelt, hat zur damaligen Zeit ledig- und der Gewässer, die ihrerseits wiederum die Grenze zu lich Bemühung unternommen, dieses Prinzip zu optimieren. einer ähnlich aufgebauten Dorfgemarkung bildeten. Der Ausdruck „Gemarkung“ kommt vom Markstein, dem Grenz- Industrialisierung der Landwirtschaft zeichen zwischen zwei Dorfgemeinschaften. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kam der endgültige Der geistige Mittelpunkt der Dorfgemeinschaft war der Kul- Durchbruch der Industrialisierung der Landwirtschaft, insbe- tus, welcher den Menschen in der Kirche vermittelt wurde. sondere durch die Herbizide. Von einem Jahr aufs andere Das, in ganz strenger, spiritueller Weise vermittelte Christen- konnte zum Beispiel ein landwirtschaftlicher Betrieb durch tum, war den Menschen dieser Zeit die Quelle, aus der sie die Anwendung dieser Hilfsmittel die doppelte Hackfrucht- ihre moralischen Kräfte geschöpft haben. In ihrem Geisti- fläche bewirtschaften. gen, Spirituellen waren diese Menschen ganz wesentlich In den Lehrbüchern zukünftiger Zeiten wird vermutlich zu von dem geprägt, was ihnen von diesem Mittelpunkt aus lesen sein, dass der abendländische, mitteleuropäische zuströmte und das ganze Jahr über das soziale Leben in Landbau in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts zu Grabe strenger Weise ordnete. getragen wurde. Diese Grablegung sah so aus, dass im Zuge der Spezialisierung und Rationalisierung, also auf dem Weg Die Urzelle der europäischen Landbaukultur der Industrialisierung, sich nach und nach die einzelnen Ele- Dieses dargestellte Prinzip der Dorfgemeinschaft galt für ganz mente der Landwirtschaft –Viehzucht, Ackerbau, Obstbau, Mitteleuropa und ist als die Urzelle der mitteleuropäischen Kul- Gartenbau - separiert und verselbständigt haben. tur anzusehen: Menschen, welche diese Dorfgemarkung mit al- len lebenswichtigen Bereichen (Organen) einer Landwirtschaft Die 3 „Isierungen“: Spezialisierung, Rationalisierung, bewirtschaftet haben und sich in ihrem geistig-spirituellen Be- Mechanisierung dürfnis auf die Mitte konzentriert haben. Das entspricht einem Eigene, spezialisierte Gartenbaubetriebe waren die Ersten, organistischen Prinzip. Landwirtschaft war einst gleichbedeu- gefolgt von viehlosen Ackerbaubetrieben und dem Obst- tend mit dem Schaffen, Gestalten und Erhalten von Kulturland- bau. Sieht man auf die heute übliche Erzeugung von Ge- schaft. Alles, was wir heute als Kulturlandschaft bezeichnen, müse hin, die unter Zuhilfenahme von künstlicher Wärme ist aus diesen Dorfgemarkungen, diesem Organismusprinzip und künstlichem Licht auf Hydrokultur betrieben wird, so heraus erwachsen. erkennt man ganz deutlich dieses Herauslösen eines dieser

Seite 10 Elemente des Organismus und dessen Verselbständigung. Kredit auf. Man kann sagen, Geist schafft Geld, schafft Kredit. Innerhalb der Viehhaltung ging die Hühnerhaltung voraus, Mit der Idee des Industrieproduktes im Kopf und dem Geld in die Schweine- und Rindermastbetriebe folgten, und zur- der Hand kauft der Mensch Maschinen. Um diese Maschinen zeit erleben wir die Industrialisierung der Milchviehhaltung. zu bedienen, braucht er Menschen. Also nicht der Mensch Ein Familienbetrieb in Kalifornien braucht mindestens 900 produziert dann, sondern die Maschine, die bedient werden Milchkühe, um zu überleben. muss. Da der menschliche Geist versucht, die Einsatzzeit der Alle Elemente des einstigen landwirtschaftlichen Organis- Maschine zu minimieren, wird die Arbeit in einzelne Arbeits- mus haben sich verselbständigt, sind zu Monokulturen ge- schritte geteilt. Da tritt ein Prinzip der industriellen Produktion worden. Man erhoffte sich davon zweierlei: Die Beseitigung ganz deutlich in Erscheinung, nämlich die Arbeitsteilung. Je des Welthungers und die Angleichung des bäuerlichen Ein- mehr Natur oder Handarbeit zur Herstellung von Produkten kommens an das von Industriearbeitern. In den 80er-Jahren aufgewendet werden muss, umso teurer wird es; je weniger gab es die ersten Überproduktionen – und trotzdem hun- Natur drinsteckt, desto billiger wird es. gert heute ein Siebtel der Menschheit. Ich will nun über- haupt keine Kritik an diesem Zustand anbringen, denn die Naturverbrauch Dinge gehen ihren Weg. Es hängt immer nur von der Einsicht Die industrielle Erzeugung nimmt nur einen Teil der Natur in des Einzelnen ab, da Abhilfe zu schaffen. Vorerst streben Anspruch, nämlich die anorganische Natur - Rohstoffe und solche Entwicklungen immer einem gewissen Höhepunkt Energie. Damit verbraucht industrielle Produktion fortwäh- entgegen und es ist notwendig - die Not wendend – dass rend Natur. wir rechtzeitig eine Besinnung anstreben. Um das Produkt auf den Markt zu bringen, braucht es einen Wir müssen der Frage nachgehen, ob wir ein klares Bewusst- Preis, der sich aus all den Kosten zusammensetzt, die aufzu- sein bekommen können, wie eine solche Wende wirklich wenden waren: Kapitalkosten, Energie- und Rohstoffkosten, vonstatten gehen kann. Wir wollen hier keine intellektuel- Löhne, Unternehmergewinn und etwas ganz Entscheiden- len Theorien aufstellen, sondern müssen alle Dinge auf ihr des - die Abschreibung. Ein Teil des, über den Verkauf he- Wesen hin radikal zu durchdenken versuchen, um zu einer reinkommenden Geldes muss für die Erneuerung der Ma- grundsätzlichen Klarheit zu kommen. schinen zurückgelegt werden. Dies deshalb, weil sich die Maschinen im Produktionsprozess nicht reproduzieren. Hauptfrage: Worin unterscheiden sich landwirtschaftliche Erzeugungsbedingungen von denen der industriellen Pro- Das Müllproblem duktion? Ein weiteres Charakteristikum ist, dass auf dem Weg dieser Produktion fortwährend Abfall, Müll entsteht. Allmählich Produktionsbedingungen der Industrie wird klar, dass die gesamte Welt zu vermüllen droht, die Die Quelle allen menschlichen Tuns ist der menschliche Geist; Weltmeere sind bereits sehr stark mit unzerstörbaren Kunst- der menschliche Erfindergeist ist der Ausgangspunkt aller in- stoffen, die Böden mit Schwermetallen, die Luft mit Abfall- dustriellen Erzeugung. Wenn jemand eine gute Idee gebiert stoffen der Energieanwendung, die ganze Welt mit strahlen- und diese umsetzen will, braucht er dazu vorerst Kapital. Hat den Abfallprodukten aus der Kernspaltung belastet. Diese er keines, so holt er sich welches von der Bank, er nimmt einen Abfallproblematik ist nach wie vor ungelöst, wird auch in

Seite 11 Zukunft keiner Lösung zugeführt werden können, da es ein wicklung, einen Aufbau der Erzeugungsgrundlagen sehen, systemimmanenter Bestandteil der industriellen Produktion während in der industriellen Produktion eine Abwärtsent- ist. Man kann über Recycling dieses Problem lediglich ver- wicklung, ein Abbau der eigentlichen Lebensgrundlagen ringern, die Grundsätzlichkeit lässt sich nicht aus der Welt stattfindet. Die landwirtschaftliche Erzeugung braucht keine schaffen. Fasst man das Ausgeführte zusammen, so sieht Abschreibung, weil sich eine Kuh oder der Weizen jährlich man, dass hier ein Wirtschaftssystem in sich selbst rotiert. reproduzieren. Die Abschreibung in der Landwirtschaft ist Nun kann man natürlich die Energiefrage durch Nutzung eine ganz andere: das Bemühen des Menschen, die Kuh, von alternativen Systemen der Energiegewinnung entlasten. den Weizen heute so zu züchten, den Kulturboden so zu Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass die industrielle pflegen und zu hegen, dass sie in 100 Jahren in dieser Form Produktion eine negative Energie- und Rohstoffbilanz auf- auch noch existieren können. Bei richtiger Zucht und Pflege weist. verbessern sich die Erzeugungsgrundlagen der Landwirt- schaft und bedürfen daher keiner betriebswirtschaftlich- Die Bedingungen der landwirtschaftlichen Erzeugung monetären „Abschreibung für Abnutzung“. Was entspricht bei der landwirtschaftlichen Erzeugung dem Man sieht hier den grundsätzlichen Unterschied zur Indus- Kapital in der industriellen Produktion? Es ist die Natur, je- trie: In der Landwirtschaft ist das eigentliche Kapital der doch nicht die anorganische, sondern im überwiegendem fruchtbare, lebendige Boden, die Kulturpflanze und das Ausmaß die organische Natur, bestehend aus den Elemen- Haustier, also die belebte und beseelte Natur. Das sind ten Boden, Pflanze und Tier. Es steckt natürlich auch der die eigentlichen Erzeugenden, die in einem innigen, sich menschliche Geist, der Schöpfergeist dahinter, aber die- gegenseitig bedingenden Verhältnis zueinander stehen. ser Geist ist einer, welcher der Natur immanent ist. Und er Betrachtet man diesen Erzeugungsablauf eines Produktes ist von menschlicher Seite nur soweit gefordert, als er die in der Landwirtschaft, so kann man kein Erzeugnis für sich Landwirtschaft gestaltet, sich überlegt, welche Kulturen und alleine sehen, ohne die Beziehung der einzelnen Elemente Tiere am Hof gehalten werden sollen usw. des Organismus zueinander zu berücksichtigen. Das heißt, In der heutigen Betriebswirtschaft ist man der Ansicht, die nicht die Maschine produziert in der Landwirtschaft, son- Landwirtschaft besteht aus Grund und Boden, Arbeit und dern die Erzeugnisse gehen aus dem Zusammenhang dieser Kapital. Nun ist es aber so, dass in der Landwirtschaft kein Elemente des landwirtschaftlichen Organismus hervor. Die monetäres Kapital geschöpft werden kann. Sie kann streng- Aufgabe des menschlichen Geistes ist es, unter Zuhilfenah- genommen kein Kapital bilden. Die landwirtschaftliche Er- me der menschlichen Arbeit, die Erzeugungsleistung dieses zeugung verursacht keinen Müll, sondern Abfallstoffe, die Organismus zu optimieren. wiederum in den Naturkreislauf zurückfließen und letzt- Nun werden dabei auch Maschinen benötigt; man braucht endlich zur Humusbildung beitragen. Jeder Abfallstoff, den Mähdrescher, den Kartoffelvollernter als verlängerte der bei der landwirtschaftlichen Erzeugung anfällt, kann Arme des Menschen, die bei der Ernte helfen, den Rest des wiederum als wertvoller Stoff in vielen Bereichen des Ho- Jahres aber in irgendeiner Ecke des Hofes stehen. Aus dem fes Verwendung finden, bis er schließlich als Grundelement Umstand, dass man als Ein-Mann-Betrieb Maschinen ein- in der Kreislaufwirtschaft wieder Eingang findet. So kann setzen muss, um seinen Hof zu bewirtschaften, kann nicht man grundsätzlich in der Landwirtschaft eine Aufwärtsent- abgeleitet werden, dass dies zielführend ist und weiterhin

Seite 12 zwingend so sein müsste, denn diese Maschinen produzie- der Landwirtschaft überstülpen kann, denn dieses steht der ren nichts. Eigenart der Landwirtschaft konträr gegenüber. Und diese Unvereinbarkeit muss ernst genommen werden. Das Problem der Kapitalbildung Sieht man auf die industrielle Produktion und denkt ihr Prin- Aus diesem, heute notwendigen Zwang des Maschinenein- zip zu Ende, denkt 50 oder 100 Jahre weiter, so bedarf es satzes in der Landwirtschaft ergibt sich die Forderung, Ka- einer radikalen Änderung. Die große Herausforderung, vor pital zu bilden, denn zur Maschinenanschaffung ist solches der wir stehen, ist, eine Erzeugung auf allen Ebenen zu be- notwendig. Die Kapitalbildung in der Landwirtschaft erfor- werkstelligen, in der sich die aufbauenden und abbauen- dert den Verkauf von Erzeugnissen zu einem bestimmten den Kräfte die Waage halten. Preis. Nun ist diese Preisbildung ein Vorgang, den niemand Dieses über Jahrhunderte gültige, weisheitsvolle Prinzip zu erklären vermag. Das Zerstörerische ist, dass dieser Preis der Landwirtschaft, dieses organistische Prinzip, das nun sich nicht aus den aufgelaufenen Kosten wie beim Indust- zu Ende gekommen ist, müssen wir in einem bewussten rieprodukt bildet, sondern von Kräften bestimmt wird, die Akt wiederum hervorbringen. Wir müssen nach den Bedin- außerhalb der Landwirtschaft liegen. Die heute übermäch- gungen dieses Organismusprinzips forschen und nach den tige Kapitalwirtschaft mit ihren Börsen und westliche Fami- Möglichkeiten der Umsetzung. lienholdings, legen aufgrund von Einschätzungen künftiger Ernten die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse fest, Bewusste Erkenntnisarbeit ja diktieren diese geradezu. Wie können wir zu einem modernen Verständnis dieses Das Elend der Entwicklungsländer hängt wesentlich mit Organismusbegriffes kommen, ohne das Bekannte einfach den Dumpingpreisen der Agrarprodukte zusammen, denn zu wiederholen? Wie aus dem modernen Bewusstsein un- die Futtermittel aus diesen Ländern werden in den europä- ter Einbeziehung der naturwissenschaftlichen, der sozialen ischen Tiermägen „veredelt“ und diese Erzeugnisse durch und ökologischen Kenntnisse das Organismusprinzip wie- die vorhandene Überproduktion wiederum zu Schleuder- der zum Erzeugungsprinzip der Wirtschaft zu machen? preisen in die 3. Welt exportiert und verursachen das Zu- Die Beschreibung dieser Kriterien, die Fragestellung, erfor- grundegehen der dort ansässigen Landwirtschaft. Ein weite- dern die Hereinnahme von Begriffen und Gedanken, die rer Unterschied ist: Die Industrie produziert für einen Welt- über das bisher Erwähnte hinausgehen, denn es muss eine markt. Der ressourcen- und qualitätsschonendste Weg von wissenschaftliche Begründung gefunden werden. Es ist ja Lebensmitteln ergibt sich jedoch aus der kürzesten Distanz keine Glaubensfrage, obwohl auch genaugenommen hinter zwischen Erzeuger und Verbraucher. Sinnvollerweise sollte jeder Wissenschaft unverrückbar eine Weltanschauung steht. die Landwirtschaft daher lediglich für den regionalen Markt erzeugen. Ich möchte hier auf den „Landwirtschaftlichen Kurs“ zurück- greifen, den auf Einladung von Landwirten Landwirtschaft - Industrie 1924 gehalten hat, um aus der Geisteswissenschaft heraus Stellt man nun diese beiden Produktionsbedingungen in eine Hilfestellung für die Landwirtschaft zu geben. Dieser dieser Art nebeneinander, vergleicht sie objektiv, so er- Kurs beinhaltet einen Kernsatz, der für uns bedeutungsvoll kennt man, dass man die Bedingungen der Industrie nicht ist und den ich wörtlich zitieren möchte:

Seite 13 „Nun, eine Landwirtschaft erfüllt eigentlich ihr Wesen im Neuem die obige Frage: Was ist der Mensch? Was ist sein We- besten Sinne des Wortes, wenn sie aufgefasst werden kann sentliches, wo kommt er her, wo geht er hin, was ist das für ein als eine Art Individualität für sich, eine wirklich in sich ge- seltsames Wesen, welches das Bedürfnis für sich in Anspruch schlossene Individualität.“ nimmt, über alles und jedes etwas wissen zu wollen? Ich wiederhole: Eine Landwirtschaft kann ihr Wesen nur erfül- Die Geisteswissenschaft – die Wissenschaft vom Geistigen - Ru- len, wenn ich als Mensch sie aufzufassen lerne als eine Indi- dolf Steiners hat sich die Aufgabe gestellt, den Geist des Men- vidualität für sich. Sie existiert so gesehen gar nicht, außer ich schen zu entschlüsseln, um von dort aus neue Anregungen zu bin in der Lage, sie als solche zu denken. Dieser Organismus- geben zu den Künsten, der Pädagogik, den sozialen Fragen, gedanke übersteigt den ökologischen Biotopgedanken bei der Medizin, der Landwirtschaft und anderen Lebensgebieten. weitem. Rudolf Steiner charakterisiert diese Landwirtschaftliche

Individualität dahingehend, dass der Mensch im Mittelpunkt Wir wollen nun versuchen, das Wesen des Menschen zu steht und das eigentliche Maß darstellt. Diese Sicht wirft die charakterisieren und das unter einem bestimmten Gesichts- Frage auf: Was ist der Mensch? Natürlich ist er ein Teil der Natur, punkt, nämlich dessen Viergliederung. Daraus soll eine aber das Bild des Menschen ist der eigentliche Schlüssel des Grundlage erwachsen für die bewusste Gestaltung eines biologisch-dynamischen Landbaues. Wir erproben uns seit 150 landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne eines Organismus. Jahren in einer Wissenschaft, in der wir – um die Subjektivität zu verbannen - den Menschen außer Betracht lassen. Aber man Der physische Leib kann den Schritt ja auch einmal wagen, ihn in diesen Gesamt- Es ist unbestritten, dass der Mensch in seiner Körperlichkeit zusammenhang einzubeziehen. Tut man dies, erhebt sich von eine Verwandtschaft zum Mineralreich hat, also Teile der to-

Seite 14 ten, anorganischen Natur in sich trägt. Alle Gesetze, die in Und wenn man fragt, wo denn der Ort ist, an dem die Seele der anorganischen Natur wirksam sind, wie wir sie aus Phy- zu finden sei, so muss man bedenken, dass das Seelische mit sik und Chemie kennen, finden wir auch im Menschen; man dem verbunden ist, was übersinnlichen Charakter hat. Das ist braucht bloß auf das Skelett, die Stützgewebe, die Organe, die Empfindungswelt, die Freude, die Trauer, die man emp- die Ausgestaltung der Sinnesorgane usw. hinsehen. findet, die hat nichts mit irgendetwas Mineralisch-Physischen Man weiß heute so viel über diese Ebene der anorganischen zu tun, sondern das Seelische ist das eigentliche Bewusstma- Natur, dass man den Eindruck gewinnt, man könnte aus die- chen der Organe. Dass wir Denken, Fühlen und Wollen, hängt sem Wissen heraus und den Begriffen, die man da bildet, ganz eng mit der Seelenorganisation zusammen. den ganzen Menschen entstehen lassen. Diese Menschenseele finden wir bruchstückhaft auch im Tier, allerdings ist das Seelische im Tier leibgebunden. Der Der Lebensleib - Ätherleib Tierleib ist das Instrument der tierischen Seele und gleich- Der Mensch unterliegt aber nicht nur diesen Gesetzmäßig- zeitig die Form, mit der sich das tierische Wesen seiner Um- keiten, er hat auch eine Verwandtschaft zum Pflanzenwesen, gebung zeigt. allein aus der Tatsache, dass er einen belebten Körper hat. Zu Goethes Zeiten machte man sich die Vorstellung, dass, Ganz andere Eigenschaften als dem Mineral, dieses Wach- wenn man die menschliche Seele zerhacken würde und je- senkönnen, dieses Sicherheben gegen die Schwerkraft und dem Teil einen Leib zumessen würde, so käme die gesamte vieles andere mehr sind der Pflanze zueigen. Die Pflanze Tierwelt heraus. Und wenn man alle Tierseelen in einen Topf ist ein lebendiges Wesen, eben etwas ganz anderes als ein gäbe und umrührte, käme der Mensch heraus. Stein; ist auch kein sehr komplizierter oder hochentwickelter Wenn man diese 3 Naturreiche zusammennimmt – Mineral- Stein. Sieht man auf einen Baum hin, der Wasser 30, ja bis reich, Pflanzen- und Tierwelt – so hat man bereits das Orga- über 100 m hoch in die Krone zu befördern imstande ist, so nismusprinzip. erkennt man, dass da Kräfte wirksam sind. Die innere Geschlossenheit des Tieres ist ein Organismus. Diese Kräfte finden wir im menschlichen Körper vor allem Die Kuh hat eine Seele, der Elefant hat eine Seele, da ist im Drüsensystem. Überall da, wo Wachstums- und Verdau- das Seelische der eigentliche Mittelpunkt des Tierischen. ungsvorgänge, Drüsenabsonderungen stattfinden, sieht man Und dieser seelische Mittelpunkt wirkt sich so aus, dass sich das Wirken dieser Kräfte; es sind die Lebenskräfte, man be- eine bestimmte leibliche Gestalt aus ihm herausbildet in zeichnet dies als Lebensorganisation. Alle Säfteströmungen die Peripherie und sich nach außen abgrenzt. Also ein ganz im Menschen, die Blut- und Lymphströmungen, alles was bestimmtes Verhalten, das sogenannte arttypische Verhal- mit dem Flüssigen im Menschen zu tun hat, ist auf dieser ten eines Tieres ist das Seelische des Tieres und das bildet Ebene angesiedelt. sich nach außen in einer ganz bestimmten Gestalt aus und gliedert sich nach innen in Organe. Das charakterisiert den Der Seelenleib - Astralleib Organismus. Nun hat der Mensch aber auch eine Verwandtschaft zum Tier und diese drückt sich darin aus, dass der Mensch eben- Der Geistleib - das ICH so wie das Tier eine Seelenorganisation hat. Die hat ihre phy- Der Mensch ist kein Tier, er steht haushoch über dem Tier; sische Grundlage im Nerven-Sinnes-System. wenn er sich allerdings vergisst, steht er weit unter dem Tier.

Seite 15 Der Mensch hat etwas in sich, was ihn befähigt, ICH zu sa- beginnen diese Gedanken zu sprechen, dann bleibt das gen. Das bedeutet, er hat dasjenige in sich, was sein We- nicht bloß ein Abstraktum. sen ausmacht. Dieses Wesenhafte des Menschen ist absolut Ich möchte nun versuchen, aus dieser Viergliederung individuell, nicht austauschbar und dieses Ich-Wesen, der des Menschen und seiner ureigensten, individuellen Ich- Geist des Menschen ist in allem wirksam und durchstrahlt Wesenheit einmal auf den landwirtschaftlichen Betrieb zu die Seele, durchstrahlt den Lebensleib und durchstrahlt den schauen. physischen Körper. Aufgrund dieser Individualisierung, die sich auch in die Der Organismus leibliche Gestalt, bis in den stoffliche Eiweißaufbau ver- Das erfordert, dass man dieses Bild, das zum Verständnis folgen lässt, denkt jeder Mensch denselben Inhalt auch befähigt, in sich aufbaut. Das entspricht keinem System, in einer anderen Art, seiner individuellen Art. So ist auch denn Systeme kann man denken, den Organismusgedanken das Seelische des Menschen hochgradig durchindividu- kann man nicht analytisch denken, den kann man nur ganz- alisiert. heitlich erfassen. Dieses Ich ist in der Lage, sich herauszuheben aus der Na- Den Begriff: System, z.B. Ökosystem, den kann man den- turgebundenheit und versetzt den Menschen in der Lage, ken, weil man ihn additiv denkt - lauter Knotenpunkte, die in sich in Freiheit selbst zu bestimmen. Das ist das Edelste am Beziehung zueinander stehen. Wenn man ein Tischtuch aus- Menschen überhaupt, dass er darauf hinarbeiten kann, sich breitet, so ist das ein verknotetes Gewebe, ein vernetztes mehr und mehr leibunabhängig zu machen. Denn Freiheit System, und wenn man an einer Ecke zieht so reagiert das heißt, sich leibunabhängig zu machen. Ganze auf diese eine Bewegung. So kann man ein System als Wirkungskette einer oder mehrerer Ursachen beschreiben; Die landwirtschaftliche Individualität insofern kann man es mit unserem gegenwärtigen Bewusst- Nun wird der eingangs erwähnte Kernsatz ein wenig klarer: sein auch denken. Eine Landwirtschaft – das sind die drei Natureiche: Mineral, Da wir nicht in der Lage sind, den Begriff Organismus wirk- Pflanze, Tier - erfüllt ihr Wesen, wenn sie aufgefasst werden lich zu denken, stehen wir sehr hilflos da und müssen zum kann, als eine Art Individualität für sich, eine wirklich in sich Verständnis dort eine Anleihe machen, wo ein Organismus geschlossene Individualität. Denn zu diesem, aus den drei vorhanden ist. Das ist z. B. der leibliche Organismus des Naturreichen bestehenden Landwirtschaftsorganismus tritt Menschen, wo zugleich eine Individualität vorhanden ist, der gestaltende, individualisierte Mensch hinzu, und aus die denkt, fühlt und will. Also auch über sich selbst Rechen- dieser Einheit kann sich eine landwirtschaftliche Individu- schaft abzulegen imstande ist. Es geht darum, den Orga- alität entwickeln. nismusbegriff mehr und mehr aus der wirklichen Erkenntnis Nun, diese relativ einfachen Gedanken muss man innerlich über das Menschenwesen herzuleiten. Dazu müssen wir erleben, die kann man nicht nur aus dem Kopf heraus den- versuchen, wirklich einzudringen in die einzelnen biologi- ken, der Kopfgedanke muss Herzensgedanke werden. Der schen und morphologischen Begebenheiten des mensch- muss sich mit allen moralischen Kräften des Menschen, zu lichen Leibes. denen dieser fähig ist, innerlich verbinden. Wenn es gelingt, Ich möchte noch einmal betonen, dass es hier nicht um sich selber aus dem rein Subjektiven herauszuheben, dann einzelne definierte Begriffe geht, die man analytisch bewei-

Seite 16 Das Menschenbild als Ge- staltungsform einer Landwirt- schaft Ich möchte nun versuchen, ein solches Bild für die Landwirtschaft zu entwickeln. Nehmen wir ein Stück Landschaft, in dem alles, was einstmals an Kulturlandschaft darin war, zerstört wurde, ein völlig verwahrlostes Stück Land, wie es derzeit oftmals im Osten Europas anzufinden ist. Da geht es darum, mit welchem inneren Gedankenbild gehen wir als Men- schen an diese Stück Land heran, um daraus Neues zu entwickeln. Wenn ich nun vom Menschen ausgehe, um dieses Stück Land zu einem Organismus zu gestal- ten, dann kann ich erkennen, dass dieses Gebilde, ebenso wie der Mensch, eine physische Orga- nisation besitzt. Das beinhal- tet alles, was physisch ist in der sen kann, sondern um den innerlichen Aufbau von Bildern, Natur; im Grunde genommen die vier klassischen Elemente: Begriffsbildern, die an ein Verständnis der Natur heranfüh- Erde, Wasser, Luft und Wärme. Ich finde für den Standort eine ren. Man muss ins Gespräch kommen mit Gedankenbildern, physische Konstitution, man kann förmlich von einer Naturbe- die in der täglichen landwirtschaftlichen Arbeit entstehen; gabung des Standorts sprechen in Bezug auf die physischen der Wille braucht Gedankenbilder, um ernährt zu werden, Gegebenheiten. Denkt man an die unterschiedlichen Boden-, sonst wird alles zur Erledigungsarbeit. Wenn ich aber bei Wasser- oder Wärmeverhältnisse einzelner Standorte, so er- der praktischen Arbeit ein Gedankenbild in mir trage, wird kennt man, dass jeder Betrieb von Natur aus seine ihm eige- fortwährend mein Wille beleuchtet. Und diese ständige Be- nen Gaben besitzt. Auch der Mensch hat eine solche Bega- leuchtung brauche ich in der Landwirtschaft, schon für eine bung und diese beruht weitgehend auf seiner physischen heitere Stimmung. Konstitution. Denkt man an Gaben, wie mathematisches oder musikalisches Talent, so hängt das in hohem Ausmaß mit der physischen Organisation zusammen.

Seite 17 Gehen wir einen Schritt weiter: Ein landwirtschaftlicher Be- nenlicht auf und das Ergebnis ist, dass die Photosynthese trieb hat, wie dargelegt, unterschiedliche Begabungen auf- einsetzt. Es sind geheimnisvolle Vorgänge im Pflanzenblatt, grund der standörtlichen Gegebenheiten und das ist zunächst wenn man bedenkt, dass bei der Sonneneinstrahlung nie- einmal die geologische Grundlage. Deshalb ist es so wichtig mals eine Überhitzung im Blatt entsteht. Da wird Wärme und für den Landwirt, zu wissen, was denn da vorhanden ist unter Licht ganz sanft in Leben verwandelt. der Erde, ist da Granit, Basalt oder ein anderes Gestein. Eben- Also, nicht die Pflanzenwelt ist es, welche die Lebensorga- so muss er die hydrologischen Verhältnisse kennen, denn nisation ausmacht, sondern die im wahrsten Sinne „himmli- all diese Begabungen bestimmen die Ertragsfähigkeit des schen“ Kräfte bringen dieses Leben hervor. Aber wir haben Standortes und auch die Art, wie damit umzugehen ist. Und die Möglichkeit, über die Vielseitigkeit der Pflanzenwelt ein ebenso ist es mit den Luft- und Wärmeverhältnissen auf ei- bestimmtes Potenzial an Wirksamkeit von kosmisch wirk- nem bestimmten Standort, die darüber entscheiden, ob z.B. samen Kräften – sichtbar an der Organisation der äußeren auf einem Hang Obstbau betrieben werden kann oder nicht. Pflanzengestalt – hereinzuholen. Ein Apfelbaum ist anders Man muss in Bezug auf seine Kulturen genau wissen, was auf konstelliert als ein Birnbaum, ein Löwenzahn anders als eine einem bestimmten Standort möglich ist oder nicht. An dieser Schafgarbe usw., es sind also immer wieder andere Konstel- physischen Konstitution kann man verhältnismäßig wenig ver- lationen wirksamer Kräfte, welche die organische Substanz ändern, sie ist weitestgehend vorgegeben. Man kann natürlich in dieser spezifischen Weise komponieren. terrassieren für den Weinbau, be- oder entwässern, die Bo- Wir müssen bei der Lebensorganisation eines Hofes danach denbearbeitung variieren, aber im Grunde genommen sind trachten, eine möglichst vielfältige Pflanzennatur zu schaf- diese Möglichkeiten stark eingeschränkt. fen, sodass eine möglichst vielfältige Wirkung an kosmischen Nun besitzt dieses Stück Land auch eine Lebensorganisa- Kräften sich ausgestalten kann in den einzelnen Pflanzenar- tion, und man kann leicht in den Fehler verfallen, zu sagen, ten. Warum wir diese große Biodiversität brauchen, hat auch das ist die Pflanzenwelt, die sich hier zeigt. Aber das ist seinen Grund, indem die Lebensorganisation des Menschen sie nicht, sondern es ist das, was eine übersinnliche Kraft zugleich seine Gesundheitsorganisation ist. Letztere ist an Pflanzenwuchs hervorbringt. Es ist das Leben, und Le- umso stabiler, je vielseitiger sie organisiert ist, je vielfälti- ben ist übersinnlicher Natur, da kann man nur die Wirkungen ger das Nahrungsangebot ist. Vereinfacht lässt sich sagen, konstatieren, aber man kann das Leben als solches nicht se- je vielseitiger ein landwirtschaftlicher Betrieb konzipiert ist, hen. Wenn man wahrnehmen möchte, was das Leben her- umso stabiler ist sein Gesundheitszustand. Das Wirken des vorbringt, darf man nicht auf die Erde sehen, sondern auf Menschen als Hof- und Landschaftsgestalter entscheidet da- die Sonne, auf die Planeten, den Kosmos, denn - ohne Licht rüber. Das betrifft zuallererst den Boden und da wieder die kein Leben. In der Dunkelheit wächst nichts und das, was Fruchtfolge auf einem bestimmten Standort. Die Dreifelder- da wachsen lässt, das sind keine Stoffe. Im Sonnenlicht wir- wirtschaft war und ist im mitteleuropäischen Raum sozusa- ken Kräfte, kosmische Kräfte, die übersinnlicher Natur sind. gen die Grundgestalt, an der sich alle Fruchtfolgen orientie- Man kann das Sonnenlicht an sich nicht sehen, sondern nur ren. Trotzdem hat jeder Hof seine eigene, ganz speziell auf durch das Auftreffen auf einen Körper wird es gespiegelt seinen Standort ausgerichtete. und damit wahrnehmbar. Das, was man dann sieht, ist aber Und diese Komposition sollte möglichst vielseitig sein, denn nicht mehr das Sonnenlicht. Die Pflanze nimmt dieses Son- wir schaffen ja z.B. mit dem Anbau von Weizen, dass auf

Seite 18 einem Feld monokulturartige Auswirkungen herrschen. Und sie sind Lebensraum einer verdichteten Kriechtier-, Vogel- da bedarf es eines Ausgleichs, einer Ausbalancierung dieser und Insektenwelt. Dieser strahlt aus, 30 bis 50m weit in die Einseitigkeit durch die zeitliche Aufeinanderfolge möglichst angrenzenden Kulturen hinein. Sowohl Wald- als auch Ge- verschiedener Pflanzen. Das ist die große Kunst der Frucht- wässer-Flächen sind als integrative Bestandteile eines land- folgegestaltung. Und da ist man immer am Gestalten, da ist wirtschaftlichen Organismus anzusehen, mit enormem Wert man nie zufrieden, da wird fast immer irgendetwas ein klein für die landwirtschaftlichen Kulturen. wenig verändert; da ist man in Einbeziehung der Bedürfnis- Der Bauer ist also in seiner Betriebsausgestaltung maßgeb- se aller Glieder des Organismus künstlerisch tätig. lich Landschaftsgestalter und darf in all den erwähnten Bereichen gar nicht fragen: „Ja, lohnt sich denn das über- Gartenbau haupt?“ Viele dieser Bereiche bringen keine Marktfrüchte In die Lebensorganisation dieses Stückes Erde gehört auch hervor, haben aber einen unschätzbar hohen Wert für die der Gartenbau. Es ist äußerst notwendig, ihn nicht irgendwo Verlebendigung und Gesundung der Ganzheit des Hofes. außerhalb zu haben, sondern ihn hereinzuholen in diesen Kunstvolle Aufgabe des Landwirtes ist es, den Lebensleib Organismus, denn er ist ein sehr wichtiges Organ in seiner eines Hofes In weiter Vielfalt zu komponieren und damit ganzen Vielseitigkeit. Da werden ja 50-70 verschiedene eine umfassende Gesundungsgrundlage zu schaffen. Gemüsesorten, Heil-, Gewürz- und Zierpflanzen angebaut. Durchdenken wir das Seelische, so erkennen wir zuallererst, Damit hat er weit über die Produktion hinaus eine wichtige dass es nicht zu sehen ist, wir können es nur an uns sel- funktionelle Aufgabe, vor allem für die Insektenwelt. ber fühlen; Fühlen ist eine unmittelbare Erfahrung des Seeli- schen. Wenn wir Empfindungen haben, wird sich dabei die Obstbau Seele ihrer selbst bewusst. Nun verkörpert jede Tierart ein Ebenso ist es mit dem Obstbau. Als besonders wertvoll ist spezifisch Seelisches, und wiederum kommt es darauf an, hier der Hochstammbaum anzusehen, der in seiner ökologi- die größtmögliche Vielfalt am Hof zu haben, wenn es um schen Funktion weit über die Buschobstbäume zu stellen ist. die Seelenorganisation geht. Die Krone eines solchen 60-jährigen Baumes beherbergt eine Es geht darum, all den Tieren die da sind innerhalb einer Vielzahl an Kleinstlebewesen – wenn der Baum nicht da ist, Landwirtschaft, Aufmerksamkeit zu schenken. Das überfor- sind die auch nicht da. So entstehen in einem Organismus dert uns Menschen und deshalb können wir in vielen Be- ganz im Verborgenen fein gesponnene Beziehungsgeflech- reichen nur die Bedingungen schaffen, dass eine möglichst te, die gesundend auf alle anderen Organe ausstrahlen. große Vielfalt und Vielzahl an Tieren da sein kann. Dazu braucht´s den Hochstammobstbau, dazu braucht´s die He- Hecken cken, den Wald usw., also das Schaffen von Lebensräumen Acker- und Wiesenhecken haben deshalb eine so große für verschiedenste, wildlebende Tiere. Bedeutung, weil man sie als zwei, in der Mitte zusammen- gefügte Waldsäume ansehen kann. Diese ökologisch höchst Die niedere Tierwelt, mit ihren ungeheuer vielfältigen wertvollen Übergänge von Krautartigem zu Strauchartigem, Bodenlebewesen und der Würmerwelt mit ihrem, für uns zu nieder- und hochstämmigem Pflanzenbewuchs dienen wertvollsten Vertreter, dem Regenwurm, dem größten als Lebensraum einer Wildtierfauna in allen Ausformungen; Ackerbauer aller Zeiten. Das Eigentümliche an dieser nie-

Seite 19 deren Tierwelt ist, dass sie ihr zartes Leben nur innerhalb durch den Menschen Kulturpflanzen geworden sind, ent- der festen Erde in Dunkelheit und bei mittlerer Feuchtigkeit standen die Haustiere durch die menschliche Zuwendung. aufrechterhalten können. Dabei strukturieren sie den Boden In der Araberzucht wurde das Fohlen nach der Geburt, wie in besonders fruchtbarer Weise. So fördert der Regenwurm, ein Menschenkind ins Zelt gebracht und wuchs dort eine bei entsprechendem Besatz jährlich auf einem Hektar Flä- Zeitlang, zusammen mit den Menschen auf. Dadurch wur- che eine Masse von bis zu 100 t verlebendigte Erde an die de das Araberpferd zu diesem besonderen Pferd. Das sind Oberfläche. Maßnahmen, die zur Züchtung des Haustieres beitragen. Die Wassertiere: Sehen Sie sich Fische an, wie sie im flie- Das tierische Wesen reagiert auf die seelische Zuwendung ßenden Wasser stehen und fühlen, wie das Wasser an ihrem des Menschen, auf seine Gesinnung. Jede Massentierhal- Körper vorbeigleitet. tung ist eine Katastrophe, eine Versündigung des Menschen Bei der Beobachtung eines solchen Verhaltens kann man an der Tierwelt. Ich habe Furchtzustände, die weit in die gleichsam erfühlen, welche Bedeutung dieser Fisch auch für Zukunft hineinreichen, wenn ich mir überlege, wie sich das den ganzen umliegenden Raum der Landschaft hat, welche auswirken wird, was wir den Tieren heute antun. Ausstrahlung und Bedeutung dieses Organ für die Ganzheit hat. Auch für die Haustierhaltung gilt: Je vielseitiger, desto reich- Die Vogelwelt: Wiederum geht´s darum, Möglichkeiten zu haltiger und tiefgründiger ist die Seelenorganisation eines schaffen, dass Vögel Nistplätze und Lebensmöglichkeiten Hofes. Neben den Hühnern, Schweinen, Gänsen und Enten, innerhalb des landwirtschaftlichen Organismus haben kön- den Pferden gibt´s ein Tier, das man wohl als das pochende nen. Gerade die Vögel schaffen sich – wenn wir ihnen die Herz der Landwirtschaft bezeichnen kann - den Wiederkäu- Möglichkeit bieten - ihre Lebensräume selbst, indem sie Re- er. Es ist das Tier, das innerhalb des überschaubaren Zeit- viere bilden, die sie mit ihrem Gesang räumlich abgrenzen. raumes der Menschheitsgeschichte in fast allen Kulturen als Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Tiere Seelen- heilig angesehen wurde. räume schaffen, in denen sie sich selbst erleben; die Tier- Im mitteleuropäischen Raum war und ist vor allem das Rind heit erlebt sich selbst im eigenen Tun. Wir können anfangen das Tier, welches offen ist gegenüber dem Menschen, am die Tiere zu verstehen, wenn wir genau studieren, was das meisten Haustier ist, daher von seinem Wesen her am meis- einzelne Tier eigentlich macht; denn was es macht, ist Aus- ten auf den Menschen angewiesen ist. Wenn der Mensch druck seiner Seele. Oder sehen Sie sich die Schwalben an, diese, vom Tierwesen eingeforderte Zuwendung unterlässt, wie sie die Luft durchpflügen, wir sehen ja nur die fliegende verwildert es und verliert sich. Grundsätzlich zeigen Haus- Schwalbe, nicht die Luftwirbel, die dabei entstehen. Die tiere eine völlig gegensätzliche Geste gegenüber dem Wild- Luft wird dabei ja gleichsam verwirbelt, modelliert. tier: sie meiden den Menschen nicht, sondern öffnen sich Die Insektenwelt: In einem Hochstammobstbau sind alle ihm, sie erwarten von ihm Aufmerksamkeit, Zuwendung und denkbaren Insekten vorhanden, jene die man Schädlinge gehen deshalb auf ihn zu. nennt, aber eben auch die Nützlinge. Und wieder geht´s Der Rindermist erreicht die höchste Düngerqualität, die darum, beiden einen Lebensraum zu schaffen, denn sonst höchste Bodenbelebungskraft innerhalb dieses landwirt- findet die Vogelwelt keine Nahrungsgrundlage vor. schaftlichen Organismus; und wir wollen jetzt erarbeiten, Die Haustierhaltung: Ebenso wie die Kulturpflanzen was bei den Verdauungsvorgängen passiert, dass dieses

Seite 20 enorm hohe Maß an Kräftefreisetzung von statten gehen zu lassen, wie es ist. Sie nimmt den gesamten Stoffes- und kann. Das ist keine Frage der Stoffe: der Kuhmist ist nicht be- Nährstoffkreislauf, die Humusbildeprozesse, die Lebensor- sonders reich an den, im Naturwissenschaftlichen so hoch ganisation des Hofes, die Gesamtkonfiguration des Hofes in bewerteten Hauptnährstoffen, sondern er ist ein echter Kräf- seiner individuellen Eigenart über diese Verdauungsprozes- tedünger. se wahr. Die Pflanzenwelt, so haben wir uns bereits erarbeitet, bildet Seelenorganismus Rinderherde sich durch das Hereinwirken kosmischer Kräfte auf die Welt. Wenn man die Rinderherde innerhalb des eigenen Betrie- Und diese Lichtkräfte, Planetenkräfte entzieht die Kuh den bes hervorzüchtet, nicht von außen beständig neues Blut, gefressenen Pflanzen im Verdauungsprozess wiederum. wie man so sagt, hereinholt, so wird diese Rinderherde in- Nun kann die Kuh diese Kräfte wahrnehmen, aber sie kann nerhalb des Hofes zu einem richtigen Seelenorganismus, sie nicht festhalten; ein Festhalten dieser erstarkenden Kräfte man spricht auch vom Herdenorganismus. Bewegt sich nun ist nur dem Menschen durch das Denken möglich, welches eine Herde weidend über die Wiese, so wird ständig über ihn grundsätzlich zum Menschen macht. Die Kuh kann das den Geruchssinn prüfend, von diesen Rindern Gras aufge- nicht, sie hat lediglich die Fähigkeit der Wahrnehmung dieser nommen. Mit Speichel lediglich benetzt und rasch in den kosmischen Kräftewelt. Das, was sie nicht festhalten kann, Pansen, diesen riesigen Vormagen, der die gesamte linke das muss sie wieder ausscheiden. Was also beim Menschen Bauchhälfte der Kuh ausfüllt, abgeschluckt. Dort wird dieses in die Gedankenbildung geht und da verbraucht wird, das Futter nun von einer Bakterienwelt angegoren, die unter der bleibt bei der Kuh unangetastet, lebendig und wird ausge- Kontrolle der Seelenorganisation des Rindes steht. Erreicht schieden. der Pansen eine gewisse Füllung, so beginnt die Kuh - meist Und deshalb düngen wir tatsächlich mit Kräften, Intelligenz- gemütlich liegend - wiederzukauen. Schauen Sie einer Kuh kräften innerhalb der Natur, auf welche die Kuh verzichtet. bei diesem wunderbaren Akt einmal in die Augen; da ha- Sie ist das Verzichtswesen innerhalb des landwirtschaftli- ben Sie den Eindruck, die Kuh durchdenkt noch einmal, chen Betriebes, das Opfertier schlechthin. Durch diesen was sie da aufgenommen hat, so konzentriert sie sich auf Verzicht, wird der Kuhmist zum Heilmittel für die Ganzheit diesen Vorgang. Der ganze Gesichtsausdruck der Kuh verän- des landwirtschaftlichen Organismus. Das alles ist heute dert sich beim Wiederkauen, man sieht, wie sich die ganze nicht gängige Meinung, war es aber über lange Zeit. Noch Aufmerksamkeit der Kuh nach innen richtet; sie verfolgt den im 19. Jahrhundert schrieb man die „alte Kraft“ der Böden Prozess des Auseinandernehmens der lebendigen Substanz der Kuh zu, da hatte man noch eine Ahnung von diesen Zu- der Pflanzenwelt. sammenhängen. In wissenschaftlichen Düngungsversuchen Wie wir bereits beschrieben haben, ist das Futter der Wie- fand man in England heraus, dass die Wirkung dieser, über se durch die veränderten Witterungsverhältnisse jedes Jahr den Rindermist vermittelten Kräfte, nach Absetzen der tieri- anders, und diese wechselnde Andersartigkeit analysiert schen Düngung noch bis zu 50 Jahre nachwirkten. Es han- die Kuh nun in diesem Wiederkauprozess. Die Kuh wird so delt sich hier um einen Kräftedünger, einen Langzeitkräfte- zur großen Analytikerin im Organismus der Landwirtschaft. dünger im Lebendigen. Sie nimmt innerlich wahr, welche Kräfte da im Jahreslauf am Durch den physiologischen Prozess der Verdauung ist die Werk waren, um das Futter so zu komponieren, so wachsen Kuh imstande, die lebendige Substanz des landwirtschaft-

Seite 21 lichen Organismus auf eine Stufe des seelischen Erlebens Das Mittel dazu ist die menschliche Arbeit. Wir haben heute ein zu heben. Auf diese wiederum ausgeschiedene Substanz, Missverhältnis zur Arbeit, wir haben das Arbeiten verlernt, wir diese „durchseelte“ Kräftesubstanz, kann auf keinem Hof können heute nicht mehr arbeiten, wir müssen es wieder neu verzichtet werden. Ich bin so radikal zu sagen, selbst wenn lernen. Aus der oben beschriebenen Bildgestalt heraus müssen die Menschen keine Milch mehr trinken, keine Milchproduk- wir zu einer Erkenntnis gelangen, wie die Arbeit zum Bindeglied te mehr essen, können wir auf diesen Kräftedünger im land- zwischen unserem Willen und der äußeren Gestalt des Hofor- wirtschaftlichen Organismus nicht verzichten. ganismus werden kann. Es darf keine Arbeit geben, wo ich am Der Seelenleib eines Hofes bedarf dieser Aufmerksamkeit Anfang schon das baldige Ende herbeisehne, sondern die Frage des Menschen zu jeder Zeit, tagein, tagaus innerhalb des muss im Vordergrund stehen: „Was kann durch mich in diesen Jahreslaufs. Das bedeutet im Hinblick auf die Haustiere Zu- Hof hineingetragen werden an Ethischem, an Moralischem?“ wendung, Zuwendung und nochmals Zuwendung. Wir müssen die Arbeit innerlich „durchfreuen“, wieder ger- ne an sie herangehen. Dann wird die Arbeit, wie bei einem Menschengemeinschaft: Alles, wirklich alles hängt von dem Künstler zu einem Prozess, wo etwas innerlich seelisch Erleb- Bild ab, das die am Hof lebende Menschengemeinschaft von tes außen sichtbar wird. Das, was die Menschen innerlich er- diesem Hof hat. Dieses Bild ist keine fixe Vorstellung, die ein- leben auf diesem Hof, das tritt dann durch die Arbeit äußer- mal gebildet, für immer Gültigkeit besitzt, sondern dieses Bild lich als Kunstwerk in Erscheinung. Freudvolle Arbeit entsteht, muss täglich neu errungen werden. Bei jeder Tätigkeit muss wenn aus der Kraft des eigenen Denkens und Erlebens der dieser Bildgedanke in jedem Hofmitarbeiter vorhanden sein Wille hell hervortritt, klar erscheint. und sich im Bemühen, im Suchen jedes Einzelnen und im Die Art des Arbeitens entscheidet, ob Landwirtschaft wieder Austausch untereinander weiter entwickeln. kulturtragend werden kann, denn aus ihr geht unsere Haltung, Das war die Motivation unserer Betriebsgemeinschaft, als unsere Gesinnung hervor, die wir hineintragen in die Glieder wir erkannten, wir können nicht mehr mit Lohnarbeitskräf- des Hofes. Sie wirkt züchtend und veredelnd in der Haustier- ten weiterarbeiten, sondern wir brauchen, wenn wir unse- haltung mit eigener Vatertierhaltung und hofblütiger Bestand- re Ideen umsetzen wollen, Menschen, die sich um dieses serhaltung. Sie wirkt nachhaltig in die Kulturpflanzenzucht mit Bild bemühen. Deshalb ist Ausbildung so wichtig, weil wir hofeigenen Nachbausorten und in einer standortangepassten Menschen brauchen, die aus einer solchen Bildgestalt sich Bodenbearbeitung. Letztere war und ist die allererste Kultur- selbst motivieren, nicht mehr als Weisungsgebundene die maßnahme und wirkt züchterisch auf Pflanzen- und Tierwelt Arbeiten erledigen. Wir brauchen auf den Höfen Menschen, zurück. Sehen wir noch einmal auf die Ganzheit des Hofor- die im Bilde sind. ganismus, so erkennen wir die starke Verbindungskraft der Aus diesen individuell errungenen und empfundenen Bild- tierischen Düngung, die aus der Seelenorganisation kom- gedanken einen Konsens von Mensch zu Mensch aufzubau- mend, sowohl die Lebensorganisation, als auch den Orga- en, ist der einzige Weg, zu einem sozialen Betriebsorganis- nismus Boden wahrzunehmen befähigt und zu verbinden mus zu kommen. Und das sieht man einem Hof an, ob da imstande ist. Auf diese Weise hilft vor allem die Kuh, dass eine Tüchtigkeit lebt oder nicht. Jedem Hof sieht man an, ob die Glieder innerhalb des Hoforganismus nicht auseinander er durchdrungen ist von menschlichem Geist, von mensch- fallen, wiederum eine Mitte und eine Peripherie bilden mit licher Tat- und Bildekraft, von Hingabe und Zuwendung. einer atmenden und pulsierenden Mitte dazwischen.

Seite 22 Neben der menschlichen Arbeit an der Bildgestaltung des mengeführt werden. Aus Stoffen der drei Naturreiche ent- Hofes, der Düngung, der Bodenbearbeitung, der Zuchtar- stehen Kombinationen, welche den unterschiedlichen Jah- beit an Kulturpflanze und Haustier, werden bio-dynami- reszeiteinflüssen ausgesetzt werden. schen Präparate angewendet. Es handelt sich um Substan- So ein landwirtschaftlicher Organismus, wie wir in hier dar- zen, die in geringsten Mengen, feinsten Dosierungen einge- gestellt haben, ist für unser menschliches Vermögen eine setzt werden. Eine stoffliche Wirkung, wie bei den normalen maßlose Herausforderung. Wir müssen uns auch der We- Mineraldüngern Stickstoff, Phosphor oder Spurenelementen nigkeit dessen, was wir heute zu tun vermögen, bewusst ist nicht vorhanden; was dabei wirkt, sind reine Kräfte. werden. Unser ungeheures Wissen, über das wir verfügen, Was ist eine Kraft? Wenn ich meine Hand hebe, so ist es scheint nicht auszureichen, eine solche Ganzheitlichkeit zu eine Kraftausübung meines Körpers und ich weiß, dass denken und danach zu handeln. Wir stehen hier noch ganz mein Denken, der Entschluss, meine Hand zu heben dazu am Anfang mit unseren Verständnis- und Erkenntnismöglich- notwendig ist. Aber dass es dann tatsächlich passiert, ist keiten. Auswirkung meines Willens. Was ist mein Wille? Den kann Das ist die eine Seite, die andere ist: wie können wir als ich auch nicht sehen; und so ist es bei allem, dass ich nur bäuerliche Familie diese geforderte, ungeheure Vielfalt be- die Auswirkung, nie die Kraft selbst sehe. Jedoch kann ich wältigen? Nun, wir sollten nicht verwundert sein, wenn sich ahnen, wenn ich mich selbst beobachte, dass jede Kraft- unsere gesellschaftlichen Verhältnisse verändern, wir kön- äußerung ein Wesen voraussetzt, das den Willen hat, die- nen davon ausgehen, dass sie sich verändern. Für die Höfe se Kraft auszuüben. Mein Wesentliches, dieses Ich - meine bedeutet das: versuchen zu müssen, wieder viel, viel mehr Menschennatur, mein Geistwesen - ist es, das meinen Willen Menschen in den landwirtschaftlichen Erzeugungsprozess aktiviert zu dieser Kraftäußerung. Ich sehe also immer nur die einzubinden. Wir können hier von einer Zahl von ungefähr Wirkungen, die Kraft selbst sehe ich nicht und daher muss 25 % der Erwerbstätigen ausgehen, die zukünftig auf den ich, wenn ich von Kräften spreche, immer nach dem Wesen Höfen arbeiten werden, gegenüber 2% heute. Wir stehen fragen, welches diese Kraft hervorbringt. Bei allen bekannten vor einer ungeheuer umwälzenden sozialen Revolution; zu Kraftausübungen in der Welt, sei es nun die Kernkraft, Kräfte hoffen ist auf eine Evolution. des Lebendigen oder des Seelischen, muss ich immer nach Aus meiner Erfahrung des Aufbauens des Dottenfelder-Ho- dem Wesen fragen, welches diese Kräfte ausübt. fes möchte ich einige Anregungen geben. Wenn man heute Was passiert bei der Gewinnung von Kernenergie? Man Land bewirtschaften will, braucht man vor allem Menschen. spaltet den Atomkern, um eine enorme Energie freizuset- Menschen mit Idealen, kämpferische Menschen, aber nicht zen. Es war nicht zu erwarten, dass dabei auch äußerst le- mit der Faust, denn mit der geballten Hand kann man keine bensfeindliche Kräfte freigesetzt werden. Mistgabel halten. Diese Menschen brauchen eine Gesin- Diesem Vorgang gegenüber zu stellen sind die, von Rudolf nung, eine Haltung dem Lebendigen gegenüber, die weit Steiner in Koberwitz erläuterten bio-dynamischen Präparate, über das ökonomisch Vernünftige hinausgeht. Und all diese die genau gegenpolig zur Anwendung der Kernenergie zu Menschen müssen dann, in stetiger, oft mühevoller Arbeit sehen sind. Bei diesen geht es um Substanzkompositionen, an sich selbst, sich um einen Konsens bemühen mit all den die nicht zerteilt werden, sondern aus einzelnen Gliedern Menschen, die da noch am Hof arbeiten. des landwirtschaftlichen Organismus aufbauend zusam-

Seite 23 Freiheit im Wollen Gleichheit Diese ist notwendig, um mit der daraus hervorgehenden Der dritte Punkt, mit dem wir den Bolschewiken zugerech- Kraft vorerst einmal nach innen zu wirken und auf die Ge- net wurden, war das heißeste Eisen. Wir gründeten eine staltung des Hofes Einfluss zu nehmen. Es gibt in der tag- Landwirtschaftsgemeinschaft und wir baten Menschen täglichen Arbeit keine größere Motivationskraft als die, der Umgebung Anteilseigentümer zu werden. Dieses aber welche sich aus dem gelungenen Konsens aller Mitarbeiter nicht in Form von Kapitaleinlagen, sondern indem diese gewinnen lässt. Aus dieser inneren, freien Entscheidung des Menschen ideelle Verantwortung übernahmen in Bezug auf Einzelnen entsteht auch eine innere soziale Form des Mitei- Grund und Boden. Und zwar, dass sie mitbeteiligt wurden, nanders, das wiederum nach außen so wirkt, dass es über zu entscheiden, wie dieses Stück Land bewirtschaftet wer- die Jahre immer mehr Interessierte anzieht. Es bildet sich um den soll. Heute werden ja alle Glieder der Landwirtschaft einen solchen Hof eine Interessensgemeinschaft. Menschen kapitalisiert; was bei Maschinen noch verständlich erscheint, anderer Berufe kommen und bieten ihre Hilfe an. Es bildet ist bei den Haustieren oder gar bei Grund und Boden völlig sich ein „sozialer Mantel“ um den Hof. unangebracht. Weder Boden noch Kühe sind Waren, solan- Alle Beteiligten erkennen allmählich, dass diese Art des in- ge sie etwas hervorbringen. Grundsätzlich kann Boden als terdisziplinären Austausches eine Kulturaufgabe darstellt, unvermehrbares Gut keinen Preis, keinen Gegenwert haben1. und es kann aus der inneren Fähigkeit des Hofganzen eine Jeder Mensch verfügt über das Stück Land, auf dem er lebt, Ausbildungsstätte entstehen, wie in unserem Fall am Dot- nur treuhändisch. Am Dottenfelderhof haben wir einen ge- tenfelderhof eine Landbauschule. In einem solchen Umfeld meinnützigen Träger geschaffen, der Grund und Boden des kann sich auch Forschung entwickeln mit professioneller Hofes besitzt und auch das Umlaufvermögen verwaltet. Pflanzenzucht und intensiver Zusammenarbeit mit an ähnli- Kein Landwirt am Hof bildet irgendwelche Rücklagen, es chen Themen arbeitenden Institutionen. findet keine Kapitalbildung statt. Das sind Versuche, auf der Des Weiteren wird ein reger Austausch mit Konsumenten in Rechtsebene neue Formen aus der Praxis heraus zu entwi- Form von Exkursionen gepflogen, die den Hof besuchen. ckeln. Zusätzlich kommen Schüler-, Studenten- und Kindergarten- gruppen. Es hat sich auf diese Weise eine sehr bunte Mi- schung von Menschen gebildet, die eine Beziehung, eine 1 Udo Herrmannstorfer, Scheinmarktwirtschaft, Verlag Freies Bindung zu dem Hof gefunden haben, den Hof in einer ge- Geistesleben, 1997, Kapitel: Boden ist keine Ware: „Der Marktbegriff wissen Weise auch in die Gesellschaft einbetten. wurde für den Waren- und Leistungsaustausch ersonnen. Leistung tauscht sich im Verhältnis der Preise gegen Leistung. Die Tatsache, dass das Geld dazwischentritt und den Tauschakt halbiert, ändert an Zu Beginn hatten wir dem Staat gegenüber drei Ideale for- dieser Situation im Grundsatz nichts. Es könnte im ersten Moment ja muliert: so scheinen, als ob der Käufer beim Kauf keine Gegenleistung bietet, • Das Etablieren des biologisch-dynamischen Landbaues in sondern eben „nur“ Geld. Er kann dieses aber nur erworben haben, Wissenschaft, Gesellschaft und Landbaupraxis indem er bereits vorher einem anderen seine Leistung verkauft hat. Zu Waren, d.h. zu Tausch- und damit verkaufsfähigen Leistungen, • Eine dafür geeignete Sozialform zu finden und zu leben aber kommt man nur durch eigene wertschaffende Arbeit. Boden • Eine zeitgemäße Lösung der Bodeneigentumsfrage zu ent- aber ist kein vom Einzelnen erzeugtes Gut, (allenfalls kann man ihn wickeln und in die Realität umzusetzen als Kulturergebnis der Menschheit ansehen) und damit auch keine Ware; der Übertragungsvorgang somit auch kein Kaufakt.

Seite 24 Leben in Brüderlichkeit namische Landwirtschaft ist etwas schöpferisch Neues, das So ist auch die Frage nach dem Familieneinkommen, dem nicht morgen verwirklicht wird, aber vielleicht in ein paar Wohnrecht, der Altersversorgung, die allesamt dem Bedarf Jahrzehnten. Es ist eine Frage der Tatkraft, der individuellen angepasst werden, geregelt. Eine ganz wichtige Frage ist Willenskraft und eine Frage der Umsetzung eines wirklich auch die nach dem richtigen Preis für die erzeugten Lebens- objektiven Altruismus statt des subjektiven Egoismus. In mittel. Auch hier gehen wir den mühevollen Weg des Aus- dieser völlig neuen Art der Orientierung kann die Landwirt- tausches mit unseren Händlern, Verarbeitern und Verbrau- schaft wieder in begeisternder Weise kulturtragend werden. chern, wo die Grundfrage: „Was fehlt Dir?“ im Mittelpunkt Wir brauchen deshalb bestens ausgebildete Menschen, die des Interesses des Einzelnen steht, statt des heute üblichen bereit sind, solche Ideale zu verwirklichen, um die Landwirt- „Was fehlt mir?“ Jeder fragt sich: „Was kann ich tun, Deine schaft wieder zum Vorbild für die Gesellschaft zu machen. Not zu lindern?“ Und aus diesem Austausch kann die Ant- wort hervorgehen auf die Frage: „Was ist der gerechte Preis?“ Eine Brücke zu einem solchen Tun ist die Anwendung Man kommt zur Erkenntnis, dass man nicht gegeneinander, der Präparate im biologisch-dynamischen Landbau - als in Konkurrenz zueinander steht, sondern füreinander ar- Anstrengung über das Gewohnte hinaus. beitet und ein solidarisches Verhältnis zwischen den Wirt- schaftspartnern für wichtig hält. Die Landwirtschaft ist ein Das Hornmist-Präparat Bereich der Wirtschaft, in dem es möglich ist, Entwicklungen Wir geben nun den Mist ins Horn, aber das können wir nur der Vergangenheit umzukehren. Dass z.B. das Getreide wie- machen, wenn wir Kenntnis haben über die geschilderten der am eigenen Hof zu Brot verbacken wird, die Milch in die Zusammenhänge, denn ohne diese bewusste Erkenntnis Hofkäserei geht usw. und die Erzeugnisse im Hofladen ver- kämen wir ja gar nicht auf die Idee, das zu tun. Schon in kauft werden. Man holt die Verarbeitung der Grundstoffe, diesem ersten Akt des Hörnerfüllens stülpen wir den Natur- die man einst ausgelagert hatte, wieder auf die Höfe zurück. prozess um: was normalerweise in den äußeren Naturkreis- Über diese höhere Wertschöpfung wird erreicht, dass sich lauf eingehen würde, halten wir zurück und geben diese die einzelnen Sparten des Hofes gegenseitig stützen und Substanz in die reine Form des Horns. sich wiederum ein regionaler Markt mit Menschen bildet, Es gilt also ein ahnendes Verständnis für die Vorgänge rund die an der Arbeit des Hofes teilhaben. um die Zubereitung der bio-dynamischen Präparate zu er- Betrachtet man alle angeführten Elemente, so sieht man, langen: Die Kuh nimmt das Sommerhalbjahr über Futter auf, dass hier ein soziales Leben, eine geistige Interessensge- analysiert es und bereitet einen Mist vor, den wir in den Ta- meinschaft im Sinne einer Dreigliederung um den Hof herum gen um Michaeli herum von der Weide aufsammeln und in zu wirken anfängt mit: Freiheit im Wollen, Denken in Brüder- die Kuhhörner stopfen. Beim Aussuchen der Fladen könnte lichkeit, Gleichheit im Fühlen. man noch als Konzession an das Kosmische solche von spi- Das sind hohe Ideale, weiß ich einen Weg dorthin, finde raliger Form auswählen. Am besten ist es, man macht direkt ich auch Mittel ihn zu gehen. Das schafft Begeisterung für am Michaeli-Tag ein Fest daraus und betrachtet dies nicht Zukünftiges. nur als eine Angelegenheit des Bauern, sondern bindet die Mit den genannten Idealen haben wir die Möglichkeit, uns Städter in diese Arbeit mit ein. Man macht das rechtzeitig selbst zu erziehen, schöpferisch tätig zu werden. Bio-dy- kund und sitzt dann im großen Kreis bei dieser Arbeit in ei-

Seite 25 ner herrlichen Stimmung. Die- se Präparate-Zubereitung soll- te man grundsätzlich in einer Festesstimmung vollführen, da braucht man keine großen Worte drum machen, die Ar- beit als solche sorgt schon für eine heitere Stimmung.

Umstülpungs-Prozesse Wir stopfen also diesen Mist in die Hörner hinein, ein Äu- ßeres wird zu einem Inne- ren, ein Umstülpungsprozess aufgrund menschlichen Tuns. Wir haben hier nur mehr die beiden Enden der Kuh, die Kuh dazwischen schaltet der Mensch aus, die ist weg und er stellt mit Idee und Wille eine neue Beziehung her. Der nächste Vorgang ist der, dass die Hörner in die Erde vergra- ben werden und so das Win- terhalbjahr überdauern. Wir haben den großen Aus- atmungsprozess der Erde, sichtbar im Wachstum der Pflanzen übers Sommerhalb- jahr. Dieser erstirbt im Herbst, und es folgt der große Verin- dieser - anders als der planetarische Umkreis - Formkräfte zur nerlichungsprozess im Winterhalbjahr - die Erde atmet wie- Erde sendet, kristallbildende Kräfte, die im Winter im Boden der ein. Da verkürzt sich die Sonnenscheindauer enorm, die besonders stark wirken. Die Kristalle in Feldspat, Glimmer Sonne spielt keine große Rolle und auch die Planetenwirkun- oder Quarz kristallisieren im Winter verstärkt aus. Wenn man gen werden schwächer. Im Winter spielt die entscheidende ein solches Kristallgebilde untersucht, findet man ein geo- Rolle der Fixsternhimmel oder wie die Griechen adäquat metrisches Gefüge: Tetraeder, Oktaeder, Pentagondodeka- sagten - der Kristallhimmel. Sie nannten ihn deshalb so, weil eder, von ungeheure Ordnungskraft geformt.

Seite 26 Wir setzten nun diese reine Substanz des Kuhmistes, die Jetzt ist es unsere Aufgabe als Menschen auf der Grund- normalerweise dem Naturkreislauf wieder zufließen wür- lage einer wirklichen Geisterkenntnis Wege zu suchen, wie de, diesen gewaltigen Ordnungskräften des Winterhalbjahrs wir gemäß unserer eigenen Selbstbewusstseinsentwicklung aus. Diese Kräfte wirken auf diesen Mist im Kuhhorn ein, in freier Selbstbestimmung die Natur zukünftig mit uns mit- werden vom Horn – jedes Organ behält ja einen Teil sei- nehmen können. Dass wir im Erkennen, dass etwas zu Ende ner ursprünglichen organischen Funktion über die natürliche ist, wieder einen neuen Anfang suchen in eine involutionä- Aufgabenzeit hinaus - zurückgehalten und dieser Mist wird re, vom Menschen ausgehende Zukunft. Wenn man sich der durch diese Präparation zu einem Formkraftträger. Das ist Tragweite eines solchen Gedankenganges bewusst wird, dem Naturvorgang völlig entgegengesetzt, wir haben es hier kann man sich unglaublich ermutigt fühlen, sich einer sol- mit einer zweiten Umstülpung zu tun: der Mist, eine Som- chen Aufgabe zu stellen. mersubstanz, wird dadurch, dass er den kristallbildenden Formkräften des Winterhalbjahres ausgesetzt wird, zu einem Die Anwendung der Präparate völlig neuem, in der Natur so nicht vorkommenden Stoff. Wenn wir die fertigen Präparate nach dem Sommer- bzw. dem Winterhalbjahr wiederum aus der Erde nehmen, be- Das Kieselpräparat steht der nächste Schritt in der Anwendung in einem flüs- Ich möchte nun ganz kurz auf dieses Kieselpräparat einge- sigen Zustand. Wir geben zu diesem Zweck eine geringe hen, damit wir den Zusammenhang mit dem Hornmistprä- Menge des jeweiligen Präparates in ein Fass, das gut zur parat erkennen können. Wir nehmen eine Substanz, den Hälfte mit Wasser gefüllt ist und beginnen dieses im rhythmi- Quarz oder den Bergkristall, der durchkristallisiert und damit schen Wechsel der Drehrichtung zu verrühren. Dieser Rühr- ein Ausdruck des Winterprozesses ist und vermahlen ihn prozess spielt in der bio-dynamischen Landwirtschaft eine mehlfein, zerstören diese Kristallordnung restlos. Wir füllen sehr, sehr große Rolle und es bestehen große Missverständ- nun einen streng kristallin geordneten Stoff, dessen Struktur nisse über die praktische Durchführung. Die körperliche An- künstlich völlig zerstört wurde, wiederum in ein Kuhhorn und strengung, die mit dem Rühren verbunden ist, beflügelt den vergraben dieses über das Sommerhalbjahr. Dieses Horn mit Erfindergeist, sich dieses Tun von einer Maschine besorgen dem Quarzmehl setzen wir den Sommererdenkräften aus, zu lassen. Ginge es nur um einen hohen Durchmischungsef- das sind in erster Linie jene des planetarischen Umfeldes. fekt, wäre diese Lösung zu akzeptieren. Wir erzeugen damit einen Stoff, der Stoffwechselcharakter hat. Der vorher kristallin, eine Wintersubstanz war und nun, Das Rühren während der Sommerzeit die ober- und untersonnigen Pla- Was geschieht jedoch beim Verrühren? Wenn man das Was- netenkräfte in sich aufnimmt. Also wiederum eine Umstül- ser mit dem Rührbesen in eine Richtung in Bewegung setzt pung der natürlichen Vorgänge. und sich allmählich innen ein Trichter bildet, sieht man an Es geht um eine Involution, es gibt keine Evolution mehr, der Innenwand dieses Trichters, dass sich das Wasser in die Welt ist fertig, weil der Mensch, zum Selbstbewusstsein ganz dünnen Schichten aneinanderlegt. Diese rotieren mit erwacht ist und sich so emanzipiert gegenüber den Natur- unterschiedlichen Geschwindigkeiten - innen schneller, au- vorgängen. ßen langsamer - sodass eine Wasserschicht auf der jeweils anderen gleitet. Die ganze Wassermasse löst sich eigentlich

Seite 27 in ein großes Blatt auf, in eine große Ebene, eine empfind- derer Weise angesprochen werden. Steht man vor dem Fass same Ebene. Wenn diese Wassermasse die höchstmögliche und fängt an zu rühren, merkt man, dass da der Wille tätig Rotationsgeschwindigkeit erreicht hat, ist die Drehrichtung werden muss. Dass sich der Wille, der sich da bemüht, die- zu ändern. Das heißt, wir strukturieren das Wasser und zer- sen Inhalt zu bewegen, sich immer mehr veräußerlicht, bis stören diese Struktur wieder, das Ganze im Wechsel über zum körperlichen Schwitzen. Wenn man gleichzeitig seine eine Stunde lang. Aufmerksamkeit auf sein Denken lenkt, so merkt man, dass Man kann sich fragen, warum sollte eine Stunde gerührt da eine vollständige Ruhe einkehrt und man sich selbst in werden? Immer dann, wenn solche Fragen auftreten, sollte völliger Gedankenruhe zusieht und gleichzeitig beobachtet, man etwas sehr anthroposophisches tun: Man sollte darauf was der eigene Wille da draußen macht. Da fallen Denken achten, wie sich das, was man im Außen tut, widerspiegelt und Wollen auseinander und man merkt, dass das dazwi- im Inneren und wie sich etwas, was im Inneren geschieht, in schenliegende Fühlen sich ebenfalls verselbständigt. Ich der äußeren Welt widerspiegelt. In dieser Beobachtung liegt habe in meiner früheren Tätigkeit immer wieder die Erfah- eigentlich das Mensch-Sein. rung gemacht, dass ich beim Rühren die allerbesten Einfälle Vollführt man diesen Vorgang des Präparate-Rührens, kann gehabt habe. Also Gedankenruhe auf der einen Seite, un- man erfahren, dass die Seelenfähigkeiten des Menschen - geheure Bewegung auf der Willensseite und ein Fühlen, das das ist sein Denken, sein Fühlen und sein Wollen – in beson- sich vollkommen frei dazwischen entwickeln kann.

Seite 28 Verfolgt man den gesamten Herstellungs-, Rühr- und An- wendungsprozess des Hornmistes, so löst sich das Feste im Flüssigen und wird dann in feinen Tröpfchen in die Luft versprüht. Wenn es am saatfertigen Boden ankommt, ist es substanziell vernachlässigbar, aber ein Kräftedünger von un- geheurer Wirkung. Vor allem wirkt er auf die Pflanzenwur- zeln, die sich im Erdreich durch diese Kräfte noch stärker verlebendigen können, sich noch mehr mit dem Boden ver- binden. Der Hornkiesel wird ebenso verrührt und versprüht, jedoch auf die Pflanzenblätter und regt die Stoffwechselvorgänge in der Pflanze an, macht sie empfindsamer gegenüber den Wirkungen der kosmischen Kräfte.

Die soziale Frage in der Landwirtschaft Nun haben wir noch 2% der Bevölkerung in der Landwirt- schaft und damit wird klar, dass diese geforderte Gestaltung und bio-dynamische Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen in der geschilderten Weise viel, viel mehr Menschen erfordern würde. Wir brauchen nicht nur wesentlich mehr Menschen, sondern wir brauchen vor allem Menschen, die wieder voll in diese Prozesse eintauchen – nicht wie derzeit mit Radiokopfhörern am Traktor sitzen – und sich damit einer zutiefst kulturellen, künstlerischen Aufgabe hingeben. Und man erkennt, dass es hier auch um eine Frage der sozialen Gestaltung der Landwirtschaft geht. Je intensiver man in den bio-dynamischen Landbau ein- dringt, umso klarer wird, dass es sich um eine soziale Frage handelt, die den Zweck verfolgt, wieder mehr und sich ver- antwortlich fühlende Menschen auf die Höfe zu bekommen.

Dieser Vortrag wurde am 20.1. 2012 an der Universität für Bodenkultur im Rahmen der Ringvorlesung „Biologisch-dy- namischer Landbau“ gehalten und von Wilhelm Erian tran- skribiert.

Seite 29 Seite 30 Ernährung des Menschen als Kind, als Erwachsener und im Alter – was brauchen wir wirklich? Michael Kassner

Liebe Damen und Herren! wie im Garten einmal klären, auf welchem Boden, in wel- Ich freue mich sehr, dass ich wieder einmal hier sein darf. chem Klima arbeiten wir eigentlich? Machen Sie sich klar: 90 Ich bin gebeten worden, mich vorzustellen. Geboren als Jahre wollen wir hier in 90 Minuten besprechen: wir werden Sohn eines Waldorflehrers, habe ich auch selbst eine Wal- einige Sprünge machen müssen, damit wir da einen gewis- dorfschule besucht und dann zwei Möglichkeiten einer be- sen Überblick bekommen können. ruflichen Laufbahn gesehen: entweder die Pädagogik bzw. Heilpädagogik oder die Landwirtschaft. Zunächst war ich Gesetzmäßigkeiten unseres Lebenslaufes sechs Jahre in der Heilpädagogik, ging anschließend in die Wir müssen darauf hinschauen, dass unser Lebenslauf von Landwirtschaft, auf ein großes Gut in Nordrhein-Westfalen verschiedenen Gesetzmäßigkeiten geprägt ist. und habe dann in einer heilpädagogischen Einrichtung ei- Das eine ist sozusagen der Zeitablauf, das Physische, da nen Gemüsegarten aufgebaut. Als das erste meiner sechs haben wir die Geburt und den Tod; dahin läuft das genau- Kinder auf die Welt kam hat sich mein Leben geändert, weil genommen völlig gleichmäßig ab. Unser Gefühl, dass die ich mich von da an mit der Ernährung befasst habe. Ich ging Zeit mal schnell geht und mal langsam, das liegt nicht an der in den Arbeitskreis für Ernährungsforschung zu Dr. Renzen- Zeit, sondern an uns. brink, jene Einrichtung, welche als einzige über längere Zeit Dann haben wir da das andere, das was wir das Leben nen- auf anthroposophischer Grundlage an der Ernährungsfrage nen können; das hat Wachstum, wo wir sagen können, das gearbeitet hat. Ich war dort in den verschiedensten Berei- nimmt zu, hat einen Höhepunkt und fällt dann wieder ab. chen zwölf Jahre als Mitarbeiter tätig; anschließend habe Eine dritte Einwirkung, das ist unsere Seele, die sozusagen ich mich als Berater für Ernährung und Erziehung selbstän- auf die Erde herunterkommt, sich inkarniert , in das Fleisch dig gemacht. Das war damals genau das, was gefragt war in – carne – hineinarbeitet und dann auch sich wieder aus die- Kindergärten, in Volkshochschulen – in Österreich, Schweiz, sem Fleisch herauslöst. Das ist das Altwerden, das Heraus- Lettland, Rußland, Italien, Frankreich und Luxemburg. Jetzt gehen der Seele aus der leiblichen Verbindung. bin ich Dozent an einer Fachschule für Sozialpädagogik in Und schließlich können wir noch davon sprechen, aber das . wird uns für die Ernährung am wenigsten interessieren, dass Wenn wir nun das Thema Ernährung in den verschiedenen da natürlich ein ganz Individuelles hereinspielt. Das Ich des Lebensaltern bearbeiten wollen, dann müssen wir genauso Menschen, die Persönlichkeit, das, was wir schon mitbrin-

Seite 31 gen ins Leben und dann auch wieder mitnehmen. Aber das Wir befinden uns in unserem Lebenslauf immer in einer wäre jetzt eine eher persönliche Besprechung. Und wenn Entwicklung, in einer Bewegung, und die hat immer eine wir auf das Ich schauen, dann kommen wir in die Frage der Vergangenheit, immer eine Gegenwart, immer eine Zukunft. Krankheit hinein. Denn dass wir krank werden können, dass Wir kommen von woher, und wir sind da, wenn wir uns die wir nicht alles ganz geordnet abwickeln, wie das vorge- Frage stellen: „Was soll ich essen?“ Und ich will irgendwo zeichnet ist, physisch und seelisch, das hängt damit zusam- hin. Solange ich Mensch bin, will ich irgendwo hin. Mensch men, dass wir selbstbewusste Wesen sind. Und es ist nir- sein heißt: Weitergehen, sich weiterentwickeln und nicht gendwo so offensichtlich wie bei der Ernährung. Denn wir stehenbleiben. könnten anders essen. Wir müssten es nur tun – aber wir tun Deshalb ist es gar kein Lob, wenn ich jemanden nach 10 es eben oft nicht. Es gibt einen Ausspruch aus der alten Zeit: Jahren treffe und der sagt, ich hätte mich gar nicht verändert; Wir essen uns krank und verdauen uns gesund. das ist eigentlich peinlich. Wir wollen uns ja gar nicht so er- Im Grunde hat jede Nahrung eine Art kränkenden Charakter, nähren, dass wir so bleiben wie wir sind – das ist aber un- sie ist etwas Fremdes. Wir müssen das erst überwinden, wir sere moderne statische Ernährungsauffassung. Wir gucken, müssen uns das erst zu eigen machen. Das fängt schon in was ist drin, was fehlt, was füllen wir nach - das kann es der Landwirtschaft an und geht dann im Kochtopf weiter. nicht sein; Ernährung muss den Impuls in die Zukunft haben. Eine Frage, die so oft gestellt wird: Sollen wir überhaupt ko- Ich esse immer für die Zukunft. Und ein großer Teil der Zu- chen? Machen wir da nicht alles kaputt? Und dann bringen kunft spielt sich nachts ab. Das merkt man morgens, wenn wir das in unseren Körper hinein. Und heute denkt man so, man aufwacht: Ob man zukunftsfähig ist, oder ob man noch dass man Fette, Aminosäuren, Vitamine in sich hineinsteckt, das Schnitzel vom Abend verdauen muss. Das ist ein völlig und das Calcium in der Milch, ja das gibt schöne Knochen. anderes Lebensgefühl. Aber wie soll denn das Calcium in der Milch wissen, wie Da haben wir drei Schritte: Vergangenheit, Gegenwart, Zu- man schöne Knochen macht? Es kann natürlich alle Kno- kunft – etwas wissenschaftlicher ausgedrückt können wir chen machen, aber da muss erst einmal einer kommen und sagen: sagen: Hallo, du bist das richtige Material für meine Nase, Vergangenheit, das ist die Konstitution, die Veranla- meine Beine oder irgendeinen anderen Knochen. Das ist ja gung; mit welchen Verhältnissen aus der Vererbung, der eine Illusion, dass wir da ein Vitamin zu uns nehmen und es Erziehung, der Umwelt komme ich hier in der Gegenwart an. wirkt. Es wirkt gar nicht, es stirbt, denn da kommt die Salz- Gegenwart, das ist die Disposition, wie stehe ich im säure, die Gallensäure usw. Nichts darf so bleiben, nichts, Moment da, wie bin ich disponiert zu diesem, zu jenem. gar nichts – da werden wir sofort krank, das merken wir z. Wir kennen das doch: Da steht ein wunderbares Essen auf B. bei Allergien. dem Tisch aber wir haben keine Lust darauf, gestern hätten Das ist die Folge, wenn der Körper etwas nicht verdauen wir noch ein halbes Königreich dafür gegeben. kann; wenn der Körper mit etwas nicht umgehen kann. Und Zukunft, das ist die Genesung, das ist die Entwicklung die Haut wird auch noch krank. Wir müssen alles, alles ver- auf etwas hin. Wenn ich mich mit meinen Vergangenheits- wandeln, uns alles zu eigen machen. Und das ist das Ich, das kräften in der Gegenwart so verhalte, dass ich zukunftsfähig da über allem steht, das da hereinwirkt, aber sehr schwer zu bin, dann bin ich wahrscheinlich gesund. Wenn es mir ge- fassen ist, aber unser Leben im Einzelnen gestaltet. lungen ist, die Verdauung in Ordnung zu halten, dann kön-

Seite 32 nen gesundende Kräfte in mir aufsteigen, das Regenerative, Wir bringen unsere Veranlagung mit, unsere Disposition und das Wachstum, die Denkfähigkeit. Wir haben doch hier oben wir verändern uns nur langsam, wenn überhaupt. auf unserem Halse einen „Verbraucher“ und hier unten im Ich schließe diese Einleitung mit einem Spruch, einem alten Bauch haben wir unseren „Produzenten“, unseren Willen, Spruch, den sie wahrscheinlich alle kennen: der hier herauskommt. So viele Menschen essen sich heute „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.“ willensschwach. Im Märchen heißt es dann, ihnen liegen Einfach, ganz einfach klingt diese Volksweisheit, aber man kann Steine im Bauch und dann fallen sie in den Brunnen, weil sie es nicht besser sagen. Leib und Seele, und dazwischen ist das Durst haben - Durst auf Leben. Leben. Das ist ja ein belebter Leib. Mit dem Essen arbeiten wir Wir müssen so essen, dass diese Willens-Kräfte hier aufstei- die Nahrung in unseren belebten Leib hinein, und der Volks- gen können und hier in unserer Mitte, im rhythmischen Sys- mund sagt auch „trinken“, denn das Trinken, das Flüssige schafft tem geprüft werden. Und das Herz fragt: Was hast du heute die Verbindung vom Leib zur Seele. mit mir vor, kann ich das, was du willst, verantworten? Hier Wie können wir Essen und Trinken einrichten, dass dieses grund- ist die Moral zu Hause, die Ethik. sätzlich der menschlichen Entwicklung dienlich wird. Dass wir in Aber sehen wir uns um: Wir bekommen heute z.B. im Fern- jedem Entwicklungsstadium auch entwicklungsfähig sind. sehen alles gezeigt, wie angebaut wird, wie Tiere gehalten werden, wir können uns darüber Filme anschauen, wir wis- Die Ernährung in der Kindheit sen alles – aber was ist hier mit unserer Mitte? Wir machen Das Stillen unser Herz zu, wenn wir solche Filme sehen. Ich kann Ihnen Ganz einfach fängt das Leben an, mit einem einfachen Le- sagen, dass in Deutschland jeden Tag – das ganze Jahr hin- bensmittel, in welchem Essen und Trinken vereint sind, der durch – 40.000 bis 60.000 Schweine geschlachtet werden. Milch. Es gab eine Zeit, da war die Erdatmosphäre milchig; Die essen wir alle auf. Will ich das wirklich wissen? Will ich sie hat sich zusammengezogen und hat sich in die verschie- das fühlen? Nein! Denn das ist ein Unding; wie müssen diese denen Lebensformen hineingebildet. Tiere leben, wie müssen sie aufgezogen werden… das wol- Ein paar Denkanregungen: Es wird schnell gesagt: Milch, das len wir doch gar nicht wissen. ist ein tierisches Produkt. Wir sind also bei der Frage stehengeblieben, welche Kräfte Das stimmt so nicht. Wir haben Milchbildung im Menschen- lasse ich hier durch in meinen Kopf hinauf? Bin ich selber reich, im Tierreich und im Pflanzenreich. Salat, eine milchbil- beteiligt, an dem was ich jetzt denke. Dann erst gehen diese dende Pflanze. Nur im Pflanzenreich wird die Milch bitter. Kräfte wieder durch mein Herz hindurch, „sinnvoll bedacht“, Wegwarte und Löwenzahn, die bittere Milch, die allerdings dann gehen sie zu den Händen und Füßen wieder hinaus, leberanregend ist. hoffentlich so, dass ich ein wenig die Welt verändere. Die Milch im Tierreich, bei den am höchsten entwickelten Und sei es nur ein Bissen am Tag, den ich solcherart be- Tierarten, die sogar ihren Namen davon haben, dass sie denke. Denn - wir nehmen uns bei der Ernährung immer viel säugen können. Milch haben nur die weiblichen Tiere. Im zu viel vor. Wir wollen gleich alles ändern. Mit Diäten und Pflanzenreich sind es die Korbblütler, die schon etwas So- dergleichen . Ich warne Sie davor, denn nach drei Tagen ist ziales repräsentieren. Auch im Menschenreich kann nur die alles wieder beim Alten und so geht auch die winzige Chan- höchstentwickelte Form – und das ist die Frau – Milch bil- ce auf Veränderung verloren. den. Der Mann kann das nicht.

Seite 33 Die Milchbildung ist gebunden an die Geburt, da muss ein gefüttert wurden, so dass sie kein richtiges Eiweiß ausbil- Kind kommen, das ruft, ich will leben. Es ist ganz Lebens- den konnten. Diese Milch ist sozusagen biologisch nicht hunger. abbaubar. Und wir bekommen ein Problem, aber das Pro- Ein Mensch bereitet einem Menschen Nahrung zu. Die Mut- blem ist nicht die Milch, sondern die Tierhaltung. ter isst, verdaut, die Nahrung geht ins Blut über, sie macht Hier möchte ich etwas anknüpfen: Wir haben heute die das ganz zu ihrem Eigenen. Daraus bildet sie die Milch für Tendenz zu sagen, es kommt bei den Nahrungsmitteln ihr Kind, hier oben im Brust-Herzbereich. Erst wenn die auf die Lebenskraft an. Auf die Vitalität. Vitale Stoffe. Kein Bluternährung zu Ende ist, beginnt die Milchernährung. Mensch kann mir erklären, warum ein Mineralstoff ein Vi- Und dann kommt erst die eigentliche Ernährungsfrage. Die talstoff sein soll. Muttermilch hatte die richtige Temperatur und hatte alles in Gewöhnen wir uns doch die gängigen Begriffe ab: Vital- der richtigen Zusammensetzung. Menschenkinder werden stoffe, Spurenelemente, Elemente - und davon eine Spur nicht nur gesäugt, sie werden auch gestillt. Hungrige Kin- – ein Milligramm, ein Mikrogramm. So wenig Vitamin C ist der sind kreativ in den Ausdrucksformen ihres Bedürfnis- in einer Zitrone, wie auf die Spitze einer Stecknadel passt, ses. Dann kommt die Zeit, wo das Kind beginnt die Welt zu und trotzdem tut man so, als ob die ganze Zitrone nur Vi- erobern, in der kurzen Zeit zwischen Nahrungsaufnahme tamin C wäre. Oder Calcium, ja die Milch enthält Calcium und Einschlafen. Darum ist es wichtig, dass Nahrungsauf- - aber trinken Sie einmal Calcium! Das knirscht. Da ist doch nahme gut geht, dass das Kind zur Ruhe kommen kann. kein Leben. Muttermilch – jeder Tag Stillen ist ein Gewinn. Diese Ernäh- Natürlich braucht das Kind Nahrung aus dem Leben. Wenn rung kommt noch aus dem Blut, aus dem das Kind gebildet man jetzt anfängt die Muttermilch abzulösen, ist da die ist. Sie ist noch nicht von dieser Welt. Jetzt kommt die Fra- Tradition mit Getreide zu beginnen. Aber ist in so einem ge: Abstillen, wann, wie, und was dann? Korn noch Leben drin? Das lagert oft jahrelang, kann da Eine Tiermilch ist das der Muttermilch Ähnlichste, auch noch Leben sein? Und dann wird es noch gemahlen, da immer eine Muttermilch. Es ist eine Art Entgegenkommen kann es nicht einmal mehr keimen. Womit ernähre ich da dem Kind gegenüber. Eine Abstimmung mit dem Stoff- mein Kind? wechsel des Kindes, der Muttermilch am ähnlichsten. Man macht es sich heute einfach, wenn man alles, was Ich sag´s laut und kräftig: weiß und flüssig ist als Milch bezeichnet: Sojamilch, Ha- Das Kind braucht Ordnungskräfte fermilch, Reismilch usf. Man muss aber die Unterschiede Das Kind will Knochen bilden, das Kind will sich eine Form beachten. geben, das Kind will seine Sinne in Ordnung bringen, es will Was unterscheidet die Milch der Ziege von der Milch der Formen der inneren Organe bilden. Diese Formen müssen Kuh? Man denke, eine Kuh gibt nicht freiwillig 9 – 10 Mo- für das kleine Kind aus dem Leben kommen. Und das Getrei- nate Milch; das ist auch gar nicht natürlich. Aber wenn wir dekorn ist nach all den Prozessen des Wachstums zur Ruhe sie pflegen, wir sie gut füttern, gibt sie uns gute Milch. Wir gekommenes Leben, eigentlich schon wieder ein pflanzli- können uns auf die Kinder verlassen, wenn sie ausdrücken, ches Mineral. Quarzhaltiges Mineral. dass sie nicht jede Milch wollen. Wenn sie vielleicht sogar allergisch reagieren auf eine Milch, von Kühen, die falsch Und das zeige ich Ihnen jetzt einmal für die Milch:

Seite 34 Unterschied feststellen zwischen diesen beiden Kuhmilch- bildern. Hier haben Sie ein organisch wirkendes Bild, mit einem Zentrum, von dem die Kräfte regelmäßig ausgehend sich verteilen. Im anderen Fall haben wir auflösende Tendenzen, mit meh- reren Zentren. Im ersten Fall handelt es sich um Milch von Kühen mit Hörnern, das zweite Bild zeigt Milchstrukturen von Kühen ohne Hörner. Das sind die Gestaltungskräfte an der Kuh. Wie arm seh- en diese Kühe ohne Hörner aus? Die Menschheit hat als Milchrasse ausgerechnet eine Rasse gewählt, welche Hörner trägt. Darüber lohnt sich zumindest nachzudenken. Unser Kind braucht Ordnungskräfte, nicht Vitalität. Wenn sie Ihrem Kind Keimlinge zu essen geben oder gar Rohkost – das geht nicht. Da wird es krank, kann nicht richtig gedeihen. Die Kinder ernähren sich noch aus einer anderen Sphäre, denn sehen Sie, wie viele Kinder trotz einer schlechten Ernährung noch immer wachsen oder mit sehr wenig Nahrung, wie in den Entwicklungsländern. Wachsen tun sie ja, aber unsere Kinder brauchen Ordnungskräfte aus der Nahrung. Aber diese Ordnungskräfte müssen durch das Leben durch- gegangen sein. Wie die Muttermilch durch die Lebens- prozesse der Mutter. Es gibt bis heute nichts Besseres, in Zukunft kann das vi- elleicht anders werden, aber bis heute gibt es nichts Besseres als eine Tiermilch im Anschluss an die Muttermilch- Ernährung. Ich gehe davon aus, dass das Kind 5, 6 oder 7 Monate gestillt wurde – man kann das nicht verglei- Quelle: Die Kuh und ihre Hörner, Arbeitskreis „Hörner tragen- chen mit östlichen Gewohnheiten, wo die Kinder bis zu de Kühe“, Bio-Ring, Allgäu zwei Jahren gestillt werden. Und dadurch kann man die Ernährung in der Abstillphase nicht vergleichen. Denn das Achten Sie auf die ordnenden, Gestalt bildenden Kräfte, die eine Kind ist fünf Monate das andere zwei Jahre alt; da kann sich hier ausdrücken Und Sie werden jetzt den Unterschied man dann natürlich bereits Ziegenmilch geben. sehen, wenn ich Ihnen ein anderes Bild dazulege. Schauen Das kleine Kind, das gerade abgestillt wird, braucht Milch. Sie unbefangen, analysieren Sie nicht. Sie werden einen Die Wissenschaft gibt heute schon zu, dass es das Beste ist.

Seite 35 Natürlich geht es auch anders, Sie sollen ja kein schlechtes Wir haben die Natur des Apfels nicht ruiniert, wenn wir ihn Gewissen bekommen, wenn es nicht so war, aber es ist schonend und liebevoll erwärmt haben, wir haben den Ap- zu wiederholen: Kuhmilch, von Kühen mit Hörnern und art- fel nur menschenverträglicher gemacht, für die Verdauung gemäß gefüttert, ist heute noch das Mittel der Wahl beim des kleinen Kindes geeigneter gemacht. Abstillen. Es gibt viele andere Möglichkeiten, welche wir Wir können uns klar machen, für wen wir das Essen zube- Gott sei Dank auch haben, aber wir sprechen heute von der reiten. Das ist doch ein Kind, dessen Sinne beachtet werden idealen Art und Weise. wollen. Wir müssen wissen für wen wir kochen. Stellen Sie sich einmal vor, Sie werden zu einem Hochzeitsmahl gela- Die ersten drei Jahre den, da steht ein großer Topf auf dem Tisch – eine graue Reife und Wärme Suppe und davor das Schild: Hühnchen mit Reis und Apfel- In diesem Lebensabschnitt muss alles an Nahrung reif sein! sinen, die Suppe und das Dessert ist auch schon dabei, alle Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn Kinder Gemüse Vitamine und Mineralstoffe. Wir machen so ein Festessen und Obst ablehnen, denn das meiste davon ist einfach nicht doch schön, ansprechend, einladend… reif. Denken Sie an Gurken und Tomaten, grüne Bananen und unreif geerntete Äpfel. Kinder mögen kein grünes Zeug, Un- Kinder lieben das Einfache! reifes kann man nicht mögen. Also: Alles für die Kinder in Kinderernährung ist einfach, nicht zweifach oder mehrfach. die Nachreifung bringen. Jetzt kommt die Kochkunst, das Kinder lieben das Einfache, nicht den Zwiespalt, nicht: heißt so mit der Wärme umgehen, dass Nachreife möglich „Willst Du dies oder willst Du das?“ Sondern: „Schau einmal, wird. Nehmen sie ein Äpfelchen, schneiden Sie es schön in das ist Dein Apfel, den mache ich für Dich warm.“ Und mor- Schnitzel, etwas Apfelsaft oder Wasser dazu, machen Sie gen kommt wieder der Apfel; der Apfel wird so dem Kind das Ganze liebevoll warm, als ob Sie es ans Herz drü- sympathisch. Kinder wollen nicht den Wechsel. Wir ruinie- cken würden. Ein paar Minuten auf dem Herd hin und her ren die Verdauung unserer Kinder mit dem starken Wechsel. geschoben und sie werden merken, der Apfel wird immer Das Kind muss lernen dürfen etwas zu verdauen. Wenn das größer, er kommt aus dem Topf, das Kind riecht das auch Kind auf die Welt kommt kann es noch nicht verdauen. Es schon – oh, der Apfel kommt zu mir - wird bekömmlich und muss das alles lernen dürfen: Getreide lernen, Karotte ler- wenn man das noch schön gemacht hat, aufgeschnitten, nen… Unser Ätherleib hat einen Rhythmus – den Vierwo- als Blume gelegt und verziert, da macht es mir doch auch chenrhythmus; lassen Sie ein Kind vier Wochen dasselbe den Magen auf, da esse ich plötzlich auch Obst. Da macht essen. Wenn Sie ein neues Lebensmittel einführen, geben man den Apfel den Pralinen etwas ähnlicher. Ja, aber das Sie jetzt vier Wochen dieses dazu. Nicht Mehrkorn. Wieder- ist doch Liebe, das macht man doch nur für jemanden, den holung – wir lieben die Wiederholung. So hat das Kind das man gern hat; das spürt das Kind. Das ist auch anders, als Gefühl – ja die Karotte, die „kann“ ich (verdauen). Lassen wenn ich sage: „Da iss mal schön, das ist ein Bioapfel“. Das wir unsere Kinder lernen. Das ist das Prinzip des ersten Jahr- Kind muss sich dann mit diesem Apfel, der fast so groß ist siebtes - eins nach dem anderen lernen. wie ein kleiner Kürbis, herumschlagen. Das Kind steht da und Die Wärme der Muttermilch kam noch von der Mutter, nun fragt sich, wo es hineinbeißen soll und verzweifelt vielleicht müssen Sie die Wärme hinzufügen und dadurch das Le- an dem Gedanken, dass es den Apfel ganz aufessen soll. bensmittel ein wenig reifer machen. Seien sie rührend, rüh-

Seite 36 rend. Und wenn Sie einen Fertigbrei anrühren, dann rühren nicht abgeschlossen haben, dann können Sie es aufgeben. Sie, rühren Sie für Ihr Kind, damit es das verdauen kann. Einem 14-Jährigen das Müsli-Essen beibringen zu wollen, ist Für viele unserer Kinder ist die Ernährungskindheit nach ein Unding. Außerdem braucht das Kind jetzt ein Vorbild, zwei, drei Jahren zu Ende, dann müssen Sie sich entschei- also müssen Sie selbst überzeugend Müsli essen. Mit zwei den, was sie essen wollen und die Eltern sind stolz, dass Jahren will das Kind gar nicht das Gleiche haben wie die sie schon alles essen, was sie selber auch essen. Also ist die Eltern, aber im Schulalter orientieren sich die Kinder an den Kindheit schon zu Ende. Wie traurig. Eltern. Wir haben sieben Jahre Zeit, dass das Kind alles das essen lernt, was in unserem kleinen familiären Kulturkreis üblich Zwei Merksätze für diese Zeitspanne: ist. Eine Woche mit Hirse und Karotten - das fordert unsere Diskutieren Sie am Tisch nie über Qualitätsunterschiede in Phantasie. Karotten einmal längs geschnitten, einmal geras- der Nahrung. Vergessen Sie am Tisch das Wort „bio“ völlig. pelt, einmal in runden Rädchen mit Tupfer drauf; das liebt Das Kind bis ins 14. Lebensjahr geht davon aus, dass auf das Kind, die Formen, die Farben. Das Kind fragt nicht nach dem Tisch nur das Allerbeste steht. Denn sonst grenze ich Vitaminen und Kalorien. Das Kind isst die Form auf, und der andere Menschen aus. Das Kind fragt sich vielleicht: Und Brei kommt mit. Der Übergang geschieht langsam, achten Sie mein Freund, kriegt der dann schlechteres Essen? Haben auf die Form und das Gewohnte. Jetzt kann das Kind sich Sie die bessere Ernährung, aber reden Sie nicht darüber am langsam sein Ernährungsfeld erobern. Tisch. Ruhe in die Ernährung bringen, Ruhe in die Stimmung am Wie steht das mit dem Fleisch? Ein kleines Kind bis sie- Tisch. Vor allem am Abend sollte ein bekanntes einfaches ben, acht Jahre braucht kein Fleisch, braucht keinen Fisch, Gericht am Tisch stehen. Zu viele Möglichkeiten der Wahl braucht keine Eier – wenn es Getreide hat, wenn es Milch- beunruhigen das Kind, es ist meist müde und möchte nur produkte hat, wenn es etwa fünf Gemüsesorten und fünf noch essen dürfen. Und wenn dann der Körper sagt: Fein, Obstsorten hat. Und das ist nicht nur meine Sicht, das kann das kenne ich, das habe ich verdauen gelernt, wird das Kind man zwischenzeitlich auch von der Wissenschaft hören. Das die Nacht ruhiger verbringen können. heißt nicht, dass es nicht ein Stückchen da und dort haben kann – aber ich finde, tierische Nahrung braucht die Haltung Die Ernährung in der Pflichtschulzeit der Ehrfurcht. Das Kind braucht diese Eiweißnahrung noch Wir müssen heute nicht mehr den Apfel essen, der neben nicht. Stellen Sie Regeln auf, mit welchem Alter es dann et- der Kirche wächst; aber Äpfel müssen wir essen. Ein Kind was darf. Aber jede Regel braucht auch die Ausnahme. Ma- braucht Beziehung zu dem, was es isst. Ich kann dem Kind chen Sie Ausnahmen, z.B. ein ganzes gekochtes Ei auf einer diese Beziehung nicht vermitteln für eine unreife Banane. Wanderung, zu Ostern. Wir brauchen Ordnung im Inneren Nicht den Kreis um die Kirche zu eng ziehen. Aber Nah- und im Äußeren. rungsmittel geben, die das Kind kennen kann. Und dann erst Nach dieser Phase mit diesen Grundsätzen können Sie die geht die Welt auf, jetzt wird es vielfältig für das Kind. So wie Kinder entlassen, dann gehen sie vielleicht zu McDonalds. die Kinder jetzt eigenwillig werden, so mit 15, 16 Jahren, da Lassen Sie sie dorthin gehen, bis sie freiwillig wiederkom- ist nichts mehr mit Gleichmacherei – und das sage ich Ihnen men – das geht dann schneller als Sie denken! gleich, wenn Sie bis 11, 12 Jahren die Ernährungserziehung

Seite 37 Die Ernährung um die Lebensmitte Hauptaufbaustoff – das Eiweiß müsste in der Menge, nicht Etwa von 21 bis 42 Jahre kann man keine allgemeinen Ernäh- aber in der Qualität abnehmen. Der alternde Mensch muss rungsvorschriften machen. Denn nun wird der Mensch ei- nun selbst, d.h. seelisch-geistig für die Funktionsanregung gen. Er bildet sein Ich aus, er muss ausprobieren. Sie kennen sorgen. Wie regt man die Sinne an? das vielleicht: Kinder werden ernährungsmäßig wunderbar Das rhythmische System lässt nach. Rhythmusstörung in Form erzogen, dann werden sie ernährungsmäßig wunderbar von Schlafstörungen. Daraus resultieren Herzverfettung, ungezogen. Wenn sie gesund sind, dann vertragen sie das Kreislaufstörungen. Es gibt da ein wirksames Pflanzenpaar: auch, und sie merken auch, was sie vertragen. Das ist wie Lavendel und Rosmarin. Aber man muss schon mehr tun, mit dem Alkohol und dem Rauchen: Wir können das nicht z.B. Zeiten einhalten, Wiederholungen pflegen. Man kann verhindern, aber wenn sie gesund sind, können sie das Hilfe geben, indem man zeitig aufsteht, zeitig zu Bett geht; überstehen. Erholungspausen einlegt. Die Stoffwechseltätigkeit wird träger. Leber, Nieren, Bauch- In dieser Lebenszeit muss sich der Mensch so ernähren, speicheldrüse – es wird alles langsamer, der Austausch, der dass er die Kraft bekommt, das zu tun, was er tun will (soll). Abbau, der Aufbau, die Regeneration, die Verdauung; 24 – 36 Stunden ist die gesunde Passagezeit für die Nahrung. Das Abendessen muss uns in der Lebensmitte so versorgen, Geht das dauerhaft deutlich langsamer, werten wir die Nah- dass wir am Morgen unser Werk richtig beginnen können, ob rung nicht mehr gut aus. Das ist ja heute oftmals die Crux der wir nun Sportler oder Denker sind, ob wir im Wald arbeiten Lebensmitte, dass wir Nahrungsergänzungsmittel, Vitamin- oder in den Stall gehen. Wir ernähren uns heute genau ge- und Mineralstoffpräparate zu uns nehmen und dann abhän- genteilig. Wir sitzen am Computer und ernähren uns wie ein gig werden und auf die Dauer ist das wie Kunstdünger. Der Bauer. Was wir brauchen ist die Erfahrung einer guten Ernäh- Körper wird immer unfähiger, selber z. B. das Carotin aus rungserziehung. Ein Denker braucht brain food, ein Sportler der Karotte zu holen. Dann brauchen wir einen riesigen me- braucht functional food. dizinischen Aufwand, um das Alter irgendwie lebenswert durchzustehen. Die Ernährung im Alter Jetzt brauchen wir Gewürzpflanzen, vor allem Samenge- Durch das Anwachsen der Alterspyramide wird die Ernäh- würze; Kümmel, Anis, Fenchel; vor allem das Bittere, denn rungsfrage für den alternden Menschen zunehmend aktuel- dieses regt die Leber- und Gallentätigkeit an. ler. Dessen ungeachtet beginnen wir ungefähr ab dem 35. Lebensjahr körperlich abzubauen. Die Leber wird kleiner, Milch ist das Symbol für die Kinderernährung. Nahrung für alles wird weniger, die Knochen werden hohl. Dementspre- mein Kind. Individualnahrung. chend muss auch vor allem die Menge der Eiweißnahrung Honig ist das Symbol für das Alter. Ein umfassendes Le- zurückgehen. bensmittel: Formkräfte, Aminosäuren, Mineralstoffe, Säuren, Das Erste, was schwächer werden kann, sind die Sinne, die antibiotische Stoffe. Der Honig kommt von einem Insekt, ei- Augen, der Geschmack. Durch die Gewürzverarmung hat nem Sonnenwärmetier, das nur das Feinste, das Essentielle sich der Geschmack zurückgebildet. Nicht Aufbau ist nun aus der Blüte holt, und für ein wenig Honig hunderte von die Aufgabe, sondern die „Körperfunktion erhalten“. Der Flügen braucht.

Seite 38 Wir als geistige Wesen haben uns herein inkarniert; durch Es- sen und Trinken haben wir den Leib und die Seele zusam- mengehalten, das Leben unterhalten. Die Zukunftsarbeit ist, eine Ernährung herzustellen, die es einem alternden Men- schen ermöglicht, sich gesund zu lösen, dass sein Körper geordnet auskristallisieren und sich seine Seele lösen, wie ein Duft verströmen kann. Die Milch bekommen wir von einem Stoffwechseltier, das Blätter frisst. Die Milch, die wir trinken kommt durch den Menschen zu uns, durch seine Arbeit an und mit dem Tier. Der Honig, den wir essen, kommt vom Menschen, aus sei- ner Arbeit mit den Bienen. Eingebettet zwischen Milch und Honig finden wir das Brot. Erde, Wasser, Luft, Wärme und Samen, geben das Ihre und werden durch Menschenhand zum völlig neuen Einen. Wir brauchen den Brotlaib als Vorbild für unsere Lebensmitte, um unseren Leib aus den Lebensmitteln zu einem Werkzeug unserer individuellen Intentionen erschaffen zu können.

Natur, dein mütterliches Sein, Ich trage es in meinem Willenswesen; Und meines Willens Feuermacht, Sie stählet meines Geistes Triebe, Daß sie gebären Selbstgefühl, Zu tragen mich in mir.1

Michael Kassner Ernährung in den Lebensaltern

Dieser Vortrag wurde am 11.1.2013 im Rahmen des Grund- lehrganges für biologisch-dynamischen Landbau im Kloster Laab im Walde gehalten und von Waltraud Neuper trams- kribiert.

1 Seelenkalender von Rudolf Steiner Seite 39 Seite 40 Auflösungs- und Verhärtungsprozesse in Mensch und Natur

Harald Siber

Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen. Ich bin seit Menschen beschrieben. Zugleich auch die Dreigliederung 1975 ärztlich tätig. Ich habe eine homöopathische Aus- geprägt, die ja nicht nur auf den Menschen allein Anwen- bildung gemacht und mich dann der anthroposophischen dung findet, sondern auch in größeren Zusammenhängen Medizin zugewandt. Im Rahmen der anthroposophischen durchaus gute Dienste leistet. Medizin habe ich dann auch an der Ausarbeitung unseres Rudolf Steiner hat diese Ideen nicht aus dem Nichts erschaf- Ausbildungsprogrammes mitgestaltet und bin noch immer fen, sondern er hat, was die Menschen im Laufe der Jahrtau- in jenem Spital tätig, in welchem ich begonnen habe: Im sende entwickelt haben, in eine zeitgemäße Form gebracht. Sophienspital, als Oberarzt an einer Akutgeriatrischen Ab- Es ist interessant, die Quellen zu verfolgen, denn man kann teilung. daran sehen, dass Rudolf Steiner ein evolutionärer Geist war, der alles, was bereits entwickelt wurde, dem Bewusst- Meine heutige Aufgabenstellung ist es, Ihnen Grundlagen seinszustand des Gegenwartsmenschen angepasst hat. mitzugeben, wobei ich natürlich nicht weiß, wie sehr Sie So gehen wir, mit der Viergliederung im Hintergrund, zurück schon in die Materie eingedrungen sind. Ich werde versu- in das alte Griechenland, in die Zeit der ionischen Naturphi- chen, Ihnen eine menschengemäße Einführung in die Vier- losophen.1 Sie waren die ersten, die an der Wiege unserer gliederung zu geben bzw. einen Einblick in die Wesens- Wissenschaft gestanden sind und sich Gedanken gemacht glieder sowie in die Dreigliederung des Menschen über haben, woraus alles entstanden ist. Dies aber in einer Art die Prozesse von Auflösung und Sklerose. und Weise, dass zunächst große Ideen entwickelt wurden - im Unterschied zu unserem heutigen naturwissenschaft- Entzündung und Sklerose lichen Denken, wo nicht die großen Ideen, sondern das Wenn wir uns dem Thema Entzündung und Verhärtung nä- Sammeln von Fakten und Daten im Vordergrund steht. Wir hern wollen, so ist es zunächst einmal sinnvoll zu sehen, wie wissen unglaublich viel über Details und es ist oft schwierig, es überhaupt zur Entwicklung dieser Krankheitstendenzen diese Fakten einem größeren Gedankenzusammenhang zu- kommen kann. Dazu ist es notwendig, entsprechendes Ide- engut vor Ihnen auszubreiten, damit man verstehen kann, 1 Ältere ionische Naturphilosophen: Thales, Anaximander, wie das gemeint ist. Rudolf Steiner hat die Wesensglie- Anaximenes; jüngere ionische Naturphilosophen - auch Atomisten derkunde begründet, also die vier Wesensglieder des genannt - waren Leukipp aus Milet, sein Schüler Demokrit aus Abdera, Diogenes aus Smyrna

Seite 41 zuordnen. Sie kennen die Betrachtungsweise, wonach die dizin als Wissenschaft begründet hat. Seine Säftelehre wur- Welt aus Grundelementen aufgebaut ist. Diese Grundele- de später vom römischen Arzt Galen verfeinert. Daraus ent- mente wurden formuliert als stand später in Verbindung mit den genannten Elementen die Lehre von den Temperamenten. • das erdige Element Dort wo das erdige Element überwiegt, ist ein melancho- • das luftige Element lisches Temperament vorherrschend, hier überwiegt die • das wässrige Element schwarze Galle. Das ist ein Menschentyp, der sich mit der • das Wärme-Element Beweglichkeit schwer tut, der sehr an einem Problem haftet. Dem phlegmatischen - in der Kindheit lymphatischen -Ty- Diese sind heute in der Physik gültig als die Aggregatzu- pus, wird in der Säftelehre der Schleim zugeordnet. Dieser stände, die das Wesen des Physischen in seinen Erschei- Schleim kann mehr wässrig oder mehr fest sein. Hier finden nungsformen zum Ausdruck bringen. Empedokles war der wir eine Temperamentlage, die in sich ruht, relativ selbstzu- Erste, der das in dieser Form klar formuliert hat. Diese Idee frieden ist und darauf angewiesen ist, was aus der Umge- wurde weiterentwickelt von Hippokrates, welcher die Me- bung auf sie zukommt, wobei hier besonders die Nahrung

Seite 42 wichtig ist. Diese wird aufgenommen und genüsslich in den nächst einmal davon ausgehen können, dass es verschiede- Säftestrom integriert. ne Naturanteile gibt, die der Mensch letztlich repräsentiert. Der Luftikus, der als Nervöser, Springlebendiger von Ast zu Dazu gehört das Mineralreich, für das in der anthroposophi- Ast hüpft, an allem interessiert ist, aber sich dann doch nicht schen Menschenkunde die Bezeichnung physischer Leib so genau mit den Einzelheiten auseinandersetzt - das san- gewählt wurde. Der physische Leib ist jenes Wesensglied, guinische Temperament also - löst sich rasch von einem für das die naturwissenschaftliche Betrachtung ausreichend Problem. Hier ist das Blut der beherrschende Saft. ist. Daher wissen wir über die physische Welt heute auch Beim Choleriker ist es so, dass hier die innere Emotion, sehr viel, unglaublich viele Details. Schwierig wird das For- die in dieser Wärmebildung aufgebaut und wie bei einem schungsgebiet - wenn wir naturwissenschaftlich vorgehen Dampfkessel gestaut wird, vorherrscht. Wenn die Kraft groß - wenn ein weiteres Wesensglied hinzukommt. genug ist und ein Auslöser in der Nähe ist, dann entlädt sich Nämlich dasjenige, das wir als Lebensleib bezeichnen, diese Kraft, die in dieser Wärme steckt. Die gelbe Galle ist weil wir in dem Augenblick uns bereits im übersinnlichen das überwiegende Element aus der Säftelehre. Diese gelbe Bereich befinden. Denn, wenn wir nicht die Fähigkeiten aus- Galle ist Ausdruck der Vernichtungskräfte, die natürlich auch gebildet haben, diesen Lebensleib wahrnehmen zu können, in der Galle im Verdauungsprozess wirksam werden. dann sind wir zunächst in der Situation, dass wir nur indirekt Paracelsus hat dieses Gebiet weiter ausgearbeitet. Rudolf aus den Reaktionen, die sich aus dem Physischen ergeben, Steiner hat daraus die Wesensgliederlehre entwickelt. rückschließen können, auf diesen eigentlich bewirkenden Lebensleib. Und das ist ein Problem in der naturwissen- Die Elemente und ihre Entsprechung im viergliedrigen schaftlichen Forschung, dass man eigentlich nur das Tote Menschen untersuchen kann. In dem Augenblick, wo ich etwas aus Das erdige Element entspricht der physischen Grundlage. dem Lebenszusammenhang herausnehme, um es zu unter- Das wässrige Element trägt die Verbindung zum Leben; suchen, unter dem Mikroskop zu untersuchen, ist es eben dieser Lebensleib - auch Ätherleib genannt - hat die Aufga- schon tot. Es lebt nicht mehr. Es braucht daher andere For- be, das zu beleben, was in der unbelebten Natur, im erdi- schungsmethoden, um das Wesen des Lebensleibes bzw. gen Element vorgegeben ist. des Ätherischen erforschen zu können. Dazu hat Goethe in Der sogenannte Astral- oder Seelenleib ist derjenige, der seiner Phänomenologie einen wesentlichen Beitrag geleistet. Bewegung in dieses vegetative Leben hineinbringt: das äu- Hier ist es möglich, aus der Betrachtung einer äußeren Ge- ßert sich im Luftigen und dadurch, dass jetzt eine innere stalt, sei es Pflanze, Tier oder Mensch, unter Einbeziehung Welt entsteht, ein Resonanzraum. des Faktors „Zeit“, auf das eigentlich Bewirkende rückschlie- Das eigentliche Feuer-Wärme-Element, das geistige Ele- ßen zu können. Eine Forschungsmethode, die sicherlich ment, bezeichnet Rudolf Steiner als das Ich, das der Feuer- auch in der Landwirtschaft von Bedeutung, aber die ein ei- substantialität in der Elementenlehre entspricht. genes Kapitel ist, worüber jetzt nicht mehr als nur das Prinzi- pielle gesagt werden kann. Wir können hier noch einen Gesichtspunkt einbringen, der Die Pflanze ist also jene Erscheinungsform, die aus physi- uns zeigt, dass die Natur in einer ganz bestimmten Art und schem Leib und Lebensleib besteht, sie ist belebt, vegetativ. Weise sich auch evolutionär entwickelt hat und dass wir zu- Sie hat somit die Fähigkeit zu wachsen, sich zu ernähren,

Seite 43 zu regenerieren, sich fortzupflanzen. Das sind alles Eigen- Der Mikrokosmos bildet den Makrokosmos ab schaften, die der physische Leib allein nicht besitzt. Dieses vegetative Leben erhält beim Tier eine wesentliche Erweite- Dafür braucht es die Innenwelt. In diesem Innenraum ent- rung dadurch, dass nun der Seelenleib in diese Hierarchie steht das jeweils eigene seelische Erleben, das jetzt nicht eingreift. Sie sehen, dies ist eine hierarchische Gestaltung, d. mehr vollkommen dem kosmischen Erleben hingegeben h. der jeweils übergeordnete Leib erfasst die Grundlage und ist. Es entsteht etwas Eigenes. In der Tierhaftigkeit kommt durchdringt sie. So ist es hier auch beim Lebensleib, der die auch zum Ausdruck, wie unterschiedlich die Qualitäten Pflanze ergreift und bewirkt, dass nicht mehr nur physikali- sind, welche die Tiere entwickeln und es kommt die Be- sche Gesetze gültig sind, sondern dass Lebensgesetze wir- wegung dazu, die Ausdruck dieser Eigenständigkeit ist; ken. So ist es auch beim Tier, indem der Bezug zum Kosmos und letztlich auch die Empfindungsfähigkeit, die sich in ein ganz anderer ist, als bei der Pflanze. der Lautbildung repräsentiert. Der Laut als Ausdruck des- Die Pflanze ist dem kosmischen Geschehen hingegeben, sie sen, was ich empfinde, ist Ausdruck dieses Seelenleibes. hat mehrere Möglichkeiten die kosmischen Einflüsse aufzu- Beim Menschen kommt schließlich dieses vierte Wesens- nehmen. Sie hat die Möglichkeit sich der Sonne zuzuwen- glied, das Ich dazu, das den Menschen deutlich von der den – es gibt einen Heliotropismus und einen Geotropis- Tierwelt unterscheidet, weil jetzt nicht mehr dieses Grup- mus. Allerdings hat sie nicht die Möglichkeit, selbst dazu penseelenhafte - wie wir es nennen - der Tierwelt über- Stellung zu nehmen. wiegt, sondern die Individualität des menschlichen Dies wäre typisch für eine seelische Qualität. Es entsteht Ichs. Individualität heißt Unteilbarkeit, das heißt, Einmalig- eine tierische Organisation, welche durch die Ausbildung keit. Diese Einmaligkeit einer Individualität, die sich bis in eines Nervensystems gekennzeichnet ist, dadurch, dass die physische Substanz hinein ausprägt, ist ein Ausdruck eine Innenwelt gebildet wird. Wenn wir uns das in der Em- für den unsterblichen Geist des Menschen, der auch, bryologie vergegenwärtigen - weil das ein sehr bildhafter wenn der Mensch schon gestorben ist, in seinen Ideen und Zugang ist - dann gibt es zunächst einmal Zellen in die- Gedanken fortlebt, sofern sie dokumentiert oder sichtbar sem Nervensystem, die sich in Form einer Platte anordnen. sind. In dem Augenblick wo das Seelische entsteht oder sich Insofern kann man diese Vierheit zusammenfassen: Der dieser Substanz bemächtigt, beginnt eine Einstülpung, wo Mensch hat einen physischen, belebten Leib, er hat eine man sieht, hier geschieht Kräftewirksamkeit. Diese beginnt Seele und er hat einen Geist. Es ist so, dass auch der zeit- einen Innenraum zu bilden, wo ein Einstülpungsvorgang liche Strom dieser Entwicklung, die in dieser Vierheit zum einen Raum bildet - das sogenannte Neuralrohr. Dieser In- Ausdruck kommt, äußerst wichtig ist. Sowohl gesamtkos- nenraum wird dann im Tier in weiterer Folge mit Organen misch sind das Entwicklungsprozesse - denn der Mensch gefüllt, die dann bestimmte Aufgaben zu erfüllen haben, ist ja das Ziel kosmischer Entwicklung, wie es Rudolf Stei- und die Repräsentanten sind für makrokosmische Einwir- ner in seiner Evolutionslehre darstellt - als auch individuell kungen. Das heißt, es gibt die Wirkungen des Makrokosmos betrachtet. Es sind alle diese Wesensglieder bei der Geburt und um die wirksam werden zu lassen, gibt es im Orga- vorhanden, aber sie sind nicht entwickelt. Wir sehen, dass nismus spezielle Organe. Anders ausgedrückt können wir zunächst einmal - nachdem der physische Leib vorhanden sagen: ist - der Lebensleib individualisiert werden muss: durch

Seite 44 Schulreife, dass der Seelenleib dazukommen kann, durch Wir beginnen beim Kopf, weil er charakteristisch ist für das Pubertät und Erwachsen-Werden, dass schließlich das Ich menschliche Wesen und weil er sich auch prägnant vom in einer Form in diesen Leib sich einarbeiten kann, dass restlichen Leib absetzt. Im Kopf liegen verschiedene Organ- der Mensch zur freien Entscheidung fähig wird (insofern es systeme in konzentrierter Weise vor: das sich um freie Entschei- • Nerven-Sinnes-Sys- dungen handelt – von tem mit dem Nervenge- denen es ja gar nicht so webe, Augen und Oh- viele gibt im Leben!?). ren, welche uns vorerst Das ist ein Prozess der die Orientierung in der Entwicklung, und dazu Welt ermöglichen. Dieses braucht es Zeit. Die In- Nerven-Sinnes-System ist dividualentwicklung zwar im Kopf konzent- zeigt also, dass diese riert, es zieht sich aber Einarbeitungsphase für durch den ganzen Orga- den Menschen äußerst nismus. wichtig ist und dass erst Am anderen Pol dieser später, durch Umarbei- Dreigliederung haben tung dieser Leiber, wei- wir das tere Entwicklungsstufen • Stoffwechsel-Glied- möglich sind. maßen-System. Das Damit kommen wir zur sind die großen Organe zweiten Gliederung, die des Bauchraumes, die notwendig ist, um über- hauptsächlich mit dem haupt zu dem gestellten Stoffwechsel beschäftigt Thema fortschreiten zu sind, wo der Nahrungs- können. strom verarbeitet wird und der Aufbau der körpereigenen Substanz Zur Idee der Dreiglie- stattfindet. Es gibt im Zu- derung sammenhang mit diesem Stoffwechselsystem das Rudolf Steiner hat diese Gliedmaßensystem, mit Idee am Menschen entwickelt und hat darauf hingewiesen, seiner Muskulatur, wo diejenige Kraft, die im Stoffwechsel dass diese Gliederung im goetheanistischen Sinne bei un- produziert wird, in den Bewegungsablauf übergeführt wird. befangener Betrachtung mit unseren Augen wahrzunehmen Zwischen dem Nerven-Sinnes-System und dem Stoffwech- ist. Es gibt drei unterscheidbare Systeme. sel-Gliedmaßen-System angesiedelt ist das

Seite 45 • Rhythmische System – Auch das ist anatomisch klar natürlich aus dem Nerven-Sinnes-Bereich. Aber die Kräfte nachzuvollziehen. Es ist ein System, in dem Organe, die des Wollens sind unbewusste Kräfte, die im Stoffwechsel- sich im Brustraum befinden, durch ihre rhythmische Aktion Gliedmaßen-System auf den Impuls der Freisetzung warten. charakterisiert sind - der Herzschlag auf der einen, die At- mung auf der anderen Seite. Diese beiden Organe stehen in Schließlich gibt es einen dritten Bewusstseinszustand, der einem bestimmten Rhythmus-Verhältnis zueinander, so dass zwischen diesen beiden besprochenen Sphären liegt, das die Gesundheit eines Menschen unter anderem auch aus ist der Zustand des Fühlens. Im Fühlen, das wir mit unserem diesem Verhältnis zwischen Herzschlag- und Atemfrequenz rhythmischen System in Zusammenhang bringen, wenn wir abzulesen ist. Es kommt im Normalfall auf vier Herzschläge die Hand aufs Herz legen. Im Fühlen schwanken wir immer ein Atemzug. Je nach Einfluss des oberen oder des unteren zwischen Unbewusstem und dem mehr Bewussten. Natür- Systems, kann sich dieses Verhältnis verändert darstellen. Zu lich hat das Fühlen Anteil am Denken wie auch am Unbe- Herz und Lunge als bestimmende Organe des rhythmischen wussten, wo wir gar nicht wissen, warum wir jetzt so fühlen. Systems, kommen noch die Hüllen bildenden Knochen. So Und wo wir vom Fühlen überrollt werden und wo wir unser ist auch die Wirbelsäule streng rhythmisch geordnet wie Denken bemühen müssen, um erklären zu können, was wir auch der Rippenbereich. Wir sehen, das rhythmische Sys- fühlen. Man könnte diesen Zustand als einen träumenden tem ist bis in die Anatomie hinein als solches erkennbar und bezeichnen. Auch das Traumerleben liegt zwischen den es ist durch das Zwerchfell vollständig von der Stoffwech- Zuständen von völlig unbewusst und teilweise bewusst. selregion abgetrennt. Auch nach oben ist es abgeschlossen, Diese Bewusstseinszustände wechseln ständig, gehen inei- wobei der Hals gewissermaßen die Grenze zwischen Kopf nander über. und rhythmischem System bildet. Die Idee der Dreigliederung zeigt den räumlichen Aspekt; die Darstellung der Viergliederung zeigt sehr stark den zeit- Diesen Systemen können wir unsere Seelenqualitäten lichen, den evolutionären Aspekt. Natürlich sind die vier zuordnen: Wesensglieder, sich gegenseitig bedingend und durchdrin- Unserem Nerven-Sinnes-System verdanken wir das klare gend, funktionell im dreigliedrigen System wirksam. Denken; es ist dies der hellste Bewusstseinszustand, den der Mensch hervorbringen kann. Was bedeutet das Gesagte für unsere Frage „Wieso er- Auf der anderen Seite haben wir die dumpfe und meist krankt der Mensch?“ Ist er überhaupt jemals vollständig unserem Bewusstsein schon entzogene Fähigkeit des Wol- gesund? Wenn wir diese Prozesse genauer anschauen - in lens. Das ist immer etwas, was uns insofern Schwierigkeiten der Dreigliederung ist der Mensch etwas mehr prozessual macht, dass wir glauben, mit vollem Bewusstsein dahinter- dargestellt – fragt es sich, welche Phänomene brauchen die- zustehen, wenn wir etwas wollen. Wir wollen ja unseren se Zentren, damit sie ihre Funktionen erfüllen können. Dann Willen durchsetzen. Wir wissen nämlich nicht, was in unse- sieht man, dass zunächst einmal das Nerven-Sinnes-System rem Stoffwechselbereich vor sich geht, Wir können es nach- durch diese Vierheit von Prinzipien getragen ist. Es muss prüfen, was geschieht, wenn wir Nahrung zu uns nehmen. erst einmal Ruhe herrschen; Bewegung, Erschütterung ist Wie unsere Galle arbeitet, wie aus der Stärke in der Leber dem zentralen Nervensystem nicht zuträglich. Das ist auch Glykogen gebildet wird. Der Impuls des Wollens kommt der Grund, warum es in Wasser schwimmt, geschützt vor

Seite 46 Erschütterungen durch den Stöße dämpfenden Hals. Wir Darmzotten sind immer in Bewegung. Die Funktion der Ver- wissen auch, dass wir zum Denken einen kühlen Kopf brau- dauung ist an die Bewegung gebunden. Ein Stillstand in chen, denn sowohl innere Hitze, beispielsweise im Zustand dieser Region führt zu massiven Problemen und letztendlich des Fieberns, wie auch äußere Hitze, wie wir sie im Hoch- zum Tod. Wir denken hier an Darmverschluss oder eine Läh- sommer oder in zu warmen Räumen vorfinden, machen uns mung der Muskeln in diesem Bereich. Wo Bewegung ist, ist das Denken schwer. natürlich auch Wärme, denn in zwei Richtungen ist das zu Wir nehmen am eigenen Leib wahr, dass es anstrengend ist sehen: die Bewegung erzeugt Wärme, das gilt speziell für und dass es uns Substanz kostet, ständig mit klarem Be- die Muskulatur des Stoffwechsel- und Gliedmaßensystems, wusstsein tätig zu sein. Daher brauchen wir als Ausgleich dort wird ja die Wärme direkt erzeugt und umgesetzt, ande- eine Phase der Bewusstlosigkeit - den Schlaf. Im Schlaf bau- rerseits funktioniert die Verdauung auch nur, wenn wir es im en wir wieder auf, was wir durch unsere Bewusstseinspro- Bauch warm haben. Eine Verkühlung verlangt zur Anregung zesse verbraucht haben. Aber wir wissen auch, dass wir im einen warmen Umschlag mit einem Thermophor; dadurch Laufe unseres Lebens niemals mehr alle Kräfte, welche wir können wir unsere Verdauungsprozesse unterstützen. durch unser Bewusstseinsleben abgebaut haben, wieder Der Stoffwechsel dient dem Aufbau. Hier wird aus dem aufbauen können. Das ist der Grund, warum wir altern und Nahrungsstrom körpereigene Substanz aufgebaut und wir sterben. Denn das Nervensystem, bzw. das Bewusstseinsle- sehen dadurch neue Lebendigkeit entstehen. Die Zellen die- ben hat eine abbauende Wirkung auf den Gesamtorganis- ses Traktes haben eine schier unglaubliche Regenerationsfä- mus. Die Zellen des Nervensystems sind im Unterschied zu higkeit, das heißt sie haben eine relativ kürzere Lebensdauer. den Zellen des Blutes oder anderer Organe, kaum regene- Dieses wird mit der Tendenz zur Neubildung wettgemacht. rationsfähig. Dieser Absterbeprozess der Nervenzellen be- Man kann z. B. Teile der Leber entfernen, diese hat jedoch ginnt schon bei der Geburt. Periphere Nerven haben noch die Fähigkeit jene neu zu bilden. Deutlich ausgeprägt ist eine geringe Möglichkeit der Regeneration. Der Todespro- diese Fähigkeit auch bei den Blutzellen: Hier ist Leben, hier zess steht in ständiger Verbindung mit dem Nerven-Sin- ist Aufbau, hier ist Wärme. nes-System. Unser Nervensystem ist gehalten wie auf einer Nun brauchen wir ein System, das ständig in der Lage ist, Intensivstation – das Gehirn liegt im Wasserbett, ist am aller- die beiden Polaritäten in Einklang zu bringen. Dazu gibt es intensivsten durchblutet und von Sauerstoff abhängig –man nur eine Möglichkeit, diesen Polaritäten ihre Eigentümlich- denke an das Ertrinken oder an Lawinenunfälle, wie schnell keiten zu erhalten, und zwar mit Hilfe des Rhythmus. Dieser die Uhr zu laufen beginnt, wenn es um die Sauerstoffzufuhr Rhythmus macht es möglich, dass - ohne dass die Polaritäten geht. Drei bis fünf Minuten ohne – und der Gehirntod tritt zerstört werden - einmal die obere und einmal die untere ein. Wir sehen schon, dieses Nerven-Sinnes-System ist ganz Polarität, je nach Erfordernis, wirksam werden können. Ru- nah beim Tod, auch durch das Kühle, das Bewegungslose. dolf Steiner wies darauf hin, dass der Rhythmus schon et- Jetzt begeben wir uns in die polare Region, vom Kopf in was halb Geistiges ist. Er wird zum Physischen, wenn er Takt den Bauchraum - dort ist alles ganz anders. Hier herrscht wird. Aber der Rhythmus kann sich an die jeweilige Indivi- Bewegung, niemals Ruhe, hier werden 24 Stunden lang die dualität anpassen. Die Harmonie zwischen oben und unten Säfte hervorgebracht, welche zur Verdauung gebraucht aufrecht zu erhalten, das ist die Aufgabe des rhythmischen werden. Auch die Zellen dieser Region, des Magens, der Systems.

Seite 47 Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern ein ständi- Bestreben nach Emanzipation von den Rhythmen des Kos- ges Ringen, eine Zielvorstellung zu erreichen, welche nie- mos ist ein Charakteristikum des Menschen, was auch einen mals ganz erreicht werden kann. Die Bemühung darum ist Freiheitsmoment darstellt. Der Mensch kann dann aus sei- eine ewig andauernde. Sie hat verschiedene Erscheinungs- ner Freiheit heraus den Rhythmus wieder akzeptieren und formen, denn sie ist ein individueller Prozess, den man leben. Aus Einsicht! Zur Erhaltung seiner Gesundheit. Ande- schlecht normieren kann; es gibt keine Norm für Gesundheit. rerseits kann uns die Krankheit zwingen, das zu erreichen, was wir in Freiheit nicht vollzogen haben. Das wirft uns auf Es ist leicht nachvollziehbar, dass vom oberen Nervenpol elementare Rhythmen zurück. Wir werden gezwungen zu eine verhärtende Tendenz ausgeht. Denn alles, was sehr einer Nachdenkpause – wenn`s gut hergeht – um etwas an lebendig ist, büßt durch die Tätigkeiten dieses Systems an unserer Lebensweise zu verändern, so dass es der Gesund- Lebendigkeit ein. Es leidet dann auch die Regenerationsfä- heit zuträglich ist. higkeit, es wird starrer, es wird unbeweglicher. Daher sind Frage: Gibt es unterschiedliche Nervenzellen? alle Erkrankungen, welche diese Tendenz aufweisen, als Antwort: Ja, beim peripheren Nervensystem haben wir die sklerotische Erkrankungen anzusehen. Chance, dass die Nerven ganz langsam wieder nachwach- Auf der anderen Seite sehen wir, dass aus diesem Bewe- sen; wenn wir uns z. B. in den Finger schneiden und einen gungs-Wärme-Aufbauprozess des Stoffwechsels heraus, Nerv verletzen. Im Zentralnervensystem wachsen die Ner- ähnlich wie bei einem Kochvorgang, etwas in Auflösung venzellen nicht mehr nach; wenn Sie also einen Schlaganfall kommt. Diesen Vorgang bezeichnen wir vom Medizini- haben, wachsen die Zellen in diesem Areal nicht mehr nach. schen her als einen Entzündungsprozess. Der Begriff der Man kann dann durch Training gewisse Funktionen wieder Entzündung beinhaltet auch, dass die Wärme schon mit erlernen. drinnen ist und dass durch diesen Wärmeprozess alles in Frage: Sind alle Nervenzellen schon bei der Geburt vorhan- Bewegung kommt. Das Ruhige ist durch Entzündungspro- den? zesse vollständig bedroht. Wenn die Entzündung an einem Antwort: Natürlich sind alle Nervenzellen bei der Geburt Ort auftritt besteht immer die Gefahr der Ausbreitung, wie schon vorhanden, aber sie brauchen eine gewisse Reifezeit. bei einem Brandherd, der sich ausbreiten kann. Daher sind Beim Zentralnervensystem weiß man ja, dass es erst in den alle Erkrankungen, die zu Phänomenen wie Fieber und Hit- ersten Jahren reift. Deshalb ist es auch in den ersten Lebens- ze (calor), Anschwellungen (tumor), Schmerz (dolor), Röte jahren am empfindlichsten. (rubor) führen, entzündliche Prozesse. Als erstes wird man die befallene Stelle ruhig stellen. Andererseits bringen wir Wir versuchen jetzt an verschiedenen Krankheitserscheinun- erstarrte, erkaltete Stellen durch Bewegung bzw. Erwärmung gen zu konkretisieren, was mit dem Ausgeführten gemeint wieder ins Lebendige. ist: Entzündungs- und Auflösungserscheinungen gehören zur Durch den rhythmischen Ausgleich, können wir diese Ten- Funktionseinheit des Stoffwechsel-Gliedmaßen-Systems; denzen hintanhalten. Die Pflege des rhythmischen Systems dort sind sie zu Hause, dort haben sie ihre Funktion. Wenn wird aus diesem Blickwinkel zur Aufgabe, speziell in einer Entzündungserscheinungen nun an einem anderen Ort auf- Zeit, wo uns der Rhythmus verloren zu gehen droht. Das treten, dann sind sie dort als pathologisch anzusehen. Am

Seite 48 Trommelfell z. B. sind wechsel-System solche nicht berech- eigentlich völlig tigt; es tritt jetzt etwas normal sind. Aber an einem anderen Ort wenn die Augen auf, was eigentlich ständig rinnen, nur im Stoffwech- dann zeigt das, hier sel berechtigt wäre. ist ein Stoffwechsel- Nur am Trommelfell prozess an einem ist es eben nicht be- Ort gelandet, wo rechtigt, denn dieses er kein Recht hat zu sollte im Idealfall fast sein. Damit ist die blutleer und leicht Funktion eines Sin- schwingungsfähig nesorganes völlig sein, weil seine Funk- entgleist. tion ist, den Schall Wenn wir uns das auf die Gehörknö- Ganze nun um- chelchen zu übertra- gekehrt denken gen. Tritt ein solcher - wenn die Pole Entzündungs- und Kälte, Abbau, Ruhe Auflösungsprozess plötzlich an einem auf, dann wird die Ort des blühenden betroffene Stelle zu- Lebens auftauchen, erst stark durchblu- wenn in diesen tet und knallrot. Sie Flüssigkeitsströmun- tut weh, schwillt im gen, in denen alles Laufe des Prozesses in Lösung gehalten an, Wasser tritt hinzu, wird, wenn sich und aus dem dünnen dort Kristalle bilden Häutchen wird eine und diese Kristalle geschwollene Stel- aneinanderlagern le, welche in ihrer und ein Stein ent- Funktion deutlich be- steht - sprechen einträchtigt ist. Ähnlich ist es mit einem entzündeten Auge; wir von einem sklerotischen Prozess in einem Bereich, wo denken wir an die Allergiker, die im Frühjahr hinausgehen er nicht hingehört. In dem Augenblick, wo der Stein groß und plötzlich verschwollene Augen bekommen, weil Flüs- genug ist, dass er sich durch den Strom der Gallenflüssigkeit sigkeitsströme in Gang gesetzt werden, welche im Stoff- in Bewegung bringt und den Ausgang verlegt, entsteht eine

Seite 49 Gallenkolik. Diese Gallenkolik ist vor allem gekennzeichnet ist eine Funktion, die zu stark ist. Da könnte man in verschie- durch Schmerz. Das heißt ein Bewusstseinsprozess tritt auf, dener Weise noch ausführen, was es da für Möglichkeiten wo er gar nicht berechtigt ist. Der Stein ist die physische Ma- des Heilens gibt. Das ist dann ein anderer therapeutischer nifestation eines Verhärtungsprozesses. Es reicht auch schon Ansatz. ein Krampf als funktioneller Ausdruck eines sklerotischen Ich habe hier versucht die Möglichkeit aufzuzeigen, aus Prozesses. Das Zusammenziehende, das Verhärtende. Der der rhythmischen Mitte heraus heilend zu wirken. Die Pole Krampf, ist ein Zeichen dafür, dass sich der Impuls des Ner- auszugleichen, dass man Prozesse, die zu weit nach unten vensystems, eine Konzentration, jetzt an einem falschen Ort gehen, wieder dort beschäftigen muss, wo sie eigentlich manifestiert. Auch das führt zu einem Bewusstwerden des angestammt sind. Und dass wir jetzt in der Therapie ver- Schmerzes an einem Ort, den wir sonst nicht spüren. Die- schiedene Wege beschreiten können, liegt auf der Hand. se Verkrampfung, dieses Zusammenziehen zeigt an, dass Man kann versuchen ein System in seiner Wirksamkeit zu ver- da etwas droht aus dem Lebendigen herauszufallen. Denn stärken, oder es darin zu beschränken. Man wird bei einer letztlich ist der Krampf, der sich nicht mehr löst, die Erstar- akuten Entzündung im Bauch nicht entzündungsanregende rung. Wir finden die Tendenz, sich zu verkrampfen, natürlich Substanzen verabreichen (da müsste man schon sehr ge- auch im rhythmischen System, aber die wird sofort aufgelöst nau wissen was man tut). Aber die Entzündung kann auch durch die Entfaltung. In der Peristaltik haben wir die bei- ein Prozess der Heilung sein. Der Verlauf einer Entzündung den Prozesse - die Konzentration, das Zusammenziehen, entspricht in gewisser Weise einem Reinigungsvorgang. Ex- welche zur Verhärtung führen und die Auflösung. Aber die emplarisch dargestellt an einem Fremdkörper, der in den Auflösung darf nicht immer fortschreiten, denn sonst kann Körper eingebracht wird und der dann abgeschnitten von die Form nicht gehalten werden. Deswegen muss wieder den Lebensvorgängen irgendwo in der Tiefe liegt, der wird der Impuls der Konzentration kommen. Das ist das Wesen erkannt vom Organismus, vom Immunsystem. Dann beginnt des Rhythmischen. Diese beiden Prozesse sind gehalten aus der Organismus durch Einwanderung von Zellen, diesen der Mitte heraus, um die Funktionen dieser beiden Pole im Fremdkörper aufzulösen; es entsteht eine Erhebung, es Körper möglichst aufrechterhalten zu können. kommt irgendwann Eiter heraus. Es hat ein Läuterungspro- Frage: Was ist dann mit Entzündungen im Bauch? zess stattgefunden. Insofern ist nicht von vornherein der Antwort: Ja, es gibt natürlich auch die Möglichkeit, dass Entzündungsprozess als pathologisch anzusehen, er kann im jeweiligen System das gesunde Maß überschritten wird, durchaus der richtige Weg sein, um etwas Verhärtetes auf- und so kann auch eine Entzündung im Bauch auftreten. Ge- zulösen. Wir müssen bei der Behandlung einer Erkrankung nauso kann es sein, dass im Nerven-Sinnes-System ein Zuviel immer auch darauf achten, ob wir den richtigen Weg der an Funktion auftritt, das muss nicht immer projiziert werden Heilung mitvollziehen können. Denn wenn wir eine Verküh- in ein anderes Organsystem. Es ist so, dass derjenige Orga- lung haben, dann ist ja schon etwas von da oben zu stark in nismus zur Entzündung neigt, wo diese Prozesse im Über- den Organismus eingedrungen. Und die Selbstheilungskräf- maß vorhanden sind. Genauso kann es sein, dass im Ner- te des Körpers führen dazu, dass diese Verkühlung durch ven-Sinnes-System zu viel an Funktion da ist, man kann da Anfachung des Entzündungsprozesses geheilt wird. Wenn überempfindlich sein, eine Hyperästhesie haben, man kann wir so beschäftigt sind mit unseren Kristallisationskräften im auf Geräusche, Gerüche usw. empfindlich sein. Auch das Denken, in unserer Konzentration, dass wir gar nicht merken,

Seite 50 dass wir eiskalte Füße haben. Es ist eine typische Erschei- nung des intellektuellen Lebens, dass erst die Füße kalt wer- den, dann die Hände, es kommt zu einem Frösteln, und es kann zu einer Erkältung kommen. Wir sehen eine Dominanz eines Nerven-Sinnes-Aspektes. Wo wir gedanklich eigentlich ganz woanders sind und die Gesamtwahrnehmung unseres Organismus vernachlässigen, kommt der Fieberschub um das auszugleichen. Das ist ei- gentlich der richtige Prozess. Darum sollte man Fieber oder entzündliche Prozesse nicht per se zu vertreiben suchen. Das unterscheidet den anthroposophisch-medizinischen Ansatz von dem der Schulmedizin. Hier kann die Symp- tombehandlung der Heilung sogar hinderlich sein, wenn wir z.B. grippale Infekte oder Erkältungskrankheiten, vor al- lem solche im Kindesalter anschauen. Da wäre es eigentlich wichtig, diesen Kochprozess sogar zu unterstützen, insofern wir heute auch wissen, dass der immunologische Abwehr- prozess durch das Fieber unterstützt und gefördert wird. Wir verlangsamen den Prozess, wenn wir das Fieber - nur um das Unwohlsein, welches mit diesem Fieber verbunden ist, zu unterdrücken - vermeiden. Es kann auch eine gesunde Pause bedeuten. Die Ausführungen sollen uns helfen, Gesundheit und Krank- heit aus dem Zusammenspiel der drei Körpersysteme ver- stehen zu lernen.

Dieser Vortrag wurde am 2./3./4.11.2012 im Rahmen der Ve- ranstaltungsreihe „Weiterbildung für praktizierende Biody- namikerInnen“ in St. Pölten, Graz und Maribor gehalten und von Waltraud Neuper transkribiert.

Seite 51 Seite 52 Der Mensch als Leiter und Begleiter der Tierwelt Manfred Klett

Die biblische Schöpfungsgeschichte erzählt vom Paradies, Das Tierreich ist der ausgebreitete Mensch, in das hinein Gottvater den Menschen erschaffen hat. Im Pa- der Mensch selbst ein Kompendium des Tierreiches. radies war schon alles in der Fülle da, Steine, Pflanzen und Durch das schrittweise Heraussetzen der Tierheit aus dem Tiere. In einer dem heutigen, zum Selbstbewusstsein er- Menschen – ein Geschehen, das unter der Leitung der über wachten Menschen angemessenen Weise kann sich das Bild dem Menschen stehenden geistigen Hierarchien stand – ist des Paradieses durch die Geisteswissenschaft Rudolf Stei- der Mensch unschuldig schuldig geworden. Unschuldig in- ners vertiefen und erweitern. In seiner „Geheimwissenschaft sofern, als er auf diesen Wegen seiner seelischen und leib- im Umriss“ (GA 13)1 schildert Rudolf Steiner das Paradies lichen Entwicklung noch nicht mit einem „Ich“ begabt war. als eine Schwelle in der Entwicklung von Mensch und Erde, So trägt er gegenüber der Tierwelt ein Karma, das ihn auf nämlich als den Übergang des makrokosmischen zum mik- seinen Erdenwegen begleitet und das auszugleichen in sei- rokosmischen Menschen. Die Geisteswissenschaft bestätigt, nem Streben liegt. Nicht die Tiere haben ein Karma, denn sie dass die Mineral-, Pflanzen- und Tierwelt vor dem Menschen machen keine wiederholten Erdenleben durch, weil sie kein da war. Das ganze Erdensein ist eine Heraussonderung aus Ich haben. Der Mensch aber hat ihnen gegenüber ein Kar- dem Werden des makrokosmischen Menschen auf dem ma. Dessen muss er sich heute in Selbsterkenntnis bewusst Wege seines Herabstieges auf eben diese Erde, um dort als werden. Und aus dieser Erkenntnis allein erwächst ihm fort- mikrokosmischer Mensch dem zu begegnen, was ihm ver- an das Bewusstsein der Verantwortung und Aufgabe, Len- wandt ist, und daran sein Selbstbewusstsein auszubilden. ker und Leiter der Tierwelt zu sein und es immer mehr zu Die Menschheit hat auf ihrem Entwicklungswege aus rein werden. So also schritt der Mensch hinter der Tierwelt her, geistigen Ursprüngen die Tierwelt vorausgesandt. Was auf betrat die Erde und wurde gegen die Mitte der atlantischen diesem Entwicklungsweg leiblich zu früh in die Verhärtung Zeit von den Geistern der Form mit dem Ich begabt. strebte, was ungeeignet war, eine menschliche Seele aufzu- Er schritt gleichsam durch die ihn nun physisch umgebende nehmen, wurde abgestreift. Es wurde zur leiblichen Grund- Tierwelt hindurch, begründete zu ihr ein magisch-kultisches lage für die Tierseelen. Die Studien des Zoologen Oken, Verhältnis, wie es in der Abel-Strömung, in den Höhlenma- eines Zeitgenossen Goethes, drängten ihn zu der Ansicht: lereien der Eiszeitalter, die das Ende der Atlantis anzeigen, sowie in den Mythologien der Völker zum Ausdruck kommt, 1 Steiner, Rudolf: Geheimwissenschaft im Umriß, Rudolf Steiner und übernimmt in der nachatlantischen Zeit deren Führung. Verlag, Dornach, 2005

Seite 53 Der Mensch, der Letztgeborene, setzt sich an den An- dass im Einklang mit den Gruppenseelen die Menschen fang einer Entwicklung, die er aus seinem erwachenden unmittelbar über das Seelische bis in die Leibesgestaltung Ich heraus bestimmt, er schwingt sich auf zum Leiter der Tiere wirken konnten. Versetzen wir uns einmal in einen und Begleiter der Tierwelt. solchen Urperser oder weiter zurück in einen Urinder: Die- se frühe Menschheit hatte noch keine in Ausbildung begrif- Eindrucksvoll schildert diesen Übergang das biblische fene Bewusstseinsseele wie wir heute, noch keine Verstan- Bild des Noah, der in seiner Arche die Pflanzen und Tie- des- und Gemütsseele, wie sie die Griechen und Römer re versammelt, um sie über die große Flut, den Übergang erstmals ausbildeten, und noch keine Empfindungsseele, der Eiszeitalter in die nachatlantischen Zeiten, hinüber zu deren Entwicklung sich im ägyptisch-chaldäisch-babyloni- geleiten. Folgt man den Knochenfunden und anderen In- schen Kulturzeitalter vollzog. Die Bewusstseinsverfassung dizien, vollzieht sich in dieser Übergangszeit und dann in des Urpersers war vielmehr Ausdruck einer mächtigen, der folgenden urindischen und urpersischen Hochkultur die aber noch undifferenzierten Seele, eines erstmals vom Ich Haustierwerdung. bearbeiteten Empfindungsleibes, und die des Urinders ei- nes mächtigen, erstmals vom Ich bearbeiteten Äther- oder Haustierwerdung Lebensleibes. Sie beginnt im Mesolithikum vom 13. bis 9. vorchristlichen Das damalige Bewusstsein war noch nicht den irdischen Jahrtausend mit dem Hund, im 8. bis 6. Jahrtausend folgen Verhältnissen zugewandt – diese wurden als Maja erlebt Schaf, Ziege, Rind und Schwein. In der urpersischen Zeit –, sondern dem Kosmos. Es war ein Himmelsbewusstsein. (6. bis 4. vorchristliches Jahrtausend) kommen u.a. Pferd, Es reichte im instinktiven Hellsehen noch hinein in die Pla- Esel, Dromedar, Huhn, Taube und Biene dazu. Einige weni- netensphären, in die kosmischen Reiche, in welchen die ge (Katze, Gans, Ente, Kaninchen) folgen später. Gruppenseelen der Tiere und die astralen Urbilder der Zum Ende der urpersischen Kultur waren also neben den Pflanzen beheimatet sind. Letzte, dem Verfall preisgege- Kulturpflanzenarten im Wesentlichen auch die Haustiere bene Reste solcher Bewusstseinsformen finden sich z.B. als gleichsam künstlerisch-sakrales Erzeugnis menschlicher im Heilighalten der Kühe bei den indischen Hindus, v.a. Leitung und Begleitung vorhanden. aber in solchen ursprünglichen Völkerschaften wie dem Diese Leitung und Begleitung geschah gewiss nicht so, wie Hirtenvolk der Massai in Ostafrika, das zeitversetzt solche man sich das heute im Sinne von Kreuzung, Selektion und Urzustände bewahrt. Die untrennbar mit dem Massai ver- Anpassung vorstellt. bundene Rinder-Herde (Zebu-Rinder), deren Milch und Diese Annahme wird durch die Entwicklung der Hunderas- Blut ihn ernährt, ist zugleich Objekt seines Kultus. Dieser sen und auch anderer Haustierarten widerlegt, die jeweils Kultus verbindet ihn im dämmerhaften, rückwärts gewand- von einer einzigen Stammform abstammen bzw., vorsich- ten Hellsehen mit seinen Ahnen und seinen Göttern. tiger ausgedrückt, in Relation zu einer solchen stehen. So Der Tierzüchter der frühen nachatlantischen Zeiten züch- wird die große Mannigfaltigkeit der Hunderassen auf eine tete über das Seelische des Tieres, hob dieses ein Stück Stammform des Wolfes zurückgeführt. Berücksichtigt man weit zu sich empor, öffnete es der noch ganz dem Kosmos die ganz andere Bewusstseinsverfassung der Menschen zugewandten Geistseele des Menschen. Gleichsam von dieser frühen Hochkulturen, liegt die Annahme viel näher, oben nach unten wurde der Tierleib umgestaltet:

Seite 54 Über das Seelische des Tieres, über dessen Astralleib ver- Im Physischen: Beim Haustier ist der Bau des Skelettes ins- wandelte sich der Ätherleib, und über diesen, der der Ar- gesamt verändert. Das hervorstechendste Merkmal ist die chitekt des physischen Leibes ist, verwandelte sich die gan- Verkürzung des Gesichtsschädels und die glatteren Schä- ze physische Organisation. delknochen, beides Kennzeichen der Bewahrung eines ju- Durch welche Merkmale unterscheidet sich nun das vom gendlichen (embryonalen) Stadiums. Die Hornformen sind Menschen geleitete Tier von dem wilden Artgenossen? Wo- rassentypisch. Das Gehirn ist in der Regel um bis zu dreißig rin dokumentiert sich die Haustierwerdung seit den Zeiten Prozent des Volumens der wilden Stammform verkleinert, der ersten nachatlantischen Hochkulturen? Die Verwandlung wohl zugunsten der Leistung des Rückenmarks bzw. des zeigt sich gleichermaßen auf den Ebenen des Seelischen, sympathischen Nervensystems. Die Verkleinerung des Ge- der Lebensäußerungen und des Physischen. hirns betrifft v.a. das Vorderhirn, mit der Folge von geringeren nach außen gerichteten Sinnesleistungen. Besonders auffällig Im Seelischen: Das Haustier flieht den Menschen nicht, ist die Spielbreite der rassentypischen Körpergestalten von es sucht vertrauensvoll seine Nähe, ist ihm gegenüber see- klein und groß, kurz und lang, schlank und breit usw. Durch lenoffen. Sein Dasein ist existenziell an das Sein des Men- die Lenkung und Begleitung des Haustieres hat der Mensch schen, an seine Obhut und Zuwendung gebunden. Die dieses vor seinem „Sturz“ in die Wildheit auf einer jugendli- Eigenheiten des Menschen färben förmlich auf das Haus- cheren Stufe zurückgehalten. Aufgrund dieser Jugendlichkeit tier ab. Das Haustier würde sich ohne die Leitung und Be- bewahrt es zeitlebens ein hohes Maß an Bildsamkeit. gleitung durch den Menschen verlieren, würde verwildern, Geisteswissenschaftlich gesprochen kann man unzweifel- ohne sich aber der wilden Stammform wieder angleichen haft annehmen, dass die Tiergruppenseelen in den frühen zu können. Es ist anpassungsfähiger und individueller in nachatlantischen Hochkulturen gewisse Leitungsaufgaben Verhalten und Ausdruck als seine wilden Artgenossen. Das an die Menschen abgetreten haben. Es ist, als ob sie zum Seelische prägt sich auch in einer ungleich intensiveren Fär- Menschen gesagt hätten: „Wir geben dir auf Erden die Haus- bung und mannigfaltigeren Musterung des Felles aus. Jede tiere in deine Obhut, stelle sie in deinen Dienst, erkenne ihr einzelne Haustierrasse zeigt sich unverkennbar in ihrem Wesen, und du kannst damit beginnen, dein Karma gegen- „astralen Kleid“. über der Tierwelt, dass du unschuldig schuldig auf dich ge- nommen hast, auszugleichen.“ Im Lebendig-Physiologischen (Ätherleib): Im Haustier ist Und in der Tat: Zeigt nicht gerade unser heutiges Verhältnis in der Regel der Stoffwechsel-Gliedmaßen-Pol zuungunsten zur Tierwelt, so wie es in die Freiheit des Menschen gestellt des Nerven-Sinnes-Poles besonders stark betont. Es zeigt ist, auf welche Weise er diesen Auftrag einlöst? Entweder daher eine große Bildsamkeit im Organischen und bewahrt so, um mit bekannten Worten Christian Morgensterns zu damit einhergehend zeitlebens eine Art von Jugendlich- sprechen, das keit. Es kommt früher zur Geschlechtsreife, zeigt eine hohe „ganze Zeitalter von Liebe notwendig sind, um den Tie- Fruchtbarkeit und hat sich in seinen Reproduktionszyklen ren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten!“, wie auch im Wechsel des Haarkleides, unabhängig von den oder so, dass wir unser Unschuldig-Schuldig-Geworden- Jahresrhythmen gemacht. sein in der Vergangenheit jetzt und in Zukunft karmisch in eine unauflösliche Schuld ummünzen?

Seite 55 Nachfolgend seien beispielhaft zwei Formen der Rinderhal- traumverlorene Blick einer erwartungslosen Erwartung. Dieser tung einander gegenübergestellt: Blick ist erwartungslos – das Tier hat kein Ich –, und doch hat • die eine, in welcher der Landwirt sich seiner Leiter- und es in dieser Erwartungslosigkeit sein ganzes Sein in die Hände Begleiter-Funktion bewusst ist, des Menschen gelegt. Er leitet und begleitet das Leben des • und die gegenteilige, in welcher er in selbstbezogenem Einzeltieres und der Herde als Ganzes. Profitstreben und in Gleichgültigkeit das Tier bloß nutzt und Er bestimmt den Zeitpunkt der Geburt des Kalbes, gestaltet ausbeutet. dessen Aufzucht und im Weiteren die der Jungtiere, er be- stimmt die Art der Aufstallung der Herde, deren Pflege und Im ersteren Fall betreten wir auf einem biologisch-dynami- Fütterung, er gibt das Zuchtziel vor und verfügt schließlich schen Betrieb den Kuhstall auf der Futtertischseite. Wir stehen auch über den Zeitpunkt des Todes. Die Kuh steht vor uns als vor einer langen Reihe Kühe in Halsrahmenanbindung, über ein Verzichtwesen. Sie verzichtet auf ihr Wild-Sein und lebt jeder Kuh eine Tafel, auf der der Name, das Abkalbe- und erwartungslos gegenüber einer Leitung und Begleitung, die Deckdatum usw. vermerkt sind. Der Bauer ist gerade dabei, aus der Erkenntnis ihres Wesens ihr ganzes Sein bestimmt. den Kühen das Grünfutter vorzulegen. Während er der Rei- Umso mehr muss sich der Mensch der Kuh in Leitung und he entlang geht, hebt eine Kuh nach der anderen den Kopf, Begleitung zuwenden, als sie auf ihre Wildheit verzichtet. wendet ihn langsam mit traumverlorenem Blick dem Fremd- Vom Menschen muss ihr das entgegen kommen, was sie ling zu, um dann gemächlich weiter zu fressen. Das Ergeb- erwartungslos entbehrt. In vierfacher Weise muss diese Lei- nis dieser Sinneswahrnehmung tut sich dann alsbald durch tung und Begleitung geschehen, auf der physischen Ebene eine Stoffwechseltätigkeit nach hinten kund, es rauscht oder durch die Bedingungen der Aufstallung und des Weidegan- klatscht. Nach dem Fressen wird der Halsrahmen geöffnet, ges, auf der Ebene des Lebendigen durch die Fütterung, auf die Tiere verlassen den Stall, ordnen sich, lassen dem Leittier der Ebene des Seelischen durch Pflege und Zuwendung den Vorrang und folgen dem Bauern auf die Weide. Dort hat und auf der Ebene des Geistes durch die Züchtung. die Herde ein neues Stück Koppel zugeteilt bekommen. Die Tiere fressen alle nach einer Richtung ausgerichtet, alle kauen Betreten wir nun zum Vergleich einen Stall mit industrieller etwa zur gleichen Zeit wieder, und so geht es fort im gemein- Massentierhaltung. In einer großen Halle stehen um die 500 samen Rhythmus. Am späteren Nachmittag folgen sie dem bis 600 Kühe auf Spaltenboden, jede für sich, einzelne käu- Bauern wieder in den Stall, wo inzwischen ausgemistet und en wieder, andere stehen am Futtertrog. Ein Herdenzusam- frisch eingestreut ist. Die Kühe finden selbst zu ihrem Platz, menhang ist nicht zu erkennen. Der Blick der Tiere ist stumpf, nehmen erneut Futter auf, das der Bauer ihnen vorlegt. Es allesamt sind enthornt, eine Kuh sieht wie die andere aus, folgt das Melken am Stand, die Kühe unterbrechen dabei das das Zuchtziel ist hundert Prozent Holstein-Friesian (HF), ein Fressen, sie heben den Kopf in angespannter Konzentration hochbeiniger, keilförmig nach vorne zugespitzter, melk- auf die Abgabe der weißen Milch aus dem roten Blut. Zum standkonformer, universaler Milchtyp mit über 10 000 Liter Abend folgt noch diese oder jene pflegerische Arbeit, eine Jahresleistung. Die Lebensdauer liegt mit durchschnittlich Kuh wird zum Bullen geführt, dann senkt sich eine tiefe Stille 4,5 Jahren und zwei Abkalbungen unterhalb des normalen über die behaglich wiederkäuenden Tiere. Ein letzter Besuch Erwachsenenalters des Rindes von sechs bis sieben Jahren. im Stall, wieder das Heben des Kopfes und wieder dieser Maßgebend ist die Rechnung: Kapital-Input in Form von Fut-

Seite 56 ter im Verhältnis zu Kapital-Output in Form von Leistung. Das primär an dem, was die Verhaltensforschung als artgerecht Futter mit hohem Anteil an Kraftfutter wird nach der jeweils zum Maßstab erhebt, sondern am Menschen, an dessen We- neuesten Preisnotierung an der Getreidebörse von Chicago sensgliedern und ihrem Verhältnis zu den Wesensgliedern gemischt. Jede Kuh trägt am Hals einen Transponder – der des Tieres. Dabei soll uns das Rind, als das bedeutungsvolls- Ersatz für das Namensschild –, der die Milchmenge pro Tag, te aller Haustiere, das Herz des landwirtschaftlichen Organis- die Keimzahl und die tägliche Schrittzahl aufzeichnet. Die- mus, als Beispiel dienen. Da erhebt sich zunächst die Frage, se Daten werden am Abend über den Computer abgerufen worin der Unterschied zwischen der Lenkung der Haustiere und daraus der Aktionsplan für den folgenden Tag hinsicht- durch den Menschen einerseits und durch die jeweilige lich Hormon- bzw. Antibiotikabehandlung, künstlicher Be- Tiergruppenseele andererseits besteht. Als Gruppen- oder samung bzw. Embryotransfer etc. festgelegt. Gattungsseelen der Tiere bezeichnet Rudolf Steiner geistige Wesen, die dem Ich des Menschen vergleichbar sind und Bei dieser Haltung ist die einzelne Kuh eine anonyme Num- die aus Geistesreichen die ihnen zugehörigen Tiergattungen mer, sie wird geboren, durch den gnadenlosen Intellekt gleichsam von außen dirigieren. Die Gruppenseele leitet des Menschen zur Höchstleistung getrimmt, dabei seelisch und wirkt über das Blut, über Instinkt, Trieb und Begierde. und organisch verstümmelt, in noch jugendlichem Alter ge- Der Mensch aber leitet über die „Haltung“. Ein wahrhaft tref- schlachtet und vergessen – eine Tierhaltung ohne Halter. Die fender Ausdruck! Er hält das Tier, sonst würde es fallen. Er Erwartungslosigkeit erfüllt sich mit bloß erduldetem Leid. hebt es aus seiner naturhaften, gruppenseelengeführten Kre- Was am Beispiel der Rinderhaltung an möglichen Freiheits- atürlichkeit heraus und hält es auf seinem Inkarnationsweg graden der Zuwendung geschildert wurde, ließe sich in ein Stück weit zurück, in einem Stadium sich bewahrender wohl noch schärferer Polarisierung in Bezug auf die Schwei- embryonaler Bildsamkeit. Was heißt nun Haltung in dem hier ne- und Hühnerhaltung darstellen. Eingedenk unseres Kar- gemeinten Sinn? Es heißt, anstelle des Lebensraumes und mas gegenüber der Tierwelt, eingedenk des aus einer Urver- der Lebensbedingungen, die der wilden Stammform natür- gangenheit uns Heutigen zu treuen Händen übergebenen lich und artgerecht sind, solche zu schaffen, die den bereits Kulturgutes der Haustierheit, eingedenk der Tatsache, dass erwähnten vier Ebenen der Haustierhaltung entsprechen. über ein Drittel der Haustierrassen weltweit binnen vier- Der Mensch umschließt die Wirklichkeit, die sich hinter die- zig Jahren entweder in ihrer Existenz hoch gefährdet oder ser Vierheit verbirgt, als seine vier Wesensglieder. Gehen wir schon ausgestorben sind, eingedenk also der Verantwor- also im Hinblick auf ein vertieftes Verständnis der Haustier- tung, die uns aus alledem erwächst, ist zu fragen, welches haltung vom Menschen aus. Es ist dies die Methode, die denn Anhaltspunkte für eine Lenkung und Begleitung der Rudolf Steiner durchgängig in seinem „Landwirtschaftlichen Haustiere in die Zukunft sind. Kurs“ verfolgt. Der Mensch hat Kraft seines Ichs, seines Wil- lenswesens die Macht, sich selbst zu leiten. Goethe bringt Welche Wege müssen wir gehen, um eine neue Me- diesen Tatbestand im Verhältnis zum Tier in einem Brief an tamorphose des Ursprungsimpulses der Haustierwer- Wilhelm von Humboldt (17. März 1832) in die Worte: „Die dung einzuleiten? Tiere werden durch ihre Organe belehrt, sagten die Alten; Dazu sei das Augenmerk auf die bereits erwähnten vier Stu- ich setze hinzu: die Menschen gleichfalls; sie haben jedoch fen der Haustierhaltung gelenkt. Diese orientieren sich nicht den Vorzug, ihre Organe wieder zu belehren.“

Seite 57 „Die Geistseele des Menschen, die durch die wiederholten Nun richtet sich die Leitung und Begleitung und damit die Erdenleben geht, baut sich im Inkarnationsgeschehen aus Haltung des Rindes, stellvertretend gesprochen für alle dem im Erbstrom weitergereichten Keim den Leib auf. Sie Haustiere, auf dessen drei Wesensglieder, dessen physi- durchdringt dessen Wesensglieder und wirkt durch sie in schen Leib, Lebensleib und Astralleib. Der Ausgangspunkt die Welt. Strebt die Geistseele danach, sich selbst zu lei- liegt verborgen in einem Vierten, dem Ich des Menschen, ten, entringt sie sich der Leibgebundenheit dadurch, dass das dieser Leitung das Ziel vorgibt. sie die leiblichen Wesensglieder verwandelt. Darin be- steht die Höherentwicklung des Menschen, darin liegt Was kommt in Bezug auf die Haltung des Rindes auf der überhaupt der Quell zu aller Entwicklung in die Zukunft. rein physischen Ebene in Betracht? Durchdringt das Ich den Astralleib, diesen umschaffend, Wir grenzen den angestammten Lebensraum des Rindes kann sich dieser nach und nach in die Empfindungsseele durch die Stallhaltung und Koppelwirtschaft gewaltig ein. wandeln. Mit ihr erfüllt sich wesenhaft das Ich. Arbeiten Dadurch machen wir es vom umherziehenden Weidetier wir aus freier Selbstbestimmung, dann ist es die Empfin- zum Haustier. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlich- dungsseele, die die Arbeit durchseelt und ihr die Kraft keit auf der einen und der Artgerechtheit auf der anderen der Hingabe verleiht. Beginnt das Ich in immer höheren Seite, steht heute die Art der Aufstallung in der Diskussion. Graden der Selbstbestimmung den Ätherleib umzuarbei- Ohne auf das Für und Wider dieser oder jener Lösung einzu- ten, erfüllt es sich mit der Verstandes- oder Gemütsseele. gehen, seien hier einige prinzipielle Gesichtspunkte vorge- Sie verhilft uns dazu, dass wir zum richtigen Zeitpunkt bracht, die für die Ausbildung der physischen Konstitution das Rechte tun, sie macht uns tüchtig und verleiht der der Tiere von Bedeutung sind. Grundsatz jeglicher Stallkon- Arbeit Kunstfertigkeit. Im Umarbeiten des physischen Lei- zeption muss sein, dass die Tiere sowohl die Möglichkeit bes schließlich schafft das Ich sich selbst die in unserer zur Ruhe als auch zur Bewegung haben. Beide Elemente Zeit sich erst nach und nach herausbildende Bewusst- bilden die Grundlage für den Rhythmus, den der Herden- seinsseele. Fließt diese aus der Kraft des Ich in unsere organismus zu seinem Sich-Erleben braucht. Dabei sollte Arbeit ein, verleiht sie ihr die geistigen Ziele. Die drei natürlich der Strohverwertung und der verlustarmen Dünger- Seelen – Empfindungs-, Verstandes- oder Gemüts- und bewahrung besonderes Augenmerk geschenkt werden. Ein Bewusstseinsseele – konstituieren das Ich, durch sie ver- dritter Grundsatz der Stallkonzeption ist, dass der Landwirt binden wir uns in freier Selbstbestimmung mit der Welt. die Möglichkeit haben sollte, die ganze Herde überschauen Sie sind es, die den moralischen Gehalt unserer Arbeit und zugleich das Einzeltier im Blick haben zu können. Als ausmachen: Der Arbeit nach innen, indem wir lernen, uns Viertes kommt etwas in Betracht, dem heute gewöhnlich selbst zu leiten, und der Arbeit nach außen, indem wir keine Bedeutung zugemessen wird. Es ist die Möglichkeit auf immer neue Art lernen, z.B. die uns anvertrauten Tiere zu schaffen, dass umgekehrt die Tiere den arbeitenden, d.h. zu leiten. Eine ethisch tragfähige Leitung nach außen, den also sie lenkenden und begleitenden Menschen wahrneh- Tieren gegenüber, ist fortan nicht denkbar ohne eine ich- men können. In dieser Hinsicht muss man sich darüber im gewollte Leitung nach innen.“2 Klaren sein, dass der Mensch über die Sinne des Tieres auf dessen Wesensglieder wirkt. Die Sinne aber sind die vollen- 2 Poppelbaum, Hermann: Mensch und Tier, Dornach 1956. detsten Ausgestaltungen des physischen Leibes. Man denke

Seite 58 an den Bau des Auges, der Ohren usw. Im Folgenden sei- wie das beim Menschen der Fall ist. Deshalb prägt sich in en einmal die Sinne angesprochen, von den unteren über der Arbeit mit dem Tier das Wesen des Menschen der ge- die mittleren zu den oberen Sinnen, die für das Säugetier in samten Sinnesorganisation des Tieres ein und tritt über das Betracht kommen. Am ausgebildetsten sind beim Rind die Blut mit der leitenden Gruppenseele in Verbindung. Wen- unteren, die unbewussten Sinne, und die mittleren Sinne. den wir uns in der Arbeit dem Tiere zu, korrespondieren wir Wie macht sich der Mensch über diese Sinne dem Rind unbewusst mit dessen Gruppenseele. So ist alles, was wir wahrnehmbar? Über den Tastsinn beispielsweise durch an Ichführungskraft in die Arbeit und dem Tier gegenüber das Striegeln, das Streicheln am Hals, den Klaps, das An- einfließen lassen, unmittelbar und direkt über dessen physi- rüsten oder gar Handmelken. Über den Lebenssinn durch schen Leib wirksam. all das, was dem Rind Wohlbehagen bereitet, z.B. beim Ein- streuen, Futter Vorlegen usw., oder Missbehagen bei gleich- Was kommt bei der Haltung des Rindes hinsichtlich der gültiger, dilettantischer Arbeit; über den Bewegungssinn Ausbildung des Ätherleibes in Betracht? durch das Übertragen des Eigenwillens, z.B. der Herde vo- Im Zentrum steht hier die Fütterung. Was das Rind frisst, trägt ranschreitend oder der Pflüger das Gespann führend; über den Prägestempel des Kosmos, der Erde und des Men- den Gleichgewichtssinn durch ausreichende Bewegung schen. Der Anteil des Menschen daran zeugt heute wohl und durch das Einhalten eines rhythmischen Gleichmaßes von den folgenschwersten Irrtümern – man denke an BSE der Arbeiten im Tageslauf, z.B. der Futter- und Melkzeiten und seine Folgen. Die allgemeine Konstitutionsschwäche (Gleichgewicht in der Zeit); über den Geruchssinn durch unserer Haustiere ist v.a. das Ergebnis fehlgeleiteter Fütte- eine gute Stallluft, Vorlage duftenden Heues, eine kräuter- rung. Im biologisch-dynamischen Betrieb stammt das Futter reiche Wiese usw.; über den Geschmackssinn durch die aus dem Ganzen des Hoforganismus, von den Wiesen, Wei- Vielfalt des betriebseigenen Futters. Denn, so ist zu fragen, den und Ackerfutterschlägen. Im Futter, in seiner stofflichen was riecht und schmeckt eigentlich das Rind? Es riecht und und kräftemäßigen Komposition, hat sich die ätherische schmeckt über das Futter das, was der Mensch aus dem Organisation des Hoforganismus ein Abbild geschaffen, Hoforganismus macht. Dieser wird ihm durch Geruch und ist gleichsam in diese Komposition geronnen, und zwar Geschmack zum in sich geschlossenen Wahrnehmungsraum hochspezifisch anders je nach Standort, ob das Futter von in der Folge der Jahreszeiten. Weiterhin macht der tätige einem Niederungsmoor, einer Auenwiese, einer mageren Mensch sich dem Rind wahrnehmbar über den Sehsinn Standweide oder einem Ackerfutterschlag stammt. Jeder durch die Hingabe, Ruhe, Sicherheit und Bestimmtheit in Futterstandort stellt so etwas wie ein Lebensorgan im Orga- der Arbeit; über den Wärmesinn durch die Schaffung einer nismus der Landwirtschaft dar, das eine je eigene Konstella- Wärme- und Schutzhülle im Hinblick auch auf das Erleben tion ätherischer Bildekräfte in sich vereinigt. Der ausgefeilten der Eigenwärme; und schließlich über den Gehörsinn, z.B. Leistungsfütterung, wie sie heute fast ausschließlich prakti- durch das Ansprechen, Aufrufen oder beim Namen nen- ziert wird, liegt der Gedanke zugrunde, dass das Futter aus nen. Das Tier, das Rind, nimmt, weil es kein inkarniertes Ich Komponenten zusammensetzbar sei. Man spricht von Ei- hat, nicht so wahr wie der Mensch. Ihm fehlen nach oben weiß, Kohlehydraten, Fetten, Mineralstoffen, Vitaminen usw. der Wort-, Gedanken- und Ich-Sinn. Bei den Tieren ist die und mischt sich aus diesen das gewünschte Leistungsfutter Sinnesempfindung nicht so getrennt vom wirksamen Geist, zusammen. Man erstrebt damit, die genetisch veranlagte

Seite 59 mögliche Maximalleistung zu erzielen, was aber notwendig Wächst im nächsten Jahr auf so gedüngtem Boden wieder einen vorzeitigen Verbrauch der jugendlich aufbauenden das Futter und wird dieses wieder von der Rinderherde im Ätherkräfte des Rindes bedeutet. Der Ätherleib wird ge- Verdauen analysiert, so entsteht wieder ein Dünger, entspre- schwächt mit der Folge eines vorzeitigen konstitutionellen chend etwas anderer Qualität, der therapeutisch belebend Zusammenbruches, dem man in der Regel durch eine recht- die Bodenfruchtbarkeit hebt. So geht die Entwicklung wei- zeitige Schlachtung zuvorkommt. Die wahre Haltung des ter, fortschreitend von Jahreslauf zu Jahreslauf. Mit dem ho- Rindes über die Fütterung darf aber nicht nur die Leistung feigenen Futter „züchten“ wir nicht nur im Hinblick auf die im Auge haben, sondern ebenso die Kräftigung des Äther- Entwicklung eines kraftvollen Ätherleibes des Einzeltieres, leibes, der der Quell der Gesundheit ist, und nicht nur die sondern auch im Hinblick auf eine solche des Ätherleibes Langlebigkeit, sondern v.a. die Erhaltung und Entwicklung des Herdenorganismus. Dieser ist der große Diagnostiker der Haustierheit als solcher in der Generationsfolge. Darauf und Therapeut alles physischen und lebendigen Gesche- sind die Empfehlungen Rudolf Steiners im „Landwirtschaftli- hens des Hoforganismus. Die Rinderherde macht die Bo- chen Kurs“ gerichtet, beispielsweise bei der Kälberfütterung denfruchtbarkeit dauerhaft bodenständig; sie schließt den die Möhre als Wurzelnahrung zur Ausbildung des Nerven- Hof von der Naturseite her zu einem Ganzen ab und ist so Sinnes-Poles und der Leinsamen als Nahrung zur Ausbildung Träger seiner Entwicklung. des Stoffwechselpoles. Daraus kann sich dann die Kuh ent- wickeln, die als physiologisches Optimum ihre Milchleis- Was kommt bei der Haltung, Leitung und Begleitung im tung auf der Basis von Stängel- und Blattfutter erbringt. So Hinblick auf das Seelenwesen des Rindes in Betracht? steht hinter einer sachgemäßen Fütterung die Gesamtkom- Im Rind lebt ein Seelisches, das sich von der Gruppenseele position des landwirtschaftlichen Organismus, differenziert abgelöst und im Einzeltier verkörpert hat. Um diesen Tat- nach Ackerbau, Wiesen- und Weidewirtschaft. Unsere Auf- bestand zu verdeutlichen, gebrauchte Rudolf Steiner einmal gabe ist es, durch die Fütterung den Ätherleib des Rindes folgendes Bild: Ein Mensch steht hinter einer Leinwand und jugendlich bildsam zu erhalten. Diese Bildsamkeit geht streckt die Finger seiner Hand durch diese hindurch. Nur dann einerseits in den Erbstrom, in die Generationenfolge die Finger sind also zu sehen, nicht der dahinterstehende ein, andererseits über den Rinderdünger in das Ganze des Mensch. So steht es mit den Tieren, im Verhältnis zur Grup- Hoforganismus. So ist das zentrale Mittel der Züchtung des penseele. Die Einzeltiere sind gleich den einzelnen Fingern Rindes im biologisch-dynamischen Landbau das hofeige- sichtbar, nicht aber das Wesen, die Gruppenseele, zu der ne Futter. Im Wiederkäuen und Verdauen analysiert es das sie gehören. Wir stehen also dem Einzeltier scheinbar als Futter und vollzieht daran die „kosmisch-qualitative Analy- etwas Selbständigem äußerlich gegenüber. Um es nun see- se“ (Rudolf Steiner) der physisch-ätherischen Komposition lisch leiten, begleiten und pflegen zu können, müssen wir des Hoforganismus. Auf dem Wege des Verdauens und der uns einleben in das, was uns sichtbar vor Augen tritt, in das Wahrnehmung dieses analytischen Vorganges hebt das Rind Verhalten des Rindes, in seine Körperformen, seine Physiog- den lebendigen Futterstrom auf die Stufe seines seelischen nomie usw. Die Seele des Tieres offenbart sich am reinsten Empfindens und bereitet auf diesem Wege den durchseel- in dem, was das Tier tut, weil sie rein und vollständig, ohne ten, lebendig wirksamen Dünger zu, der ein Heilmittel für Freiheitsgrade in Gestalt und Funktion des Leibes aufgegan- die Erde, ein Mittel für die nachhaltige Bodenbelebung ist. gen ist. Würde man einen Sinn dafür entwickeln, was sich

Seite 60 der Anschauung als leibgebundenes Seelisches des Rindes man die waltende Weisheit, die im Tiere wesenhaft verkör- erschließt, man würde z.B. nie auf den Gedanken kommen, pert ist, erkennt und dasjenige, was in einem selbst tierver- das Rind enthornen oder ihm Tiermehl füttern zu wollen. wandt ist, bezwingt. Die Leitung und Begleitung des Seeli- Treten wir einer Kuh gegenüber und erleben an ihr, was wir schen des Rindes kann sich nie in der bloßen Pflichterfüllung schauen: Die lastende Schwere des Rumpfes, die Leichte erschöpfen, im bloßen Dienst des Notwendigen und Nütz- des Rückgrates, den Adel des Kopfes, die unergründliche lichen, in der Arbeitserledigung. Vielmehr muss dem Rind Tiefe des traumverlorenen Auges, so springt uns ihr Seeli- die seelisch-geistige Überschusskraft des Menschen, die er sches förmlich in die Augen. Dieses Seelische will uns etwas ihm in der Arbeit zuwendet, wahrnehmbar sein. Diese Kraft sagen, wie eine große Frage spricht es uns an, nämlich: „Er- kennt nicht die Grenzen des bloßen Nutzens. Der Begriff kennst du mein Wesen, die Weisheit, die in mir Leibesgestalt „Nutztier“ entstammt einem Missverständnis des Menschen angenommen hat, die Weisheit, die nur du Mensch auf Er- mit sich selbst. Er ist Ausdruck kalter, seelenloser Intellektu- den in Liebe wandeln kannst, eine Liebe, die dann in dein alität auf der einen und eines brachialen Egoismus auf der Leiten, Begleiten und Pflegen einfließt?“ Das Haustier, das anderen Seite. Rind, ist in seiner Existenz heute und in Zukunft vollständig auf die Beantwortung dieser Frage angewiesen, denn es hat Welches ist das Beziehungsverhältnis zwischen dem Ich sein ganzes Sein in die Hände des Menschen gelegt, es ist des Menschen und dem Rind in Bezug auf Haltung, Lei- ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wird dem Tier, tung und Begleitung? dem Rind, Schmerz zugefügt, kann es diesen nur erdulden. Was vom Ich des Menschen ausgeht, trifft im Tier, im Rind, Es kann den Schmerz nicht verarbeiten, nicht an ihm wach- nicht auf Gleichartiges. Das Tier hat kein inkarniertes Ich. sen, ihn überwinden, weil es kein Ich hat. Jeder Schmerz, Aber das Ich des Menschen ist auf Erden für das Haustier den wir Tieren zufügen, fällt auf uns, auf unser Karma zurück eine Art Äquivalent seiner im geistigen Dasein verbleiben- und bringt Leid über den Menschen in Zukunftszeiten. Jede den Gruppenseele. Was vom Ich des Menschen an Impul- liebegetragene Zuwendung zu den Tieren löst dagegen sen im Hinblick auf Haltung, Leitung und Begleitung ausgeht, altes Karma, tilgt alte Schuld. Die hier gemeinte Liebe darf können wir in dem Begriff Züchtung zusammenfassen. Die nicht mit falschem Mitleid, mit Sentimentalität verwechselt Wortbedeutung „Züchtung“ umschreibt heute allerdings werden. Davor hüte man sich den Tieren gegenüber. Liebe nicht mehr dasjenige, was einst damit gemeint war. Was da- im hier gemeinten Sinn heißt, erkannte, verinnerlichte Weis- mit in Zukunft gemeint sein kann, muss vollkommen neu hin- heit Tat werden lassen. Es handelt sich um etwas objektiv terfragt werden. In dieser Hinsicht herrscht große Unsicher- Moralisches, um eine Zuwendung in liebevoller Strenge – heit. Der Begriff Züchtung ist heute weitgehend reduziert man denke an den Hirten und seine Herde, den Pflüger und auf die unwillkürliche oder willkürliche Veränderung des sein Gespann. Die liebevolle Leitung und Begleitung heißt, Erbgutes (Genom), also auf Mutation bzw. auf die Verfahren die seelische Offenheit, die das Haustier dem Menschen der Kreuzung, der Hybridisierung, des Embryotransfers und entgegenträgt, zu wahren und zu weiten. Letztlich kann die- der Genmanipulation. Im Blick auf die Wesenhaftigkeit des se Liebekraft in der Zuwendung nur durch eine Strenge des Tieres, auf dessen Leben und Seele und auf die Wirklich- Menschen mit sich selbst errungen werden. So erwächst im keit der Gruppenseele ist dieser Begriff inhaltslos. Es ist ein Umgang mit den Tieren eine Gesinnung, die entsteht, wenn Konstrukt, das einem Denken entspringt, das von sich und

Seite 61 seinem Ursprung in der Ichwesenheit des Menschen nichts schließt das Einzeltier der Gruppenseele auf. Der Herdenor- weiß. Wir haben aber gesehen, dass der Begriff Züchtung ganismus ist mehr als die Summe der Einzeltiere, er ist eine sich mit Inhalt füllt, wenn man fragt, was das Tier als Aus- Einheit höherer Ordnung, die dadurch zustande kommt, druck seines Seelischen tut und was der Mensch, wenn er dass sich die Gruppenseele tiefer in die Einzeltiere hinein- dies erkennt, dem Tier zuliebe tun kann. Wir haben gese- senkt und sich so unter ihnen als innerer Zusammenhalt, als hen, dass eine Ich-geführte Haltung gleichbedeutend mit Rang- und Sozialordnung darlebt. Die Gruppenseele lebt im Züchtung ist, und zwar im Hinblick auf die Wesensglieder Blut und somit in der Generationenfolge. Darin begründet des Tieres in dreifacher Weise: Im Bereich des Physischen sich die Bedeutung der Blutlinienzucht. Sie bezieht sich auf durch Stall- und Weidehaltung und die Stärkung der Sinnes- die weiblichen Tiere, die in strenger Standortgebundenheit organisation, im Bereich der ätherischen Organisation durch auf der hofeigenen Futtergrundlage die Kontinuität des Blut- die Fütterung und im Bereich des Seelisch-Astralen durch stromes im Hoforganismus aufrechterhalten. Auf der ande- Zuwendung und Pflege. Der Züchtungsbegriff füllt sich erst ren Seite steht der Individualisierungsimpuls des Vatertieres, mit Inhalt in Metamorphose einer Jahrtausende währenden das am besten aus einem anderen Herdenorganismus der Tradition, wenn der Mensch lernt, sich dem Haustier, dem weiteren landschaftlichen Umgebung stammt. Die Vatertie- Rind, bewusst aus der Überschusskraft seines Ichwesens zu- re sind es, die die Herdenorganismen der Betriebe eines zuwenden. Alle Züchtung strebt auf ein Ziel hin. An diesem gegebenen Landschaftsraumes zu einem höheren Ganzen orientiert suchen wir die Tiere zu leiten und zu begleiten. verweben. Die Landschaftsrassen, die sich einst in strenger Was kann dieses Ziel im Hinblick auf die Züchtung des Rin- Gebundenheit an bestimmte Territorien entwickelt haben, des sein? Das oberste Kriterium ist die Herausbildung eines werden in Metamorphose neu an Bedeutung gewinnen Herdenorganismus. Diesem muss sich alles, was sonst noch müssen. Sie können sich aus dem konsequenten Verfolgen in Betracht kommt, ein- und unterordnen. In der Gegenwart des Zuchtzieles des Herdenorganismus erneuern. Wie es im steht die Züchtung des Einzeltieres im Vordergrund. Darin Wesen des Rindes liegt, die weitgehende Geschlossenheit liegt ein Grund für viele Probleme in der Haltung, z.B. für den des Hofes zu einem Organismus zu bewirken – Hof- und Verlust der Sozialinstinkte mit der Folge des Zwanges zur Herdenorganismus bedingen einander – , so liegt es im Enthornung. Die Ausrichtung des Zuchtzieles auf das Ein- Wesen der regional sich bildenden Rinderrassen, die inne- zeltier begann im 18. Jahrhundert hauptsächlich in England. re Geschlossenheit ganzer Landschaftsräume zu bewirken. Man fing an, quer durch die bodenständigen landschafts- Hier liegt ein Keim zur Erneuerung der Kulturlandschaften. gebundenen Rassen zu kreuzen. Diese Entwicklung setzte Aus dem Zuchtziel des Herdenorganismus erhalten auf dem sich fort mit der global ausgerichteten Hybridzucht im 20. Hintergrund des Betriebsorganismus alle sonst in Frage kom- Jahrhundert – alle Tiere sind uniform und sind dennoch menden Zuchtziele erst ihren wahren Stellenwert, so der Ty- wie isoliert voneinander – und gipfelt heute in dem gen- pus, die Gesundheit, die Langlebigkeit, die Raufutterverwer- technischen Versuch der beliebig gewünschten Merkmals- tung und das Optimum der Milch- bzw. Fleischleistung. Am veränderung. Die Züchtung auf das Einzeltier ist der große Beispiel der Milchleistung sei noch auf ein grundsätzliches Irrweg. Es wird auf diesem Wege von seinem Ursprung, sei- Problem hingewiesen. Sie steht in Beziehung zum Blutstrom ner Gruppenseele abgeschnürt, dem Wesen hinter der Lein- in der Generationsfolge, zur Geschlossenheit des Herden- wand. Der Herdenorganismus dagegen als Züchtungsziel organismus und zur Kräfteorganisation des Einzeltieres. Die

Seite 62 Milchkuh hat ein bestimmtes, begrenztes Potential an Über- dische erlösen und sie in den Schoß ihrer Gruppenseelen schusskräften. Dieses Potential muss sich auf drei Leistungen zurückführen. verteilen: • auf die Hervorbringung einer Folge von Kälbern, die wie- Dieser Vortrag wurde als Verständnisgrundlage für die biolo- der gute Milchkühe werden sollen, gisch-dynamische Bildungsarbeit von Dr. Klett freigegeben. • auf die Milcherzeugung nach Menge und Qualität und •auf die Erzeugung von Jauche und Mist, die beide ihrer Funktion als Kräftedünger im Ganzen des Betriebes gerecht werden sollen. Die Haltung und damit Züchtung der Kuhherde schließt als weiteres Zuchtziel die Qualität des Düngers als eines heilenden Kräftedüngers für die Erde mit ein. Diese Qualität leidet not- wendig, wenn das Potential an Überschusskräften einseitig für Spitzenmilchleistungen in Anspruch genommen wird. Alles, was aus dem Verzicht- und Überschusswesen des Rindes her- vorgeht, gibt dem landwirtschaftlichen Organismus das innere Maß. In diesem Maßgebenden lebt die Weisheit der Gruppen- seele des Rindes auf. Erkennen wir diese wahrhaft ökonomie- stiftende Weisheit, dann lernen wir das Rind so zu leiten und zu begleiten, dass wir der naturnahen Haltung (Gruppenseele) ebenso Rechnung tragen wie der menschennahen Haltung. Auf diesem Wege können wir jetzt das Rind auf neue Art wieder in den Dienst der fortschreitenden Menschheitskultur stellen. Wir danken es den Haustieren – allen voran dem Rind – und dem Umgang mit ihnen, dass wir uns des Karmas bewusst werden können, das wir ihnen gegenüber haben. Durch das Bewusst- werden dieses Karmas kann die Liebekraft erwachsen, die uns die Berechtigung gibt, zu sagen: Wir, die Nachgeborenen, schreiten der Tierwelt voraus und nehmen sie auf unserem Entwicklungsweg in die Zukunft mit.

Nicht die Tiere haben durch sich selbst eine Zukunft. Ihre Zukunft liegt in der des Menschen; er steht in ihrer Schuld und muss diese mit Liebe „bezahlen“. In ferne Zukunftszei- ten geschaut, kann er sie dann aus ihrer Bannung in das Ir-

Seite 63 Seite 64 Apis mellifera – die Honigbiene Das kleinste Haustier des Menschen

Oskar Anderl

Die Biene als Insekt ist, Rudolf Steiners Auffassung nach, Ein Blumenglöckchen vom Boden hervor „durchaus die Gabe von Saturn, Jupiter, Mars und der Sonne.“ war früh gesprosset in lieblichem Flor, Wir werden hier den Unterschied machen müssen zwischen da kam ein Bienchen und naschte fein „Gabe“ und „Herkunft“ auf der einen Seite und Leben und In- die müssen wohl füreinander sein. nenleben des Bienenvolkes auf der anderen Seite. Letzteres J. W. Goethe: wird in den Bienenvorträgen von Rudolf Steiner der Venus zu- gesprochen. Wie wir in der weiteren Bearbeitung sehen wer- Blüte und Insekt haben eine enge Verwandtschaft, jede Blü- den, ist die Biene ein entwicklungsgeschichtlich sehr „altes“ tenpflanze hat zu einem bestimmten Insekt eine ganz be- Tier, bei dem das weibliche Prinzip – eine matriarchale Sozi- sondere Beziehung, so wie jeder Baum zu „seinen“ Vögeln. alstruktur vorherrscht. Das Männliche tritt in den Hintergrund, Die griechische Mythologie geht davon aus, dass es in Urzei- die männlichen Bienen, die Drohnen, sind lediglich gedulde- ten Pflanzentiere gegeben hat, die Gliederung in eine eigene te Gäste während der Sommerzeit, mit der einzigen Aufga- Pflanzenform und eine tierischen Form erst später erfolgte. be, die Jungköniginnen zu begatten. Im Spätsommer werden So erscheint vorm geistigen Auge diese Vervollständigung die Drohnen aus dem Stock verwiesen, das Volk überwintert in der Zusammengehörigkeit in Form der, von Rudolf Steiner ohne männliche Bienen. Die Trägerin des Bienenvolkes ist die angesprochenen kosmischen Pflanze. Königin, die Bienenmutter, ohne die das Volk führerlos und Diese kosmische Pflanze hat, ebenso wie das Insekt, 4 Glieder: lebensunfähig ist. Der Bienenstock lebt nicht auf der Erde, die Blüte muss mit dem Insekt zusammen gesehen werden sondern über der Erde. Wir sehen bei der Biene eine sehr (imago = Bild), enge Beziehung zu Luft, Licht und Wärme, zum Tag, zum Kie- der Blütenkelch entspricht der Puppe, sel und den obersonnigen Planeten - vor allem zum Saturn als das Blatt der Raupe und deren Repräsentanten. Ihre enge Beziehung zur Wärme liegt die Wurzel dem Ei. auch darin, dass sie den Blütenstaub, den Rudolf Steiner als Nach Rudolf Steiner wurde die Honigbiene - apis mellifera „Wärmeschiffchen“ bezeichnet, von Blüte zu Blüte und als - die Honig tragende Biene, in der atlantischen Zeit aus der Nahrung für die junge Brut in den Stock trägt. Verschiedenste Feigenwespe heraus verwandelt. Seit dem 3. Jahrtausend Insekten passen gegenstückgleich zu Pflanzenblütenformen, v.Chr. ist sie in Ägypten als Haustier gezüchtet und als hei- scheinen zusammen zu gehören. liges Tier verehrt worden. Sie hat die Fähigkeit, Blütennektar

Seite 65 durch Zugabe eigener Sekretionen in den uns bekannten • durch die ständige Mobilität und nicht zuletzt Honig umzuwandeln, liefert aber auch Wachs, Pollen und • durch die menschliche Einstellung dem Bienenwesen gegenüber Propolis. Sie bildet Kolonien, ein sogenanntes Staatenwesen mit genauen Aufgabenteilungen und sammelt mehr Vorräte, als sie selbst zum Überleben braucht. Diese Tatsache macht es dem Menschen möglich, Honig zu entnehmen. Dieses Geschenk wurde in der Vergangenheit und wird bis heute missdeutet und ausgenützt. Einerseits erwirkt es, die Bedeu- tung der Bienen bis in unsere Zeit immer tiefer zu erforschen und ihren unermesslichen Wert für unsere Kulturlandschaft und uns Menschen zu erkennen. Andererseits führen die ge- wonnenen Erkenntnisse auch dazu, die Bienen zu manipu- lieren, in ihre Lebensabläufe einzugreifen, größere und leis- tungsfähigere Tiere mit höherer Eintragleistung zu züchten. Durch die Schaffung künstlicher Behausungen macht man sie „mobil“, innerhalb ihrer „Wohnung“ als auch als ganzer Bienenstock. Dies ermöglicht das Aufstellen an jedem ge- wünschten Ort, in die „Tracht“ zu wandern und den Bienen, statt des von ihnen erzeugten Honigs eine billige Wasser- Zucker-Lösung als Winternahrung zu überlassen.

Das Bienen-Sterben zu einer so starken Schwächung des Immunsystems geführt Die in den letzten Jahren stark zunehmenden Berichte über hat, dass die Bienen an den genannten Belastungen zugrun- das weltweite Bienensterben, haben neben den Imkern nun de gehen. Es ist zu hoffen, dass jetzt ein Umdenken einsetzt auch viele andere Menschen auf dieses Problem aufmerksam und der tatsächliche Wert jeder einzelnen Biene erkannt und werden lassen; die tatsächlichen Ursachen sind bis dato un- gewürdigt wird. Wo bleibt die Verantwortung des Men- klar. Es gibt viele Hinweise und durch Untersuchungen be- schen, der sich der Bienen angenommen hat, des Imkers, stätigte toxische Belastungen, die zum Bienentod führen, der mit ihnen arbeitet und materiellen Nutzen aus ihrer Tä- wie der massive Einsatz von systemischen Insektiziden und tigkeit zieht? Pestiziden, der Befall durch die Varroamilbe, Funk- und Elek- trostrahlung. Es ist jedoch auch zu hinterfragen, inwieweit Das Bienenvolk die Eingriffe durch die künstliche Zucht, Um sich in ein anderes Wesen einzufühlen, um mit ihm sei- • in das Beutensystem, nem Wesen gemäß umgehen zu können, ist es hilfreich, sich • in die Völkerführung und das Betriebssystem, vorerst mit den sichtbaren und praktischen Verhaltenswei- • durch die Behandlung gegen Viren, Parasiten, Milben, sen und Lebensbedingungen der jeweiligen Tierart vertraut • durch die künstliche Fütterung, zu machen.

Seite 66 Der Imker Johannes Mehring (1815-1878) formulierte schon In der Regel werden mehrere solcher Weiselzellen in unmit- damals infolge seiner Beobachtungen, dass das Bienenvolk telbarer Zeitfolge am unteren Wabenrand angelegt. Noch ein „Einwesen“ ist. Diese Sichtweise, eine ganze Bienenkolo- bevor die erste Jungkönigin schlüpft, verlässt die Altkönigin nie einem einzigen Tier gleichzusetzen, brachte den Begriff mit einem Großteil der vorhandenen Bienen das Volk. Man des BIEN hervor. Um sich dem Wesen der Bienen anzunä- nennt dies das Schwärmen. Sie verlässt mit ihrer Gefolg- hern, können wir gar nicht anders, als uns ein Bienenvolk als schaft ihrer angestammte Behausung, sammelt sich an einem einen Körper, eine Einheit vorzustellen. Ein Bien kann nur als milden Sommertag mit den mitfliegenden Bienen meistens Einheit überleben. in unmittelbarer Stocknähe auf einem Baum oder Strauch, zu Ein Bienenvolk besteht aus einer Königin, vielen sterilen einer „Schwarmtraube“. weiblichen Bienen und kurzzeitig männlichen Drohnen, die Die beteiligten Bienen haben, bevor sie den Bienenstock ver- zusammen in einem eigens geschaffenen Wabenbau leben. lassen haben, ihren Honigmagen zur Gänze gefüllt und kön- In diesem arteigenen Lebensraum werden aus dem Wachs nen so notfalls mehrere Tage ohne weitere Nahrungsaufnahme der körpereigenen Drüsen sechseckige, dicht aneinander überleben. Haben die ausgesendeten „Spurbienen“, so nennt gereihte Zellen gebaut. In jede - das können bei optimalen man jene Bienen welche die Umgebung nach einem neuen Bedingungen bis zu 2.000 pro Tag sein - legt die Königin je- Zuhause absuchen, eine geeignete Bruthöhle gefunden, wird weils nur ein Ei, sie „bestiftet“ sie. Den Arbeitsbienen obliegt dies der Schwarmtraube mittels des „Schwänzeltanzes“ mit- die Aufzucht bis zum Madenstadium. Dazu erzeugen die geteilt und danach fliegt diese direkt die neue Behausung an. Ammenbienen mittels ihrer Kopfdrüsen ein Sekretgemisch, Sofort wird wieder mit dem Wabenbau begonnen. den Futtersaft. In den übrigen Zellen werden Nektar und Pol- Es ist dies eine, in der Natur und auch bei den Menschen len eingelagert. Somit dient der Wabenbau zum einen als selten vorkommende Gepflogenheit, dass die „Alte“ aus der Wiege der heranwachsenden Jungbienen, zum anderen als Behausung auszieht, um damit der „Jungen“ Lebensraum zu Futtervorratsspeicher für den täglichen Gebrauch, sowie als schaffen. Es verdeutlicht die besonderen sozialen Fähigkei- Wärmespeicher und Kommunikationsträger. Aus befruchte- ten des Bienenwesens. ten Eiern entwickeln sich weibliche, sterile Bienen, den un- Dieser Vorgang ist noch nicht die Vermehrung, lediglich die befruchteten Eiern entschlüpfen die Drohnen. Teilung. Erst wenn die, im Bienenstock verbliebene Jungkö- Arbeitsbienen schlüpfen nach ca. 21 Tagen, Drohnen nach nigin geschlüpft ist, und nach einigen Tagen zu einem Be- ca. 24 Tagen. Kommt die Zeit der natürlichen Vermehrung, gattungsflug das Volk verlässt und begattet wieder in ihren bauen die Arbeitsbienen sogenannte Weiselzellen, das sind Stock zurückkehrt, gründet sich damit eine neue Kolonie. Ab Zellen, die von Beginn an rund gebaut werden und sich diesem Begattungsflug, den es nur einmal im Leben einer dadurch von den sechseckigen Zellen deutlich abheben. Königin gibt, ist sie in der Lage, 3 - 4 Jahre befruchtete Eier Legt die Königin dann in diese Weiselnäpfchen befruchtete zu legen. Da oftmals mehrere Jungköniginnen schlüpfen, Eier, werden die dort heranreifenden Maden über ihre gan- können mehrere Begattungsflüge stattfinden - man nennt ze Entwicklungszeit mit einem besonderen Futtersaft, dem dies das „Nachschwärmen“. Es kommt aber auch vor, dass Gelee royale versorgt. Diese Zelle wird am 9. Tag verdeckelt. die erstgeschlüpfte Jungkönigin alle anderen noch in den Darin entwickeln sich durch diese spezielle Behandlung Weiselzellen befindlichen „Anwärterinnen“ durch ein seitli- Jungköniginnen, die bereits nach ca. 16 Tagen schlüpfen. ches Einstechen in die Zelle tötet. Dies kann auch von den

Seite 67 Arbeitsbienen vorgenommen werden. Da es nur eine Kö- Honigpflege, Verdunstung und Luftzirkulation werden mit- nigin in einem Volk geben kann, käme es unweigerlich zu tels Flügelvibrationen von untereinander abgestimmten Bie- einem Kampf „auf Leben und Tod“. Dieses hohe, koloniege- nen gesteuert. fährdende Risiko wird oftmals durch das genannte Verhalten Die in den Sommermonaten schlüpfenden Drohnen ha- umgangen. Erwähnenswert ist, dass alle honigsammelnden ben keine Giftblase und keinen Stachel. Sie können auch Bienen ebenfalls weibliche Bienen mit der Anlage zum Ei- andere Bienenstöcke anfliegen und sich dort aufhalten. erlegen sind, aber sie verzichten auf die Fortpflanzung und Ihre Hauptaufgabe - bei entsprechender Wetterlage - ist geben sich nur der Pflege und Umsorgung der jungen Bienen die ständige Anwesenheit an den sogenannten Drohnen- und der Königin hin. In diesem Verzicht und in der Überwin- plätzen: Örtlichkeiten in etwa 20-30m Höhe, die von den dung des Tierisch-Triebhaften der Fortpflanzung, kann eine Jungköniginnen bei ihrem Hochzeitsflug angeflogen wer- Läuterung und eine hohe Entwicklungsstufe gesehen wer- den. Dort erfolgt gegebenenfalls deren Begattung im Fluge den. Rudolf Steiner spricht in diesem Zusammenhang von durch mehrere Drohnen. einem „ungeheuer hohem Bewusstsein des Bienenstockes, In unserer heutigen Betrachtung wollen wir uns nun dem nicht der einzelnen Biene. Die Weisheit dieses Bewusstseins BIEN als Gesamtwesen zuwenden und uns vor Augen füh- wird der Mensch erst im Venusdasein erreichen.“ ren, wieso uns seine Anwesenheit auf einem biologisch- Jede Biene übernimmt während ihres relativ kurzen, 3 – 6 dynamischen Hof so wichtig ist. Wochen andauernden Sommerlebens, verschiedene Auf- Auf einem Demeterhof streben wir einen Ablauf an, der gaben. Alters- oder bedarfsangepasst wird die Jungbiene sich nicht nur auf die nutzorientierte Tätigkeit des Land- nach ihrem Schlupf zur Wirtes, wie logische Arbeitsschritte, Material- und Ener- Putzbiene - Reinigen und Vorbereiten der Zellen gieeinsatz, die Verwertung von Nebenprodukten, die Brutpflege- oder Ammenbiene - Absondern von Futter- Feldkulturen, die Fruchtfolge, den Düngeeinsatz oder die saft oder Schwesternmilch, Füttern der Larven Tierhaltung konzentriert, sondern hier versuchen wir einen Baubiene - Ausschwitzen der Wachsplättchen, Wabenbau wirklichen Hoforganismus zu entwickeln und zu gestalten. und Verdeckeln der Zellen Auf unsere Höfe und das heutige Thema bezogen bedeu- Transportbiene - Übernahme des Nektars von den Sam- tet das, dass wir uns bewusst machen müssen, dass etwa melbienen, Umtragen des eingelagerten Nektars 70-80% unserer Blütenpflanzen von Insekten bestäubt Hofstaatbiene - fortwährende Versorgung der Königin mit werden, und das überwiegend von Bienen. Ohne diese Gelee royale Bestäubung gibt es keine Lebensgrundlage für Tier und Heizerbiene - sie erwärmt und hält durch Muskelzittern die Mensch. Umgebungsluft der Brut auf einer konstanten Temperatur. Bei den Blütenbesuchen bleiben am Bienenleib auch die Wächterbiene - hier nähert sich die Jungbiene mit fertig Kreuzhefen hängen – das sind Hefepilze, die sich auf be- ausgebildeter Giftblase aus dem dunklen Innenleben des stimmten Blüten entwickeln - die dann auf andere, noch Stockes, dem Übergang in die Außenwelt, dem Flugloch pilzfreie Blüten übertragen werden. Dieser Pilz ist wich- und wehrt unerwünschte Eindringlinge ab tig für eine gute Eiweißverdauung der Wiederkäuer; damit Sammel- oder Arbeiterbiene - sie sammelt als Flugbiene wirkt die Bienentätigkeit bis in die Stoffwechselvorgänge Nektar, Pollen, Harze (Propolis) und Wasser. der Kuh hinein.

Seite 68 Es gilt, den Blick zu schulen für das, was augenscheinlich da Literaturverweis: ist und für jenes, was als Wirkprinzip im Hintergrund lebt. Steiner, Rudolf ( 1924) : Geisteswissenschaftliche Grundla- Das, was durch die Wurzeln, durch die Pflanze, den Baum, gen zum Gedeihen der Landwirtschaft nach oben zur Blüte strebt, trifft zusammen mit dem aus Steiner, Rudolf ( 1988) : Über das Wesen der Bienen, 6. Auf- dem Kosmos Hereinströmenden. Es bedarf der Stoffwech- lage seltiere um die, das Leben weitertragende Verschmelzung Tautz, Jürgen (2007 ) : Phänomen Honigbiene dieser Prozesse zu ermöglichen. Mand, Stefan Dipl. Ing. Dr. ( 2011) : Bestäubungshandbuch

Die Biene als Sonnenwesen erfüllt hier in besonderer Weise eine vermittelnde Aufgabe Dieser Vortrag wurde am 16.11.2012 an der Universität für Bodenkultur im Rahmen der Ringvorlesung „Biologisch-dy- Rudolf Steiner beschreibt das Bienengift als umgewandel- namischer Landbau“ gehalten und von Wilhelm Erian tran- te Ameisensäure, die in vielen Lebensprozessen unterstüt- skribiert. zend wirkt. Jede Biene gibt bei jedem Bestäubungsakt ein winziges Tröpfchen Ameisensäure an die Blüte ab und hilft der Pflanze damit, ihre Selbstheilungskräfte zu stärken. So kann man Bienen als kleine herumfliegende Pflanzenärzte ansehen, die die Pflanzen und damit Erde heilen. Beachtenswert erscheint auch die Tatsache, dass jährlich viele Bienen eines jeden Stockes in der Umgebung sterben und so für eine Verteilung geringster Mengen körpereige- ner Ameisensäure in der Umgebung sorgen. Hier sehen wir, dass das Vorhandensein jedweder Gattung durch die Anwesenheit der anderen, das Zusammenspiel der Pflanzen- und der Tierwelt tiefgründige Ursachen hat und einander zur optimalen Entwicklung bedingen. Der Mensch als Nutznießer der sich entwickelnden Naturrei- che ist verantwortlich, deren Lebensraum als Förderer und Lebens-Bedingungen schaffender Mitschöpfer mitzuge- stalten. Dieser gelebte, soziale Impuls des Bien kann, auf unsere Höfe übertragen, Lösungswege für die Zukunft aufzeigen. Rudolf Steiner spricht im Zusammenhang mit den Bienen immer wieder von einem Liebesdienst, einem Liebesle- ben, das durch die Bienen auf diese Erde gebracht wird. Bienen sind als herumfliegende Herzgedanken anzusehen.

Seite 69 Seite 70 Haustiere im Spannungsfeld zwischen Vermenschlichung und Vernachlässigung

Elisabeth Stöger

Genesis 2,15: „Gott, der Herr, nahm also den Menschen und Aus medizinischer Sicht ist der physische Leib jener, den setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und die moderne Medizin am besten kennt. Er ist direkt wahr- hüte.“ nehmbar und lässt sich gut naturwissenschaftlich betrach- Genesis 1,28: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert ten, also Messen und Wiegen. Für ihn gelten die Gesetz- die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische mäßigkeiten der Physik und Chemie und er ist der direkten des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tie- Behandlung mit konventionellen Methoden gut zugänglich. re, die sich auf dem Land regen.“ Er lässt sich gut untersuchen: Die Befunde, die chemisch- Zwei sehr unterschiedliche Aussagen zur Stellung und Auf- physikalischen Parameter und die bildgebenden Methoden gabe des Menschen in Bezug auf seine Umwelt und Mitge- (Röntgen, Ultraschall, Computertomographie, MRT) geben schöpfe. Auskunft über den physischen Leib. Aus dieser Sicht ist klar, Ziel dieses Referates ist es, an der Fragestellung Verhärtung dass Krankheitsbilder, die mit Gesteinsbildung einhergehen und Entzündung bzw. am Thema Vernachlässigung und Ver- - wie Nierensteine, Gallensteine - sowie Verkalkungen in Ar- menschlichung einen Schritt zur Klärung zu tun, wie Mensch terien, im Auge, im Gehirn etc., dann Überhand nehmen, und Tier zueinander stehen. wenn die mineralisierenden Kräfte im Lebenskörper zu stark Blickt man auf die verschiedenen medizinischen Lehren, so oder die Kräfte der Lebensorganisation zu schwach sind. erkennt man, dass allen Medizinrichtungen – eben auch der Die typischen Krankheiten sind also mineralisch-starr. Anthroposophischen Medizin - eigene Weltbilder zugrunde Der Lebensleib wird von Rudolf Steiner meist Ätherleib liegen. Nach Auffassung Rudolf Steiners besitzt der Mensch genannt. Alle Lebensvorgänge haben im Menschen ebenso vier Wesensglieder. wie in Tieren und Pflanzen eine eigene Ordnung und Gesetz- Der physische Leib oder Stoffleib ist jener, der aus dem mäßigkeit. Eine weitere Bezeichnung für dieses System der Mineralreich stammt und jenes, was nach dem Tod eines Le- Lebensgesetzmäßigkeiten ist Bildekräfte-Organisation. bewesens an Mineralien, Salzen, an physikalischen Zusam- Der Lebensleib bewirkt eine geordnete Bildung und Funk- menhängen und chemischen Verbindungen übrigbleibt. tion der Organe. Er steuert das Wachstum und wirkt zeitle- Nach dem Tod ist er sofort der Zersetzung ausgeliefert. Bei bens dem Verfall entgegen. Durch den Lebensleib werden seiner Verbrennung bleibt die Asche übrig – ein deutlicher Mineralien und ihre chemischen und physikalischen Verbin- Hinweis auf das Mineralreich. dungen in eine Ordnung zueinander geführt. Während auf

Seite 71 den Stoffleib die Schwerkraft wirkt, gelingt es uns mit Hilfe kehrt die Schulung der Atmung eine Führung im Seelischen des Lebensleibes gegen die Wirkung der Schwerkraft uns bedeuten kann. Die moderne Medizin spricht von psycho- aufzurichten. Die ungeheure Dynamik aller Lebensprozesse neuro-immunologischen oder auch von psycho-neuro-en- ist am deutlichsten im Pflanzenreich anschaubar: wie sich dokrinologischen Zusammenhängen, also vom Zusammen- eine Pflanze durch die Asphaltdecke schiebt, wie jedes hang zwischen dem Seelenleben mit dem Nervensystem, Jahr aufs Neue in kurzer Zeit der Laubbaum seine Blätter he- Immunsystem oder Hormonsystem. Aus medizinischer Sicht rausschiebt oder wie im tropischen Klima das Pflanzenreich kann die Reaktion des Lebensleibes auf seelisch Erlebtes zu wuchert. Auch die Säfteströme in Bäumen sind mit den be- den psychosomatischen Zustandsbildern führen. Fast jeder kannten physikalischen Gesetzen nicht erklärbar: wie schafft wird selbst schon die Erfahrung gemacht haben, wie Stress es ein 100m hoher Baum, bis hoch hinauf die Säfte strömen oder belastende Situationen sich in einer erhöhten Anfällig- lassen? Dieses Phänomen zeigt uns die Kräfte des Lebens- keit für Infektionen bemerkbar machen. leibes. Vergleichbar damit ist das geordnete Strömen der Als ICH-Organisation oder als das ICH wird das geistige Körperflüssigkeiten im Menschen und im Tier. Wirken diese Prinzip des Menschen bezeichnet. Es ist mit unseren ge- Ordnungskräfte zu schwach, so entstehen Missbildungen, wohnten Begriffen schwer beschreibbar. Das ICH wirkt in erlahmen die Säfteströme (etwa der Blutkreislauf), dann tritt die anderen Leiber des Menschen hinein, geht aber auch sehr rasch der Tod ein. Eine Verwandtschaft mit kosmischen weit darüber hinaus. Das Geistige ist etwas, das nach oben Kräften ist gegeben. Typische Erkrankungen des Lebenslei- hin offen ist. Die Individualität des Menschen ist Ausdruck bes sind Wasseransammlungen oder auch Psychosen. des ICHs, ebenso alle selbstbewussten Vorgänge. Es er- Der Astralleib (lat. astrum = der Stern) wird auch als Emp- möglicht die Erinnerungskraft, ein Zeitbewusstsein und die findungsleib oder Seelenleib bezeichnet. So wie dem Denkkraft. Geistige Kräfte, die in uns hineinwirken, lassen Ätherleib die Eigenschaft „belebt“ zugeordnet ist, so gehört den Menschen erkennen: „Da bin ich und dort ist die Welt.“ „beseelt“ zum Astralleib. Das Gefühlsleben verbindet uns Auch Sprechen und aufrechter Gang sind durch die ICH- mit dem Tierreich. Besonders an unseren Haustieren - hier Organisation möglich. Aus medizinischer Sicht ist die ICH- wieder ganz stark am Hund - können wir Freude, Angst, Lust, Organisation mit der Wärmeregulation verbunden. Schmerz etc. wahrnehmen. Empfindungen führen zu Bewe- gungen. Diese können bewusst gesteuert sein (Eigenbe- Wesentlich bei solchen Gliederungen ist es zu beachten, wegung); aber auch Reflexe, also nicht bewusst gesteuerte dass die einzelnen Wesensglieder gleichzeitig nebeneinan- Bewegungen und autonome Rhythmen sind Ausdruck des der bestehen. Zur besseren Verständlichkeit ihres Wesens, Astalleibes. Er ist eine regulierende Instanz, was etwa an der ihrer Aufgaben und Zuordnungen müssen sie einzeln ange- Ausdifferenzierung innerer und äußerer Geschlechtsmerk- führt werden. Im Lebendigen existieren sie nebeneinander, male sichtbar wird. Auch die Vorgänge im Immunsystem sich gegenseitig durchdringend, einander bedingend, kont- sind den Kräften des Astralleibes zugeordnet. Beschäftigt rollierend und steuernd. man sich mit dem Seelenleib, dann wird rasch die enge Verbindung mit dem Lebensleib sichtbar: Gefühle sind mit Wenn wir von Tieren sprechen, so sollten wir uns bewusst dem Körper eng verbunden. Ein Bespiel ist, wie Lachen, machen, dass lediglich ein sehr, sehr kleiner Teil der Tierwelt Weinen oder Schmerz die Atmung verändern und umge- innerhalb der letzten 14 Jahrtausende zu Haustieren wurde:

Seite 72 Beispiele der Haustierwerdung: gen imstande sind und die, ohne Rücksicht auf frühere An- Ab rund 12 000 v. Chr. wurde in verschiedenen Regionen schauungen und Erfahrungen, wissenschaftlich-empirisch der Welt der Hund zum Haustier. Er ist also unser ältester Haltungsbedingungen festzulegen versucht. Begleiter. Zwei Tendenzen sind dabei bemerkenswert: die Zertei- Um 8000 - 7000 v. Chr. wurden Ziege, Schaf, Rind und lung eines Organismus in seine Einzelbestandteile, indem Schwein im vorderasiatischen Raum domestiziert. z.B. der Pansen oder das Euter einer Kuh völlig isoliert vom In diesem Gebiet wurde auch die Taube ab dem 5. Jahrtau- Ganzen angesehen und untersucht werden. Aus dem Detail send zum Haustier. versucht man aufs Ganze zu schließen. Andererseits gehen Das Pferd wurde rund 4000 v. Chr. in Ägypten in den Haus- Menschen in der Forschung mit möglichster seelischer „Zu- stand genommen. Etwa 3000 v. Chr. kamen in Ägypten die rückhaltung“ vor, um Arbeits- und Forschungsergebnisse Honigbiene und die Gans zu den Haustieren. nicht zu verfälschen. Zur selben Zeit wurde das Huhn in Südost-Asien domes- Für die Tierhaltung ist aber in der Praxis in erster Linie ein na- tiziert. türliches Gefühl für das tierische Wesen hilfreich, um dessen Man sieht an dieser Darstellung, dass der Mensch – vor rund Bedürfnisse erkennen zu können. 1,6 Millionen Jahren erschien mit dem Homo ergaster der Beispiel: In den letzten Jahren wurde von der Nutztierwis- erste „menschliche Vorfahre“, vor ca. 200 000 Jahren leb- senschaft die Meinung propagiert, neugeborene Kälber soll- te der Neandertaler, bis vor rund 40 000 Jahren der Homo ten so rasch wie möglich, aus dem warmen Stall in eine kalte sapiens auftrat– viele Jahrzehntausende neben den Tieren Umgebung gebracht werden. Das menschliche, natürliche lebte. Dann – innerhalb von „nur“ vier Jahrtausenden – wur- „Mutterinstinktgefühl“ stand und steht dem konträr gegen- den die auch heute noch wichtigsten Haustiere gezähmt über, jedoch hielten sich viele Tierhalter an diese „neuesten und in den Hausstand gehoben. Welch einen revolutionä- wissenschaftliche Erkenntnisse“. Inzwischen gibt es aber ren Umbruch hat es damals in der Menschheitsentwicklung „allerneueste wissenschaftliche Erkenntnisse“, die besagen gegeben! Man kann davon ausgehen, dass dies nur durch nunmehr: „Das Kalb braucht Wärme.“ Kommentar überflüs- einen Bewusstseinssprung des Menschen, aber auch eine sig. besondere „seelische Konzeptionsbereitschaft“ innerhalb der Tierwelt möglich war. Die Begegnung von Menschen und Haustieren ist eine Be- gegnung auf der Ebene der Astralleiber. Lebten Mensch und Tier in vormittelalterlichen Zeiten in en- ger räumlicher und seelischer Verbundenheit („Der gute Hir- Spricht man vom Tierreich, dann ist ein Blick auf die Syste- te verlässt seine Herde nie“), so lässt sich danach ein deut- matik des Tierreichs aufschlussreich: licher Trend der „Versachlichung“ des Tieres, vor allem des Haustieres feststellen, die so weit ging, dass man dem Tier Wirbellose Tiere: Einzeller, Mehrzeller die Seele und mit ihr auch das Gefühlsempfinden absprach. Wirbeltiere: Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere. Gegenwärtig steht in der Landwirtschaft eine nutzorientierte Klar zu erkennen ist, dass vom tierischen Leben des Einzel- Haltung im Vordergrund, die davon ausgeht, dass nur gute lers bis zum hochentwickelten Säugetier eine höchst unter- Bedingungen hohe physiologische Leistungen hervorzubrin- schiedliche Ausprägung von Seelenleibern vorliegt.

Seite 73 Die Dreigliederung des leiblichen Organismus: Menschliche Körperfunktionen lassen sich nach anthroposo- phischer Anschauungsweise in drei Systeme gliedern: Nerven-Sinnes-System – körperlich ausgebildet als Gehirn, Nerven und Sinnesorgane, konzentriert vor allem im Kopf zu finden, mit der Tendenz zur Ruhe. Stoffwechsel-Gliedmaßen-System – körperlich als Ver- dauungsorgane im Bauchraum und als Gliedmaßen aufzu- finden, nach dem Prinzip Bewegung. Rhythmisches System – das beide Pole verbindet und ausgleichend wirkt. Körperlich in Herz und Kreislauf, in der Atmung und im Rhythmus von Wachen und Schlafen anzu- schauen.

So harmonisch der Mensch in diesen erwähnten Körperfunk- tionen gegliedert erscheint, so sehr weisen die einzelnen Tiergattungen darin fast durchwegs Spezialisierungen auf und wir unterscheiden vereinfacht dargestellt „Kopf-, Brust- und Bauchtiere“. Als die Repräsentanten der, für die Land- wirtschaft so bedeutsamen Verdauungstiere mit ihrer brei- ten, ökologisch vielfältigen pflanzlichen Nahrungsaufnahme werden die Wiederkäuer angesehen. Weltweit zählen zu ihnen 139 Arten. Unter den Wiederkäuern fallen sowohl deren unterschied- liche seelischen Reaktionsweisen auf, als auch das unter- schiedliche Selektion- und Fressverhalten. Dies bedingt auch Unterschiede im Verdauungstrakt und in der Verdau- ungsphysiologie. So sind in einer Grobeinteilung auf der einen Seite die „Konzentrat-Fresser“ zu finden, die lediglich harz-, fett- und ölreiche, rohfaserarme Pflanzenteile, wie Samen, Knospen, Triebspitzen bevorzugen (Ziege, Reh) und anderseits sol- che, die sich fast ausschließlich mit zellulosereichem Pflan- zenstängeln und -blättern begnügen (Rind, Schaf, Hirsch).

Seite 74 Sklerose und Entzündung als polare Gegensätze: Medizinische Begriffszuordnungen, polare Gegensätze, die sich auf Grund der Fragestellung ergeben:

Sklerose Entzündung Verhärtung - Ablagerung Auflösung - Erneuerung - Regeneration

Im Körperlichen Im Körperlichen Knochen, Skelett, Zähne, Bindegewebe und Entzündungssymptome: Wärme (Calor), Stützgewebe, Gefäßwände Rötung (Robor), Schmerz (Dolor), bewirkt Festigkeit des (Stoff)Leibes Schwellung (Tumor), eingeschränkte Funktion Formbildend - Ins Stoffliche gehend Heftig, brennend, feurig Aus dem Leben fallend Lokal oder den ganzen Körper betreffend

Im Physiologischen Im Physiologischen Bewegungseinschränkung oder Verlust der Dominanz der Stoffwechselvorgänge Beweglichkeit Flüssigkeitsabsonderung – Schleim – Eiter Arteriosklerose, grauer Star, Steinbildung, Starkes Regenerationsvermögen, z.B. bei Gicht, Zirrhose Kinderkrankheiten (Fieber+Ausschlag, Im Seelisch-Geistigen generalisierte Krankheiten), aber auch Ordnend, Klarheit, Konsequenz, Absterbeprozess – Nekrose, z.B. die Konzentration Alterspneumonie als Öffner des Tores zur Sparsamkeit bis zu pathologischen geistigen Welt Zwängen, Phobien, Pedanterie, Geiz und Im Seelisch-Geistigen Neurosen Sich begeistern, ideell entzünden Interesselosigkeit Hyperaktivität Organ: Lunge (Erdenorgan) Alterskräfte – machen den Menschen Kindheitskräfte – wirken gegen zu einem erdenfähigem Wesen, Alterungsprozess Bildungstendenz des Stoffleibes Organ: Herz Element: Mineral Element: Wärme

Seite 75 Die Klauenrehe des Rindes Hornwachstum gelangt dieses Blut als Sohlenblutungen v.a. Am Beispiel dieser typischen Wiederkäuererkrankung in der entlang der weißen Linie an die Oberfläche. modernen Haustierhaltung wollen wir nun versuchen, die Die typischen Formveränderungen bei Reheklauen sind die Zusammenhänge zwischen den Kräften der Wesensglieder Aufkrümmung der Klauenspitze, deutliche Rillenbildung darzustellen. (Reheringe) an der vorderen und seitlichen Wand sowie die Die Klauenrehe beim Rind – vor allem sind Milchkühe betrof- Ausbildung einer Vollklaue. Das Horn ist weich und verfärbt. fen – ist eine Entzündung der Lederhaut in der Klauensohle und -wand. Die Ursache ist vor allem in Fütterungsfehlern zu finden, es handelt sich also nicht um eine Infektionskrank- heit. Sie kann einzelne Tiere betreffen oder als Bestandser- krankung auftreten. Typische Fütterungsfehler sind: Hohe Kraftfuttergaben, wenig Rohfaser, Eiweißüberfütterung und daraus entstehende Pansenübersäuerung. Auch langes Stehen und Gehen auf harten Böden kann eine Klauenrehe auslösen. Weitere Erkrankungen wie Gebärmutterentzün- dungen, Nachgeburtsverhalten oder Stoffwechselstörun- gen anderer Genese können Auslöser sein. Sie gilt als die wichtigste Ursache für Lahmheiten und weitere Klauener- krankungen, etwa für das Sohlengeschwür. Klauenrehe tritt meist rund um die Geburt auf. Es wird zwischen akuter und Klauenrehe – Rillen („Reheringe“) und Aufkrümmung chronischer Klauenrehe unterschieden. Bei der Klauenrehe kommt es zu einer Durchblutungsstörung der Lederhaut. Durch diese Durchblutungsstörung wird die stabile Verbindung zwischen Blättchenhorn und Lederhaut gelockert, indem hier Flüssigkeit aus den Blutgefäßen austritt. Die straffe Verbindung wird gelockert und das Klauenbein sinkt durch das Gewicht des Tieres auf die Sohlenlederhaut. Bei starken Durchblutungsstörungen wird die Verbindung vollständig gelockert und durch das Gewicht des Tieres wird die Sohlenlederhaut durch das Klauenbein auf der ganzen Fläche gequetscht. Durch solch massive Schädigung setzt die Hornbildung vo- rübergehend aus und das Sohlenhorn löst sich von der Le- derhaut ab. Später kommt eine Doppelsohle zum Vorschein. Blutergüsse in der Lederhaut werden in das neu gebildete, qualitativ schlechtere Horn eingebettet. Mit zunehmendem Klauenrehe – Verfärbungen

Seite 76 Die Klauenrehe ist wegen der vielen beteiligten Faktoren mittel zu achten. Nur wenn den Pansenmikroben die Zeit und oft verschleppter Fälle schwierig zu behandeln. Die zur Verfügung steht, sich an die geänderte Zusammenset- häufige, funktionelle Klauenpflege ist von größter Bedeu- zung der Futterrationen anzupassen, bleibt der pH-Wert tung. Am Tier erkennbare Symptome sind Wärme ein- im Pansen stabil und die anfallenden Nährstoffe können zelner oder aller Klauen, große Schmerzempfindlichkeit effektiv verwertet werden. (geht bis zum Festliegen), vermehrtes Liegen und Bewe- Die Klauenrehe bei Rind, Schaf und Ziege zeigt, dass gungsunlust, Gehen wie „auf Eiern“, Lahmheit. gerade beim Wiederkäuer – jenen Tieren, die auf die Hohe Leistungsansprüche an Milchkühe verlangen hohe Verdauungstätigkeit spezialisiert sind – bei Fütterungs- Mengen leicht verdaulicher Rationsbestandteile mit hoher fehlern eine unvermutete Ursache–Wirkungs-Kette ausge- Energiedichte. Den Tieren wird struktur- und rohfaserar- löst wird. Dieser Zusammenhang ist anfangs schwer zu mes, jedoch kohlehydrat- und eiweißreiches Futter zuge- erkennen, weil die massive Schädigung der Klauen erst führt. Wochen bis Monate nach der Pansen-Übersäuerung zu- tage tritt. Der Einsatz solcher Futtermittel fördert wegen der Weich- Wiederkäuer sind als Repräsentanten der Verdauungstiere heit und der Kürze der einzelnen Futterbestandteile ein vor allem über die Fütterung gesund zu erhalten. Der Leis- vermindertes Wiederkauen und damit eine Pansenüber- tung angepasste Futterrationen verlangen vom Tierhalter säuerung, die Bildung von toxin- und milchsäure-bilden- großes Wissen über die einzelnen Futterkomponenten. den Bakterien. Durch einen niedrigen pH-Wert im Pansen, Besonders im Grünland und bei reiner Heufütterung sind die sogenannte Pansenazidose, kommt es auch zu einer den Auswahlmöglichkeiten Grenzen gesetzt und die ge- Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Blut. forderte Ausgewogenheit ist oftmals schwierig zu erlan- Diese Effekte ergeben sich nicht nur bei hohen Getrei- gen. deschrotgaben, sondern auch bei früher und intensiver Wie kann man nun als Tierhalter eine eventuell auftreten- Nutzung von Grünlandbeständen. Neuere Untersuchun- de Pansen-Übersäuerung erkennen, ohne den pH-Wert gen zeigen, dass dabei weniger der hohe Gehalt an Pro- im Pansen zu messen? Die Anzahl der Kauschläge pro tein als jener an Fructan (Vielfach-Fruchtzucker) für das Wiederkaubissen gibt uns die Rückmeldung über den Auftreten der Klauenrehe entscheidend ist. Gerade bei Pansen-pH-Wert. Wir zählen also die Kauschläge, die das kalt-trockener Frühjahrswitterung reichern sich im Grünfut- Tier für einen aufgestoßenen „Knödel“ beim Wiederkau- teraufwuchs vor allem in weidelgrasbetonten Beständen en aufwendet. Der Pansen-pH-Wert ist in Ordnung, wenn größere Fruchtzuckermengen an, die zu problematischen mindestens 50 Kauschläge pro Bissen gemacht werden. Gehalten von über 10 % der Trockenmasse in Frischfutter Bei reiner Heufütterung wird die Anzahl der Kauschläge und Konserven führen. Eine Ergänzung der Rationen mit pro Wiederkaubissen höher und kann 70, 80 oder über einer Strukturkomponente wie z.B. Stroh oder „überstän- 100 betragen. Fällt die Wiederkautätigkeit allerdings auf digem“ Heu ist in diesen Fällen geboten. unter 50 Kauschläge je Bissen ab, dann kann von einer Gerade in der Übergangsfütterung – von der Winterrati- Pansen-Übersäuerung ausgegangen werden. Demnach on auf Frischfutter, bzw. auf den Weidegang – ist auf ein wird eine Kuh, die beispielsweise nur 35 Kauschläge pro langsames Umstellen auf diese hochverdaulichen Futter- Wiederkaubissen macht, als krank anzusehen sein.

Seite 77 Nutztiere – Heimtiere: Verschiedene Krankheitsbilder zug und Verwilderung. Die Haltung in größeren Gruppen, in Die Nahrungsmittel liefernden Tiere in der Landwirtschaft, technisch ausgefeilten Systemen, immer mehr ohne Betreu- also Rinder, Schweine, Nutzgeflügel, Schafe und Ziegen, ung durch den Menschen, hinterlässt beim Haustier eine Lü- werden immer mehr in den wirtschaftlichen Zwang unserer cke. Diese Lücke der menschlichen Betreuung sollen die Tie- Zeit mit einbezogen. Deutlich wird, dass hier das Rationa- re mit Sozialkontakt untereinander füllen, was aber nur zum le und Materielle dominiert. Geht man auf eine Landwirt- Teil möglich ist, denn der Mensch hat über viele Jahrhun- schafts-Ausstellung, so begegnet man kaum Tieren, aber derte und Jahrtausende vor allem über den Lebensleib und jede Art von Technik rund um die Tiere, vom Melkroboter den Astralleib mit den Tiere gelebt, gearbeitet, gezüchtet über Fütterungs-, Ausmist- zu Aufstallungs-Systemen, Ka- und kommuniziert. Diese Vernachlässigung des Tierwesens meraüberwachungen im Stall und Fangvorrichtungen. Für äußert sich zunehmend in häufigen und typischen Entzün- einen „Tiermenschen“ ist eine solche Veranstaltung einen dungskrankheiten. Die Klauenrehe weiter oben diente be- große Enttäuschung – wo soll neben all der Technik noch reits als Beispiel dafür. Euterentzündungen sind die häufigs- ein Bezug zum Tier möglich sein? Tatsächlich wurde in ei- te Abgangsursache bei den Milchkühen. Sogar am Eierstock ner holländischen Studie über automatische Melksysteme sind mit den Zysten Zeichen von Auslösung, Formlosigkeit (Melkroboter) nachgewiesen, dass diese keine Einsparung und eingeschränkter Funktion sichtbar. von Arbeitszeit bringen, einzig die Art der Arbeit ist anders als beim Melken im Melkstand: was beim Melken der Kühe Eine ganz andere Bedeutung für den Menschen haben die im Melkstand an Zeit notwendig ist, wird im automatischen Kleintiere, also Hunde und Katzen sowie die weiteren klei- Melksystem mit der Wartung der Maschine verbraucht. Also nen Haustierarten, Meerschweinchen, Kaninchen, Ziervögel. wird die Arbeitszeit nicht weniger, aber die Zeit mit den Auch Pferde sind oft im selben Boot. Was wir den „Nutztie- Tieren wird beschnitten. So wandern die lebensmittellie- ren“ an seelischer Zuwendung immer weniger angedeihen fernden Tiere (Nutztiere) immer weiter in den Hintergrund, lassen, damit überschütten wir die Kleintiere. Der Vorgang obwohl sie es sind, die die Leistung erbringen, die Milch ist genau umgekehrt zu den Nutztieren: Hunde und Katzen geben, Eier legen und Fleisch liefern. Tendenz: Je größer die werden dauernd beobachtet, schlafen im Bett der Besitzer, Tierzahlen sind, umso deutlicher entfernt sich der Tierhalter werden animiert, fortwährend am Besitzerleben teilzuneh- vom Tier. Die Reaktion der Gesellschaft auf diese Entwick- men, werden mit allem was gut und teuer ist verwöhnt, kurz: lung sind die Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen. Aber werden vermenschlicht. Die Vermenschlichung wird uns in gerade in diesen Bewegungen wird deutlich, wie schwierig den Seitenblicken deutlich vor Augen geführt: der kleine es ist, das Wohlbefinden von Tieren zu beurteilen, wenn Hund in der Handtasche als Mode-Accessoire... Es gibt eine der Blick ganz im Naturwissenschaftlichen und Physischen bedeutende Industrie für Tiernahrung, Tierspielzeug, Tierbe- verhaftet ist. So kommt es dann zu Vorschriften, in denen darf (z.B. Näpfe, Betten, Hängematten, Kuscheldecken...), es um Mindestmaße in cm geht. Kommt man mit dem Maß- Tierpflege, Tiermedikamente etc. band der Frage näher, ob es einem Tier gut geht? Gibt es ein Der Eindruck lässt sich nicht wegwischen: die Kleintiere sind Messinstrument dafür, ob eine Kuh für ihren Lebensleib und unsere seelischen Partner geworden. Oft bezeichnen Hun- Seelenleib auch genug „Futter“ findet? de- oder Katzenbesitzer ihr Tier als „mein Kind“. Sie gehen in Die Reaktion der Nutztiere auf diese Entwicklung ist Rück- der Pflege und Ernährung der Tiere auf – mit dem Effekt, dass

Seite 78 Übergewicht, Diabetes und Allergien extrem ansteigen und dass die Geriatrie in der Tiermedizin inzwischen ein wichti- ger Fachbereich geworden ist. Die Krankheiten der Kleintiere gleichen sich immer mehr den menschlichen Zivilisations- Krankheiten an. Aber auch Verhaltensprobleme sind ein wichtiges Thema: Psychopharmaka sind auch für Hunde auf dem Markt, Ängste plagen die Tiere. Neben den bereits ge- nannten ernährungsbedingten Kleintier-Krankheiten nehmen Tumoren immer mehr zu. Hier treten also, im Gegensatz zu den, bei den Nutztieren vorherrschenden Entzündungs- krankheiten mit auflösenden Charakter die verhärtenden, sklerotischen Prozesse vermehrt auf. Das Grundproblem scheint zu sein: Wo kann dieses, so eng mit dem Menschen lebende Tier noch Tier sein?

Möge dieser Beitrag dazu anregen, das uns anvertraute Tier in seinen Wesensgliedern wahrzunehmen und ihm auf allen Ebenen zu begegnen und gerecht zu werden.

Dieser Vortrag wurde am 8./9.12.2012 im Rahmen der Ver- anstaltungsreihe „Weiterbildung für praktizierende Biodyna- mikerInnen“ am Wurzerhof und in Maribor gehalten und von Wilhelm Erian transkribiert.

Seite 79 Seite 80 Der Jahreskreis

Doris Edler

Der Jahreskreislauf ist in unseren Breiten ein Zeitorganismus, Welche Wesenheiten leben sich in diesen fortschreitenden mit vier typischen Jahreszeiten. Er fließt in mannigfaltigen Vorgängen dar? Teilgebilden, Teilprozessen und Teilfunktionen dahin und ist Nach Friedrich Benesch spricht der übersinnlich Schauende doch immer dieses mehr oder weniger einheitliche Ganze. hier von Elementarwesen, Geistern der Umlaufzeiten, Erz- Dieses Ganze gliedert sich in seine Organe auf. Wir neh- engeln: Raphael(Frühling), Uriel(Sommer), Michael(Herbst) men die Naturreiche im Boden-, Pflanzen- und Tierleben und Gabriel (Winter) als den Genien der vier Jahreszeiten, wahr. Wir erkennen in ihnen das Leben der Elemente, die den Archai als Lenker von Menschheitsepochen, sowie den selbst, jedes für sich betrachtet Eigenwesen sind. In ihrem Exusiai, den Geistern der Form. zeitlichen Leben, in Werden und Vergehen sind sie organi- Durch ihr Zusammenwirken entsteht der Jahreslauf als Ein- sche Glieder der Gesamtnatur. Diese erscheinen uns z. B. als heit in seiner Mannigfaltigkeit. Sonnen- und Mondstand, Tag- und Nachtlänge, Wärmezu- stände, Lichtqualitäten, Luftbewegungen, Wolkenbildungen Angesichts des Zeichens des Makrokosmos lässt J. Wolf- und was sonst noch zur Witterung und dem Lebensstrom in gang von Goethe Faust ausrufen: Mineral-, Pflanzen-, und Tierwelt dazugehört. Hinter diesen Erscheinungen wirken lebendige Prozesse. Die Lebensvor- „Wie alles sich zum Ganzen webt, gänge durchdringen oder verbinden sich in spezifischer Eins in dem andern wirkt und lebt! Weise so, dass nicht nur Wachstum (Ausdehnung oder Ver- Wie die Himmelskräfte auf und nieder steigen vielfältigung) sondern als Vermittlung von Polaritäten, neue Und sich die goldnen Eimer reichen! Prozesse höherer Ordnung (Farbe der Blüten, Frucht) mög- Mit segenduftenden Schwingen lich werden. Vom Himmel durch die Erde dringen, Aber auch diese Prozesse sind als Urphänomene die Wir- Harmonisch all das All durchklingen!“ kung dessen, was man kosmische Funktion nennen kann: Umfassende Atmungsvorgänge, Kreislaufvorgänge, Ausdeh- Rudolf Steiner beschreibt in seinen Vorträgen zum Jahres- nung und Zusammenziehung, Umwandlungen von Stoffen, kreislauf, dass Goethe mit solcher Dichtung ganz nah an der bis hinauf zu den durchgreifenden Hauptfunktionen von Wirklichkeit des Lebens ist und wie man sich das Ineinander- Wachen und Schlafen, von Beleben und Ersterben! wirken der geistigen Wesen vorzustellen hat.

Seite 81 Für den Jahreskreislauf der Erde ist es notwendig, das räum- das aus dem räumlichen Verhältnis der jeweiligen Sonnen- liche und zeitliche Zusammenspiel der grundlegend polar und Mondstellung resultiert. Unsere christlichen Jahresfeste wirkenden irdischen und kosmischen Kräfte zu beachten. - Ostern, Johanni, Michaeli, Weihnachten - hängen ebenfalls Dem Erdmittelpunkt entströmen fortwährend Kräfte, die ra- mit dieser Erdatmung zusammen. Mit dem Mysterium von diär in den Erdumkreis ausstrahlen. Man spricht von Schwe- Golgatha kam zur rein räumlichen Ordnung des Frühlingsfes- re- und Stoffkräften, wobei die Gravitation eine Teilkraft der- tes am ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn eine zeitliche selben ist. Aus dem Sternenraum der Fixsterne, der Planeten, Komponente hinzu: nämlich, den höchsten Feiertag in der der Sonne und des Mondes dringen kosmisch-sphärische Osterzeit am Sonntag unmittelbar nach dem Frühlingsvoll- Umkreiskräfte in flächigen Wellen an die Erde heran. Diese mond zu begehen. Leichtkräfte oder Lebenskräfte sind für uns unsichtbar. Die Wirkung dieser polaren Kräfte sehen wir im Aufwärtswach- In der Frühlingszeit atmet die Erdenseele aus. Die Christus- sen der Pflanzen, erleben sie in unserem aufrechten Gang, kräfte, die in der Weihnachtszeit ganz in der Erde sind, be- erfahren sie, wenn wir uns seelisch drückender, beschwe- ginnen mit dem Sonnenhaften aus dem Umkreis zusammen- render Gedanken entheben können. Dieses Ineinander- wirken. Zu Ostern feiern wir die Auferstehung und erleben Weben der irdischen und kosmischen Kräfte bestimmt die sie in der Natur. Erscheinungsformen und Farben unserer lebendigen Welt. In den Vorträgen, die in dem Buch: „Der Jahreskreislauf als Osterbetrachtung Atmungsvorgang der Erde“ zusammengefasst sind, be- schreibt Rudolf Steiner, wie in alten Mysterien-Zeiten mit Die Fußwaschung diesem Auf- und Niedersteigen der Kräfte gelebt wurde, Ich danke dir, du stummer Stein, und neige mich zu dir hernieder: Ich schulde dir mein Pflanzensein. Ich danke euch, ihr Grund und Flor, und bücke mich zu euch hernieder: Ihr halft zum Tiere mir empor. Ich danke euch, Stein, Kraut und Tier, und beuge mich zu euch hernieder: Ihr halft mir alle drei zu Mir. Wir danken dir, du Menschenkind, und lassen fromm uns vor dir nieder: weil dadurch, dass du bist, wir sind. Es dankt aus aller Gottheit Ein- und aller Gottheit Vielheit wieder. Im Dank verschlingt sich alles Sein.

Das Gedicht von Christian Morgenstern weist uns auf unsere Entwicklung hin, die wir den Naturreichen verdanken. In der 4. Strophe werden wir von ihnen als Menschenkind ange- sprochen, vor dem sie „fromm sich niederlassen“. Sie ver- trauen auf unsere Entwicklung zur „Krone der Schöpfung“.

Seite 82 Sie sind vollkommen, wir Menschen noch nicht. Es ist um- Menschen erwarten den Messias, wollen ihn zu ihrem König fassende Demut, welche Christian Morgenstern in diesem machen und sind enttäuscht, als Er dieses Ansinnen ablehnt. Gedicht ausdrücken will.Suchen wir die geschichtlichen Sein Reich ist nicht von dieser Welt, seine Mission ist eine an- Wurzeln der Demut, so stoßen wir auf Jesus Christus, als er dere. „An der Geschichte vom Einzug in Jerusalem erkennen seinen Jüngern vor dem Letzten Abendmahl die Füße ge- wir das Unzulängliche aller ekstatischen Zustände. Alle bloß waschen hat. ekstatische Begeisterung kommt daher, dass der Mensch nur Lukas 18,4: „Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird ernied- der Natur folgt. Es ist gut, dass wir Freude und Begeisterung rigt werden. Doch wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht erleben können, wenn die Bilder der Frühlingsnatur in uns werden.“ eindringen, wenn wir mit Kindern zusammen sind, wenn „In der christlichen Einweihungsschulung (…) hat man sich das Wunder der Jugend und Liebe uns begegnet. Gewiss, gesagt: Es geht vor allem darum, Dankbarkeit und innere Zu- diese natürliche Begeisterung wollen wir nicht missen. Wir gewandtheit demgegenüber auszubilden, was unter einem müssen nur wissen und erkennen, dass es eine Gefahr für ist. Wie Christus sich verhalten hat zu den Jüngern, die von uns bedeutet, dies schon für das eigentliche Leben zu hal- ihrer Entwicklung her unendlich unter ihm standen, denen ten. Die natürliche Begeisterung stammt eigentlich aus dem er aber gedient hat in Demut, so soll der Mensch sich ge- bloß leiblichen Menschen. Sie flammt nur momentan ein- genüber der Natur und ihren einzelnen Reichen verhalten. mal zum Geist empor. Die wahre Begeisterung, die bei dem Man wusste, dass man sich nur hinaufentwickeln konnte zu „Hosianna“ bleibt und nicht in das „Kreuzige Ihn“ umschlägt, dem, was man als Mensch geworden war, weil man die Na- bildet sich nicht von unten nach oben, sondern von oben tur aus sich herausgesetzt, weil man sie gleichsam als Leiter nach unten, wenn Geistiges im Menschen Wurzel schlägt, gebraucht hatte – das Mineralreich, das Pflanzenreich, das wenn der Funke des Geistes sich irdisch verwirklicht und Tierreich als Stufen einer Leiter, auf der man sich hinaufent- inkarniert.“2 wickelte. Und das Sich-Hinunterbeugen in Demut war die Am Karmontag - dem Mondentag - verflucht Jesus Christus gerecht ausgleichende Bewegung für diesen Tatbestand der den Feigenbaum, der daraufhin verdorrt. Ein Gleichnis dafür, Evolution. Wir können aus dieser Richtung her sagen: Die dass sich von nun an bewusste Kräfte, Sonnenkräfte, gegen- Demut, demgegenüber, was unter ihm ist, ermöglicht dem über den unbewussten durchsetzen. In der „Zauberflöte“ Menschen, in der richtigen Weise sich wieder einzupassen singt der Eingeweihte Sarastro: Die Strahlen der Sonne ver- in den Kosmos und das, was er durch seine Selbstüberhe- treiben die Nacht.“ Bewusstseinslicht vertreibt die Finsternis. bung, durch seinen Hochmut, wie es ja in der Bibel heißt, Vieles Traditionelle, was veraltet und entartet ist, kann sich verloren hat, auszugleichen, wieder ins Lot zu bringen.“1 nicht mehr halten. Dienstag ist der Tag der Woche, an dem die Kraft des Die Karwoche Mars erlebbar ist. Der rote Planet wurde als Symbol für den Am Palmsonntag zieht Jesus Christus mit seinen Jüngern in Kriegsgott verehrt. Am Kardienstag hat Jesus Christus die Jerusalem ein und viel Volk kommt ihnen mit Freude und Kaufleute und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben „Hosianna“ rufend entgegen; nach altem Brauch der Son- und die Hohepriester und Schriftgelehrten, die listig ihre Fra- nenfeiern zum Frühlingsanfang Palmzweige wedelnd. Die gen stellten, mittels mächtiger Bilder in seinen Gleichnissen

1 Lin, Jean-Claude (Hrsg.): Die Tugenden im Jahreslauf; 2 Bock, Emil: „Die drei Jahre“, Verlag Urachhaus, Stuttgart, S.327 Wandlungskräfte der Seele , Verlag Urachhaus

Seite 83 entlarvt. Am Abend konnte er seinen Jüngern große apo- geistesgegenwärtig genug, das aus der Ewigkeit Kommende kalyptische Perspektiven und die intimsten Gleichnisse von hereinzunehmen in unsere Gegenwart? seiner Wiederkunft mitteilen. Der Mittwoch ist von den Kräften des Merkur beeinflusst. Betrachtungen zur Johannizeit als Fest der Sonne und Als kluger und redegewandter Götterbote wurde er auch des Lichtes von den Händlern und Dieben zu ihrem Gott ernannt. Ma- Wenn wir die Erde als lebenden Organismus betrachten, be- ria Magdalena, im Lukasevangelium als große Sünderin be- obachten wir das Sprießen der grünen Pflanzen als das Bild zeichnet, hat die Füße Jesu mit kostbarem Nardenöl gesalbt des lebendig Seelischen, das im Frühling aus dem Erdinne- und mit ihren Haaren getrocknet. Durch die Begegnung mit ren hervorquillt, mächtig angezogen durch Licht und Wärme dem Herrn hat sie ihre Unruhe, ihre abirrenden Liebeskräfte der Sonne. Das Leben tritt tausendfältig in Erscheinung. In verinnerlichen und in Andacht und sakramentale Opferfä- Blüten- und Blätterformen und im Sechseck der Bienenwa- higkeit verwandeln können. Er hat das Opfer angenommen. ben finden wir, je mehr sie uns innerlich berühren, umso ge- Judas dagegen konnte diese Handlung nicht gutheißen. nauer das Harmoniegesetz des Goldenen Schnittes verwirk- Der Donnerstag ist dem Jupiter geweiht, dem Gott der licht. Wie erfreut uns die Farbenpracht der Blumen und wie Weisheit. Das Letzte Abendmahl findet statt. Das Osterlamm tief berührt uns die Gewalt der Entladung eines Gewitters. wird gegessen. Jesus Christus wäscht den Jüngern die Füße, Blitz und Donner lassen uns erschauern, und wie wohltuend wandelt Brot und Wein und verabschiedet sich von seinen erleben wir die gereinigte Atmosphäre. Kindlich staunend Jüngern in Bildern und Worten, die Seine gesamte Lehre zu- und demütig dankbar stehen wir vor der beeindruckenden sammenfassen: „Ein neues Gebot gebe Ich euch, dass ihr Erscheinung des Regenbogens. Durch seine Farbenpracht euch untereinander liebet.“ hindurch erfühlen wir das Schaffen jener Mächte, die das Am Karfreitag, dem Tag der Venus, stirbt Jesus Christus elementare Leben während des Ausatmens der Erdenseele den Liebesopfertod am Kreuz. Die Elemente toben: Finster- in zauberhafter Weise in Erscheinung treten lassen. nis am helllichten Tag, Sandstürme, die Erde bebt, dass die Nach der Sommersonnenwende, die mit Tanz und Feuern Kriegsknechte beim Kreuz sagen: „Dieser war wirklich Gottes auf den Bergeshöhen gefeiert wird, beginnt der Sommer, als Sohn!“ Der Vorhang im Tempel zerreißt; ab jetzt ist das Al- die Zeit des Fruchtbereitens. Dann beginnt die Erde wie- lerheiligste für alles Volk sichtbar! der einzuatmen, die Früchte reifen, das Erschienene wird Am Saturntag ist Grabesruhe. Die Höllenfahrt Christi bringt fester, Zweige verholzen. Wir müssen im Sommer fleißig jä- den wartenden Seelen Leben. ten, dürfen unsere edlen Früchte nicht verunkrauten lassen. Am Ostersonntag ist Maria Magdalena die erste, die den Strengen Blickes sortieren wir, was wir gedeihen lassen und Auferstandenen schaut. Christus hat die Erde nicht verlas- was nicht. Wir jäten, sagen Ja zu unserer „Kulturpflanze“. sen, sondern gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans So haben wir im Sommer, wenn wir mehr der Natur hin- Ende der Zeiten.“ Und: „Wenn zwei oder drei in meinem gegeben sind, auch in uns zu jäten, d.h. besonders darauf Namen beieinander sind, bin ich mitten unter ihnen. „Diese zu achten, was oder wem wir in uns Raum geben, welche Kraft ist heute für alle Menschen erfahrbar, welcher Religi- Gedanken und Gefühle, welche Gewohnheiten wollen wir on sie auch angehören.“ Sind wir offen dafür? Geben wir hegen und pflegen, welche ausmerzen? So kultivieren wir dem, was kommen will, genügend Raum in uns? Sind wir unseren Innenraum.

Seite 84 Kultur entsteht aus menschlicher Gestaltungskraft; der Vorträgen die Verbindung des Menschen mit den geistigen Mensch ordnet die wachsende Natur im Außen zur Kultur- Hierarchien dargestellt. Aus seinem Vortrag vom 9. Oktober landschaft und in seinem Inneren in Selbsterziehung zu fei- 1918 „Was tut der Engel in unserem Astralleib?“ gehalten in ner Gewissensbildung. Ich gebe mir eine Richtung. So kann Zürich, entnehmen wir Hinweise, welche uns Lebensorien- das Johannifest unsere Bewusstseins-Flamme verstärken, mit tierung werden können. Der Engel webt Bilder in unseren der wir Natur in und um uns in Kultur verwandeln. Astralleib, die uns zu bestimmten Haltungen verhelfen, in Das Johannifest feiern wir am 24. Juni, wenn die Sonne ihren uns Zukunftsideale auslösen wollen: Höchststand bereits verlassen hat und die Tage wieder kür- Für unser Handeln: Mich selbst dahin entwickeln, dass ich zer werden, also die Erde ihre Ausatmung abgeschlossen nicht glücklich sein kann, wenn andere unglücklich sind: Ziel hat, ihre Seele den größten Raum einnimmt. Als Johannizeit ist Brüderlichkeit! „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. bezeichnen wir die vier Wochen danach. Für unser Fühlen: Jeder wird in Zukunft im anderen ein ver- Johannes der Täufer wird im Evangelium so beschrieben: borgenes Göttliches sehen. Es zu suchen, ist unsere Aufga- „Es gibt keinen unter denen, die vom Weibe geboren sind, be; auch Mitgefühl zu entwickeln und Mitfreude am Erfolg der größer wäre als er.“ des anderen zu empfinden. Ziel ist, liebefähig zu werden! beschreibt in seinem Buch „Der Kreis der Jahres- Für unser Denken und eine Orientierung an der Wahr- feste“, dass sich seine Größe nicht auf den Körper bezog, heit: Durch Denken zum Erleben des Geistigen kommen. sondern als seelische Größe zu verstehen ist. Deshalb wur- Sachlichkeit statt Sympathie und Antipathie. Selbstüberwin- de er oft mit Flügeln dargestellt. Johannes war Vorverkünder dung als innere Tat. und der Wegbereiter des Christus und hat auf diesen hin- Wie uns zu Pfingsten die Flamme des höheren Ich berührt weisend gesagt: „Er muss wachsen, ich muss abnehmen“. hat, können wir uns mit Johanni zur Engelstufe erheben und In diesem Wort kommt seine Größe in der Demutshaltung, in mithelfen, dass die Bilder, die unser Engel in unserem Astral- der Verzichtsgebärde voll zum Ausdruck. Er ist der größte leib webt, Wirklichkeit werden. Diener des Geistes, er hat als Mensch sein Leben dem Kom- Im Jahreskreislauf steht dem Osterfest im Frühling das menden geopfert. Deshalb kann er ein Führer der ganzen Herbstfest Michaeli am 29. September gegenüber. Zu Os- Menschheit sein. Als schützender Genius der Gemeinschaft tern feiern wir die Auferstehung Christi. Die sprießende, der Apostel wirkt er nach seinem Tod. Johannes der Täu- sprossende Natur macht es uns leicht, mit ihr mit aufzuerste- fer hat die Menschen während der Taufe im Jordan solange hen; mit den Pflanzen zu wachsen und mit den Blumen zu unter Wasser gehalten, bis sich die Seele des Täuflings vom blühen. Die Erde atmet geistig aus und auch wir folgen mit Körper löste und er eine Todeserfahrung machte. Nur die- unserer Seele innerlich nach und sind im Hochsommer der jenigen Menschen ließen sich von ihm taufen, die sich an äußeren Natur hingegeben. seiner Persönlichkeit orientierten, die seine Geistesgröße er- kannten und für sich eine geistige Ausrichtung ihres Lebens Michaeli anstrebten. Wir wissen heute durch die Beschreibungen von Im Sommerfeuer verholzen die Triebe und reifen die Früch- Menschen, die eine Nahtod-Erfahrung hatten, dass dieses te. Im milden Verbrennungsvorgang trennen sie sich in Wär- einschneidende Erlebnis ihrem weiteren Leben eine Wende me, Licht und Luft, in die Früchte, Samen und Blätter und gab. Rudolf Steiner hat in seinen Schriften und in zahlreichen fallen herab. Dieses Heraus- und Herunterfallen der „Herbst-

Seite 85 Aschen-Früchte“ - wird von Walther Cloos als Grundwesens- der Früchte ab. Denken wir an das Fruchtfleisch der Äpfel, zug des Herbstes bezeichnet. Er schreibt: „Während jener Birnen oder Pfirsiche. Dieses brauchen die Bäume nicht Zeit des Reifens durchdringen sich besonders Samen für ihr Weiterleben. Die Natur bereitet es uns zur Nahrung! und Früchte bis in ihre Mehl- und Eiweiß-Bestandteile Die herrlichen Früchte dürfen wir als Geschenk entgegen- hinein mit Kalk, Magnesium, Kieselsäure, Phosphor, Eisen nehmen. Besonders an diese Geste des Schenkens denkt und anderen Stoffen. (…) diese Stoffe stehen in enger wahrscheinlich Friedrich Schiller, wenn er schreibt: „Willst organischer Verbindung mit der Stärke und dem Eiweiß. du das Höchste, das Beste, die Pflanze kann es dich leh- Sie sind keine Salze im gewöhnlichen Sinne, sondern ren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend! Das ist´s!“ Ru- lebendiger Bestandteil des Ganzen. Wären sie nicht im dolf Steiner fordert den Menschen auf, die Jahreszeiten Samen, so könnte im Frühling keine neue Pflanze aus ihm intensiv zu erleben und mitzufühlen. Im Frühling soll er keimen. (…) Das „Aschewerden“ des Herbstes im Reifen an der sprießenden, sprossenden Natur Bewusstsein für der Samen und Früchte, im Vergilben des Laubes, geht sie entwickeln. Aber im Herbst darf er sich vom Welken nicht so weit, wie eine wirkliche Verbrennung. Das Som- und Absterben nicht überwältigen lassen, sondern jetzt merfeuer ist ja auch kein wirkliches Feuer. Im lebendigen muss seine innere Lebenskraft erwachen. Das Miterleben Geschehen der Natur wird nichts vollendet, sondern alles des Sterbens in der Natur „ist dann die Aufforderung, in nur bis zu einem bestimmten Punkt gesteigert, um dann seinem Inneren die Schaffenskräfte seines Wesens diesem weitergereicht zu werden in das fernere Geschehen des Sterben entgegenzustellen. Dann sprießt und sprosst das Lebens. Das Wesen des Lebens besteht gerade darin, Geistig-Seelische, das eigentliche Selbstbewusstsein in dass es nichts vollendet, sondern das Gereifte wieder- ihm auf.“ 4 um den Kräften der Erde und des Himmels anvertraut, um Erkenntnismut und aktiver innerer Wille sind nötig, um hin- es verwandelt neu erstehen zu lassen. Wirkliche Vollen- ter dem sichtbaren, äußeren Absterben, wenn die Blätter dung gibt es nicht, sie wäre gleichbedeutend mit dem fallen und die Pflanzengestalt vertrocknet, das Freiwer- absoluten Tod. (...) In diesem Sich-Berühren-Lassen von den der Elementarwesen und die Verwandlung des Le- Leben und Sterben in der Herbsteszeit, einer Berührung, bendigen in neue Formen zu entdecken. Sie sind ja da in die das Leben dämpft und den Tod überwindet, entsteht Knospen und Samen. Der Humus aus dem abgefallenen eine Mitte zwischen Leben und Sterben - die Kraft des Laub ist die Grundlage für das neue Leben der Pflanzen Reifens. Sie ist zugleich die Kraft der Erneuerung, weil im Frühling. Bewusstheit und innere Anstrengung ist von alles wirklich Gereifte ruhig der äußeren Vernichtung an- uns jetzt gefordert. Schaffen wir es, dieses innere Licht heimfallen kann, es trägt die Früchte des Lebens und des anzuzünden, muss es keine Herbstdepression geben. Todes in sich.“3 Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie hat die- se geistige Kraft jedem Menschen zugetraut und sie die So verstehen wir das Reifwerden als ein Zur-Ruhe-Kom- „Trotzmacht des Geistes“ genannt. men, ein Innehalten des äußeren Wachstums. In diesem Rudolf Steiner sagt über den Sulphurisierungsprozess im Innehalten entdecken wir die zweite Phase des Reifens. Hochsommer und die heilende Wirkung des Eisens in Die Verwandlungsprozesse spielen sich nun im Inneren den Meteorsteinen: „Und wie die Götter mit ihren Mete-

3 Cloos, Walter: Das Jahr der Erde, Urachhaus, Stuttgart 4 Steiner, Rudolf: Der Seelenkalender

Seite 86 orsteinen den Geist bekämpfen, der Furcht über die gan- Dem Gedicht von ist nichts ze Erde durch seine Schlangengestalt ausstrahlen möch- mehr hinzuzufügen: te, indem sie das Eisen in diese Furchtatmosphäre hinein- strahlen lassen, die am intensivsten ist , wenn der Herbst Von drüben tönt ein Ruf zu mir: herannaht, oder wenn der Hochsommer zu Ende geht, Dem Feind der Liebe und des Lichts so geschieht dasselbe, was die Götter tun, im Innern des ins Auge schauen! Weiter nichts Menschen, indem das Blut mit Eisen durchsetzt wird. Alle verlangt der Engel jetzt von dir! diese Dinge erkennt man erst, wenn man ihre innere geis- Nur dass du wie ein Spiegel wirst, tige Bedeutung auf der einen Seite versteht, und wenn worin der Dämon sich erkennt, man auf der anderen Seite den Zusammenhang desjeni- in deiner Läuterung verbrennt, gen erkennt, was Schwefelbildung im Menschen ist, was das Böse in sich selbst zerbirst. Eisenbildung im Menschen ist, mit dem, was im Kosmos Der Herr des Schicksals fordert nicht, vorhanden ist. Während das Phantom des Schwefels wie dass du die Hand als Richter hebst, ziehende Wolken von dem Unteren des Menschen hinauf nur dass du in der Wahrheit lebst: nach dem Kopfe geht, strahlt von diesem gerade aus die Der Geist ist selber das Gericht. Eisenbildung, wie Meteorschwärme sich hinübergießend in das lebendige Dasein des Blutes. So ist der Mensch, Weihnachtsbetrachtung wenn die Michaelizeit heranrückt. Und er muss in seinem Was passiert in der sogenannten Winterruhe? Wir sind in un- Bewusstsein gebrauchen lernen die Meteoritenkraft sei- serer Jahreslaufbetrachtung in der Zeit, die dem Herbst, wo nes Blutes. Er muss das Michaelfest feiern lernen, indem die Mutterpflanze verwelkt und ihr Leben quasi in den Punkt er es gerade zu einem Entängstigungsfeste, zu einem des Samens oder in die Knospen zusammengezogen hat, Furchtlosigkeitsfeste, zu einem Fest innerer Initiative und folgt. Nach dem Todesmonat November hat die Erde einge- innerer Kraft gestaltet, indem er das Michaelfest zu dem atmet und alle Wesen warten gespannt und hellwach auf die Feste der Erinnerung des selbstlosen Selbstbewusstseins Ankunft des geistigen Lebens (Advent). Eine Befruchtung mit gestaltet.“ 5 dem neuen Leben aus himmlischen Höhen findet statt. Für die Das Bild des Erzengels Michael, der mit dem Eisen- Pflanzen ist die Erde die Mutter und der Kosmos der Vater. schwert den Drachen bekämpft, zeigt diesen geistigen Vorgang im Makrokosmos und im Mikrokosmos Mensch. Walther Cloos beschreibt diesen Vorgang so:6 Diese innere Freiheit und Initiativkraft gibt uns der Erzen- „Nun wird aber dieser „Punkt“ des Samens in die Oberflä- gel durch Stärkung des inneren Willens in unserem geis- che der Erde eingesenkt, in die Oberfläche einer Kugel, tigen Wesen, wenn wir uns mit ihm verbinden. Michael die ihre Gestalt dem Umkreis der Erde, dem Himmelsraum, wird als Antlitz des Christus, als Führer aller Hierarchien, verdankt. Dieses Einsenken in die Erde ist der Moment, wo als der jetzige Zeitgeist beschrieben. Sein Name ist eine der Same in eine reale, aber mit den Augen nicht sichtbare Frage: „Wer wie Gott?“ Beziehung zu dem gesamten Umkreis tritt. Diese Beziehung wird vermittelt durch das Wasser, die Feuchtigkeit der Erde, 5 Steiner, Rudolf: Das Miterleben des Jahreslaufes in vier kosmischen Imaginationen, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 6 Cloos, Walther: Das Jahr der Erde

Seite 87 die den Samen umgibt. Durch diese Beziehung, in der das Erleben der seelischen Qualitäten zu lenken. Die Nachtseite Leben der Pflanze sich nun nicht in einer wachsenden Ge- des Jahres ist die Zeit des Innehaltens, des Aufmerksam- stalt äußert, sondern gewissermaßen aus dem Umkreis auf- Werdens auf das Licht, das nicht von dieser Welt ist. Sie ist weckend herankommt, tritt für den Samen etwas Ähnliches die Zeit der Stille, des Sich-Öffnens und Lauschens. Zu viele ein wie ein Erwachen und Wahrnehmen des auf ihn einwir- Worte decken das Wesentliche zu. Nach dem Innehalten, kenden Umkreises. Dieser unsichtbare, aber reale Vorgang das eine freiwillige Bewegung nach innen ist, kann ein Raum ist etwas, dass sich vom Herbst bis gegen die Weihnachts- für Neues in mir entstanden sein. Welchen Gedanken, wel- zeit hin außerordentlich steigert und in der Zeit der heiligen chen Gefühlen gebe ich Raum? Lasse ich mich geistig be- zwölf Nächte seinen Höhepunkt erreicht. fruchten oder habe ich meinen eigenen Plan? Das Wesent- liche ist durch intellektuelles Wissen nicht zu finden. „Das Es wächst viel Brot in der Winternacht Wesentliche ist für das Auge unsichtbar!“ lässt Antoine de Es wächst viel Brot in der Winternacht, Saint Exupery den Kleinen Prinzen sagen: „Man sieht nur mit weil unter dem Schnee frisch grünet Saat. dem Herzen gut!“ Das Ich, das der Welt im Alltagsbewusst- Erst wenn im Lenze die Sonne lacht, sein gegenübersteht, kann das Christliche Licht nicht sehen. spürst du, was Gutes der Winter tat. Jacques Lusseyran, der als 8jähriger Bub erblindete, sprach Und deucht die Welt dir öd und leer´, und schrieb in zahlreichen Büchern über sein Sehen ohne und sind die Tage dir rauh und schwer: physische Augen: „Der Ursprung des Lichts ist nicht in der Sei still und habe des Wandels acht: äußeren Welt. Wir glauben das nur auf Grund einer gemein- Es wächst viel Brot in der Winternacht. samen Illusion. Das Licht ist da, wo auch das Leben ist: Im Inneren unserer selbst.“ 7 Was will uns der Dichter Friedrich Wilhelm Weber damit Dann, wenn alle äußerlich sichtbare Aktivität ruht, ist die sagen? Für unser Alltagsbewusstsein ist doch klar, dass geistige Präsenz am stärksten. Deshalb auch der Aufruf zum das Getreide für unser Brot im Frühling, wie alle Pflanzen, Innehalten, zum Lauschen, Wahrnehmen und Offen-Sein für wächst und im Sommer reif wird! Warum spricht er von den „ewig Ankommenden“. Das ist die Zeit der geistigen Winternacht? Im Unterschied zum Tag, den wir wach und Befruchtung der Erde. aktiv erleben, sind wir in der Nachtruhe nahe unserer Quelle und können uns so regenerieren. In der Nacht stehen wir uns selbst gegenüber und ernten die Früchte des vergangenen Tages. Aus dieser Selbsterkenntnis folgt Selbsterneuerung. So ist der Tag aus dem Höheren, Unsichtbaren geboren, ist eine Folge der Nacht! Wir erleben die Zeit der 12 heiligen Nächte als einen be- sonderen Zeitraum, in dem sich das ganze folgende Jahr spiegelt. Die jeweilige Tagesqualität entspricht der eines Monats und hängt mit den entsprechenden Tierkreisbildern zusammen. Es lohnt sich, die Aufmerksamkeit auf das innere 7 Lusseyran, Jacques: Blindheit - ein neues Sehen der Welt. Der Blinde in der Gesellschaft, 2 Vorträge, Stuttgart 1970

Seite 88 Potenzieren und Dynamisieren

Dr. Anton Rohrer und Barbara Scherbaum

Dr. Anton Rohrer D- Potenzen (Dezimal) Über das Potenzieren in der Homöopathie Die deutschen Schüler Hahnemanns haben in den 1830er Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, Jahren die Dezimalpotenzen eingeführt. hatte erkannt, dass eine starke Dosis eines Arzneimittels zu Das Prinzip ist dasselbe wie bei den Centesimal-Potenzen. Verschlimmerungen führen kann. Deshalb begann er diese zu verdünnen. Hahnemann war Chemiker und wandte die 1 Teil Urtinktur (meist ein Alkoholauszug) + 10 Teile Lösungs-

Verdünnungspraxis der Chemie an: mittel (Wasser) = D1

Verschütteln

Die schrittweise Verdünnung. 1 Teil von der gewonnenen D1 Potenz + 10 Teile Lösungs-

Erst 1828 hat er diese Verdünnungspraxis Potenzieren ge- mittel = D2 nannt. Darunter versteht man in der Homöopathie Prozesse Verschütteln des Verdünnens und Vermischens. Hahnemann hat die 1 Teil von der D2 Potenz + 10 Teile Lösungsmittel = D3 …… Arznei in Schritten von 1:100 verdünnt. Wir kennen in der Verschütteln

Homöopathie drei verschiedene Potenzen: Für die D-Potenzen gilt, dass ab der D23 kein Stoffmolekül mehr nachweisbar ist. C – Potenzen (Centesimal) 1 Teil Urtinktur (meist eine Alkoholauszug) + 100 Teile Lö- LM – Potenzen sungsmittel (Wasser) = C1 … In seiner letzten Lebensphase hat Hahnemann eingeführt, Verschütteln was wir heute als LM Potenzen bezeichnen. L für 50 und M

1 Teil von der gewonnenen C1 Potenz + 100 Teile Lösungsmittel = C2 … für 1000. Aber eigentlich ist LM falsch, denn LM heißt 950; Verschütteln und deshalb verwende ich Q für diese Potenzen, denn Q

1 Teil von der C2 Potenz + 100 Teile Lösungsmittel = C3 …… steht im Lateinischen für 50.000 (quinquagintamillesimal). Verschütteln Hier ist der Verdünnungsschritt 1:50000.

Hahnemann hat hauptsächlich mit C30 gearbeitet. Dazu muss Ein Tropfen Urtinktur wird aufgetropft auf 500 Kugerl und man wissen, dass ab der C10 physikalisch kein Stoffmolekül dann potenziert man mit einem Kugerl weiter und man mehr nachweisbar ist. kommt dann rechnerisch auf 50.000.

Seite 89 Frage: Worin liegt Ihrer Meinung die Wirkung? Wasser. Das heißt, man muss jetzt anfangen zu rühren, und Antwort: Hahnemann selbst gesagt, dass die Wirkung eine zwar so zu rühren, dass man schnell rührt am Rande des physikalische sein muss, weil nämlich durch Erhitzung über Eimers, an der Peripherie herumrührt, so dass sich im Innern 40° die Wirkung verloren geht. Es ist also keine chemische fast bis zum Boden herunter ein Krater bildet, so das Ganze Wirkung, keine reine Gedankenübertragung. in der Tat rundherum durch Drehung in Rotierung ist. Dann Nach meinem Dafürhalten liegt die Wirkung in der Struktur dreht man schnell um, so dass das Ganze nun nach der ent- des Wassers. gegengesetzten Seite brodelt. Wenn man das eine Stunde fortsetzt, so bekommt man eine gründliche Durchdringung.“ Mit jedem Verdünnungsschritt wird die Lösung ver- Solcherart werden in der biologisch-dynamischen Land- schüttelt. wirtschaft das Hornmist-, das Hornkiesel- und das Fladen- Die Verschüttelung ist eine kräftige Durchmischung, indem präparat gerührt. man das Gefäß mit der Hand hält und kräftig gegen einen harten, elastischen Gegenstand schlägt. Z.B. ein dickes Buch Maga. Barbara Scherbaum oder ein mit Leder überzogenes Holzstück. Verfahren aus der anthroposophischen Heilmittel- Verschüttelung durch Stoßen gegen eine harte Unter- Herstellung lage Mit ihnen wollte ich mich - und damit den Erfahrungs- Für die Verschüttelung hat Hahnemann selbst kein standar- schatz der Homöopathen ergänzend - in differenzierter disiertes Verfahren angegeben. Er hat aber ständig Versuche Weise auf die Polaritäten dieser Welt einlassen, die Welten- darüber angestellt, wo oft man bei jedem Verdünnungs- gesten, denen wir in Vielfalt täglich begegnen. schritt schütteln soll. Mit ihnen wollte ich mich diesen Gesten annähern, die in Mensch, Tier und Pflanze, in der ganzen Natur ineinan- Verschüttelungs-Verfahren: der wirken: Winter- und Sommerkräfte, Gestaltungs- und Frage: Macht es einen Unterschied ob die Arznei hand- Wachstums-kräfte, Verfestigungskräfte im pflanzlichen verschüttelt oder maschinell hergestellt worden ist? Wurzelprozess/im menschlichen Sinnes-Nervenprozess Antwort: In der klinischen Erfahrung ist nach meiner Ansicht und ein Sich-Öffnen, Sich-Verströmen im pflanzlichen in der Wirkung nicht zu unterscheiden, ob die Verschütte- Blütenprozess und im menschlichen Stoffwechselprozess. lung per Hand oder per Maschine durchgeführt wird. Gesten von Sich-Binden und Sich-Lösen im lebendigen Wechsel, von Ein- und Ausatmen, Gesten von Chaos und Über das Dynamisieren in der biologisch-dynamischen Neubeginn, Verwelken und Samenbildung, Tod und Ge- Landwirtschaft burt. Substanz erscheint eng verwoben mit Lebendigem, Originalanweisung aus dem Landwirtschaftlichen Kurs (4. Seelischem, Geistigem. Vortrag - Kräfte und Substanzen, die in das Geistige herein- Im Vergleich wollte ich mich mit Ihnen Gesten annähern, gehen: wie sie uns in Prozessen, entgegentreten: Lösen mit oder ohne Wärme/Kristallisation, Destillieren/Kondensieren, Rös- „Dann hat man nötig, diesen ganzen Inhalt des Kuhhorns ten/Verkohlen/Veraschen, Verreiben, Vergären, Prozesse aber in eine gründliche Verbindung zu bringen mit dem vielleicht begleitet von Licht/Dunkel, von Ruhe/Bewegung,

Seite 90 von Kälte/Wärme. Hier entscheidet der Mensch über den Die Frage, was da einander innig durchdringen möge, wie Faktor Zeit, er entscheidet, was, wie viel und wie und wo viel Wägbares/Unwägbares, wie viel Materie/Geist, die bearbeitet wird. Potenzieren ist das stufenweise Verdün- Frage, was mit Substanz passieren kann (die evolutionär nen nach vorgegebenem Verdünnungsverhältnis, trägt also wohl durch Verdichtung und Erstarrung aus einem Wärme- Rhythmus in sich. Ich wollte mich mit Ihnen Gesten annä- zustand entstanden ist), die entscheidende Frage nach der hern, die - in veränderterWeise - in der Heilmittelherstel- eingebrachten und erzielten verwandelnden Kraft ist dem lung bekannt sind und Sie bei der Wahrnehmung von ener- Menschen mit auf den Weg gegeben. gischem Schlagen, von Trichter-und Lemniskatenbildung begleiten. Geschehen Veränderungen der Lichtqualität im Flüssigen?

Trichterbildung Lemniskaten-Bildung

Seite 91 Diese Zusammenfassung ist ein Ausschnitt aus einem Vor- trag, welcher am 8./9./10.12.2011 im Rahmen der Veran- staltungsreihe „Weiterbildung für praktizierende Biodyna- mikerInnen“ in St. Pölten, Wurzerhof und Maribor und am gehalten und von Waltraud Neuper transkribiert wurde.

Seite 92 Heilungsmöglichkeiten der Bodenprozesse in der bio-dynamischen Landwirtschaft

Johannes Fetscher

Das Thema „Heilungsmöglichkeiten über Bodenprozesse in Chemische Reize – Laugen, Säuren, Giftstoffe. der biologisch-dynamischen Landwirtschaft“ wird von mir Biologische Reize – Bakterien, Viren, Pilze, die den Körper jetzt aus der Sicht eines Boden-Interessierten behandelt, befallen. und ich werde mich an den Rat Rudolf Steiners halten, der Dynamische Reize – Konstellationen, Luftdruckschwan- empfiehlt, Landwirtschaft immer am Bild des Menschen zu kung, elektromagnetische Strahlen orientieren. Wir begegnen den beiden Prozessen – Verhär- Geistige Reize – Seelische Freuden und Probleme, fixe tung und Entzündung - im menschlichen Leben in der fol- Ideen. genden Weise: Alle Reize können zu Entzündungen führen.

Verhärtung Verlauf einer Entzündung beim Menschen am Beispiel: Wenn wir geboren werden sind wir noch ganz weich, über- „Prellung“: haupt nicht verhärtet. Mit zunehmender Entwicklung wird Es entsteht ein Blutstau; um diesen Stau aufzulösen, bringt nicht nur unser Knochengerüst immer härter. Am härtesten der Organismus Flüssigkeit an diese Stelle – das führt zur werden die Zähne. Die Verhärtung kann über das Stoffliche Schwellung. Mit der Schwellung kommen verschiedene hinausgehen, wenn wir im Denken verhärten und wir dann Blutkörperchen, auch Fresszellen, die sogenannten Phago- im Alter den Altersstarrsinn erleben. zyten. Diese haben die Aufgabe, die geschädigten und vom Leben verlassenen Zellen aufzulösen und zu verstoffwech- Entzündung: seln, damit sie beseitigt werden. Vorausgesetzt ist eine wei- Entzündung ist jeder, das physiologische Maß überschrei- se Reaktion der Adern. Die Venen verengen sich; dadurch tende Reiz. Dazu können wir überlegen, welche Arten von ist der Abfluss unterbrochen und die Arterien öffnen sich. Reizen hier gemeint sein könnten: Es bleibt genug Flüssigkeit erhalten, damit der Abbau und Physische Reize – Reibung, Druck, Verletzungen, Schläge, Umbau bis zum Aufbau vonstattengehen kann. Und dann Stöße, Quetschungen, Prellungen, innerlich können Fremd- werden die Venen geöffnet und die Arterien gehen zu, körper auftreten, wenn sich z. B. Schlacken lösen und quer damit die Schadstoffe abtransportiert werden können. Das stellen. Es gibt natürlich auch positive Reize wie Massagen, passiert mehrere Male. Je nachdem, wie stark die Prellung Schröpfen, Nadeln… ist, kann dieser Prozess lokal bleiben oder den ganzen

Seite 93 Organismus betreffen. Dann stellt sich Fieber ein. Mit der Stellen eine sehr dünne Haut. Es ist das Wesen der Haut, Schwellung erhöht sich auch die Durchlässigkeit der Mem- etwas abzuschließen, zu schützen. Der Boden, als obers- branen; Eiweißstoffe und größere Zellen können austreten. te Schicht, umschließt die Gesteinsunterlage, welche nach Alles wird durchlässig bis in die äußeren Schichten. Wir ken- Rudolf Steiner Einfluss hat auf die Qualität unserer Nahrungs- nen das bei Schürfungen, wenn diese zu nässen beginnen. mittel. Das wiederum hängt zusammen mit dem Einfluss der Die Entzündung wird begleitet von einer Erwärmung – und Planeten. Alles Kieselige nimmt die Kräfte der obersonnigen immer, wenn eine solche auftritt, ist die Ich-Organisation Planeten auf (Mars, Jupiter, Saturn) und alles Kalkige im Bo- beim Menschen beteiligt, die den Auf- und Abbau steuert. den vermittelt die Kräfte der untersonnigen Planeten (Mond, Entzündung ist nicht immer gefährlich; jeder physiologische Merkur, Venus). Vorgang kann als eine Art Entzündung im Sinne von Aufbau Verstehen wir den Boden als Organ, dann können wir an - Abbau – Aufbau betrachtet werden. Leben und Wachstum ihm genau dieselben Vorgänge in Bezug auf Entzündung wird naturgemäß von Entzündung begleitet, wenn wir an beschreiben wie vorhin beim Menschen: das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System denken (Blähungen, Muskelkater) oder an den Blüh-Prozess bei Pflanzen. Mechanische Reize – Quetschungen, Prellungen etc.; die haben wir im Boden, wenn wir mit Maschinen darüberfah- Entzündung bedeutet Aufbau – Abbau – Aufbau ren. Auch die Pferde verdichten den Boden an der Stelle wo sie mit den Hufen auftreten; die Relation ist allerdings Wenn wir den Boden mit dem Menschen vergleichen eine andere. wollen, dann müssen wir bedenken, dass der Mensch ein Auch mit dem Pflug fügen wir dem Boden Quetschungen zu, geschlossenes und der Boden ein offenes System ist. Das und je schwerer die Maschine und je nasser der Boden, desto heißt, beim Menschen haben wir geschlossene Kreisläufe massiver die Quetschung – mit welchen Folgen? in Bezug auf die Gefäße. In Bezug auf Nahrungszufuhr und Wenn wir den Boden quetschen, verdichten wir ihn. Je öfter Ausscheidung oder Ein- und Ausatmung ist der Mensch ja man über dieselbe Stelle fährt, desto tiefer reicht die Verdich- auch ein offenes System. Die meiste Energie stammt in der tung. Zuerst haben wir es mit einer Vernässung und dann mit Landwirtschaft bekanntlich aus dem Kosmos. In der Land- einer Vertrocknung zu tun. An dieser verschmierten, vertrock- wirtschaft verkaufen wir ja immer auch vieles nach außen. neten Stelle kann in der Folge kein Wasser und keine Luft mehr Wir versuchen jedoch die biologisch-dynamischen Betriebe durch; der Boden kann nicht mehr atmen. möglichst geschlossen in ihren Dünge- und Futterkreisläufen Oder wenn wir zu tief geackert haben, bekommt der Boden zu halten. Darin unterscheidet sich das biodynamische vom „blaue Flecken“. Nur – die sehen wir nicht und darum be- chemischen Landbausystem wesentlich. achten wir sie auch zu wenig. Wir bemerken sie erst ein hal- Vergleichen wir den Boden in der Landwirtschaft mit dem bes Jahr später, wenn die Disteln, Quecken und der Ampfer menschlichen Organismus, dann spricht Steiner davon, kommen, die sogenannten Wurzelbeikräuter. dass der Boden das Zwerchfell der Landwirtschaft sei. Was geht bei dieser Verdichtung vor: Bei diesem Quetsch- Das Zwerchfell trennt also das Atmungssystem vom Stoff- prozess werden Mikroorganismen zerstört. Man denke, in wechselsystem. Von einer mehr äußeren Sicht her, wird der einem Kubikzentimeter Erde befinden sich mehr Keime und Boden als die Haut der Erde bezeichnet – an den meisten Einzeller als es Menschen auf der Erde gibt. Diese werden

Seite 94 zerquetscht, ihr Zellinhalt, ihr Plasma tritt aus und führt zu atmet Feuchtigkeit aus, und in diesem gelockerten Boden, einer Verschmierung der betroffenen Bodenstelle. Auch der dem Luftstrom, der von unten kommt, entgegensteht, Regenwürmer werden zerdrückt. All dies löst sich auf und taut sich die Feuchtigkeit an und das führt dazu, dass die- bildet einen Schleim; und diese Schleimschicht wirkt auf se gelockerte Schicht gar wird. Es fängt an zu rotten, Pilze Distel, Ampfer, Quecke und Co. stimulierend. Diese Pflan- entwickeln sich. Nach vierzehn Tagen fährt man noch einmal zen sind nicht autotroph - ernähren sich energetisch nicht mit dem gleichen Gerät hinein und geht ein paar Zentimeter nur von der Sonne sondern auch von vorbereiteter Nahrung. tiefer und es ist entscheidend, ob da schon garer Boden ist, Und dieser Leichenschleim der zerquetschten Organismen oder nicht. Das Wesentliche ist, dass man nie im unga- dient Disteln & Co als Nahrung. Außerdem bilden sie eine ren Boden arbeitet. Lebensgemeinschaft mit Pilzen, und diese holen sich dann von den Pflanzen die Assimilate, Zucker und Eiweiße; dafür Das ist das Wesen dieser Wirtschaftsweise, dass man nicht geben sie den Pflanzen, was sie an Mineralien gelöst haben. zu tief in die Erde hineinarbeitet. Früher konnte man mit den Diese Schleimstoffe werden also von der Distel wahrgenom- Pferden gar nicht so tief arbeiten. Wenn wir heute mit einem men, von ihren schlafenden Augen auf den Stolonen. Alle Sechs-Schar-Pflug in kürzester Zeit große Flächen umbauen, 10 – 20 cm finden wir auf diesen Stolonen ein Auge. Wenn kann es im ungünstigen Fall sein, dass wir dabei dem Boden kein Schleim im Boden vorhanden ist, dann schlafen sehr viel Schaden zugefügt haben, vor allem wenn wir bei diese Augen; sie haben keine Aufgabe. Wir sehen, zu feuchtem Wetter hineingefahren sind. Wir haben diese wenn wir eine Distelplage haben, dann ist sie hausgemacht. Schäden gesehen, als wir die Felder der Kolchosen in Lett- Diese Schleime wirken wie Kaffee auf diese Augen. Da hilft land besucht haben. Dort wurden tausende Hektar Land auf dann auch kein Stechen und Hauen. Wohlgemerkt, wir spre- die geschilderte Weise geackert – dort spricht man von der chen hier von Distel-Horsten. Ampfer und Quecke reagieren „Lettischen Baumwolle“ und meint die wolligen Samenbü- ähnlich, auch wenn sie anatomisch anders gebaut sind. In schel der Disteln. der Folge haben wir mit dem reichen Samensegen dieser Pflanzen zu tun. Jedes Bodenbearbeitungs-Gerät muss geeignet sein, Als Heilungsprozess gegen solche überbordende Bestände dem Boden zum Atmen zu verhelfen. hilft nur, dass wir eine krümelige Bodenstruktur entwickeln. Das geht aber nur, wenn wir Pilze im Boden haben und Luft Nach diesen Maßnahmen machen Sie die Spatenprobe. dazukommen kann. Wenn wir mit dem Pflug arbeiten, dann Wenn die obere Schicht von etwa 9 - 20cm gelockert ist, kann man durch den spitzen Winkel, den das Messer mit dann können Sie mit dem Schichtengrubber tiefer liegende dem Boden bildet, das Schneiden nicht vermeiden. Und Verdichtungen lockern, aber nur bei trockenem Boden! das ist das Schädliche. Es gibt jetzt schon andere Gerä- te, wie z.B. den Stoppelhobel, der den Boden aufreißt. Ein störungsfreies Profil ist die gute landwirtschaftli- Damit werden die Poren geöffnet, das wiederum verhilft che Praxis für gesunde Kulturpflanzen. dem Boden zu freiem Atmen - so kann Gare entstehen. In diesem Zustand lässt man den Boden 10 – 14 Tage ruhen. Wir müssen Sorge tragen, dass keine Schmierschicht ent- Um drei Uhr morgens beginnt der Boden auszuatmen, er steht, oder wenn sie entstanden ist, dass wir sie in der

Seite 95 oben beschrieben Weise wieder reduzieren; denn die Kul- Dynamische Reize – Konstellationen; der Vollmond wirkt turpflanze ist sonst stark beeinträchtigt. Die Verdichtungen ja nicht nur in den Meeren mit Ebbe und Flut, sondern auch führen zu schädlichen physiologischen Vorgängen und be- in unserem Boden; mit dem vollen Mond haben wir das auf- günstigen Pilzkrankheiten. Die Schleimstoffe sind die Folge steigende Wasser – und das ist auch im Boden der Fall, dass der Verdichtung und zeigen diese an. das Wasser vom Mond ergriffen wird und insofern müssen Mechanisch können wir den Disteln nur mit häufigem Mähen wir damit rechnen, dass davon Wirkungen ausgehen; und z.B. in einem 2-jährigen Kleegrasgemenge und mit systema- diese Wirkungen gehen bis in die Pflanze hinein. Es gibt tischem Gareaufbau entgegenwirken. Anregungen von Rudolf Steiner, wie man diese zu starken Monden-Wirkungen z.B. mit Schachtelhalmspritzungen un- Chemische Reize – Lösung und Ausfällung der Mineralien, terbinden kann. Soviel zur Entzündung im Boden, nun kom- bei Kalksteinen ist das der Kalk, der kann zu einem hohen men wir zur Verhärtung / Sklerose. pH-Wert führen und schädlich werden, indem er die Mine- ralstoffe festlegt, sodass sie nicht mehr verfügbar sind. Das Verhärtung / Sklerose führt dann in den Verhärtungsprozess. Während die Entzündung ein allgemeines Problem ist, das auch gemeinsame Ursachen hat, was man im Verlauf der Biologische Reize – Hier berühren wir die Sphäre der Mi- Entzündungserscheinungen gemeinsam beschreiben kann, krofauna und Mikroflora; das ist die Hauptwirkung in der Bo- zeigt sich Sklerose anders geartet. Die Sklerose tritt örtlich denbildung. Wenn wir Verdichtungen haben, dann führt das auf; Verhärtungen im Blut-Kreislauf-System, Verhärtungen in zu Fäulnis durch Luftmangel. Da ist es dann mitunter schon den Nerven, Verhärtungen in den Muskeln; wenn wir eine hilfreich, wenn ein Vogelschwarm kommt, die Erde ganz Verhärtung im Zentralnervensystem haben, dann leiden wir leicht aufkratzt, zur Atmung anregt und kleine Kothäufchen an multipler Sklerose. Im Boden gehen wir einmal davon hinterlässt. Hier können wir auch begreifen, wie wichtig Bäu- aus, dass Sklerose das Normale ist. Denn der Boden entsteht me und Hecken in der Landschaft sind, welche diese Vögel aus sklerotisierten Steinen. z. B. Magmagestein, oder Sedi- beheimaten und nebenbei erwähnt, auch noch das Seeli- mentgestein. Die Asche von vulkanischen Böden kann man sche aus dem Kosmos einsammeln. Die Vögel und Insekten relativ schnell kultivieren; auch die Verwendung von Basalt- haben die Aufgabe, diese Astralität, Seelenhaftigkeit, in der mehl geht; aber das ehemals flüssige Magma ist sehr schwer Landschaft zu verteilen. Landschaften ohne Bäume sind ent- zu kultivieren, denn es ist als flüssiger Stein wie Glas. Die seelte Landschaften. Ascheböden von Vulkanen können aufgrund ihres hohen Von der Pflanzenseite her kann uns die Kamille lehren, wie Mineralstoff-Gehaltes sehr fruchtbar werden. Bodenstruktur entsteht. Mit ihrem reichen, feinen Wurzel- Das Ergebnis von Sklerose ist die Grundlage unserer Böden. werk bereitet sie eine hervorragende Bodenstruktur; sie ist Betrachten wir Kalkböden, welche wasserlöslich sind, da- eine Bodenstruktur-Heilpflanze. Nur leider ist sie sehr lästig, durch viele Poren haben, durch die das Wasser ablaufen wenn sie dort wächst, wo wir Möhren bauen wollen. Aber kann; sie haben einen hohen pH-Wert und das ist für die als Präparat wirkt sie wie der Kalk: brückenbauend und da- Krümelbildung günstig. Kalk kann Brücken bauen und ist des- mit strukturbildend. das Kamillenpräparat hat die Aufgabe, halb ein guter Bodenbildner, aber der durch ihn verursachte den Kalk zu beleben. hohe pH-Wert ist ungünstig, denn er legt die Mineralstof-

Seite 96 fe fest. Diese Festlegung ist auch ein Ausdruck von Sklero- Wurzeln und die Bodenorganismen anzuregen, in den Un- se. Das Mittel gegen die Sklerose ist die Bodenbelebung. terboden zu gehen, müssen wir den Unterboden interes- Die biologisch-dynamischen Präparate haben die Aufgabe sant für diese machen. Zu ihrer Animation müssen wir As- den Boden zu beleben; jetzt nicht in der Weise, dass wir tralität in den Unterboden bringen, um sie anzuregen, da viele Lebewesen da drinnen haben, sondern es geht bei- hineinzuwachsen. Dafür haben wir das Hornmist-Präparat, spielsweise um die Belebung des Kaliums selbst. Das Kalium um den Boden zu beleben. wird etwa durch das Schafgarben-Präparat auf eine Lebens- stufe gehoben, damit die Pflanze und in der Folge auch der Nicht um Richtlinien zu erfüllen, sondern um den Bo- Mensch in der Ernährung anders damit umgehen kann. Die den zu beleben. Kamille etwa dient der Belebung des Calciums, Brennnessel der Belebung des Eisens. Phosphor wird belebt durch den Auch alte Demeter-Betriebe haben nötig, ihren Unterboden Baldrian. Im Kompost kann Baldrian durch Wärmung die Pro- zu beleben, denn das ist ihr Kapital. Dieses Kapital müssen zesse anregen. wir immer wieder neu erzeugen, wir können nicht oben Der Mensch greift in die Gestaltung der Landschaft ein. Den- dauernd etwas wegnehmen und nicht dafür sorgen, dass ken Sie ans Mittelmeer, an die Karstlandschaft, in der fast kei- hier unten wieder etwas kräftemäßig Neues entsteht. ne Bäume, nur kleine Büsche wachsen. Verkarstung ist durch Ich spritze mit dem Hornmistpräparat, welches Astralkräfte den Menschen entstanden. In diesen Gebieten fehlt dann und Ätherkräfte in sich hat, auf den Boden, es beginnt in den die Lebenskraft: Denn damit die Lebenskräfte einziehen kön- Boden hinein zu strahlen. Almar von Wistinghausen, welcher nen, braucht es die Astralität. Wo wir aber keine Bäume, nur selbst noch am Landwirtschaftlichen Kurs teilgenommen hat, wenige Sträucher haben, fehlt das belebende Wasser und ging immer mit der Rute und hat festgestellt, dass jeweils an die Astralität. den Stellen, wo er die Kompostpräparate eingelegt hatte, Wenn wir in Kräften denken, dann können wir mit der Ast- die Rute ausschlug. Etwa nach einer Woche, schlug die Rute ralisierung von Stoffen die Lebenskräfte stärken. Wenn wir über den ganzen Haufen aus. Der ganze Haufen war gleich- beispielsweise den Boden vertiefen wollen, dann müssen mäßig durchstrahlt mit diesen Kräften. wir Astral- und Lebenskräfte dahinbringen. Düngen heißt, den Boden beleben. Zeichnung Bögen in den Unterboden Wenn ich jetzt einmal gespritzt habe, erreiche ich einen ge- Seit 1924 bemühen sich Landwirte nach diesem Prinzip zu wissen Horizont im Boden; wenn ich am nächsten Tag die arbeiten. Rudolf Steiner hat Hinweise zu den Präparaten ge- Spritzung am gleichen Ort zur selben Stunde wiederhole, geben; wir müssen sie halt anwenden und nicht nur wissen, dann reicht die Wirkung schon tiefer und wenn ich es noch dass es sie gibt. Wir müssen sie anwenden in der richtigen einmal wiederhole, dann vertiefe ich nochmals den Einzug Weise und da ist die Frage, was ist richtig. von Astralität in den Boden. Die Astralität ist immer attraktiv für die Lebenskräfte, das heißt, sie zieht die Lebenskräfte an Sie haben hier den Boden, und hier die Humusschicht und und vermehrt sie. jetzt wollen wir, dass die Wurzel hier hineingeht in den Wir können einen Vergleich machen mit einem warmen Zim- Unterboden (unter der schwarzen Humusschicht). Um die mer. Wenn wir uns im Winter in einem Raum wohlfühlen wol-

Seite 97 len, dann muss es eine gewisse Wärme haben, eine gewisse Ungleichgewicht der Kräfte im Gewächshaus gearbeitet. Wohlfühlatmosphäre. Die fehlende Astralität der gedämpften Erde wurde hier mit Und mit der Astralität bringen wir eine Atmosphäre in den rhythmischer Spritzung durch Hornmist eingebracht. Ent- Boden, dass die Regenwürmer und andere Tiere, Colem- sprechend der alten Waschmittelwerbung: zwingt Leben bolen usf. sich wohl fühlen; dass es attraktiv für sie ist, da rein und Schädling raus. Tatsächlich lagen die Trauermücken hineinzugehen, auch für die Wurzel, da hineinzuwachsen. nach der rhythmischen Behandlung schwadenweise in den Durch diese rhythmische Spritzung legen wir die Voraus- Gängen des Gewächshauses. setzung, dass die Astralität tiefer in den Boden hineindringt Nach den neuesten Forschungsergebnissen über die Halt- und wir dadurch eine Krumenvertiefung bewirken. barkeit der Präparate können wir das natürlich auch im Wo- chenrhythmus machen. Frage: In welchem Rhythmus? Man kann es im Tagesrhythmus, also dreimal an aufeinan- Frage: Was meinen Sie mit der neuesten Forschung? derfolgenden Tagen zu derselben Uhrzeit oder im Wochen- Es gibt jetzt Forschungsergebnisse der Bildekräfteforschung rhythmus machen. Die Trigone nach Maria Thun bieten sich durch Dorian Schmidt, Dr.M. Buchmann und Dr. U.J. König, da an, z.B. ein Wärme oder Wurzeltag. Ich habe darüber die zeigen, dass das handgerührte Präparat bis zu drei Wo- aber nicht geforscht. chen seine Wirkung beibehält und verspritzt werden kann. Der Gärtner Lichtenberg hat schon in den 80er Jahren in Das bedeutet, dass man mit einmal Rühren = dreimal sprit- Dortmund diese rhythmischen Tages-Spritzungen mit Horn- zen kann - wenn ich das nur schon früher gewusst hätte in mist mit sehr gutem Erfolg gegen Trauermückenbefall im meinem Betrieb! Gewächshaus durchgeführt. Da wird mit Kräften gegen ein Außerdem konnte gezeigt werden, dass von Hand gerührte

Seite 98 Präparate weniger Aufwandmenge pro ha benötigen, d.h. Morgens um drei Uhr beginnt sie auszuatmen, der Saftstrom bei entsprechender Spritztechnik können größere Flächen steigt nach oben. bei gleicher Wirkung gespritzt werden. Das bedeutet, dass Am Nachmittag beginnt die Erde wieder einzuatmen. Die man bei großen Flächen für ein Hektar auf bis zu fünf Liter Atmung kommt mit der Sonneneinstrahlung zustande. Für heruntergehen kann. Voraussetzung ist - es muss von Hand uns ist dies für die Anwendung der Präparate wichtig, wann gerührt sein. Die Präparate-Flüssigkeit muss sorgsam gesiebt wir was spritzen. Für eine Bodenspritzung werden wir den werden und der Behälter muss mit Torf oder Kokosfaser um- Abend nutzen, das beginnt um 15.00 Uhr, wird stärker bis mantelt werden, damit die Wirkung nicht verstrahlt.. 18.00 Uhr und nimmt gegen 21.00 Uhr wieder ab. So gese- Entsprechend dazu wurde im Darmstädter Institut eine hen können wir optimal um 18.00 Uhr herum das Hornmist- Spritze entwickelt, die mit wenig Druck, aber mit Wind die präparat ausbringen. Präparate feinverstäubt ausbringt. Der Wind bewirkt, dass Wenn man den Reifungsvorgang der Pflanzen mit den Prä- man das Hornkieselpräparat bis zu einer Breite von 30 – paraten unterstützen will, dann ist Folgendes zu beachten: 50 m breit ausbringen kann - je nach Seitenwind natürlich. Wenn die Pflanze sich anschickt zu reifen, vor allem wenn Deshalb kann man auch mit geringen Mengen arbeiten. Bei sie viel Blattmasse gebildet hat, die zu erntende Frucht aber Hornmistpräparat wird der Luftdruck verringert, damit große in der Wurzel ist, dann kann man die Pflanze in ihrer Physio- Tropfen entstehen oder man verwendet die bisher üblichen logie unterstützen, indem man nachmittags spritzt. Der Assi- Druckdüsen. milatestrom geht abends nach unten, das kann man mit einer Dreimal rhythmisch spritzen und selbst die Erfahrung Kieselspritzung am Nachmittag verstärken. Indem man Kie- einer Wirkung machen! selpräparat nachmittags spritzt, wird die Zuckerverlagerung in die Wurzel verstärkt. Mit dem Kieselpräparat verstärkt man Die Atmung der Erde im Jahreslauf das Pflanzenorgan, das gerade ausgebildet wird. Insofern Im Sommer reicht die Lebenssphäre (Ätherhül- fördert eine Spritzung im Jugendstadium das Wurzel- und/ le) des Erdorganismus bis 10km hoch, gemessen an oder Blattwachstum als Mitvoraussetzung für einen guten Er- den, bis in diese Höhe aufsteigenden Pollenkörnern; trag. Da wird dann morgens gespritzt. sie werden durch den Wind um die ganze Erde ver- teilt. Insekten “fliegen” bis 8km, Vögel bis 6km hoch. Frage: Ich habe immer gehört, dass das Kieselige nur auf die Im Herbst und Winter zieht die Erde ihre Lebendigkeit in Frucht, auf die Reife hin wirkt. Für mich ist es neu, dass man den Erdboden hinein. Dann ist diese - dynamisch gesehen auch schon vor der Blüte das Kieselpräparat spritzen soll? - am meisten belebt. Die Erde hat alle Lebenskräfte eingeat- Zur Klärung: In diesem Zusammenhang geht es um das Kie- met. Das nützen wir aus, wenn wir die Präparate vergraben; selpräparat und nicht um das Kieselige. Das Kieselpräparat wir legen die Präparate in dieses Kräftefeld, damit es diese bewirkt eine Verstärkung der Aufnahme des Sonnenlichts. Kräfte aufnimmt. Im Frühjahr beginnt die Erde ihre Lebendig- Im Jugendstadium einer Pflanze spritzen wir das Präparat keit wieder auszuatmen. zur Blattentwicklung; hier spritzen wir frühmorgens bis vor- mittags. Die Höhe des Getreideertrages z.B. wird während Die Atmung der Erde im Tageslauf der Bestockungsphase der Getreidepflanze angelegt. Da Im Tageslauf atmet die Erde ihre Lebendigkeit ein und aus. entwickelt sich bereits die Spindelanlage mit der Kornzahl

Seite 99 pro Ähre. Da sind Kieselpräparat Spritzungen sehr sinnvoll. Verbrennen von Erdöl und Erdgas, welches sich vor langem Leider wird das viel zu wenig gemacht. aus Pflanzen- und Tiersubstanzen entwickelt hat, die Erd- entwicklung quasi rückgängig machen. Dadurch hat sich die Die sieben Lebensprozesse Klimasituation auf der Erde verändert. Da gibt es die Idee, Rudolf Steiner hat die sieben Lebensprozesse im Zyklus den Kohlenstoff zu sammeln und ihn in ca. 3000m Tiefe in „Eine okkulte Physiologie“1 beschrieben. Ich stelle sie hier die Erde zu pressen. Eine wahnsinnige Idee, wenn man be- dar, weil sie für das Verständnis des Lebendigen wichtig denkt, dass dieser Kohlenstoff ursprünglich im lebendigen sind. Boden als Humus für die Pflanzen verfügbar war. Dorthin ge- hört er auch wieder als Humus. Stattdessen verbrennen wir 1. Die Atmung Stroh und Mais zu Energie. Atmung ist das Wichtigste für die Bodenbewirtschaftung, denn die „fünf Geschwister des Eiweißes“, wie Rudolf Stei- Wir brauchen den Kohlenstoff im Unterboden als Dau- ner diese Elemente nennt, sind alle in der Luft enthalten. erhumus. Stickstoff ist mit 78% der Hauptbestandteil der Luft und man könnte sich fragen, warum soll man da eigentlich noch Diese Nachricht sollten wir verbreiten. mit Stickstoff düngen? Das ist eine berechtigte Frage und Bio-Landwirtschaft beweist, dass es auch anders geht und Der Kohlenstoff ist der Träger des Ichs des Menschen, des in Zukunft anders gehen muss, denn für das industrielle Selbstbewusstseins. Die Tiere, vor allem die Rinder, die sehr Landbausystem sind gar nicht genügend Rohstoffe vorhan- viel Pflanzenfutter aufnehmen und dieses in ihren vier Mägen den. Um den Stickstoff aus der Luft in den Boden zu holen, aufschließen, verbrauchen diese geistige Kraft nicht. brauchen wir Pflanzen, die Schmetterlingsblütler oder Legu- Stellen Sie sich die Kuh vor, wie sie auf der Weide wie- minosen (Kleearten, Luzerne, Esparsette, Erbsen, Bohnenar- derkaut. Die Hörner haben die Aufgabe, diese Kräfte des ten, Lupinen, Erdnüsse, Akazien, Linsen, Serradella), in der Selbstbewusstseins in den Verdauungsvorgang zurück zu Fruchtfolge. Sie holen den Stickstoff mit der Symbiose der spiegeln. Die Kuhhörner werden mit jedem Kalb immer Knöllchenbakterien des Bodens in den Boden herein. Der dicker - es wird mit jedem Kalb Horneiweiß im Horn ab- Stickstoff ist der Träger des Seelischen in der Natur (Astral- gelagert; daher kommen die Jahresringe der Hörner. Und kräfte). deshalb sind Hörner von alten Kühen die besten für die Sauerstoff = Oxygenium (was so viel heißt wie “sauer ma- Präparate-Arbeit, weil jene diese Spiegelfunktion immer chend”), ist mit 21 % in der Luft enthalten. Er ist der Träger besser durchführen können je mehr Kälber eine solche Kuh des Lebens, des Ätherischen. geboren hat. Im Verdauungsvorgang wird diese Ichkraft kon- Kohlendioxyd ist mit nur 0,04 % in der Luft enthalten. zentriert. Und wenn wir den aus Heu gewonnenen Kuhfla- Durch die Klimadiskussion ist vielen Menschen der Kohlen- den dann in dieses Spiegelorgan des Hornes geben, wird stoff in Form des Kohlendioxyds ins Bewusstsein gekom- die Ichkraft im Rottevorgang der Hornmist-Entstehung noch men. Es beschäftigt uns jetzt dadurch, weil wir mit dem einmal konzentriert. Dieses Konzentrat an Ichkraft, Astralkraft und Lebenskraft entsteht den Winter über in der besonders 1 RUDOLF STEINER, Eine okkulte Physiologie, Ein Zyklus von acht Vorträgen Prag vom 20. bis 28. März 1911 belebten Erdschicht.

Seite 100 In dem senkrechten Wachstum des Getreides können wir ein 2. Die Wärmung - Leben braucht Wärme, damit es sich ent- Bild der Ichkraft eines Standortes erleben. Wenn die Grä- wickeln kann. ser und das Getreide senkrecht wachsen – Sie wissen, im Der menschliche Körper hat eine Temperatur von ca. 37°C; Getreidekeimling gibt es an der Basis der Halme ein Organ, bei über 42°C löst sich das Eiweiß auf. Ab 36° abwärts wird die sog. Stärkezellen, welche der Pflanze eine Orientierung der Mensch bereits lethargisch. geben wo oben und unten ist – sozusagen ein Sinnesorgan 3. Die Nährung - diese wird zur Quelle für unser Denken, für die Schwerkraft. Dieses Organ hilft der Pflanze, wenn sie Fühlen und Wollen. Aus ihr beziehen wir unsere Lebenskräf- durch Wind oder Regen umfällt, sich wieder aufzurichten. te. Daher brauchen wir Qualitätsnahrung, die uns diese See- Diese Aufrichtekraft ist die Ich-Kraft des Erdorganismus. Sie lenkräfte geben kann. können wir der Nahrung entnehmen. Mit den Spritzpräpara- 4. Die Sonderung – die Aufnahme von Kräften und Stoffen ten Hornmist und Hornkiesel unterstützen wir ihre Wirkung. aus der Nahrung und die Ausscheidung derselben. Der Mensch ist auf diese Kraft angewiesen, nur er kann sie 5. Die Erhaltung – die Kräfte und der Leib müssen erhalten geistig nutzen über seine menschlichen Seelenkräfte des werden, damit wir überhaupt etwas in der Welt tun können. Denkens, Fühlens und Wollens. Des Menschen Aufgabe ist 6. Das Wachstum – in der Jugend das körperliche, im Alter die Ausbildung dieser geistigen Spiegelfunktion der Phan- das geistige Wachstum. tasie - dem Menschen ist es vorbehalten, über sich selber 7. Die Reproduktion - die Arterhaltung und sein Denken, nachdenken zu können. Das können die Diese Prozesse sollten wir bedenken, wenn wir den Boden Tiere eben nicht, aber sie haben diese Kraft mit dem Futter sachgerecht bebauen wollen. in sich aufgenommen und in ihrem Dünger bleibt das übrig. Darum wollen wir auch Fäkalien für die Düngung nicht ha- Wir sind auf einer Mission, zur Bildung der Erde sind wir ben, denn da ist keine Ich-Kraft drinnen. Und wir wollen ja berufen. (Novalis) mehr Ich-Kraft haben für menschliche Nahrungsmittel. Das war der Kohlenstoff. Die kosmische Aufgabe des Menschen ist es, die physische Der Wasserstoff hat - nach dem dritten Vortrag im Land- Welt im Geistigen zu spiegeln. Die Atmung ist der zentrale wirtschaftlichen Kurs - die Aufgabe mitzuhelfen, dass das Prozess, den der Landwirt dem Boden ermöglichen muss. Eiweiß wieder aufgelöst werden kann, dass es sich wie- Es ist seine Aufgabe, alle Verdichtungen immer wieder zu der in den großen kosmischen Zusammenhang eingliedern beseitigen. Wenn wir pflügen oder eggen, dann zerstören kann. Er ist in der Luft nur in Spuren enthalten, kommt aber wir damit Bodenlebewesen. Das muss man nicht moralisch auch mit dem Wasser in den physiologischen Kreislauf. nehmen, aber wissen. Durch die Bodenbearbeitung leiten Es bleibt noch, den Schwefel zu erwähnen, den Steiner wir einen Abbauprozess der Bodenlebewesen ein; mit der den “physiologischen” Schlepper nennt, der alles an die Pflanze beginnt wieder der Aufbauprozess. Sind diese bei- richtigen Stellen hinleitet. Essentielle Eiweißverbindungen den Prozesse nicht im Gleichgewicht, treten verschiedene enthalten häufig den Schwefel. In der Luft ist er ebenfalls nur Probleme auf. Einerseits wird das Nitrat ausgewaschen, die- in Spuren enthalten, aber heute auch als schweflige Säure ses sinkt ab ins Grundwasser, es entsteht eine Nitrathose, aus der industriellen Verbrennung von Erdölprodukten. die langsam ins Grundwasser rutscht. Im Grundwasser kann Nitrit daraus entstehen und das ist gesundheitsgefährdend,

Seite 101 für Kleinkinder kann es tödlich sein. Wir brauchen diese Es werden verschiedene Gläser mit Wasser gefüllt. Von ei- Eiweißstoffe gebunden im Humus. Diese Kunst Humus zu ner Seite ansteigend kommt ab dem zweiten Glas Stickstoff- erhalten und zu vermehren sollte vor allem vom biologisch- Düngung in Form von Mineraldünger hinzu. Wir sehen, dass dynamisch arbeitenden Bauern erlernt und gekonnt werden. die Pflanze im ersten Glas ihre Wurzeln bis zum Boden des Glases wachsen lässt, um Nahrung zu finden. Je mehr die Humus ist die Kapitalreserve des Landwirtes Lösung Stickstoff enthält desto weniger Wurzeln bildet die Diese Humusreserve legen wir im Unterboden an; dort müs- Pflanze. Die Pflanze zieht sich mit ihrer Wurzel aus dem sen wir dafür Sorge tragen, dass die Bodenlebewesen sich Boden zurück und bildet auch keinen Humus. Und das ist wohl fühlen. Im Oberboden bringen wir ständig mit Geräten täglich auf mineralisch gedüngten Flächen der Fall; die Pflan- Luft in den Boden, die Humus abbaut. Wenn wir dann noch ze hat dann gar nicht nötig, in den Unterboden zu gehen beginnen, mineralischen Stickstoff zu düngen, dann freu- und bringt dadurch auch keine organische Substanz dorthin en sich die Organismen sehr über Nitrat und Ammonium, und damit wiederum kein Futter für die Mikroorganismen. aber sie bekommen Hunger auf Kohlenstoff (Humateffekt) Der überflüssige Stickstoff, der vom Regen ausgewaschen und sie holen sich diesen dann aus dem Humus. Mit der wird, wird von den Bakterien aufgenommen. Das bisschen mineralischen Düngung zerstören wir den Humus im Boden Humus, dass dort unten ist wird dann auch noch von den und setzen Nitrat frei. Nebenbei machen wir uns mit der Bakterien zerstört. Das ist ein teuflischer Kreislauf. mineralischen Düngung abhängig von der Industrie, obwohl 78% Stickstoff in der Luft enthalten ist. Eine weitere Gefährdung der Humusschicht - die Erosion Eine wesentliche Eigenschaft von Humus ist die Wasser- Zusammenhang von Wurzelbildung und Gabe von minerali- speicherfähigkeit; wird zu viel Humus abgebaut, oder ist zu schem Stickstoffdünger wenig Humus vorhanden, kann der Boden das Wasser nicht aufnehmen, es fließt oberirdisch ab und nimmt die oberste Schicht an Erde mit; vor allem bei hängigen Flächen. Der Boden erodiert, wird zum “Bodenskelett”. Dadurch sind günstige Voraussetzungen für Wind und Wasser gegeben, die Erde weg zu spülen bzw. wegzuwehen - Agrarsteppen mit Mono- kulturen bilden die Landschaft. Wir brauchen Hecken und Bäume in der Landschaft, nicht nur wegen der Ästhetik sondern wegen der Vögel und Insektenwelt und als Windgürtel. Das klingt so einleuchtend, wenn wir uns aber umsehen, müssen wir über weite Strecken genau dieses Bild der ausgeräumten Landschaft wahrnehmen.

Seite 102 Bodenbearbeitung zur Bodenbelebung chen werden, aber die Schichten nicht vermischt werden. Oberste Regel: Wir fahren oder gehen zuerst mit dem Das ist besonders wichtig, weil die meisten Organismen Spaten auf das zu bearbeitende Feld und schauen, wie es ihrer Schicht angepasst sind. Bringt man diese Schichten mit dem Boden steht: Ist er abgetrocknet, ist er verdichtet durcheinander, gefährdet man die Populationen der Lebe- usf., denn sonst wissen wir ja gar nicht mit welchem Gerät wesen in dieser Bodenschicht. wir hinausfahren sollen. Zum Beispiel mit dem Stoppelho- Um auch im Unterboden eine Lockerung zu erreichen fahren bel, dann eine zweite Bearbeitung mit dem Stoppelhobel, wir bis zu 2mal in einer 7-8 gliedrigen Fruchtfolge, je nach Durchfahren mit dem Schichtengrubber mit einer Kreiseleg- Witterung und Bodenzustand, mit einem Tiefenlockerungs- ge, damit die Krümel an ihrer Sollbruchstelle auseinanderfal- meissel pro Fahrspur. Damit erzeugen wir einen Luftkanal len. Es gibt auch einen Schichtengrubber mit zwei Scharen, bis zu 50cm Tiefe. Bei dieser Lockerung fällt auch humoses der funktioniert so, dass die Bodenschichten in sich gebro- Oberbodenmaterial nach unten. Würden wir ganzflächig

Seite 103 tief lockern bestünde die Gefahr einer Verdichtung in 50 cm Frage: Wie oft muss man mit dem Stoppelhobel darüber- Tiefe, wo wir dann nie wieder hinkämen. fahren? Wichtig ist, dass die Kapillare des Bodens geöffnet werden, In der Regel zweimal. Aber jede Maßnahme richtet sich der Boden aufgerissen wird. Bei diesem Gerät wird der Bo- vorerst nach dem Boden. Deshalb gibt es keine Allgemein- den von den ersten beiden Scharen, welche scharf sind, Rezepte. Wichtig scheint mir aber schon, dass man mit dem aufgerissen, die dritte und vierte Reihe der Scharen häufeln 45°- Winkel arbeitet und wenig schneidet; es gibt durchaus die aufgerissene Erde und die Blattmasse auf; dort entsteht auch andere Striegel, mit denen man arbeiten kann. ein kleiner Kompost und Gare. Das bleibt zwei Wochen liegen, auf feuchten Böden braucht das nicht so lange. Bei Mulchen im Gartenbau Feuchtwerden des Oberbodens besiedeln Bakterien und Frage: Wenn man so dick mulcht, erstickt man da nicht die Pilze die oberste Schicht, verkleben das und beginnen den Vielfalt des Pflanzenwachstums, erstickt man da nicht das Humusbildungsprozess. Der Vorgang wird versetzt wieder- Leben? Denn nur wo das Pflanzenwachstum in den Boden holt. Der Untergrundhaken macht dann an anderer Stelle lo- eingreift, da entsteht Leben? Ist der Boden immer zu bede- cker. Das ist die eine Voraussetzung dafür, dass im Unterbo- cken? Ist nicht Unterwuchs besser? den Humus entsteht. Die andere ist, dass immer Nahrung für Mit dieser dicken Mulchung mit getrocknetem Gras soll die die Bodenorganismen an der Bodenoberfläche vorhanden Regenwurmentwicklung angeregt werden. Da erstickt nichts, sind; das Mittel dafür ist das Mulchsystem. im Gegenteil. Der Boden wird vor dem Aufprall des Regens Stoppelhobel – dieses Gerät hat 45° und schneidet nicht. geschützt. Und wenn wir Sellerie oder Mangold anbauen Jedes Mal wenn Sie den Boden schneiden, verschmieren wird dieser dick gemulcht, denn da wollen wir nicht auch Sie ihn auch. Er lockert nur 4-6 cm; es ist nicht sehr breit noch Beikraut hacken. dafür kann man bis zu 15km/h fahren. Frage: Ist das nicht auch sehr einseitig, wenn nur die Regen- Frage: Kann man mit einem Häufelgerät eine ähnliche Wir- wurmpopulation im Blickpunkt der Maßnahmen steht? kung erzielen? Sie haben Recht. Aber hier handelt es sich um einen Ver- Ja, Sie können häufeln mit dem Turiel-Pflug oder mit dem such, und wenn Sie Versuche machen, müssen Sie ein we- Häufelgerät von Kemink oder mit der Gerätekombination nig übertreiben, sonst kriegen Sie keine Ergebnisse. Außer- von Wolfgang Joerges, wie im Bild gezeigt. dem profitieren auch andere Lebewesen, Pilze und Algen, Das Prinzip des Häufelns ist, dass Sie Luftabschluss dadurch Bakterien davon. Das Bodenleben insgesamt wird gefördert verhindern, indem Sie öfter durchfahren. und die Feuchtigkeit bleibt erhalten. Das Häufeln ist auch eine Weise, um die Krümelung natürli- Auch Mäuse und Schnecken profitieren davon! cherweise hinzukriegen, aber mit hohem Energieaufwand. Der Stoppelhobel hat auch die Aufgabe, das Atmen des Bodens (Anmerkung der Redaktion: Die gestellte Frage weist uns zu ermöglichen, indem die Poren aufgerissen werden. Im an- darauf hin, dass wir in unseren Maßnahmen immer alle vier deren Fall, muss man die Erde immer wieder hochbauen, da- Naturreiche ins Auge fassen müssen, da wir sonst meist in mit man Luft hineinbringt. Beides geht. Sie bekommen beim ein Extrem kommen.- Das Kollegium bedankt sich für diese Turielpflug sehr viel Luft hinein, Sie bekommen dadurch einen kritische Bemerkung!) reifen Humus, wo Sie keine Fäulnisstoffe mehr drinnen haben.

Seite 104 Gründüngung zur Bodenbelebung immer Fladenpräparat vorhanden ist. Die Gründüngung soll zum Aufbau von Nährhumus dienen, Ja, das ist eine Methode, die andere ist eben, das Präparat der Kompost ist hierfür zu wertvoll; dieser sollte für den an der Luft zu trocknen. Aufbau von Dauerhumus verwendet werden. Hörer-Anmerkung: Wir verfahren mit der Aufbewahrung Wie entsteht Dauerhumus? Er entsteht aus einem Überschuss wie mit dem Hornmist. an Nährhumus. Was nicht von den Mikroben des Bodens mi- Frage: Und wie wird trockenes Präparat ausgebracht? neralisiert wird, kommt den aufbauenden Organismen zu Man kann es trocken ausbringen (Streuen!), so wird es Gute. Das Mulchsystem auf dem Oberboden dient der Er- im Gemüsebau bei Starkzehrern in Indien gemacht; aber nährung der Humusbildner im Unterboden (Regenwürmer, wenn wir größere Flächen haben, dann können wir es rüh- Collembolen u.a.) in Form des Ton-Humus-Komplexes. ren, wie den Hornmist. 20 Minuten verrühren, den Baldrian Der Kompost ersetzt den Dauerhumus, der durch Bodenbe- nicht vergessen dazu zu geben, denn wir brauchen die arbeitung zerstört wurde. Im Unterboden entstehen Nähr- Phosphorwirkung im Boden; dann mit 10L pro ha aussprit- und Dauerhumus durch die Organismen und Pflanzen. Aber zen. es muss genug davon vorhanden sein: Das Prinzip von Ge- Frage: Was machen Sie mit den Mäusen? Die fressen sich ben und Nehmen. von unten her durch die Rüben. Spontan würde ich sagen, dass ich immer wieder Mause- Fladen-Präparat in einer Birkengrube fallen aufstellen würde. Wir nehmen trockene Fladen, von einer mit Heu gefütterten Frage: Was sagen Sie zur Lagerung des Präparates? Feucht Kuh; Fladen, die außen durch eine Schleimschicht glänzen oder trocken? und nicht stinken. Ich habe es immer getrocknet, weil ich nicht das Risiko Das Fladenpräparat muss gut zu belüftet sein und besteht aus: eingehen wollte, dass es schlecht wird. Aber man muss Algenkalk und gemahlene Eierschalen (100g) schnell trocknen, bei 20° Zimmertemperatur, Luftbewe- Basaltmehl (500g) gung und möglichst im Dunkeln. Wenn man das nur für Kuhfladen (5 Kübel) den eigenen Betrieb braucht, dann sind das nicht so große 1kg Reifkompost dient bei einer neuen Fladengrube einer Mengen, dann kann man es feucht aufbewahren. sichereren Rotte. Frage: Bodenfruchtbarkeit und Pflanzenfruchtbarkeit im Das wird durch Umschaufeln auf einem glatten Boden gut ver- Obstbau – wie geht das zusammen? Wir beobachten in mischt und belüftet; dann wird eine Hälfte eingefüllt und mit den letzten Jahren ein Phänomen, das wir nicht begreifen den Präparaten versetzt; dann kommt die zweite Hälfte und wird und verstehen – den Besenwuchs. Müssen wir da auch ebenfalls präpariert. Nach vier Wochen können wir in der Regel am Boden anfangen zu heilen oder zu ordnen? Oder kann bereits das Präparat entnehmen und verwenden oder luftig lagern. das Problem „oberirdisch“ behandelt werden? Es ist ent- Hörer-Anmerkung: Maria Thun hat empfohlen, die Grube gleisendes Wachstum der Bäume und führt dazu, dass die größer zu machen und von einem Ende her mit der Heraus- Frucht nicht zum Abschluss, nicht zur Reife kommt. Die nahme des Präparates zu beginnen. Dort wo die Leerstelle Technik sagt, es sind Cytoplasmosen, also kernlose Viren, entsteht, wird bald wieder neues Fladenpräparat hergestellt die das verursachen. Man erkennt die Symptome, man (diesmal mit dem alten Präparat als Starter versehen), sodass kann auch unter dem Mikroskop diese Viren anschauen,

Seite 105 aber das sagt nichts über eine mögliche Heilung aus, oder Grundsatz, dass jeder der 12 Standpunkte berechtigt ist, was die Pflanze uns damit sagen will. führt dazu, dass es zu jedem Standpunkt mindestens einen Ich würde den Stamm mit Hornmist, Kompostextrakt und berechtigten Gegenstandpunkt geben muss. Diese Einsicht Präparate-Auszügen spritzen und eventuell noch mit kann einem Menschen der Fragen hat, helfen, umfassende Schachtelhalm arbeiten; aber das empfehle ich sowieso, Antworten zu finden. Daher werden diese 12 Standpunkte mit Schachtelhalm zu arbeiten, weil wir dann die zu starke oder Weltanschauungen hier aufgeführt und kurz charakte- Monden-Wirkung unterbinden. risiert.2

Zwiebelsaftextrakt als Vorbeugung gegen Phytophthora Bild3 Ein Hinweis von Herrn Jörges Jede Weltanschauung ist ein absoluter Standpunkt, der die Zwiebelsaft oder Auszug aus Zwiebelschalen spritzen. Die gegenüberliegenden nicht gelten läßt. Nur der Monismus Blätter müssen überall mit dieser Lösung, mit dem Senföl versucht, alle zu berücksichtigen. als Wirkstoff , besprüht werden, damit die Pilze vernichtet R. Steiner widmet den Weltanschauungen 2 Bände mit dem werden. Wenn in der Luft diese Phytophthora- Pilze vor- Titel “Die Rätsel der Philosophie” handen sind, dann muss man die Anwendung nach acht Achtung: Die folgende Darstellung ist satirisch verkürzt ! ! ! Tagen wiederholen, damit der Bestand frei bleibt. Materialismus Frage: Wäre es eine Möglichkeit, die Kartoffel mit Zwiebel- Die Welt besteht aus Stoff und Materie. Diese ist mit dem saft zu beizen?Ja. Atommodell zu beschreiben Aus dieser ist alles zu erklären. Frage: Kann man mit Asche die Kartoffel düngen? Spirituell-Geistiges ist eine Eigenschaft der Materie. Antwort: Asche ist Salz. Das muss man wissen. Salz ist im- Spiritualismus mer eine Zwangsernährung, weil es im Wasser gelöst ist. Für den Spiritualisten ist die Materie im Laufe der Evolution Vorsicht damit. Die Asche bringt Magnesium und Kali und aus Geist verdichtet worden und wird auch wieder vergeis- wenn man die beiden braucht, dann verwende man die tigt werden. Asche, aber lieber auf der Fläche als über den Kompost. Idealismus Die Welt des Idealisten besteht nur aus Ideen, die realisiert Geistesanregungen zum tieferen Verstehen des Landwirt- worden sind und sich wieder zu Ideen verwandeln wer- schaftlichen Kurses: den. Ohne Idee, keine Realität. Im Landwirtschaftlichen Kurs haben wir Anregungen aus For- Realismus schungs-Ergebnissen der Anthroposophie Rudolf Steiners. Die reale Welt braucht keine Ideen, sie ist da und ist sich Die Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geis- selbst genug. Was nicht nachweisbar ist, existiert nicht. tige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen Mathematizismus möchte. Dieser Weg kennt mindestens 12 Weltanschauungs- 2 Quelle Rudolf Steiner, Gesamtausgabe 151, 4 Vorträge.. Die Standpunkte und 7 Weltanschauungs-Stimmungen. philosophischen Begriffe sind alle im Internet bei Wikipedia Wegen der Vielfalt an Weltanschauungs-Standpunkten ist erläutert und auch bei anthroWiki nachzulesen. die Gefahr, in Einseitigkeiten zu verfallen eher gering. Je- DIE 12 WELTANSCHAUUNGEN Aus GA 151:“Der menschliche und doch kann man sich in Einzelheiten verlieren. Aber der der kosmische Gedanke“ 3 AnthroWiki

Seite 106 Nur was mathematisch beschreibbar ist hat Bestand und ist oder der Mensch ist aus funktionalen Monaden aufgebaut real (Leberzellen, Milzzellen, Gehirnzellen usw.) Monadismus Sensualismus Die Welt ist nach Monaden (Zellen) aufgebaut. Die Monade Nur was sinnlich erfahrbar ist, ist wahr und bedeutsam. Der ist der Bauplan jeder Einheit im Kleinen wie im Universum. Sinn des Lebens liegt im Sinneserlebnis, 5 - 12 Sinne, Sexu- z.B. die Sternbilder sind zusammengehörige Sternregionen alität als Selbstzweck

Seite 107 Pneumatismus Pneuma = der Geist, Geister erschaffen die Welt und beherr- schen sie, sie haben alles erschaffen, auch die Materie ist erstarrte, verhärtete Schlacke von Geistern. Phänomenalismus Die Wahrheit ergibt sich aus nachvollziehbaren Phänome- nen. Allein was sichtbar, erfahrbar ist, ist wahr. Psychismus Die Welt dreht sich um seelenhafte Wesen. Denken, Fühlen und Wollen bestimmen das Sein. Seelenwesen schaffen sich die Welt wie sie ist. Seelenwesen besiedeln den Kos- mos mit verschiedenen Aufgaben und Eigenschaften Dynamismus Die Welt besteht aus Kräften, die sich anziehen und absto- ßen. Durch Kräfte entstehen Materie und Geistwesen. Sinn des Lebens ist die Vielfalt der Kräfte auf Erden und im Welt- all. Rationalismus Wahr ist, was Sinn macht (Ratio). Sinn des Lebens ist die durchgeplante funktionsfähige Weltmaschine ohne uner- wünschte Abfallprodukte. Wachstum hat den Zweck der Erfüllung des 5-Jahresplanes.

Dieser Vortrag wurde am 18./19./20.1.2013 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Weiterbildung für praktizierende Bio- dynamikerInnen“ in Graz, St. Pölten und Maribor gehalten und von Waltraud Neuper transkribiert

Seite 108 Bodengesundheit und Bodenfruchtbarkeit

Jürgen Friedel…

Es soll heute um Bodengesundheit und um Bodenfruchtbar- sondern auch die Tierhaltung. Auch was er an Gasen an die keit gehen. Ich werde versuchen, das von der naturwissen- Luft abgibt, was er an Grundwasser bildet. Bodengesund- schaftlichen Seite her zu betrachten, ich denke aber, dass heit beschäftigt sich hauptsächlich mit den biologischen sich da immer wieder an die biodynamische Sicht Anknüp- und ökologischen Eigenschaften und Aspekten. fungspunkte ergeben werden, über die wir hinterher disku- tieren können. Bodenfruchtbarkeit meint die Möglichkeit der Pflanzen- produktion. Die Funktion des Bodens als Vermittler von Ich habe den Vortrag so gegliedert: Nährstoffen, Wasser und Luft für die Pflanze und das Boden- • Begriffe der Bodengesundheit und der Bodenfruchtbarkeit leben. Man spricht in der Landwirtschaft, vor allem in der • Gefährdung von Bodengesundheit und Bodenfruchtbarkeit biologischen Landwirtschaft, gern von der Bodenfruchtbar- • Organische Substanzen und deren Wechselspiel mit Bo- keit. Man muss sich dabei im Klaren sein, dass man dabei denfruchtbarkeit sehr stark den Blick auf die Pflanze, auf das Bodenleben rich- • Prozesse, die bei Humusaufbau und Humusumsatz im Bo- tet und die anderen Aspekte, die aber aus meiner Sicht auch den ablaufen sehr wichtig sind, nicht so sehr miteinbezieht. Man kann • Spezielle Rolle der Pflanze und der Organismen eine natürliche Bodenfruchtbarkeit unterscheiden von einer • Bewirtschaftungseinfluss durch Bewirtschaftung bedingten. In dem Moment, wo die Bewirtschaftung eingreift, kann sich diese Bodenfruchtbar- Die Begriffe Bodenfruchtbarkeit und Bodengesundheit keit unterschiedlich weiterentwickeln, sie kann sich verbes- Bei beiden steht im Hintergrund der Begriff der Bodenqua- sern, aber auch verschlechtern - vordergründig zu sehen lität. Die derzeit gängige Definition ist: die Eignung eines am Ertrag. Es ist, glaube ich, eine sinnvolle Vorgangsweise, Bodens innerhalb seiner natürlichen oder bewirtschafteten wenn man die Bodenfruchtbarkeit in verschiedene Eigen- Grenzen des betreffenden Ökosystems, die Pflanzen- und schaften zerlegt; man kann sich diese näher anschauen und Tierproduktion, die Luft- und Wasserqualität sowie die Ge- dann zueinander in Beziehung bringen. Denn was letztlich sundheit von Mensch und Tier zu erhalten und zu fördern. die Bodenfruchtbarkeit ausmacht, ist das Zusammenwirken Das ist ein recht umfänglicher Qualitätsbegriff, der nicht nur all dieser Eigenschaften. die Pflanzen, welche auf dem Boden wachsen, im Blick hat,

Seite 109 Physikalische Eigenschaften: Bodentextur – ob es ein sandiger, leh- miger, schluffiger oder toniger Boden ist; Bodendichte; Bodenstruktur – hier wünscht man sich eine gute, stabile Bodenstruktur, man spricht auch von Bodengare, Boden- krume und Krümeltiefe, d.h. wie tief diese Krümelstruktur entwickelt ist; auch das ist ein Kriterium für die Bo- denfruchtbarkeit. Aggregatstabilität, als Voraussetzung für gute Bewurzel- barkeit und hohe Wasserhaltefähigkeit, welche natürlich auch abhängig ist von der Bodentextur. Im sandigen Boden kann weniger Wasser gehalten werden Ottow 2011 als im lehmigen, aber man kann das be- einflussen über den Aufbau einer günstigen Bodenstruktur. für Pflanzen verfügbare Wasser in den Mittelporen ist, und wenn die durch Verdichtung komprimiert werden, dann Chemische Eigenschaften: kann der Boden nicht so viel für Pflanzen verfügbares Wasser Gehalt an organischer Substanz, Humusgehalt halten; es läuft mehr ab, es wird weniger im Boden gespei- Kationenaustausch-Kapazität – das heißt, die Pufferkapazität chert. des Bodens für Nährstoffe wie z. B., Calcium, Magnesium, Kalium. Diese können im Boden gebunden werden, sind vor Gefährdung der Bodenfruchtbarkeit durch Verdich- Auswaschung geschützt: tung des Bodens • Konzentration anderer Nährstoffe, die für das Pflanzen- Hier sehen wir diese Druckstellen. Es gibt ja die Ansicht, wachstum wichtig sind man muss nur die Reifen breit genug machen, um das höhe- • pH-Wert; dieser spielt eine wichtige Rolle für die Nähr- re Gewicht auszugleichen. Das stimmt natürlich in gewissen stoffumsetzung und sollte auf kalkfreien Böden gemessen Grenzen, aber wenn sich gleichzeitig das Gewicht erhöht, werden (kalkhaltige Böden haben hier Pufferfähigkeit). Der (gemeint ist ein Gerät von 40.000 kg Gewicht), dann pas- pH-Wert spielt aber auch für die Bodenstruktur eine Rolle. siert Folgendes: Da das höhere Gewicht durch die breite- Es gibt optimale pH-Werte, wenn diese durch Versauerung ren Reifen nicht ausgeglichen werden kann, pflanzt sich der unterschritten werden, dann leidet vor allem die Boden- Druck nach unten fort. Hier sehen sie, dass an der untersten struktur darunter. Man sagt, die Staunässe nimmt zu und die Stelle noch ein Druck von 0,4 bar ist, und das haben wir Wasserspeicher-Kapazität nimmt ab. Es ist aber so, dass das bei einem leichteren Traktor im Bereich der Pflugsohle; bei

Seite 110 schweren Geräten kann dieser Bereich bis auf 1,20 m hinun- terreichen. Dann ist der Bereich, der gestört ist, viel größer und ist auch viel schwerer wieder aufzubauen. Breite Reifen sind nicht die Allheilmittel, sondern eigentlich muss man schauen, dass die Achslasten nicht zu groß werden.

Aus dem Wurzelatlas von Frau Prof. Kutschera haben wir hier das Bild einer Weißkleewurzel im dichten Boden. Wir sehen, dass die Wurzelmasse der Pflanze im lockeren Boden eine Spektrum der Wissenschaft, 2006, S.83 vielfache ist von jener im dichten Boden. Der Einfluss der Boden- dichte auf die Bewurzelung hat große Auswirkungen auf die Wasser- und Nährstoffaufnahme. Gerade bei Nährstoffen wie Phosphor, welcher nur schwer erschlossen werden kann, geht dieses im lockeren Boden leichter vonstatten. Dementsprechend sind Pflanzen im lockeren Boden besser ernährt. Das muss man sich auch mitüberlegen. Die Wurzeln bringen Energie in den Boden und das wiederum ist für die Tätigkeit der Mikroorganismen wichtig und deren Vermehrung ist wiederum für die ande- ren Bodentiere von großer Bedeutung.

Frage: Sind die Wurzelausscheidungen wichtig für die Mi- kroorganismen oder ist es die organische Substanz der zu- rückbleibenden Wurzelmasse? Beides. Man kann sagen, wenn die Wurzelmasse größer ist, ist nicht nur die Masse der nach dem Absterben der Pflan- Einfluss der Dichte auf die Bewurzelung ze zurückbleibenden Wurzeln größer, sondern auch die

Seite 111 Die Lagerungsdichte hat Einfluss auf die Infiltrationsrate, d.h. wie schnell das Wasser durch den Boden sickern kann. Je dichter der Boden, desto weniger Wasser dringt ein, mehr Wasser fließt ab. Das hat zur Folge, dass weniger Wasser ge- speichert wird und andererseits durch das Abfließen des Wassers an der Oberfläche Erosionsschäden entstehen. Aufpassen, dass man den Boden nicht durch Verdichtung schädigt, weil das eine ganze Reihe von Folgeschäden mit sich bringt.

Eine weitere Gefährdung ist der Gesamtbodenabtrag durch oberflächliches Abfließen des Wassers

Gefährdung durch Versalzung der Böden Ausscheidungen der lebenden Pflanze. Wenn der Boden Vor allem im Mittelmeerraum, im nördlichen Afrika, in den zu stark verdichtet ist, werden substratspezifische Grenzen Subtropen. Versalzung ist meist die Folge falscher Bewäs- überschritten. Dieses Überschreiten dieser Grenzen kann zu serung. Das Wasser verdunstet an der Oberfläche, die Salze Ertragsdepressionen von bis zu 40% führen. Der Boden kann bleiben zurück. Für unsere klimatischen Verhältnisse, viel- von der Pflanze nicht mehr erschlossen werden. leicht mit Ausnahme der ungarischen Tiefebene, stellt diese Versalzung kein wirkliches Problem dar. Lagerungsdichte nimmt mit steigendem Humusgehalt ab

Eine weitere Folge von Verdichtung ist Staunässe. Man findet dann im Boden ein Verfaulen der Rückstände vor, es kommt nicht zu einer günstigen Verrottung, son- dern zu Fäulnisprozessen. Man erkennt dies an der bläulichen Farbe und am Fäulnisgeruch. Es entstehen Bereiche von Sauerstoffmangel, wo es zur Reduzierung von Lebensprozessen kommt. Das sind Bereiche, welche von den Wurzeln ge- mieden werden und dementsprechend schlecht ist dort das Pflanzenwachstum.

Seite 112 Gefährdung durch Schadstoffbelastung der Böden Mobilisierung von Nährstoffen auf Basis des Humus Darauf möchte ich heute nicht näher eingehen. Diese fällt nur insofern noch unter die chemischen Prozesse, als es sich dabei um Nährstoffe handelt. Humus und organische Bodensubstanz Beispiel: Freisetzung von Kalium aus Glimmer durch Pilze. Als Humus bezeichnen wir humifizierte organische Boden- Dieses freigesetzte Kalium wird dann für Pflanzen verfügbar. substanz, also was zu Humus geworden ist. Was hat das jetzt mit Humus zu tun? Das Wachstum der Pil- Die organische Bodensubstanz ist ein Überbegriff, welcher ze, ihre Ernährung ist abhängig von der guten Humusversor- den Humus, die Streustoffe, andere Rückstände und die Bo- gung des Bodens. Das ist ein gutes Beispiel, wie mit guter denorganismen und das Bodenleben umfasst. Wenn wir von Humusversorgung Nährstoffe freisetzende Prozesse in Gang Humusgehalt im Boden sprechen, welcher gemessen wird, so kommen. ist meist die gesamte organische Bodensubstanz gemeint und Eine weitere Bedeutung von Humus im Boden ist die Bin- wird eigentlich nicht genau getrennt von Humus. dung von toxischen Substanzen, beispielsweise Schwer- Wie können wir nun den Zusammenhang sehen zwischen Hu- metallen, wie Kupfer. mus, organischer Substanz und Bodenfruchtbarkeit? Boden- Ferner sei erwähnt der Bereich der biochemischen Prozes- fruchtbarkeit hängt eng zusammen mit der Bodenstruktur. Diese se. Der Humus ist sowohl Nahrungsgrundlage als auch Le- wiederum ist eng gebunden an die Lebend-Verbauung von bensraum für die Bodenorganismen. Die Mikroorganismen Aggregaten, von Mikro- bzw. Makroaggregaten. Die Mikroag- leben vor allem in den Poren und an den Oberflächen in gregate werden von den Ton-Humus-Komplexen zusammen- den Flüssigkeits- oder Wasserfilmen, auf der Oberfläche von gehalten, welche selbst durch physikalische und chemische Bodenteilchen und ernähren sich von Humus. Prozesse entstehen. Das, was die Komplexe zusammenhält Wenn man also die organischen Substanzen unterteilt in den sind Mikroorganismen, sind Stoffwechselprodukte dieser Mi- Humuskörper bzw. das Bodenleben und dieses noch ein- kroorganismen. Was die Aggregate letztlich ausmacht sind Pro- mal in Mikroorganismen und Bodentiere, dann erkennt man zesse des Lebens, welche stabilisierend wirken. Durch Zufuhr die beachtliche Vielfalt. Die Bakterien siedeln sich vorzugs- von organischer Substanz wird die Aggregatstabilität entspre- weise im Bereich der Wurzelspitzen an. Bei den Bodentie- chend verbessert, d.h. es entsteht ein krümeliger Boden mit hö- ren denken wir meist an die Regenwürmer, aber ich möchte herer Wasserspeicherfähigkeit und besserer Durchlüftung. auch einmal ein paar andere vorstellen; sie sind zwar nicht Hier ein Schema des Stickstoff-Kreislaufes in einer Landwirt- so im Bewusstsein, aber ich denke sie sind genauso wichtig. schaft: Stickstoff liegt im Boden ganz überwiegend orga- nisch gebunden vor. Dieser organisch gebundene Stickstoff Protozoen – Verwandte der Amöben im Boden ist der Vorrat. Dieser kann mineralisiert werden Nematoden – in der Landwirtwirtschaft eher als Schädlinge zum mineralischen Stickstoff, zu Ammonium und zu Nitrat. bekannt, aber sie können auch sehr nützlich sein und in der Aus diesem mineralischen Stickstoffpool nehmen die Pflan- Nahrungskette von Böden eine Rolle spielen. zen den Stickstoff auf, nur rudimentär nehmen sie ihn auch Die Wurzeln sind dabei die Tankstelle für die Mikroorganis- aus dem organischen Stickstoffvorrat. Es sind die Mikroorga- men; eine wesentliche Energiequelle für alle Stoffumset- nismen, welche den Stickstoff aus den organischen Verbin- zungs- und Lebensprozesse. Diese Energie - umgewandelte dungen herauslösen. Sonnenenergie - kommt entweder direkt über die Pflanzen-

Seite 113 wurzel, oder indirekt über die organischen Dünger in den Humus vor Abbau und fördert dadurch den Humusaufbau. Boden. Auch das Klima hat Einfluss auf den Humusaufbau. Feucht- Dabei wird sichtbar, dass es einen großen Unterschied kühles Klima fördert den Humusaufbau, wie auch die Be- macht, ob der Boden nur oberflächlich bewurzelt ist, weil wirtschaftung. Zugegebene organische Substanz wird rela- er verdichtet ist, oder ob er tief durchwurzelt ist. Das beein- tiv schnell umgesetzt. Das betrifft vor allem die Ernterück- flusst, in welchen Schichten der Boden belebt ist, wo die stände, welche rasch abgebaut werden. Was passiert aber, entsprechenden Prozesse stattfinden, wo die Freisetzung wenn wir eine solche Zugabe von organischer Substanz der Mineralstoffe stattfinden. Was letztlich dahintersteht ist jedes Jahr regelmäßig wiederholen? eine ganze Nahrungskette, ein ganzes Nahrungsnetz. Es kommt durch die regelmäßig wiederholte Zugabe zu fol- Verschiedene Aspekte von Humus genden Prozessen: Dauerhumus – dieser ist schon über längere Zeit vorhan- Starker Abbau und Aktivierung der Bodenmikroorganismen den, es gibt keine größeren Umsetzungen; durch seine Anhäufung des verbleibenden Restes an organischer Masse physikalischen Eigenschaften lockert er den Boden, bildet Dieser Umsatz auf sehr hohem Niveau und die akkumulierten Ton-Humus-Komplexe, lagert Nährstoffe ein. Dieser Dauer- Reste sind die Basis für das Bodenleben und die Nährstoff- humusanteil ist längerfristig beeinflussbar, da sprechen wir Freisetzung. Und für die Ackerböden ist ganz entscheidend, von Jahrzehnten und Jahrhunderten. wie leistungsfähig das Bodenleben ist. Hörerfrage: Welchen Einfluss hat dieser Prozess auf den Nährhumus – das ist der umsatzaktive Anteil des Humus, Dauerhumus? der durch seine Aktivität an der Nährstoff-Freisetzung betei- Vorerst wenig. Das setzt auf den Dauerhumus auf. Aber wir ligt ist, an der Aktivierung der Bodenorganismen; er ist kurz- dürfen uns das nicht so getrennt vorstellen und im Laufe der fristig beeinflussbar. Verluste entstehen, weil er sich relativ Zeit gibt es aus diesem umsatzaktiven Humusprozess durch rasch umsetzt. Er muss deshalb ergänzt werden, und da- Wechselwirkungen Einträge in den Dauerhumus. Zur Auf- her ist die ständige Zufuhr von organischer Substanz nötig, rechterhaltung der Humusbilanz ist also ständige Zufuhr von sonst verarmt dieser Anteil. organischer Substanz nötig. Wird keine organische Substanz Für die Bodenfruchtbarkeit sind beide Komponenten wich- mehr zugeführt, dann fällt diese Kurve, der umsatzaktive tig. Das sind zwei Pole einer Sache. Der Humus ist komplex Humusanteil wird reduziert, der Boden erschöpft sich. Das im Aufbau, und wir können nicht sagen hier ist der Dauerhu- geht relativ rasch. mus, und hier beginnt der Nährhumus. Wirkung von Düngerart und -menge für den Humus- Humusaufbau und Humusumsatz aufbau Humusgehalte sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, Beispiel aus dem Darmstädter Dauerdüngungsversuch – es geht allem voran vom Tongehalt; man erklärt sich das durch die um die Frage, wie die Düngerart auf den Humusaufbau wirkt. Schutzwirkung von Ton. Der Ton hat ein feines Korn im Ge- Ohne Bild: Dargestellt sind C und N, als Maß für die Humus- gensatz zu Sand, der grob ist; es entsteht der Tonhumus- gehalte in Oberböden. komplex, welcher Speicherfähigkeit hat. All das schützt den Die Behandlungen sind angegeben in Mist, Mistkompost mit

Seite 114 biodynamischen Präparaten, Mineraldünger plus Stroh. Dün- mist zum Aufbau von Humus in Bodenaggregaten effi- gungsstufen: gering, mittel, hoch. zienter ist als mineralischer Dünger. Man kann sagen: Die Düngerart zeigt höhere Wirkung als Hörerfrage: Auf diesem Bild sehen wir, dass reine Gülle die Düngermenge. einen höheren Humusaufbau-Koeffizienten hat als die Va- Stickstoff aus organischer Substanz zeigt höhere humus- riante mit Gülle plus Stroh. Es heißt doch immer, dass man aufbauende Wirkung als mineralischer Stickstoff. Weiters Stroh in die Gülle einbringen soll, damit die Stabilität dieser zeigt sich, dass die Werte für C und N bei der Variante „Mist- Substanzen erhöht wird? Was sagt uns dieses Ergebnis? kompost mit biodynamischen Präparaten“ höher liegen. Der Wie ich gelesen habe, wurde hier die Gülle auf das Stop- Mistkompost mit biodynamischen Präparaten ist für den Hu- pelstroh ausgebracht, es war keine Vermengung Gülle – musaufbau effektiver. Der hier als Eiweißstickstoff vorliegen- Stroh. Das, was Sie gesagt haben, dass man Stroh einbringt, de Stickstoff kann leichter in den Humus eingebaut werden. da würde ich erwarten, dass der Eiweißstickstoff ansteigen Es kommt für den Humusaufbau nicht nur auf die Menge würde. Aber ich kenne keine Untersuchungen dazu. des Düngers sondern auch auf die Qualität des Düngers an. Zur Vorstellung, wie Humusaufbau im Boden geschieht, Verschiedene andere Untersuchungen wie die von Aoyama möchte ich Ihnen noch etwas zeigen - ein neues Ergebnis und Mitarbeitern1 weisen ebenfalls darauf hin, dass Stall- aus dem letzten Jahr. Es macht vielleicht verständlicher, wie sich Humus bildet und warum die Eiweißverbindungen 1 Aoyama,M., Angers,D.A., N’-Dayegamiye,A., Bissonnette,N., 2000. Metabolism of 13C-labeled glucose in aggregates from soils eine entscheidende Rolle dabei spielen. with manure application. Soil Biology and Biochemistry. Aoyama,M., Angers,D.A., N’,D.A., 1999. Particulate and mineral- Was Sie hier sehen, sind Bakterien, die auf festen Oberflächen associated organic matter in water-stable aggregates as affected by aufwachsen (alles was gelb eingefärbt ist). Beim Absterben mineral fertilizer and manure applications. Canadian Journal of Soil Science 79, 295-302. bleiben fragmentierte Zellhüllen zurück (rot eingefärbt). Aoyama,M., Angers,D.A., N’,D.A., Bissonnette,N., 1999. Protected Diese fragmentierten Zellhüllen sind das, woraus der Hu- organic matter in water-stable aggregates as affected by mineral mus sich bildet. Wenn diese nämlich austrocknen, werden fertilizer and manure applications. Canadian Journal of Soil Science sie sehr widerstandsfähig gegenüber Abbau und tragen so 79, 419-425.

Höhere Humusbildung bei Stallmist als bei Gülle und Stroh, Pommer 1987

Seite 115 über deren Eiweißverbindungen, die sich dann mit der Mineralsub- stanz sehr eng verbinden. Das be- weist auch wieder die richtige An- nahme von Edwin Scheller, wonach Eiweißverbindungen für den Hu- musaufbau eine große Rolle spielen.

Wechselwirkung zwischen Bo- den und Pflanze Von Pflanzen ausgelöste Prozesse und Veränderungen in der Rhizosphäre. Hier einmal eine schematische Darstellung, was Pflanzenwurzeln alles an Prozessen im Boden aus- lösen können: Zunächst die unmittelbaren Wech- selwirkungen Pflanze – Boden; Bodenlösung und Bodenmineral. Rechts die über Mikroorganismen zum Humusaufbau bei. Das heißt, dass leicht abbaubares vermittelten Bodenprozesse – und wir sehen, das ist eine Pflanzenmaterial im Boden nicht unmittelbar zu organischer ganze Reihe von Prozessen, welche hier ausgelöst werden. Bodensubstanz wird, sondern es geht über die Mikroorgan- Abgabe von Ionen, von Protonen und im Gegenzug die ismen. Diese bauen die Pflanzenreste, die auf den Boden Aufnahme von Mineralstoffen, Veränderung des Redox- kommen und natürlich auch die organischen Dünger ab. Bei Potentials2, also des Elektronendrucks, im Boden durch Ab- deren Absterben bleiben dann die stabileren Bestandteile, gabe von Elektronen. All diese Prozesse sind eng gebun- wie z. B. die Zellhüllen zurück. Diese lagern sich an die Min- den an die Exsudate der Pflanzen. Diese fördern auch die eralsubstanz auf, bilden Bodenhumuskomplexe und humifi- Entwicklung von Mikroorganismen im Wurzelraum und von zieren. Die Anlagerung der Reste aus den Zellwänden wird Mykorrhiza-Pilzen, das wiederum regt die Mikroorganismen vom Eiweiß aus den Zellen unterstützt. Dadurch bildet sich auf den mineralischen Bodenbestandteilen ein Film aus or- 2 Das Redoxpotential bezeichnet eine Messgröße der ganischen Molekülen und so wird der Humus stabilisiert. Das Chemie der Redoxreaktionen. Es handelt sich um das Reduktions-/Oxidationspotential eines Stoffes, gemessen unter ist das neueste konzeptionelle Modell, wie man sich vorstel- Standardbedingungen gegen eine Standard-Referenz-Halbzelle. len kann, wie Humus aufgebaut wird. Also nicht direkter Hu- In biologischen Systemen ist das Standardredoxpotential definiert musaufbau aus organischen Substanzen, sondern über den beim pH 7,0 gegen eine Standard-Wasserstoffelektrode und bei [1]Wikipedia Umweg über die Mikroorganismen, über deren Biomasse, einem Partialdruck von Wasserstoff von einem 1 bar.

Seite 116 zu erhöhter Stoffwechselaktivität an, zur Ausscheidung von Man kann sich vorstellen, dass das umso besser vonstatten- organischen Stoffen, von Wuchsstoffen usw. geht, je mehr Bakterien im Boden vorhanden, und je besser Es gibt eine ganze Reihe von Effekten, welche die Wurzel im die Lebensbedingungen im Boden sind. Je besser ein Bo- Boden auslösen. den durchlüftet und gelockert ist, desto intensiver kann die Ich möchte jetzt jenen speziellen Effekt der Wechselwirkung Bewurzelung vor sich gehen. Das sind die Voraussetzungen, herausgreifen, mit dem ich zeigen möchte, wieso diese dass solche Wechselwirkungsprozesse ablaufen können. Wechselwirkung zwischen Pflanze und Boden, zwischen Dieser Tatbestand trifft mit der Philosophie der biologischen Mikroorganismen und mineralischen Bestandteilen im Boden Landwirtschaft sehr gut zusammen. Im „Landwirtschaftlichen so wesentlich ist.Was wir sehen können ist eine zeitliche Ab- Kurs“3 wird beschrieben, dass wir durch unsere Düngung folge - eine Wurzelspitze wächst an einem Bodenaggregat den Boden ernähren sollen und nicht die Pflanze. vorbei. Dort sitzen Mikroorganismen, welche an Nährstoff- Wenn wir nun in den Bodenaggregaten Pflanzenrückstän- mangel leiden und inaktiv sind. Wenn nun diese wachsende de, Wurzelrückstände haben, in denen Stickstoff- und, Ei- Wurzelspitze an diesem Aggregat vorbeikommt, dann ist in weißverbindungen gebunden sind, werden diese, in dem diesem, die Wurzelspitze umgebenden Schleim, eine er- Moment wenn die Wurzel „vorbeikommt“, sozusagen ge- höhte Konzentration an Wurzelausscheidungen. Diese wie- knackt, abgebaut und die Nährstoffe daraus freigesetzt. derum sind der Treibstoff für die Mikroorganismen; diese Es wird in erster Linie der Boden ernährt, aus dem sich dann beginnen zu wachsen, werden größer, werden stoffwech- wieder die Pflanze das holt, was sie braucht. Die Wurzel selaktiv, geben auch CO2 und andere Stoffwechselverbind- steuert die Wechselwirkungen mit dem Boden und den Bo- ungen ab. Dies hat zur Folge, dass Amöben und die Pro- denorganismen zur Mobilisierung der Nährstoffe. tozoen angelockt werden und jetzt anfangen, die Bakterien Etwas Ähnliches deutet sich auf einer anderen Ebene für das abzugrasen. Und dieses Abgrasen der Bakterienrasen führt Kalium an. dazu, dass Nährstoffe, wie z.B. Ammonium, das vorher in den „Bäuchen“ der Bakterien sozusagen gelagert war, freige- Ohne Bild: setzt und schließlich von der Wurzel aufgenommen werden Hier haben wir eine Untersuchung von Edwin Scheller. Das kann. Das hat man über verschiedene Versuche nachweisen Bild zeigt die Kalium-Lösungskonzentration von Jänner bis können, sowohl im kontrollierten System als auch im Freiland. Dezember. Er hat beim Anbau von Futterrüben festgestellt, Wurzelausscheidungen erhöhen Mikroorganismenaktivität, Bewei- dass in der obersten Schicht (bis 10 cm) in der Hauptwachs- dung durch Amöben und Ammoniumfreisetzung und verbessern tumszeit, noch genauer bei einem Feuchtigkeitsereignis in so die Stickstoffverfügbarkeit für Pflanzen (Clarholm, 1985) der Hauptwachstumszeit, eine deutliche Zunahme von Ka- Man kann sagen: Wir sehen hier Wechselwirkungen, ausge- lium auftritt, obwohl man eigentlich das Gegenteil erwarten löst von der Wurzelspitze und deren Stoffabscheidungen. würde, weil ja durch die Aufnahme der Rüben aus dem Bo- Die entstehenden Substanzen, Nährstoffe aus den Stoff- dennährstoffgehalt eine Abnahme zu erwarten wäre. wechselprozessen der beteiligten Organismen, dienen Edwin Scheller hat das so interpretiert, dass die Rübenwur- rückwirkend wieder der Pflanze als Nahrung, indem durch zeln im Boden Prozesse angestoßen haben, die in höherem die Freisetzung von Ammonium die Stickstoffverfügbarkeit für die Pflanzen verbessert wird. 3 Steiner, Rudolf: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, Steiner Verlag, Dornach 1985

Seite 117 Wurzelraumeffekte, Nährstoffmobilisierung

Seite 118 Ausmaß Kalium aus den Mineralien freigesetzt haben, als durchwurzeln können, und in der Jugend muss die Nähr- der Bedarf der Kultur war. Man kann also auf dieser Ebene stoffversorgung gut sein. sagen, dass es zu Nährstoff-Freisetzungsprozessen durch • Das Bodenleben muss aktiv werden können; für diese Um- die Wurzel kommt. setzungsprozesse braucht es organische Substanz. • Diese Bodenprozesse brauchen ausreichende Boden- Ein anderes Beispiel – ohne Bild: feuchte; bei Trockenheit kommen sie zum Erliegen, weil Hier wird gezeigt, wie verschiedene Fruchtarten aus ver- die Aktivität zurückgeht, die Nährstoffe nicht mehr in aus- schiedenen Quellen Phosphor aufnehmen können und dass reichender Weise aktiviert werden. Das hängt zusammen mit es je nach Pflanzenart Unterschiede gibt, welches und wie der Wasserspeicherkapazität des Bodens. Diese hängt wie- viel Phosphor sie aufnehmen konnten. So haben Rübsen und der ab von der Dichte des Bodens. Mais wesentlich mehr Phosphor aus dem Calciumphosphat • Die Nährstoffpufferung sollte gut sein. lösen können als andere. Je nach Pflanzenart und Phosphor- • Es sollten ausreichend Bindungsplätze vorhanden sein; verbindung gibt es größere Unterschiede bei der Aufnah- das hängt wiederum ab vom Humusgehalt. me. Offensichtlich können manche Pflanzenarten mit gewis- • Die bodenbiologische Aktivität sollte hoch sein. Eine Rol- sen Phosphorquellen besser umgehen, wie z. B. die Lupine le spielen dabei auch die Symbiosen und die Mykorrhiza- mit den Eisenaluminium-Phosphaten. Das hat zu tun mit den Pilze. Letztere sind für die landwirtschaftlichen Kulturen die spezifischen Säureausflüssen der Pflanzen. Sogar schwer Regel, nur Futterrüben und Kreuzblütler bilden keine Mykor- lösliche Phosphorformen können von einigen Pflanzen ge- rhiza. Diese Symbiosen spielen für die Vitalität der Pflanzen nutzt werden, mit durchaus unterschiedlicher Effizienz. Man eine große Rolle. kann sich diese Erkenntnisse zunutze machen, indem man die entsprechenden Zwischenfrüchte anbaut und damit Der Einfluss der Bewirtschaftung Nährstoffe für die nächste Hauptkultur mobilisiert. Der Effekt Da möchte ich ansetzen bei der Fruchtfolge, weil ich denke, einer solchen Maßnahme hängt natürlich davon ab, wie le- diese ist das A und O. bendig der Boden ist, wie gut er durchwurzelt ist. Sie sehen hier eine Gegenüberstellung der Wurzelmasse von verschiedenen Fruchtarten. Was kann man im Hinblick auf diese Interaktionen im Ohne Bild: Boden mit Bezug auf die Nährstoff-Mobilisierung sa- Die Wurzelmasse von Klee, Kleegras und Luzerne ist wesent- gen? lich höher als bei Getreide oder Hackfrüchten. Daraus kann Ich habe Punkte zusammengetragen, die sich nicht unmittel- man eine Unterscheidung treffen: bar aus dem Gezeigten ergeben müssen, aber ich möchte • Humus nährende Pflanzen eben die Voraussetzungen und die unterstützenden Fakto- • Humus zehrende Pflanzen ren aufzeigen: Die höchsten Wurzelrückstände erreicht man bei Futterbau • Die Jugendentwicklung der Pflanzen muss gut sein, die und Futterleguminosen. Hohe Wurzelrückstände wirken Pflanzen müssen vital sein, nur dann können sie über das sich nach all dem Gesagten nicht nur auf den Humusgehalt Wurzelsystem solche Prozesse anstoßen. aus, sondern auch auf das Bodenleben und die Struktur der • Der Boden muss locker sein, sie müssen den Boden gut Böden. Das wirkt sich auch darauf aus, wie viel organischer

Seite 119 Dünger aus der Futtermenge gebildet wird. Natürlich wird organischer Substanz, sei es nun aus den Wurzelrückstän- auch Gründüngung genannt, denn auch sie fügt organischen den oder aus organischem Dünger. Dünger zu. Wurzelrückstände, organischer Dünger und Gründüngung beeinflussen direkt und indirekt den Humusaufbau und –abbau; die Aktivität des Bodenlebens und die Stabilität der Bodenstruktur. Direkt über die Wurzelausscheidungen und indirekt über die organischen Dünger. Beides sind ei- weißreiche organische Substanzen, die zu Humusaufbau beitragen. Wenn jetzt die Ziele sind: Humusgehalte stabilisieren Nährstoffversorgung sichern Bodenleben aktivieren Symbiosen fördern optimale pH-Werte erreichen, dann hat man die Möglich- keit, das über Fruchtfolge, Düngung und Bodenbearbeitung zu beeinflussen. Bei der Fruchtfolge, in erster Linie über den Futterbau, die Humusmehrer. Bei der Düngung über die organische Dün- gung – wobei man anstreben soll, dass es nicht zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen kommt – und bei niederem pH-Wert bei Bedarf kalken. Bei der Bodenbearbeitung möchte ich keine Rezepte ge- ben. Die einen schwören auf den Pflug, die anderen wollen diesen nicht haben und schwören auf die minimale Boden- bearbeitung. Ich denke, der Knackpunkt liegt darin, keinen Fehler zu machen und keine Verdichtungen zu schaffen.

Das Ziel: Zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Gerät den Boden bearbeiten, damit keine Verdichtungen entste- hen. Zwischen all diesen Maßnahmen kommt es zu Wechselwir- kungen, und man sollte von Fall zu Fall überlegen, wie man vorgeht. Ein ganz entscheidender Punkt ist die ausreichende Zufuhr

Seite 120 Durchschnittliche Wurzelmengen der wichtigsten Fruchtar- ten-Gruppen (Könnecke 1966: 23)

Trockenmasse dt/ Fruchtartengruppe ha Trockenmasse relativ

Getreide (einschl. Stoppeln) 24 100

Hackfrüchte 6 25

Luzerne 80 333

Kleearten 40-50 167-208

Kleegras, Feldgras 60 127

Hörerfrage: Eignet sich Gründüngung zum Humusaufbau? Feld liegt und wie hoch der Jahresniederschlag dort ist. Gründüngung trägt zum Humusaufbau wenig bei. Es gibt Denn Luzerne braucht viel Wasser, was die Wasserverfüg- jetzt aus Dauerversuchen Koeffizienten, die zeigen, dass der barkeit für den folgenden Weizen begrenzen kann. Auch Beitrag aus der Gründüngung im Vergleich mit einer Futterle- verholzt mehrjährige Luzerne mehr und setzt immer we- guminose sehr viel kleiner ist. Gründüngung liegt im Bereich niger Stickstoff frei. In niederschlagsarmen Gebieten ist es von schwach humusmehrend bis humusneutral. sinnvoll, sehr früh umzubrechen, damit weniger Wasser ver- braucht wird, weil die Luzerne auch aus tieferen Schichten Hörerfrage: Wie verhalten sich die Leguminosen, wenn das Wasser holen kann. man sie abführt? Ein Vorteil der Luzerne liegt im Aufbau einer organischen Dann sind sie auch humusneutral. Bodensubstanz. Ein weiterer Vorteil liegt in ihrer Unterdrü- ckung anderer Unkräuter. Hörerfrage: Ich baute mehrjährige Luzerne und trotzdem war der Weizenertrag mäßig. Wie erklären Sie das? Zuerst müssen wir fragen, in welchem Klimagebiet dieses

Seite 121 Hörerfrage: Kann Viehwirtschaft durch ihren Dünger die Hörerfrage: Ist es grundsätzlich sinnvoll aus Felderzeugnis- Eiweißineffizienz, welche durch die Verfütterung von Ge- sen Energie zu gewinnen? treide zur Fleischerzeugung entsteht, ausgleichen? Von der energetischen Seite her ist die Biogasgewinnung Ich kenne keine Untersuchung, welche dieses Problem deutlich effizienter als die Erzeugung von Biosprit, die des- durchgerechnet hätte. Ich würde aber erwarten, dass dieser wegen nicht sinnvoll ist. Es kann bei ersterer ein viel grö- Effekt der Viehhaltung diesen Ausgleich nicht schaffen kann. ßerer Anteil der Biomasse genutzt werden, damit auch ein Denn man spricht hier immer von einer ungefähren Relation höherer Energieanteil der jeweiligen Pflanze. Der Vergleich von 1:7, d.h. etwas siebenmal so viel Energie muss als Futter zeigt einen Unterschied im Ausmaß eines Faktors von etwa eingesetzt werden wie als Fleisch erzeugt wird. 5, d.h. die fünffache Menge Energie aus Biogas gegenüber Aber: Feldfutterbau hat stabilisierende Wirkung. Wo dieser jener aus Biosprit. Aber es sollten für Energieerzeugung die durch Viehlosigkeit zurückgefahren wurde, gehen die Erträ- Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung vermieden und ge und Humusgehalte zurück. Wenn man die Feldfutterflä- Nebenprodukte wie Zwischenfrüchte oder Begrünungen chen beibehält, z.B. für Gründüngung oder Mulch, werden genutzt werden. Ertragsniveau und Humusgehalt aufrechterhalten. Dies bei Zurück zur Biogasgülle im Vergleich zu anderen Düngungs- ungefähr 25 % Anteil an der Fruchtfolge. Es ist dann eine arten: wirtschaftliche Frage. Und in dieser Hinsicht wäre eine Mög- Die Frage bleibt trotzdem, was die Humusgehalte in ihrer lichkeit die Belieferung einer Biogasanlage. Daraus ergibt Nachhaltigkeit betrifft und was die Biogasgülle mit dem Bo- sich aber die Frage: Wie gut ist Biogasgülle? denleben macht. Bei ihrer Anwendung geht der umsatzak- Der Gärrückstand aus der Biogasanlage hat deutlich höhe- tive Bestand der organischen Substanz zurück. Es wird Me- re Ammoniumwerte als Rindergülle, ist daher triebiger und than gebildet, wodurch der Kohlenstoffanteil im Gärsubstrat bei Ausbringung auf Getreidebestände von Einfluss auf die abnimmt. Dieser Kohlenstoff geht dem Boden verloren. Qualität. Es ist nicht nachgewiesen, aber es ist anzunehmen, Bezüglich der anaeroben Vorgänge im Boden gibt es im dass die Schädigung der Regenwürmer hoch ist und die An- biologisch-dynamischen Landbau häufig die Meinung, die- fälligkeit des Getreides für Pilzkrankheiten steigt. Durch den se wären negativ zu bewerten. Aus wissenschaftlicher Sicht hohen Ammoniumanteil werden die Zellen der Getreide- gibt es aber keine Untersuchung, die solches nachweisen pflanzen schwammiger. könnte.

Hörerfrage: Wie ist das C:N Verhältnis in dieser Biogasgülle? Hörerfrage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Es wird enger, es ist weniger Kohlenstoff in der Biogasgülle. Fruchtfolge und Dauerfruchtbarkeit? Im Biogasprozess geht kaum Stickstoff verloren; allerdings ist Es gibt Dauerversuche mit Fruchtfolgen und Humusbilanzen. bei der Ausbringung durch den höheren Ammoniumgehalt Es sind die Wirkungen einer einzelnen Frucht in einem Jahr die Verlustgefahr höher. Sie ist dünnflüssiger, die Trocken- auf den Boden schwer feststellbar. Zum einen, weil sich die substanzgehalte nehmen ab, was kein Nachteil sein muss. Humusverhältnisse nur langsam ändern, zum anderen, weil Trotzdem Vorsicht – im Bereich des Humusaufbaues gibt es Humusgehalte in Mischproben variieren können. Aussage- unterschiedliche Meinungen. Sicher ist die Abnahme der Mi- kräftiger sind Dauerversuche, die anhand längerfristig erstell- kroorganismen im Boden im Vergleich zu gewöhnlicher Gülle. ter Humuskoeffizienten genauere Daten ergeben.

Seite 122 Zur Erhebung des Humusanteiles ist es zwar üblich, die Hörerfrage: Von welchen Faktoren ist die Verfügbarkeit von obersten 30 cm zu untersuchen; um zu seriösen Werten zu Phosphor abhängig? kommen, wäre es aber notwendig, auch tiefere Schichten Da Phosphor wenig beweglich ist, ist eine gute Bodenstruk- zu erfassen. Für den Humusaufbau ist von Bedeutung, ob tur und Durchwurzelung entscheidend. Vom pH-Wert her ist die organische Substanz eine oberirdische oder eine unter- der optimale Bereich „schwach-sauer“ also 6,0 – 6.5, dass irdische ist. Unterirdische Rückstände sind meistens mehr Phosphor aktiviert werden kann. Pflanzen wie Lupinen kön- verholzt und liefern daher mehr Humus. Grünmasse dient nen Phosphor auch in niedrigeren pH-Bereichen aufschlie- mehr der Bildung von Nährhumus und weniger von Dauer- ßen. Generell ist die Verfügbarkeit an Phosphor in Böden humus. eher gering; daher wäre es hilfreich, die Aufschließungs- fähigkeit der verschiedenen Nutzpflanzen zu ermitteln. Hörerfrage: Ist es möglich den Humusgehalt durch Kalkung Besonders das Wissen über das Reagieren der Zwischen- zu stabilisieren oder fördert Kalkung den Humusabbau? früchte wäre von der Phosphorbereitstellung her für die Man muss differenzieren zwischen Böden, die hohe Humus- Hauptfrucht von Nutzen. gehalte aufweisen und solchen mit vergleichsweise niedri- geren. Wirksam ist eine Kalkung auf anmoorigen bzw. Moor- Hörerfrage: Ist ein Zwischenfruchtanbau Ende Juli sinnvoll, böden, wo dadurch organische Substanz rascher abgebaut wenn bereits Ende September die Hauptfrucht angebaut wird und der Humusgehalt sichtlich verringert wird. Das wird? steigert vorübergehend die Erträge. Auf Böden, die saurer Im Grunde ja. Wenn man die Zwischenfrucht rasch nach der sind als sie vom Tongehalt her sein dürften, ist eine Kalkgabe Ernte in den Boden bringt. Sie trägt auf jeden Fall etwas bei angebracht. Sandige Böden dürfen von Haus aus saurer re- zur Aktivität des Bodenlebens; eventuell auch in geringem agieren. Bei einem niedrigen pH-Wert ist es möglich, diesen Ausmaß zur Humusbildung. durch eine Kalkgabe zu erhöhen und die Bodenstruktur zu stabilisieren. Dies geschieht über elektrochemische Prozes- Hörerfrage: Hat das Blühen einer Zwischenfrucht eine se und die Aktivierung des Bodenlebens. nachhaltige Bedeutung? Da kenne ich keine Untersuchungen. Ich kann mir aber vor- Hörerfrage: Wir hören im biologisch-dynamischen Land- stellen, dass bei Pflanzen, die ihre Ertragsorgane oberirdisch bau immer wieder, dass die Nährstoffe vom Bodenleben haben, wie z.B. Getreide, nach der Blüte Assimilate dorthin aufgenommen werden und über deren Ausscheidung für gebracht werden. Auch die Verholzung der Pflanzen und da- die Pflanzen verfügbar werden. mit ihr Beitrag zur Humusbildung nehmen nach der Blüte zu. Ja, wenn der Vorrat groß genug ist. Auf armen Böden fehlt dieser Vorrat und es ist schwer, den Anstoß für diesen Vor- Hörerfrage: Einarbeitung von Gründüngung – im Herbst gang einzuleiten. Dies gilt vor allem für sandige Böden. Aber oder im Frühjahr? auch schwere, kalte Böden brauchen im Frühjahr eine lan- Ich würde für Frühjahr plädieren, weil da die Pflanzen mehr ge Anlaufzeit. Hier hat sich z.B. auf der Schwäbischen Alb verholzt sind, mehr Wurzelmasse aufweisen und damit mehr Gülle deutlich besser bewährt als Stallmist, in welchem der Humuspotential entwickeln. Stickstoff stärker organisch gebunden war.

Seite 123 Hörerfrage: Wie sollen Zwischenfrüchte eingearbeitet wer- im pH-Bereich, wobei Tonteilchen im Boden beginnen be- den? weglich zu werden. Diese verlagern sich nach unten. Eine Maß- Entscheidend ist einmal die Grünmasse, da man dem Boden nahme dagegen wäre, den pH-Wert anzuheben (Kalkzufuhr). nur so viel zumuten sollte, wie er verdauen kann. Bei hoher Masse ist ein Anwelken sicher von Vorteil. Hörerfrage: Sie haben ein Bild gezeigt über Bodenverdich- tung in tieferen Schichten. Hörerfrage: Es kommen zunehmend Pflanzen-Hilfsstoffe Wie können diese aufgelöst werden? auf den Markt, die pathogene Organismen fernhalten sollen. Grundsätzlich gilt, dass man nach der mechanischen Locke- Ich vermute, dass diese jedoch auch lebenswichtige Orga- rung tiefwurzelnde Pflanzen einbringt; das können Luzerne nismen fernhalten oder eliminieren. Können sie das bestä- oder verschiedene Kreuzblütler sein. Die Problematik bei tigen? der Verdichtung ist die, dass nicht nur die Grobporen ver- Grundsätzlich gibt es ganz unterschiedliche Präparate, im schlossen werden, sondern auch die Mittelporen, in denen Speziellen die Effektiven Mikroorganismen (EM). Untersu- sich das für die Pflanzen verfügbare Wasser befindet. Beim chungen zeigen, dass sie im Bereich der Geruchsminde- mechanischen Lockern werden nur die Grobporen erreicht. rung bei Gülle wirksam sind, auch gegen den Verderb von Das Aufschließen der Mittelporen ist ein langer Prozess und Lebensmittel. Was die Wirkung auf das Pflanzenwachstum geht eigentlich nur über Durchwurzelung. im Zuge der Kompostierung betrifft, gibt es widersprüch- liche Untersuchungsergebnisse. Diese reichen wirklich von Hörerfrage: Kennen Sie Untersuchungen, mit welchen Er- vollkommener Wirkungslosigkeit bis zu erfolgreichen Versu- gebnissen flache Bodenbearbeitung rechnen kann – z.B. mit chen. Meine Sicht ist die, dass bei schlechten mikrobiellen einem Stoppelpflug oder Flügelschargrubber? Bedingungen eine Starthilfe gelingen kann. Es gibt wenige Arbeiten im Bereich des biologischen Land- baues darüber. Zumeist nimmt die Stickstoffversorgung ab. Hörerfrage: Können Sie uns etwas über „Terra preta“ sagen? Was ich dazu sagen kann ist, dass sich die mikrobielle Akti- Ich habe den Eindruck, dass der Effekt am höchsten ist, vität im Wesentlichen auf die oberste Schicht, d. h. den Be- wenn man diese Biokohle in den Kompostierungsprozess reich der eingearbeiteten Ernterückstände bezieht und nach einbindet und nicht direkt in den Boden einbringt. unten hin rasch abnimmt.

Hörerfrage: Große Heizwerke verwenden Rinde oder Ener- Hörerfrage: Rotierende Bodenbearbeitung? gieholz. Kann ein Landwirt die aus dieser Verbrennung anfal- Ich bin skeptisch; zum einen wegen der Unkräuter, z.B. Ver- lende Asche bedenkenlos ausbringen? mehrung der Quecke, zum anderen wegen der Gefahr der Zu hinterfragen wäre auf jeden Fall der eventuelle Gehalt an Zerstörung der Krümelstruktur. Schwermetallen. Hörerfrage: Jetzt ist das Rind über Jahrtausende in mehre- Hörerfrage: Zunehmend aktuell wird das Problem der Erosi- ren Bereichen und Kulturen so bedeutend gewesen und das on; daneben gibt es auch eine „innere Erosion“? auch noch heute. Sollte dem Rind nicht über die Bedeutung Nach meinem Verständnis ist diese innere Erosion ein Vorgang als Milch-, Fleisch- und Zugtier hinaus ein zusätzlicher Stel-

Seite 124 lenwert zugeschrieben werden können? Eine spannende Sichtweise. Für mich haben die Wieder- käuer auf jeden Fall ihre Berechtigung in den Grünlandge- bieten, da man diese anders nicht nutzen könnte. Uns als Forschungsinstitut stellt sich natürlich die Frage der Berech- tigung, wenn immer mehr Betriebe viehlos wirtschaften. Wir gehen dem auch nach und kommen vorläufig zu dem be- reits gesagten Ergebnis, dass eine passende Fruchtfolge mit Futterbau bzw. Begrünungen das Rind ohne irgendwelche Einbußen bei der Bodenfruchtbarkeit ersetzen kann.

Dieser Vortrag wurde am 18.1.2013 an der Universität für Bodenkultur im Rahmen der Ringvorlesung „Biologisch- dynamischer Landbau“ gehalten und von Waltraud Neuper transkribiert.

Seite 125 Seite 126 ÜBER DIE BILDUNG DER BELEBTEN ERDE

Walter Cloos

Jenen Teil der festen Erde, in dem die Pflanzen ihren Wur- postierungsverfahren ständig beobachten können. Im Auf- zelgrund haben, hat Rudolf Steiner einmal als Zwerchfell des setzen der Haufen heben wir durchfeuchtetes Festes über Erdorganismus bezeichnet. Er hat in diesem Zusammenhang das Erdniveau und lassen es durchlüften und durchwärmen. darauf hingewiesen, dass das, was in unmittelbarer Nähe Es wird mit gewöhnlichen äußeren Mitteln zunächst schwer über dem Erdboden ist an Luft, an Wasserdünsten und auch möglich sein, jene Belebung der Elemente Erde, Wasser, an Wärme, demjenigen entspricht, was im Menschen Unter- Luft und Wärme in ihrer gegenseitigen Durchdringung nach- leibsorgan ist. Dagegen dasjenige, das im Inneren der Erde zuweisen. Wir können es aber schon erkennen an der viel geschieht, wirkt so wie unser Kopf, namentlich während der besseren und günstigeren Bildung belebter Erde, bei der Kindheit, auf den ganzen Organismus wirkt. Wenn man die- geleiteten Verrottung und Kompostierung im obigen Sinne. ses Zwerchfell der Erde, dieses hauchdünne Oberflächen- Es wird aber schwierig sein, ohne auf Forschungsmethoden gebilde der Kontinente anschaut als eine Grenze, so ergibt der Geisteswissenschaft überzugehen, im Einzelnen für die sich rein aus der Anschauung, dass sich die Elemente von Wärme und Luft unter der Erde und für Kiesel, Ton und Kalk Wärme, Licht und Luft einerseits und Wasser und Erde an- über dem Erdboden nachzuweisen, dass sie da etwas an- dererseits berühren, und bis zu einer gewissen Tiefe auf das deres sind als in ihren Heimatbereichen. Innigste durchdringen. Aber Rudolf Steiner schildert hier gewissermaßen ein Aber nun vollzieht sich in diesem Durchdringen ja schon et- Urphänomen im Bezirk feinster Lebensgrenzvorgänge, das was wie eine Belebung der Erdsubstanzen, die Rudolf Stei- uns zum Schlüssel werden kann für das Verständnis ei- ner im oben erwähnten Vortrag auf Grund seiner Forschun- ner großen Fülle von Erscheinungen. Es sind dies alle die gen folgendermaßen schildert. Indem das Wärme- und Luft- Oberflächen- und Grenzvorgänge im Bereich der toten und artige, das in der Atmosphäre draußen als tot anzusehen ist, belebten Welt, wo eine bestimmte Stofflichkeit oder ein hinunterdringt unter jene Grenze der Erdoberfläche, durch- künstliches oder natürliches System von Stoffen in ihrem zieht sie sich mit Lebendigkeit. Und das Wasser und das fes- Zusammenwirken Kräfte offenbaren, deren Vorhandensein te Mineralische erfahren ihre Belebung, wenn sie über das unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht erkennbar war an Erdniveau erhoben werden, wie wir es ja bei unseren Kom- diesen Stoffen.

Seite 127 Kolloidal – ein Anklang ans Lebendige spielen, z.B. bei der Verwitterung, so zeigt sich, dass das So kann man zum Beispiel irgendeinen mineralischen Stoff, Zusammenwirken von Wärme und Kälte, Luft und Wasser wie Schwefel oder Kieselsäure, der durchaus den Kräften die feste und kristallisierte Substanz nach und nach in ei- der Schwerkraft unterliegt und im Wasser zu Boden sinkt nen kolloidalen Zustand überführt. Feldspat und Glimmer durch relativ einfache Prozesse in einen Zustand überfüh- von der Mineralseite her als die wichtigsten Stoffe für die ren, wo dieses Zu-Boden-Sinken des Schwefels oder der Entstehung des belebten Bodens, erleiden während der Kieselsäure nicht mehr eintritt. Ich kann eine solche kollo- Verwitterung eine völlige Vernichtung ihres ursprünglich idale Lösung (es ist keine chemische Lösung, die ja den kristallinen Zustandes. Die kleinsten Teilchen, die da entste- Stoff verändert hätte) lange aufheben und sie wird unter hen, sind chemisch durchaus noch Feldspat und Glimmer, gewissen Voraussetzungen so schnell nicht wieder die sie sind in ihrem chemischen Bestand zunächst noch unver- Tendenz zeigen, sich unter die Gesetze der Schwerkraft zu ändert. Aber sie haben eine neue Eigenschaft bekommen; begeben. sie sind quellfähig, wie trockener Lehm, den man ins Was- Was liegt denn vor, wenn ich einen Stoff so fein im Wasser ser legt und der dann ein Mehrfaches seines Gewichtes an verteile, dass er nicht mehr zu Boden sinkt? Dann habe ich Wasser aufnehmen kann. Legt man einen Feldspatkristall in seine Oberfläche so vergrößert, dass er sich anschmiegen Wasser, so wird er nicht aufquellen und Wasser aufnehmen. kann an das Wesen des Wassers, sodass an den Grenzflä- Ich kann ihn aber in einer Mühle künstlich so weit zerklei- chen zwischen dem Stoff und dem Wasser, da wo sie sich nern, dass er quellfähig wird. berühren, andere Kräfte ansetzen können. An einer Seifen- Da ist dann die Oberfläche so vergrößert worden, dass sich blase kann man wieder eine andere Erscheinung studie- das Wasser hineinschmiegen kann in diese Substanz. Sie ren. Da berühren sich Luftiges und Flüssiges an der feins- wird plastisch, wie Ton und Lehm. Geschieht das draußen ten Oberfläche und es dringen aus dem Farblosen Farben in der Natur im großen Stile, wird dieser Verwitterungston hervor. Im Bereich des Lebendigen, überall, wo sich eine dann trocken und zerfällt zu Staub, dann kann der Wind Haut oder Rinde bildet, wo sich Stoffe von verschiedener kommen und diesen Staub aufwirbeln und über Kontinente Dichtigkeit, ja gleichartige Stoffe von verschiedener Tempe- hinwegtragen. Er lagert sich im Windschatten der Gebirge ratur berühren, treten Erscheinungen auf, die aus den Eigen- oder am Rande der großen eiszeitlichen Gletscher ab und schaften der Stoffe nicht erklärbar sind. bildet die tiefgründigen Lößgebiete der Erde.

Sensibilisierung von unbelebter Substanz Die Bedeutung der Kieselalgen Man kann all diese Oberflächen- und Grenzflächen-Er- Dieser Prozess der Auflösung, Zerkleinerung und Oberflä- scheinungen im Grunde genommen charakterisieren mit chen-Vergrößerung ist damit noch nicht zu Ende. Das, was dem Begriff der Sensibilisierung. Die Stoffe werden unter immer noch vorliegt als das kleinste Feldspat- und Glim- dem Einfluss der großen, sich berührenden Grenzflächen merteichen, das kommt nunmehr in eine Auflösung hinein, empfindlich und sensibel für andere Kräfte, die vorher nicht die diese Substanz zum Zerfall bringt bis in ihre Bausteine. manifest waren. Es tritt aber beim In-Wirkung-Treten dieser Es ist ein Vorgang, der in vielen Böden durch bestimmte Kräfte keine äußere Veränderung der beteiligten Stoffe ein. pflanzliche Lebewesen vollzogen wird, die Diatomeen, die Verfolgt man nun die Vorgänge, die sich im Boden ab- Kieselalgen. Diese vermögen aus den Kieselsäureverbindun-

Seite 128 gen von Feldspat und Glimmer die Kieselsäure abzuspalten aus dem Bereich der Schwere entrückt, sie ist gequollen und für den Aufbau ihres feinen Skelettes verwenden. Die und schwebt im Wasser. Nun beginnt ein Abbau bis zu den übrigen Stoffe-Tonerde, Kalksalze, Kalisalze, Natronsalz, Bausteinen, der sich scheinbar chemisch-physikalisch oder Eisenoxyd werden bei diesem Vorgang kolloidal, ebenso eindeutig biologisch vollzieht. ein Teil der Kieselsäure. Jedoch ist dieser Vorgang nicht notwendigerweise abhängig von solchen kieselsäureverar- Rückgängig gemachte Mineralisierung beitenden Lebewesen. Man weiß heute, dass er sich auch Man darf davon sprechen, dass diese kolloidalen Baustei- durch das Zusammenwirken von Kälte und Wärme, Luft und ne des Mineralischen etwas sind, in dem das Mineralsein Wasser mit der mechanischen Zertrümmerung im strömen- weitgehend aufgehoben ist. Sodass wir sagen können: den Wasser sich vollziehen kann. Die Verwitterung bis zum kolloidalen Zustand und Was sich da abspielt, ist eigentlich eine umfassende Ver- der anschließende Abbau bis zu den kolloidalen dauung der Mineralsubstanz durch die Kräfte der Elemente. Bausteinen ist eine aufgehobene, rückgängig ge- Es ist ein Prozess, der im Bereich der sogenannten toten machte Mineralisierung. Es ist im besten Sinne des Wor- mineralischen Erde dem entspricht, was im Bereich des Le- tes eine Art Potenzierung der mineralischen Materie, wenn bens als Verdauung bezeichnet werden kann. auch nicht im homöopathischen Sinne. Nun tritt ein Vorgang ein, der als der merkwürdigste im Abbauende Umkreiskräfte Reich der Mineralien betrachtet werden muss: Aus den Ein großer Teil der, bei diesem Abbauvorgang zu beobach- einfachen Bausteinen Tonerdeoxyd, Kieselsäure, Eisenhy- tenden Erscheinungen chemischer und physikalischer Art droxyd etc. entstehen völlig neue Mineralien: der Mont- ist gar nicht verständlich, wenn man ihnen nur diese rein morillonit, der Nontonit und andere. Der Montmorillonit ist visuellen Tatsachen zu Grunde legt. Erst wenn man sieht, der Wichtigste dieser Mineralien. Es ist im Grunde genom- dass der schon vorausgehende kolloidale Zustand der Mi- men unverständlich, warum sich aus gleichgültigen chemi- neralien die Basis abgibt für den Weitergang in den Zerfall schen Bausteinen stofflich streng umrissene neue Materia- in die Bausteine, wird erkennbar, dass hier Kräfte eingreifen, lien bilden sollen. Sie brauchen selbstverständlich zu ihrer die gar nicht mehr im Bereich des Nur-Irdischen liegen. Es Bildung eine bestimmte Sphäre, einen bestimmten Säure- wurde ja schon gezeigt, dass im kolloidalen Zustand der oder Basengehalt ihrer Umgebung, bestimmte Temperatu- Quellung eine Sensibilisierung der Stoffe eintritt. Das heißt ren usw. Aber wir haben es ja hier mit einem eindeutigen aber ein „Empfindlich-Werden“. Wo aber etwas empfind- Aufbauvorgang in der sogenannten toten Mineralwelt zu lich wird, kommen wir in den Bereich der Umkreiskräfte, der tun. Es mag erwähnt werden, dass bei diesem Aufbau- ätherischen und astralischen Kräfte. vorgang gerade des Montmorillonits das Magnesium eine Die Substanz ist rein äußerlich durch die Zerstörung bis entscheidende Rolle spielt, jene Stofflichkeit, die uns wie- zum kolloidalen Zustand als feinste Feldspat- und Glim- derum im Pflanzenreich als wichtiger Faktor begegnet. Es merteilchen empfindlich geworden für die abbauenden, tritt also bei der Neubildung dieser Mineralien schon ein astralischen Kräfte. Diese greifen erst dann ein, wenn die Stoff in den Vordergrund, der dann in der nächsthöheren Verwitterung - oder auch die künstliche Zertrümmerung - Daseinsschicht einen Kardinalstoff für die Pflanzenwelt diesen Punkt erreicht hat. Jetzt ist die Substanz eindeutig darstellt.

Seite 129 Man kann den Eindruck gewinnen, dass dieses merkwür- in der Natur nicht isoliert ab. Sie sind Teilvorgänge in dem dige Hereinkommen des Magnesiums in eine Tonsubstanz, Gesamtprozess der sich belebenden Erde. Von der an- die dann für das Pflanzenwachstum von zentraler Bedeu- deren Seite dringt heran jener Strom aus der zerfallenden tung wird, so etwas andeutet wie eine zarte Belebung der Pflanzenwelt. mineralischen Substanz. Wir wollen versuchen, uns von diesem Substanzstrom von Welche Kräfte sind nun wirksam in diesem Mineralaufbau? den Pflanzenwelt her eine ebenso lebendige Vorstellung Die Formen der Substanzen, aber auch ihre Eigenschaften zu bilden, wie wir das für den mineralischen Substanz- sprechen es aus: Sie sind mikro-kristallin, sie sind nicht strom gewagt haben. mehr kolloidal, aber sie behalten viele Eigenschaften des Kolloidalen. Sie sind quellfähig in einem gewissen Sinne, Die Auflösung organischer Stoffe sie können große Mengen Wasser festhalten. In diesem Sobald die Pflanze abgestorben ist, wird sie gewisserma- Wasser vollzieht sich ein starker Austausch von Mineralstof- ßen von niederen Lebewesen aus dem Bereich der Pilze fen, sowohl zwischen den neuen Tonteilchen untereinan- und Bakterien überfallen, die sie im besten Sinne des Wor- der als auch zwischen den Tonteilchen und den Pflanzen- tes auffressen. Da gibt es solche Lebewesen, die in kurzer wurzeln. Es kommt ein Bewegungselement, eine Art von Zeit die Pflanzenstofflichkeit völlig auflösen in Luft, Wasser feinstem Leben hinein. und Erde. Dazu brauchen sie den Sauerstoff der Luft. Was Es manifestieren sich in diesem Mineralaufbau konkret or- übrig bleibt sind bestenfalls mineralische Salze, Kohlen- ganisierende Kräfte. Das Ergebnis sind kristalline Stoffe, säure, Ammoniak und Wasser. Also lauter anorganische also scheinbar gewöhnliche Mineralien. Es sind jedoch Stoffe, die ín das allgemein Anorganische übergehen und Mineralien, die in hohem Grade durch Vermittlung des nicht sehr beitragen können zum Gedeihen der Pflanzen. Wassers aus der Schwere herausgehoben worden sind. Gäbe es nur solche Pilze, dann wäre es schlimm bestellt Denn sie sind quellfähig, sie haben eine innere lebendi- um das Gedeihen der Pflanzen auf der Erde. Es gibt aber ge Beweglichkeit. Ihre Stofflichkeit ist nicht organisiert von noch andere Lebewesen dieser Art, die brauchen keinen chemisch-physikalischen Kräften, sondern von den astralen oder nur wenig Sauerstoff für ihren Stoffwechsel, die sog. Umkreiskräften, die sie wieder in die Sternengesetzmäßig- Anaerobier. Sie sind überall dort tätig, wo sich letztend- keiten der Kristallisation hineinführen Diese Kristallisation lich eine Torfbildung vollzieht. Dort, wo die Torfbildung ist eine ganz bestimmte, sie ist durchwegs blättrig wie beginnt, ist der Anfangspunkt jener umfassenden Naturvor- beim Glimmer. Damit nähert sie sich im Bereich des Mi- gänge, die das Organische in langen Zeiträumen überfüh- neralischen jener Form, die im Pflanzlichen die Urform ist: ren ins völlig Anorganische. Von diesem Punkt aus geht der dem Blatt. In dieses Blättrig-Mineralische ist hineingebaut, Weg über die Braunkohle, Steinkohle, Graphit bis zum Dia- wie in die lebendige Pflanze das Magnesium. Es sind win- manten, der härtesten kristallierten Materie. Wenn wir diese zig kleine Mineralschüppchen, die schwerelos im Wasser Stoffe heute im Inneren der Erde finden, so sind sie für uns schweben können. Zwischen ihnen und ihrer Umwelt ist ein getreues Abbild jenes kosmischen Involutionsvorgan- dauernde lebendige Bewegung wie in einem lebendigen ges, der das Tote aus dem Lebendigen abscheidet und so Organismus der Stoffwechsel in dauernder Bewegung ist. unsere heutige, physische, mineralische Erde geschaffen Die Vorgänge, die bis jetzt geschildert wurden, verlaufen hat. Torf, Braunkohle, Steinkohle, Graphit, und Diamant sind

Seite 130 wirklich die leblosesten Stoffe, die wir auf der Erde haben. durchlüfteten und durchwärmten Erde ihre Tätigkeit gere- Sie sind viel weiter aus dem Kosmischen herausgefallen als gelt wird. irgend eine andere Mineralsubstanz auf der Erde. Welche stofflichen Vorgänge vollziehen sich nun bei Auflösung und Verdichtung der Humusbildung? Dazwischen spielt sich das Leben ab Der eigentliche Ausgangsstoff für die Vorgänge ist das Da finden wir also beim Zerfallsprozess, bei der Verdau- Lignin, jene Kittsubstanz, die sich in den Zellwänden ung der Pflanzensubstanz durch das Pilz- und Bakterien- zwischen den Zellulosefasern befindet. Sie bleibt üb- wesen einen zweifachen Strom. rig, wenn die Zellulose von den Bakterien verarbeitet Der eine führt mit Hilfe des Sauerstoffes in eine gewisse wird. Dieses Lignin wandelt sich durch verhältnismäßig Verflüchtigung und völlige Auflösung in die elementars- geringe chemische Veränderung u. a. durch die Aufnah- ten Bausteine und der andere unter Aussschaltung in eine me von Ammoniak und Sauerstoff in Humusstoff um. Da weitgehende Verdichtung um und in den Kohlenstoff hi- es aber nur in einem sehr geringen Prozentsatz in der nein. Verflüchtigung und Verdichtung, in diesen beiden Pflanzensubstanz enthalten ist, würde dieser Prozess extremen Bereichen hat das Leben keinen Bestand. Nur im zur Bildung der notwendigen Mengen an Humus nicht Gleichgewicht dieser beiden Tendenzen müssen wir das ausreichen. Daneben gibt es jene Bakterien, die mit Hil- Leben suchen. Wie kommt dieses Gleichgewicht in der Bil- fe ihres Stoffwechsels Zellulose in Humusstoffe umwan- dung der belebten Erde zustande? Die Mineralisierung der deln können. Sie bringen die Pflanzensubstanz vorerst Pflanzensubstanz im Sinne der äußersten Verflüchtigung auf den Weg zur Vertorfung. Wie diese Vertorfung auf- und der äußersten Verdichtung muss aufgehalten werden. gehalten wird, soll später gezeigt werde. Aber wie ist die Herstellung dieses Gleichgewichtes mög- Zunächst soll uns einmal interessieren, was diese Hu- lich? Dadurch, dass im richtigen Verhältnis belebte Luft musstoffe eigentlich hinsichtlich ihrer Stofflichkeit sind. und belebte Wärme in der Erde tätig sind. Damit wird ja Sie gehören nach der Nomenklator der organischen diese Erde über ihr Niveau hinausgeschoben, indem sie Chemie zu den sogenannten „aromatischen Körpern“. richtig durchdrungen wird von Luft und Wärme. In diesem Diese sind in der Pflanzenwelt charakteristisch für die richtigen, gegenseitigen Durchdringen von Luft/Wärme und Blütenregion. Ätherische Öle, Harze, Wachse, bestimm- Wasser/Erde wird erst die fette Weide geschaffen, in der te Giftstoffe haben einen ringförmigen Aufbau; ringfför- nun jene Bakterienkühe weiden können, die das Lignin und mig deshalb, weil die Molekularbiologie sich die jewei- die Zellulose der Pflanzensubstanz in milde Humusstoffe ligen Vorgänge nur aus dieser Formation heraus erklären umwandeln können. Es werden im Bereich dieser Weide kann. Was bedeutet aber ein solcher Kohlenstoffring? Er auch jene Bakterien leben können, die Kohlensäure und ist das Bild für eine Verdichtung des Kohlenstoffes. Nun Ammoniak liefern für den Aufbau der Humusstoffe; es wird man sagen können: wenn diese ringförmigen Stoffe werden auch die anderen leben können, die Humusstof- für die Blütenregion charakteristisch sind, so haben sie fe direkt aus Lignin und Zellulose erzeugen können. Aber eine eindeutige Beziehung zu den astralischen Kräften. sie kommen mit ihrem Leben nicht in die Extreme hineine, Da wirkt in der Blütenregion das Astralische so, dass es sie überwuchern nicht, weil in der Atmosphäre der richtig die Substanzen durch diese innere Verdichtung in das

Seite 131 Leblose hineinführt. Aber das Leblose, das in dieser Die am Anfang geschilderte stufenweise Bildung der Region gebildet wird, ist flüchtig. Wird es am oder im neuen Tonsubstanz aus dem Zerfall ursprünglicher Mi- Stamm gebildet, dann ist es harzig oder wachsig. Nun neralien ist ein Vorgang, der zu äußerst labilen Teilchen sind die Lignine kittartige Substanzen zwischen den Zel- führt. Auch haben diese neuen Mineralien die Tendenz, lulosefasern in der Pflanze und wir dürfen uns an die- sich zu größeren Aggregaten zu verdichten, gewisser- ser Stelle an Ausführungen Rudolf Steiners erinnern, wo maßen größere Kristallgruppen zu bilden. Wenn das bei in medizinischen Zusammenhängen dargestellt wird, bestimmten Bodenverhältnissen eintritt, verlieren diese dass das Astralische gerüstgebende Kräfte im Le- neuen Tonsubstanzen einen großen Teil ihrer Quell- und bendigen entfaltet. Somit wird man die Lignine und Austauschfähigkeit. Sie werden unlebendiger. Sie rut- die aus ihnen entstehenden Humusstoffe in Verbindung schen also wieder ins Mineralische hinunter, genau wie bringen dürfen mit der Wirksamkeit astralischer Kräfte die anaerob entstehenden Humussubstanzen. im Pflanzenreich und mit der Bildung des belebten Bo- Beide Stoffarten, ´das aktivierte neue Tonmineral und die dens. Aber noch in einer anderen Weise zeigt sich an Humussubstanz befinden sich in einem höchst empfind- den Humusstoffen das Wirken astralischer Kräfte. Diese lichen und labilen Zustand. Sie sind offen für die Kräfte Stoffe haben nämlich den Charakter von Gerbstoffen, der Verdichtung und der Schwere, nur eines kann sie vor sie sind den Stoffen verwandt, die wir in den Rinden diesem Schicksal retten, nämlich, dass sich diese bei- finden, in vielen anderen Pflanzenteilen, die bitter, herb den Stoffgruppen zu einer vereinigen. Dies kann durch schmecken und zusammenziehend wirken.Diese Stoffe einfaches Zusammentreten geschehen. Es vereinigt sich haben die medizinische Eigenschaft, das Astralische so unter günstigen Bedingungen - scheinbar ohne äußere anzuregen, dass es in das Ätherische hineinwirkt. Sie Einflüsse - die Humussubstanz, aus dem Pflanzenstrom sind gewissermaßen Angelpunkte, Angriffspunkte des hereinkommend, mit den, aus dem Mineralstrom kom- Astralischen. menden neuen Tonmineralien. Was die Humusstoffe nun aber wesentlich von den ge- Dies ist sicher einer der wunderbarsten Vorgänge, wöhnlichen Gerbstoffen unterscheidet, das ist die Fä- die wir im Grenzgebiet zwischen Mineral- und Pflan- higkeit bei ihrer Bildung Stickstoff aufzunehmen und zenwelt erkennen können. Es ist wirklich ein Wunder, diesen wieder an die Pflanzen weitergeben zu können. dass sich ein Mineral, dessen Mineralsein aufgeho- Sie können auch wiederholt Stickstoff aufnehmen und ben wurde und ein organischer Stoff, dessen Minera- diesen wieder abgeben. lisation aufgehalten wurde, vereinigen können.

Das „königliche Geheimnis“ der Krumenbildung Die „befruchtende“ Bedeutung der Bodentiere Nun haben wir aber oben gesehen, dass die Entstehung Dieser existentielle Vorgang vollzieht sich jedoch nur unter der Humusstoffe auf anaeroben Weg der Beginn der Ver- besonders günstigen Bedingungen, und die sich bilden- torfung ist. Diese tritt auch ein, wenn nicht bald nach den sogenannten „stabilen Humusstoffe“ zeigen nicht die der Entstehung ein Vorgang hinzukommt, den man als hohe Stabilität jener Humusstoffe, wie sie durch den Stoff- das „königliche Geheimnis“ des Bodenlebens bezeich- wechsel der Bodentiere entstehen. Die Regenwürmer, die nen könnte. Erdmilben, Asseln und Springschwänze unserer Acker-,

Seite 132 Garten-, Wald- und Wiesenböden, das sind die eigentli- und dem Leben der Pflanze geworden. chen Bildner unserer wertvollsten hochstabilen Humusar- Aus dem Dargestellten kann ersichtlich werden, von wel- ten. Im Darm dieser Tiere kann sich in besonders intensiver cher Bedeutung der Hinweis Rudolf Steiners aus dem Jahre Weise der Humus mit dem Stickstoff und den neuen Ton- 1924 ist, dass man „den gesunden Stickstoffgehaltes des substanzen durchdringen. Da arbeitet z.B. der Regenwurm Bodens dadurch herbei führen muss, dass man ein Prinzip noch den Kalk in dieses Stoffe-Kräfte-System ein, der uner- findet, wie man den Boden durcharbeiten lässt von Regen- lässlich ist für die erwähnte Stabilität. würmern und ähnlichen Tieren.“ Da ist eine völlig neue Stofflichkeit entstanden: Die Verbin- dung eines Mineralischen mit einem Organischen. Und die- Erschienen in den „Mitteilungen des Forschungsringes für ses ist nun belebt in dem Sinne, dass es der Pflanzenwelt „biologisch-dynamische Wirtschaftsweise“. 1948-Heft 6. in der richtigen Weise die Mineralstoffe und den Stickstoff vermittelt. Da ist ein intensives Strömen und Bewegen der Substanz zwischen dem stabilen Humus und der Pflanzen- wurzel. Was die Pflanze nimmt, vermag die belebte Erde des Humus sich wieder selbst einzuverleiben aus den Le- bensprozessen ihrer Umgebung. Er ist der lebendige Ver- mittler zwischen dem Leblosen des kristallisierten Minerals

Seite 133 Seite 134 Das Hofentwicklungsgespräch Doris Edler…

Wie der Name schon sagt, soll ein Hofentwicklungsge- wicklungsgesprächs, ein die Entwicklung der Men- spräch zur Entwicklung eines Demeterhofes beitragen. schen auf den Höfen fördernder Dialog sein. In dem In Deutschland wird dieses als Anerkennungsgespräch Gespräch geht es nicht darum, Urteile über andere zu bezeichnet. Jeder Hof, jede landwirtschaftliche Indi- fällen, sondern vielmehr durch fördernde Fragen zu vidualität ist anders, d. h. jeder Bauer, jede Bäuerin helfen, in eine sorgfältig reflektierte Selbstbeurteilung setzt individuelle Ziele und Maßnahmen für die Ent- zu gelangen. Das Gespräch soll damit die Entwicklung wicklung eines Betriebes. In der heutigen Zeit, die für der Eigenverantwortung auf den Höfen unterstützen die Landwirte durch starken wirtschaftlichen Druck und stärken. gekennzeichnet ist, wird es zunehmend schwieriger, ideelle und persönliche Ziele umzusetzen und zu ver- In Goethes Märchen wird auf die Frage: „Was ist er- wirklichen. Die biologisch-dynamische Wirtschaftswei- quicklicher als Licht?“ geantwortet: se beinhaltet viele Aspekte, die über das rein Materi- „Das Gespräch!“ elle hinausgehen. Diese Art zu wirtschaften muss aber aus freiem Willen ergriffen werden. Mit Hilfe des Hof- Jeder macht die Erfahrung, dass ein ehrliches Ge- entwicklungsgespräches, sollen die Menschen auf den spräch, in dem eigene blinde Flecken „beleuchtet“ Betrieben bei der Entwicklung ihrer Betriebe und der werden, zur Entwicklung beiträgt. Die Reflexion mit Qualität der biologisch-dynamischen Arbeit begleitet Gleichgesinnten über gewohnt gewordene Verhaltens- und unterstützt werden. Dies hat insbesondere eine weisen, bzw. betriebliche Arbeitsabläufe, lässt einen soziale Dimension. Dabei geht es um das Interesse am erkennen, was gut ist oder was unpassend wurde und Mitmenschen, um Gemüts- und Herzensangelegenhei- jetzt neu organisiert gehört. ten und um die Wahrnehmung und die Anerkennung Grundlagen für ein gelingendes Gespräch, die allen der geleisteten Arbeit im Sinne einer „wertschätzen- Teilnehmern bekannt sein und ihre innere Haltung be- den Erkundung“. stimmen sollen. Deshalb sollte ein wesentliches Element des Hofent-

Seite 135 Die innere Haltung sollte sein: Für die Arbeitsgruppe: • wertschätzend und respektvoll • Bessere gegenseitige Wahrnehmung wird möglich. • das Ganze wahrnehmend, lauschend • Chance, einander besser kennenzulernen. • offen und ehrlich • Beziehungen können vertrauensvoller werden. • durch direktes Ansprechen der Probleme , konzentriert • Zusammenhalt kann wachsen. und zielorientiert • Größere Außenwirkung. hingerichtet auf die Fragen zur Selbstfindung der Lösung da- Für den Verband: rauf achten, dass persönliche Dinge im Raum bleiben. • Das Wir-Gefühl wird kann gestärkt werden. • Qualität kann gefördert werden. Auf jedem Demeter-Betrieb soll einmal pro Jahr ein solches Gespräch stattfinden, günstigenfalls mit denselben Teilneh- Themenbereiche: mern. Im Mittelpunkt stehen der Betrieb und die ihn füh- Zur Bewusstmachung der eigenen Problemschwerpunkte renden Personen, die befreundete Betriebsleiter (Paare) zu dient die folgende Zusammenfassung: diesem Gespräch einladen. Weitere Teilnehmer können Fa- milienangehörige, Menschen aus der Betriebsgemeinschaft, 1. Der Betrieb und seine Innenbeziehungen: Kunden und andere sein. Mindestens 3 Teilnehmer sind nötig: • Familie, Kinder, Eltern ( ev. Hofübergabe?) Mindestens 1 Person von der Gastgeberseite, 1 Person als • Mitarbeiter und Angestellte, Auszubildende, Betreute Gesprächsleitung, 1 Person für die Erstellung des Protokolls. • Hofstruktur und rechtliche Organisation (Familienbetrieb, Hofgemeinschaft, etc.) Welche Chancen bergen die Hofentwicklungsgespräche? • Ausbildung: Wird auf dem Betrieb ausgebildet? Qualifika- Für die Betriebsleiter: tion der Betriebsleiter. • Sie können sich aussprechen • Welche Weiterbildungsmaßnahmen: (biodynamische, all- • Sie bekommen Aufmerksamkeit und Anerkennung gemeinbildende, im Verband, sonstige) werden genutzt? • Sie erhalten Rückmeldungen und Tipps • Sie werden unterstützt und gestärkt 2. Der Betrieb und seine Außenbeziehungen: • Durch gemeinsames Bewegen der Gedanken und Rück- • Soziales Umfeld (Engagement in der Gemeinde, Schule, fragen der Besucher, werden Ziele genauer beleuchtet, er- Kirche, Vereine, etc.) scheinen können besser ergriffen werden. • Erscheinungsbild des Betriebes (Öffentlichkeitsarbeit, Be- kanntheitsgrad, etc.) Für die Besucher: • Vermarktungswege und Vermarktungspartner (Hofladen, • Sie bekommen Anregungen für den eigenen Hof Händler, Verarbeiter) • Sie erhalten die Möglichkeit des Aufwachens am anderen • Kundenkontakte und Zusammenarbeit • Ihnen wird Zeit und Aufmerksamkeit zuteil. • Mitwirkung im Demeter-Verband (Stellung in der Arbeits- • Sie erleben etwas anderes und kommen dadurch aus dem gemeinschaft) eigenen Trott heraus. • Kulturimpulse, künstlerische, therapeutische, anthroposo-

Seite 136 phische Angebote und Beziehungen, Der Ablauf eines Hofentwicklungsgespräches • Hoffeste, Feiern 1. Begrüßung und Vergegenwärtigung 3. Der Betrieb als Organismus: Der/die Moderator/In erklärt den Zweck des Treffens: • Hofkreisläufe: Welche gibt es und wie sind diese gestal- • Neue Form der „Demeter-Anerkennung“ soll entwickelt tet? Aus der aktuellen Klimadebatte heraus bietet sich an, werden. eine Kohlenstoffbilanz für den Betrieb zu erstellen! • Der Hof kann verglichen werden mit einem Wesen, das • Tierhaltung: Art der Tierhaltung, Bezug der Flächen, Tier- werden will, in Entwicklung ist, das Potential hat. gesundheit, Zucht, Stierhaltung, Fütterung, Kooperation mit • Dieser Ort, dieser Betrieb, und seine Menschen stehen anderen Demeter-Betrieben heute im Mittelpunkt. • Pflanzenbau: Fruchtfolge, Pflanzenschutz, Düngung, Pflan- • Hinweis auf die innere Haltung. zenzüchtung, verwendete Sorten • Es gilt die Vereinbarung: • Naturschutz und Landschaftsgestaltung: Hecken, Biotope, • Jeder trägt dazu bei, das Gespräch gelingen zu lassen. Wald, Pflege von Naturschutzflächen • Jeder Teilnehmer mobilisiert die innere Haltung von Wohl- • Regenerative Energienutzung: Biogas, Holz, Solar oder Fo- wollen und Wertschätzung tovoltaik • Alles Persönliche bleibt bei den Teilnehmern.

4. Der Betrieb und sein Verhältnis zu den biologisch- 2. Hofbegehung dynamischen Präparaten: • Da die Gefahr der Verzettelung (Zeitverlust) gegeben ist, • Welche Erfahrungen werden gemacht? Was wird konkret, werden nur 3 Bereiche am Hof besucht: wie und von wem gemacht: Kompostpräparate, Hornmist- - ein Lieblingsplatz und Kieselpräparate-Anwendung, Rühren, Ausbringung. - ein typischer Platz für den Hof - eine Problemstelle 5. Impulse – Kraftquellen • Die Hofleute begründen, wieso diese Plätze zum Ver- • Woraus schöpfen die Menschen auf dem Betrieb die Im- ständnis des Hofes und der Menschen wichtig sind. pulse für Ihre Arbeit? • Die Besucher stellen nur Verständnisfragen. • Der Schwerpunkt liegt auf biologisch-dynamischen As- 6. Was lebt im Betrieb – wo soll’s hingehen? pekten. Die Frage nach der Motivation, welche Ziele setzen sich die Menschen auf dem Betrieb? 3. Gespräch über die Betriebsentwicklung Das eigentliche Gespräch in der Stube dauert ca. 60-90 Mi- 7. Wünsche und Anregungen nuten und besteht aus der Rückschau auf das vergangene • Welche Wünsche und Anregungen gibt es für die Arbeit Jahr und die Vorschau auf das kommende Jahr. im Verband? Durch Fragen der Teilnehmer werden die hofrelevanten The- • Wo wird Unterstützung gebraucht und erwartet? menbereiche beleuchtet.

Seite 137 Die Rückmeldungen der Besucher: • Die Rückmeldung soll wertschätzende, ehrliche Kritik sein; Gastgeber hören nur zu. • Es findet keine Diskussion statt. • Die Anerkennung des Geleisteten nicht vergessen. • Gastgeber bzw. Gastgeberin entscheiden selbst, was sie annehmen wollen und was nicht; rechtfertigen oder vertei- digen sich nicht. • Gastgeber können jederzeit abbrechen.

Die Rückmeldungen der Gastgeber: • Was vom Gespräch wollen wir annehmen und umsetzten? • Holen wir dazu Unterstützung, bei wem? • Vereinbarungen, Ziele und Absichten sollen möglichst konkret formuliert und festgehalten werden.

4. Rückmeldung zum Ablauf des Hofentwicklungsgesprächs • Verbesserungsvorschläge für die Zukunft • Unterschreiben der Protokolle - hofintern bzw. für die Ge- schäftsstelle

5. Offizieller Abschluss

Diese Zusammenfassung wurde von Doris Edler, nach der Gruppenarbeit von Allram Martin, Anderl Oskar, Höritzauer Brigitte und Andreas, Martina Nachtsheim und Doris Edler nach folgenden Unterlagen verfasst: Beschorner, Stefan: Hofentwicklungsgespräch; Schulung Anerkennungsgespräche; Demeter Bayern 2008, 2003.

Seite 138 Ein mögliches Konzept für zukunftsorientierte Höfe der Gegenwart: „Community Supported Agriculture – Solidarische Landwirtschaft“

Wolfgang Eichinger

Landwirtschaftliche Entwicklung in Österreich; Zahlen zum Trotz steht eine positive Entwicklung der Zahl biolo- und Fakten gisch bewirtschafteter Betriebe, die sich im Jahr 2012, ös- terreichweit auf 21.575 beläuft und einen Anteil von ca. 16 Die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Landwirt- % der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich schaft sind derzeit, aus meiner persönlichen Sicht, nicht ausmacht. Ein Umdenken in der Landwirtschaft findet also – gerade die besten. Die Aussicht auf viele Stunden schlecht langsam aber doch – statt. (Daten vgl. Grüner Bericht 20121) bis nicht bezahlter, großteils schwerer und einsamer Arbeit, machen nicht gerade Hoffnung auf ein zufriedenes und er- Der Demeterbund hat in Österreich eine Sonderstellung fülltes Leben – das muss man schon wirklich wollen. Nicht unter den Bioverbänden, da er ein Verband ist, dem nicht ohne Grund wurden seit 1950 in Österreich täglich 12 land- nur Landwirte, sondern auch Verarbeiter und Konsumenten wirtschaftliche Betriebe geschlossen. Die Bewirtschafter und beitreten können. Derzeit sind 178 landwirtschaftliche Be- Familienangehörigen mussten sich neue Berufe suchen. Die- triebe, 274 Konsumentenmitglieder und 27 Verarbeiter beim ser langjährige Durchschnitt gilt ebenfalls für die Jahre nach österreichischen Demeterbund gelistet. dem EU-Beitritt 1995 und bis heute. Was bedeuten nun all diese Zahlen und Entwicklungen und Interessant ist auch die Tatsache, dass derzeit über 50 % wohin soll das alles führen? Welche Wege gibt es, um der der landwirtschaftlichen Betriebe im Nebenerwerb geführt Landwirtschaft wieder die Bedeutung in der Gesellschaft werden. Dieser Trend führt unausweichlich dazu, dass die zukommen zu lassen, die sie verdient? Bedeutung der landwirtschaftlichen Arbeit in der Gesell- schaft zunehmend in den Hintergrund tritt. Die Abfolge Haupterwerb – Nebenerwerb – Betriebsaufgabe in der Ge- nerationenfolge, ist ein gängiges Szenario. Diesem Szenario 1 Download Grüner Bericht: http://www.gruenerbericht.at/cm3/ index.php

Seite 139 In einer aktuellen Arte-Dokumentation2 kommt unter ander- im Jahre 1990. Was ist nun CSA, oder solidarische Land- em Hans Herren, der Leiter der IAASTD-Gruppe, die den wirtschaft und auf welchen Werten beruht dieses Konzept? Weltagrarbericht3 herausgegeben hat, zu Wort. Er meint in dem kurzen Beitrag: „Ein ‘Weiter wie bisher’ ist keine Option „Community Supported Agriculture (CSA)“, oder auf mehr!“ und dass es wichtig sei, der Landwirtschaft wieder Deutsch „Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)“ ist ein mehr Bedeutung zukommen zu lassen und den Arbeiten- Zusammenschluss von Konsumenten und Produzenten, den in der Landwirtschaft ordentliche Löhne zu bezahlen. der auf gegenseitiger Unterstützung beruht und der (meist) vertraglich abgesichert ist. Eine Gruppe von Konsumenten Solidarische Landwirtschaft als möglicher Ausweg aus schließt sich mit einem oder mehreren Produzenten zu dem ökonomischen Diktat einer Interessensgemeinschaft zusammen, die das Ziel hat, Auf der Suche nach Konzepten, die solch eine Entwicklung für Produzenten einen gesicherten Absatzmarkt zu schaffen ermöglichen, bin ich in den letzten Jahren auf das Konz- und Konsumenten die Sicherheit zu geben, dass sie die ept der „community supported agriculture“ (CSA), auf besten, frischesten und auf kürzestem Weg transportierten Deutsch „solidarische Landwirtschaft“ (SoLaWi) gestoßen. Lebensmittel erhalten, die sie nur bekommen können. Solidarlandwirtschaft baut auf dem Prinzip der assoziativen Wirtschaft, wie Rudolf Steiner den Zusammenschluss (As- Wie kann so ein Zusammenschluss funktionieren? soziation) zwischen den Akteuren entlang der Wertschöp- Beispiel: GeLa Ochsenherz. fungskette nannte. Einer der ersten Betriebe, die dieses Konzept umsetz(t)en, ist der Buschberghof4 in Deutschland. Grundvoraussetzung ist, dass auf beiden Seiten die Of- Auf der Seite des Buschberghofs liest man sogar den Slogan fenheit für die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen, „Ein Hof der Zukunft“. Wenn man darauf klickt, kommt man Werten und Wünschen des jeweils anderen und eine hohe zu einem Manuskript eines Vortrags über solidarische Land- Bereitschaft zur Kommunikation vorhanden ist. Wichtig ist es, wirtschaft von Trauger Groh, einem der Mitbegründer des am Beginn eines solchen Zusammenschlusses gemeinsame Buschberghofs und Initiator der CSA-Bewegung in den USA. Werte, was die Produktion und die Verteilung der Lebens- Er veröffentliche gemeinsam mit Steven McFadden das Buch mittel betrifft, zu erarbeiten. So wird gemeinsam erarbeitet, „Farms of Tomorrow - Community Supported Farms - Farm worauf man sich einlässt und beide Seiten der Solidarge- Supported Communities“ erschienen bei der Biodynamic meinschaft können in diesem Prozess mitgestalten. Das ist Farming and Gardening Association5 in Kimberton (USA) die Idealvorstellung - in der Praxis sieht das manchmal Auf- grund und von Zeitmangel anders aus. 2 „Zukunft pflanzen – Bio für 9 Milliarden“ von Marie-Monique Robin http://www.arte.tv/de/zukunft-pflanzen-bio-fuer-9- Es ist recht augenscheinlich, dass so ein Zusammenschluss milliarden/6815836.html in den seltensten Fällen von heute auf morgen erarbeitet 3 Weltagrarbeicht der IAASTD-Gruppe: http://www. wird und dass es, wenn es demokratisch zugehen soll, weltagrarbericht.de/ einige Treffen und eine starke und beständige Kerngruppe 4 Homepage des Buschberghofs: http://www.buschberghof.de/ braucht, um solch eine Entwicklung voranzutreiben. Das 5 Homepage der biodynamic farming and gardening association: ist ein möglicher Weg, der in der Vergangenheit bere- https://www.biodynamics.com/csainfo

Seite 140 its in einigen Gemeinschaften zum Erfolg geführt hat. Ein heißt „CSA For Europe7“ und wurde vom Verein URGENCI8 Beispiel dafür ist der Gärtnerhof Ochsenherz6 in Gänsern- ins Leben gerufen. Projektmitglied in Österreich ist der glo- dorf bei Wien. Sein Konzept heißt „GeLa“ (gemeinsam balisierungskritische Verein Attac. Es wurde eine Vielzahl Landwirtschaften). Die Vorarbeiten für die Gründung der an Höfen besucht und Erfahrungen über CSA-Höfe gesam- Gemeinschaft liefen etwa ein Jahr und wurden unter an- melt. In Frankreich etwa bestehen schon tausende solcher derem durch einen Vortrag von Herrn Stränz von der CSA Höfe, die dort AMAPs genannt werden, was so viel be- Buschberghof unterstützt. Die CSA besteht als „Voll-CSA“ deutet wie „Zusammenschluss für die Erhaltung bäuerlicher seit 2011 und umfasst derzeit ca. 230 Mitglieder. Auf einer Landwirtschaft“. Dort wird vor allem gezeigt, dass diese Anbaufläche von 4 ha (Gesamte Hoffläche: 8 ha) wird eine Wirtschaftsform für ländliche, wie auch stadtnahe Höfe funk- große Vielfalt an Gemüse angebaut, die für eine ganzjäh- tioniert. Es gibt eine Vielfalt an AMAP-Höfen die, angefan- rige Versorgung der meisten Mitglieder ausreicht. Mitglied- gen von Gemüse, über Fleisch, bis hin zu Milchprodukten, schaften können Wahlweise für 6 Monate, oder für ein gan- Brot und Honig, alles über die Gemeinschaften absetzen. zes Jahr abgeschlossen werden. Die Mitgliedschaft kostet In den AMAPs wird meistens das Angebot vieler Betriebe etwa EUR 1120,00 für ein Jahr und kann wahlweise einmal einer Region gebündelt und an eine Gemeinschaft von jährlich im Voraus, oder monatlich bezahlt werden. Die Be- Konsumenten in der Region – nach Vorbestellung und Ver- träge sind nur Richtwerte, die nach oben und unten - nach tragsabschluss für ein Jahr – verteilt. Das gibt die Sicherheit eigenem Ermessen und finanziellen Möglichkeiten - ange- der Abnahme bzw. Lebensmittelversorgung in der Region passt werden können. Durch die Mitgliedsbeiträge wird das und ermöglicht einen regen Austausch zwischen Bauern gesamte Budget für den Hof aufgestellt, inclusive der Löhne und Konsumenten. für derzeit 8 Mitarbeiter, die nach gängigen Kollektivvertrag- slöhnen bezahlt werden können (was vor der Umstellung In England wurde die Entwicklung von CSA vor allem durch auf das CSA-Konzept nicht möglich war). Weitere Einnah- ein Projekt der „Soil Association“ (Bioverband in GB) namens mequellen des Hofes sind der Saatgutverkauf in Kleinmen- „Making local food work“9, das vom nationalen Lotterien- gen und der Jungpflanzenverkauf. fonds „The Big Lottery Fund“ finanziert wurde, vorangetrie- ben. Auf den Seiten der Soil Association finden sich auch Für wen kann so ein Zusammenschluss funktionieren? sehr gut verwendbare Infomaterialien, die gratis herunterge- Beispiele aus anderen Ländern – Projekt csa 4 europe. laden werden können. Ein interessantes Beispiel, das wir auf einer Austauschreise kennen gelernt haben, ist die Canalside Auf Informationsreisen, die von der europäischen Kom- Community Farm in der Nähe von Royal Leamington Spa. mission co-finanziert wurden, konnten im vergangenen Der Betrieb wird von einem jungen Paar geführt. Ein Teil der Jahr einige Bäuerinnen und Bauern aus Österreich in Länder Flächen wurde als CSA aus dem restlichen biologisch ge- fahren in denen schon viele CSA-Höfe bestehen. Das Projekt 7 Infoseite zu CSA For Europe: http://attac.at/csa 8 Homepage des weltweiten CSA-Netzwerks URGENCI: http:// urgenci.net 9 Homepage von „making local food work“ zu 6 Gärtnerhof Ochsenherz: http://www.ochsenherz.at/ Video über CSA: http://www.makinglocalfoodwork.co.uk/who/ Ochsenherz: http://youtu.be/bh469GuIw4E CommunitySupportedAgricultureSoilAssociation.cfm

Seite 141 führten Ackerbaubetrieb ausgegliedert und von der CSA ge- (Abgerufen am: Montag, 23. April 2012, 16:20 Uhr) pachtet. Es werden zwei Gärtner von der CSA beschäftigt, die sich um den Gemüseanbau in Folientunneln und Frei- Bezug der im Rahmen der Bachelorarbeit erstellten Broschü- landflächen kümmern. Sie werden zu 100 % von der CSA ren, sowie des Kurzdokumentarfilms über die GeLa Ochsen- finanziert, ebenso wie die Pachtzahlung an den Betrieb. herz per E-mail an folgende Adresse: [email protected]

Zusammenfassung und Ausblick CSA in Österreich Dieser Artikel soll ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Dieser Vortrag wurde im Rahmen der Bio-Austria Bauerntage man sich Höfe in Zukunft vorstellen kann. Es sind keine all- 2013 in Puchberg gehalten und wurde vom Autor für den gemeingültigen Konzepte, die für jeden Hof funktionieren, Sammelband vorbereitet. aber mögliche Wege, in welche Richtung man auf den Hö- fen weitergehen kann. Wirklich gelebte und auf Vertrauen aufgebaute Gemein- schaften sind in der heutigen Zeit keine Selbstverständ- lichkeit mehr und bedürfen der Mitarbeit möglichst aller Beteiligten, um die Gemeinschaften lebendig, interessant und beständig zu machen. Das ist mit Sicherheit eine große Herausforderung. Auch aus dem Grund, weil die persönli- che Entwicklung eines jeden Menschen heute sehr wichtig ist und die Anforderungen an jeden einzelnen anscheinend immer größer werden. BAYER et al (2012): Community Supported Agriculture (CSA) in Österreich im Kontext der ökologischen Landwirt- schaft. Bachelorarbeit am Inst. f. Ökol. Landbau der Univ. f. Bodenkultur Wien. Betreuer: Christian R. Vogl. Bei Interesse senden Sie bitte eine mail an: [email protected]

BMLFUW (2012): Grüner Bericht für die Landwirtschaft 2012. Download unter: www.gruenerbericht.at (Abgerufen am: Di. 18. Dez. 2012, 14:00 h)

IFOAM (s.a.): Prinzipien des Ökolandbaus. Herausgegeben von der IFOAM. Download unter: http://www.ifoam.org/germanversion/ifoam/prinzipi- en_des_oekolandbaus.html

Seite 142 Seite 143 Autorenliste

Hubert Winter Dr.: DI, LEC.TU Graz, Leiter der Technisch Langjähriger Aktivist des globalisierungskritischen Vereines At- -Naturwissenschaftlichen Arbeitsgruppe der allgemeinen tac in der Inhaltsgruppe zur Landwirtschaft „Agrarattac“. Mit- anthroposophischen Gesellschaft in Graz. arbeit bei Aktionen des Regionalen Alternativenforums Horn.

Doris Edler: Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft, De- Jürgen K. Friedel Dr.: geb. 1962 in Augsburg, Deutschland. meterbäuerin seit 1983 mit Schwerpunkt Milchverarbeitung Studium der Agrarwissenschaften an der Technischen Uni- und Direktvermarktung, Encouraging-Trainerin, Lebens-und versität München-Weihenstephan und an der Universität Sozialberaterin, Kollegiumsmitglied der LFG . Hohenheim, Fachrichtung Pflanzenproduktion von 1981 bis 1988. 1993: Promotion in Agrarwissenschaften. 2001: Habi- Michael Kassner: geb. 1951. Nach 12 Jahren in den Wal- litation in Bodenbiologie. Seit 2001: Außerordentlicher Uni- dorfschulen Rendsburg und Marburg Arbeit in der Heilpä- versitätsprofessor am Department für Nachhaltige Agrarsys- dagogik in England und Deutschland. 7 Jahre biologisch- teme, Institut für Ökologischen Landbau, BOKU Wien. dynamischer Land- und Gartenbau. 12-jährige Mitarbeit im „Arbeitskreis für Ernährungsforschung, Bad Liebenzell“ in Elisabeth Stöger Dr.: geb. 1965 in St. Pölten. Studium der Versuchsgarten, Lehrküche, Forschung, Kursplanung und Veterinärmedizin In Wien, Promotion 1996. Seit 1996 tier- Seminarleitung, Entwicklung von Naturkostprodukten. Seit ärztlich tätig in Kärnten, mit Schwerpunkt Wiederkäuer in 1993 selbständig als Berater für Ernährung und Erziehung mit verschiedenen Tierarztpraxen. Seit 1990 Beschäftigung mit Vorträgen, Seminaren, Beratungen in Deutschland, Schweiz, Homöopathie und Phytotherapie; seit 1994 Mitglied der Österreich, Luxemburg, Frankreich, Italien, Estland, Russ- internationalen Gesellschaft für anthroposophische Tier- land, Slowenien. Unterricht in der Erwachsenenbildung medizin (IGAT). 2005-2008 Durchführung des Projektes: und Mitbegründung des „Internationalen Freien Seminars für „Wiederkäuergesundheit im Bio-Landbau“, mit Bestandsbe- Ernährung, Erziehung und Diätetik“, Dozent am Waldorfkin- ratungen und –sanierungen sowie Fortbildung für Landwirte dergarten-Seminar, an der Fachschule für Sozialpädagogik österreichweit. Stuttgart. Gwendolyn Fischer hat Sozialpädagogik an der Universität Wolfgang Eichinger: geb. 11. 09. 1980, aufgewachsen auf Tübingen studiert bevor sie Priesterin der Christengemein- einem Gutsbetrieb im niederösterreichischen Waldviertel, schaft wurde. Jetzt arbeitet sie als Gemeindepfarrerin in der 1995 auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt wur- Graz, Kärnten und Ungarn. Sie hat das Priesterseminar der de. 2001 bis 2005:Student der Elektrotechnik und Raum- Christengemeinschaft in gegründet. Dort hat sie akustik in Graz. 2006 bis laufend: Student der Agrarwissen- am interreligiösen Dialog der Studentenschaft mitgearbeitet schaften an der Univ. f. Bodenkultur Wien. 2012: Bachelor- und insbesondere am Brückenschlag zwischen Landwirt- arbeit zum Thema „Community Supported Agriculture in schaft und Religion. Denn beide bedürfen eines vertieften Österreich im Kontext der ökologischen Landwirtschaft“. Verständnisses für das Umgehen mit Stoffen und Substan- Im Rahmen der Arbeit wurde eine Informationsbroschüre zen. zu CSA und ein Kurzdokumentarfilm über den Gärtnerhof Ochsenherz erstellt. Manfred Klett Dr.: geb. 1933 in Ostafrika, Besuch der Wal-

Seite 144 dorfschule in Stuttgart; Studium der Agrarwissenschaften in Johannes Fetscher Dr.: geb. 1945 in Göttingen. 1969 bis Hohenheim; Mitarbeit am Institut für biologisch-dynamische 1977 Landwirtschaftsstudium an der Univ. Hohenheim mit Forschung in Darmstadt; 21 Jahre bio-dynamischer Landwirt Promotion über die Umstellung eines biologisch-dynami- auf dem Dottenfelderhof in Bad Vilbel; Mitbegründer der schen Betriebes auf der Schwäbischen Alb., 1978 bis 1990 Landbauschule Dottenfelderhof; von 1987 bis 2001 Leiter Geschäftsführung und Beratung für die biologisch.-dyna- der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum. mische Arbeitsgemeinschaft in Nordrhein-Westfalen, 1991 bis 1999 EG-Kontrollstellenleiter (ÖKOL) für Ökologischen Oskar Anderl: bewirtschaftet seit 1997 im südlichen Wald- Landbau für Erzeugung, Verarbeitung und Import; 1999 bis viertel im Nebenerwerb eine bio-dynamische Landwirt- 2011 selbständiger Betriebsleiter eines Gartenbaubetriebes schaft. Obst, Tafeltrauben, Tee- und Gewürzkräuter, Gemüse mit Abo-Vermarktung. Seit 2008 wissenschaftlicher Versuch für den Eigenbedarf. An Tieren leben Bienen, Kühe, Schafe über Humusvermehrung mit Hilfe der Regenwürmer. und Hühner am Hof. Lehr- und Forschungsgemeinschaft für biodynamische Barbara Scherbaum Maga.: seit 1986 angestellte Apothe- Lebensfelder (LFG) hat sich zum Ziel gesetzt, Aus- und kerin in Wien und beschäftigt sich theoretisch wie praktisch Weiterbildung für den biologisch-dynamischen Landbau in mit Homöopathie und Anthroposophie. Sie hat kurze Zeit Österreich zu entwickeln. Bisher wurden folgende Bildungs- bei WALA-Arzneimittel in Deutschland gearbeitet und ist schienen etabliert: Mitglied der Österreichischen Gesellschaft Anthroposophi- Weiterbildung für praktizierende Biodynamikerinnen ange- scher Pharmazeuten. boten in Tagesseminaren mit Fach-Vortragenden aus Öster- reich, Deutschland und der Schweiz. Diese Seminare wer- Anton Rohrer Dr.: Arzt für Allgemeinmedizin mit Schwer- den in Zusammenarbeit mit dem LFI organisiert. punkt Homöopathie. Ab 1985 in der eigenen Praxis in Groß- Ringvorlesung „Biologisch-dynamischer Landbau“ an der lobming, Obersteiermark, tätig. Von 1996 bis 2009 Universi- Universität für Bodenkultur tätslektor für Homöopathie an der Med-Uni Graz. Von 1999 Grundlehrgang für biologisch-dynamischen Landbau. Dieser bis 2007 Konsiliararzt für Homöopathie an der Landesner- Lehrgang umfasst 8 zweitägige Module über einen Zeitraum venklinik Sigmund Freud in Graz. von 2 Jahren und wird über das Lebensministerium gefördert. Harald Siber Dr.: praktischer Arzt und In- Die wichtigsten Vorträge werden gesammelt und von der ternist in Wien mit ÖÄK-Diplom für LFG in Sammelbänden, wie dem vorliegenden, herausge- Anthroposophische Medizin und Homöo- geben. Auch dieser Sammelband wird öffentlich gefördert. pathie. Er ist Oberarzt an der Akut-Geriatrie Diese Bildungsarbeit wird vom Kollegium der LFG durch- des Sophienspitals in Wien. 1989-1998 Vorsitzender der geführt. Derzeit gehören dem Kollegium Doris Edler, Sylvia Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte Österreichs, ver- Heinzl, Waltraud Neuper, Oskar Grollegger, Wilhelm Erian stärkte Öffentlichkeitsarbeit; Entwurf der Ausbildungsord- und Rudolf Keiblinger-Bartsch an. nung zur Vorbereitung des Ärztekammerdiploms für kom- plementäre Medizin; 1991 Gründung der komplementärme- dizinischen Ambulanz im Sophienspital.

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