#21 / November 2014 / www.filmmuseum-.de

Drehort Hamburg Die Edgar-Wallace-Filme

30 Jahre Privatfernsehen TV-Nachrichten aus der City Nord

Legendärer Produzent Gyula Trebitsch zum 100sten 4 ALTE HAMBURGER LICHTSPIELHÄUSER Ein Kiez-Kino wie aus dem Bilderbuch: Alt-Heidelberg Lichtspiele (1925 – 1945)

6 FILMGESCHICHTE Auf den Spuren von Gyula Trebitsch in

13 BUCHREZENSION Ein junger Mann kommt nach Hamburg

14 FILM IN HAMBURG Gruselfilme am Fließband Wie die ersten Edgar-Wallace-Filme entstanden

21 FILMARCHIVE Das Landesfilmarchiv im Zentrum für Medien des Landesinstituts für Schule Bremen

23 BUCHREZENSION Erster Weltkrieg und kein Ende!

24 FILMMUSEEN Studio Bendestorf – Quo Vadis?

26 KINOGESCHICHTE 35 Jahre Metropolis: Ein besonderes Kommunales Kino

28 FILMTECHNIK Nach 30 Jahren: Eine neue Super-8-Kamera

30 FILMSTADT HAMBURG Zwischen hohen Häusern und hohen Tieren Heinz Rühmann und die Grindelhochhäuser

36 FILMGESCHICHTE Das »untertemperierte« Mädchen aus Hamburg Eine Hafengeschichte der besonderen Art

40 FERNSEHGESCHICHTE Vor 30 Jahren in der City Nord: Start des Privatfernsehens

48 FERNSEHGESCHICHTE 30 Jahre Privat-TV: Von geforderter Programmvielfalt zum Trash-Fernsehen?

52 FILMGESCHICHTE »Winnetou« in Schwarzweiß Nicht realisiertes Hamburger Filmprojekt

57 AUS DEM VEREIN Jahresrückblick 2013 /2014

58 MATINEEN Filmmatineen 2014 /15 im Abaton-Kino

Impressum Hamburger Flimmern Die Zeitschrift des Film- und Fernsehmuseums Hamburg e.V. www.filmmuseum-hamburg.de, www.fernsehmuseum-hamburg.de Redaktion: Jürgen Lossau (V.i.S.d.P.), Dr. Joachim Paschen, Volker Reißmann Layout: atelier anita wertiprach | Adresse: Sierichstraße 145, 22299 Hamburg Telefon 040-468855-0, Fax -99, [email protected] Erscheinen: unregelmäßig 1–2 mal jährlich | Anzeigen: sind gern gesehen Bezug: für Mitglieder kostenlos | Titelblatt und Fotos Innenseiten: Conti-Press Promotion für den Edgar-Wallace-Film Der Verein »Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.« »Der Hexer« wird unterstützt von der 4 ALTE HAMBURGER LICHTSPIELHÄUSER ALTE HAMBURGER LICHTSPIELHÄUSER 5

und ein Dutzend Kinos war zu Denn schon Mitte der 1930er Jahre ver- Schicksal: Erst als reguläres Kino betrie- den Hochzeiten in den 1930er und zeichnete das Kino-Adressbuch Julius ben, wurde es schon 1962 für den regulä- R 1950er Jahren in Betrieb – heute Pehmöller als neuen Geschäftsführer. ren Spielbetrieb geschlossen und einige Ein Kiez-Kino wie aus dem Bilderbuch: existiert kein einziges Lichtspieltheater Dieser hatte schon einschlägige Erfah- Monate später vom Hamburger Filmema- an dieser Stelle mehr. Daher soll mit rungen im Kinogewerbe vorzuweisen: Ab cher und Technik-Tüftler Adalbert Baltes Alt-Heidelberg Lichtspiele (1925 – 1945) diesem Beitrag beispielhaft an eines der 1913 hatte er zunächst unter dem Namen als 360-Grad-Rundumkino (Cinetarium) kleinen Kinos abseits der großen Reeper- Film-Palast (später Gloria-Theater) am betrieben. Nachdem sich diese Tech- bahn, schon auf Altonaer Gebiet gelegen, Billhorner Röhrendamm residierendes nik nicht durchsetzen konnte, wurde es erinnert werden, welches nur knapp 20 Großkino mit immerhin mit 690 Plätzen wieder als Kino, vorzugsweise für das Jahre existierte und sich durch einen be- ein paar Jahre geführt, später übernahm Abspielen von Erotik-Streifen genutzt, Von Volker Reißmann sonders kuriosen Namen auszeichnete: seine »Julius-Pemöller-Kinobetriebsgesell- um dann Anfang der 1990er Jahre nach Die Alt-Heidelberg-Lichtspiele. schaft« dann auch die Blankeneser Licht- einer Komplettsanierung als Musical- Bereits seit vielen Jahren befand sich spiele. theater unter gleichem Namen neu eröff- an der Großen Gärtnerstraße 5 bis 7 (spä- net zu werden – das Eröffnungsstück war ter Thadenstraße) das kleine Hotel »Alt- ausgerechnet das populäre Filmmusical KURZ VOR KRIEGSENDE Heidelberg«, dessen Tanz- und Ballsaal Grease. Besonders in den 1990er Jahren AUSGEBOMBT zeitweilig auch als Auktionshaus diente. auf der Hochphase des Multiplex-Booms Letztmalig findet man unter der Nr. 7 im Obwohl die Alt-Heidelberg-Lichtspiele sehr geisterten Investment-Vorhaben durch Altonaer Adreßbuch von 1926 das Auk- verkehrsgünstig lagen – die Große Gärt- die Hamburger Presse, wieder ein Kino- tionshaus A. K. Aberle und das Ballhaus nerstraße war in den 1920er Jahren mit center auf der Reeperbahn zu schaffen Otto Scheerer, wobei zu vermuten steht, sieben Straßenbahnlinien und einer – doch realisiert werden konnte bis heu- dass es sich aufgrund der relativ kleinen Autobusverbindung erreichbar – gab es te keiner dieser Pläne und so bleibt St. Belegenheit sogar um eine Doppelnut- in den 1930er Jahren dann noch einmal Pauli – abgesehen von den Filmkunst- zung gehandelt haben könnte. Bereits einen Betreiberwechsel: 1937 übernahm stätten B-Movie und 3001 – eine weit- im Adreßbuch 1927 findet sich dann ne- K. Persiel die Geschäftsführung. Lange gehend kinofreie Zone. ben dem Namen von Otto Scheerer, der Zeit blieb das Kino von den Bombenan- offenbar das kleine Hotel (welches eher griffen verschont, erst am 11. März 1945 ZEITZEUGEN-ERINNERUNGEN den Stil einer heutigen Familienpension erfolgte die Zerstörung durch Spreng- gehabt haben dürfte) führte, auch erst- bomben (zwei später Tage später wurden Was die Alt-Heidelberg-Lichtspiele angeht: mals der Name von Arthur Taeger als bei einem erneuten Bombardement dann Mögen sie nach 1945 zwangsläufig erst Leiter eines Lichtspiel-Betriebes. Offen- auch nahezu alle anderen Häuser zwi- einmal in Vergessenheit geraten sein, so kundig hatte man den Auktionsbetrieb schen Bleicher- und Jägerstraße [heute gibt es doch noch Zeitzeugen, die sich aufgegeben und führte nun – vermutlich Wohlwillstraße] zerstört). Ein Schick- an diese »Flohkiste« sehr gut erinnern: ab November 1925 – Filme zu abendlicher sal, welches einem anderen, unweit an So schrieb der aufmerksame Internet- Stunde vor. Leider war es Arthur Taeger der ehemaligen Adolphstraße (heute: Benutzer Gunnar Oldag aus Langenhorn nicht lange vergönnt, sein neues Licht- Bernstorffstraße) gelegenen Kino erspart an unsere Website, er habe als Junge spielhaus zu führen, denn schon Anfang blieb: Hier befand sich seit Ende der von 1940 bis zur Zerstörung 1945 mit sei- der 1930er Jahre verzeichnet das besag- 1920er Jahre in den Fabrikationsräumen ner Familie im obersten Stockwerk des te Adreßbuch eine »Anna Taeger Wwe.« einer ehemaligen Spiegelfabrik ebenfalls Hauses Gärtnerstraße 7 gewohnt. Der als Geschäftsführerin unter der Adresse ein Kino vergleichbarer Größe, welches damalige Vermieter, Persiel, habe ihm Große Gärtnerstraße 7. erst als Adolph-Kino firmierte, bevor es als Bewohner den kostenlosen Zugang dann in Deutsche Lichtspiele (=Deuli) zu seinem Filmtheater erlaubt. Hinter FLOHKINO MIT 220 PLÄTZEN umbenannt und nach fast 25 Jahren Leer- dem Foyer habe ein elektrisches Klavier stand doch noch einmal als Studio-Kino gestanden, im Heizungskeller lagerten Ob es anfänglich auch als Fox-Theater wieder in Betrieb genommen wurde. eine Menge Musikrollen, bei der die Töne firmierte, wie manche Quellen angeben, Gab es dann noch in den 1950er Jah- durch Lochtechnik erzeugt wurden – of- konnte bisher nicht verifiziert werden – ren wieder rund ein Dutzend Kinos an fenbar zur musikalischen Begleitung der hierfür Belege zu finden (genauso wie für der Reeperbahn, existierte davon heute anfangs noch stummen Spielfilme einge- das eigentlich gespielte Kinoprogramm) kein einziges mehr. Einige Bauten haben setzt. Auch an den intensiven Austausch ist nicht immer ganz einfach, vielfach wenigstens als Theater oder Kabaretts der Filmrollen für die Wochenschau, was verzichtete man auch auf größere Anzei- überlebt, wie das ehemalige Oase-Kino nur durch versetzte Anfangszeiten mög- Bekanntlich wurde auf Hamburgs Amüsiermeile St. Pauli im Jahre 1900 mit Knopf’s gen in der Tagespresse und setzte mehr oder das Union-Theater – letzteres wur- lich war, mit dem in der Nachbarschaft Lichtspielhaus das erste ortsfeste Kino in Hamburg eingerichtet. Bald etablierten auf die Laufkundschaft der näheren Um- de als Schmidts Tivoli allerdings erst vor befindlichen Adolph-Kino (heute: Studio- sich hier zahlreiche weitere Kinos, die vor allem Unterhaltungsfilme spielten, vielfach gebung. wenigen Jahren abgerissen und komplett Kino) konnte er sich noch gut erinnern. entstanden aus Gaststätten, größeren Veranstaltungssälen und Varieté-Theatern, Weiterhin steht zu vermuten, dass die neu errichtet. Andere Kinobauten wer- Und er stellte unserem Verein freund- die nun ein gutes Zusatz-Geschäft im neuen Kintopp sahen. Witwe Anna Taeger mit der Leitung des den heute als Minikaufhäuser (Aladin) licherweise das Foto mit der schönen kleinen Kinos – laut einem Kino-Adreß- oder Sexkinos genutzt. Ein traditions- Außenansicht zur Verfügung, welches wir buch hatte es Ende der 1920er Jahre gera- reiches Haus an einer Seitenstraße der hier erstmalig abdrucken: Eine schöne de einmal 220 Sitzplätze aufzuweisen – Reeperbahn, das Imperial, hatte sogar kleine Reminiszenz an ein untergegange- offenkundig auf Dauer überfordert war. ein ganz besonders kurios anmutendes nes Kiezkino. • 6 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 7

Auf den Spuren von Gyula Trebitsch in Budapest

Von Michael Töteberg und Volker Reißmann

Zum 100. Geburtstag von Gyula Trebitsch am 3. November erscheint die erste Biografie über den schon zu Lebzeiten legendären Produzenten. Die beiden Autoren Michael Töteberg und Volker Reißmann sind nach Budapest gefahren, um das weitgehend unbekannte Anfangskapitel einer beispiellosen Karriere zu erforschen. Über ihre Recherchen haben sie den nachfolgenden Reisebericht verfasst.

in ungarischer Jude, den es keineswegs und Kabarett; im Sommer war es einen Monat vier, sonntags fünf Vorstellungen – und bei den Bestand der UFA-Akten aufbewahrt wird, haben freiwillig hierher verschlagen hatte, machte geschlossen, im Herbst begann, wie im Thea- verschiedenen Preiskategorien – unterschieden wir den Beleg gefunden. Ein Bericht über das E Hamburg zur Filmstadt. Gyula Trebitsch, ter, die neue Saison. 231.791 Besucher kamen wurde nicht nur zwischen Parkett und Balkon, Geschäftsjahr 1933 /34, den die Budapester UFA- als Zwangsarbeiter nach Deutschland depor- in der Spielzeit 1932/33 – die Budapester waren sondern auch Seiten-, Casino-, Mittel- und Fa- Niederlassung an die Hauptverwaltung nach tiert, kam 1947 in die Hansestadt, wo er buch- kinobegeistert. Hier arbeitete Gyula Trebitsch, milien-Loge – ganz unterschiedlich. Auf diese Berlin schickte, listet die Kosten für Löhne und stäblich aus dem Nichts eine Filmproduktion Volontär in der Budapester UFA-Niederlassung, Art betrieb er seine eigene empirische Erfor- Gehälter nach Vorführer, Portier, Tonsteuerer, 1 Urania-Kino 5 Objectiv-Film-Büro aufzog. Er hatte jedoch schon in Budapest am Wochenende als Platzanweiser. In schmu- schung des Publikumsgeschmacks. Umroller und Nachtwächter auf. Auf Seite 18 eine eigene Spielfilmproduktion, über die wir cker UFA-Livree – rote Jacke mit goldverzierten Einen Tag nach der Reifeprüfung, am 1. Juli taucht der Name »Julius Trebitsch« auf: Er hatte mehr an Ort und Stelle erfahren wollten. Litzen, schwarze Hose, weiße Handschuhe – be- 1932, hatte Trebitsch als Volontär in der UFA- im Urania-Kino an 25 Tagen, während dessen Unser Rundgang beginnt in der Rákòczi út, gleitete er die Kinobesucher mit der Taschenlam- Niederlassung Budapest angefangen. Erst drei Abwesenheit, den Theaterleiter Alexander Veró bei einem Kino, das jeder Budapest-Reiseführer pe zu ihrem Sitz. Monate unbezahlt auf Probe, danach als Prakti- vertreten. als Sehenswürdigkeit verzeichnet. 1 Das Urania Der glamouröse Filmpalast ist, aufwendig kant – in der Poststelle Briefmarken aufkleben, ist ein echter Filmpalast: ein Jugendstil-Pracht- renoviert und in alter Pracht, heute noch in Be- so begann seine Karriere im Filmgeschäft. Der 2 Corvin-Kino VOM URANIA- ZUM CORVIN-KINO 6 Ungarisches Filmarchiv bau, gemischt mit venezianischer Gotik und trieb. Als wir an einem Sonntagvormittag Mitte anstellige Laufbursche wusste sich überall nütz- maurischer Orientalik, prunkvoll goldverzier- November 2013 kommen, wird das Foyer gerade lich zu machen und lernte nebenbei die ver- Im Gedränge der besagten SciFi-Convention ten Dekors und luxuriöser Ausstattung. Hier bevölkert von seltsamen Gestalten in Fantasie- schiedenen Facetten des Gewerbes kennen. konnten wir leider die Plakette nicht finden, residierte einst die 1899 gegründete Urania – uniformen: Es findet irgendeine Convention von Dazu gehörte die Praxis der Projektion ebenso die auf Trebitsch im Foyer hinweisen soll. Bei Ungarische Wissenschaftliche Theaterverein A.G. Fantasy-Filmfans statt, verbunden mit der unga- wie das Management eines Theaterbetriebs. einem unserer Besuche hatte der alte Herr Anfangs ein Theater und ein Ort für Bildungs- rischen Premiere von Ender’s Game. Nach den Nach bestandener Prüfung am 26. Juli 1933 be- voller Stolz ein Schreiben von László Cselényi veranstaltungen, wurde 1917 das Haus in ein ersten zehn Minuten des US-amerikanischen saß er ein Diplom und durfte sich »Königlich- aus Budapest, 28. Juni 2002, uns gezeigt: Der 3 Décsi-Kino 7 Filmkopierwerk Lichtspieltheater umgewandelt. Die UFA, die in Science-fiction-Films mit Harrison Ford verlas- Ungarischer Filmvorführer« nennen. Seine Vor- Direktor des Nationalen Filmtheaters Urania, Budapest ein Premierenkino für ihre Spitzen- sen wir das Urania. Der junge Trebitsch wäre gesetzten bei der UFA müssen viel von dem inzwischen im Besitz einer staatlichen Stif- filme suchte, übernahm das Urania und inves- geblieben: Wenn die anderen Volontäre nach strebsamen jungen Mann gehalten haben: Kurz tung, bat um seine Einwilligung, ihn als Ehren- tierte kräftig; nach sieben Monaten Umbau und Beginn der Vorführung Karten spielten, blieb darauf vertraute man ihm, der noch keine 20 mitglied zu führen und sein Porträtfoto im Kino Erweiterung von 578 auf 1.089 Plätze, feierte er im Kinosaal, sah sich immer wieder die Filme Jahre alt war, das renommierte Urania an, im- aufstellen zu dürfen. Die Urkunde war ihm so man im März 1930 Wiedereröffnung. Es wurde an und beobachtete dabei die Reaktionen des merhin das erste Haus am Platz. In der Außen- wichtig wie andere große Auszeichnungen und betrieben wie die repräsentativen UFA-Paläste Publikums. Sie waren von Vorstellung zu Vor- stelle des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde, Preise, die Trophäen eines erfolgreichen Pro- im Reich: Vor dem Hauptfilm gab es Varieté stellung – damals gab es im Urania wochentags 4 Café New York wo der viele Zehntausend Seite umfassende duzentenlebens. 8 Synagoge 8 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 9

Das prächtige Foyer des Urania-Kinos in Budapest Mitte der 1930er Jahre Die Trebitsch-Produktion Tokaji rapszódia (dt: Tokajer Rhapsodie) entstand 1937 in den Hunnia-Studios

Ein paar Straßen weiter, am József körút, be- alte, in ein Mietshaus eingebaute Filmtheater ist Am 16. April 1936 erstattete er in der Vorstands- Hier am Elisabethplatz, Erzsébet körút Nr. 8, im findet sich das Corvin-Filmtheater. 2 Hier war inzwischen renoviert worden, aber ganz ohne sitzung Bericht: »Der Verleih-Betrieb in Ungarn Haus direkt neben dem New York, residierte die Trebitschs jüngerer Bruder Ottó Platzanweiser. historisierenden Zierrat: großzügig Raumge- kann«, vermerkt das Protokoll, »nur aufrechter- Objectiv Film Kft. 5 Das war eine repräsentative Das leuchtend gelbe Kino, 1922 errichtet, konnte staltung, klare, klassische Linien ohne Orna- halten werden, wenn wenigstens ein ungarisch Adresse mitten im Zentrum, in dem Viertel, wo damals durchaus mit dem Urania konkurrieren; mente, im ganzen Haus indirekte Beleuchtung. sprachiger Film im Programm enthalten ist.« sich alle großen Film- und Verleihfirmen, auch es gehörte ebenfalls der UFA, die es an die deut- Trebitsch wird ins Décsi nicht allein wegen des Man brauchte eine Firma vor Ort, die pro Sai- die amerikanischen Major Companies, in Buda- sche Tobis unterverpachtet hatte. Den Rundbau, guten Filmprogramms gegangen sein: Er ver- son der UFA einen ungarischen Film lieferte. So pest angesiedelt hatten. Trebitsch trank oft sei- nicht direkt an der Straße, sondern gut Hundert liebte sich die Tochter des Hauses und heiratete bekam ein UFA-Angestellter, der bisher wenig nen Kaffee im New York, denn hier verkehrten Meter versetzt, schmücken zahlreiche Gedenk- am 2. April 1941 Klári Décsi. Sie war – wie sollte vorzuweisen hatte, aber Direktor Meydam bei die Filmleute. Regisseure wie Alexander Korda tafeln: Während des Ungarn-Aufstands 1950 es anders sein – in der Filmbranche tätig als eine seinem Budapest-Besuchen positiv aufgefallen und Michael Curtiz (der damals noch Kertész hatten sich hier, durch den Kinovorplatz gegen der ersten Cutterinnen in Ungarn. war, eine einmalige Chance. 22 Jahre alt, grün- Mihály hieß) schauten herein; den Schriftsteller Außenansicht Urania-Kino die sowjetischen Panzer geschützt, bewaffnete Trebitsch drängte ins Filmgeschäft, aber er in den 1930er Jahren dete Trebitsch die Objectiv Film Kft. Von seinem Janos Vászáry (Johann von Vaszary) lernte Tre- Widerstandskämpfer verschanzt. Der Innen- wollte kein Kino leiten. Filme produzieren war Ersparten konnte er das Stammkapital nicht bitsch hier kennen oder er traf sich mit seinem raum ist jedoch enttäuschend: Das Corvin-Film- sein Traum. Und er bekam seine Chance, die aufbringen: 10.000 Pengö betrug es laut unga- Freund Ákos von Ráthonyi. Im New York – in theater ist heute ein modernes Multiplex-Kino er zu nutzen wusste. Wie es dazu kam, lässt rischem Filmjahrbuch, 639 Pengö hatte er im sein kleines Büro hätte er sie nicht bitten kön- und lässt nichts mehr vom Glanz vergangener sich aus den in Berlin liegenden UFA-Akten er- ganzen Jahr als Urania-Theaterleiter verdient. nen – kam er mit den Amerikanern ins Geschäft, Zeiten erahnen. schließen. Trebitsch überzeugte drei Geschäftsleute, als denn die Objectiv beschäftigte sich neben der Auf unserer Besichtigungstour steuern wir Die UFA war ein Weltkonzern, in zahlreichen stille Teilhaber in sein Unternehmen einzustei- Produktion eigener Filme auch mit dem Verleih noch ein drittes, ebenfalls traditionsreiches Ländern rund um den Globus engagiert. In Un- gen. Als Filmproduzent hatte er keinerlei Erfah- ausländischer Filme. Trebitsch brachte Frank Kino an: das Múvész, Teréz körút Nr. 30. 1910, zu garn liefen die Geschäfte schlecht; im Vorstand rungen, aber er konnte einen sicheren Abneh- Capras Film Mr. Deeds Goes to Town in die unga- Eintrittskarte für das einer Zeit, als im Urania noch Vorträge gehalten der Berliner UFA-Zentrale wurde darüber disku- Kino der Familie Décsi mer für seine Filme vorweisen – die UFA würde rischen Kinos. wurden, eröffnete es als Mozgókép Otthon, doch tiert, ob man nicht das Urania verpachten und sie in ihren Verleih nehmen. für das Stammpublikum war es schlicht »das den ungarischen Verleih ganz aufgeben sollte. Wir steuern das Kaffeehaus New York an, 4 IM UNGARISCHEN FILMARCHIV Bemerkenswerte Décsi«. 3 Das Ehepaar Décsi, alteingesessene Der für das Auslandsgeschäft zuständige Direk- damals wie heute eine berühmte Institution. Kontinuität: Kinobetreiber und leidenschaftliche Cineasten, tor Wilhelm Meydam reiste nach Das prunkvolle Café aus der Gründerzeit, das Das Hungarian National Film Archiv (Magyar Das Logo der ersten Firma von Trebitsch in waren echte Pioniere und führten in ihrem Pre- Budapest,um sich die wechselvolle Geschichte Ungarns unbescha- Nemzeti Filmarchívum) 6 liegt etwas außer- Ungarn und das Logo mierenkino allerlei Neuerungen wie Spätvor- ein Bild vor Ort det überstanden hat, war einst ein Treffpunkt halb des Zentrums schon in den Ausläufern der seiner Holding in den stellung und Platzreservierung ein. Auch dieses zu verschaffen. von Literaten, Schauspielern und Künstlern. Stadthälfte Buda zum leicht hügeligen Umland. 1980er /1990er Jahren 10 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 11

Die Einrichtung eines nationalen ungarischen bewahren. Der deutschen UFA hatte Trebitsch Filmarchivs geht auf eine Idee von Herbert den Eintritt in die Filmbranche zu verdan- Bauer alias Béla Balázs, den 1884 geborenen ken, doch der Rassenwahn der Nazis beendete ungarischen Filmkritiker, Schriftsteller, Regis- seine hoffnungsvoll begonnene Produzenten- seur und Drehbuchautoren zurück. Als Ungari- Karriere. Nach deutschem Vorbild wurde auch sches Institut der Filmwissenschaft 1957 offiziell in Ungarn eine Filmkammer eingerichtet mit gegründet, wurde es 1991 mit dem Status einer einer Quote für Juden. Von den 80 ungarischen nationalen öffentlichen Sammlung aufgewertet Filmleuten, die in Budapest direkt oder mittel- und ist heute das Archiv mit der größten Film- bar für die UFA arbeiteten, wurden 60 entlas- sammlung in Ungarn, vom ungarischen Minis- sen. Geschäfte mit der UFA konnte die Objectiv terium für das nationale Kulturerbe betrieben. Film Kft. nicht mehr machen. Auf das erste Klári Décsi, eine der Vom Straßenbahn-Depot Szépilona der Linie »Judengesetz« folgte im Mai 1939 das zweite ersten ungarischen 61 am Beginn der Ausfallstraße »Budakeszi út« »Judengesetz«, das weitgehend identisch war Filmcutterinnen geht es noch gut einen Kilometer zu Fuß immer mit den nationalsozialistischen Rassegesetzen leicht bergan, bis man schließlich die Nummer in Deutschland: Juden wurden mit Berufsver- 51/E erreicht. Etwas verdeckt durch einen klei- bot belegt und praktisch von allen öffentlichen nen Erdwall zur Straße befindet sich hier ein Funktionen ausgeschlossen, zudem verweigerte umfangreicher Komplex, hierzu gehören – ne- man ihnen die Bürgerrechte. Trebitsch musste ben der Ruine einer alten Kapelle – auch noch die Geschäftsführung der Objectiv Film Kft. ab- das Magyar Filmlabor (das zentrale ungarische geben; Ákos von Ráthonyi wurde nominell Ei- Filmkopierwerk) sowie ein Verwaltungsge- gentümer und Geschäftsführer. bäude mit Kantine und andere Nebengebäude. Das Lexikon verzeichnet fünf der sechs von Bildquelle: Trebitsch Produktion Holding/Privatbesitz Gyula Trebitsch Produktion Bildquelle: Trebitsch Nach der Anmeldung beim Pförtner erwartet Trebitsch selbst genannten Titel: Rád bízoma uns schon Márton Kurutz. Er arbeitet im Filmar- fekeségem (1937), Édes a bosszú (1937), Toka- chiv als Referent für Spielfilme vor dem Zweiten ji rapszódia (1937), A hölgy egy kissé bogaras Weltkrieg. Natürlich ist die Objectiv-Film Kft. (1938, zusammen mit Hamza Film), Kádár hier durchaus bekannt, wenngleich sie auch nur kontra Kerekes (1941). Es fehlt der Film A szére- eine von mehreren Filmfirmen der damaligen lem nem szégyen (dt.: Liebe ist keine Schande), Zeit war – alle von ihr hergestellten Werke sind auch ein Rathonyi-Film übrigens. Dafür nennt in der offiziellen Datenbank des Filminstituts das Lexikon noch fünf weitere Filmtitel, die verzeichnet, wenngleich leider aber nicht im- offenkundig in jener Zeit – zumeist zusammen mer komplett überliefert. mit anderen Filmfirmen – unter dem Label der Bereits digitalisiert liegen auf dem internen Objectiv Film Kft. entstanden sind: Gyimesi Netz-Laufwerk die Foto-Nachlässe einiger be- vadvirág (1938, zusammen mit Hamza-Film), deutender ungarischer Filmemacher und Pro- Jöjjön elsején (1940, zusammen mit Mester- duzenten jener Zeit vor, so beispielsweise der Film), Katyi (1942), Futótúz (1943, Produktion von Béla Gaál, der 1930 den ersten ungarischen mit Bajusz Péterrel) und Ágrólszakadt úrilány Tonfilm Csak egy kislány van a világon herstellte (1943, zusammen mit Takács-Film). Außerdem und dessen Film Hotel Kikelet von Klári Décsi ge- werden einige nicht vollendete bzw. gar nicht schnitten wurde. So interessant es auch ist, die mehr realisierte Filmprojekte der Objectiv Film zahlreichen Set- und Werkfotos zu betrachten aufgelistet: Nehéz ma lánynak lenni (1940), – auf keinem einzigen Bild ist Trebitsch zu ent- Blaha Lujza, a nemzet csalogánya (1941), Éjféli decken, auch nicht bei Filmen, in deren Herstel- vallomás (1941). Es fehlt im Lexikon ein Film, Kinoanzeige vom lung seine Objectiv Film Kft. direkt involviert war. der wohl ebenfalls der Objectiv Film zuzu- 11.11.1940 aus schreiben ist: Aranyora (dt.: Die goldene Uhr), dem ungarischen Periodikum 1943/44 entstanden – Trebitsch war zu dieser EIN BLICK INS Magyan Film zu Zeit untergetaucht –, erst nach Kriegsende fer- UNGARISCHE FILMLEXIKON A Szerelem nem tiggestellt und unter dem Label einer anderen szégyen! (dt.: Liebe Neue Rätsel gibt ein Lexikon auf, welches Már- Gesellschaft herausgebracht. Etliche Bilder in ist keine Schande) ton Kurutz wenig später stolz präsentiert (sein einem Fotoalbum, welches die Dreharbeiten Institut war bei der Erstellung maßgeblich betei- dokumentiert, zeigen Trebitschs da- ligt): Das Magyar Hangosfilm Lexikon, (erschie- malige Ehefrau Klári bei einem nen im Attraktor-Verlag, Budapest 2006) listet Set-Besuch und der Produktions- auch die Objectiv Film Kft. auf, nennt aber aus- überwachung. schließlich Ákos von Rathonyi als Geschäftsfüh- Aber wir wollten nicht nur rer und unterschlägt den Namen von Trebitsch filmografische Daten recherchieren, oben: Betriebsausflug der UFA Budapest mit dem aus Berlin komplett. sondern die Filme sehen. Rád angereisten Direktor Wilhelm Maydam, 1934 – ganz hinten, Es ist eine böse Pointe, dass offenbar hier bízom a feleségem (dt.: Ich vertraue letzte Reihe Mitte: Gyula Trebitsch nicht korrigiert wurde, was unter politischem dir meine Frau an) ist leider nur unten: Famlienidylle im Ferienhaus Ende der 1920er Jahre Druck geschah, um die Firma vor dem Verbot zu noch fragmentarisch erhalten – das 12 FILMGESCHICHTE BUCHREZENSION 13

Screenshots der Titelvorspänne und einige Szenenfotos aus den frühen Trebitsch-Produktionen in Ungarn Werner Grassmann erzählt: Ein junger Mann kommt nach Hamburg

Nach drei Jahren Kriegseinsatz an der Wegen der eingefahrenen Darstel- 1948: Während sich der Vorhang für eine Ost- und an der Westfront, nach einem lungen über die Schrecknisse der Nach- bessere Zukunft öffnet, werden die Ge- Jahr in us-amerikanischer Gefangen- kriegszeit halten viele es für unglaublich, spenster der Vergangenheit entsorgt. schaft kehrt der noch nicht einmal dass es auch eine spannende Zeit gewesen Wie erfrischend ist es, wenn Werner 20-jährige Werner Grassmann im Früh- ist, die der junge Mann als Schule nutzt: Grassmann freimütig über seine Stärken jahr 1946 zurück in seine halbzerstörte Da hilft nicht nur der hohe Frauenüber- und Schwächen mit einem Augenzwin- Heimatstadt. Sein Rückblick mit anrüh- schuss (wir wissen nun, warum das Aba- kern erzählen kann: Es war kein düste- renden Geschichten aus der Nachkriegs- ton-Kino keine Logen hat), sondern auch res Mittelalter, sondern der Aufbruch zeit bis zur Währungsreform lässt uns die Begegnung mit dunklen Geschäfte- in die Neuzeit. Gewiss: Das Kapitel ist diese beiden Jahre mitfühlend nacherle- machern, die zeigen, wie man es nicht abgeschlossen und erledigt; das Resü- ben: Aus den vielen Nächten, hungernd machen soll. Wir sind mit dabei, wenn in mee jedoch »Wenn Hunger und Moral und frierend, ragt die titelgebende Nacht der als Rundbau um einen Schornstein gegeneinander antreten, ist die Moral im Tarantella besonders hervor, einer angelegten Warmbadeanstalt am Stein- wohl immer unterlegen« klingt weniger vornehmen Nachtbar im ehemaligen Es- tor, wo heute das runde Parkhaus von zynisch als weise. Ein willkommener planade-Hotel, die die Besatzungsmacht Horten bzw. Saturn steht, mit harter Kontrapunkt zu den sattsam bekannten den Deutschen als Ersatz für das zerstörte Hand für Hygiene gesorgt wird. Und Jeremiaden. • Vaterland überlassen hatte. wir erfahren, welche Wirkung der Be- Joachim Paschen Die Geschichten sind so eindrucks- such beim Schulfreund Schorsch in einer voll, weil sie nicht in Tagebüchern, son- Nissenhütte hat. Ungarische Filmarchiv besitzt lediglich eine und ins Netz gestellt worden. Die verwickelte dern im Gedächtnis des Autors über Der Autor offenbart auch, wo der Rolle. Aber den Inhalt kann man den zeitge- Handlung ist für uns, die wir kein Wort Unga- Jahrzehnte haften geblieben sind, wie gute Geschichtenerzähler seine Talente nössischen Kritiken entnehmen. Es ist eine risch sprechen, nicht immer verständlich, doch schwimmende Bojen im Mahlstrom des entwickelt hat: im Kino! Wie verführe- turbulente Komödie nach bekanntem Muster spätestens beim Happy End wird klar, dass die Lebens, und nun heraussprudeln wie risch ist die Flucht in eine Wirklichkeit, mit einigen originellen Wendungen: Péter, ein Liebenden aller Hindernisse zum Trotz sich stets aus einer anderen Welt. Der rote Faden wo alle Leute reichlich zu essen haben eingefleischter Junggeselle, ist Direktor einer finden. ist der Lebenshunger nach Jahren der und friedlich-fröhlich miteinander leben. Fabrik; seine Sekretärin Lili hat ein Auge auf Ákos von Ráthonyis Film Kádár kontra Todesgefahr und der Zerstörung: Zurück Doch schnell ist er gelangweilt und findet ihn geworfen. Eigentlich will Péter in Urlaub Kerekes kam am 20. April 1942 zur Urauffüh- bei den ausgebombten Eltern, die es nach im Waterloo-Kino ein spannendes Pro- fahren (und Lili ihm heimlich folgen), doch am rung. Es sollte die letzte Premiere eines seiner Aumühle in ein Behelfsheim verschlagen gramm mit einer realistischen Filmwelt Bahnhof trifft er Doktor Tamás. Der Physiker Filme werden, die Trebitsch in Budapest erlebte. hat, ist vor allem der älteste Sohn für den aus Großbritannien, Frankreich und den will ebenfalls verreisen, zu einer wichtigen Kon- Kurz darauf hatte er sich in einem Sammellager Kampf gegen Hunger und Kälte zustän- USA: Am meisten beeindrucken ihn die ferenz, doch er hat ein Problem: Weil er seine einzufinden und wurde als Zwangsarbeiter – dig, den er bei Hamsterfahrten in das Ge- Filme im »Original mit deutschen Unter- Michael Töteberg Sekretärin mitnimmt, hat seine eifersüchtige Juden galten als »wehrunwürdig« – an die Ost- müseparadies der Vier- und Marschlande titeln«. Träumt er damals schon davon, Werner Grassmann: und Volker Reißmann: Frau Mária geschworen, während seiner Abwe- front geschickt wurde. und beim Holzsammeln im fürstlichen später selber mal Filme zu machen? Oder Eine Nacht im Tarantella senheit ihren Mann zu betrügen. Péter ist Tamás, Der Besuch im Ungarischen Filmarchiv en- Gyula Trebitsch Sachsenwald führt. Mindestens ebenso gar ein Kino zu eröffnen? Hamburg 2014 der ihm im Krieg das Leben gerettet hat, einen det in der Dokumentationseinrichtung. Die fünf Hamburg 2014 wichtig wie das bloße Überleben ist aber Die Zeitreise endet mit dem harten 144 Seiten mit 40 Abb. 160 Seiten, zahlreiche Preis: EUR 19,95 Gefallen schuldig. Er übernimmt es, auf die Mappen mit Materialien zu Trebitsch-Produkti- Illustrationen die Suche nach einem besseren Leben. Schnitt der Währungsreform im Juni kapriziöse Mária aufzupassen, was zu allerlei onen erweisen sich als wenig ergiebig: nur ein Preis: EUR 14,90 grotesken Verwechslungen und pikanten Situ- paar Kinoanzeigen und Produktionsankündi- ationen führt. Im ungarischen Original heiratet gungen aus Fachorganen. Die Hoffnung, zeitge- am Schluss Péter seine Sekretärin Lili, während nössische Besprechungen aus der ungarischen im deutschen Remake von 1943, das Kurt Hoff- Presse zu finden und somit etwas über Aufnah- mann für die Terra mit Heinz Rühmann drehte, me und Rezeption der Filme zu erfahren, erfüllt Peter und Ellinor (im Original Mária) ein Paar sich nicht. Wie zum Trost lädt Márton Kurutz zu werden. einem deftigen Mittagessen ein, in der Kantine Suche diverse Ausgaben des benachbarten Filmkopierwerks. 7 Die Es- Bereits zweimal hat sich sensausgabe erfolgt durch eine Kaffeeklappe, der »Illustrierten Film-Bühne« ETLICHE FILME HABEN SICH das Hamburger Flimmern die noch wie ein Relikt aus der Zeit des »reale- mit Gyula Trebitsch BIS HEUTE ERHALTEN 1946–1968 xistierenden Sozialismus« wirkt. Aber die Ge- beschäftigt. 1996 erschien Die Komödien Èdes a bosszú (dt.: Rache ist süß), müsesuppe mit Fleischklops ist sehr lecker und ein längeres Interview; A hölgy egy kissé bogaras (dt.: Die Dame ist etwas stärkt für weitere Recherchen. Denn es bleiben 2004 gab es noch einmal ein Gespräch mit ihm und verrückt) und A szerelem nem szégyen (dt.: Liebe Fragen offen und noch einige Details aus der George Desmond, der 1947 Ferner werden Filmkameras aller Kontakt: ist keine Schande) kann man sich im Archiv Budapester Zeit des Filmproduzenten Gyula als britischer Offizier Art aus dem letzten Jahrzehnt zur Hans Joachim Bunnenberg vorführen lassen; andere Filme wie Katyi oder Trebitsch gilt es aufzuklären. Vielleicht bei der der Real-Film die Lizenz Sammlungsergänzung gesucht, sowie Ahrensburg Kádár kontra Kerekes sind bereits digitalisiert nächsten Recherchenreise. • erteilte. Im Kauf oder Tausch ein Arri-Vorderlicht für den Blimp. Tel./Fax 04102. 566 12 14 KOLUMNENTITELFILM IN HAMBURG FILM IN HAMBURG 15

Gruselfilme am Fließband Wie die ersten Edgar-Wallace-Filme in Hamburg und Umgebung entstanden

Von Joachim Paschen

Fast so besessen, wie der englische Krimi-Autor (1875 –1932) seine 200 Romane und Theaterstücke sowie an die tausend Kurzgeschichten in Tag- und Nachtarbeit gewissermaßen à tempo in den Phonographen diktierte, fabrizierten deutsche Produzenten, Regisseure und Schau- spieler zwischen 1959 und 1972 an die 40 »Edgar-Wallace«-Filme, im Schnitt also drei pro Jahr.

erade so wie der englische Schrift vor allem dem Initiator der Wallace-Filme den österreichischen Schriftsteller Egon steller mit seinen Horror-Phanta- besonders geeignet. Es war der Däne Eisler (1910 – 1994) als Drehbuchautor G sien die aus seiner Spielsucht ent- Preben Philipsen (1910 – 2005), dessen (Pseudonym mit dänischem Anklang: standenen Schulden zu bekämpfen such- Vater Constantin bereits 1897 in Kopen- Trygve Larsen) gefunden; im Januar 1959 te, suchte die deutsche Filmindustrie ihr hagen die Rialto-Filmproduktion gegrün- lag das Drehbuch gegen ein Honorar von Überleben im Kampf mit dem Fernsehen det hatte, der 1959 im Auftrag der von 22.000 DM vor. Der Österreicher Harald zu verlängern, das ihnen die Zuschauer ihm mitbegründeten und mitgeleiteten Reinl (1908 – 1985) war von vornherein raubte und die Kinos leerte. Zu Beginn Verleihfirmen Constantin und Prisma die als versierter Regisseur vorgesehen. dieses Kampfes Anfang der 1960er Jahre ersten beiden Wallace-Filme in deutsch- Bei Drehbeginn Ende April 1959 in- spielte Hamburg als Dreh- und Produkti- dänischer Zusammenarbeit produzier- mitten der Kulissen des üppig ausgestat- onsort von einem halben Dutzend Filme te. Nach der Sichtung eines englischen teten dänischen Hellerup-Studios waren der ersten Edgar-Wallace-»Staffel« eine Vorbilds aus dem Jahre 1952 (The Ringer als Schauspieler u. a. schon mit von der wichtige Rolle. von Guy Hamilton, dem späteren James- Partie (1927–2014), Es lag auf der Hand, als Ersatz für Bond-Spezialisten) war man in den Ver- froh, der Monotonie seiner bisherigen London Hamburgs Kulissen zu nutzen: leihfirmen überzeugt, es »vielleicht sogar Liebhaberrollen zu entfliehen, wenn er Hier gab man sich zuweilen britischer als noch besser« machen zu können. auch dem Charmeur treu blieb, sowie die Briten, war an Regenschirm wie Ne- Siegfried Lowitz, später 100 Mal Der Alte. bel gewöhnt, verfügte über Wasserläufe, Um das unerlässliche London-Flair zu der Themse so zum Verwechseln ähnlich »Ein Pilotfilm und erreichen, reiste Helmut Beck mit einem wie die Kaianlagen den Docks, hier fand Optionen für weitere kleinen Team an die Themse: Die Aufnah- sich ein Studiogelände, das nach der Thriller« men einiger allseits bekannter Sehens- Trennung der beiden »Real-Film«-Grün- würdigkeiten sollten beweisen, dass der der, Gyula Trebitsch und Walter Koppel, Film im Umkreis von Scotland Yard spiel- dringend auf Fremdproduktionen an- Für den Pilotfilm einer möglichen te. Am 9. Juni war er abgedreht, Mitte gewiesen war. Und doch entstanden Serie griff Preben Philipsen zur Nr. 1 August geschnitten und vertont; nach- 1959/60 die ersten drei deutschen Wal- der bei Goldmann erschienenen roten dem die Freiwillige Selbstkontrolle nach lace-Filme nicht in Hamburg, sondern in Wallace-Taschenbuchreihe: Der Frosch der Kürzung von vier zu »gruseligen« Kopenhagen bzw. in Bendestorf; erst Der mit der Maske (1925 erschienen). Von der Szenen die begehrte Zulassung »ab 16« grüne Bogenschütze ist im 4. Quartal 1960 Tochter Penelope erstand er überdies die vergeben hatte, konnte am 4. September in Hamburg verfertigt worden. Rechte für Der rote Kreis sowie die Option 1959 in die Premiere stattfin- Die im Krieg unversehrt gebliebene für weitere Thriller des Grusel-Meisters. den. Der für Deutschland ungewöhnliche Außenaufnahmen für den Edgar-Wallace-Film Die Tür mit den 7 Schlössern am Hamburger dänische Hauptstadt, überdies auch mit Zusammen mit seinem Herstellungslei- Film aus dem düsteren Milieu der Un-

Hauptbahnhof am 30. März 1962 mit Pinkas Braun Fotos: Conti-Press einem Monarchen ausgestattet, schien ter Helmut Beck hatte er schon vorher terwelt und der erfolgreichen Arbeit der 16 FILM IN HAMBURG FILM IN HAMBURG 17

Die Filmplakate aus den Jahren 1960 –1963

britischen Gesetzeshüter wurde an den Filmhandlung tragen soll, während an- aller Verbrechen«. Für nicht so gelungen Ansonsten gab es viele bekannte Ge- scher Film nach Edgar Wallace« angelau- gewappnet: Ein großes Wasserbecken, in Kinokassen sogleich ein voller Erfolg. dere Figuren in einer Person zusammen- hielt sie Die Bande des Schreckens (»The sichter, darunter Joachim Fuchsberger in fen, der allerdings von der Presse sehr das Karin Dor eintauchen sollte, konnte Bereits zu Beginn der Dreharbeiten gezogen müssten, um eine dichte Hand- terrible People«), wegen der Langatmig- der Rolle von Chefinspektor Long, als am unfreundlich aufgenommen wurde: »Es nicht geheizt werden – Jürgen Roland in Kopenhagen für den zweiten Film (Der lung mit wirklichen Höhepunkten zu keit der Auflösung und der »ewigen, im- 18. Juni 1960 im Atelier 1 in Bendestorf ist unmöglich, von diesem Film gefesselt leistete zwar Überzeugungsarbeit und rote Kreis), zur Abwechslung unter der erreichen: »Ein Film, zu dem man unbe- mer wiederkehrenden Entführung der die erste Klappe geschlagen wurde: zu sein.« Doch auch Reinls Film bekam sprang hinein (»Siehst Du, man kann es Regie Jürgen Rolands (1925–2007), der denklich ›Ja‹ sagen kann und muss.« Sehr weiblichen Hauptperson«; dennoch sah Gefahren drohten dort nicht nur dem im Hamburger Abendblatt vom 22.10.1960 aushalten«), zog sich aber eine heftige Er- mit Stahlnetz für die erste Krimiserie im gut gefiel ihr auch Der Banknotenfälscher sie genug Handlungselemente, die »mit Hauptdarsteller, dem versehentlich ein nur mäßige Noten: Bemängelt wurden kältung zu. Der Schnee vor dem Schloss Deutschen Fernsehen verantwortlich (»The Forger«), aus dem Der Fälscher von neuen Ideen zu einem spannenden, star- Zahn »weggeschossen« wurde, sondern grobe Effekte, Verklamottung (»Das Pub- Ah-rensburg, das als Kulisse für Garre war, machte sich Helmut Becks Ehefrau London wird: Daraus lasse sich »ein per- ken Film ausreichen«. Neben weiteren auch einer Mitarbeiterin der »Maske«, likum lacht gerade dann, wenn es nicht Castle ausgiebig genutzt wurde, wo die Anne (unter dem Pseudonym Werner fekter, moderner, psychologischer Thril- Empfehlungen gab es auch Ablehnungen. die achtlos über eine Falltür lief und lachen soll«) und ein etwas biederer US-Millionär Bellamy (Gert Fröbe) vom Hill) im November 1959 an die Begutach- ler nach bewährtem Muster machen«; al- Anne Becks Gutachten bildeten in die »Tiefe« stürzte. Die wenigen Fuchsberger. unheimlichen Bogenschützen bedroht tung von etwa 20 auf deutsch erschie- lerdings gibt sie den Tipp, das Motiv des Ende 1959 die Grundlage für die Ent- Außenaufnahmen erfolgten in Hamburg wurde, musste von einer Flammenwerfer- nenen Wallace-Romanen im Blick auf Verbrechers glaubwürdiger zu gestalten. scheidung der beiden Verleihfirmen, und Schleswig-Holstein; fast wäre dabei DIE Hamburger Wallace-Filme einheit der Bundeswehr weggeschmolzen ihre Attraktivität und Verfilmbarkeit. Sie Je mehr sie gelesen hatte, desto mehr innerhalb eines Jahres vier neue Filme Dieter Eppler als Blumenzüchter Crayley werden; dort passierte es auch, dass eine lieferte jeweils eine detaillierte Inhalts- merkte sie, dass »alles schon einmal da- produzieren zu lassen. Trotz der gu- tatsächlich mit einem Strick um den Hals Trotzdem wurde die Produktion des »harmlose« Rauchbombe, die statt einer angabe und eine kurze »dramatische gewesen ist« – trotzdem hob sie hervor, ten Versorgung mit smørebrød, pølser in der Elbe ertrunken, und Karin Kerrnke nächsten Wallace-Films komplett nach richtigen Bombe durchs Fenster gewor- Stellungnahme« im Hinblick auf die Ver- dass Der grüne Bogenschütze (»The green und Aquavit entschloss man sich, wohl bekam als Alice in einer Grünanlage beim Hamburg verlegt, wieder im Wechsel fen wurde, den wertvollen Parkettboden filmung, mit ausdrücklichen Vorschlä- Archer«) zu den »spannendsten und far- aus Kosten- und Devisengründen, die Spiel mit einem »zahmen« Leoparden unter der Regie von Jürgen Roland, aller- im Schloss beschädigte und eine hohe gen für das Drehbuch. Mit den weiteren bigsten« gehört, nicht zuletzt seiner tra- Produktion nach Norddeutschland zu den Schreck ihres Lebens, als der plötz- dings ohne den Helmut Beck, der zum Entschädigung herausforderte. Produktionen sollte es nun Schlag auf gischen Akzente wegen. Das Problem der verlegen. Entgegen den Bedenken fiel lich eine Schafherde verfolgte und seine NDR wechselte und von Horst Wendlandt Erst Ende 1960 wurden die Drehar- Schlag gehen. Farbigkeit im Schwarzweißfilm versuch- die erste Wahl auf Die Bande des Schre- Beute zerfleischte. (Übrigens: Hamburgs abgelöst wurde, sowie ohne Fuchsberger, beiten abgeschlossen; da die Premiere te sie mit dem Vorschlag zu umgehen, die ckens. Als Regisseur fungierte wieder legendärer Filmpromoter Klaas Akker- an dessen Stelle noch einmal Klausjürgen für den 2. Februar 1961 angesetzt war, Auf der Suche nach grünen Pfeile phosphorisieren zu lassen. , der seine Ehefrau Karin mann, verantwortlich für die lokale Pres- Wussow trat: Der grüne Bogenschütze blieben für Montage und Vertonung nur Dem Schreiber des Drehbuchs sagte sie Dor als attraktive weibliche Hauptdar- searbeit, hatte eine kleine Rolle als engli- entstand im Winter 1960/61 in einem vier Wochen. Zu allem Unglück brach neuen Stoffen einige Mühsal voraus, alle Elemente ein- stellerin zum ersten Mal mit ins Spiel scher Konstabler übernommen.) Fünf Real-Film-Atelier, für dessen Auslastung sich der Schnittmeister bei einem Unfall Am besten gefiel ihr Das Gasthaus an der zubringen, die »der Zuschauer von einem brachte (ihr gelang später der Sprung Wochen später war alles im Kasten, auch Gyula Trebitsch nach der Trennung von beide Arme. Es wurde mit sehr heißer Themse (»The Indian Rubber Man«): Ein Wallace-Film erwartet: Spannung, Gru- ins James-Bond- und Hitchcock-Fach); für die Endfertigung drängte die Zeit, da- seinem Kompagnon Walter Koppel nun Nadel genäht ... Fast noch verheerender »herrliches, klassisches Krimi-Märchen«, sel, Liebe und die Entlarvung und Sühne das Deutsche Schauspielhaus in Ham- mit am 25. August die festliche Premiere allein zuständig war. In Erwartung wei- für die Wirkung des Films war es, dass schreibt sie: »Hart genug für die männli- burg ließ Elisabeth Flickenschildt nach in Frankfurt am Main veranstaltet wer- terer Erfolgsproduktionen gab man sich die FSK ihn ohne Schnittauflagen ab 12 chen Zuschauer, aber auch die weiblichen ihrer Marthe im Faust ein Debüt als den konnte. Grund für die Eile: Dort war bei den Bauten, den Kostümen, den Re- Jahren zuließ: Für einen als so harm- stark ansprechend wegen der Liebesge- »ein perfekter, moderner, weiblicher Bösewicht im verruchten zwei Wochen zuvor Der Rächer des Kon- quisiten, der Maske, der Beleuchtung los eingestuften Streifen würde sich die schichte zwischen Lila und John Wade.« psychologischer Thriller« Milieu eines Gruselfilms geben, gegen kurrenten Kurt Ulrich mit Heinz Drache große Mühe. Gegen Eis und Schnee Zielgruppe der Jugendlichen nicht er- Sie schlägt vor, dass das Liebespaar die ein hoch angemessenes Honorar. und Ingrid van Bergen als »neuer deut- war man jedoch mehr schlecht als recht wärmen. Auch die Kritik sparte nicht mit 18 FILM IN HAMBURG FILM IN HAMBURG 19

hämischen Anmerkungen – im Wupper- der Kammerspiele, , und Fritz Geheimnis der gelben Narzissen im April/ taler General-Anzeiger hieß es am 15.2. Schröder-Jahn vom NDR; der schwerge- Mai 1961, gleichzeitig in zwei Fassungen, 1961: »In Jürgen Rolands Crime-Comical wichtige Freistilringer und Schauspieler einer englischen mit Christopher Lee riecht es nach Kintopp.« Roland wagte Adolf Berber aus Wien übernahm die und einer deutschen mit Fuchsberger; in sich tatsächlich nicht wieder an einen Rolle des blinden Wüstlings Jack. Hamburg entstand parallel dazu Der Fäl- Wallace-Film, trennte sich von der Pro- Die erste Klappe fiel am 16. Januar scher von London: Hier war erneut Harald duktion und konzentrierte sich auf seine 1961 (noch hatte Roland seinen Film gar Reinl zusammen mit Karin Dor am Werke, Fernseharbeit. nicht fertig geschnitten): Diesmal gelang allerdings ohne Fuchsberger, der ja in es viel besser, die düster-nebelige Atmo- Middlesex agierte – den Oberinspektor AM FLIESSBAND sphäre Londons einzufangen; auch eini- mimte wieder Siegfried Lowitz. Für die ge Hamburger Straßen sowie die Fleet- Außenaufnahmen hatte man diesmal Der nächste Wallace-Film sollte besser kanäle der Speicherstadt kamen ins Bild. ein westfälisches Schloss ausgesucht so- und auf jeden Fall erfolgreicher wer- Nach einem straffen Drehplan konnte wie einige Hinterhöfe, Brücken, Villen den. Der neue Produktionsleiter Wend- und eine Pferderennbahn in Hamburg; landt entschloss sich nach Rücksprache die Kulissen bei Real-Film fielen diesmal mit der Rialto, die ihren Firmensitz von FSK-Bescheid: besonders üppig aus, da die Handlung Frankfurt nach Hamburg verlegte, Die »ab 16 und nicht bei den oberen Zehntausend angesiedelt toten Augen von London dem Geheimnis feiertagsfrei« war. Um die Spannung auf den neuesten der gelben Narzissen vorzuziehen. Wieder Wallace-Film zu erhöhen, sorgte die Pro- sollte die Atelier-Erfahrung der Real- duktion dafür, dass nichts über die Dreh- Film genutzt werden. Während der 47- schon am 21. Februar die letzte Klappe arbeiten nach außen drang: Anfang Juni jährige als neuer Regisseur geschlagen werden; vier Wochen spä- war Drehschluss, die Erstaufführung fand verpflichtet wurde, blieb die alte Schau- ter lag der Film bei der FSK und erhielt nur einen Monat nach dem Geheimnis spieler-Crew weitgehend erhalten; als wie üblich den Bescheid: ab 16 und nicht der gelben Narzissen am 15. August 1961 besondere Neuerwerbungen konnten feiertagsfrei. Nach der Frankfurter Pre- in Aachen statt: Diese schnelle Folge Klaus Kinski (bereits im Rächer als miere am 28. März erfolgte der Mas- ebenso wie der Vorzug, den immer mehr Schurke aufgetreten) und Dieter Borsche senstart am 1. April, zum ersten Mal Kinogänger ihrem Fernsehschirm gaben, als scheinheiliger Blindenheim-Direktor mit einer Titelschrift in roter Farbe; die führten zum Misserfolg. Das schlimmste gelten. Joachim Fuchsberger hatte nun bisherigen Kassenrekorde wurden ge- Urteil fällte die Wochenzeitung DIE ZEIT an seiner Seite die 21-jährige Karin Baal schlagen, die Kritik lobte die »gruseligen über eine »biedere Hausmannskost, die als bildhübsche Blindenpflegerin, die Überraschungen«. sich nicht attraktiv genug vom Fernseh- Licht ins Dunkel der Verbrechen bringen Nun begann das Fließband der Rialto programm« unterscheidet. Gruselszenen konnte. Kurze Gastspiele gaben Ham- noch schneller zu rollen: In den Shepper- ja, aber nur für den, der »sich mit Lust burger Schauspieler wie die Prinzipalin ton-Studios in Middlesex entstand Das die kalte Gänsehaut über den Rücken jagen lässt«.

DIE LETZTEN PRODUKTIONEN Außenaufnahmen für den Edgar-Wallace-Film Die Tür mit den 7 Schlössern am Hamburger Hauptbahnhof am 30. März 1962 Hamburg musste nun eine Pause ein- legen; denn der nächste Rialto-Film auf Joachim »Blacky« Fuchsberger und Brigitte Grothum bei Dreharbeiten Die seltsame Gräfin am 2. Oktober 1961 im Studio Hamburg der Grundlage eines Edgar-Wallace- Romans entstand im September 1961 im Westberliner Ufa-Studio: Für Die seltsa- me Gräfin hatte man besonders auf alt bewährte Kräfte der frühen Ufa-Zeit zu- rückgegriffen, als Regisseur auf Josef von einen anderen Film engagiert worden trug. Als besondere Zugabe war der vielleicht weil ihm die Rolle nicht die Báky (1902–1966) und als Hauptdarstel- war, dessen Drehbuch aber nicht zufrie- britische Schauspieler Christopher Lee Gelegenheit bot, den gewohnten Unhold lerin auf Lil Dagover (1887–1980); nur denstellte, wurde nun zur Jagd auf die nach Hamburg importiert worden, bis- zu spielen. Die Außenaufnahmen wurden einige Außenaufnahmen wurden wie- rücksichtslosesten Gangsterbanden (na- lang besonders im Vampir- und Franken- wie gewohnt in Hamburg gemacht, ent- der, diesmal aus einem etwas anderen türlich aus Chicago) geschickt, die je die stein-Fach erprobt: Er spielte einen zur gegen dem ausgestreuten Gerücht, dies- Blickwinkel, beim Schloss Ahrensburg Themse-Stadt in Angst und Schrecken Unterstützung Scotland Yards herbeige- mal sei man für diesen Zweck wirklich gemacht. versetzt hatten. Es lag wohl nicht nur rufenen FBI-Agenten mit dem sprechen- nach London gefahren. Unter dem Titel Mit den Gangstern von London, einem an der Feiertagslaune (Weihnachten und den Namen Allermann; tatsächlich wusste Das Rätsel der roten Orchidee kam der der letzten Romane von Edgar Wallace, Sylvester fielen in die Drehzeit), sondern der britische Schauspieler alles besser Film im März 1962 in die Kinos, wenig kam im Dezember 1961 wieder Real-Film, vor allem am Regisseur, dem Österrei- und verdarb es sich mit den Teammit- erfolgreich, vermutlich weil er das Gru- nun umbenannt in Studio Hamburg, ins cher Helmuth Ashley, dass der Film eher gliedern. Er hielt den Film wohl trotz des seln nicht so ernst nahm, sondern eher Spiel: Das gesamte Team, das bereits für komödiantische als dramatische Züge guten Honorars für unter seiner Würde, persiflierte. Ashley wurde nicht wieder 20 FILM IN HAMBURG FILMARCHIVE 21

Das Landesfilmarchiv engagiert, er wechselte zum Fernsehen, wo er bei vielen Krimi-Serien Regie im Zentrum für Medien des führte. Wieder musste Studio Hamburg eine Landesinstituts für Schule Bremen Pause einlegen, während in Berlin im Frühjahr 1962 Die Tür mit den 7 Schlös- sern produziert wurde. Anfang Juni 1962 war es dann endlich soweit, dass in Von Daniel Tilgner Hamburg der Roman verfilmt wurde, der Anne Beck am besten gefallen hatte: Das Gasthaus an der Themse. Drehbuch- autor Eisler hatte sich trotzdem schwer getan; seine Vorlage wurde mehrmals überarbeitet, bis der Roman zum Kum- mer der Fans kaum noch zu erkennen

»Die Gesangseinlage der Licht aus, auf der Leinwand flimmert es schwarzweiß: Pferdefuhrwerke auf der Obernstraße, reges Flickenschildt gab eine Markttreiben zu Füßen des Rolands und natürlich der Hafen voller Schiffe entlang kilometerlanger Kajen, dicht befüllt mit Kränen, Waggons und Hafenarbeitern vor Schuppen und Speichern mit besondere Note« Waren aus aller Welt – wenn Bremer Publikum erstmals ausgewählte historische Filmdokumente des Landesfilmarchivs präsentiert werden, ist staunende Begeisterung keine seltene Reaktion. war, nicht zuletzt weil ein neuer Haupt- täter geschaffen wurde, der »Hai«, der als Froschmann seine Opfer zu Tode har- puniert. Nach den personellen Irrwegen u den besonders beeindrucken- 1924: 30 Bildreihen mit rund 700 Fotos Bild in Wissenschaft und Unterricht) zum der vorangegangenen Filme kam nun den Stücken gehören in den 1920er standen den Bremer Lehrkräften fortan Neustart der Lehrmedienproduktion ge- wieder die bewährte Crew zusammen, Z und -30er Jahren aufgenommenen zur Ausleihe bereit. Die Bestände wuchsen gründet wurde, stand der Buchstabe »F« ergänzt durch einige Spitzenleute: Regie Filmrollen, z. B. besagte Innenstadt- und rasch, und die »Lichtbildzentrale« zählte für »Film« bereits an erster Stelle. Die führte Alfred Vohrer, die Rolle des In- Hafenszenen oder die gesammelten Wer- am Ende des Jahrzehnts bereits 8000 seit 1934 zu Hunderten mit vollständigen spektors (diesmal bei der River Police) ke von Alfred Koch. Der 1895 geborene großformatige Glasdias. Mit den zu ei- Lizenzen angeschafften RWU- und FWU- übernahm Joachim Fuchsberger, an sei- Stummfilmpianist begann 1928, seine nem Viertel von Bremer Lehrern und dann Filme bilden heute als »Didaktisches ner Seite vor der Kamera die 27-jährige Stadt und seine Familie mit viel tech- auch von professionellen Fotografen auf- Archiv« einen eigenen Bestand im Lan- Dreharbeiten für Die seltsame Gräfin am 2. Oktober 1961 im Park von Schloss Ahrensburg Brigitte Grothum; Klaus Kinski musste nischem Sachverstand und Fantasie in genommenen Motiven ließen sich Schul- desfilmarchiv. Auch das Material von 50 sich unter russischem Tarnnamen als Szene zu setzen. Noch einige Jahre älter klassen Themen aus der Region, z. B. Torf- Eigenproduktionen gehört in diesen Zu- einen im Gasthaus einquartierten Poli- als Kochs 9,5-mm-Filme sind auch die abbau oder Landwirtschaft in exakter sammenhang. Denn wie die Fotografin- zeispitzel aufopfern. Gastspiele gaben 16-mm-Streifen der Familie Stürcken mit Abbildung anschaulich vermitteln. 1935 nen und Fotografen der Landesbildstelle Richard Münch (mal verkleidet als Arzt, Straßen- und Gartenaufnahmen aus dem wurde die »Lichtbildzentrale« mit den wichtige Phasen der Stadtentwicklung, mal als Hai) und (zum zweiten Mal) die Stammbesetzung auf dem Kiez hin Aufnahmen im Hamburger Hafen nicht Stadtteil Schwachhausen. Diese heute Bildstellen der Städte Bremerhaven und besondere Ereignisse und den Alltag der Elisabeth Flickenschildt vom Deutschen und wieder mit einer Sauftour über die herum.) Zu den bekanntesten zählte be- wertvollen historischen Dokumente von Vegesack zur »Kreisbildstelle Bremen« Menschen im Bild festhielten, so wur- Schauspielhaus in Hamburg. Ablenkung durch die Filmarbeiten hin- stimmt der 1964 fertig gestellte Hexer, 1925 entstanden zu einer Zeit als deutsch- vereint und der »Landesbildstelle Hansa« den seit den 1980er Jahren ebenso Filme Tatsächlich war es die Gesangsein- wegtrösten musste. Nach der Berliner der dem durch weitere Programme aus- landweit der stete Auf- und Ausbau eines in Hamburg unterstellt. Nach dem Zwei- produziert. Sie enthalten zum Teil sehr lage der Flickenschildt als zwielichtige Premiere am 28. September 1962 war die gedehnten Fernsehen noch einmal Paroli Netzes staatlicher Bildstellen erfolgte, ten Weltkrieg entstand 1949 die eigen- wertvolle zeitgeschichtliche Quellen, Gastwirtin Nelly Oaks, die dem Film Presse des Lobes voll: »Den Film habe bieten sollte. Er gehörte allerdings zu den um das sich rasant ausbreitende Bild- ständige »Landesbildstelle Bremen« mit z.B. Interviews mit inzwischen verstorbe- eine besondere Note gab: Zur Musik von ich mit Wonnegrusel gesehen!« hieß es ersten, die ab 1969 im Fernsehen liefen. medium Fotografie und später auch den genau festgelegtem Aufgabenmix aus nen Zeitzeugen der Novemberpogrome Martin Böttcher brachte sie das Lied »Be- z.B. in der Neuen Rhein Zeitung vom Auch Studio Hamburg hatte sich mehr Film im Schulunterricht einsetzbar zu den Bereichen Pädagogik, Bild- und 1938 oder Aufnahmen der Verfüllung des sonders in der Nacht!« mit verruchter 29.9.1962. Auch die Kinokassen klingel- und mehr auf die Fernsehproduktion machen. Filmsammlung und Technik. 1,6 Kilometer langen Überseehafens mit Stimme gleich zu Beginn zum Besten. Ein ten wie nie zuvor. verlegt. • In Bremen fiel der Startschuss 1924. Neben der Fotografie hatte das Me- Millionen an Kubikmetern Außenweser- bedenklicher Reporter des Hamburger Ein voller Erfolg – und doch das Ende Schon einige Jahre zuvor hatten enga- dium Film vor allem mit der 1934 erfolg- sand 1998. Echo fragte die berühmte Schauspiele- Hamburgs als Drehort für Wallace-Filme: gierte Pädagogen und Mitglieder des ten Gründung der »Reichsstelle für den Dank an Sylvia Zarnack, die dem Film- und rin, ob sie diese Rolle in einem Kriminal- Nach dem elften Film der ersten Staffel Bremischen Lehrervereins eine »Arbeits- Unterrichtsfilm« (ab 1940: Reichsstelle LEBENDIGES ARCHIV film geniere, und bekam als Antwort zu wurden die weiteren Produktionen end- Fernsehmuseum Hamburg einen Teil des gemeinschaft für das Lichtbildwesen« für Bild und Film in Wissenschaft und hören: »Wir Künstler sollten hin und gültig nach Berlin verlegt. In den nächs- Nachlasses ihrer Eltern Helmut und Anne Beck ins Leben gerufen und den Aufbau einer Unterricht, RWU) Einzug in das Angebot Als Ort der fortwährenden Beschäfti- überlassen hat, sowie an Volker Reißmann für wieder mal unserem gewohnten Rollen- ten zehn Jahren entstanden noch mehr fotografischen Sammlung begonnen, der Bildstellen gefunden. Der Einsatz von gung mit Film und Projektion wurde die wichtige Hinweise und die Suche nach (bisher fach entfliehen.« Die Außenaufnahmen als zwei Dutzend weitere Edgar-Wallace- wenig bekanntem) Bildmaterial im Conti-Press- aber der offizielle Betrieb der »Bremi- Unterrichtsfilmen nahm während der Landesbildstelle allein durch ihre Exis- fanden im Milieu zwischen Elbe und Filme, zumeist mit der bekannten Stamm- Bestand im Staatsarchiv, aus dem auch alle schen Lichtbildzentrale für das Volks- 1930er Jahre rapide zu, und als 1950 in tenz eine Anlauf- und Abgabestelle für Reeperbahn statt, so dass der Regisseur besatzung. (Nur selten kam man um Fotos zu diesem Artikel stammen. schulwesen« begann erst im November München das FWU (Institut für Film und nicht mehr benötigte Filme aller Art. 22 FILMARCHIVE BUCHREZENSION 23

Stadtteil Neustadt für eine »Doppelstunde Heimatkunde« der 9. Jahrgangsstufe ei- Deutsche Spielfilme 1931–1939 ner Bremer Oberschule, so lauteten die Erster Weltkrieg und kein Ende! jüngsten erfolgreich bedienten Anfragen. Aber wie viele staatliche Bremer Einrich- tungen sieht sich das Landesfilmarchiv Natürlich kann das Erinnerungsjahr darstellung in Pour le Mérite, in dem mit großen Herausforderungen konfron- nicht zu Ende gehen, ohne mehrere 1938 die Verbindung zwischen den tiert. Vor dem Hintergrund der jährlich Blicke auch auf die Filme über jene Kriegen behandelt wird. Während anstehenden gesetzlichen Verpflichtung Zeit zu werfen. Der renommierte der eine Film eher als Erinnerung für zur Personaleinsparung kann das Zent- Münchener Verlag bietet gleich drei die ehemaligen Kriegsteilnehmer ge- rum für Medien seinem Landesfilmarchiv umfängliche Werke zum Thema an, dacht war, zielte der andere auf die zurzeit lediglich eine volle Arbeitskraft von denen eines mit besonderem Verherrlichung des Frontsoldaten für zuteilen. Ferner erscheint wegen bremi- wissenschaftlichen Anspruch auftritt: den kommenden Krieg. Filmdosen und Dia-Reihen im Rechercheraum des Landesfilmarchivs scher Haushaltsnotlage die Erneuerung Die von der Universität München an- Zur eigentlichen Interpretation der veralteten Digitalisierungstechnik genommene Dissertation erscheint kommt es dann auf den nächsten 150 (Abfilmanlage mit Prisma) vorerst un- zwar unter einem etwas kryptischen Seiten bei der »qualitativen Analyse«. möglich und ist der Weg zur Herrich- Haupttitel und einem anspruchs- Die Verfasserin sucht aus den Filmen Bis in die 1990er Jahre waren von Film- erklären sich die vielen Aktivitäten des tung klimatisch optimale Magazinfläche vollen Untertitel und ist mit einem nach Antworten auf zwölf Problem- amateuren, Firmen, Vereinen und weite- Landesfilm- und desFotoarchivs in Zu- (6° C bei 25 % Luftfeuchte) noch nicht sehr zugespitzten Klappentext ver- fragen: Kriegsschuld und Dolchstoß- ren Quellen derart viele Rollen übereig- sammenhang mit Schul- und Bildungs- gefunden. Aber trotz offensichtlicher sehen, doch sie liefert eine überaus legende, Bild der Soldaten, Offiziere net worden, dass ein Status dafür formu- projekten. Ausstattungsmängel und ernsthafter gründliche Analyse von deutschen und Frauen sowie der Feinde, Rassis- liert und festgeschrieben werden sollte. Seit Bestehen des Landesfilmarchivs Schwierigkeiten bei der Bestandssiche- Filmen der Zwischenkriegszeit, aus mus und Antisemitismus, Darstellung Vor diesem Hintergrund entstand 1995 wird jeder abgegebene Originalfilm als rung sind die positiven Aspekte nicht zu denen sich eine Kontinuität von der des Kriegsgeschehens, Bewertung des das Landesfilmarchiv. Die Leitung über- historisches Dokument bewahrt und übersehen: das Landesfilmarchiv lebt, ist Weimarer Republik zum Dritten Opfertodes u. a. Dabei kommt Er- Blickfang im Zentrum für Medien: nahm der Mitarbeiter Dr. Diethelm Knauf. Rolle für Rolle als einzigartige Quelle 35-mm-Projektor der Firma Bauer aus dem arbeitsfähig und mit seiner Einbindung Reich herauslesen lässt. staunliches heraus, wenn sie z. B. fest- Durch seine schon zuvor begonnene behandelt. Das gilt für vollständige Pro- Kinosaal der früheren Landesbildstelle ins Zentrum für Medien langfristig ge- Es sind insgesamt 16 Spielfilme, stellt, dass der Antisemitismus in den Tätigkeit, die historischen Filme und das duktionen von Stadtporträts z. B. der sichert. Durch Kooperation mit dem Re- die sich Daniela Kalscheuer vorge- Filmen keinen »signifikanten Platz« neu eingerichtete Archiv in einer Viel- Bremen-Werbung aus den 1930- und 60er gionalfernsehen von Radio Bremen und nommen hat, fünf von ihnen sind (S. 419) einnimmt, es eher um natio- zahl öffentlicher Veranstaltungen, Aus- Jahren und ebenso für private Filme, durch öffentliche Filmveranstaltungen vor der Machtübernahme Hitlers nal-konservatives Gedankengut geht, stellungen und Video-Projekten bekannt deren Inhalte auf den ersten Blick der Seestadt hat das Landesfilmarchiv und Publikationsprojekte wird die Arbeit entstanden, elf danach: Sie werden wobei sie allerdings fälschlicherwei- zu machen, konnten in wenigen Jahren häufig austauschbar erscheinen, z. B. sich auch das allgemeine Thema Schiff- des Landesfilmarchivs in der bremischen auf 200 Seiten, wie die Verfasserin se das katholische Zentrum einbe- Hunderte von Filmdokumenten über- Super-8-Aufnahmen von Tieren im Bre- fahrt als weiteres Sammelfeld erschlie- Öffentlichkeit bekannt gemacht, wertge- es nennt, einer »quantitativen Analy- zieht. Viel zu kurz geraten leider die nommen werden. Eine gemeinsam mit mer Bürgerpark aus den 1970er Jahren, ßen können, zumal ohnehin durch Ab- schätzt und für Bildungs- und Veranstal- se« unterzogen: Dazu gehören neben Anmerkungen zur Dramaturgie, die Radio Bremen im Staatsarchiv Bremen Schwenks vom Herdentor hinauf zum be- gaben von Bremer Werften, Reedereien tungsprojekte aller Art nachgefragt. den Inhaltsangaben, den Biografien für die Wirkung der Filme doch aus- durchgeführte Filmsammelaktion 2004 liebten Touristenmotiv der »Wallmühle« und Hafenbetrieben viel Material aus Wer die starke Wirkung der eingän- der Beteiligten, den Produktionsbe- schlaggebend war. war sehr erfolgreich, und 2010 wurde er- oder Einstellungen von Kaffeetafeln auf der maritimen Wirtschaft vorhanden ist gigen historischen Filmbilder in Verbin- dingungen, den Zensurentscheidun- Im Fazit wird festgestellt, dass die neut öffentlich zur Abgabe von histori- Familienfeiern von Taufen bis Beerdi- (AG »Weser«, DDG Hansa, Norddeutscher dung mit den zugehörigen Geschichten gen und Prädikaten vor allem die Filme eindeutig als Propaganda zu schem Filmmaterial aufgerufen. Bis heute gungen. Denn auch auf diesem vorder- Lloyd, Stauerei Heinrichs u.v.a.m.). Auf und Hintergründen erlebt, den wundert Auswertung der Eigenwerbungen bewerten sind. Widersprüche zwi- finden weiterhin wertvolle »Dachboden gründig unspektakulären Material sind diese Weise sind jüngst auch besondere das kaum. Historische Filmesequenzen und der Kritiken; schließlich wird schen den national-konservativen funde« den Weg ins Landesfilmarchiv – zahlreiche Details überliefert, die helfen Hamburger Filmdokumente nach Bre- vermitteln sofort intensive Eindrücke. Sie noch auf den Umgang mit den Filmen Eliten und dem Nationalsozialismus zuletzt im September 2014, als der Sohn können, unser Bild von der Vergangen- men gelangt, nämlich Aufnahmen des präsentieren sich wie ein Schaufenster in nach 1945 eingegangen. Als Ergän- werden dabei allerdings nur unzurei- eines Hemelinger Juweliers die insge- heit zu schärfen. 1974 nach Eröffnung der Köhlbrandbrü- die Vergangenheit und suggerieren damit zung sind die auf der beigefügten chend ausgedeutet. Die Auseinander- samt 80 Rollen seines Vaters aus den cke eingestellten Trajektfähren-Verkehrs ein spontanes Gefühl persönlicher Zeu- CD-Rom untergebrachten Protokolle setzung mit der einschlägigen Litera- Jahren 1938 bis 1970 ablieferte. Das VIELFÄLTIGE BESTÄNDE über die Süderelbe und Impressionen genschaft. Und dabei ist es ganz gleich, gedacht: Alle Filme sind nach Se- tur im Fazit hätte im Übrigen besser Archiv ist somit sehr lebendig und baut vom Fahrbetrieb der »Stettin« als letz- ob das Publikum aus Bremer Schulklas- quenzen unterteilt worden (leider Platz in der Einleitung gehabt, so dass seinen einzigartigen kulturhistorischen Das Sammelgebiet des Landesfilmarchivs tem dampfbetriebenem Eisbrecher auf sen, Senioren, Mediensachverständigen ohne eine klare Strukturierung), von der Leser auf Kontroversen vorberei- Filmschatz weiter aus. endet nicht an den Landesgrenzen, und der Elbe. Auch von Bremer Seeleuten oder Fachhistorikern besteht – moderier- den meisten sind auch ausgewählte tet wäre. • Zur Zeit der ersten Filmsammel- aus verschiedenen Gründen finden sich gelangten weltweit belichtete Filme ins tes Bewegtbild aus vergangenen Tagen Einstellungen beschrieben worden Joachim Paschen aktion 2004 war auch in Bremen die in zahlreiche Rollen im Bestand, die nicht Archiv, und noch mehr außerbremisches schärft die Sinne für die Erinnerung und (leider ohne Begründung für die allen Ländern stattgefundene Reorgani- nur Bremer und Bremerhavener Motive Bewegtbild stammt von den vielen Bre- weckt Interesse für ein Verstehen vom Auswahl). sation der staatlichen Bildstellen weit- zeigen. Vor allem durch Übernahmen mer Filmamateuren, die als Urlauber mit Werden unserer Gegenwart. Die zusammengestellten Infor- • Daniela Kalscheuer: gehend abgeschlossen und aus der von geschlossenen Beständen und Kameras im Gepäck die Weser wochen- mationen sind höchst interessant Sieg! Heil? »Landesbildstelle« das »Zentrum für Sammlungen sind auch überregionale lang weit hinter sich ließen. und ermöglichen eine objektive Ein- Medien« geworden. Bereits seit 1998 Filme ins Archiv gelangt, z. B. der ge- Die Bestände des Landesfilmarchivs schätzung der Filme. Ein erstaunli- Strategien zur dem Landesinstitut für Schule (LIS) zu- samte Produktionsnachlass des Kultur- sind mithin ebenso umfangreich wie viel- KONTAKT cher Bogen wird sichtbar: Von der mentalen Aufrüstung im deutschen Welt- geordnet, unterstützt das Zentrum Lehr- und Lehrfilminstituts Klemens Lindenau fältig – und eignen sich als ertragreiche 1931 entstandenen Romanverfilmung Landesfilmarchiv Bremen kriegsfilm 1931 – 1939. kräfte in allen Bereichen der Medien- (Delmenhorst). Besonders zu erwähnen Fundgrube für Fragestellungen, Film- Zentrum für Medien/LIS · Dr. Daniel Tilgner Douaumont über das verzweifelte Edition Text+Kritik: bildung auf vielfältige Weise. Über das ist die Kooperation mit dem Deutschen recherchen und Schulprojekte aller Art. Große Weidestraße 4–16 · 28195 Bremen Hin und Her der Kämpfe um ein München 2014. LIS als Dienststelle der senatorischen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven. Mit »Flak-Stellungen« für die ARD, »Verkehrs- T. 0421. 361 78 45 · [email protected] französisches Fort als Beispiel für 508 Seiten, 1 CD-Rom, Behörde für Bildung und Wissenschaft der Übernahme von ca. 600 Filmen aus ampeln« für das ZDF und Filme über den den Grabenkrieg zu der Langzeit- Preis: EUR 39,- € 24 KOLUMNENTITELFILMMUSEEN FILMMUSEEN 25

Doch es kam anders. Die Kaufver- haben sicher einen gewissen Druck er- Machbarkeitsstudie handlungen Vox-Klangstudio scheiterten zeugt, zu dem man sich verhalten musste und Ende 2013 ergab sich nun für den und darauf verweisen konnte: Der Verein Zur konzeptionellen Nutzung des Verein die Alternative, das Nebengebäu- macht das schon irgendwie. Von kom- Nebengebäudes Produzentenkino / de mit dem Kino zu erwerben. Immerhin, munalpolitischer Verantwortung dem Vox-Klangstudio das Raumvolumen ist doppelt so groß Kulturerbe gegenüber und der daraus er- Das Arbeitspapier des Vereins und die wie Halle A1, der Kinosaal ist bereits vor- wachsenden konkreten, auch finanziel- Machbarkeitsstudie zeigen Ansätze handen. Und das alles in der Ästhetik der len Förderung ist nichts zu verzeichnen. auf, was das dann verlagerte Museum 50er Jahre – innen, außen – kein Fake, Die Verantwortung wird dem privaten inhaltlich der Öffentlichkeit vorhalten alles echt. Ein Juwel der Kinematogra- Verein aufgebürdet. Viele Kommunen könnte: phie, einzigartig in der Metropolregion bundesweit beneiden einen Ort wie Ben- Hamburg und darüber hinaus. Der Ver- destorf um so eine hochkarätige kultu- a. Permanentausstellung ein musste diesen Sachverhalt berück- relle Hinterlassenschaft wie das Filmstu- b. wechselnde themenbezogene Aktionen /Ausstellungen sichtigen und neu diskutieren. Mit dem dio Bendestorf. Mit Bendestorf wird im c. Plattform zum Selbermachen denkbar knappsten Ergebnis entschied Lande nicht nur bei cineastisch Interes- für Jugendliche und Adults er sich für die Übernahme des Gebäudes sierten sofort das »Heidehollywood« (Workshops). mit dem Kino. Ausschlaggebend war vor assoziiert. allem die bereits hier vorhandene Inf- Selbstverständlich könnte das eine Diese drei Säulen der Museumsarbeit rastruktur, Kino und Ausstellungsraum Basis für eine Profilierung mit Ausnah- sind bisher idealtypisch gedacht und hätten in A1 wesentlicher aufwendiger merang, ein Kennzeichen für ein Allein- zu Papier gebracht. Sie sind nicht auf installiert werden müssen. Den Ergebnis- stellungsmerkmal sein. Wäre da nicht zu Bedingungen konkreter architektoni- sen der Machbarkeitsstudien zufolge wä- erwarten, dass dieses Gewicht von jedem scher Vorgaben bezogen. Auch die ren die Gesamtkosten der Sanierung der gestaltungswilligen Politiker aufgegriffen Architektenskizze einer Kinosituation Halle A1 mehr als doppelt so hoch gewe- wird und zur Speerspitze kommunal- in der Halle A1 ist eher die Visualisie- rung einer Idee als strikte und ver- sen. Auch das war ein starkes Argument politischen Handelns mit aussichtsrei- bindliche Vorgabe. Sie ist aus der pro Produzentenkino. cher Perspektive gemacht wird? Sollte da Vorstellung, Halle A 1 multifunktional Studio Bendestorf Im Frühjahr 2014 erfolgten Neuver- nicht der Gemeinderat selbstverständlich zu nutzen, entstanden. Grundsätzlich handlungen mit den Eignern der Studio- einstimmig dieses Projekt mit all seinen gilt: Diese flexible und abänderbare Quo Vadis? betriebe. Ein detaillierter Kaufvertrag Möglichkeiten unterstützen? Auch wenn Konzeption ist auch auf die Nutzung war das Ergebnis, er liegt beim Notar, diese nicht ausreichen, aber gerade um des Nebengebäudes übertragbar. bereit zur Zeichnung. Mit dem Vereins- weitere überregionale Fördermöglich- Von Walfried Malleskat kapital und den zum Teil beantragten keiten zu erwerben ist es erforderlich, Zuschüssen aus infrage kommenden dass die Gemeinde ein klares Signal des Der Kampf um den Erhalt des kulturhistorisch wichtigen Filmstudios in der Nordheide Kulturfördertöpfen soll es nun möglich Mittragens von Verantwortung sendet. geht weiter. Der »Freundeskreis Filmmuseum Bendestorf« appelliert an Landes- und sein: das Gebäude Vox/Produzentenkino Kommunalpolitik, die Umsetzung des Projekts zu unterstützen. zu übernehmen und zu erhalten und im Fazit Laufe der Zeit hier eine filmmuseale Ein- richtung als interaktiven Kulturraum der Die kommunalen Gremien – einschließ- linke Seite: Ein Nebengebäude des 1948 ur Erinnerung: Die Filmstudios Vorabendserien produziert, letztlich intensive Überzeugungsarbeit gelang es Öffentlichkeit vorzuhalten. lich des Landkreises Harburg – sollten bis 1950 erbauten Studiokomplexes Bendestorf gibt es seit 1947, d. h. nutzten auch die privaten Fernsehsender ihm, eine neue Mehrheit im Gemeinde- die Chance wahrnehmen, ein echtes unten: In diesem Raum haben einst zur Gründung seiner Jungen Film- Bendestorf als Produktionsstätte. Ende rat zu schaffen, die das Vereinsziel ver- Stück deutscher Filmhistorie mit dazu- Z Ein kommunalpolitisches Maskenbildner die Filmstars geschminkt, Union errichtete der Produzent, Regis- der 80er Jahre etablierte sich als Dau- tritt. Das Vereinskapital war anfänglich gehöriger Architektur zu ihrer Sache zu der Zahn der Zeit hinterließ Spuren TraueRspiel? seur und Drehbuchautor Rolf Meyer die ereinrichtung das »Vox-Klangstudio«. In gleich null. Heute verfügt der Verein, machen und das Projekt nach vorne zu erste Aufnahmehalle. Bis 1950 entstand Bendestorf ist von der Nachkriegszeit – dank regionaler Sponsoren, über eine In der Erkenntnis der kulturgeschichtli- bringen. • eine – zu der Zeit – einmalige Infra- noch vor Gründung der Bundesrepublik sechsstellige Summe, die ausreicht, zu- chen Bedeutung des Studio Bendestorf struktur zur Spielfilmproduktion in der – bis heute ein gewaltiges Stück Popular- mindest einen Teil des Studiokomple- möchte man eigentlich erwarten, dass Nordheide. 1952 kam das Ende der Jun- kultur geschaffen und damit ein Kultur- xes der Nachwelt zu erhalten. Zunächst die zuständigen kommunalen und auch gen Film-Union und der Studiokomplex erbe hinterlassen worden. konzentrierte sich die Kaufabsicht auf regionalen politischen Gremien sich des wurde von Fink-Film weiterbetrieben. die legendäre Aufnahmehalle A1. Das Projektes annehmen und Anstrengungen An der von Meyer vollendeten Architek- DER Freundeskreis hatte bis zum Herbst 2013 oberste Pri- unternehmen, es auch zu realisieren. tur wurde bis heute nichts verändert. orität. Der Öffentlichkeit wurde sei- Trotz der (Gründungs-)Mitgliedschaft Wand, Boden, Fenster, Tore und Farben Dem gilt es nun gerecht zu werden. In tens der Gemeinde Kauf und Sanie- wesentlicher Kommunalpolitiker im Ver- sind im originären Zustand. Erkennbar 2011 hat sich der »Freundeskreis Film- rung durch den Verein verkündet. Alles ein ist dem leider nicht so. Zwar hat ein sind die Spuren, die der Zahn der Zeit museum Bendestorf e.V.« formiert – ein schien unter Dach und Fach. Der Erhalt Wandel in der Sicht und Beurteilung der genagt hat. Verein, der den »Erhalt von kulturhisto- des Architekturensembles Halle A1 und Sache Studio Bendestorf bei einem Teil Von 1947 bis 2013 wurden hier rischer Bausubstanz auf dem Filmgelän- Vox-Klangstudio schien gesichert: Der der Kommunalpolitiker stattgefunden, mehr als 100 Spielfilme gedreht, die de« als Ziel formuliert hat. Anfänglich Verein kauft Halle A1 und der Betreiber nur: Konkrete Maßnahmen zur Förde- erste Seifenoper der Nation »Familie mit 39 und nun 56 Mitgliedern nahm er des Vox-Klangstudio übernimmt das Ne- rung des Projektes sind daraus nicht er- Schölermann« mit 111 Folgen entstand die Arbeit, besser den Kampf für den Er- bengebäude mit dem darin integrierten wachsen. Die argumentative Vereinsar- in Bendestorf, das ZDF hat hier diverse halt des Studios auf. Durch stetige und ehemaligen Produzentenkino. beit und die mediale Berichterstattung Fotos: Katharina Malleskat 26 KINOGESCHICHTE KINOGESCHICHTE 27

35 Jahre Metropolis Ein besonderes Kommunales Kino

Von Nora Aust

Das Kommunale Kino Metropolis verfolgt das Ziel, einen Ort in Hamburg zu betreiben, an dem Film nicht bloß als reine Freizeitunterhaltung konsumiert, sondern als Kultur- und Bildungsangebot wahrgenommen wird. Das Metropolis ist ein Ort für die intensive Beschäftigung mit Film, der systematisch Filmbildung betreibt und das Verständnis für Filmkultur fördert. Im Metropolis wird Film vornehmlich als Kunst begriffen: Er sollte genauso zur Bildung gehören, wie die Kenntnis

bestimmter Bücher, Musik- oder Theaterstücke. Foto: Sammlung Thorsten Rosemann

ns Leben gerufen wurde das Kom- der Staatsoper. Am 13. Oktober 1979 das Kino geschlossen – werden in der Künste im Metropolis Kino die Möglich- zahlen sogar auf 50.000 Besucher ange- ins Leben gerufen, nachdem das Met- munale Kino Metropolis 1979 von der wurde dort das neue Kino mit der Vor- Regel 50 – 60 verschiedene Filme pro keit gegeben, ihre Filme auf einer großen stiegen. Eine Besucherumfrage in Bezug ropolis Kino in den Besitz einer ganzen I Initiative Kommunales Kino e. V., die führung des Fritz-Lang-Films Metropolis Monat gezeigt. Im Normalfall finden da- Leinwand zu zeigen. Begleitend zu Aus- auf die Altersstruktur hat ein Durch- Reihe von Filmen aus dem Bestand des seit 1994 unter dem Namen Kinemathek unter Klavierbegleitung von Willy Som- bei drei Filmvorführungen am Tag statt. stellungen in Hamburger Museen oder schnittsalter der Besucher von 53 Jahren Fernsehens gekommen ist. Mittlerweile Hamburg e. V. als Trägerverein hinter merfeld eröffnet. Zu Gast waren Bürger- So gliedert sich das Kinoprogramm in Ausstellungshäusern werden häufig pas- ergeben, besonders stark vertreten ist die umfasst das Filmarchiv 5.100 analoge dem Kino steht. Der Schwerpunkt der meister Ulrich Klose sowie Kultursenator Filmreihen und regelmäßig wiederkeh- sende Filme gezeigt. Altersgruppe der Siebzigjährigen. Viele Filmkopien (meist 16 mm-Format) und Filmarbeit des Metropolis Kinos liegt auf Wolfgang Tarnowski. rende Veranstaltungen mit bestimmtem der Zuschauer besuchen das Kino seit weitere 500 Filme, sowohl analoge Kopien filmhistorischen Werken und dem Erhalt Themenschwerpunkt. In umfassenden BESUCHER mehr als 15 Jahren, nicht wenige sind wie auch digitale, die in Kooperation mit der Filmkultur. Es geht nicht nur darum RENOVIERUNG Retrospektiven von Regisseuren, Schau- ihm seit der Eröffnung vor 35 Jahren treu der Filmförderung Hamburg Schleswig- Filme zu zeigen, sondern den Zuschau- spielern oder Kameramännern wird das Die meisten in Hamburg stattfindenden geblieben. Auffallend ist, dass ein nicht Holstein gesammelt werden. Dabei han- ern ein umfassendes Verständnis von Der Saal des Kinos stammte noch von filmische Schaffen dieser Personen dar- Filmfestivals spielen sich auch im Metro- unerheblicher Teil der Gäste, besonders delt es sich um geförderte Produktionen, Film zu vermitteln. Als Gegengewicht dem 1952 eröffneten Non-Stop-Kino im gestellt. Mit verschiedenen Länderpro- polis Kino ab, angefangen beim Filmfest der Stammgäste, ohne Begleitung ins von denen eine Kopie im Archiv vom zu den kommerziellen Kinos wird das Dammtortheater und ist mittlerweile grammen gewährt das Metropolis einen Hamburg über die Lesbisch-Schwulen Metropolis Kino geht. Metropolis hinterleget werden muss. Im Metropolis zu zwei Drittel von der Kul- unter Denkmalschutz gestellt. Im Laufe Blick in die Kinematographie der ganzen Filmtage, die Dokumentarfilmwoche und Im Metropolis arbeiten derzeit sechs Laufe der Jahre gab es immer wieder turbehörde der Freien und Hansestadt der Jahre wurden unter Berücksichti- Welt. Zu den Ländern, deren Filmpro- das Internationale Kurzfilmfestival bis fest angestellte Mitarbeiter sowie drei Neuausrichtungen in der Sammlungs- Hamburg finanziert und zu einem Drittel gung der Denkmalschutzbestimmungen duktionen regelmäßig einmal im Jahr hin zum CineFest. Für einige dieser Fes- Vorführer und fünf studentische Hilfs- politik. Anfangs standen Filmgeschichte über Eintrittsgelder, Mitgliederbeiträge, verschiedene Erneuerungen vorgenom- vorgestellt werden, gehören Frankreich, tivals gilt das Kommunale Kino Metro- kräfte. 2006 hat Martin Aust die Nach- und Filmklassiker im Mittelpunkt, später Sponsoring und andere Fördermittel. men. Beim Einbau einer Cinemascope- Griechenland, China, Italien, Russland, polis als deren Geburtsort. Die Lesbisch- folge von Heiner Ross als Geschäftsführer verstärkt Filme von deutschen Regisseu- Bereits 1976 taten sich Hamburger Leinwand musste die ursprüngliche Büh- Indien. Spanische und polnische Filme Schwulen Filmtage beispielsweise haben übernommen; schon 1987 hat er an der ren und /oder mit deutschen Schauspie- Filmemacher und Filmenthusiasten unter ne weichen; 1984 wurde die Saaldecke sind mit jeweils einer Vorstellung im 1989 als eine Veranstaltung im Metropolis Programmgestaltung, der Organisation lern, die ins Ausland emigriert waren. der Federführung von Hellmuth Cos- erneuert sowie zwischen 1989 und 1993 Monat im Programm vertreten. Darüber Kino begonnen. Das jährlich im Sommer und Durchführung von Programmen so- Der Großteil der Sammlung besteht aus tard zusammen, mit dem Ziel in Ham- neue Bestuhlung eingebaut. 2008 wurde hinaus gibt es eine Reihe von themeno- stattfindende Freiluftkino auf dem Rat- wie Veranstaltungen, mitgearbeitet. Rita US-amerikanischen Produktionen, häufig burg ein Kommunales Kino ins Leben der Häuserblock, in dem sich das Metro- rientierten Programmpunkten, die wö- hausmarkt wird ebenfalls vom Metropolis Baukrowitz ist Projektbetreuerin und für in der Originalfassung, da die meisten zu rufen. Im Vorstand der Initiative sa- polis Kino befand, abgerissen. Die Inves- chentlich oder monatlich einen festen Kino ausgerichtet. Als eine kostenfreie die Pflege der Pressekontakte verantwort- Filme von amerikanischen Sammlern ge- ßen zunächst neben Costard noch Hel- toren legten ein Konzept zur Erhaltung Platz im Programm haben. An jedem Freizeitaktivität für alle, die in den Som- lich. Der technische Leiter ist Michael kauft wurden. Es werden zur Zeit kaum mut Herbst sowie der damalige Leiter des Kinos vor. In einem Vertrag zwischen dritten Donnerstag im Monat findet das merferien in Hamburg bleiben, wurde Reckert: Er kümmert sich um Wartung noch Filme gekauft, da dafür keine finan- des Kunstvereins und spätere Leiter der den Investoren, der Stadt und der Kine- »Seniorenkino« statt: Hier werden Film- das Freiluftkino 1986 zum ersten Mal ver- und Instandsetzung aller technischen ziellen Mittel zur Verfügung stehen. Das Hamburger Kunsthalle Dr. Uwe Schnee- mathek Hamburg e. V. wurde die spätere klassiker gezeigt und die Zuschauer, anstaltet. Seitdem ist es bei dem Ham- Geräte. Für Personalorganisation und liegt auch an der Umstellung der Film- de. Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis Betreibung des Kinos festgelegt. In der vornehmlich Rentner, bekommen Kaffee burgern eine beliebte Veranstaltung. Abrechnungsfragen ist Felix Sonntag projektion auf digitale Formate. die Hamburger Kulturbehörde Gelder Übergangszeit wich das Metropolis in und Kuchen vor der Filmvorführung. In So vielfältig wie die verschiedenen zuständig. Neustes Mitglied im Team ist Im Kommunalen Kino Metropolis wird zusagte. Anfang 1979 holte der Verein das ehemalige Savoy am Steindamm im Zusammenarbeit mit der »Vereinigung Formen von Film sind auch die Besucher Manja Malz, die Martin Aust bei seinen Film noch wertgeschätzt, alles dreht sich Heiner Roß vom Arsenal Kino in Berlin Stadtteil St. Georg aus. Nach dreieinhalb der Verfolgten des Naziregimes – Bund und so vielseitig muss sich das Kinopro- Aufgaben unterstützt. um Film und Kino, nicht um Geld und als Geschäftsführer für das Kommunale Jahren kehrte es im November 2011 wie- der Antifaschistinnen und Antifaschis- gramm gestalten. In diesem Punkt zeigt Gewinn. Es geht um die Liebe zu einer Kino nach Hamburg. Zunächst war ge- der zurück an den alten Standort neben ten« werden monatlich Filme gezeigt, sich die Hauptschwierigkeit, mit der das FILMARCHIV Kunstform, die von Filmemachern, Kino- plant das Klick-Kino im Karolinenviertel der Hamburger Staatsoper: Der Eingang die sich kritisch mit der nationalsozia- Kino zu kämpfen hat; jedes Programm betreibern und Zuschauern geteilt wird. als festen Standort anzumieten. Die nö- des Kinos wurde in eine Seitenstraße listischen Vergangenheit und deren Fol- spricht eine andere Zielgruppe an, was Wichtiger Bestandteil der Kinemathek Das Kino an der Dammtorstraße mit tigen Umbaumaßnahmen und die Miete verlegt und der Kinosaal im Keller ab- gen auseinandersetzen. Auch mit den die Öffentlichkeitsarbeit erschwert. Den- Hamburg ist das angeschlossene Film- seinem Kinosaal im alten Glanz versteht wären jedoch zu kostspielig gewesen. gesenkt. Hamburger Universitäten, Hochschulen noch kann das Metropolis Kino relativ archiv: Sein Leiter Thomas Pfeiffer ist sich als Ort, an dem das filmische Erbe Auf der Suche nach einem anderen ge- Das Filmprogramm ist umfangreich und Museen finden regelmäßig Koopera- konstante Besucherzahlen von 40.000 – zuständig für die Archivierung des Be- am Leben gehalten und dem Publikum eigneten Kinosaal entdeckte Heiner Roß und vielfältig. An 363 Tagen im Jahr – tionen statt. Regelmäßig wird den Film- 45.000 Besuchern pro Jahr verzeichnen. standes und die technische Prüfung der in einer ihm angemessenen Form präsen- das Dammtorfilmtheater gleich neben nur an Heiligabend und Silvester hat studenten der Hochschule für bildende Im vergangenen Jahr sind die Besucher- Filmkopien. Das Filmarchiv wurde 1984 tiert wird. • 28 FILMTECHNIK FILMTECHNIK 29

Teil in die CMOS-Kamera. Dies bewirkt Nach 30 Jahren: ein flackerndes Bild auf dem LCD-Dis- Die Logmar S8 mit play während der Aufzeichnung, ähnlich elektronischem Display – Eine neue Super-8-Kamera wie früher im Sucher von Beaulieu- zum ersten Mal in einer Kameras oder bei der Fujica ZC 1000. Schmalfilmkamera verbaut Dort sprach man damals vom Spiegelre- flex-Prinzip, wie es auch bei Profikame- ras üblich ist. Von Jürgen Lossau Das leidige Problem der automati- schen Übertragung der ISO-Werte, die durch die Größe einer Kerbe (Notch) an Die erste Super-8-Kamera mit elektronischem Monitor, die erste mit integriertem Synchronsound der Kassette angezeigt wird, entfällt bei der Logmar. Hier wird die Filmempfind- in CD-Qualität und die erste mit WiFi-Fernbedienung. Wenn das klappt, was zwei Dänen lichkeit manuell über das Einstellrad, aus Aalborg planen, dann kommt noch einmal Schwung in die Super-8-Szene. Und das 30 Jahre, neudeutsch Jogwheel genannt, gewählt. nachdem die letzte neue Kamera vom Band gelaufen ist. Der Prototyp ist schon fertig und Das birgt viele Vorteile. Denn häufig sind wurde dem Hamburger Flimmern vorgestellt. Kleinserien von konfektioniertem Film- material in Super-8-Kassetten nicht rich- tig »genotched«, was zu Fehlern in der Der Film aus der Super- enn der Vater mit dem Sohne« – Die Idee dazu hatte Vater Tommy Belichtung führen kann. Außerdem lässt 8-Kassette muss in dieser so heißt ein Rührstück mit Rødtnes, der auch das Bildfenster selbst sich somit von den Werten, die die Kas- Kamera speziell einge- Heinz Rühmann, das 1955 Pre- konstruierte. »Das war tagelange Arbeit«, sette vorgibt, abweichen. Das macht zum fädelt werden, um einen W optimalen Bildstand zu miere feierte. Im Dezember 2014 soll eine sagt er, »aber jetzt ist damit sogar Filmen Beispiel bei altem Filmmaterial Sinn, das gewährleisten neue Super-8-Kamera Premiere feiern – in 16:9 möglich.« Tommy spielt damit sich durch lange Lagerung im ISO-Wert und die kommt nur zustande, weil ein auf das Format Max-8 der amerikani- ändern kann. Vater mit seinem Sohn heftig gebastelt schen Firma Pro8mm an. Durch »Aufboh- hat. Der Däne Lasse Rødtnes, 31, ist Elek- ren« des klassischen Bildfensters einer Sogar eine XLR-Buchse tronikspezialist. Von chemischem Film herkömmlichen Super-8-Kamera hat es hatte er keine Ahnung. Aber sein Vater Pro8mm geschafft, alte Kameras, deren Neben einem fetten Videokamera-Akku Tommy, 62, der beruflich mit Feinmecha- Format eigentlich 4:3 ist, zu erweitern. für die Energieversorgung ist die neue nik zu tun hat. Beiden ist gemein, dass sie Der Film wird nun auf der einen Seite Super-8-Kamera auch mit allerlei 3,5-mm- gern zusammen etwas aushecken. So wie bis an den Rand, auf der anderen Seite Anschlüssen, einem USB-Port für Firm- in den vergangenen fünf Jahren. direkt bis ans Perforationsloch belichtet. ware-Updates und mit einer professionel- Das Resultat haben die beiden kürz- Der Platz, der früher für die Magnetton- len XLR-Buchse für den Ton ausgestattet. lich in Hamburg vorgestellt: den Proto- piste reserviert war, entfällt. Die Logmar- Es bleiben wirklich keine Wünsche offen – typ der Logmar Super-8-Kamera. Ein Ge- Kamera kann aber auch ganz normale Foto: Friedemann Wachsmuth Indiefilmer, Musikclip-Produzenten und rät, das die gute, alte Schmalfilmtechnik Super-8-Aufnahmen in 4:3 liefern. Kameramänner, die mit dem kleinen ALLES ZUM THEMA SCHMALFILM Wenn der Vater mit dem Sohne: mit moderner Elektronik verbindet. Eine Lasse, links, und Tommy mit ihrem Format Werbung produzieren wollen, · Neue Super-8-Filmkamera: www.logmar.dk Super-8-Kamera mit WiFi, Soundfiles auf Objektive mit C-Mount Wunderwerk, der Logmar S8, bei ihrem werden begeistert sein. Selbst ein WiFi- · ADOX-Schwarzweißfilme in diversen Filmformaten: www.fotoimpex.de einer SD-Card und einem LCD-Display Besuch in der Flimmern-Redaktion Modul für kabellose Fernsteuerung via · Farbumkehrfilme für Super 8 und 16 mm: www.filmferrania.it als »Sucher«. Der Prototyp hat ein C-Mount-Gewinde. Smartphone ist vorhanden. · Schmalfilmzubehör und Filme: www.wittner-cinetec.de Dies war früher an 16-mm-Objektiven Lasse Rødtnes hat sich viel vorge- Achtung, Andruckplatte! üblich. Von entsprechenden Zooms und nommen: »Wir wollen erschwingliche Festbrennweiten sind viele gebraucht arbeitendes Jogwheel stufenlos geregelt. Filmkameras für Jedermann bauen«, sagt Was zuerst auffällt, wenn der Kassetten- günstig zu haben. Da die Linsen an der Auch die Tonaussteuerung. Und das ist er. Alle 40 Beta-Modelle sind bereits ver- fachdeckel des Prototyps gelüftet wird: Super-8-Kamera nur im mittleren Bereich schon die nächste Sensation an dieser un- kauft und werden im Dezember ausgelie- Hier kann man nicht einfach eine Super- formatmäßig genutzt werden, kann man gewöhnlichen Kamera. Der Sound wird fert. 20 gehen zu Pro8mm nach Amerika, Ferrania Farbumkehrfilm von Scotch in Logmar-Kamera anbieten. 2015 könnte 8-Kassette einlegen und dann sofort sich eine besonders hohe Abbildungs- szenengenau und synchron durch Log 20 wurden in Europa für 2.695 Euro (vor Super 8 sowie 16 mm und in Hamburg es die schon geben«, spekuliert Lasse, filmen. Denn statt der Plastikandruck- qualität erhoffen. Zum Rande hin sind File Daten auf einer SD-Karte aufgezeich- Mehrwertsteuer) angeboten. Die Beta- konfektioniert der Versandhandel Wittner dessen Vision zunächst mal ganz schön platte, die bei Super 8 unpräzises Teil Objektive ja stets schwächer in ihrer net. Tonvorlauf und Nachlauf sind eben- Tester sollen Logmar über ihre Erfahrun- Cinetec den körnigen Agfa Avichrome hochtrabend klingt: »Logmar soll der der Kassettenkonstruktion ist, wird in der Leistung. Eine halbautomatische elek- falls möglich. gen berichten, Updates bekommen sie 200 D Farbumkehrfilm in verschiedenen führende Anbieter von Filmkameras für Logmar eine Kamera-eigene Andruck- tronische Belichtungsmessung ist in der Als »Sucher« fungiert ein LCD-Mo- dann gratis. Ein gutes halbes Jahr später Schmalfilmformaten. Der Preis für eine Semi-Profis werden!« Auf der anderen platte aus Metall verwendet. Der Nutzer Kamera enthalten. Durch die Wahl der nitor, in dem die Filmverbrauchsanzei- geht, laut Logmar, die Serie in Produk- Super-8-Kassette mit 15 Meter Color- Seite – warum eigentlich nicht? Viele muss eine Schlaufe Film aus der Kassette richtigen Blende am Objektiv wird das TTL- ge bildgenau zu sehen ist und über den tion – für 4.100 Euro. material für drei Minuten liegt jetzt zwi- sind ja nicht mehr übrig ... Vielleicht wird ziehen und diese um eine Zahntrommel Messinstrument in die markierte Position auch alle Bedienvorgänge visualisiert Super-8-Filme gibt es noch als Farb- schen 27 und 50 Euro – ohne Entwick- Logmar sogar zum einzigen Anbieter wickeln. Schließlich wird der Film von gebracht. Schon kann gefilmt werden. werden. Bei geöffnetem Verschluss fällt negativmaterial oder in Schwarzweiß lung. Echte Liebhaber-Preise – bedingt analog-digitaler Filmgeräte. Der Ansatz Hand am Bildfenster eingefädelt. Das Die Kamera arbeitet stufenlos mit das Licht über die Optik direkt ins Bild- von Kodak. Neuerdings fertigt auch die durch kleine Mengen. des Vater-Sohn-Betriebs ist bestechend: dürfte Bildstand und Schärfe auf eine 8 bis 54 Bildern pro Sekunde und mit fenster. Bei geschlossener Umlaufblen- Berliner Firma Fotoimpex unter dem alten Doch die Dänen sind trotzdem zuver- Kleine Stückzahlen, realistische Preise, bei Super 8 bisher kaum gekannte Qua- Einzelbildschaltung. Alle diese Einstel- de (180 Grad) wird das Licht geteilt – ein Warenzeichen Adox wieder Schwarzweiß- sichtlich. »Wir würden gern auch eine Verbindung von analoger Mechanik mit litätsebene bringen. lungen werden über ein elektronisch Teil fällt auf den Belichtungsmesser, ein material. In Italien revitalisiert gerade S35-mm- und eine Super-16-Variante der digitaler Elektronik. •

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Zwischen hohen Häusern und hohen Tieren Heinz Rühmann und die Grindelhochhäuser in »Keine Angst vor großen Tieren«

Von Karl-Heinz Becker

Hamburg war 1953 ausersehen als Drehort für den Film, in dem der 50-jährige Heinz Rühmann sein Comeback als Schauspieler feiern konnte: Er hatte nach seinen Erfolgen in der NS-Zeit nach Kriegsende eine Pause einlegen müssen. Eine wichtige Kulissen-Rolle spielten im Film die gerade fertig gestellten und bezogenen »Wolkenkratzer« an der Grindelallee.

Die Grindel-Hochhäuser unmittelbar vor der Fertigstellung im Jahre 1950 Foto: Staatsarchiv Hamburg (Plankammer, Sign. 141–16, 7/610b) (Plankammer, Hamburg Foto: Staatsarchiv 32 FILMSTADT HAMBURG FILMSTADT HAMBURG 33

Aber die Geschichte hat ebenfalls gericht erhob, wurde der Streit im einen besonderen Pfiff. Hinter dem Titel Februar 1953 hinter den Kulissen endlich von den großen Tieren verbarg sich für beigelegt.« Produktion und Hauptdarsteller mehr Der Produktionsort Hamburg war als ein augenzwinkerndes Lustspiel. So- Heinz Rühmann nicht unbekannt. Ob- wohl Real-Film als auch Rühmann hatten wohl eher nach München und Berlin kurz zuvor auf schmerzliche Weise ihre orientiert, spielte er nach dem Krieg Erfahrungen mit den Staatsorganen in 1951 am Thalia Theater in Mein Freund gemacht. Rühmann war mit seiner Harvey. Seine Partner damals waren Inge Comedia-Filmproduktion in eine kräftige Meysel, Carl Voscherau, Harry Meyen, Pleite hinein geschlittert, saß auf einem Gisela Peltzer und Liselotte Willführ. Berg von Schulden und war auch künst- Regie führte Willi Maertens. 1952 trat lerisch nicht mehr gefragt. Der Schau- Rühmann mit Louis Verneuils Lustspiel spieler über sich selbst: »Der finanzielle Es bleibt in der Familie im Theater am Offenbarungseid war auch eine Nieder- Besenbinderhof auf. Zuvor, 1949, war er lage des Schauspielers Heinz Rühmann. schon mal in Hamburg gewesen, um beim Einen Schauspieler, der eine Pleite hinter NWDR zusammen mit Grethe Weiser sich hat, beschäftigt man nicht gern; das und Walter Giller sein erstes und einziges Ein Plakatmotiv aus dem Jahre 1953 habe ich vier Jahre lang erfahren. Kein Hörspiel aufzunehmen: »Du kannst mir Filmangebot.« viel erzählen ...«. Regie führte Ulrich Erfuhrt. Ihm begegnete Heinz Rühmann Fotos: / Real-Film Conti-Press NEUBeginn für RüHMANN 1953 wieder. Erfuhrt, die rechte Hand Gustaf Gründgens, war auch künstleri- Aus dieser Zeit existiert ein Foto Rüh- scher Leiter der Real-Film und inszenierte manns im Sportanglerdress. Dazu der Keine Angst vor großen Tieren. Filmstar später: »Heute kommt mir das Bild fast symbolisch für meine damali- GROSSES STARAUFGEBOT er Film hieß Keine Angst vor großen wie Keine Angst vor großen Tieren um Etliche Rühmann-Filme entstanden ge Situation vor: Ich stand ziemlich tief Tieren und war der erste von drei den schüchternen, hoffnungslos verlieb- rund um die Grindelhochhäuser: im Wasser und konnte keinen dicken Um einen erfolgreichen Film auf die Bei- Links Dreharbeiten 1953 an der Kinoanzeige aus dem Hamburger Spielfilmen, die Rühmann zwischen ten Emil Keller gerade recht. Von allen Fisch an Land ziehen.« Den spülten ne zu stellen, wurde von Produktion und D Gärtnerstraße für Keine Angst vor Abendblatt von Donnerstag, den 1953 und 1961 mit den Produzenten Walter ausgenutzt, winkt ihm plötzlich eine mys- großen Tieren, in der Mitte 1955 ihm Koppel und Trebitsch an den Ha- Regie nahezu alles herangeholt, was 13. August 1953 Koppel und Gyula Trebitsch in Hamburg teriöse Erbschaft. Einige Herrschaften Dreharbeiten in der Bundesstraße ken. Nach einer Serie von Misserfolgen an der Elbe Rang und Namen hatte: Gise- drehte. Die Menschen hatten wieder Geld wittern das große Geld. Darunter der für Der Hauptmann von Köpenick und dem Konkurs brachte Keine Angst la Trowe, Willi Maertens, Josef Dahmen, und rechts Dreharbeiten 1961 mit in der Tasche und wollten sich nach Wäh- Bruder von Kellers Vermieterin, der klo- vor großen Tieren die Wende für Heinz Max Walter Sieg. Josef Offenbach, Kurt Giulia Follina vor der Hochhaus- rungsreform und politischem Neubeginn bige Preisboxer Schimmel, der seine un- Kulisse für Der Lügner Rühmann und setzte den Neubeginn sei- A. Jung, Günther Lüders, Joachim Rake wieder unbeschwert amüsieren. Das Kino scheinbare Nichte kurzerhand mit Emil nes Erfolges in der Nachkriegszeit. und Carl Voscherau. Die weitere Beset- war zu dieser Zeit das optische Leitme- verkuppeln will. Das war ein schönes Mit einer Niederlage der besonderen zungsliste liest sich wie das »Who is who« dium, das Fernsehen steckte noch in den Thema für den pfiffigen Heinz Rühmann Art musste auch Real-Produzent Koppel des deutschen Films: Ingeborg Körner, Kinderschuhen. als Inkarnation des kleinen Mannes und fertigwerden. Dazu das Hamburger Film- Werner Fuetterer, Erich Ponto, Albert Nach zaghaften Anfängen kam die für Hamburgs Real-Film, die damit auf museum: »Für den, der Probleme der Florath, Ursula Herking, Hubert von deutsche Filmwirtschaft wieder auf Tou- geschäftlichen Erfolg setzte. Hamburger Real-Film in den Jahren 1951/ Meyerinck, Bruno Fritz, Beppo Brem, ren. 1953 verließen bereits 96 Produktio- 52 verfolgte, mag der Titel des Films, mit Wolfgang Neuss, Carl-Heinz Schroth, nen die Ateliers. Noch waren ausländi- LUSTIGER FILM MIT dem das Unternehmen nach fast einjäh- Klaus Kammer. Damit nicht genug: Unter sche Filme in den Kinos in der Überzahl, riger Zwangspause wegen ausbleibender den Hauptdarstellern befindet sich mit ERNSTEM HINTERGRUND darunter Kassenknüller wie Schnee am Bundesbürgschaften (ohne Geld kan nun Gustav Knuth auch ein ehemaliger Kilimandscharo, Zwölf Uhr mittags und Die Story klingt nach einem harmlosen mal keine Filme produzieren) seine Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter. der erstmalig in Deutschland aufgeführte Lustspiel. Eine ganz auf Heinz Rühmann Arbeit wieder aufnahm, recht doppel- Die britische Besatzungsmacht hatte ihn Welterfolg Vom Winde verweht. Aber abgestimmte Komödie mit vielen net- deutig erscheinen: Schließlich war es 1946 als Vertreter der Kulturschaffenden auch die leichte Unterhaltungskavallerie ten Gags. In seiner Paraderolle als un- das Innenministerium der Adenauer- (Knuth spielte am Schauspielhaus) in die aus deutschen Landen fand ihr Publi- auffälliger »kleiner Mann« unterhält er Regierung, welches den Geldhahn wegen von ihnen ernannte Bürgerschaft berufen. kum. Neue Kinolieblinge wurden gebo- sich schon mal mit dem Kuckuck seiner der früheren KPD-Mitgliedschaft des Auch der immer zugkräftige Max ren. So feierte in dem Streifen Wenn Kuckucksuhr, schmeißt vor Freude über Produzenten Walter Koppel zugedreht Schmeling war mit von der Partie. Im der weiße Flieder wieder blüht eine be- die Erbschaft sein Geschirr aus dem hatte. Erst als Koppel, damals auch Vor- fertigen Film erscheint er jedoch nur am zaubernde junge Schauspielerin namens Fenster und lernt, sich gegenüber großen sitzender des Produzentenverbandes, ein Rande. Die Vermutung liegt nahe, dass Romy Schneider ihr Kinodebüt. Tieren aller Art zu behaupten, bevor er entlastendes Gutachten von einem Pro- seine Rolle ursprünglich umfangreicher Um das Verlangen nach Leinwand- endlich die heimlich verehrte Ingeborg fessor der Hamburger Universität vor- geplant war. Vielleicht sogar, um dem amüsement zu stillen, kam ein Lustspiel Körner in die Arme nehmen darf. legte und Klage beim Bundesverfassungs- kleinen Emil Keller gegen den klobigen 34 FILMSTADT HAMBURG FILMSTADT HAMBURG 35

Boxer Schimmel beizustehen? Möglicher- einer Miniaturvaterrolle vor der Kamera INFO GRINDELHOCHHÄUSER weise wurde sie jedoch dezimiert, weil erschienen, und nachmittags konnte man Rühmann um seine filmische Dominanz erleben, wie Rühmann sich tapfer vom Vor dem Zusammenschluss der fürchtete. Übrigens: Das Kind mit der Messerwerfer Zorro an der Scheibe ›ein- britischen und amerikanischen Baskenmütze neben Max Schmeling ist rahmen‹ ließ. Zum Zuschauen kam der Besatzungszonen zur Bi-Zone und der 1948 in Hamburg geborene Roman- Zweite Bürgermeister Nevermann auf der Einrichtung einer zentralen und Drehbuchautor Bodo Kirchhoff. Kurzbesuch ins Atelier, und sicher ist mit Verwaltung in Frankfurt am Main, war Hamburg als »Hauptstadt« ihm auch über die zukünftige Nutzung der britischen Zone gedacht. 1946 dieser Hamburger Produktionsstätte ge- DREHARBEITEN IN DER begannen daher umfangreiche sprochen worden.« STRASSENBAHN Planungs- und Bauarbeiten für groß- Trotz dieser Bemühungen wäre Keine zügige Wohn- und Bürogebäude Just Scheu, zusammen mit Ernst Nebhut Angst vor großen Tieren optisch ein biede- im Grindelviertel, einem vom Krieg Drehbuchautor von Keine Angst vor gro- res Lustspiel geblieben, hätte man nicht schwer beschädigten Gebiet. Nach- ßen Tieren, hat zu Hamburg eine beson- in den neu erstandenen Grindelhoch- dem die Fundamente für zwölf Hoch- häuser gelegt waren, zogen sich die dere Beziehung. Seit 1948 verfügte Scheu häusern einen geradezu futuristischen Briten aus dem Unternehmen zurück. mit der Funklotterie im NWDR »Wer Drehort gefunden. Die damals beein- hört, gewinnt / Ja oder Nein« über einen druckenden »Wolkenkratzer« gaben eine 1948 entschied daher die Stadt Ham- enormen Popularitätsgrad. Sein Nach- prächtige Kulisse für Kellers Büroalltag burg, das von den Briten geplante folger bei der Funklotterie wurde mit in einem modernen Architekturbüro ab. Bauvorhaben fortzuführen, um auf Carl Voscherau einer der beliebtesten Die Hochhäuser verleihen dem Film ei- diese Weise die erste Wohnhochhaus- Hamburger Darsteller. Er gehört in dem nen Hauch von Manhattan und bringen stadt in Deutschland zu schaffen. Eine Gruppe von Architekten erhielt Film wie andere Hamburger Größen mit ihrer Innengestaltung eine architek- den Auftrag, moderne und für den zu den Passagieren einer Straßenbahn. tonische Moderne in das Geschehen, die sozialen Wohnungsbau geeignete Die Szenen wurden im fahrenden Zug phasenweise an Amerika erinnert (siehe Hochhäuser zu planen. Bis 1956 wur- gedreht. Auf dieses Ereignis machte der Infos in der Randspalte). den zwölf lang gestreckte Gebäude Hamburger Rundblick am 18. April 1953 Viel zu schnell verfällt die Produktion mit jeweils neun bis 15 Etagen rea- seine Leser aufmerksam: »Aufnahmen zu jedoch wieder in eine spießig enge At- lisiert. Mit über 2000 komfortablen dem Heinz-Rühmann-Film Keine Angst mosphäre und schlägt die Leier biederer Wohnungen, eingegliedert in eine große, grüne Parkanlage und mit vor großen Tieren werden heute in der Harmlosigkeit an. Kritisch müsste man Kinderspielplätzen versehen, sind Innenstadt in fahrenden Straßenbah- anmerken, dass Handlung und Gestal- sie noch heute ein Symbol für den nen gedreht. Heinz Rühmann, Ingeborg tung sich ständig in einem Widerstreit Wiederaufbau Hamburgs nach dem Körner, Carl Voscherau und Karl Napp zwischen demokratischer Freiheit und Zweiten Weltkrieg. werden unter anderen vor der Kame- unterjochenden Relikten aus Hitler- und ra stehen.« Rückblickend ergänzt die Kaiserdiktatur befinden. Ein Beispiel da- Zur Versorgung der Bewohner wur- Homepage des Hamburger Filmmuseums für ist Michael Jarys Marschlied Keine den in die Erdgeschosse Geschäfte, Lokale, ein Postamt, Arztpraxen und das damals wohl recht aufregende Ge- Angst vor großen Tieren. Es gibt nichts in Büroräume eingefügt und eine Tank- schehen: »Zu den Außenaufnahmen in dem Film, das deplatzierter wirkt. stelle samt Tiefgarage geschaffen. der Gärtnerstraße in Eimsbüttel, bei der Die Uraufführung am 31. Juli 1953 Bei Erstbezug der ersten beiden Rühmann mit seinem Filmsohn in eine fand nicht an der Elbe statt, sondern am fertig gestellten Hochhäuser im Hamburger Straßenbahn steigt, war auch Rhein, im Düsseldorfer Apollo-Filmthea- Frühling 1950 musste ein Komfortzu- ein Fotoreporter der Agentur Conti-Press ter. Die Komödie kam nicht nur beim schlag für Fernheizung, Fahrstühle, anwesend. So entstanden Aufnahmen, Publikum gut an, sondern auch bei der Müllschlucker und Gemeinschaftsan- tennen geleistet werden. die zeigen, wie aufwändig auch Tages- Kritik. So sparte die Frankfurter Allge- aufnahmen im Freien damals waren, für meine Zeitung nicht mit Lob: »Wie ein Seit 1979 stehen die zwölf Grindel- die man trotz Sonnenscheins noch zu- Springbrunnen tanzt diese Handlung in hochhäuser sowie die umgebende sätzlich große Scheinwerfer im Freien neckischen Kaskaden auf und ab, ein Grünanlage unter Denkmalschutz. aufstellen musste, denn das verwendete lustiges Abbild des Lebens.« Kulturell wurde das neue Viertel von Filmmaterial war bei weitem noch nicht In Hamburg erlebte Keine Angst vor zwei Kinos eingerahmt. 1951 nahm so empfindlich wie heute. Weiterer Dre- großen Tieren seine Premiere am Freitag, das heute noch existierende HOLI (Hochhauslichtspiele) seinen Betrieb hort war der Zirkus Hagenbeck, der üb- den 14. August 1953, in der BARKE. Der auf, 1959 kam das Grindel Filmtheater rigens auch die Raubtiere zur Verfügung Film schlug sich auch auf die damals so hinzu, das später mehrfach umge- stellte.« beliebte Beigabe von Sammelbildern in baut wurde und als Cinerama Grindel Und das Hamburger Abendblatt mein- Lebensmittel- und Genusswaren-Packun- zeitweise über die größte Leinwand te Ende April: »In den letzten Tagen hatte gen nieder. In den EDEKA-Lebensmittel- Hamburgs verfügte (27 × 10 Meter) – Am Rande der Dreharbeiten zu Keine Angst vor großen Tieren schoss einer der Studiofotografen der Real-Film, Peter Michael Michaelis (1904 –1996), diese man einen imponierend echten Zirkus- geschäften gab es ab diesem Datum 58 2009 wurde das einstige Prachtkino dann abgerissen. Fotoserie, die er auch stolz mit in seine Bilder-Präsentationsmappe aufnahm. torso im Atelier aufgebaut. Donnerstag- Motive aus dem Film in der Klebebild- Michaelis lebte viele Jahre selber in diesen Hochhäusern und hatte deshalb morgen war gerade Max Schmeling in Reihe Mut aus allen Lebenslagen. • eine besondere Beziehung zu dieser Filmlocation. 36 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 37

Das »untertemperierte« Mädchen aus Hamburg Eine Hafengeschichte der besonderen Art

Von Volker Reißmann

Ein Hamburg-Film der besonderen Art, 1958 vom Regisseur Yves Allégret zwischen Hafen und Reeperbahn realisiert: Ein französischer Matrose sucht nach der jungen Frau, die er während seiner Kriegsgefangenschaft kennen und lieben gelernt hatte. Gespielt werden Pierre und Maria von Daniel Gélin und Hildegard Knef. Die Suche nach der verlorenen Liebe weitet sich vor dem Hintergrund Hamburgs vergangener Zeiten zu einem Melodram aus.

och Pierre nimmt die Straßenbahn einsetzt. Der Zoll begleitet die beiden in renommierter Meister der »mise en scène« und macht sich auf die Suche nach Marias Wohnung, um dort nach weiterer war, hatte Ende der 1950er Jahre mit D Maria. Zunächst vergeblich. Wo ihr Schmuggelware zu suchen. Die Beamten 18 Filmen bereits über die Hälfte seines Haus stand, ist auf den Ruinen ein neu- gehen, Pierre bleibt, die beiden verbrin- filmisches Werkes vollendet, welches es Verlagsgebäude errichtet worden. Die gen die Nacht zusammen und Maria ge- rund 30 Titel umfasst – Liebesdramen Polizei geht davon aus, dass alle ehema- steht ihm ihre Liebe. zählen ebenso dazu wie Mafia- und Killer- ligen Bewohner der Gängeviertel-Reste geschichten sowie Abenteuerfilme. Der zwischen Kaiser-Wilhelmstraße und Va- 1907 in Asnières-sur-Seine Geborene Ein Dramatisches Ende lentinskamp Opfer der Bombenangriffe hatte vor dem Beginn seiner filmischen geworden sind. Am nächsten Morgen wird ihnen klar, Karriere selbst ein wildbewegtes Leben Im St.Pauli-Etablissement Silbersack dass sie keine gemeinsame Zukunft ha- geführt und unter anderem als Sekretär trifft Pierre seine Freunde nicht mehr, ben. Pierre weiß, dass Maria sich auch des sowjetischen Revolutionärs Leo aber auf der Herbertstraße. Sie gehen prostituiert; in Frankreich hat er eine Trotzki gearbeitet, bevor er 1940 dann zusammen ins Bikini, einem Nachtclub Frau, deren Foto Maria gesehen hat. seinen ersten eigenen Spielfilm inszenie- mit Schlamm-Catcherinnen. Nach dem Pierre geht. Seine Freunde warten immer ren konnte. Seine Ehe mit der prominen- Kampf dürfen die Gäste die schlammbe- noch auf ihn im Silbersack, aber er kann ten französischen Schauspielerin Simone deckten Kämpferinnen mit Schwämmen sie nicht auslösen. Sie entkommen mit Signoret machte des Öfteren Schlag- säubern. Pierre wischt über ein Gesicht Hilfe eines Kellners. Seine Freunde gehen zeilen. 1987 wurde ihm in Anerkennung und erkennt auf einmal Maria. Sie nennt wieder an Bord, Pierre bleibt zurück. seines Lebenswerkes posthum (er war sich nun Gilda und gibt vor, ihn nicht zu Am Hafen erkennt ihn ein Zuhälter, der am 31. Januar noch vor der Verleihung kennen. Maria versucht ihn abzuschüt- sich durch ihn und seine Freunde über- gestorben) der César, die französische teln, aber er holt sie ein und begleitet sie vorteilt sieht. Er sticht mit einem Messer Oscar-Variante, verliehen; seine Tochter in den Freihafen. Sie will dort einen Pelz- auf ihn ein. Pierre schleppt sich bis vor Catherine Allégret wurde ebenfalls mantel abholen, für den sie jahrelang die Wohnungstür von Maria. Aber diese Schauspielerin und war auch in einigen gespart hat. Sie geraten in eine Razzia, hat Schlaftabletten genommen und kann Filmen in unseren Kinos zu sehen. aber kommen samt Pelzmantel heraus. ihm nicht mehr öffnen. Aus seiner Hand Ihr Taxi muss beim Zoll halten, ein Be- fällt die Haarspange, die er seit den IM SCHATTEN DER »SÜNDERIN« amter erkennt Maria wieder und erinnert Kriegstagen aufbewahrt hatte. sich, dass sie bei ihrer Ankunft noch kei- Ohne Frage ein Hamburg-Film der Bei den Hauptrollen seines Filmes Das nen Mantel trug. Pierre verhindert, dass besonderen Art, 1958 von einem franzö- Mädchen aus Hamburg konnte der Fran- Regisseur Yves Allegret (rechts) am 9. April der Pelzmantel beschlagnahmt wird, sischen Regisseur zwischen Hafen und zose Allégret einen großen Besetzungs- 1958 mit seinen beiden Hauptdarstellern Hildegard Knef und Daniel Gélin bei den indem er all sein Geld, auch das ihm Reeperbahn realisiert: Yves Allégret, des- coup vorweisen: Neben dem damals in

Dreharbeiten zu Das Mädchen aus Hamburg Fotos: Conti-Press von seinen Freunden anvertraut wurde, sen Bruder Marc übrigens ebenfalls ein seiner Heimat sehr populären Charakter- 38 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 39

darsteller Daniel Gelin gelang es ihm, vielleicht schwierig, weil ich mich nicht für den Part des Hamburger Mädchens gern in eine Schablone pressen lasse. Maria Hildegard Knef zu bekommen: Ich wehre mich dagegen, nicht weil ich Keine andere deutsche Schauspielerin glaube, dass dieses oder jenes besser, hatte nach dem Krieg so früh wieder oder schlechter ist, sondern weil ich glau- Ruhm und internationale Anerkennung be, dass ich meine Rolle finden muss, die gefunden wie sie. Bei den ersten »Trüm- Rolle immer wieder, die zu meinem Typ merfilmen« noch jüngster Nachwuchs in passt. Deshalb muss ich ja nun nicht den Berliner UFA-Ateliers, war »die Knef« Jahre lang als Legionärin durch die Ku- innerhalb weniger Jahren zu einem Be- lissen marschieren. Ich bin sehr glücklich griff für Millionen Menschen geworden über meine neue Arbeit im französischen und hatte bereits in nahezu allen großen Film. Es ist eine Liebesgeschichte, und Ateliers in Europa gedreht und sogar am ich habe wunderbar Gelegenheit, von Broadway auf der Bühne gestanden. Nur dem Klischee wegzukommen, in das man das deutsche Publikum war ihr nicht im- mich so gern als Sünderin oder Legionä- Hildegard Knef April 1958 bei einem Fototermin in Hamburg mer zugeneigt. Sie musste hierzulande rin gepresst hätte.« Sie kündigte schließ- um Anerkennung kämpfen, nachdem sie lich an, ihren Vertrag mit der Nachkriegs- mit dem Film Die Sünderin für einen veri- Ufa zu lösen; sie werde noch einen Film tablen Skandal Anfang der 1950er Jahre im Sommer und noch weiteren Streifen gesorgt hatte: Vorgeblich um Anstand im Herbst in Frankreich drehen, bevor sie und Sitte besorgte Kirchenfürsten riefen dann in Berlin wieder am Theater spielen wegen einer kurzen Nacktszene sogar werde. zu einem Boykott von Hildegard-Knef- Auf den Film Das Mädchen aus Ham- Filmen auf – eine Protestmaßnahme, die burg selbst wurde in dem Interview nicht noch länger nachwirken sollte. weiter eingegangen, schließlich wurde er gerade erst in den französischen Univers- Filmstudios zur Endmontage vorbereitet. EIN INTERVIEW IM ABENDBLATT Viel Hamburger Lokalkolorit schimmerte Hildegard Knef im Juli 1959 bei der Ankunft am Flughafen Fuhlsbüttel Für die Abendblatt-Ausgabe vom 19. April auf jeden Fall bei den Anfang 1958 durch- 1958 gewährte die Knef ein ausführliches geführten Außenaufnahmen durch: An Interview. Die Dreharbeiten zum Mäd- den Landungsbrücken fährt noch die gute chen aus Hamburg (so lautete übrigens alte Straßenbahn, in die Pierre alias auch die Überschrift des Abendblatt- Daniel Gelin einsteigt, um nach St. Pauli Interviews) waren gerade beendet und zu gelangen. Die im Zweiten Weltkrieg neue Hamburg wird schon ins Bild berechtigten (und ängstlichen) Bemü- archiven nicht mehr auffindbar. Trotz- ihr Film Madeleine und der Legionär war teilweise zerstörten Werft-Helgen wie gerückt, wie das gerade erst fertig ge- hen, um Kitsch und falsches St.-Pauli- dem erinnern sich etliche Filmliebhaber erst kurz zuvor in den Kinos gestartet. In die der Howaldts-Werke sind bereits wie- stellte Springer-Hochhaus an der Kaiser- Klischee einen möglichst großen Bogen an diesen Streifen und sind verzweifelt Das deutsche Filmplakat einem einfachen weißen Wollkleid saß der aufgebaut und in den Anfangsszenen Wilhelm-Straße, in dessen Foyer der zu machen. Der Bogen ist um einen auf der Suche nach ihm, wie zahlreiche sie im Zimmer ihres Hamburger Hotels des Films gut zu erkennen. Und auch das Hauptprotagonist einen wichtigen Hin- Zirkelschlag zu weit gezogen. Ein ehr- Mails an unseren Verein in den letzten dem Journalisten »J.P.« gegenüber, der weis vom Pförtner für seine Suche nach barer Film, aber kein Großer«, urteilte Jahren belegen. Im Internet ist er in- sofort über die Schauspielerin urteilte: seiner Maria erhält. Sogar die Hambur- ein Kritiker mit den Initialien »W.H.M.«. zwischen in einigen Filmtauschbörsen »Große Augen in einem klugen Gesicht – ger Presse wurde mobilisiert, als auf der Offenkundig am meisten hatte ihn eine in einer englisch-untertitelten Fassung ein Mensch, dem man ansehen konnte, Hapag-Fähre Bergedorf gedreht wurde: »freimütig dargebotene Liebesszene« be- herunterladbar, was uns bewogen hat, Dreharbeiten auf der Barkasse Bergedorf dass er über sich selbst und seine Arbeit Einem Fotograf der Bildagentur Conti- eindruckt, zu der die Geschichte »kulmi- ihn noch einmal in der französischen nachdenkt.« Press gelangen einige Schnappschüsse in niere«: Sie zeige die beide Darsteller und Originalfassung – und erstmals mit deut- Auf die vermeintlichen Ressentiments Drehpausen. den Regisseur »auf der Höhe der Kunst schen Untertiteln – zu zeigen. • in ihrer Heimat angesprochen, äußerte des Intimen, ja des schon fast Unsag- die Knef: »Sie fragen mich, warum ich baren« – so sein Urteil. ZWIESPÄLTIGE KRITIKERURTEILE beim deutschen Publikum nicht ankom- In der Tat verschwand der Film nach me? Sehen Sie, ich glaube nicht einmal, Anfang Oktober 1958 kam der Film dann kurzer Zeit wieder aus den deutschen dass ich nicht ankomme. Meinen ersten auch in einer synchronisierten Fassung Kinos, war nie im Fernsehen zu sehen VERANSTALTUNGSHINWEIS Film habe ich gedreht, als ich achtzehn in die deutschen Kinos. In Hamburg lief und auch zu einer Videoauswertung kam Am Sonntag, 14. Dezember 2014, war. Und seitdem ist es mit der Arbeit er im Passage-Kino an der Mönckeberg- es in Deutschland nicht. Dies hängt mit 11 Uhr, zeigen wir im ABATON-Kino immer stetig weitergegangen. Das ist straße an, worüber wieder das Abend- dem alten PALLAS-Filmverleih zusam- La Fille de Hambourg / Das Mädchen nunmehr eine ganz schön lange Zeit. Ich blatt am 4. Oktober zu berichten wusste: men, der auf französische Filme speziali- aus Hamburg von Yves Allégret in habe Filme gemacht, die eine Menge Geld »Wir sprachen von einem nüchternen siert war und schon in den 1960er Jahren der französischen Originalfassung eingespielt haben – wenn man das mit Film. In der Tat ist er um einige Grade in Konkurs ging; die deutsche Synchron- mit deutschen Untertiteln. ›Ankommen‹ meint. Im Übrigen bin ich untertemperiert. Wahrscheinlich aus dem fassung ist heute in deutschen Film- 40 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 41

ürgen Doetz, der damalige Ge- sichtlich Springer und Neven DuMont) Senders ausgerechnet im »roten Ham- schäftsführer der PKS, hatte um die gesamte Programmplanung beherr- burg« anzusiedeln. J Punkt 10.30 Uhr die ersten Zu- schen würden. Mit im Boot waren auch Am 8. März 1984 fasste der APF-Auf- schauer mit den Sätzen begrüßt: »Meine die Verlage Bauer und Burda, von Holtz- sichtsrat gegen die Bedenken einiger Mit- sehr verehrten Damen und Herren, in brinck und sogar der Filmverlag der Auto- glieder mit »knapper Mehrheit« einen diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts ren (letzter stieg allerdings noch vor dem Beschluss, demzufolge die Redaktions- des ersten privaten Fernsehveranstalters offiziellen Sendestart im Herbst 1984 und Produktionszentrale der Gesell- in der Bundesrepublik Deutschland!« wieder aus dem Projekt aus). Zunächst schaft in Hamburg errichtet werden soll- Das Programm hingegen war völlig un- einmal entbrannte in einer der ersten te. Nun musste alles ganz schnell gehen: spektakulär, neben dem biederen Pup- Aufsichtsratssitzungen der Aktuell Presse- Die Hamburger Finanzbehörde stellte pentrickfilm »Hänsel und Gretel« gab Fernsehen GmbH (APF) Anfang März 1984 bereits Mitte März eine Liste von vier Ge- es eine volkstümliche Musikshow na- eine Auseinandersetzung um den zen- bäude-Objekten in bester City-Lage so- mens Solid Gold, einige kurze von der tralen Sitz dieser Gesellschaft. Zur Ab- wie in Wandsbek zusammen, die für Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bei- stimmung standen Berlin, Hamburg und den Sender geeignet schienen (Domstra- gesteuerte Nachrichtenmeldungen und München – der Köln-Bonner-Raum schied ße, Glockengießerwall, Alsterufer und mehrere Tierfilm-Dokumentationen. An- aus Finanzierungsgründen aus. Friedrich-Ebert-Damm). Doch war es gesichts der nur knapp zweitausend dann Springer-Vorstandsmitglied Wolf- Haushalte, die zu diesem Zeitpunkt über- FRAGE DES Standorts gang Müller, der in seiner Eigenschaft haupt schon diese Programme per Kabel als Projektbeauftragter »Privatfernsehen« empfangen konnten, mutete das Ganze Der Medienbeauftragte des Hamburger seines Verlages Ende März 1984 rund eher wie ein Test an. SPD-geführten Senats und langjährige 2500 Quadratmeter in vier offenkundig Zunächst einmal mussten einmal die Senatspressesprecher Paul Otto Vogel nur wenig genutzten Etagen in einem notwendigen Geldgeber für eine dauer- setzte sich vehement für Hamburg als erst knapp zehn Jahre alten Gebäude in hafte Finanzierung gefunden werden. Standort ein und wies in einem Schrei- der City Nord als geeigneten Standort Am 17. Januar 1984 fand in Neu-Isenburg ben an den Verleger Alfred Neven Du- ausmachte – es waren räumliche Über- bei Frankfurt am Main eine Zusammen- Mont, der für den erkrankten Axel kapazitäten der Firmen Tchibo und BP, kunft des Bundesverbandes Deutscher Springer die Projektkoordination über- die allerdings teilweise erst noch ge- Zeitungsverleger e.V. statt, die zu einem nommen hatte, auf den »gegenwärtig räumt und für 12,5 Millionen DM für ihre am 24. Januar verbreiteten Aufruf »an beträchtlichen Vorrat an Büroflächen« zukünftige Nutzung als Redaktions- und alle Mitgliedsverlage und angeschlosse- in der Hansestadt hin. Sein Ziel: Zumin- Studioräume komplett umgebaut werden Standbild für die regelmäßige Umschaltung von Ludwigshafen nen Landesverbände einschließlich der dest die Nachrichtenzentrale des neuen mussten, bevor man sie dann mit einem nach Hamburg Arbeitsgruppe Medien« führte: Bis zum Senders sollte an die Elbe geholt werden. Zehnjahres-Vertrag anmietete. 17. Februar 1984 sollten alle Mitglieder Doch aus den unionregierten Bundes- Warum übrigens Studio Hamburg bei verbindlich erklären, ob und in welcher ländern gab es massiven Widerstand, diesen Gebäude-Planspielen außen vor Form sie bereit wären, sich an einem einen derart wesentlichen Teil des neuen blieb, lässt sich nicht rekonstruieren – »vierten deutschen Fernsehprogramm« zu beteiligen. Mitgeliefert wurde auch gleich ein komplettes Konzept für ein Die Programm-Illustrierte Hörzu berichtete 1988 ausführlich über den neuen Fernsehsender Vor 30 Jahren in der City Nord: »Aktuelles Presse-Fernsehen«, welches eine Mischung aus Nachrichten/News-Shows Start des Privatfernsehens und Unterhaltungselementen als »echte Alternative zu den Nachrichten-Sendun- gen von ARD und ZDF« bieten sollte. Am 1. März 1984 verkündete die selbst stark in das Projekt involvierte FAZ in Von Volker Reißmann einem Artikel, dass bereits 66 Millionen DM »Einstiegskapital« zur Verfügung stünden und sich insgesamt 165 Zeitungs- verleger beteiligen wollten – und nannte Nahezu unbemerkt von weiten Teilen der Öffentlichkeit kam es am 1. Januar 1984 zu einem »Urknall auch gleich einige Hauptprotagonisten im deutschen Medienlabor«, wie Medienexperten meinten: Ab diesem Tag strahlte die in Ludwigshafen bei diesem Vorhaben beim Namen: Alfred ansässige Anstalt für Kabelkommunikation (AKK) erstmals auch Programme privatwirtschaftlich Neven DuMont vom Kölner Stadtanzeiger und Peter Tamm vom Springer-Verlag organisierter Programmanbieter aus. Als erstes ging die Programmgesellschaft für Kabel- und standen bei dieser Aufzählung sicherlich Satellitenrundfunk (PKS) auf Sendung, aus der ein Jahr später der Sender Sat.1 hervorging (und nur nicht zufällig an erster Stelle. Die Essener einen Tag später kam dann aus Luxemburg das neue Fernsehprogramm RTL plus hinzu). WAZ-Gruppe hatte auf ihre Mitarbeit am Verleger-Fernsehen zunächst verzichtet, weil ihrer Meinung nach »einige wenige Gruppierungen« (gemeint waren offen- 42 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 43

vielleicht war es die institutionelle Nähe neuen Privatsenders in einer einstündi- Was damals noch fehlte, war ein Colts gehörten in den Anfangsjahren zum zum NDR, dem ja die Mehrheit des Stu- gen Sendung festzuhalten. (Die Sendung mehr oder weniger seriös wirkender Programm. Eigene Produktionen – wie dios gehörte, möglicherweise waren es wurde am 1. Januar 1985, pünktlich Nachrichtenchef – doch auch der wurde heute durchaus üblich – konnte sich der auch schlichtweg zu diesem Zeitpunkt zum offiziellen deutschlandweiten Start Mitte 1984 in Gestalt von Armin Halle ge- Sender finanziell noch gar nicht leisten. noch fehlende räumliche Kapazitäten der neuen Privatkonkurrenz, im ARD- funden. Der gebürtige Westfale war 1957 »367 Mitarbeiter von Sat.1 leisten im- (erst knapp zehn Jahre später, mit Ein- Programm ausgestrahlt.) So waren Boer- in die Bundeswehr eingetreten, hatte mer noch Fernseh-Pionierarbeit«, schrieb richtung der Ateliers für die Bericht- ner und Bury mit ihrem Kameramann im dann Pädagogik und Philosophie studiert die Programmzeitschrift Hörzu 1988 in erstattung der regionalen Programm- Hamburger Rathaus bei den entschei- und war bis zum Bataillonskommandeur einem Porträt des Privatsenders, »das fenster von Sat.1 und RTLNord, machte denden Gesprächen von Naeher und von aufgestiegen. Seine journalistische Karri- Studio in Hamburg ist so groß wie eine Studio Hamburg schließlich doch noch – Dohnanyi »hautnah« dabei. Auch ein an- ere hatte er 1966 beim Bayerischen Rund- Fünf-Zimmer-Wohnung – und genauso zumindest als vorübergehender Stand- schließender Besuch der neuen Fernseh- funk begonnen, bevor er kurzzeitig zur Foto: dpa / picture-alliance gemütlich.« Damit traf man den Nagel ort für die Lokalberichterstattung – das macher bei TV-Urgestein Peter von Zahn Süddeutschen Zeitung ging. Bereits 1970 auf den Kopf: Viel zu wenig Platz war in Armin Halle vor der ersten APF-Sendung Rennen). und dessen gute Ratschläge wurden auf- holte ihn der damalige Verteidigungsmi- der City Nord von vorneherein der Sen- Zum Geschäftsführer der Aktuell gezeichnet. nister Helmut Schmidt als Leiter der detechnik eingeräumt worden, mit der Presse-Fernsehen GmbH (APF) wurde Pressestelle nach Bonn, später wurde Installation von einigen großen Satelli- der Rechtsanwalt und Publizist Gerhard NEUE MEDIENGESETZE er sein Ghostwriter. 1979 wechselte Als ein unterschätztes Problem er- tenschüsseln für die Programmübertra- Naeher berufen. Er hatte bereits in ver- Halle zur NATO nach Brüssel und leitete wies sich der Ankauf von Unterhaltungs- gung auf dem Dach war es nicht getan, im schiedenen Positionen beim Axel-Sprin- Entscheidend war natürlich, dass das dort den NATO-Informationsausschuss. programmen, welche zwischen den damaligen Zeitalter des analogen Fernse- ger-Verlag journalistische Erfahrungen Bundesland Hamburg zuvor auch ter- Ab Oktober 1979 moderierte er 18 Mal Nachrichtenblöcken laufen sollten; denn hens blieb eine umfangreiche Technik im gesammelt und im Februar 1980 Texte mingerecht ein eigenes Landesmedien- die NDR-Talkshow, bevor er 1982 beim mit einigen wenigen Filmlizenzen, die Hintergrund unerlässlich: So beherbergte Das Programm der beiden ersten Sendetage 1985 und Referate bei einer Fachveranstal- gesetz bzw. sogenanntes Vorschaltgesetz Kölner Treff des WDR ein Gastspiel gab. Springer selbst hielt, beispielsweise für das eigentlich nur für die Eröffnungs- tung des Springer-Verlages in Berlin zur auf den (parlamentarischen) Weg brin- 1984 kehrte er zur NDR-Talkshow zu- einige Italo-Western, konnte bei weitem party im Januar angemietete Zelt im medialen Zukunft zu einem knapp 100- gen musste, um das in der Hansestadt rück, die er letztmals am 10. August kein TV-Vollprogramm bestritten wer- Innenhof bald das ansonsten nicht mehr seitigen Dossier mit dem Titel »Die elek- hergestellte Programm ausstrahlen zu 1984 moderierte. Unmittelbar danach den. Der Münchner Filmrechtehändler unterzubringende, umfangreiche tech- tronische Herausforderung« zusammen- dürfen. So veröffentlichte die Staatliche stürzte er sich direkt in das Abenteuer Leo Kirch hingegen saß auf Unmengen nische Equipment – bis ein in Hamburg gefasst; zudem hatte er 1982 bei der Neu- Pressestelle am 26. Juli 1984 ein ausführ- »Privatfernsehen«, obwohl ihm auch von Programmpaketen, die er in den Jah- ja nicht gerade seltener Starkregen diese en Mediengesellschaft in Ulm die knapp liches Interview Dohnanyis mit der beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen ren zuvor in den USA erworben hatte, die Technik teilweise durchnässte und vieles 300-Seiten starke Streitschrift »Stirbt Abendausgabe von NDR Hamburg aktuell, noch eine Karrieremöglichkeit nachge- er aber inzwischen nur schwer oder gar unbrauchbar machte. das gedruckte Wort?« veröffentlicht und in dem er die Grundzüge seiner zukünfti- sagt wurde. Sein größter Auftrag: Die nicht mehr bei den öffentlich-rechtlichen Der damalige Sat.1-Chefredakteur sich damit offenkundig für seine neue gen Medienpolitik erläuterte und Zuver- Testsendungen vom Charme eines »Prak- Sendern unterbringen konnte: Das ZDF Karl-Ulrich Kuhlo wurde 1988 mit einer Aufgabe empfohlen. Im Juni 1984 hielt sicht verbreitete, was eine zügige Umset- tikantenfernsehens« zu befreien und dem lehnte beispielsweise die US-Serie Love bemerkenswerten Selbstkritik zitiert: er dann auf der Fachmesse telematica 84 zung der (medien-)gesetzlichen Hürden Ganzen Professionalität zu verleihen. Boat ab, weil sie mit ihrem Traumschiff »Bei den Nachrichten waren wir wirklich noch einmal einen längeren Vortrag, der noch im Herbst des Jahres 1984 anging. Natürlich blieben in der Anfangspha- inzwischen selbst ein viel besser auf in Gefahr, abzugleiten in Albernheiten, sich mit den »Anforderungen an die tech- Zudem betonte er, dass es weder in se kleinere und auch manchmal größere deutsche Sehgewohnheiten zugeschnit- Schmuddelkram und Krampf. Doch un- nische Infrastruktur aus der Sicht eines Hamburg noch in anderen SPD-geführ- Pannen nicht aus. Improvisation war an- tenes Serienprodukt verfügte – Sat.1 er- sere Flausen sind aus dem Kopf – der Zu- Programmveranstalters« befasste. Dass ten Ländern gegenwärtig »eine Ideologie gesagt: Fehlten bei einer Show ein paar wies sich für das Love Boat jedoch als schauer hat halt gewisse Gewohnheiten, Naeher auch Axel Springer persönlich gegen die Einspeisung privater Rund- Zuschauer, wurde diese flugs aus einem dankbarer Abnehmer. Die erste Serie am wie er seine News serviert bekommen gut kannte (über den er – genauso wie funkveranstalter« geben würde – aber es gegenüberliegenden Tanzstudio in der allerersten Sendetag, Das alte Dampfroß, möchte.« Vom ursprünglichen Konzept über seinen Gegenpart Leo Kirch – dann sei eben schwierig, auf Länderebene eine City Nord akquiriert. Die häufigen Um- war mit mäßigem Erfolg bereits 1978 mit einer ständigen 45-minütigen abend- in späteren Jahren auch eine umfassende einheitliche Gesetzgebung in dieser Frage schaltungen zwischen der Nachrichten- im ZDF gezeigt worden. Auch die schon lichen Nachrichtensendung als zentra- Biografie veröffentlichte), war sicherlich zu erreichen, die auch bei möglichen Kla- zentrale in Hamburg und der Sendeab- mehrfach in den öffentlich-rechtlichen lem Programmbestandteil war man keine ebenfalls eine unabdingbare Vorausset- gen vor dem Bundesverfassungsgericht wicklung in Ludwigshafen führten zu Sendern ausgestrahlten Westernserien zwei Jahre nach Sendebeginn in Ham- zung für seinen neuen Job. in Karlsruhe Bestand haben müsse. Verzögerungen im Programm, manch- Bonanza, High Chaparral und Rauchende burg schon wieder abgerückt: Es war Die Hamburger Morgenpost hatte ein mal blieb minutenlang das Standbild paar Tage zuvor einen großen Beitrag »Wir schalten um zu APF blick nach inDIREKTE STarthilfe unter der Überschrift »SPD-Fraktions- Hamburg« stehen. vom NDR chef: Auch in Hamburg ab 1.1.1985 Privat- Auch andere technische Pannen Erste APF blick-Testsendung Ende 1984 Eddie Lange vor dem Eingang in der City Nord Bereits im Juli 1984 korrespondierte TV: Wie und wann die neuen TV-Program- häuften sich, da noch bei weitem nicht Naeher mit wichtigen behördlichen me auch nach Norddeutschland kommen« alle Mitarbeiter hinreichend mit der Stellen Hamburgs und suchte auch das veröffentlicht und damit offenkundig komplizierten Sendetechnik vertraut direkte Gespräch mit dem Ersten Bürger- die Neugier der Hamburger für dieses waren. Dafür gab es gleich in der ersten meister Klaus von Dohnanyi. Einige er- Thema erst richtig geweckt. Zur gleichen Sendung einen glanzvollen Auftritt von fahrene NDR-Mitarbeiter wurden für den Zeit begann in angemieteten Studios be- Disco-Queen Eartha Kitt; spektakulär neuen Sender abgeworben. Als besonde- reits der Test- und Probebetrieb, weitere war auch ein besonders biestiger Auf- rer Coup erwies es sich, dass der öffent- Fachkräfte wurden in großer Zahl ange- tritt von Enfant-terrible Klaus Kinski lich-rechtliche Sender NDR zwei Doku- worben, teilweise kamen sie sogar vom am 23. Oktober 1985, der zum wechsel- mentarfilmer und Medienexperten, Hans- NDR und wurden mit der Aussicht auf seitigen Austausch von Beleidigungen Jürgen Boerner und Istvan Bury, damit wesentlich höhere Gehälter zur Privat- zwischen Moderator Armin Halle und beauftragte, die Entstehungsphasen des konkurrenz gelockt. dem Star führte. Foto: Filmmuseumsarchiv Foto: privat / Eddie Lange 44 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 45

wieder ins Bild, ebenso wie eine große unser einziger Zuschauer vor dem Bild- Säule, die einen für die Statik des Gebäu- schirm – oder sind es heute alle beide?« des unabdingbaren Stahlträger verbarg, Nicht jeder angeworbene Mitarbeiter welcher sich mitten im Raum befand. erwies sich in der Folgezeit als »Glücks- Man machte schließlich aus der Not eine griff« – Schlagzeilen machte beispiels- Tugend, die Treppe wurde des Öfteren weise schon 1991 die Kündigung des direkt in die Moderation einbezogen, stellvertretenden Chefredakteurs für die Gäste schon auf den Treppenstufen abge- Sportberichterstattung. Nicht verlängerte fangen und per Mikrophon vom Modera- Arbeitsverträge und »Freistellungen« ka- tor befragt. men häufiger vor, gelangten aber nicht in Doch das vermeintlich lockere Kon- jedem Fall in die Öffentlichkeit. Quere- zept nutzte sich erstaunlich schnell ab len unter den Beschäftigten waren auch und ab November 1987 wurde die Län- nicht selten und ein Betriebsrat konnte ge der APF blick-Nachrichtensendungen beispielsweise nur in einer externen Kan- dann von 45 auf 30 Minuten reduziert – tine in der Nachbarschaft gewählt und auch zeitlich wurde sie weiter im Pro- somit ins Leben gerufen werden, da die gramm nach hinten geschoben. 1990 – Pressestelle Foto: ProSiebenSat.1 Geschäftsführung die Überlassung eigener wurden die Hauptnachrichten sogar auf Räume dafür ablehnte. In einem Inter- 1988: Start der Spielshow Glücksrad mit Peter Bond, Maren Gilzer und Frederic Meisner 20 Minuten reduziert. Auch die für die view erläuterte Geschäftsführer Jürgen Finanzierung notwendigen Werbeunter- Doetz rückblickend einmal selbstkritisch: brechungen der Nachrichtensendungen »In den ersten Jahren war der Sender waren für die Zuschauer ungewohnt. mehr eine Betriebsgesellschaft zur Ver- Zwar konnte man schon im Juli 1985 im produziert wurde. Von 6 bis 9 Uhr mor- mann einen Namen verschafft. Zeitzeu- waltung der eigenständigen Programm- Branchendienst textintern lesen, dass APF gens gab es aktuelle Musikclips, Spiele gen zufolge wurde er bald als »Professor teile, als ein programmstrategisches Un- zusätzliches Kapital benötige, aber zu- und auch »Gast-Experten« zu den The- Brinkmann« im Sender tituliert, denn es ternehmen.« gleich durchaus auch die Möglichkeit men des täglichen Lebens sowie natür- handelte sich hier um einen – wenn auch Die Programmverantwortlichen bei sähe, »einen Fernsehkanal ausschließ- lich Nachrichten. Die Mischung aus Unter- nicht medizinischen, so doch finanziel- Sat.1 versuchten immer wieder, durch das lich mit einem Nachrichtenprogramm zu haltung und ernsten Meldungen (der len – Notfall: Aufgrund der noch viel zu Anwerben von bekannten Namen Aufse- bestreiten« (wie er dann ja auch 1992 mit Info-Anteil wurde in einer Studie mit 28,3 geringen Reichweite des Senders, war es hen zu erregen: Bereits 1990 war »Talk Foto: privat / Filmmuseumsarchiv n-tv schließlich auch geschaffen wurde). Prozent gemessen), die in den abendli- sehr schwer, genügend Werbekunden zu im Turm« mit Ex-Spiegel-Chefredakteur Wegbereiter war Sat.1 in einem Sen- chen AFP-Blick-Sendungen ja nicht so akquirieren. Viel zu wenig Firmen waren Erich Böhme auf Sendung gegangen, Musiker Frank Zander und Moderatorin Eddie Lange mit der »Lostrommel« deformat, das in den USA längst etab- recht funktionieren wollte, klappte in bereit, Werbespots in einem neuen Pro- wenig später konnte Dieter Kronzucker liert war, welches aber man so in der dieser Frühschiene wesentlich besser. gramm zu schalten, für das es – zumin- von ZDF abgeworben werden, er mode- Bundesrepublik bis dahin noch gar nicht Moderiert wurden die Sendungen in den dest in den Anfangsjahren – gar keine rierte bei Sat.1 dann u.a. die Nachrichten schon in den ersten Probesendungen im kannte: Das »Frühstücksfernsehen« ging ersten Jahren von Wolf-Dieter Herr- verlässlichen Belege über die Zuschauer- Guten Abend Deutschland und versuchte Herbst 1984 nicht immer gelungen, eine unter dem Titel Guten Morgen mit Sat.1 mann, Eddie Lange, Marina Ruperti (die zahlen gab. Erst 1988 traten Sat.1 und mit dem bei Studio Hamburg produzier- Balance zwischen der Übermittlung von erstmals am 1. Oktober 1987 auf Sen- 1988 für einige Jahre zum ZDF abwan- auch RTLplus der Arbeitsgemeinschaft ten Politmagazin Quadriga den Bereich zumeist negativen Nachrichtenmeldun- dung. Bei der Privatkonkurrenz RTLplus derte), Rita Werner und Susanne Holst. Fernsehforschung (AGF) bei, die bereits des Infotainments auszubauen. gen (wie z.B. brutale Geiselerschießun- hatte man ebenfalls für Anfang Oktober (Erst nach über fünf Jahren, Mitte Juli seit 1963 für die öffentlich-rechtlichen Die personelle Loslösung vom Stand- gen bei einer Flugzeugentführung) mit des Jahres 1987 ein derartiges Frühpro- 1992, zogen die öffentlich-rechtlichen Sender Quoten und Reichweiten bun- ort Hamburg erfolge schrittweise: Bereits lockerem »Infotainment« wie Quizspie- gramm geplant, legte aber den Start in Sender mit einem gemeinsamen Morgen- desweit erhoben. Im Hamburger Studio am 12. September 1990 war das neue len, Verbrauchertipps und Musikdarbie- einer Blitzaktion auf den 23. September magazin nach.) wurde gerade zu Randzeiten immer mal Sat.1-Medienzentrum in Mainz einge- tungen zu finden. vor, um Sat.1 zuvorzukommen. Der erste Geschäftsführer Naeher wieder gewitzelt: »Sitzt heute wieder nur weiht worden, welches ab diesem Zeit- Der Anspruch der »Aktualitäten- hatte bereits 1986 den Sender »grollend« punkt auch einige Funktionen über- schau«, die sich vorgenommen hatte, den verlassen müssen, wie der SPIEGEL zu nahm, die bisher in Ludwigshafen bzw. NEUES SENDEFORMAT: vorgeblich »spröden« Stil der öffentlich- berichten wusste, offenbar auf Druck Hamburg durchgeführt worden waren. FRÜHSTÜCKSFERNSEHEN rechtlichen Tagesschau und der heute des Mitgesellschafters Leo Kirch (Naeher Das Frühstücksfernsehen kam nach fünf Das Frühstücksfernsehen startete im Okt. 1987 eine ganz andere, »wesentlich lebendige- »Während der Nachrichtensprecher vor schrieb bald darauf eine Abrechnung mit Jahren letztmals am Freitag, den 11. re Nachrichtensendung« entgegenzustel- der Kamera weltweite News verließt, dem Privat-TV unter dem Titel »schrill Januar 1992, aus dem Hamburger Studio len, konnte dann auch in den ersten beißt – Luftlinie 1,80 Meter entfernt – ein und superflach«, die 1992 erschien). Chef- in der City Nord – ein fliegender Wechsel Livesendungen im Januar 1985 nur an- Studiomitarbeiter gerade seelenruhig in redakteur Karl-Ulrich Kuhlo übernahm über das Wochenende erfolgte dann nach satzweise oder auch gar nicht eingelöst seine zweite Brotzeit: Wenn Kamera 2 die vorübergehend kommissarisch die Lei- Berlin, von wo aus schon ab Montag, den werden. Dabei erwies sich die bauliche ›große Fahrt‹ braucht, rast sie haarscharf tung. Anfang 1988 holte dann das Ver- 14. Januar 1992 gesendet wurde. Enge des Studios nach wie vor als großes an Orangensaft und frischen Brötchen legerkonsortium, beunruhigt über den Manko: So führte eine große Treppe vom des Frühstücksfernsehens vorbei«, konn- schleppenden Aufbau und die nach wie KAMPF UM DEN STANDORT Zugangsbereich zu den Redaktionsräu- te man in dem schon zitierten Hörzu-Bei- vor eher mageren Quoten, den Manager men ein Stockwerk tiefer, in welchem trag über dieses neue Sendeformat lesen, Werner E. Klatten als neuen Geschäfts- Nachdem im Mai 1993 bereits Werner wiederum die Moderatoren saßen – welches in den ersten Jahren ebenfalls führer zu Sat.1: Er hatte sich zuvor mit der E. Klatten als Geschäftsführer von Knut diese Treppe kam zwangsweise immer in den Studioräumen in der City Nord Sanierung des Zigarettenkonzerns Brink- Föckler abgelöst worden war, verließ 46 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 47

auch Jürgen Doetz den Sender. Und es verlassen und zu den 100 bereits in der lungen in Berlin zum ersten Streik im Veranstaltungshinweis gab weitere gravierende Veränderun- Hauptstadt arbeitenden Kollegen ziehen. deutschen Privatfernsehbereich, was aber gen: Der Mietvertrag für die Räume mit Durch den Exodus der Abteilung In- die Umsetzung der Pläne nicht verhin- Vom 15. bis. 17. Januar 2015 findet der Nachrichtenzentrale in der City Nord formation (rund 280 Mitarbeiter) aus dern konnte. In der Presse war zu lesen, in Hamburg die Jahrestagung der lief nach zehn Jahren aus und wurde Hamburg konnten viele Arbeitsplätze für Sat.1 bedeute der Umzug von Berlin Fachgruppe Kommunikationsge- nicht verlängert. Die Hauptnachrichten- wegrationalisiert werden, weil nicht nach München gleichsam eine Neugrün- schichte in der Deutschen Gesellschaft sendung, die bereits seit 1991 statt Sat.1 alle Mitarbeiter bereit waren, mit nach dung – und letztlich einen späten Sieg für Publizistik- und Kommunikations- Blick nun Newsmagazin hieß, wurde 1995 Berlin umzuziehen: Man schätze in der des 2011 gestorbenen Medienunterneh- geschichte (DGPuK) statt. Ausrichter noch einmal in 18.30 Uhr Sat.1-Nachrich- Sat.1-Führung, dass »etwa die Hälfte der mers Kirch, denn nun gliedere sich ja ist die Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland ten umbenannt: Zudem quittierte Armin Belegschaft auf der Strecke bleiben« wer- auch dieser Sender in seine alte Firmen- am Hans-Bredow-Institut für Halle, der sich durchs Kronzuckers Prä- de – dies sei ein Umstand, der dem neuen zentrale in Unterföhring ein. Medienforschung und am Institut senz wohl auch bedrängt fühlte, nach Geschäftsführer Hans Grimm sicherlich Nach der im Jahre 2000 erfolgten Blick auf das Sat.1-Gebäude am Mexikoring für Medien und Kommunikation rund zehn Jahren seinen Job als führen- helfe, »die schlechte Ertragslage bei Sat.1 Verschmelzung zur ProSiebenSat.1 Media (IMK) der Universität Hamburg. der Anchorman beim Sender und machte zu verbessern«, hieß es fast zynisch in AG ist Sat.1 Teil einer rund 30 Fernseh- sich mit knapp 60 Jahren als Medien- dem Zeitungsbericht abschließend. programmanbieter und Internetdienste Thema ist »NEUE VIELFALT – berater noch einmal selbstständig. Und es ging weiter mit dem scheib- umfassenden Mediengruppe: Neben Pro7, Medienpluralität und -konkurrenz in historischer Perspektive«. Im Bereits seit Anfang 1989 hatte es chenweisen Abschied aus Hamburg. Die ZUSAMMENSCHLUSS Kabel1 und sixx gehören viele Sparten- Naehers Abrechnung mit dem Privat-TV Zentrum der Tagung soll die These Gerüchte über eine Verlagerung auch Schlagzeile »Fernsehsender Sat.1 streicht MIT Pro 7 und Nischensender dazu, wie der Nach- einer Pluralisierung von Medien- der Sat.1-Redaktion von Hamburg nach weitere 160 Stellen in Hamburg« konnte richtenkanal N24 (der inzwischen auch angeboten in der Geschichte stehen, Mainz gegeben, die jedoch von offizi- man dann am 19. April 1995 in der Süd- Im Oktober 2000 wähnte sich Kirch am für Sat.1 die Nachrichtensendungen pro- wobei konkreter Anlass die Einfüh- eller politischer Seite dementiert wor- deutschen Zeitung lesen. Der Umzug der Ziel, als aus dem Zusammenschluss duziert) sowie die nur über besondere ge- rung des »dualen Rundfunksystems« den waren. Der Hamburger Senat, dem letzten Sat.1-Mitarbeiter von Hamburg der ProSieben Media AG und der Sat.1 bührenpflichtige Kabelnetzanbieter em- in Deutschland vor 30 Jahren ist: die unzureichende räumliche Situation nach Mainz sei überstürzt und nur eine Satellitenfernsehen GmbH ein neuer pfangbaren Sender Sat.1-Gold (Musik- Die damalige Liberalisierung und Privatisierung des Fernsehens durch des Senders in der City Nord durchaus »soziale Abfederung« des Stellenabbaus Mediengigant geschaffen wurde: Die hits), Sat.1 Emotions (Serien/Telenovelas), Zulassung privater Programmange- bekannt war, hatte 1989 den geplan- reiche nicht, klagte der Betriebsrat ver- ProSiebenSat.1 Media AG mit Sitz in Un- Sat.1 Comedy und der Kinofilm-Anbieter bote (wie Sat.1 und RTLplus) soll ten Bau eines »Media Center Hamburg geblich. Aber es war zu spät, in Hamburg terföhring bei München. Doch bereits im Maxdome, ferner Deutsches Wetter Fern- unter Berücksichtigung auch der MCH« an der Großen Elbstraße in Al- gingen die Lichter nun endgültig aus, nur April 2002 musste die Muttergesellschaft sehen sowie die österreichischen und dringend zu leistenden Quellen- und tona als für Sat.1 geeignetes Objekt ins noch die regionale Berichterstattung für Kirch Media mit 6,5 Milliarden Euro schweizerischen Ableger von Sat.1. Dokumentensicherung zu diesem Spiel gebracht, bei dem 220 Mitarbeiter das »lokale Programmfenster« von 17.30 Schulden einen Insolvenzantrag stellen, Der Springer-Verlag wiederum hatte Themenkomplex betrachtet werden. auf 7.000 Quadratmeter untergebracht bis 18.00 Uhr sollte noch aus der Hanse- nachdem man sich offenkundig mit den bereits im Mai 1993 zusammen mit dem Im Rahmen dieser Jahrestagung und werden könnten: Doch dieses Projekt stadt zugeliefert werden, wofür dann – Pay-TV-Aktivitäten (DF1 und Premiere) Unternehmer Frank Otto den Fernseh- ihres Themenschwerpunktes findet platzte Anfang 1990 mit lautem Knall, übrigens in unmittelbarer Nachbarschaft sowie den überteuerten Erwerb von sender Hamburg1 gegründet – und somit im ABATON-Kino auch die Vorfüh- und Schlagzeilen wie »Sat.1 kommt ganz von RTLNord – bereits Atelierräume bei Bundesliga-Rechtepaketen verkalkuliert aktiv geholfen, einen ganz neuen Privat- rung einer Dokumentation statt, nach Hamburg« (Welt vom 11. 10. 1989) Studio Hamburg angemietet worden hatte. In der folgenden Umstrukturie- sender speziell für die Region zu schaffen. die anschaulich die Einführung des erwiesen sich als Zeitungsente. waren. Ende 1994/Anfang 1995 hatten rung des undurchsichtigen Unterneh- Von den vielen Mitarbeitern hingegen, die Privatfernsehens Sat.1 in Hamburg Die Hamburger Morgenpost verkün- bereits viele Sat.1-Mitarbeiter der ersten menskonsortiums verlor Kirch auch wie- vor 30 Jahren in Hamburg die Nachrichten- 1984/85 schildert. dete dann am 7. Mai 1990: »Für Sat.1 ist Stunde in Hamburg den Sender (teilweise der seinen Einfluss bei Sat.1. redaktion von Sat.1 mit viel Engagement Hamburg out«, demzufolge das millionen- auch unfreiwillig) verlassen – manche 2005 startete dann der Axel-Springer- aufgebaut hatten, ist nach den diversen TERMINE schwere MCH-Projekt für 100 Millionen übernahmen neue Aufgaben bei anderen Verlag einen letzten Versuch, quasi im Umzügen niemand mehr beim Sender DM vom Tisch sei. Bereits im März sei die Sendern oder kehrten – gelegentlich auf Gegenzug für 3 Milliarden Euro die kom- tätig: Einer der letzten Mitarbeiter der Freitag, 16. 01. 2015, 17 Uhr und Sonntag, 18. 01. 2015, 11 Uhr Entscheidung der Geschäftsführung des Umwegen – wieder zu ihren alten Arbeit- plette ProSiebenSat.1 Media AG zu über- ersten Stunde vor der Kamera war Mo- Senders für den Standort Berlin gefallen. gebern wie dem NDR zurück. nehmen, an der man bereits Anteile hielt. derator Hans-Hermann Gockel, der im Auch das Engagement von Hamburgs Für Negativ-Schlagzeilen sorgte in Dies wurde aber sowohl vom Bundes- August 2004 ausschied. neuen Ersten Bürgermeister Henning den 1990er Jahren der Dauerstreit der kartellamt als auch der Kommission zur 2012 übrigens beantragte die ProSie- Voscherau konnte die Abwanderung Gesellschafter: Der Hauptkonflikt spiel- Ermittlung der Konzentration im Medi- benSat.1 TV Deutschland GmbH ihre bun- nicht aufhalten – der »Berlin-Sog« nach te sich zwischen dem Anteilseigner und enbereich untersagt, so dass diese Pläne desweite Lizenzierung – nach diversen der Wiedervereinigung war zu groß. Programmzulieferer Leo Kirch und dem Ende Januar 2006 aufgegeben wurden. Streitigkeiten um sogenannte Drittsen- Verlegerkonsortium ab. Kirch hatte be- Im Dezember 2007 verkündete Springer delizenzen mit der Landeszentrale für reits 1985 Anteile am Springer-Verlag dann auch seinen kompletten Ausstieg Medien und Kommunikation Rheinland- UMZUG NACH BERLIN Ein herzlicher Dank für die Unter- erworben und bald darauf übernahm aus der ProSiebenSat.1 Media AG, der Pfalz – nicht mehr dort, sondern bei stützung dieses Berichtes geht an Schon am Montag, den 2. August 1993 er mit Hilfe seines Sohnes Thomas den zum 16. Januar 2008 vollzogen wurde. der Medienanstalt Hamburg Schleswig- Hans-Jürgen Börner, Jörg Sievers und konnte man im Hamburger Abendblatt Kabelkanal Eureka, den er am 1. Januar Am 13. November 2008 gab die Pro- Holstein (MA HSH) in Norderstedt – diese Robert Güldner, der 2010 für das HAW- die Nachricht lesen: »Standortwechsel: 1989 zum Spielfilmsender Pro7 umfunk- SiebenSat.1 Media AG auf einer Mitar- Lizenzvergabe wurde im Mai 2013 dann Projekt Virtuelles Fernsehmuseum Sat.1-News jetzt aus der Hauptstadt«; tionierte. Ebenfalls Ende der 1980er beiterversammlung die Verlegung des auch vom Verwaltungsgericht Schleswig Interviews mit den Sat.1-Veteranen demzufolge sollte ab Mitte 1994 der erst Jahre erwarb er etliche Sat.1-Anteile. Firmensitzes von Berlin nach Unter- nach Anfechtungen noch einmal gericht- Eddie Lange, Marina Ruperti und dem Kameramann Gerald Staschke führte. ein Jahr zuvor neu berufene Programm- Am 29. Februar 1992 hatte er mit Kabel 1 föhring bei München bekannt: 350 Re- lich bestätigt. So ist nun – zumindest was Abrufbar unter direktor Heinz-Klaus Mertes mit einem einen weiteren Privatsender gestartet dakteure und Verwaltungsmitarbeiter den Lizensierungsort angeht – Sat.1 wie- http://youtube/Rgsdvq6gZUo oder großen Teil seiner News-Mannschaft und strebte nun offenkundig auch eine waren betroffen; Anfang 2009 kam es der zum Ursprungsstandort Hamburg www.fernsehmuseum-hamburg.de/ das bisherige Sat.1-Gebäude in Hamburg Mehrheitsübernahme bei Sat.1 an. nach gescheiterten Sozialplan-Verhand- zurückgekehrt. • privatfernsehen 48 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 49

publizistische R Sicherlich können und dürfen die standards zu erhöhen, vor allem öffent- Dauerbeschuss Fernsehprogramme gerade der öffent- lichkeitswirksam vorzuführen, können lich-rechtlichen Sender nicht von kriti- die Privaten überzeugen: Am 3. 10. 2014 30 Jahre Privat-TV: So forderte die ZEIT am 23. Mai 2013 die sche Begutachtung verschont werden; soll daher mit der ehedem hochge Programmverantwortlichen von ARD und sie gehört zu einer lebendigen Medien- jubelten Auszeichnung. die nach jahre- Von geforderter Programmvielfalt ZDF (Haupttitel: »Ist das noch unser Fern- öffentlichkeit. So werden immer wieder langem Niedergang der nur noch Lange- sehen?«) auf, endlich Mut und Risikobe- allzu offensichtliche Anpassungen an weile und Häme und Langeweile ein- zum Trash-Fernsehen? reitschaft zu zeigen und Reformen zu simple Quotenerfolge, billige Wiederho- brachte, aber jährlich zwei Millionen wagen. Die Maßstäbe für Erfolg müssten lungen und Einkäufe sowie Uniformie- kostete, endgültig Schluss sein (Spiegel, neu definiert werden, denn die Zuschau- rungen wie etwa die Überdosis an Talk- 28. 2. 2014). Wird er an dem Tag zum letz- er seien »inzwischen weit neugieriger, als shows und die überbordende Monokultur ten Mal verliehen? Von Hans-Dieter Kübler die Fernsehgewaltigen glauben«. Welche der Tatort-Krimis in der ARD (Spiegel, Reformen und neue Qualitäten das sein 8. 7. 2013) sowie die sensationsheischende 1984: »medien- sollen, blieb indes mehr als vage: Die Überdrehungen in den Quiz-Shows im politischer Urknall«? Quoten seien nicht mehr zu halten, erst ZDF zu recht von der Presse angepran- recht seien sie als Maßstäbe überschätzt, gert. Aber es fällt auf, dass in der Presse Programminnnovationen wurden in den am geeignetsten seien Kooperationen, fast nie von den privatkommerziellen 1980er Jahren, zum Start des privatkom- denn die Anstalten müssten sich verklei- Fernsehkanälen die Rede ist, erst recht merziellen Fernsehens, noch ganz an- nern, »wenn sie überleben wollen«. Sechs nicht bei besagter Systemkritik: In der ge- dere großspurig versprochen: Von einer Monate später, am 19. 12. 2013, setzte die nannten Titel-Geschichte der ZEIT (23. 5. »neuen Meinungsvielfalt« gegen die öf- Wirtschaftsredaktion der ZEIT (»Das Ende 2013) wird zwar eingeräumt, dass »auch fentlich-rechtlichen »Monopolisten«, von der Mainzelmännchen?«) bereits zum den Privaten lange nichts Neues eingefal- angesagten Ausdifferenzierungen der Dolchstoß gegen die »Existenzberech- len« sei, aber zugleich wird behauptet, Publikumsbedürfnisse in vielen Sparten- tigung« der Öffentlich-Rechtlichen an: dass sie »zusammen mehr Zuschauer als programme wurde geschwärmt. Die »Niemand ist mehr auf die Sender an- die öffentlich-rechtlichen« haben – was je Presseverleger sahen endlich ihre Chan- gewiesen. Wer Laptop und Internet- nach Berechnung nicht stimmen muss –, ce gekommen, ihre seit dem Verbot des anschluss besitzt, hat Zugang zu mehr dass diese jünger sind (aber im Durch- Adenauers-Fernsehen durch das Bundes- Filmen, Serien und Nachrichtensendun- schnitt nur geringfügig, jedenfalls auch verfassungsgericht 1960 verordnete Fern- gen als er je ansehen kann, in allen Spra- schon um oder über 60 Jahre wie bei sehabstinenz zu revidieren und für sich chen und Geschmacksrichtungen« – so als ARD und ZDF), aber »eher bildungsfern«. über den Pressemarkt hinaus den lukrati- ob sich diese Fernsehprogramme selbst Gelobt werden zumeist die forsche Ein- ven Werbe- wie Inhaltemarkt zu erobern. produzieren und nur über Netze verbrei- kaufspolitik und Experimentierfreude Möglich machten es die technischen tet und empfangen werden müssen. der Privaten, auch um jede Niederung Optionen der Breitband-Verkabelung und »Seichtes Programm, Abhängigkeit und Perversion des Geschmacks auszu- der Satelliten, die der Staat als Infra- und Unglaubwürdigkeit, zudem ein ver- loten und sich ebenso rasch wieder zu struktur bereitstellen sollte, sowie die wässertes Profil: Ist das nicht ein ver- verabschieden, wenn die errechneten rechtlichen Entscheidungen des Bundes- dammt hoher Preis für 250 Mio. Euro im Ratings ausbleiben. Vom täglichen Pro- verfassungsgerichts zunächst über priva- Jahr?« (ver)urteilt das verheerende, zy- grammeinerlei zwischen Seichtserien ten Rundfunk im Saarland 1981 (FRAG- nische Verdikt. Hans-Peter Siebenhaar, (daytime serials), Werbeshows, Perso- Urteil) sowie über das niedersächsischen regelmäßiger Medienkolumnist beim nality-Stories und Reality-Exzessen à la Mediengesetz 1986, in denen das Ne- Handelsblatt (»Das Methusalem-Fernse- Dschungelcamp ist fast nie die Rede. beneinander vom öffentlich-rechtlichem hen«, 5. 5. 2014) und bei einigen Regio- Weder beim renommierten jährlichen und privatkommerziellem Rundfunk, die nalblättern, Autor eines polemischen Grimme-Preis noch beim »Deutschen so genannte »duale Rundfunkordnung«, Rundumschlags auf ARD und ZDF (»Die Fernsehpreis«, den ARD, ZDF, RTL und sukzessive unter gewissen rechtlichen Nimmersatten«, Köln 2012) plädiert un- Sat.1 vor 15 Jahren eigens gemeinsam Kautelen zugelassen und sodann den entwegt für die Verschlankung, gar Am- gründeten, um generell die Programm- privatkommerziellen, durch Werbung putation der Öffentlich-Rechtlichen: ARD und ZDF sollten fusionieren und sich er- Fast schon in notorischer Wiederholung kritisiert die hiesige Presse das Fernsehen, genauer: heblich verkleinern, ein Sender genüge, Sendestart des Sat.1-Vorläufers PKS am 1. Januar 1984 und von RTL plus am 2. Januar 1984 die öffentlich-rechtlichen Programme oder schreibt sie gänzlich als überholt und überflüssig ab, und vor allem müsse »die Zwangsfinan- besonders vehement Ende 2012 und Anfang 2013 bei der Einführung des neuen geräte- zierung des Systems durch die Haus- haltsabgabe und damit auch die GEZ unabhängigen bzw. wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags, sogleich als »Zwangsgebühr« abgeschafft werden«. Stattdessen sei »ein gebrandmarkt, als neuerliche heimtückische Gängelung des ach so freien Fernsehzuschauers öffentlich-rechtliches Bezahlfernsehen durch die öffentlich-rechtlichen »Monopolisten«. Dabei haben alle Länderparlamente zuvor dieser auf freiwilliger Grundlage« einzuführen Umstellung als Gesetz zugestimmt, was meist geflissentlich verschwiegen wurde. (Neue Westf. Rundschau, 20. 11. 2012) – nach dem Vorbild der us-amerikani- schen, meist gemeinnützigen Nischen- sender, der public radios, gewissermaßen

unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Foto: dpa / picture-alliance 50 FERNSEHGESCHICHTE FERNSEHGESCHICHTE 51

finanzierten Programmen neben der lige Feldexperimente, auf die so genann- setze auf die Ausstrahlungstermine und der Medienwissenschaftler Gerd Hallen- anteil das mit Abstand umsatzstärkste »Grundversorgung« durch die öffentlich- ten Kabelpilotprojekte in Ludwigshafen 1990 zur Einrichtung der Freiwilligen berger. Die Quoten scheinen ihm recht zu Werbemedium in Deutschland. Auch die rechtlichen geringere Vielfalts- und Quali- (1984 – 86), München (1985 – 86), Dort- Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), bei der geben: Von 2004 bis 2014 haben sich die Online-Medien legten überproportional tätsanforderungen zugestanden wurden. mund 1985 – 88) und Berlin (1985 – 90). die Sender problematische Filme prü- durchschnittlichen Zuschauerzahlen für zu, während alle anderen, besonders die Gewissermaßen fühlt man sich daran Doch an ihren differenzierten Ergebnis- fen lassen und günstigere Sendezeiten RTLs Dschungelcamp fast verdoppelt, von Print-Medien, verlieren. Daher schwär- erinnert, was Bertolt Brecht zur Einfüh- sen war eigentlich nur noch die wissen- per Schnittauflagen erreichten. Gering gut fünf auf fast acht Millionen. Folglich men einige schon von einer Renaissance rung des Radios in Deutschland 1932 schaftliche Öffentlichkeit interessiert; blieben die eigenen Kapazitäten zur werde es durch alle Schichten gesehen, des Fernsehens, ganz im Gegensatz zu schon monierte, wonach die Technologie denn vor ihrem Ablauf waren die neuen Fernsehproduktion, üblich wurde die folgert der Medienpsychologe Roland den eingangs zitierten Einschätzungen: da war, bevor die Gesellschaft wusste, Programme längst am Start, der »medi- Vergabe von Programmaufträgen auch Mangold. Daher seien die größten Unter- »TV übernimmt das Fernsehen«, prophe- was sie mit ihr anfangen sollte. Lange enpolitische Urknall« (Bernhard Vogel) an ausländische Produktionsfirmen wie schiede zwischen Zuschauer verschiede- zeite kürzlich Jee Bewkes, seit 2008 Chef zögerlich und skeptisch waren damals vollzogen: Ab 28. Februar 1984 grün- etwa die holländische Mols Productions ner Bildung nicht strikt getrennte Vorlie- des Medienkonzerns Time Warner (Spie- noch die SPD und mit ihr die kritische, deten 165 Zeitungen die Fernsehgesell- – was zwischenzeitlich auch bei den ben, sondern dass die einen auch andere gel, 26. 5. 2014). Denn Fernsehen sei das intellektuelle Öffentlichkeit. Noch 1978 schaft Aktuell Presse Fernsehen (APF), ab öffentlich-rechtlichen Sendern Usus ist. Sendungen sehen, die bildungsfernen Programm, »egal auf welchem Weg die hatte Bundeskanzler Schmidt den Deut- 1. Januar 1985 startete das Fernsehpro- Wiederholt machte das Schlagwort generell länger schauen und dass die bei- Leute es nutzen«. Sie wollen auch über schen weniger Fernsehen (einen »fern- gramm Sat.1. Schon im Dezember 1983 von der Konvergenz der Programme in den Gruppierungen das Gesehene unter- das Internet am liebsten fernsehen. In sehfreien Tag«) angeraten und seinen hatten der Bertelsmann-Konzern und den nachfolgenden Jahrzehnten die Run- schiedlich verarbeiten (Neue Westfälische den USA werde »abends ein Drittel der Bundespostminister Gescheidle mit den die Compagnie Luxembourgeoise de Télé- de: Gemeint waren die steigende Fokus- Rundschau, 31. 5. 2014). gesamten Breitbandkapazität allein für damals schon vorliegenden Verkabe- diffusion (CLT) das Fernsehunternehmen sierung auf die Einschaltquoten als unbe- Demonstrativ sachlich, vielleicht so- Netflix genutzt, also um Fernsehen über lungsplänen zurückgehalten. Mit Kohls RTL plus etabliert, ab Oktober 1984 wurde dingte Erfolgsmessungen, die angeblich gar euphemistisch fällt hingegen das Fazit das Internet zu streamen«. Recht hat er »geistig-moralischer Wende« 1982 – die das Programm über den französischen, alternativlose Bedienung vermeintlicher für das Programmjahr 2013 des besagten insofern, als auch das Netz nicht ohne Bundestagswahl war auch ein Votum direkt empfangbaren Satelliten TDF 1 Publikumsbedürfnisse durch Sensation, Kölner Instituts aus: »Die öffentlich- professionellen content auskommen und für die angekündigte »flächendeckende« innerhalb der gesamten Bundesrepublik ungenierter Zurschaustellung, spektaku- rechtlichen Sender blieben die führen- am Markt reüssieren kann. Diese Er- Breitband-Verkabelung der Republik, ausgestrahlt. Ab 1986 beteiligte sich die lärer Unterhaltung, durch Action und den Informationsanbieter, die privaten kenntnis hat selbst Youtube inzwischen was die wenigstens wahrnahmen – gab WAZ-Gruppe, Besitzerin von vier wich- Sex und damit die schleichende Anpas- Sender führende Unterhaltungsanbie- realisiert. es für den Ausbau durch den neuen Post- tigen Tageszeitungen im Ruhrgebiet, an sung und Uniformierung, und zwar – ter.« Politik sei die »Domäne von ARD Die hiesigen Fernsehgewaltigen im minister Schwarz-Schilling kein Halten RTL plus, 1987 kamen FAZ, Burda und die wenn auch in Abstufung – von beiden und ZDF«, »Alltag und zwischenmensch- privaten Sektor scheinen noch anders mehr: Schätzungsweise 50 Mrd. DM gab Kabelmedia-Programmgesellschaft hinzu, Systemen. Allerdings können die öffent- liche Beziehungen« die der privaten. zu denken und zu agieren: Bertelsmann die Post dafür aus, vorwiegend aus an- so dass RTL plus zu einer mehrheitlich lich-rechtlichen mit ihren ambitionierten Das Fictionangebot verteile sich bei den stieß im April 2014 fast 17 Prozent seines deren Einnahmen unbemerkt finanziert, bundesdeutschen Programmgesellschaft Programmen 3 SAT, arte, Phönix, Kika, Sendern unterschiedlich auf spannungs- Anteils an seiner ehemaligen cash-cow am wenigsten durch den bereits 1983 ein- wurde. Mit der versprochenen Vielfalt auch mit ihren digitalen Angeboten in- betonte und leichte, unterhaltungsbe- RTL-Group an die Börse ab, nicht zuletzt geführten »Kabelgroschen«, der mit der zumal auch durch kleinere Verlage war zwischen weit mehr Vielfalt und Diffe- tone Genres. Während ARD, RTL und wegen angeblich sinkender Werbeein- Rundfunkgebühr erhoben wurde. Noch es allerdings strukturell bald vorbei, und renzierung – wenn auch nicht in jede vor allem ProSieben den unterhaltungs- nahmen, behält aber mit 75,1 Prozent die im September hatte der Bundesgeschäfts- es bildeten sich zwei Medienkonglome- Geschmacksniederung – aufbieten, als betonten Genres mehr Gewicht gaben, Mehrheit. Die Münchner ProSiebenSat.1 führer der SPD, Peter Glotz, rundweg rate heraus: die Kirch-Springer-Gruppe die privaten seit ihrer Einführung je- überwogen beim ZDF und Sat.1 die Media AG, das unter anderem die Sender abgelehnt, »unseren Widerstand gegen- und die Bertelsmann-CLT-Gruppe. mals erreichten. Das Kölner Institut für spannungsbetonten Genres (Media Pers- ProSieben, Sat.1, Kabel1, Sat.1 Gold, Pro- über Kommerzialisierung und Privati- Billig und auf jeden Fall anders als empirische Medienforschung entwickel- pektiven 4 /2014). Sieben Maxx, ProSieben FUN und sixx zu- sierung der Programme aufzugeben«. die öffentlich-rechtlichen (»nicht nur te Parameter für die wechselseitige An- sammen vermarktet, aber am Publikums- Fast ein Jahrzehnt hatte die Partei unter erfrischend, sondern auch manchmal gleichung und legt bis dato dafür seine markt nie so richtig reüssiert, ist seit der MIt Dem Internet zurück inS Führung ihres Kanzlers Schmidt priva- erschreckend anders«, so der erste legen- jährlichen Analysen in den ARD-Media Insolvenz der Kirch-Gruppe 2002 als bör- »GOldene TV-Zeitalter«? te Konkurrenzpläne der Union gegen däre Programmdirektor, Helmut Thoma) Perspektiven vor. sennotiertes Unternehmen zahllose Be- »unser vergleichsweise vernünftiges und sollten die privaten Programme werden: 2005 flammte die Systemdebatte noch Von 1997 bis 2011 sind die Werbeumsät- teiligungen und auch wieder Auflösun- erfolgreiches System« (Schmidt) des Bei anfangs wenig Kapital und geringer einmal massiv auf, als der Entertainer ze des Fernsehens weitgehend stagniert, gen eingegangen, die nur von Insidern öffentlich-rechtlichen Rundfunks abge- Zuschauerzahl, so dass die allein finan- Harald Schmidt in seiner Talkshow wenn nicht leicht zurückgegangen; erst durchschaut werden. Seit Dezember 2006 wehrt. Es war dann nicht zuletzt der da- zierende Werbung zunächst ausblieb, seinen früheren Arbeitgeber Sat.1 mit danach zeichnen sich wieder nennens- haben zwei Finanzdienstleister, nämlich malige Erste Bürgermeister Hamburgs, durfte sie kaum etwas kosten: Sat.1 be- der Invektive »Unterschichtenfernsehen« werte Steigerungen ab. Inzwischen ist das Private-Equity-Unternehmen Permira Klaus von Dohnanyi (1981 – 88), der die stritt sie aus den schier unerschöpflichen brandmarken wollte. In der wissen- das Fernsehen mit fast 45 Prozent Markt- und Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR), Umkehr der SPD-Medienpolitik und die Lagerbeständen der Kirch-Gruppe (die schaftlichen Kritik kursierte das Etikett das Sagen, nachdem 2005 das Bundes- Zulassung privaten Rundfunks unter zuvor schon das ZDF jahrelang beliefert schon seit Mitte der 1990er Jahren, um kartellamt und die KEK dem Axel-Sprin- bestimmten rechtlichen Voraussetzun- hatte), so dass die zahllosen Reprisen die Spaltung des Fernsehpublikums in ger-Verlag die komplette Übernahme von Sendeabwicklungszentrale in Ludwigshafen gen, notfalls auch gegen die Bundes- kaum attraktiv waren. Die RTL-Macher eine mediale Klassengesellschaft, in bil- ProSiebenSat.1 Media AG untersagten. Ab SPD, durchsetzte. Auf den »Hamburger hatten mit der Fernsehproduktion kaum dungsferne und -nahe Populationen, zu Juli 2013 halten KKR und Permira nach Medientagen« 1983 warnte er vor dem Erfahrungen und verlegten sich daher akzentuieren. Unverfänglicher scheint einer Umwandlung der Aktien nur noch möglichen Standortnachteil Hamburgs auf das Austesten von Nischen, die sie hingegen das Label des Trash-TVs (Müll- 44 Prozent der Stammaktien und haben als Medienstadt und forderte eine »vor- mit billigen Einkäufen füllten: Erotik Fernsehen), das wie die einschlägigen somit keine Mehrheit mehr. Immerhin sichtige Öffnung für private Programm- und Sex (z.B. die Striptease-Show Tutti RTL-Formate angeblich weltweit auf dem kaufte Ende 2013 der Springer-Verlag veranstalter«. Frutti), mit Actions-, Kriegs- und Horror- Vormarsch ist: »Auf Tabuverletzungen die N24-Gruppe zu 100 Prozent heraus Um die abwartende Haltung des Pu- filmen sowie mit ungeniertem News- zielendes Fernsehen hat die höheren und will sie in sein multimediales News- Die Logos von 9 Privat- blikums, aber auch die Skepsis der SPD Boulevard realisierten sie ihre pro- Bildungsschichten erreicht. Der Erfolg Konzept eingliedern. Damit kehrt der sendern, die ihren zu überwinden, einigte man sich auf vier grammliche Innovationen. Sie führten Betrieb inzwischen wieder liegt darin, dass diese Art Fernsehen Verlag 30 Jahre später zu einem publizis- forschungs- und medienpolitisch einma- zur Erweiterung der Jugendschutzge- eingestellt haben. beim Zuschauer Emotionen weckt«, weiß tischen Fernsehgeschäft zurück. • 52 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 53

»Winnetou« in Schwarzweiß Nicht realisiertes Hamburger Filmprojekt »Winnetou« ohne den 1960er Jahren beim Hessischen Rundfunk die »grausamen Realismus« Abteilung Fernsehspiel leiten und 20 Jahre später für den WDR die Entwicklung des Tatortes überneh- Von Nicolas Finke »Es besteht die Absicht, einen in Deutschland ge- men wird, arbeitet zu dieser Zeit in Hamburg unter drehten Karl May nicht als bewusste Konkurrenz anderem für den NWDR. gegen einen amerikanischen Wild-West-Film zu produzieren. D.h. es wird angeraten, von dem grau- Winnetou, der Österreicher samen Realismus der Amerikaner in für die Jugend geeigneter Weise Abstand zu nehmen und mehr auf Der 31-jährige österreichische Schauspieler Adri- die in unserem Land bevorzugten Akzente wie Ro- an Hoven wird von der DSG als idealer Kandidat mantik, Herz, Sentiment und Psychologie für die für die Rolle des Winnetou ins Visier genommen Jugend einzugehen.« – So formuliert Volker von (von dem ebenso in Betracht gezogenen Rolf von Collande die Ausrichtung seines geplanten Winne- Nauckhoff nimmt man in einer späteren Fassung tou-Films in einer Aktennotiz vom 16. 4. 1953. Col- des Exposés Abstand). Hoven, der 1965 in den lande, der 1913 als Volker Hubertus Valentin Maria Spaghetti-Western Die letzte Kugel traf den Besten von Mitschke-Collande in Dresden geboren wurde und Der Sohn von Jesse James spielen sollte, steht und, wie er am 23. 4. 1953 dem Karl-May-Verleger gerade am Anfang einer steilen Filmkarriere, die Fotos: Staatsarchiv Joachim Schmid schreiben wird, von dort aus als ihn oft als jugendlichen Helden und Liebhaber auf- Produzent Heinrich junger May-Verehrer des Öfteren zum damaligen treten lassen wird. Den Old Shatterhand will Volker Klemme und Nach- Verlagssitz nach Radebeul gepilgert war, lässt in von Collande selbst spielen, ebenso den »Vater der barskind am Firmen- dieser Aufzeichnung keinen Zweifel daran, dass es Rahmenhandlung«, sowie die Regie übernehmen. briefkasten nicht zwingend Mays Winnetou-Stoff sein müsse, Als Winnetous Vater Intschu-tschuna ist Karl Kuhl- auf den Klemme und Collande »sehr großen Ap- mann im Gespräch (der bekannte Filmschauspieler petit« hätten – er könne »auf Wunsch auch gegen Herbert A.E. Böhme, der bereits 1940 bei den Karl- jeden Karl May-Stoff ausgewechselt werden«, da May-Freilichtspielen in Werder / Havel die Rolle »die Rechte für uns erlangbar sind«. Und das, ob- des Old Shatterhand verkörperte, ist zunächst noch wohl zu diesem Zeitpunkt weder die Finanzierung als Alternativkandidat vorgesehen), Nscho-tschi des Projekts in Reichweite, noch die DSG an den in soll Katharina Mayberg spielen, Bösewicht Santer Bamberg ansässigen Karl-May-Verlag (KMV) heran- Rudolf Fernau (der 1974 in Syberbergs Karl May getreten ist, um sich über einen Filmrechteerwerb zu sehen sein wird). Weitere Rollen und ihre vor- der begehrten Stoffe zu informieren. gesehenen Darsteller: Sam Hawkens (Günther Lü- ders; zunächst auch: Rudolf Platte), Parker (Heinz Klingenberg), Stone (Walter Ladengast), Rattler relativ niedrige (Josef Dahmen, spricht später häufig in den May- Gesamtkalkulation Hörspielen von »Europa«), Tangua (Karl Martell), Der Inhalt, schreibt Collande, könne »als bekannt Klekih-petra (Erich Ponto, zuvor: Otto Gebühr), vorausgesetzt werden, zumal es in mehreren deut- Dunkles Wasser (Irene Nathusius), Vollmond (Erna schen Städten noch heute alljährlich Karl-May-Fest- Sellmer). spiele gibt, die trotz ihrer Freilicht-Veranstaltungen zu den bestbesuchtesten Sommerveranstaltungen »Alle Rechte bei uns« – gehören« (im vorangegangenen Sommer waren Rauchzeichen aus Bamberg quasi vor der Haustür der in Hamburg angesiedel- ten DSG erfolgreich die Bad Segeberger Winnetou- Für Collande / Klemme kommt es nun darauf an, Festspiele gestartet). So hoch steckt das Hambur- zum einen die Finanzierung des Projekts, zum an- ger Produktionsteam seine Ziele freilich nicht: Die deren den Filmrechteerwerb am gewünschten Karl- Hauptrollen könnten mit »unprominenten guten May-Stoff sicherzustellen. Dies stellt sich – wie eine Schauspielern bzw. einigen prominenten besetzt Auswertung des betroffenen Schriftguts im Nach- werden«, unterstützt durch »die sieben großen lass der Deutsche[n] Dokumentarfilm Gesellschaft Foto: Conti-Press / Staatsarchiv Foto: Conti-Press deutschen Indianer- und Cowboy-Clubs, die alle- Heinrich Klemme & Co ergibt – als schwierig und in samt im Besitz von Pferden, echtem Zaumzeug und unterschiedliche Problemstränge verzweigt dar. Originalkostümen sind«. Kein Wunder, dass Col- In einem Telegramm vom 23. 4. 1953 stellt der lande bei dieser Ausrichtung zu der Einschätzung Karl May Verlag Joachim Schmid auf eine eilige Winnetou im Kino – wäre es zu Beginn der 1950er Jahre nach dem Willen des Schauspielers und Regisseurs kommt, die Gesamtkalkulation dürfe »relativ nied- Anfrage Collandes klar: »Alle Rechte Winnetou bei Volker von Collande und seines Kompagnons, des Filmproduzenten Heinrich Klemme, gegangen, hätte rig« gehalten werden, zumal der Film »wohl ca. aus uns« – und: »Stehen anderweit in Filmverhandlun- Karl Mays Fantasie-Apache bereits 1953/54 die Kinoleinwand erreicht. Mit ihrer in Hamburg ansässigen 80 % Außenaufnahmen« bestehe, wenngleich er gen Stop Erbitten jedoch praezisierte briefliche An- »in technischer Hinsicht einwandfrei« hergestellt frage«. Auf diese müssen die Schmids nicht lange Deutschen Spielfilm Gesellschaft (DSG) sollte ein in Deutschland gedrehter Jugendfilm entstehen, mit etwa werden müsse. Es wird vorläufig mit einem Betrag warten; noch am selben Tag sendet Collande ein 90 Minuten Laufzeit und in Schwarzweiß. Winnetou hätte der österreichische Schauspieler Adrian Hoven in Höhe von 400.000 bis 500.000 Mark kalkuliert. Schreiben mit entsprechenden Fragestellungen spielen sollen. Über das – in der Karl-May-Literatur bislang unberücksichtigt gebliebene – Abenteuer der Mit der Erstellung eines Exposés wird der Hambur- per Eilboten nach Bamberg. Dort sei man bestrebt, DSG, schon in den frühen 1950er Jahren Karl May für das Kino zu verfilmen, soll hier berichtet werden. ger Autor Hartmut Grund beauftragt. Grund, der in antwortet Joachim Schmid am 12. 5. 1953, »alle Karl 54 FILMGESCHICHTE FILMGESCHICHTE 55

May-Stoffe einer Gesellschaft zu übertragen«. In und »privat«. Es scheint, als wäre man dem Kino- Die Suche nach einem Geldgeber geht weiter. Das Exposé: »Winnetou« dieser Richtung schwebten »z. Zt. Verhandlungen, Winnetou ein Stück näher gekommen. Klemme versucht, die Panorama Film GmbH in mit Rahmenhandlung deren Ausgang noch offen steht«, schreibt der Ver- Göttingen als Verleih für Winnetou zu gewinnen leger und fragt: »Hätten übrigens auch Sie Interes- Knackpunkt Finanzierung und schickt am 21. 8. 1953 Grunds Winnetou-Exposé se an dem Gesamtstoff (alleiniger Karl-May-Produ- zur Prüfung an den dortigen Dramaturg Haude. Es Das Winnetou-Exposé des Hambur- später Winnetous Tod thematisiert zent)?« Mit welchen anderen Filmschaffenden der Es bleibt beim Schein. Als äußerst schwierig gestal- sieht schlecht aus: »Auch das vorliegende Manu- ger Autors Hartmut Grund aus dem werden. Als sich Santer zuletzt mit KMV zu dieser Zeit ebenfalls verhandelt, wird in tet sich nämlich parallel zu den ersten Verhandlun- skript konnte uns nicht überzeugen, dass in heuti- Frühjahr 1953 sah eine Rahmen- Winnetous Testament selbst in die den Unterlagen des Klemme-Nachlasses lediglich gen mit dem KMV die Suche nach einer gesicher- ger Zeit mit Karl-May-Verfilmungen ein Geschäft handlung vor (»Der Ton ist leicht Luft sprengt und in das »Dunkle und humoristisch«), in der ein Wasser« stürzt, kehrt Grund zur angedeutet. ten Finanzierung. Collande und Klemme hoffen zu machen sei«, reagiert Haude am 8.9.1953. Horst Familienvater auf der Feier des Rahmenhandlung zurück: auf eine zweigleisige Unterstützung: einerseits Wendlandts Rialto-Film wird nicht einmal zehn 10. Geburtstages seines Sohnes in durch die Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Jahre später beweisen, wie sehr Haude sich hier »Schaffung eines echten die Indianer- und Trapper-Spiele »Ich erwachte durch ein Telephon- Jugendfilms (München), andererseits durch die irren sollte. der Kinder eingreift. Bei dem gespräch, das mein Sohn führte. May-Films« Düsseldorfer West-Film GmbH, die man als Verleih Versuch, seinen an der Wange Old Shatterhand, sagte er gerade – Nach der vertröstenden Nachricht aus Bamberg gewinnen will. blutenden und im Garten an einen nein, er sagte nicht Old Shatter- Rechtliche Auseinandersetzung haben es Collande und Klemme eilig: Kurzerhand Nach erstem Interesse am Winnetou-Projekt Baum gefesselten Sohn zu befreien, hand, mit dem völligen Mangel an mit dem Karl-May-Verlag wird er selbst von den anwesenden Ehrfurcht, der die heutige Genera- fassen Sie den Entschluss, die May-Verleger in erteilt die erstgenannte Gesellschaft am 16. 6. 1953 »Indianern« überfallen, an den tion auszeichnet, sagte er: der Alte Bamberg persönlich aufzusuchen, um somit »alles der DSG eine Absage. Mit den Worten »Wir haben Bereits nach der unmissverständlichen Absage Baum gebunden und mit Pfeilen kommt heute nicht ins Büro, er sehr viel eingehender« klären zu können (laut immer wieder davor gewarnt, Engagements einzu- der Deutschen Gesellschaft zur Förderung des Ju- beschossen, bis seine Frau im hat die ganze Nacht eine wichtige Sie waren eigentlich einem Schreiben an den KMV vom 15. 5. 1953). Nicht gehen, bevor die Gesamtfinanzierung der in Frage vorgesehen: Adrian gendfilms wenden sich Collande / Klemme an den Garten erscheint, um ihren Gatten Besprechung gehabt. Auf der ohne Erfolg: In den bereits am 20. und 22 Mai 1953 stehenden Vorhaben sichergestellt sei« (mit Blick Hoven und Volker KMV, um zurückzurudern: Vorerst seien ihnen »die ans Telefon zu rufen. Der Vater Gegenseite schien man zu fragen, stattfindenden Gesprächen, an denen neben Joa- auf die vertragliche Bindung mit dem KMV) zieht von Collande Hände gebunden«, so dass man »deshalb noch schickt die Kinder erbost nach mit wem? Jedenfalls kann ich mir chim Schmid auch Lothar Schmid als »juristischer sie sich aus den Winnetou-Vorbereitungen zurück. nicht zum Abschluss des geplanten Optionsvertra- Hause und überwirft sich in Folge nur so die Antwort meines Sohnes dessen mit seinem Sohn, dem erklären: mit Karl May«. Mitarbeiter« (laut einem Schreiben des KMV vom Die West-Film als Verleih für einen Winnetou- ges kommen« könne (in einem Brief von Klemme er sodann die Karl-May- durch

17. 8. 1953) teilnimmt, wird das Vorhaben eines Film zu gewinnen, scheint hingegen zunächst zu vom 20. 6. 1953). Der KMV wird gebeten, das Projekt Rechenbücher ersetzt. Der Abend Grunds Intention bei der Ausar- Winnetou-Films konkreter: Obwohl bereits Hartmut gelingen; bereits am 15. 5. 1953 wird mit ihr ein »noch nicht als aufgehoben, sondern nur als aufge- endet im allgemeinen Familien- beitung des Exposés war es, »die Grunds Exposé vorliegt, das auf Mays Winnetou- Lizenzvertrag geschlossen – allerdings etwas über- schoben« zu betrachten. streit – und der Vater zieht sich vielen Nebenhandlungen der Trilogie basiert, konzentriert man sich fortan auf stürzt, da man auf eine Finanzierung durch das Doch der schlechten Nachrichten für die DSG mit den May-Büchern ins Bett drei Winnetoubände wegzulassen den Schatz im Silbersee, offenbar ein Rat des KMV. Land Nordrhein-Westfalen (NRW) hofft, mit dem nicht genug: Lothar Schmid vom KMV stellt in einer zurück. Die Lektüre beginnt: und das Geschehen auf die Auf den zugkräftigen Namen Winnetou soll im Titel die West-Film im Mai 1953 verhandelt. Der Vertrag Antwort vom 10. 7. 1953 fest, »dass der Optionsver- beiden Personen Winnetou und »Nachts rief meine Frau nach mir. Old Shatterhand zu konzentrieren, jedoch nicht verzichtet werden, so dass man sich sieht unter anderem eine Mindestlänge des Films trag bereits bei der am 22. 5. 53 geführten münd- Ich hatte den ersten Band von um die entscheidende Tendenz, auf Winnetou am Silbersee einigt. Da die Finanzie- von »2400 m« (ca. 90 Minuten Laufzeit) und Her- lichen Verhandlung rechtswirksam geschlossen Winnetou nahezu durchgelesen. das Miteinanderleben verschiede- rung des Projekts noch nicht gesichert ist, wird sich stellungskosten in Höhe von 596.000 DM vor (zum wurde«. Man sei nun befremdet – »Ihre Schwierig- Ich tat so, als ob ich sie nicht hörte. ner Rassen, stärker hervortreten auf das folgende Prozedere verständigt: Gegen die Vergleich: Horst Wendlandts Schatz im Silbersee keiten, gleichgültig woher sie rühren, können den Sie lachte, als sie mich auf dem zu lassen«. Es gehe, so Grund in Zahlung von 3.000 Mark räumt der KMV der DSG kostete 1962 laut Thomas Winkler 3,5 Mio. DM). Die Vertrag nicht beeinflussen« – und müsse auf die Bauch liegen und Karl May lesen seinem undatierten Kurzexposé, für den Silbersee-Stoff und die Dauer eines Jahres Vereinbarung gelte nur für den Fall, »dass es den Zahlung der Optionsgebühr bestehen. sah. Du bist ein Kindskopf, sagte sie »um den Menschen an sich«. eine Option (ab 1. 6. 1953) ein. Diese Zahlung soll Vertragschliessenden gelingt, alle Voraussetzungen Die DSG fackelt nicht lange – und übergibt den und kroch zu mir unter die Decke. Wir versöhnten uns. Ich fing an, auf den späteren Kaufpreis von 15.000 Mark voll an- zur Realisierung des Vorhabens zu schaffen«. Nicht Schriftwechsel mit Bamberg ihrem Justitiar, einem meiner Frau von Winnetou und Old gerechnet werden. »Hiermit ist verbunden worden festgehalten, sondern offenbar nur mündlich ver- im Hamburg ansässigen Rechtsanwalt. Nachdem Shatterhand zu erzählen. Irgend- ein Vorkaufsrecht auf sämtliche Wildweststoffe von einbart wird, dass eine zu zahlende Optionssumme der KMV in zwei weiteren Schreiben die Rechtslage wann muss ich eingeschlafen sein. Karl May für die Laufzeit der Option«, heißt es in für den Rechteerwerb an den May-Stoffen teilweise Sie spielten die ausführlich erörtert hat, sich die DSG jedoch nicht Als ich wieder erwachte, befand einem resümierenden Schreiben vom 26. 5. 1953 an von der West-Film getragen werde, wodurch »auch Rollen 10 Jahre nur Zahlung der 3.000 Mark durchringen kann, be- ich mich auf der Prairie, mitten im den KMV. Ein Vertrag wird aufgesetzt, und Joachim das ernsthafte Interesse des West-Film-Verleihs« später: Pierre Brice auftragt der KMV im September 1953 seine Anwälte wilden Westen …« und Lex Barker Schmid schreibt am 6. 6. 1953 erfreut: »Wir hoffen, dokumentiert werden solle, so Klemme in einem mit der Klageerhebung. Ein minutiöses Hin und Her Von diesem Moment an ist der dass durch gemeinsame Arbeit alles zur Schaffung Schreiben an die West-Film vom 22. 8. 1953. Drei beginnt, denn die Rechtsbeistände der beiden Par- Familienvater als Land ver- eines echten May-Films beigesteuert wird.« Augen- Monate nach dem Abschluss des Lizenzvertrags hat teien versuchen zunächst, die Sache außergericht- messender Old Shatterhand im blicklich sei man in Bamberg dabei, heißt es, »Bild- bei dem inzwischen umstrukturierten Verleih ein lich zu klären. Mit Erfolg: Im März 1954 einigt man Wilden Westen unterwegs, und die material und dergleichen auszuwählen, um Ihnen neuer Geschäftsführer das Sagen (E.W. Herbell), sich auf einen Vergleich. Collande / Klemme zahlen Handlung folgt in groben Zügen bei Drehbuch und Kostümgestaltung usw. behilflich der der DSG unmissverständlich eine Absage er- 1.000 Mark zuzüglich dem KMV entstandener Kos- dem Plot von Karl Mays ersten und sein zu können.« Schmid stellt eine Liste mit Kon- teilt, indem er auf den einschränkenden Passus be- ten »nach 1 Gebühr« – und können sich diese Zah- dritten Winnetou-Band, wobei also taktadressen von Indianer- und Cowboy-Clubs von züglich »aller [zu schaffender] Voraussetzungen« lung gar anrechnen lassen, »sollte zwischen den sowohl das erste Kennenlernen Winnetous und Old Shatterhands, München bis Schleswig zusammen und hofft, dass verweist. »Die wesentlichste dieser Voraussetzun- Parteien in Zukunft eine Vereinbarung zustande der Kampf gegeneinander und die »der Beginn der Dreharbeiten noch in diesem Som- gen fehlt jedoch zur Zeit noch«, schreibt Herbell am kommen, auf Grund derer Filmrechte an Karl-May- Blutsbrüderschaft als auch Nscho- mer einsetzen kann«. Klemme von der DSG bittet 4. 9. 1953, »nämlich die Finanzierung der Herstel- Stoffen« erworben werden (laut einem Schreiben tschis, Intschu-tschunas und derweil den Autor Grund, mit der Arbeit an einem lungskosten«. Die Verhandlung mit dem Land NRW der Bamberger Rechtsanwälte vom 21. 1. 1954). Die Treatment zu beginnen, allerdings noch – »solan- – nun wird allerdings von einer »Staatsbürgschaft« gerichtliche Auseinandersetzung bleibt aus, und

ge nicht die endgültige Zusage vom Verleih erfolgt gesprochen – sei »noch nicht so weit«. Zugeständ- am 15. m 7. 1954 schreibt Lothar Schmid (»i.V.«) der ist«, so Klemme in einem Schreiben vom 5. 6. 1953 nisse, etwa die Übernahme der Optionssumme, die DSG: »Wir freuen uns, dass der streitige Vorfall da- – ohne Zusicherung eines Honorars; lediglich die nicht im Lizenzvertrag festgehalten wurde, seien mit seine Erledigung gefunden hat«.

»entstandenen Barauslagen« wolle Collande, »da nicht möglich, wenngleich man aber »nach wie vor Ob sich damit für Collande /Klemme nicht nur es ihm drängt«, zunächst erstatten; »von sich aus« zu dem Stoff« stehe. der Streit mit dem KMV, sondern auch das Thema 56 FILMGESCHICHTE AUS DEM VEREIN 57

Winnetou erledigt hat, kann nur vermutet werden. Karl May im Film – Aus dem Verein Die Akte im Klemme-Nachlass enthält jedenfalls nie realisierte Projekte keine Hinweise auf weitere Karl-May-Aktivitäten, Jahresrückblick 2013/14 wenngleich das Gespann auch dann nicht von Winnetou ablässt, als die Hamburger und Bamber- Bereits in KARL MAY & Co. Nr. 63 / rangetreten, eine Co-Produktion ger Anwälte noch korrespondieren: Am 24. 4. 1954 Januar 1996 (Reiner Boller: Hans auf die Beine zu bringen, bei MITGLIEDERVERSAMMLUNG ERFASSUNG DER BESTÄNDE versucht die DSG, die Bürgschaftsgesellschaft für Albers und »Die ewigen Jagdgrün- welcher sehr gute Bedingungen Filmkredite GmbH als Financier ihres Winnetou am de«, S. 6 – 8.) und Nr. 92 / Juni und Aussichten vorhanden sind. Die diesjährige Mitgliederversammlung Mit Hilfe unseres Mitgliedes Gerhard Jagow 2003 (Nicolas Finke: Akte »Karl- Ich habe auf einen Weltstoff !!! Silbersee-Projekts zu gewinnen – offenbar vergeb- fand am 26. Mai 2014 wie üblich auf dem und einer externen Erfassungskraft (Renate May-Vorhaben / NDR«. Wie der eine Option, es ist dies: Karl May: Gelände des Medien-Campus Finkenau statt Bruhn) wurde die Erfassung des 16mm-Film- lich. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Norddeutsche Rundfunk Winnetou In den Schluchten des Balkans, und hatte eine umfangreiche Tagesordnung. Bestandes weitgehend abgeschlossen; ins- Thema Karl May für Collande und Klemme somit verfilmen wollte – Karl May und welchen ich bereits den Jugos- So gab es eine Neuwahl des Vereinsvorstan- gesamt gibt es ca. 470 Titel. Im Frühjahr abgehakt gewesen ist; ab 1955 wurden von der DSG das deutsche Fernsehen (Teil I). lawen angeboten habe.« Geplant des – die drei bisherigen Vorstandsmitglie- 2014 unterstützte uns auch nach längerer Zeit keine Projekte mehr realisiert, am 3. 10. 1958 trat S. 39 – 41) wurden geplante, aber war ein Farbfilm, an dessen der Dr. Joachim Paschen, Jürgen Lossau wieder einmal eine Praktikantin, Christine Collande als Geschäftsführer zurück und gab seine letztlich nicht realisierte Winnetou- Herstellungskosten (»4000.000 und Volker Reißmann waren bereit, sich Kroll, die in Würzburg Germanistik und Film- Anteile an Klemme ab. Filmprojekte dokumentiert. DM«) sich »Jugoslawien mit wieder zur Wahl zu stellen, und wurden von wissenschaft studiert; sie erfasste u. a. sehr In Karl-May-Filmbüchern werden ca. 70 %« beteiligt hätte. Der den zahlreich erschienenen Mitglieder in sorgfältig den Bestand an ca. 160 Original- derartige Projekte behandelt, Drehbeginn hätte zwischen Mai ihren Ämtern bestätigt. Drehbüchern und half bei der Sichtung und Was wäre gewesen, wenn…? u.a. von Michael Petzel: Karl-May- und September 1954 stattfinden Danach fasste der Vorsitzende des Vereins Katalogisierung von 35-mm-Kinofilmtrailern. Lossau Foto: Jürgen Filmbuch. Stories und Bilder aus sollen, »da dann in Jugoslawien wichtige Ereignisse des vergangenen Jahres Die Bearbeiterin des DSG-Bestandes im Staatsar- der deutschen Traumfabrik fast durchwegs das herrlichste zusammen: Darunter der gute Besuch der VERANSTALTUNGEN chiv Hamburg, Lisa Joos, resümiert, der Winnetou à [= Sonderband zu den Gesammel- Wetter herrscht und wir sehr vom Verein u. a. in Zusammenarbeit mit la Collande/Klemme hätte »wegen Finanzierungs- ten Werken Karl May’s]. Heraus- viel sparen könnten«. Freund dem WDR-Archiv, dem Speicherstadtmuse- Im Rahmen der 5. Nacht des Wissens am Ich werde Mitglied! schwierigkeiten« nicht realisiert werden können. gegeben von Lothar und Bernhard Wishaupt nahm die Bitte um um, dem Wasserforum Hamburg sowie der 2. November 2013 konnte der Verein wieder Schmid. Bamberg · Radebeul, »äußerste Diskretion« sehr Ich/Wir möchte(n) Mitglied im Film- und Doch nicht außer Acht gelassen werden darf in Szene Hamburg im ABATON-Kino ausge- einer interessierten Schar von Besuchern Karl-May-Verlag, 1998; S. 462–485. ernst – und wandte sich mit dem richteten Filmmatineen. (ca. 200) unsere Museumsschätze präsentie- Fernsehmuseum Hamburg e.V. werden. diesem Zusammenhang, wie diese Schwierigkeiten Die Ausführungen zu diesem Projekt an Collande/Klemme. Ebenso erfreulich sei die Resonanz auf ren, tatkräftig unterstützt von Hans Joachim Die Mitgliedschaft kostet € 65,- pro Jahr zustande kamen und dass es der DSG nicht gelang, Themenbereich lassen sich um Die aber hatten gerade genug mit die letzte Ausgabe der Vereinszeitschrift Bunnenberg (früher Studio Hamburg) und für natürliche Personen, € 130,- pro Jahr potenzielle Geldgeber von ihrem Projekt zu über- weitere Vorhaben ergänzen. An der Karl May zu tun und wehrten Hamburger Flimmern Nr. 20, gewesen. den beiden Kinovorführern Rolf Rotluff und für Institutionen und Firmen. Die Vereins- zeugen. Woran dies im Einzelnen lag, darüber lässt Karl-May-Filmhistorie Interessierte am 14. 1. 1954 dankend ab: »in Die Mitgliederzahl konnte stabil gehalten Manfred Thielemann. Ein besonderes zeitschrift Hamburger Flimmern erhalten sich heute nur spekulieren. Doch es mag eine Rolle können zu diesem Thema noch diesem Jahr keine Realisierungs- werden; mit großem Bedauern mussten Highlight war ein »Super-8-Screening« mit Mitglieder kostenlos. gespielt haben, dass der Film von vornherein als einiges entdecken, was die fol- möglichkeit«. wir den überraschenden Tod unseres Familienfilmen aus aller Welt, u.a. aus dem genden Informationen andeuten Name: Low-Budget-Projekt konzipiert wurde. So erscheint Mitgliedes und Filmkopien-Sammlers Jörn Nachlass von Peter Michael Michaelis. sollen: · Orient-Film/Neue Deutsche Film- Schulz-Buhr zur Kenntnis nehmen; auch Für das Filmfest Hamburg Ende Septem- es etwa als wenig verwunderlich, dass sich niemand Inst., Firma: produktion, München (1956): unser langjähriges Mitglied, der Toninge- ber/Anfang Oktober 2014 wurde wieder für von Planungen begeistern ließ, die von Beginn an · Orient-Film(e)/Carlton Film Unterlagen aus dem Archiv der nieur Werner Schulze, verstarb im Januar ein »Miniatur-Kino« in der Europa-Passage Straße: GmbH, München (1953): Stadt Bad Segeberg zufolge be- vorsahen, einen Western (wenn auch als »Jugend- 2014 (ihm verdanken wir auch das Zusam- ein Kinoprojektor vom Typ Ernemann XIII PLZ, Ort: film« deklariert) unter anderem mit Cowboy- und Dem Schriftwechsel zwischen reitete die Neue Deutsche Filmpro- mentragen aller 64 Real-Filmproduktionen als Ausstellungsstück zur Verfügung gestellt. Indianer-Clubs zu drehen, zudem in Deutschland den Anwälten der DSG und des duktion 1956 einen Orient-Film auf DVD für unser Archiv). Wie im Jahr zuvor wurde die Laufkundschaft Telefon: KMV ist zu entnehmen, dass nach Karl May vor. Den Notizen und in Schwarzweiß. dieser wohl wichtigsten Einkaufsmeile in der e-mail: sich zu Beginn der 1950er Jahre der Segeberger Stadtverwaltung Auch wenn das Winnetou-Projekt der DSG also NEUZUGÄNGE Innenstadt mit mehreren Hinweistafeln auf auch die Münchner Carlton Film ist zu entnehmen, dass May-Ver- die Beteiligung unseres Vereins aufmerksam Realität geworden wäre – vor dem Hintergrund der mit ihrem Produzenten Günther leger Schmid zur Begutachtung In den letzten Monaten gab es wieder zahl- gemacht; auch Flyer lagen dort wieder zur Einsenden an: Hamburger Flimmern hier dokumentierten Planungen hätte das Kino- Stapenhorst für die Verfilmungs- des Drehbuchs nach Kairo reisen reiche Neuzugänge, darunter besonders Mitnahme aus. Sierichstraße 145 · 22299 Hamburg Publikum wohl etwas ganz anderes erwartet als rechte der May-Stoffe interes- wollte/sollte oder sogar gereist hervorzuheben: Erneut konnten zudem als Bonusmaterial die von Wendlandts Rialto-Film später produzier- sierte. Lothar Schmid vom KMV ist, wo im März 1957 die Drehar- · mehrere Jahrgänge der Branchenorgane für eine DVD-Edition (in diesem Falle Jürgen ten Winnetou-Filme mit Pierre Brice und Lex fasste in einem Schreiben an den beiten beginnen sollten. Filmecho und Blickpunkt: Film aus den Rolands Die Engel von St. Pauli) diverse Ich abonniere! letzten Jahren von der Filmförderung Barker. Anwalt der DSG vom 17. 8. 1953 Fotomotive und anderes Material zur Ver- • Hamburg Schleswig-Holstein zusammen: »Wir empfahlen ihm fügung gestellt werden. • Ich/Wir möchte(n) die nächsten vier Aus- unverbindlich angesichts der In- · Sylvia Zarnack geb. Beck überließ dem gaben der ­Zeitschrift Hamburger Flimmern vasion amerikanischer Wildwes- Ein Fake: So hätte der Vorspann Verein aus dem Nachlass ihres Vaters für € 20,- ­abonnieren. Das Abo verlängert ter zunächst die Orient-Stoffe«. des Winnetou-Films von Heinrich zahlreiche Bücher und Drehbücher, sich automatisch um weitere vier Ausga- Allerdings hätte die »Carlton Film Klemme aussehen können Produktionsunterlagen sowie Bilder. ben, wenn es nicht binnen zwei Wochen vermutlich den gesamten Karl Zudem konnten wir uns an gleich mehreren nach Erhalt der vierten bezogenen Aus- Die Grundlage dieses Beitrags bildet die Akte 28.4 »Nicht May optieren wollen«. Für die Digitalisierungsvorhaben von Filmmaterial Der Verein unterstützte zum Filmfest wieder gabe gekündigt wird. realisierte Filmprojekte der ›Deutschen Spielfilm Gesell- Carlton Film produzierte Stapen- beteiligen, weshalb nun erstmals auch eine eine Ausstellung in der Europa-Passage schaft mbH‹ · Band 4: V – Z« des Bestands 621-1 »Deutsche horst Filme wie Der Bettelstudent kleine Festplatten-Filmsammlung angelegt Name: Dokumentarfilm Gesellschaft Heinrich Klemme & Co« wurde: Hans-Joachim Flebbe übernahm und Rosen für Bettina (beide Inst., Firma: im Staatsarchiv Hamburg. Herrn Volker Reißmann vom 1956) sowie Paprika (1959). die Kosten für die Digitalisierung von drei Staatsarchiv Hamburg bzw. Film- und Fernsehmuseum Wochenschau-Ausschnitten, darunter mit Straße: Hamburg e. V. bin ich für den wertvollen Hinweis auf · In den Schluchten des Balkans / ein Beitrag über eine Musicalfilm-Premiere PLZ, Ort: das nicht realisierte »Winnetou«-Filmprojekt der DSG Nestor-Produktion, Wien (1954): 1958 in seinem neu übernommen Savoy- und für den Zugang zum o. g. Aktenbestand zu großem Hans Nestor von der Nestor-Pro- Kino. Das Staatsarchiv Hamburg wurde bei Telefon: Dank verpflichtet. duktion, Wien, berichtete seinem einem Digitalisierungsprojekt mit 18 Filmen e-mail: Freund Luis Wishaupt von der aus dem dort eingelagerten ehemaligen

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine leicht modi- Hamburger Wico-Film in einem Firmenarchiv der gong-film Bodo Menck fizierte Fassung eines bereits 2007 in der Zeitschrift KARL Schreiben vom 6. 1. 1954: »Man mit – teilweise qualitativ besseren – Kopien Einsenden an: Hamburger Flimmern MAY & CO. (Nr. 107, Heft 1 /2007) erschienenen Artikels. ist aus Jugoslawien an mich he- aus unserem Bestand unterstützt. Lossau Foto: Jürgen Sierichstraße 145 · 22299 Hamburg 58 MATINEEN

Filmmatineen im Abaton-Kino im Herbst 2014 und Frühjahr 2015

Sonntag, 2. November, 11 Uhr sogar zu einer Oscar-Nominierung seiner Kriegsgefangenschaft 15 Sonntag, 29. März, 11 Uhr Hamburg und der Erste brachte: Heinz Rühmann brilliert Jahre zuvor kennen und lieben Die Hamburger und ihre Reisen Weltkrieg in einer Paraderolle als melancho- gelernt hatte. Gespielt werden lisch-verschmitzter Unglücksrabe Pierre und Maria von Daniel Bereits in den 1930er Jahren Zum Abschluss der Ausstellung im Berlin der Kaiserzeit. Michael Gélin und Hildegard Knef. Die haben Filmamateure sehr gerne im Museum für Kunst und Gewer- Töteberg und Volker Reißmann Suche nach der verlorenen Liebe ihre Ferien filmisch festgehalten, be zur Kriegspropaganda werden führen in den Film ein und zeigen weitet sich vor dem Hintergrund erstaunlicherweise zuweilen Film-Beispiele gezeigt, die da- dabei erstmals auch seltene Fotos Hamburgs vergangener Zeiten schon in Farbe. Es geht nach Sylt, mals auch in Hamburg zu sehen von den Dreharbeiten 1956 hier in zu einem Melodram aus: Man Madeira, Teneriffa, Norwegen, in waren: eine Wochenschau, ein Hamburg am Schlump. trifft sich beim Silbersack, steht die Berge und an die See, ins Alte Werbefilm für eine Kriegsanleihe, vor dem gerade fertig gestellten Land und nach Friedrichsruh. Die Beispiele aus dem Seekrieg (u. a. Axel-Springer-Hochhaus, fährt mit privaten Aufnahmen geben einen Sonntag, 23. November, 11 Uhr der Untergang eines Dreimast- der Straßenbahn, jagt durch den tiefen Einblick in das Alltagsleben Hommage für Gyula Trebitsch (II) schoners) sowie Aufnahmen von Hafen. Der Film wird im Original vor dem Krieg. Das Programm mit Präsentation einer neuen der Westfront. Die Filme werden mit deutschen Untertiteln gezeigt neu entdeckten Farbfilmen wird Biografie sachkundig von Joachim Paschen und von Volker Reißmann – mit erläutert von Joachim Paschen. eingeleitet. Fotoaufnahmen von den Drehar- beiten in Hamburg – fachkundig Sonntag, 3. Mai, 11 Uhr eingeführt. Montag, 3. November, 17 Uhr Hamburg vor 70 Jahren: Hommage für Gyula Trebitsch (I) Hoppla, wir leben! Spielfilm Der Hauptmann von Freitag, 17. Januar, 17 Uhr Köpenick Hamburg vor 30 Jahren: Nicht Elend und Verzweiflung, Das private Fernsehen geht auf sondern Hoffnung und Neubeginn Sendung (Wiederholung: stehen im Mittelpunkt dieses Sonntag, 19. Januar, 11 Uhr) Programms: Es sind Filme aus den Monaten nach dem Kriegsende Michael Töteberg und Volker Am 1. Januar 1985 wurde von zu sehen, die zeigen, wie alle an- Reißmann stellen ihre gerade bei eilig angemieteten Büroräumen packen und sich bemühen, dass es Ellert & Richter in der Reihe in der City Nord die erste Ausgabe wieder aufwärts geht. Die Filme Hamburger Köpfe erschienene von Aktuell Presse Fernsehen werden eingeordnet und kommen- Biografie vor: Sie geben in einem ausgestrahlt. In den Anfangs- tiert von Joachim Paschen. kleinen Streifzug mit Filmaus- jahren gehörten der Anchorman schnitten, Standbildern und ande- Armin Halle und die Moderatorin ren Dokumenten einen Einblick Marina Ruperti zu den markanten Der Spielfilm von Helmut Käut- in sein Schaffen und Wirken; Gesichtern des Senders, aus ner entstand nach dem gleichna- dabei werfen sie erstmals auch dem später Sat.1 hervorging. migen Theaterstück von Carl einen Blick auf seine Zeit als Alles sollte ganz anders und viel Zuckmayer: Der Schuster Wilhelm Produktionsleiter beim Ableger lockerer sein als bei den etab- METROPOLIS-KINO Voigt ist 1906 ein wenig auf die der Ufa in Budapest in den 1930 er lierten öffentlich-rechtlichen schiefe Bahn geraten und hat we- Jahren. Anstalten – doch das erwies sich gen kleinerer Verfehlungen viele Am Donnerstag, den als nicht so einfach wie ursprüng- Jahre im Gefängnis gesessen. 20. November 2014, zeigt das lich gedacht. Im Mittelpunkt steht Nach seiner Entlassung will er ei- Sonntag, 14. Dezember, 11 Uhr Metropolis-Kino um 14 Uhr in eine ausführliche Dokumentation der Reihe »Seniorenkino« gentlich nun ein ehrliches Leben La Fille de Hambourg / über die Vorgeschichte dieses noch einmal den Dokumentar- führen, doch einen dafür not- Das Mädchen aus Hamburg neuartigen Senders und seiner film Die Pamir von Heinrich wendigen Pass hat er nicht. Nach Nachrichtenpräsentation; Filme- Klemme (1958) – die Kopie erfolglosen Bemühungen kommt macher Hans-Jürgen Boerner stammt aus unserem Vereins- ihm eine Idee: Bei einem Trödler wird zusammen mit Zeitzeugen archiv. erwirbt er eine alte Hauptmanns- ihre Entstehung erläutern. Uniform, deren Ausstrahlung und Magie er sich zu Nutze macht. Mit einem kleinen Trupp Solda- Sonntag, 22. Februar, 11 Uhr Promotion für den ten, der ihm zufällig über den Hamburg und sein Abwasser Weg läuft, besetzt er kurzerhand Edgar-Wallace-Film das Rathaus von Köpenick und Ebenso wichtig wie Wasserversor- »Der Hexer« versucht nun, die Dinge auf seine Ein Hamburg-Film der besonde- gung ist die Wasserentsorgung: Art zu regeln. ren Art, 1958 vom französischen Zusammen mit dem Wasserforum Zum 100. Geburtstag des Regisseur Yves Allégret zwischen von Hamburg Wasser wird ge- 2005 verstorbenen Hamburger Hafen und Reeperbahn reali- zeigt, wie tief unten in den Sielen Erfolgsproduzenten Gyula Tre- siert: Ein französischer Matrose Regen und Schmutzwasser sich bitsch zeigt das Abaton noch ein- sucht bei einem Landgang nach sammeln und dann an entlegenen mal den Filmklassiker, der es 1957 der jungen Frau, die er während Orten gereinigt werden.