von links nach rechts: Jochen Arbeit, , , N.U. Unruh, © »Foto: Einstürzende Neubauten electronic press kit«

»« Die neue CD und DVD der »EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN«

Man muss die »NEUBAUTEN« schon sehr, arg sehr und sehr bedingungslos lieben, wenn man sagte, dass ihr neues Album »ALLES WIEDER OFFEN« „rundum“ gelungen sei.

Sie haben es mir nie leicht gemacht und ich habe mich immer schwer mit ihnen getan. Seit dem Abgang von F.M. Einheit und »«. Abgesehen von der »Initialzündung«, damals, einstens, irgendwann, mit »HAUS DER LÜGE«. Aber das ist so, immer, bei der Rezeption von Kunst. Bei großer KlangKunst gar, bei den »NEUBAUTEN« eben, die Ihresgleichen weder suchen noch finden würden.

Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat und dem FAN-Alter mit der dazugehörigen, bedingungslosen Hörigkeit zum Künstler entwachsen ist, also nicht à priori alles schätzt, was der macht und darüber hinaus über ein gehöriges Maß an künstlerischem Sachverstand verfügt, dann, dann wird es schwierig.

Dann trennt man sich, oder rauft sich zusammen.

Ich habe mich bislang immer wieder mit den NEUBAUTEN zusammengerauft. SUPPORTER aller drei Phasen. Der ich war und bin. Und, entgegen meinen ersten Unmutsäußerungen über das neue Album, auch in Phase IV sein werde. Wenn es denn ein solche geben wird. Gerüchte über eine Trennung werden derzeit nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand und nicht mehr nur von Außenstehenden geäußert. Aber Gerüchte halt.

Zum Album. Den Musikern.

N.U. Unruh ist der zuverlässige, jeden Punkt präzise rhythmisierende Pol der Band geblieben. Seine Arbeit überzeugt immer. Ein stiller Held. Die stehende Größe.

Alex Hacke ist eh mein Favorit. Den mag ich. Wie sich der Mann entwickelt hat und zur eigentlichen musikalischen Mitte der Neubauten geworden ist,

alles wieder offen © by patrice verdoux. hamm 2007 ; nachdruck + bearbeitung honorarpflichtig

von links nach rechts: Jochen Arbeit, Blixa Bargeld, Rudolf Moser, N.U. Unruh, Alexander Hacke © »Foto: Einstürzende Neubauten electronic press kit« das ist unglaublich. Obwohl er noch nicht sooo lange an dem Instrument ist, zähle ich ihn neben Hellmut Hattler doch zu den besten Bassisten Deutschlands. Nicht, weil er so versiert wäre, sondern weil er, entgegen seinem sorgsam gepflegten „Proll“ Image, sehr sensibel und hoch einfühlsam auf die Strömungen und Vorgaben des Musikflusses reagiert und voll dabei ist. Live gibt er stets den harten Rocker, der mit tiefgeschnalltem Instrument tüchtig rein haut. Hier beweist er seine wirklichen Qualitäten.

Rudi Moser, der Dandy mit stets hochstehendem Kragen, ist erstklassig. Erstklassig! Ein Ausnahmemusiker, der momentan bei den NEUBAUTEN noch viel zu kurz kommt. Er ist so was von gut! Schade nur, dass sein wundervolles »Big metal sheet« in den »WELLEN« so kastriert worden ist. Von ihm wünschte ich mir mal ein Solo-Album. Oder ein Musterhaus- Stückchen mit dem genannten »Big metal sheet« vom „Feb. 23rd, 2006 first session (1.5 hours) - featuring Rudi on big metal sheet (possible "Jewel"?)“

Jochen Arbeit ist & bleibt für mich : der geniale Gitarrist. Es ist unvorstellbar, es nimmt dem Hörer den Atem, welche Töne, Klänge, Klanggebilde er aus einer handvoll Saiten & etwas Technik hervorzuzaubern weiß. Göttlich. Auch er ist ein ganz großer Musiker.

Blixa Bargeld giebt die Diva bis zum Abwinken. Aber die Nähe entzaubert ihn. Wann immer nur die Kamera lockt, ist er präsent, attend, eilfertig und weiß sofort was Wichtiges zu sagen. Das stößt ab. Mitunter. Der abgebröckelte Lack auf seinen gesplissten Fingernägeln wirkt in den NahAufnahmen der DVD : genau so.

Seine Texte sind pure Attitüden. Mehr nicht. Es sind keine Texte. Oft heiße Luft. Effekthaschend. Beliebig. Aleatorik, wie sein dilettantisches Spiel auf Instrumenten. Sagen wir Gitarre, oder Klavier. Zufällig gewählt, dem Klang mehr verpflichtet als der Bedeutung.

Das musikalisch bezaubernde »Nagorny Karabach« ist im Text nicht dem düsteren Thema verpflichtet, das auch nicht ironisch gebrochen wird. Der Text geht völlig an ihm, dem Thema vorbei. Das ist Geplänkel. Geschichtsklitterei. Dummes Zeux. Nicht mehr.

Trotzdem ist Bargeld gut. Trotzdem. Richtig gut.

alles wieder offen © by patrice verdoux. hamm 2007 ; nachdruck + bearbeitung honorarpflichtig

von links nach rechts: Jochen Arbeit, Blixa Bargeld, Rudolf Moser, N.U. Unruh, Alexander Hacke © »Foto: Einstürzende Neubauten electronic press kit«

Die Schwitters Passagen sind allerdings anmaßend. Das steht den NEUBAUTEN nicht zu.

„Ach, wie das Album ist?“, wollen Sie wissen.

„Ja!, das weiß ich doch nicht. – Hören Sie halt rein.“

Ich mag es überhaupt nicht! Es ist nett zu hören. Nett. Aber belanglos. Es ist langweilig. Ambitioniert. Sehr bemüht. Rührend : schlicht. Nach fast zwei Jahren Arbeit. Eigentlich. –

Doch das ist meine Sicht. Jetzt.

Aber.

Wir werden uns, wie immer : zusammenraufen. Die NEUBAUTEN & ich. Doch : „Let’s do it a Dada“?

Nein, das geht nun wirklich nicht.

alles wieder offen © by patrice verdoux. hamm 2007 ; nachdruck + bearbeitung honorarpflichtig