Elektronische Schriftenreihe Der Universitäts- Und Stadtbibliothek Köln
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Band 9 Der Streit um die Bücher der Juden ein Lesebuch Norbert Flörken Elektronische Schriftenreihe der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln Der Streit um die Bücher der Juden (1505-1521) ein Lesebuch von Norbert Flörken Elektronische Schriftenreihe der Universitäts- und Stadtbibliothek Band 9 Köln 2014 Titelbild: Drei Juden (links) und drei Christen im Gespräch; die Juden sind erkennbar an dem kreisrunden, gelben, sogenannten „Judenfleck” auf ihrer Oberbekleidung. Der christliche Wortführer ist Petrus Nigri, der 1474 in Regensburg eine öffentliche Disputation mit Juden führte. (aus Petrus Nigri: „Stern des Meschiah“); siehe auch Seite 20. © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln Universitätsstraße 33, 50931 Köln http://www.ub.uni-koeln.de ISBN: 978-3-931596-89-7 ISSN: 2191-849X Die Juden, die ebenso Christi Schafe sind, für die Christus ebenso gestorben ist. (Reuchlin: Defensio 1513) I n h a l t | 1 Inhalt 2 | I n h a l t I n h a l t | 3 … 4 | I n h a l t 6 | P o r t r a i t Portrait Homo quasi herba dies eius sicut flos agri sic florebit ps.102 Ein Mensch ist in seinem Le- ben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde. (Ps. 103) I[ohannes] P[fef- ferkorn] AN[no- rum] 46 Abbildung 1: Ein mögliches Portrait von Pfefferkorn … … wenn man die Abkürzungen „I.P.AN46“ so auflöst wie neben steht; demnach aus den Jahr 1515. Fundstelle: Herzog Anton Ulrich-Museum, mit fr. Genehm. http://kk.haum-bs.de/?id=h-hopfer-ab3-0053 V o r w o r t | 7 Vorwort ie vorliegende Sammlung zum Streit um die Bücher der Juden soll die historischen Texte oder Bilder nicht nur zugänglich, sondern auch D lesbar machen. Dank der modernen Reproduktions– und Kommuni- kationstechnik sind sie als Digitalisate weltweit abrufbar; sie sollen hier – im Idealfall umfassend – zusammengeführt werden. Die Textgestaltung folgte weitgehend den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft histori- scher Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (http://www.ahf–muenchen.de). Die Digitalisate sind erreichbar im Internet bei folgenden Einrichtungen: Bayerische Staatsbibliothek in München, Universitätsbibliothek der TU Darmstadt, Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, Universitätsbibliothek Heidel- berg, Universitätsbibliothek Halle, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, den Portalen archive.org, books.google.de und gutenberg.spie- gel.de. Die historischen Texte (dt., lat.) wurden in einer Serifen–Schrift gesetzt, die modernen Texte, die Übersetzungen, Einleitungen oder längere Erläute- rungen in dieser serifenlosen Schrift. Bei der Transkription wurde die Vorlage weitestgehend beibehalten, le- diglich »u« und »v« wurden wegen der besseren Lesbarkeit durchgängig geschieden1; ein Vokal mit einem aufgesetzten »e« – z.B. »ů« – wurde im- mer zu »ue«, »oe« oder »ae« aufgelöst. An mehreren Stellen in den latei- nischen Texten wurde der besseren Lesbarkeit wegen das »pre…« statt des klassischen »prae…« belassen, ebenso »oe« statt »e« (foemina) und »e« statt »oe« (obedientem), »ae« statt »e« (caetera). Gängige Abkürzungen im Lateinischen – z.B. „dns“ für „dominus“, „eps“ für „episcopus“ oder „xpi“ für „christi-“ - wurden stillschweigend aufgelöst. Ergänzungen des Verfas- sers sind in [], Streichungen in () gesetzt. 1 Ausnahme: der von (Kirn, 1989) übernommene Text. 8 | V o r w o r t Das Trennungszeichen / wurde nicht übernommen; die Zeichensetzung – vor allem die Kommata – wurde behutsam den heutigen Regeln ange- passt. Weil es – trotz Internet – nicht ganz ohne Bücher geht, sei hier gedankt den Mitarbeitern/innen der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, vor al- lem Frau Jordan-Schmidt, und der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, dem Verlag Frommann-Holzboog in Stuttgart, der Pfarrgemeinde der Leonhardskirche in Stuttgart. Im Text sind die Stellen aus dem Kirchenrecht im „Ratschlag“ in roter Schrift; die Namen von Büchern in kursiver Schrift, z.B. Genesis; die Zusammenfassungen zusätzlich in [kursiver] Schrift gesetzt. Herrn Professor Wolfgang Schmitz (USB Köln) danke ich für die Aufnahme des Manuskripts in die „Elektronische Schriftenreihe der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln“: http://www.ub.uni-koeln.de/bibliothek/pub/eschriftenreihe/index_ger.html Bonn, 01. August 2014 E i n l e i t u n g | 9 Einleitung in Jahrzehnt vor der Reformation bricht in Deutschland ein heftiger Streit los, der bald theologische, politische und theoretische Dimensi- E onen annimmt, die uns heutige in Erstaunen versetzen. Eigentlich – sollte man meinen – ist das Verhältnis der christlichen Mehrheit zur jüdischen Minderheit schon längst ausdiskutiert – wenn auch einseitig zum Schaden der Juden. Die Pogrome in Verbindung der Kreuzzüge im Jahre 1096, die Talmud-Verbrennungen in Paris 1242, die Pogrome in Verbindung mit der Pest 1348 ff, die Ausweisung der Juden aus Köln im Jahre 1423: All dies be- weist, dass die Christen nicht gewillt waren, die besondere Rolle der Juden in ihrer Mitte zu akzeptieren. Der religiös motivierte Antijudaismus stieß die Juden immer wieder zurück in die Isolation, in das Ghetto. Und der ökono- mische Aspekt – Verschuldung bei Juden – entlarvte immer wieder die Glau- bensdiskussion als billigen Vorwand. Um 1500 hatte man sich im status quo eingerichtet, „ein bis dato friedliches, wenngleich nicht spannungsfreies Haus“ (Wilhelm, 2011, S. 45), in das 1507/08 der „Joedenspiegel/Judenspiegel“2 des Johannes Pfefferkorn3 platzt, eines konvertierten, in Köln lebenden Juden. Was oder wer ihn dazu veran- lasst hat, ist nicht ersichtlich4 und kann nur vermutet werden; Pfefferkorns Dankbarkeit und Freude, dass er 1505 im Alter von ca. 36 Jahren durch die Taufe zum Glauben der Christen gefunden hat, lässt ahnen, dass er sein Christsein überdeutlich und übereifrig beweisen wollte, indem er seine ehe- maligen Glaubensbrüder in ein möglichst schlechtes – streckenweise sogar: kriminelles - Licht stellte. Freilich hatte er – zurückhaltend formuliert – ein- flussreiche Gönner: die Kölner Dominikaner, die ihn „nicht nur inhaltlich, son- dern auch finanziell unterstützten“ (Wilhelm, 2011, S. 45). Ob sie ihm auch buchstäblich die Feder führten, ist ungewiss, dazu aber unten mehr. In seinem „Judenspiegel“ fordert Pfefferkorn, die Juden zur Taufe zu zwingen beziehungsweise unnachsichtig mit den verstockten Juden umzugehen. Nun 2 Zunächst in kölnischer/ripuarischer Sprache 1507 in Köln bei van Landen, ein Jahr später in hochdeutsch bei van Werden: Druck in (Kirn, 1989, S. 205 ff). 3 Überblick über den Verlauf bei (Schild, 2013, S. 157 ff) und allgemein (Brod, 1965), der ihn einen „literatur- besoffenen Schreiber und Ehrgeizling“ (180), andererseits „schlampig“ (204) nennt. 4 (Brod, 1965, S. 183). 10 | E i n l e i t u n g hatte sich kurz vorher der Pforzheimer Humanist Johannes Reuchlin5 in seiner Denkschrift „Tütsch missive“ (Seite 28 ff) mit der - so dachte man damals - unauslöschlichen Schuld der Juden am Tod Jesu Christi befasst, „das die sünd, darumb sye zerstrewt, eine gemeine sünd deß gantzen geschlechts syn mueß, darin all Juden verharren, so lang sie juden sind.“ Und: „als lang sie in solchem wesen blieben, so bedoerfen sie keiner besserung hoffen, dann sie woellen blindt sin.“ Diese beiden Punkte – Schuld und Verstocktheit – sind nicht neu, sondern allgemeines Gedankengut; neue Belebung erfuhr der Ge- danke der Zwangstaufe durch das „Alhambra-Edikt“ von 1492, in dem die spanischen Könige die Vertreibung der Juden anordneten – es sei denn, sie liessen sich taufen. Genau genommen hat sich Pfefferkorn zunächst einmal gar nicht so weit von Reuchlin entfernt: auch er will den Juden deutlich machen, dass sie auf dem falschen Weg sind, und sie in die Gemeinschaft der „heiligen Kirche“ zurück- führen. Aus dieser theologischen Diskussion macht Pfefferkorn dann den unheilvol- len Schritt in die politische Aktion: Er will den Juden in Deutschland alle heb- räischen Bücher wegnehmen und vernichten (lassen); zusätzlich fordert er schikanöse Zwangsmassnahmen gegen die Juden wie Aborte und Strassen fegen und das Zinsverbot. Über die Kölner Dominikaner erreicht Pfefferkorn immerhin, dass Kaiser Ma- ximilian ihn ermächtigt, den Juden alle(!) Bücher wegzunehmen. Als Pfeffer- korn diese Aktion in Mainz und Frankfurt durchsetzen will, protestieren die Frankfurter Juden beim Kaiser. Der entscheidet nicht, sondern reicht das Problem an seinen Verwandten, den Mainzer Erzbischof und Erzkanzler des Reiches, Uriel von Gemmingen, zur Begutachtung weiter. Der wiederum – er ist keineswegs einverstanden mit Pfefferkorns eigenmächtigem Handeln - setzt eine Kommission ein, der u.a. auch der Humanist Johannes Reuchlin angehört – er hat sich ja durch seine Schrift „tütsch missive“ von 1505 und seine hebräische Grammatik von 1506 (Seite 35) als Experte empfohlen. Reuchlin befürwortet und begründet in seinem juristischen Gutachten („Rat- schlag“, Seite 195 ff) von 1511 eine tolerante Linie gegenüber den Juden und 5 gräzisiert: Kapnion oder Capnio. E i n l e i t u n g | 11 allen ihren Büchern, beschwört damit aber den heftigen Widerstand der an- deren Sachverständigen herauf: der Universitäten von Köln, Paris, Erfurt, Mainz, Löwen; der Kölner Inquisitor Jakob von Hoogstraeten OP leitet sogar einen Ketzerprozess gegen Reuchlin beim Papst ein. In diesen Jahren 1507 bis 1521 feuern beide Protagonisten – Reuchlin, vor allem aber Pfefferkorn – ganze Salven von Flug-, Streit- oder Hetzschriften aufeinander ab; Pfeffer- korn wird unterstützt - z.B. bei den Übersetzungen ins Lateinische - von dem Kölner Theologen Ortwin Gratius und eben jenem Hoogstraeten.