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CiERHART RODENWALDT Zum Hundertsten Winckelmannsfest Seite ~~

EMILKVNZE Zeus und Ganymedes, eine T errakottagruppe

aus Olympia Seite 2 5

VERZEICHNIS der bisherigen Winckelmannsprogrammc und Festschriften Seite 51

JAHRESBERI CHT

für 1 940 Seite 57

VERZEICHNIS der Mitglieder Seite 59 ZVM

HVNDERTSTEN WINCKELMANNSFEST

VON

QERHART RODENWALDT n der ununterbrochenen Kette von hundert Winckelmannsfesten spiegelt sich ein I gut Teil der Geschichte der archäologischen Forschung, des Berliner Geisteslebens und nicht zuletzt des Verhältnisses des deutschen Wesens zur griechischen und römi• schen Antike. Wenn einmal eine Geschichte unserer Wissenschaft geschrieben wird, darf die Berliner Archäologische Gesellschaft auf die gebührende Beachtung ihrer Leistung rechnen 1). Sie selbst hat nie viel Aufhebens von sich gemacht. Wie sie nie­ mals rauschende Feste gefeiert oder laute Demonstrationen veranstaltet, sondern in beschränktem Kreise still und unablässig gearbeitet hat, so hat sie zwar stets pietät• voll ihrer Mitarbeiter gedacht, aber nie ihrer eigenen Geschichte viele Gedanken ge­ widmet. Auch am hundertsten Winckelmannsfeste vergönnt sie sich nur einen kurzen Rückblick auf ihr Werden und Wirken, um mit gesammelter Kraft an den großen Aufgaben mitzuarbeiten, die Gegenwart und Zukunft der Wissenschaft stellen, die die lebendigsten Werte der europäischen Vergangenheit erforschen und dem deutschen Volke deuten will. Die deutsche Archäologie wird sich an jedem Winckelmannsfeste aufs neue des ver­ pflichtenden Glückes bewußt, daß ihr Begründer seine Wissenschaft zugleich in einen unlösbaren Zusammenhang mit dem Wesen des deutschen Geistes brachte. Die Lei­ stung Johann Joachim Winckelmanns gehört dem ganzen deutschen Volke. Sie ist einzig geblieben. Aber den Fachgelehrten, die nach ihm gekommen sind, mochte ihr Blick sich auf das Nächste beschränken oder in die Weite gehen, ist die Verehrung des f)pws KTlCYTflS stets ein O_uell der Kraft gewesen und wird es in Zukunft bleiben. Sie haben die Forderung treu erfüllt, die Goethe in seinem »Winckelmann<< stellte, ))das Andenken solcher Männer, deren Geist uns unerschöpfliche Stiftungen bereitet, auch von Zeit zu Zeit wieder zu feiern und ihnen ein wohlgemeintes Opfer darzu­ bringen<<. Das Verdienst, als erster die Mahnung Goethes beherzigt zu haben, gebührt dem Kreise der Altmärker zu Berlin, der bei einem Festmahle am Geburtstage Friedrichs des Großen im Jahre 182 5 das Andenken ihres großen Landsmannes feierte und sich 2 seit dem Jahre 1828 regelmäßig an Winckelmanns Geburtstag versammelte ). In Rom hatte das Archäologische Institut seit dem Jahre 1829 den Jahrestag Winckelmanns begangen ))mit der Verpflichtung über den Fortschritt archäologischer Entdeckungen und Leistungen sich und dem Publikum Rechenschaft zu ertheilen<<. Nachdem im Jahre 1840 nach dem römischen Vorbilde in Kiel ein Winckelmannsfest gefeiert worden war, wurde am g. Dezember 1841 in Berlin eine literarische Feier, die mit einem Festprogramm und wissenschaftlichen Vorträgen das ))wohlgemeinte Opfen darbrachte, mit dem traditionellen Festmahl verbunden3 ). Damit war die Form ge­ funden, die seit diesem Tage beibehalten worden ist, wenn auch das Festmahl in ernsten Zeiten sich in ein schlichtes Zusammensein verwandelte. Der Ertrag des ersten Winckelmannsprogramms war für das in Stendal zu errichtende Denkmal Winckelmanns bestimmt. Die gemeinsame Fürsorge für die Ausführung des von Lud­ wig Wichmann modellierten Monumentes hat noch lange Jahre die Gesellschaft mit dem Kreise der Altmärker verbunden4).

7 Eduard Gerhards >)Festgedanken an Winckelmann«, denen die Bekanntgabe eini­ ger kunstgeschichtlicher Vasenbilder, an ihrer Spitze der schönen Anesidoraschale, folgte, waren ein würdiger Auftakt für die Reihe der Winckelmannsprogramme, in denen wir mit Stolz manche bedeutende Leistung verzeichnen. Einige Sätze verdienen es, in dem hundertsten Programm wiederholt zu werden: >)Aus seinen Händen ging die Archäologie der Kunst, der Hauptsache nach, als fertige Schöpfung hervor, und die ihm nacheifern auf dieser Bahn, verehren ihn billig als Meister, als ihrer Wissenschaft Gründer. Winckelmanns Wirksamkeit aber hat sich weiter erstreckt ..... Die deutsche Spra­ che hat er mit Mustern bereichert, die uns noch heute bewundernswert sind - , die deutsche Literatur vom Zeitalter Lessings zum Zeitalter Goethes hinübergeleitet - , das Hochgefühl deutscher Kraft und Volkstümlichkeit mit dem Musterbild seines eigenen Lebens ausgestattet . . . . . als Musterbild einer unaufhaltsam strebenden deutschen Natur ist Winckelmann vielleicht nicht minder erfolgreich gewesen, als durch die Leistungen seiner Forschung.<< Ein eigentümlicher Widerspruch liegt darin, daß der Mann, der so begeistert den Ruhm Winckelmanns kündete, als Gelehrter nicht in seiner Nachfolge stand, ja kaum von seinem Geiste berührt war und doch der treueste und erfolgreichste Diener an seinem Werk wurde. Seine Forschertätigkeit ist vergessen und hat schon den Zeit­ genossen wenig gegolten. Aber er hat der archäologischen Wissenschaft die Organi­ sation gegeben, die bis heute das Fundament ihrer Leistung gewesen ist. Er war der geborene und passionierte Organisator. Er besaß jene Tüchtigkeit, die Goethe an Zelter so hoch schätzte. Was er angriff, mochte es die Gestaltung des Archäologischen Instituts oder der Archäologischen Gesellschaft sein, die Begründung des Archäologi• schen Lehrapparates der Universität Berlin, die Form von Zeitschriften und Denk­ mälerpublikationen, überall fand er die praktische Lösung, die bis heute geltend ge­ blieben ist. Er verstand es, Menschen aller Art für seine Kreise zu gewinnen. Ein feines Gefühl ließ ihn die werbende Kraft von symbolischen Feiern wie dem Grün• dungstage Roms und dem Geburtstage Winckelmanns erkennen. In fleißigem und un­ ablässigem Bemühen verstand er, aufzubauen und das Aufgebaute durch schwere Zeiten hindurchzuretten. Letztlich wurde sein Lebenswerk getragen von einer Red­ lichkeit des Charakters, die ihm die einhellige Verehrung von Mitforschern und Schü• lern eintrug, auch wenn sie wissenschaftlich andere Wege einschlugen5). Es ist für die archäologische Wissenschaft schicksalhaft geworden, daß Eduard Ger­ hard, der erste Doctor rite promotus der Berliner Universität, im Jahre 1832 aus Rom nach Berlin zurückkehrte. Von diesem Zeitpunkt an ist Berlin die Stätte der organisa­ torischen Leistung der Archäologie gewesen und hat die Entwicklung der Wissenschaft bestimmt, soweit Organisation sie zu beeinflussen und ihr zu dienen vermag. Nord­ deutscher Geist in berlinischer Prägung hat bis heute die praktische Tätigkeit des Archäologischen Instituts und die Arbeit der Archäologischen Gesellschaft beherrscht. Das Berlin, in das Gerhard zurückkehrte, erlebte in den Jahrzehnten nach den Frei­ heitskriegen eine hohe geistige und künstlerische Blüte. Damals entstanden zahlreiche

8 wissenschaftliche Gesellschaften und freie Vereinigungen, in denen bis heute alte Ber­ liner Art fortlebt. Zu ihren Vorzügen gehören Pflichtgefühl, Arbeitsfreude, Fleiß, Zähigkeit des Willens, Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen, eine unbegrenzte Lernbegier, gesunde Kritik und nicht zuletzt die versöhnliche Gabe der Selbstironie, die vor Selbstgerechtigkeit und Zufriedenheit mit sich selbst bewahrt. Diese Eigen­ schaften waren und sind es, die den Berliner Geist zu praktischer Initiative befähigen. Anderen deutschen Städten und Gauen war es vorbehalten, Persönlichkeiten und Leistungen hervorzubringen, die Sphären eroberten, die dem Geiste ver­ schlossen blieben. Eduard Gerhard versuchte alsbald nach seiner Rückkehr, sich in Berlin einen Kreis zu schaffen, in dem er eine Stütze für das Wachsen des noch jungen und zarten Bau­ mes des Archäologischen Instituts fand. Schon im Jahre 1833 lud er durch ein Pa­ lilienprogramm >>Dionysos und Semele« >>Kunst- und Altertumsfreunde, welche Rom lieben<<, zur Feier des Gründungstages der Stadt Rom ein, der zugleich der Grün• dungstag des Archäologischen Instituts war. Nach Berliner Sitte vereinigte ein ge­ meinsames Mahl nach den wissenschaftlichen Mitteilungen den Kreis der Teilnehmer, der sich aus Gelehrten, Verwaltungsbeamten und Künstlern zusammensetzte, unter denen wir die führenden Meister des Berliner Klassizismus, Schinkel, Schadow und Rauch findenll). Ein zweites Palilienfest fand im Jahre 1835 statt, zu demGerhard das Programm >>Jason, des Drachen Beute<<, schrieb. Aber erst das Winckelmannsfest vom .Jahre 1841 wurde der Beginn einer ununterbrochenen Tradition. Im folgenden Jahre erhob sich bei der Feier der Wunsch, sich allmonatlich zu Vorträgen und geselligem Zusammensein zu vereinigen. Damit war eine Gesellschaft begründet, für die im Fe­ bruar 184.3 ein Statut festgesetzt wurde, dessen zwei erste Paragraphen lauten: 1. Die archäologische Gesellschaft ist zur Verbreitung archäologischer Kenntnisse nach dem Vorbilde des römischen archäologischen Instituts hiesigen Ortes entstanden und unter Mitwirkung desselben fortgeführt worden. 2. Sie besteht hauptsächlich aus Altertumsforschern und Künstlern, unter welchen die hier anwesenden Mitglieder des gedachten römischen Instituts die Interessen der Gesellschaft besonders zu fördern verheißen. Eine Gesamtzahl von fünfzig Mitgliedern sollte nicht überschritten werden. Die Tatsache, daß die Gesellschaft ergänzend neben das schon bestehende Archäolo• gische Institut trat, hat von vornherein ihre Aufgabe begrenzt und ihrer Entwicklung Schranken gesetzt. Alle praktischen Pflichten der Organisation, die Begründung und Erhaltung von Zweiganstalten, die Herausgabe von Denkmälerpublikationen, später die Veranstaltung von Ausgrabungen und Expeditionen, blieben dem Institut vorbe­ halten. Daher hat sie nicht eine Ausgestaltung erfahren können, wie die um wenige Jahre ältere Schwester, die Griechische Archäologische Gesellschaft zu Athen, die die Aufgaben übernahm, die hier dem Institute oblagen, oder die fast vierzigJahrejüngere >>Society for the Promotion of Hellenie Studies<<. Ein einziges Mal ist von Mitgliedern der Gesellschaft auf Anregung Mommsens eine Ausgrabung unterstützt worden, die Untersuchung im Heiligtum der Arvalen bei Rom im Jahre 1867. Ein Geschenk gab

Winckchnannsprogr:unm 1 9 40 9 Gerhard seiner jungen Schöpfung auf den Weg mit, die Archäologische Zeitung, die bis zum Jahre 1876 als Organ der Gesellschaft herausgegeben wurde. Er erkannte die Notwendigkeit, neben den Annali und dem Bullettino des römischen Instituts eine deutsche Zeitschrift herauszugeben, und arbeitete unablässig an ihrer Verbesserung. Auch hier hat Gerhard Grundlagen gelegt, die sich bis heute bewährt haben. Er schuf ein unentbehrliches Hilfsmittel in regelmäßig erscheinenden Bibliographien. Neben den Hauptteil der Abhandlungen traten in kleinerem Druck die Berichte in der Form von Beilagen und seit dem Jahre I 849 in der Gestalt des )>Archäologischen Anzeigers<<. Nachdem das Preußische Archäologische Institut zu der ersten kulturellen Institution des Deutschen Reiches umgestaltet war, übernahm es im Jahre r877 die Heraus­ gabe der Archäologischen Zeitung. Als sie bei der Neuorganisation der gesamten Institutsschriften im Jahre r886 durch das )>Jahrbuch« ersetzt wurde, glaubte man zu­ nächst, den Anzeiger entbehren zu können, kehrte aber bald zu der bewährten Form zurück. Gerhards redaktionelles Geschick bestimmt noch heute die Gliederung in das Jahrbuch, den Archäologischen Anzeiger und die Bibliographie. Auch nach der for­ mellen Lösung von der Gesellschaft blieb der Archäologische Anzeiger bis heute die Stelle der Veröffentlichung ihrer Sitzungsberichte. Die eigene literarische Produktion der Gesellschaft beschränkt sich seitdem auf die Winckelmannsprogramme, zu denen zwei Male, bei den Jahrhundertfeiern des Archäologischen Instituts und der Berliner Museen, eine Festschrift hinzugetreten ist 7). Blieb der Gesellschaft mit Rücksicht auf das Archäologische Institut eine organisa­ torische Entfaltung versagt, so legte ihr die großartige Aufwärtsentwicklung des In­ stituts zum Reichsinstitut eine weitere Beschränkung auf. So dankbar die Gesellschaft schon in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens die Mitwirkung von Korrespondenten und Besuche auswärtiger Fachgenossen begrüßte, und so erfolgreich sie in den letzten Jahrzehnten um die Mitarbeit von Gelehrten aus ganz Deutschland und dem Auslande warb, so hat sie doch niemals daran gedacht, sich zu einer Deutschen Archäologischen Gesellschaft auszugestalten, sondern ist eine berlinische Vereinigung geblieben. Vor­ züge und Nachteile sind darin beschlossen. Eine sehr feste Tradition ist schon dadurch begründet worden, daß die Gesellschaft über ein halbes Jahrhundert hindurch nur zwei Vorsitzende hatte, Eduard Gerhard und Ernst Curtius, der der Gesellschaft seit ihrer Begründung angehört hatte 8). Berlinische Art ist es wohl, daß in den Arbeiten der Gesellschaft die Tatsachenforschung stets das Übergewicht gehabt hat, ·während philosophische und ästhetische Untersuchungen zurücktraten und der Sinn für alles Irrationale, Mystische oder Überschwängliche fehlte. Dieser Disposition kam die Fülle neuer Tatsachen entgegen, die seit dem Einsetzen der großen Ausgrabungen an das Licht des Tages traten und von der \Vissenschaft zu verarbeiten waren. Na­ turgemäß fehlten in den Arbeiten der Gesellschaft die Leistungen mancher großen Persönlichkeiten und Schulen, die ihre Stätte außerhalb von Berlin hatten. Friedrich Gottlieb Welcker und Otto ]ahn waren verehrungsvoll begrüßte, aber seltene Gäste. Ganz ferne blieben der Gesellschaft Heinrich Brunn und seine engere Schule; erst als Walther Amelung während des Weltkrieges in Berlin weilte, kam auch diese Richtung

10 in der Gesellschaft zum Worte. Adolf Furtwänglers nahes Verhältnis zur Gesellschaft endete, als' er nach München übersiedelte, und selten fanden seine Schüler den Weg nach Berlin. Dagegen wurde zu Leipzig ein nachbarliches Verhältnis durch Franz Studniczka begründet. Trotz schwerer Lücken ist doch ein sehr wesentlicher Teil eines Jahrhunderts archäologischer Forschung in den Sitzungen der Gesellschaft ver­ treten. Zog die rasche Entwicklung doch ständig Persönlichkeiten aus allen Teilen Deutschlands nach Berlin, die sich in geringerem oder höherem Maße dem Geiste der Stadt anpaßten, ihn zugleich erweiternd und bereichernd. Die Berliner Archäologische Gesellschaft war und ist die einzige Stelle in Deutsch­ land, in der sich eine größere Zahl von Fachgelehrten, die am Institut, an den Museen und an der Universität tätig sind, mit einem weiteren Kreise von Vertretern der Alter­ tumswissenschaft, von Forschern aus den übrigen Geisteswissenschaften, von Archi­ tekten, bildenden Künstlern und Freunden der Antike regelmäßig zu Vorträgen und Gesprächen vereinigt. Sie gab und gibt dem Forscher die Gelegenheit, von werdenden und noch nicht veröffentlichten Arbeiten zu berichten. Die Veranlassung zu einer Formulierung und Darstellung, die Kritik in der Diskussion und die Unterhaltungen, die an die Sitzungen anschließen, fördern die Arbeit selbst; so wird die Sitzung zu einem Akt der Forschung. Auch was nicht den Abschluß der Publikation erreicht, ver­ mag im Kreise der Gesellschaft nachzuwirken. Würde man die Sitzungsberichte der Gesellschaft vereinigen, so würden sie ein eindrucksvolles Bild des lebendigen Anteils ergeben, den die Sitzungen an der Entwicklung der archäologischen Wissenschaft haben. Aus der Fülle des Stoffes sei hier nur Weniges hervorgehoben. Das Statut der Gesellschaft sah eine gleichberechtigte Gemeinschaft von Altertum s~ forschern und Künstlern vor. Darin spricht sich die Entstehung aus dem Geiste des Berliner Klassizismus aus. Aber das Jahr des ersten Winckelmannsfestes ist zugleich das Todesjahr Schinkels. Wenn auch seine Schüler der Gesellschaft Gefolgschaft leisteten, wenn auch die Berliner Bildhauer unter Führung von Rauch, der noch als Achtzig­ jähriger beim Winckelmannsfest des Jahres 1856 ein aus Canovas Händen empfange­ nes Kunstwerk vorlegte, ihr noch aufJahrzehntetreu verbunden blieben, so war doch die Blüte des Klassizismus vorüber und die Beschäftigung mit der Antike schon in eine Abwehrstellung gedrängt. •>Wenn man in den verflossenen Jahren von Vereinen für Altertbumskunde in Deutschland sprach, so pflegten gesellige Bemühungen um mittel­ alterliche und nordische Alterthümer darunter verstanden zu sein«, so beginnt Ger­ hard seinen Bericht über die Gründung der Gesellschaft und sieht die Bestimmung der Winckelmannsfeste darin, •>der in Deutschland im Ganzen hintangesetzten und durch die Interessen der Gegenwart stets von neuem zurückgedrängten Liebe zu Kunst und Alterthum einen Weg regelmäßiger Aussprache zu sichern<<. Die Krisis ver­ stärkte sich in den folgenden .Jahren. In einem Aufrufe, der auf dem Umschlag des 9 achten Winckelmannsprogramms vom Jahre 1848 abgedruckt ist ) , scheint Gerhard fast zu verzagen: '>Die zwanzigjährige Thätigkeit des römischen Instituts ist gebrochen<<. Er fürchtet den Untergang der Archäologischen Zeitung. In den Worten, die er an dem Abend des Festes sprach, setzt er seine Hoffnung auf den König von Preußen,

,. I I der schon als Kronprinz die Verwirklichung des Archäologischen Instituts ermöglicht hatte. Seine Hoffnung war nicht vergeblich. Gerhards zähem Willen und unausgesetztem Bemühen gelang es nicht nur, die von ihm begründeten Institutionen zu erhalten, sondern die Stellung des Instituts zu festigen und auszubauen. Der Wissenschaft, wie er und sein getreuer hyperboreischer Freund Theodor Panofka sie betrieben, wäre eine innere Lebenskraft nicht beschieden gewesen; ihre führenden Meister waren Welcker undjahn, die nur aus der Ferne mitwirken konnten. Für die geistige Haltung der Gesellschaft war es entscheidend, daß neben der erstarrenden römisch-hyperbo• reischen Tradition aus der Anschauung Griechenlands ein neues Leben erwuchs. Sein Träger war Ernst Curtius, dessen mitteilsame Natur in jugendfrischer Begeisterung von den Arbeiten berichtete, die seinem auch heute noch lebendigsten Werke, dem >> Pe­ loponnesosl< galten. Nach einem überkritischen Zeitalter lassen wir uns heute gern wieder von dem Zauber seiner formenschönen, von echtem Pathos erfüllten Bered­ samkeit berücken, die er in seinen berühmten Vorträgen über >>Naxos<• und >>Ülympia« entfaltete. Aus Griechenland kamen Mitteilungen von Ludwig Roß und Alexander Rizo-Rangabe. Im Jahre 1855 konnten die ersten Photographien aus Griechenland vorgeführt werden. Frische, neue Anschauung kam aus anderen Bezirken der Archäo• logie, deren Umfc·mg so weit wie möglich gcfaßt \vurde und die ganze Kunst des Orients einschloß. Der mit dem Archäologischen Institut durch seine Tätigkeit in Paris und Rom nah verbundene Reinhold Lepsius konnte von den Ergebnissen der ägyptischen Expedition berichten. Noch fast unbekannte Regionen wurden erschlos­ sen, wenn der kühne Forschungsreisende Heinrich Barth von Römischem aus dem Inneren Afrikas, von Kilikien und Tarsos und von den Ruinen von Bogazköy ( r858) Kenntnis gab. Schließlich stieg schon am Horizonte das Gestirn Theodor Momm­ sens10) empor, der aus Unteritalien lv1itteilungen sandte; zum ersten Male nahm er im Jahre 1858 das Wort in der Gesellschaft, um einer ihrer unermüdlichsten Mitarbeiter zu werden. Für die Berliner Archäologie war es ein besonderes Glück, daß die größten der Berliner Philologen und Althistoriker, in späteren Zeiten Diels, Wila­ mowitz und Eduard 1\.feyer, stets Zeit und Kraft zu aktiver Teilnahme an den Arbeiten der Gesellschaft fanden. Für die Betrachtung und Deutung der antiken Kunst im Geiste \1\rinckelmanns ' ;­ gann in Berlin eine neue Epoche, deren Tradition nicht mehr abbrechen sollte, mit der Übersiedlung von Carl Friederichs nach Berlin 11). Im Jahre I 859 machte er der Gesellschaft seine erste Mitteilung über die Entdeckung der Gruppe der Tyrannen­ mörder. Um etwa ein J ahrzehnt jünger als Brunn, ist er selbständig ähnliche Wege gegangen und hätte wohl die gleiche Stellung wie j ener in d er Geschichte der Archäo• logie und Kunstgeschichte erlangt, wenn ihn nicht ein früher Tod großen Plänen entrissen hätte. Seine ernste undliebenswürdige Natur wird uns in seinen Reisebrie­ fen11), die Weite seiner Interessen durch den Nachruf, den ihm Karl Sehnaase wid­ mete12), lebendig. Mit seinen Winckelmannsprogrammen, zu denen vvir mit Stolz das dreiundzwanzigste mit der Entdeckung von Polyklets Doryphoros zählen,

12 beginnen jene literarischen Zeugnisse der Gesellschaft, die noch heute verdienen, ge­ lesen zu werden. Die Wirkung seines mündlichen Vortrages war noch tiefer, ihr Ideen­ kreis umfassender als in seinen gedruckten Werken. Hat er doch auch die deutsche Kunst in Vorlesungen behandelt. Ein Jahrzehnt hindurch hat er in den meisten Sitzungen das Wort ergriffen. Viele seiner Vorträge gingen aus der Vorbereitung seiner >>Bausteine zur Geschichte der griechisch-römischen Plastik>weil aus dem gemeinsamen Betrachten und Be­ urtheilen antiker Kunstwerke durch Archäologen und praktische Künstler, besonders Bildhauer, eine reiche Ausbeute für die Wissenschaft zu erwarten sei

13 Spekulationen Carl Böttichers14) die Rekonstruktion einzelner bedeutender Bauten zum Gegenstande hatten. So sprach er über das Pantheon, das Theseion, das Tro­ paeum von Leuktra und veröffentlichte in dem vierunddreißigsten Winckelmanns­ programm seine Aufnahme und Rekonstruktion der Stoa des Attalos in Athen, die er gelegentlich der Vorexpedition zur Ausgrabung von Olympia untersucht hatte. Mit diesen Arbeiten bereitete er die große Entwicklung vor, die die Periode der Ausgra­ bungen für die Erforschung der antiken Architektur brachte. Als erster Schriftführer trat er in den siebziger Jahren Curtius zur Seite. Nach dem Tode von Eduard Ger­ hard 15) schien es im Jahre I 867 zunächst, als ob es gelingen wolle, Otto Jahn für Berlin zu gewinnen. Er selbst machte sich trotzder Resignation, die ihn erfüllte 16), mit dem Gedanken vertraut und führte zum Zeichen dessen den von Gerhard begonnenen Jahrgang der Archäologischen Zeitung zu Ende. Aber alsbald scheiterte die an ihn herantretende Versuchung an dem hoffnungslosen Zustand seines Leidens. Curtius kehrte aus Göttingen nach Berlin zurück und übernahm Gerhards Professur und den Vorsitz der Gesellschaft. Für die Geschichte der deutschen Archäologie war diese Berufung eine der glücklichsten Fügungen. Curtius hat nicht nur die Ausgrabungen von Olympia, sondern auch die Umwandlung des Instituts in ein Reichsinstitut und die Schöpfung der athenischen Abteilung verwirklicht. Nur durch jahrelanges zähes Bemühen in Berlin war diese Entwicklung möglich. Durch eine Reihe von Mitgliedern, insbesondere aber durch Bötticher und Adler, bestanden freundschaftliche Beziehungen zwischen der Gesellschaft und dem älteren, 17 im Jahre I 824 begründeten Architektenverein ) . An den Schinkelfesten, die seit r 846 in der Art des Winckelmannsfestes mit einem Vortrage gefeiert wurden, haben-wieder­ holt Bötticher und Adler, aber auch einmal Curtius ( r853) und fast ein halbes Jahr­ hundert später Richard Schöne ( r88r) gesprochen. Nachdem der Verein das Archi­ tektenhaus erworben hatte, fanden seit dem Jahre 1877 in einem seiner Säle die Sitzungen der Archäologischen Gesellschaft statt, die zuerst im Englischen Hause, dann in verschiedenen Stätten Unter den Linden zusammengekommen war. Als im Welt­ kriege das Gebäude anderen Zwecken dienstbar gemacht wurde, mußte die Gesell­ schaft zunächst im Künstlerhause, später in der Universitäteine Zuflucht suchen, bis sie 1929 als Gast des Archäologischen Instituts, wenn auch nur für wenige Jahre, noch einmal in das Architektenhaus zurückkehren konnte. Dann ist die Gesellschaft dem Institut in seine neuen Unterkunftsstätten gefolgt. Mit dem Jahre 1875 beginnt für die Gesellschaft eine neue Epoche. Die Zahl der Künstler und Kunstfreunde ist jetzt gegenüber den engeren und weiteren Fachgenos­ sen gering geworden. Aber es ist die Zeit der Blüte der Spezialforschung. Niemals ist die Arbeit der Gesellschaft dank der überwältigenden Fülle des neu heranströmenden Materials und des Zusammentreffens großer Forscherpersönlichkeiten von einem so hohem Schwunge und einer so tiefen Eindringlichkeit erfüllt gewesen. Ein wesent­ licher Teil der Verarbeitung der Ergebnisse der Ausgrabungen von Olympia und Per­ gamon erfolgte in Berlin, und in den Sitzungen wurde darüber berichtet. Georg Treu pflegte den Fortgang der Arbeit an den Skulpturen des Zeustempels von Olympia, die er in Dresden ausführte, den Berliner Fachgenossen vorzulegen. Die Vision eines heroischen Zeitalters unserer Wissenschaft steigt vor unseren Augen auf, wenn wir lesen, daß in der Januarsitzung des Jahres 1888 Treu über den Westgiebel von Olym­ pia spricht und sich an der Diskussion Curtius, Furtwängler, Guido Hauck, Robert und Studniczka beteiligen. 1876 war Carl Robert nach Berlin gekommen, um alsbald in der Kraft der .Jugend eine glänzende Lehrtätigkeit zu entfalten und in der >>Anomia<< 1 8 einen Kreis von begabten Schülern um sich zu scharen ) . Für das Jahr 1879 schrieb er als Winckelmannsprogramm den >>Thanatos<<. Seine zahlreichen Vorlagen und Be­ richte sind aus den Vorarbeiten für >>Bild und Lied<< und >>Archäologische Märchen << und für die erst in den Hallischen Winckelmannsprogrammen veröffentlichten Stu­ dien über Polygnot und das Corpus der Sarkophage hervorgegangen. Aus Wien kehrte im Jahre 1877 Conze19) zurück; er pflegte Proben aus dem Material der attischen Grabreliefs vorzulegen und berichtete gerne über die Fortschritte der Archäologie in Österreich. Seit dem Jahre I 88o beginnt die Mitarbeit Furtwänglcrs, der als Schü• ler Brunns angefangen, aber alsbald den selbständigen Weg eingeschlagen hatte, den ihm die Eigenart seines Geistes und Temperamentes wies. Es ist faszinierend, in den Sitzungsberichten das Wirken seiner genialen, jugendlichen Schöpferkraft zu ver­ folgen. Er schenkte der Gesellschaft zwei Programme, I 88o >>Der Satyr aus <<, I883 >>Der Goldfund von Vettersfelde<<, und verband sich zu dem fünfzigsten Winckel­ mannsprogramm mit Robert und Franz Winter. In die elfJahre seines Berliner Wir­ kens fällt die fast unbegreifliche Fülle seiner Arbeit an den Bronzen von Olympia, an den Katalogen der Gemmen und Vasen, an der mykenischen Keramik und an den Vorstudien für die »Meisterwerke<< und die späteren Vasenpublikationen. Wenn wir sehen, daß zu diesen Persönlichkeiten in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die :Mitarbeit von Männern wie Hermann Diels, Adolf Erman, Otto Puchstein, dessen Winckelmannsprogramm über das ionische Capitell 1887 erschien, Carl Schuchhardt, Franz Studniczka, Ulrich Wilcken hinzutritt, so wird uns der Reichtum dieser Epoche überwältigend klar. Zwei große Vorzüge jener Zeit und auch noch der folgenden Jahrzehnte waren es, daß Institut, Museen und Universität nicht durch verschiedene >> Laufbahnen<< getrennt, sondern durch einen ständigen, fruchtbaren Personalaus­ tausch verbunden waren, und d aß Staat und Stadt den wissenschaftlich forschenden Gymnasiallehrern gerne und großzügig die Muße und Mittel zur Durchführung ihrer Arbeiten gewährten. Von ihnen hat viele Jahrzehnte hindurch AdolfTrendclenburg, in dem die Gesellschaft am hundertsten Winckelmannsfest ihr ältestes Mitglied - er gehört ihr seit sechsundsechzig Jahren an - und Ehrenmitglied des Vorstandes ver­ ehrt, die aktivste wissenschaftliche und praktische Mitarbeit geleistet. Einiger eindrucksvoller Gastvorträge aus dem Beginn der achtziger Jahre ist noch zu gedenken. Als im Mai I88o über die pergamenischen Ausgrabungen berichtete, wurde ihm die ungewöhnliche und daher in dem gedruckten Bericht be­ sonders hervorgehobene Ehre zuteil, daß die Gesellschaft ihn bei seinem Eintritt durch Erheben von d en Sitzen begrüßte20) . Im Juli 1881 sprach Heinrich Schliemann über Orchomenos21). Ihm folgte als Redner Wilhelm Dörpfeld mit einem Vortrag über das Schatzhaus der Geloer. Teilnehmer jener Sitzung konnten noch von dem tiefen Eindruck berichten, den die kristallklare Darstellung des jugendlichen Meisters machte. Die gesunde und naive Erdennähe seiner Betrachtung mußte doppelt wirken auf einen Kreis, in dem lange die Theorie Böttichers geherrscht hatte. Eine besondere Ehrung des Andenkens Winckelmanns fand am Winckelmannsfeste des Jahres r882 statt, als Bernhard Suphan im Anschluß an die im Vorjahre erfolgte Entdeckung des Originalmanuskriptes von Herdcrs ))Denkmal Johann Winckelmanns<( über Winckelmanns Bedeutung für die deutsche Bildung und Literatur sprach. Schließlich war Curtius als Vorsitzender der Gesellschaft unermüdlich in Vorlagen und Berichten, die hauptsächlich Olympia galten, und seine von hohem Idealismus 22 getragene Beredsamkeit verlieh den Festen ihre Weihe ). Das fünfzigste Winckel­ mannsfcst, an dem Curtius über die Entstehung der Gesellschaft, Conze über den betenden Knaben, Mommsen über den Limes und Furtwängler über Werke des Kresilas sprach, bedeutete Krönung und Ende dieser Epoche. Zu Beginn der neunziger Jahre wandelte sich das Bild. Mit dem Fortgang Roberts nach Halle und Furtwänglers nach München verlor die Gesellschaft ihre stärksten Temperamente. In der Zeit bis zum Weltkriege spürt man in der wissenschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft das Fehlen der Schule Brunns, Furtwänglers und seiner Schüler. Dazu kam, daß Neuentdeckungen nicht so gewaltig und stürmisch einander folgten wie in der vorangehenden Epoche. So bedeutend die Erfolge der Ausgrabun­ gen waren, die in Magnesia, Priene, Milet, Didyma und Samos, in Pergamon, im Kerameikos, in Thera, in Tiryns, in Korfu und anderwärts stattfanden, sie hatten nicht die erregende und revolutionierende Wirkung wie die Entdeckung der Schacht­ gräber von Mykene, die Auffindung des großen Altars von Pergamon, der Bauten und Bildwerke von Olympia und der archaischen Skulpturen von der Akropolis. Die durch die Zurichtung ihres Materials stärker gebundene Archäologie entbehrte auch des Kampfes der methodischen Problematik, wie sie die Kunstgeschichte in den Werken Riegls, Wiekhaffs und Wölfflins erlebte. So wird das Tempo in den Arbeiten der Gesellschaft langsamer, die Stimmung leiser. Es ist eine Zeit der ruhigen Verarbei­ tung und eindringlichen Vertiefung. Den Vorsitz übernahm nach dem Tode von Ernst Curtius im Jahre 1897 Richard Schöne. Ihm folgte 1902 für nur drei Jahre Alexander Conze. Von I905- I9I I hat Kekule von Stradonitz, der den Geist dieser Periode seit dem Fortgang Furtwänglers wesentlich bestimmt hat, in seinem vorneh­ men Altersstil die Verhandlungen geleitet. Es wäre falsch, diese Jahrzehnte als eine Zeit des Erlahmens oder des Niederganges anzusehen. Es spiegelt sich auch jetzt die organisatorische Leistung, die von Berlin ausging, in den Berichten über die Aus­ grabungen und Expeditionen. Die Berliner Museen unternahmen die stolze Reihe ihrer Städteausgrabungen in Kleinasien; im Jahre I 899 berichtete Theodor Wiegand zum ersten Male über Priene, und 19I I begann er mit einer Mitteilung über Didyma und Samos die Reihe eindrucksvoller Vorträge über die Ergebnisse seiner eigenen Arbeit und detjenigen seiner Mitarbeiter. Am Winckelmannsfest I897 hielt Conze den Vortrag ,>Pro Pergamo<(, mit dem er die neue, von ihm verwirklichte Periode der Aus-

16 grabung von Pergarnon eröffnete. Mit den Berichten über die Untersuchungen in Haltern brachte Conze der Gesellschaft auch die Römerforschung auf deutschem Boden nahe. Seit den letzten Jahren dieser Periode wurde Schuchhardt der durch die Weite seiner Forschung berufene Vertreter der Verbindung mit der deutschen Vor­ geschichte. Die Interessen gingen auch in dieser Zeit über den Bezirk der Antike hin­ aus; Felix von Luschan berichtete über die Grabungen in Sendjirli, Puchstein, der im Jahre 1905 nach Berlin zurückkehrte, über Boghazköy. Auch die Kunst Ägyptens und Vorderasiens wurde betrachtet. Wilamowitz, Diels und Eduard Meyer nahmen leb­ haft an den Arbeiten teil. Die Berliner Gymnasiallehrer konnten gerade in diesen Jahrzehnten eine Fülle wertvoller Forschungen beisteuern; namentlich war es Alfred Brueckner, der seine Arbeit mit besonderer Hingabe in den Dienst der Gesellschaft stellte. Neben die alten Meister Conze, Kekule und Schöne trat die Jugend des am Institut, an den Museen und der Universität beschäftigten Nachwuchses. Von den schon Dahingegangenen seien Botho Gräf, Franz Winter und Hermann Winnefeld genannt; andere, die selbst später zu führenden Forschern wurden, sind noch heute in ungebrochener Kraft tätig. Im Mittelpunkt dieser Periode stand die Vertiefung und Verfeinerung der formalen Stilkritik. Ihr Hauptgegenstand war naturgemäß die Plastik; daneben kam durch Winter die Malerei zu ihrem Recht, während die Architektur bis heute vernach­ lässigt worden ist. Die besten Beiträge, die in jenen Jahrzehnten der Gesellschaft ge­ geben wurden, sind die Winckelmannsprogramme und die Vorträge Kekules und seiner Schüler gewesen. Ihre hingebende und liebevolle Einfühlung in das Kunstwerk, dessen Wesen in ungesuchter aber würdiger Form in Worte gefaßt wurde, hatte seine unverächtliche Bedeutung gegenüber Furtwänglers gewaltiger aber auch gewalt­ samer Eroberung und Gestaltung von kunstgeschichtlichem Neulande. Nach Kckules Tode übernahm Trendelenburg den Vorsitz, um ihn, von anderen Forschungsaufgaben in Anspruch genommen, schon nach einem Jahre, 1913, Georg Loeschcke zu überlassen. Mit dessen Kommen schien eine neue Epoche für die Ge­ sellschaft anzubrechen. Trotzdem seine Kraft nicht mehr ungebrochen war, ver­ mochte er in den wenigen Jahren seines Berliner Lebens die Sitzungen mit seiner sprühenden Lebendigkeit zu erfüllen. Seine Wirkung blieb auch hier wie in auf das Wort beschränkt und fand keine literarische Fassung. Was ihm vor allem am Her­ zen lag und worin er mit Recht eine gebührende Forderung der Zeit erkannte, war die Aufgabe, die Gesellschaft wieder aus den Grenzen des Fachs zu befreien und unter Aufrechterhaltung ihres streng wissenschaftlichen Charakters ,>ihre Fernwirkung zu steigern<•. Im Januar 1914 regte er an, ,>in Zukunft gelegentlich Sitzungen, insbeson­ dere das Winckelmannsfest, zu öffentlichen Sitzungen zu gestalten, um durch einen größeren Kreis eingeladener Gäste, auch von Damen, die Publicität der Gesellschaft zu erhöhen<<. Einem weiteren Ausbau in dieser Richtung setzte alsbald der Weltkrieg ein Ende. Auch sein Nachfolger im Vorsitz, Hans Dragendorff, mußte seine Bemü• hungen auf die Erhaltung der wissenschaftlichen Leistung beschränken. Diese hat weder während des Krieges noch während der ersten schweren Nachkriegsjahre eine

\Vinckclmanusprogr.•mm 19~0 Unterbrechung oder eine Minderung erfahren. Stand die Jugend im Felde, so er­ höhten die Älteren ihren Einsatz. Studniczka begründete im Januar 1917 seine Ent­ deckung des Bildnisses des Menander. Ständig für Berlin wurden Ulrich Wilckcn, der am Winckelmannsfest 1917 über die Denkmäler des Dromos im Serapeion von Memphis sprach, und Ferdinand Noack gewonnen, der am vorangehenden Winckel­ mannsfest mit seinen Forschungen in Akarnanien und Atolicn die Reihe seiner leben­ digen Vorträge und Berichte begann, mit denen er, seit 1922 bis zu seinem Tode als Vorsitzender, aus eigenen groß angelegten, in rastlosem Bemühen durchgeführten Untersuchungen und von den Fortschritten der Wissenschaft im allgemeinen be­ richtete. Aus dem Kriegszustande selbst erwuchs der Gesellschaft ein Gewinn, indem er Walther Amelung und Robert Koldewey nach Berlin und zu tätiger Anteilnahme an den Arbeiten der Gesellschaft führte. In den schweren Jahren nach dem Weltkriege haben sich im Kampfe gegen heftige Widerstände die innere Kraft der archäologischen Wissenschaft und ihrer Bildungs­ mission, ihr Gemeinschaftsgefühl und die Stärke ihrer Organisation bewährt. Sie ver­ mochte in zäher Arbeit unter der Devise von Winckelmanns Wort »Was jemand ernst­ lich will, kann alles möglich werdem aufzubauen, wo andere Institutionen nur fort­ führen konnten. Die Arbeiten der Gesellschaft sind in den beiden letzten Jahrzehnten ein noch treueres Spiegelbild der gesamten Forschung und Organisation gewesen als in früheren Perioden. Die Aktivität, die das Archäologische Institut und unter der Leitung von Wiegand die Berliner Museen entfalteten, haben neben der Eigenent­ wicklung der Forschung den Inhalt der Sitzungen in hohem Maße bestimmt. Die Not der Zeit gab den heilsamen und fruchtbaren Zwang, auch dort, wo früher die For­ schung der Hilfe nicht bedurfte und Wege wie Seitenwege allein ging, die Kräfte durch die Organisation zusammenzufassen und nach einem durchdachten Programm einzusetzen. Es galt, den Zusammenhang innerhalb des Faches und die Beziehungen zu den Nachbarwissenschaften zu regeln und die notwendige Arbeitsgemeinschaft mit der Wissenschaft des Auslandes wieder aufzubauen und auszubauen. Leuchtende Zeichen des Erreichten waren die Vereinigungen deutscher und ausländischer Ge­ lehrter bei der Hundertjahrfeier des Instituts und in dem sechsten Internationalen Archäologischen Kongreß, dessen letzte Tage schon von der neuen Krisis des Welt­ geschehens beschattet wurden. Aber auch die Sitzungen der Gesellschaft legen davon Zeugnis ab. War es früher ein seltenes Ereignis, daß große Forscher des Auslandes als Gäste oder Gastredner begrüßt werden konnten, wie Charles Newton am Winckel­ mannsfest 1859 oder Maurice Holleaux, der am Winckelmannsfest 1908 über ,>L'ex­ ploration de Delos<< sprach, so haben in den Jahrzehnten zwischen den Kriegen führende Gelehrte aus fast allen Ländern Europas und aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika das Wort genommen, um von Entdeckungen und Ausgrabungen, von Untersuchungen und Methoden zu berichten und im Kreise der Mitglieder der Gesellschaft persönlichen Gedankenaustausch zu üben. Auch die Gesellschaft selbst hat, dank vor allem der langjährigen Führung der Geschäfte durch Karl Anton Neu­ gebauer, eine stärkere werbende Aktivität entfaltet. Wie die Gesellschaft in ihren Anfängen auswärtige korrespondierende Mitglieder gehabt hatte, so gewann sie jetzt wieder Forscher aus allen Teilen Deutschlands zu Mitgliedern, ohne daß der berlini­ sche Charakter der Gesellschaft dadurch in Frage gestellt wurde. In dem Wunsche, ein möglichst umfassendes Bild der Forschung zu gewinnen, zog sie auch zu Vor­ trägen häufig auswärtige deutsche Gelehrte heran und gewann sie zur Abfassung von Winckelmannsprogrammen. Dabei hat sie sich nicht darauf beschränkt, anerkannte Forscher herbeizurufen, sondern nach alter Tradition gerne dem aus dem Süden heimkehrenden Nachwuchs das Wort gegeben und ist nie zu wärmerem Beifall ge­ neigt, als wenn sie in den Worten eines jungen Gelehrten einen künftigen Meister spürt. Wir stehen diesen Jahrzehnten noch zu nahe, um die Entwicklung der Wissenschaft schon als ein Stück ihrer Geschichte begreifen zu können. Nur Weniges sei daher aus der Thematik der Sitzungen hervorgehoben. Die Archäologie hat in geringerem Aus­ maße als die neuere Kunstgeschichte Schwankungen der Methode erlebt. Aber auch hier zeigt sich seit dem Beginn der zwanziger Jahre das bewußte Bestreben, die formale Untersuchung des Stils durch Betrachtung und Deutung des Wesens und Gehaltes der Kunst im Sinne der Geistesgeschichte zu vertiefen. Dadurch wurde die Archäolo• gie wieder stärker als Glied einer großen und ganzen Altertumswissenschaft empfun­ den. Sie verband sich mit Klassischer Philologie und Alter Geschichte zu Gemein­ schaftsunternehmungen, deren Initiative teils, wie die Weimarer Fachtagungen und die Gründung einer •)Gesellschaft für Antike Kultur<<, von der Philologie, teils, wie die Begründung des •)Gnomon<< und der Zeitschrift •)Die Antike<<, vom Archäologischen Institut ausging, und die ihren Widerhall auch im Kreise der Gesellschaft fanden. Mit dieser Entwicklung kreuzt sich eine zweite, die scheinbar gegensätzlich ist, aber praktisch sich als vereinbar erwiesen hat, nämlich den Begriff der Archäologie so um­ fassend wie möglich, und soweit ihre Methode reicht, zu begreifen. In der Weite des Programms haben das Institut und die Gesellschaft stets an den Grundsätzen ihrer Begründer festgehalten und sie in den letzten Jahrzehnten mit besonderer Tatkraft zu verwirklichen gesucht. Die unbegrenzte berlinische Lernfreudigkeit hat in den Vor­ trägen der Gesellschaft alle erdenklichen Gebiete, von der deutschen Vorgeschichte bis zur Kunst des Fernen Ostens, von den Anfängen der Kunst bis zum Mittelalter um­ fassen lassen. Der neueren Entwicklung entsprach es, daß neben die Betrachtung der griechischen Kunst, der die großen Ausgrabungen fast ausschließlich gedient hatten und auch heute wieder dienen, die lange vernachlässigte Erforschung des Römischen und neben die erfolgreiche Aufhellung der griechischen und römischen Vorgeschichte die Bedeutung der Spätantike trat. Wesentliche Bereicherung erwuchs den Sitzungen der Gesellschaft nicht nur aus den Ausgrabungen und Erwerbungen, sondern auch aus den Arbeiten an den Katalogen der Berliner Museen und sowohl aus der For­ schung wie aus der Lehrtätigkeit an der Universität. Die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu anderen wissenschaftlichen Vereinen Berlins führte gegenseitige Ein­ ladungen zu Sitzungen herbei, deren Gegenstand die Anteilnahme eines weiteren Kreises erwarten ließ. Auch diese Zusammenarbeit beschränkte sich nicht auf die

19 klassische Altertumswissenschaft, sondern erstreckte sich auch auf deutsche \'or­ geschichte, deutsche Volkskunde, die neuere Kunstgeschichte, auf den Orient, die Religionswissenschaft und gelegentlich auf noch fernere Gebiete. Endlich ist ein be­ deutsamer Beitrag zur Winckelmann-Forschung mit dem Vortrage, den Emil Jacobs am Winckelmannsfest 1932 über Winckelmann und Bianconi hielt, zu verzeichnen. Mit der ganzen deutschen Altertumswissenschaft hat auch die Archäologie nach dem Weltkriege versucht, aus der Enge des Faches wieder den Weg in die Weite zu lebendiger Fühlung mit dem Geiste des ganzen Volkes zu finden. In ihren bescheide­ nen Grenzen hat sich auch die Gesellschaft dieser Bewegung erschlossen. Seit dem Jahre 1922 hat sich ihr Kreis im Sinne der schon vor dem Kriege von Loeschcke ge­ gebenen Anregung erweitert. Es nehmen nicht nur die Damen an allen Sitzungen teil, sondern die Gesellschaft hat die Freude, nicht nur Forscher, sondern auch Freunde der Antike aus Kreisen der Diplomatie, der Verwaltung und der Wirtschaft, Ge­ lehrte aus allen Fakultäten, Vertreter der Literatur und der schönen Künste zu ihren Mitgliedern und Gästen zu zählen. Mit der Wiedergewinnung von Bildhauern und Malern begrüßt die Gesellschaft den Anbruch einer neucn klassischen und mit der Antike sich aufs neue auseinandersetzenden Haltung der deutschen Gegenwart. Sie kehrt mit dieser V crbindung nach einem Jahrhundert zu jener Konstellation zurück, die ihre Entstehung begünstigt hatte. Es ist kein Zufall, daß sich seit dem Jahre 1923 die Archäologische Gesellschaft mit der >>Vereinigung der Freunde antiker Kunst<< zur Feier des Winckclmannsfestes ver­ bunden hat. Diese zur Förderung der Berliner Antikensammlungen begründete Ver­ einigung wurde von Wicgand in Anpassung an die Umstände der Zeit >>aus einer reinen Beitragsgesellschaft<< in eine >>im besten Sinne populär-wissenschaftliche Ge­ sellschaft<< umgestaltet, 1>die ihren Mitgliedern in Anlehnung an die reichen Sammlun­ gen unserer Staatlichen Museen Kenntnis und Verständnis der antiken Kunst und 23 Kultur vermitteln will<< ). Beide Gesellschaften haben viele Mitglieder gemeinsam und sind sich durch die Ergänzung der Archäologischen Gesellschaft durch Freunde der Antike und den Eintritt von Gelehrten in die Vereinigung im Laufe der Jahre ähnlicher geworden. Die Gestaltung der Vorträge in der Archäologischen Gesellschaft hat sich der veränderten Tatsache angepaßt, daß sie sich nicht mehr an einen kleinen Kreis von Fachgenossen, sondern an ein größeres und vielgestaltigeres Publikum wenden. Aber ein wesentlicher Unterschied bleibt bestehen. Nach akademischer Tra­ dition wird von den Vorträgen in der Archäologischen Gesellschaft verlangt, daß sie eigene und neue Forschung zum Inhalte haben, während in der Vereinigung auch Berichte über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung gegeben werden. Auch die kritische Diskussion ist der Gesellschaft vorbehalten, hat sich indessen aus der Sitzung selbst allmählich mehr in die Gespräche nach der Sitzung verlagert. Beieie Gesell­ schaften aber bilden zusammen eine Winckelmann-Gemeinde, aus deren stiller Arbeit ein Strom von Anregungen in die weitere Öffentlichkeit dringt. Es erscheint uns weiterhin nicht als zufällig, daß um dieselbe Zeit, in der die Archäo• logische Gesellschaft und die Vereinigung der Freunde antiker Kunst sich an einen

20 erweiterten Kreis zu wenden begannen, im Jahre 1924 die Gesellschaft für Antike Kultur begründet wurde, die es sich zur Aufgabe stellte, ))als Zusammenschluß aller Freunde der Antike dem Bedürfnis auch des weiteren Kreises der Gebildeten nach dauernder und intensiver Berührung mit dem Geiste und den Schöpfungen des Alter­ tums Nahrung zu bieten<< 24) . Sie wählte zur Wirkung nicht das mündliche Wort, sondern die literarische Form der Zeitschrift ))Die Antike

21 erhalten hat. Mit manchen von ihnen ist die Archäologische Gesellschaft durchgemein­ same Mitglieder verbunden gewesen. Gerhard pflegte die Freundschaft mit der durch Philipp Buttmann ins Leben gerufenen >>Griechischen Gesellschaft<, und begründete mit Curtius, Lepsius und anderen Freunden selbst eine l>Graeca>heiter, zwanglos und frei von jeder Pedanterie angenehme und anregende Abende zu verlebem 25). Zu ihr zählten später, um nur wenige zu nennen, Mommsen, Schöne, Georg von Bunsen, Lord Odo Russel und Alexander Rizo-Rangabe. Curtius war Mitglied der Mittwochsgesellschaft. Dem seit 1749 bestehenden Montagsklub gehörten Friccius, der Vorsitzende des Kreises der Altmärker, Buttmann, Lepsius, Adler, Dörpfeld und Wiegand an. Das Wirken dieser Gesellschaften vollzieht sich ohne literarische Äußerung in der Stille, aber auch hier sind persönliche Verbindungen entstanden, die nicht in Akten und Veröffentlichungen erschienen, aber für die Geschichte der Wissenschaft in Berlin nicht ohne Bedeutung gewesen sind. Verbindungen dieser Art sind von allen Männern, die seit Gerhards Tätigkeit in Berlin an der praktischen Verwirklichung organisatorischer Gedanken gearbeitet haben, in die Waagschale geworfen worden. Schwerlich hätte Gerhard das Institut durch die Krisis der vierziger Jahre hindurchretten und die Festigung seiner Kon­ stitution durch die Hilfe des preußischen Staates erreichen können, wenn ihm nicht die Archäologische Gesellschaft eine Möglichkeit praktischer Unterstützung gegeben hätte. Auch Curtius hat seine persönlichen Beziehungen für das Institut und seine Aufgaben eingesetzt. Gewiß war für das Zustandekommen der Ausgrabung von Olympia, für die Umwandlung des Instituts in ein Reichsinstitut und für die Grün• dung der athenischen Abteilung sein nahes Verhältnis zum Kaiser und zum Kron­ prinzen entscheidend. Aber bei der praktischen Ausführung konnte er jederzeit auch auf Unterstützung aus anderen Kreisen rechnen. So war es Georg von Bunscn, mit dem er in der Gesellschaft und in der Graeca :lG) verbunden war, der im Reichstag für die neue Organisation eintrat. Der Gedanke der Ausgrabung von Olympia ist in der Gesellschaft gewachsen, noch ehe Curtius seinen berühmten Vortrag in der Sing­ akademie hielt. Im Jahre des ersten Winckelmannsfestes war Curtius aus Griechenland zurückgekehrt; am zweiten Winckelmannsfest sprach er über l>Erfolg und Hoffnung griechischer Ausgrabungen<• und im Jahre 1846 über die Lokalität von Olympia. Im Zusammenhange mit dem Gedanken der olympischen Grabung hat sich im Schoße der Gesellschaft eine noch wichtigere Entwicklung vollzogen. Der wissenschaftliche Erfolg der deutschen Ausgrabungen beruht ganz wesentlich auf der harmonischen und einander ergänzenden Zusammenarbeit von Archäologen und Architekten. Ihre Wurzel reicht bis in die Entstehung der Gesellschaft, bei der die Archäologen mit den historisch interessierten Architekten der Schule Schinkels zusammenwirkten. Daraus erwuchs seit den fünfzigerJahrendie Arbeitsgemeinschaft von Curtius und Adler, die zu der vorbildlichen Organisation der Ausgrabung von Olympia führte, mit der, dank vor allem der großen Jugendleistung Dörpfelds, die neue Periode der Erforschung

22 antiker Architektur begann. Auch Conze und Puchstein haben den Wert dieser Zu­ sammenarbeit zuerst im Rahmen der Gesellschaft erlebt. Am zweiten Winckelmannsfest ist in Berlin zum ersten Male der Gedanke der Aus­ grabung Olympias ausgesprochen worden. Ungezählte Sitzungen haben den Er­ gebnissen der von Curtius in unablässigem Bemühen verwirklichten Ausgrabung ge­ golten. Am hundertsten Winckelmannstage kann ein aus dem Boden Olympias neu gewonnenes originales Werk griechischer Kunst als Opfer den Manen Winckelmanns dargebracht werden, der den Deutschen als ein Vermächtnis die Idee dieser Aus­ grabung hinterließ. Die vom Führer angeordneten neuen Grabungen von Olympia und von Garnunturn sind die leuchtenden Fanale für die Eroberung der ewigen, von den stammverwandten Völkern der Antike geschaffenen Werte durch ein neues Deutschland. In einer Zeit gewaltigen geschichtlichen Erlebens blickt die deutsche Archäologie voller Zuversicht den großen Aufgaben entgegen, die ihr die Zukunft stellen wird. Die Archäologische Gesellschaft wird es beglücken, ihnen in ihrer Weise dienen zu können in dem Sinne der Worte, mit denen Goethe seine Schilderung Winckelmanns beschloß: ))Von seinem Grabe her stärkt uns der Anhauch seiner Kraft und erregt in uns den lebhaftesten Drang, das, was er begonnen, mit Eifer und Liebe fort- und immer fort­ zusetzen.<< ANMERKVN(/EN

1) Außer den Akten der Gesellschaft liegen über sämtliche Sitzungen gedruckte Berichte vor. Sie sind von 1843- 188s in der Archäologischen Zeitung, seit 1889 im Archäologischen Anzeiger des Jahrbuchs des Deutschen Archäologischen Instituts erschienen. Jahrgang 1889 des Anzeigers enthält nachträglich gekürzte Berichte für die Jahre 1886-1888. Von 1886- 1910 sind die Berichte auch in der ·Wochenschrift für klassische Philologie erschienen. Sonderdrucke für die Mitglieder der Gt>sellschaft erschienen 1886- 19 I I, seit I 924 aus dem Archäologischen Anzeiger. ~ ) Ober die Gedächtnisfeiern der Altmärker zu Ehren Winckelmanns vgl. F. Kuchenbuch, Der Altmärker, Altmärkische Tageszeitung, Stendal I 937, Nr. 286 vom 8. Dezember. Weitere ergänzt>nde Mitteilung<>n verdanke ich Herrn Dr. Große in Stendal. 3 ) Über die Entstehung der Gesellschaft vgl. AZ. I, I 843, 45 ff. und 4· WPr. I 4 ff. ·1) Ober das Denkmal vgl. AA. I859 Nr. I32, 129f. und Segelken, Winckelmann, Stcndal 1917, I 74· Die treibende Kraft zu seiner Errichtung war der aus Stendal gebürtige Generalauditeur C. F. Friccius, der Vorsitzende des Kreises der Altmärker. Er hat die Aufstellung, die erst im Jahre I859 erfolgte, nicht mehr erlebt. 5) Ober Gerhard vgl. die Gedächtnisreden von C. Friederichs und E. Hübner, AA. I867, Nr. 222, 8I IT. 0. Jahn, Eduard Gerhm·d, Berlin I868. R. Kekule von Stradonitz, Eduard Gcrhard, Berlin 19I 1. G. Rodemnddt, Arch. Inst. d. Deutschen Reiches I829- 1929, 6IT. 1i) G. Rodenwaldt, AA. 1933, 369ff. 7 ) Dazu kamen als Sonderpublikationen die Rede, die R. Kekule v. Stradonitz am Winckelmanns­ fcste 1909 dem Andenken Eduard Gerhards widmete, und die Gedächtnisrede H. Dragendorffs auf A. Conzc ( I 9 I s). 8 ) Über Curtius vgl. die Gedächtnisrede von R. Schöne in der Gesellschaft, AA. 1897, 2off. Ernst Curtius, Ein Lebensbild in Briefen, Berlin 1903. 0. Kern, H. Dicls und C. Robert (Bursians Jahresher. Suppl. 2 I5), Leipzig I927, s8ff. 9 ) Vgl. AZ. 5,'6, I 848, 384. 10 ) Vgl. die Gedächtnisrede von A. Conze in der Gesellschaft, AA. 1903, 2040'. 11 ) Kunst und Leben, Reisebriefe aus Griechenland, dem Orient und Italien, Düsseldorf I872. 1 ~ ) Christliches Kunstblatt 1872, 17 IT. 13) AZ. 31, 1874, I 72 ff. U. von Wilamowitz-MocllendoriT, Erinnerungen qo IT. u ) Vgl. die Gedächtnisrede von E. Curtius in der Gesellschaft, AA. t8go, I8IT. 1") Zu seinem fünfzigjährigen Doktmjubiläum arn 25. Juni 1865 erhielt Gcrhard als Geschenk der Gesellschaft die Bronzestatue eines Greifen, die nach einem von Friedrich Tieck •>in seiner besten Zeit« ausgeführten Modell von dem Bildhauer Dankberg ausgeführt wurde (vgl. AA. I865 Nr. 203, I I3 ; G. Rodenwaldt, Arch. lnst. des Deutschen Reiches 1829-1929, 56 Anm. 2. Näheres in den Akten der Gesellschaft). Nach diesem Bildwerk, das 1892 aus dem Nachlaß Gerhards in den Besitz der römischen Abteilung des Instituts gelangte, wurde das hyperboreische Symbol auf dem Revers der Winckelmann-Medaille da rgestellt. Auf Grund dieser Fassung entwarf Ernst Böhm das Signet auf dem Einband des Berichtes über die Hundertjahrfeier des Archäologischen Instituts, das seither wiederholt bei Veröffentlichungen des Instituts Verwendung gefunden hat. IH) A. Michaclis-E. Petersen, Otto Jahn in seinen Briefen 225 ff. 17) Hundert Jahre Architektenverein zu Berlin 1824-1924, Bcrlin I924. 1M) 0. Kern, H. Diels und C. Robert 61ff. 1 1! ) H. Dragendorff, Alexander Conze, Berlin 191 5. G. Rodenwaldt, AA. 1931, 755ff. ~0 ) Curtius und Adler hatten Humann schon auf ihrer kleinasiatischen Reise im Jahre 1871 kennen und sc hützen gelernt (Ernst Curtius a. 0. 615ff.). ~ 1 ) Am 1. März 1891 vereinigte sich die Archäologische Gesellschaft mit der Anthropologischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Erdkunde im großen Saal des Rathauses zu einer gemeinsamen Gedächtnisfeier für Schliemann, an der für die Archäologie Curtius das Wort nahm. ~~ ) A. Lichtwark, Reisebriefe I 230. ~3 ) Bericht über das X. und XI. Geschäftsjahr, Berlin 192.'), 3· ~~) Bericht 1924-28, 3· ~5 ) G. Ebers, Richard Lcpsius, Leipzig 1885, 32 1. 26 ) Marie von Bunsen, Die Welt, in der ich lebte3 41.