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WECHSEL AN DER RARITÄTEN IN „TUREK HAT MIR ­SPITZE DES CDN RUSSLAND TIPPS GEGEBEN“ Lothar Matthäus übernimmt Deutsche Nationalspieler Serie: Wolfgang Fahrian den Vorsitz, ist und ihre Erfahrungen im Land über sein bemerkenswertes nun Ehrenvorsitzender 6 des WM-Gastgebers 26 Debüt für Deutschland 38 INHALT 2 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

12 CdN-Jubiläumstreffen Happy Birthday, CdN!

6 Stabübergabe Lothar Matthäus neuer Vorsitzender, Uwe Seeler jetzt Ehrenvorsitzender INHALT CDN-MAGAZIN 34 | 2018 3

22 Gutes Omen Zum vierten Mal bereitet sich Deutschland in Südtirol auf eine WM vor.

EDITORIAL BLICKPUNKT WM SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL DFB-Präsident Grindel über den Der vierte Versuch Wechsel an der Spitze des CdN der Titelverteidigung Wolfgang Fahrian über „WIR HABEN DEN „4“ GEWINNT? 18 sein Debüt im DFB-Dress IDEALEN­ NACHFOLGER „TUREK HAT MIR GEFUNDEN“ 4 Gutes Omen – DFB-Team TIPPS GEGEBEN“­ 38 im bewährten WM-Quartier GOLDENES SÜDTIROL 22 INSIDE CDN INSIDE CDN Deutsche Nationalspieler und Lothar Matthäus neuer ihre Erfahrungen im WM-Land Andy Möller hofft auf eine Vorsitzender, Uwe Seeler R A R I TÄT E N I N erfolgreiche EM-Bewerbung jetzt Ehrenvorsitzender RUSSLAND 26 EURO IM HERZEN – KEIN TAG WIE 2024 IM BLICK 40 JEDER ANDERE 6 VEREIN IM FOKUS Interview mit Uwe Seeler DIAGONALPÄSSE 42 „BEI LOTHAR IST „Nationalmannschaftslieferant“ DER CDN IN GUTEN HÄNDEN“ 10 JOGIS VIERZEHN 30 IN MEMORIAM 45

Jubiläumstreffen in Berlin HAPPY BIRTHDAY, DIE ZEIT DANACH RUNDE GEBURTSTAGE 46 CDN! 12 Marcel Schäfer – von Florida zur nächsten Karriere JUBILÄEN 47 BRÜCKE IN EIN NEUES LEBEN 34 EDITORIAL 4 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

„WIR HABEN DEN IDEALEN­ NACHFOLGER GEFUNDEN“

Liebe Freunde,

hinter uns liegt ein denkwürdiges Jubi­ Gleichwohl kann ich nachvollziehen, läum. In Berlin hat der Club der Natio­ dass er angeregt hat, die Aufgabe in nalspieler seinen zehnten Geburtstag jüngere Hände zu legen und kürzer zu gefeiert – und dieses Jahrestreffen des treten. Mich freut sehr, dass wir mit CdN geht ohne Zweifel in die Ge­schichte ­Lothar Matthäus den idealen Nachfolger ein. An der Spitze des Clubs wurde ein für dieses Amt gefunden haben. Ein Wechsel vollzogen, Uwe ­Seeler hat den ­Ehrenspielführer geht, ein Ehrenspiel­ Staffelstab an Lothar Matthäus über­ führer übernimmt. Besser könnte es geben. Ich möchte auch an dieser Stelle nicht sein. Ich bin sicher: Lothar Matt­ noch einmal ein großes Dankeschön an häus wird die Gemeinschaft der ehe­ Uwe Seeler richten. Er hat das Amt so maligen Nationalspieler weiter stärken bekleidet, wie er auch als Spieler ge­ und das Club-Leben mit neuen Ideen, wesen ist: Ihm ging es nur um das Impulsen und Gedanken bereichern. Team – in diesem Fall die Gemeinschaft der ehemaligen Nationalspieler. Zehn Bedanken möchte ich mich im Namen Jahre lang hat er sich für den CdN einge­ des DFB-Präsidiums nicht nur bei Uwe setzt, er hat sich mit der Aufgabe identi­ Seeler und Lothar Matthäus, ich möchte fiziert und den Club und seine ­Mitglieder mich bei allen ehemaligen National­ in herausragender Art vertreten. spielern bedanken. Zehn Jahre Club EDITORIAL CDN-MAGAZIN 34 | 2018 5

der Nationalspieler sind ein guter An­ rechtigkeit ein Musterbeispiel für Fair werden. Aus vielen Gründen sage ich: lass, unsere Hochachtung zu unter­ Play lieferten. 1974 führte der Fußball Der Club der Nationalspieler ist eine streichen vor dem, was sie im Trikot der Ost und West gegeneinander und doch ganz wichtige Mannschaft im DFB. In der deutschen Nationalmannschaft, der zusammen. 1990 konnten Ost und West Vergangenheit – jetzt – und in Zukunft. DDR-Auswahl oder für das Saarland auch offiziell wieder gemeinsam jubeln. ­bewirkt und geleistet haben. 2014 begeisterte unsere Nationalmann­ schaft die Welt mit großem Sport und Wir haben und werden nicht vergessen, mit menschlicher Größe. Aus der Em­ wie groß der Anteil der ehemaligen pathie für die Gastgeber nach dem ­Nationalspieler am Ansehen des DFB Halb­finale wurde Sympathie für Herzliche Grüße ist. Nationalmannschaften haben die Deutschland und die Deutschen. Ihr gesamte Geschichte der Bundesre­ publik hindurch Wegweisendes für Für all das sind die Mitglieder des Clubs ­unser Land geleistet. Das Wunder von der Nationalspieler verantwortlich. Bern gilt für viele Historiker als eigent­ ­Davor verneige ich mich! In der Ein­ liche Geburtsstunde der ­Bundesrepublik richtung des Clubs der Nationalspieler Deutschland. 1966 waren es deutsche drückt sich unsere Wertschätzung aus – Nationalspieler, die im Wembley-Stadion ich kann versprechen, dass wir diesen Reinhard Grindel mit ihrem Umgang mit einer Unge­ Club weiter umfassend unterstützen DFB-Präsident INSIDE CDN 6 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

10. CDN-GEBURTSTAG: LOTHAR MATTHÄUS NEUER VORSITZENDER, UWE SEELER JETZT EHRENVORSITZENDER

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KEIN TAG 2 WIE JEDER ANDERE

Am 10. Jahrestag seiner Gründung begann für den Club der Nationalspieler eine neue Epoche: Die Ära von Lothar Matthäus (57), dem Ehrenspielführer und Rekordnationalspieler, als neuem CdN-Vorsitzenden. Uwe Seeler (81), sein Vorgänger an der CdN-Spitze, hat sich zurückgezogen und wird künftig Ehrenvorsitzender des Clubs. Der 27. März 2018 – ein ganz besonderer Abend beim großen Jahrestreffen eines ganz besonderen Clubs. INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 34 | 2018 7

Eine Legende ging. Eine Ikone kam. Der 27. März im Berliner Olympiastadion. Auf dem Spielfeld versuchte die aktu­ elle Nationalmannschaft wenige Wo­ chen vor der Nominierung des Kaders für die Weltmeisterschaft 2018 in Russ­ land beim Klassiker gegen Brasilien (0:1) Fahrt aufzunehmen Richtung WM. Ein paar Meter weiter hatte in der Jesse- Owens-Lounge, der Haupttribüne für den Club der Nationalspieler, die Zu­ kunft schon Gestalt ge­funden. Mit dem Wechsel von Uwe Seeler­ zu Lothar ­Matthäus im Amt des Vorsitzenden des Clubs der Nationalspieler.

Es war ein besonderer Tag bei der Feier des 10. Geburtstags dieses besonderen Clubs. Und wahrlich kein Tag wie jeder andere. Die Amtsübergabe von Ehren­ spielführer zu Ehrenspielführer – pro­ minenter und exklusiver hätte dieser Wechsel nicht vollzogen werden kön­ nen. Der Übergang von der charismati­ schen Galionsfigur, dem Kapitän des ­legendären Vize-Weltmeisterteams von 1966, zum Rekordnationalspieler und Kapitän des Weltmeisters von 1990.

Entsprechend hochkarätig war die ­Bühne bei diesem Stabwechsel besetzt. Mit Präsident Reinhard Grindel als höchstem DFB-Repräsentanten sowie mit Generalsekretär Dr. Friedrich Cur­ tius als oberstem Hauptamtlichen der DFB-Zentrale und seinem Stellvertreter Mediendirektor Ralf Köttker, der ebenso informativ wie elegant diese besondere Veranstaltung moderierte. Und natür­ lich mit Lothar Matthäus, dem Haupt­ darsteller dieses Ereignisses.

Seeler wird Ehrenvorsitzender

Nur einer fehlte: Uwe Seeler. Der Grund für seine Abwesenheit ist bezeichnend für den Abschied des 81-Jährigen aus dem CdN-Ehrenamt. „Heute Morgen hat Frau Seeler uns telefonisch informiert, dass Uwe von einer schweren Grippe erwischt wurde und deshalb seine ­Teilnahme absagen musste“, erklärte Mediendirektor Ralf Köttker. Damit 1_Hochkarätige Amtseinführung: Lothar Matthäus, flankiert von nannte er auch schon die Hauptursache DFB-Präsident Reinhard Grindel, Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius von Seelers Rückzug von der Aufgabe und dessen Stellvertreter Ralf Köttker. des Vorsitzenden – das eine oder an­ 2_Symbol und Dokument: Der neue CdN-Vorsitzende mit der dere gesundheitliche Problem (siehe schwarz-rot-goldenen Spielführerbinde des Clubs der Nationalspieler. Interview auf den Seiten 10 und 11). INSIDE CDN 8 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

Klar und verständlich, dass es sich Grindel sagte: „Zehn Jahre lang hat ablösung ein und übergab Lothar ­Reinhard Grindel nicht nehmen ließ, Uwe sich als Vorsitzender für den CdN ­Matthäus symbolisch eine einge­- Seelers große Verdienste für den DFB eingesetzt und dabei dieses Amt so rahmte Spielführer-Binde. Dem ver­ im Allgemeinen und für den CdN im ­verstanden und praktiziert, wie er auch dienstvollen Integrator folgt ein dy­ Besonderen herauszustellen. „Uwe war als Spieler war. Ihm ging es nur um das namischer Macher. Reinhard Grindel ein herausragender Repräsentant für Team, in diesem Fall um die Vereinigung sagte: „Wir haben die idealen Nach­ unseren Verband und den deutschen der ehemaligen Nationalspieler.“ Da- folger gefunden.­ Ich bin sicher, dass Fußball, dem wir als DFB nicht genug bei präsentierte er das „Danke, Uwe“- Lothar Matthäus diese Gemeinschaft danken können“, sagte der DFB-Präsi­ Trikot mit den Unterschriften zahlloser der ehemaligen Nationalspieler noch dent. Als „typisch für Seeler“ verwies frü­herer Weggefährten und späterer mehr stärken und das Club-Leben mit er auf dessen vorbildlich faire Reaktion ­Na­tionalspieler. Begleitet von lautem neuen Ideen bereichern wird.“

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1_Reverenz an ein Idol: ... 2_... Andy Thom und Stefan Beinlich ... 3_... sowie Bernd Dörfel bei ihrer Unterschrift. 4_Reinhard Grindel präsentiert 4 das Danke-Trikot.

als Spielführer nach dem Wembley-Tor Beifall der rund 210 anwesenden CdN- Großen Anteil am Zustandekommen und der Niederlage gegen England im Mitglieder ernannte Grindel Seeler dieser Ideallösung hat Dr. Friedrich WM-Finale 1966. Ganz speziell aber schließlich mit sofortiger Wirkung zum ­Curtius. Der DFB-Generalsekretär hatte stellte Grindel die große integrative Ehrenvorsitzenden des Clubs. „Uns sich in den vergangenen Monaten, in Stärke seines Hamburger Landsmanns Uwe“ – ein Vorbild ohne Verfallsdatum. denen Uwe Seeler seinen Rücktritt als CdN-Präsident heraus. Vor allem ­immer deutlicher intern zur Sprache diese Eigenschaft Seelers war es, die Matthäus hat viel vor brachte, sehr dafür eingesetzt, Matthäus nach der Club-Gründung 2008 mit den für dieses Amt zu begeistern. „Von ehemaligen Nationalspielern aus dem „Ein Ehrenspielführer geht, ein Ehren­ ­seiner großen Reputation als Fußballer Westen, dem Osten und aus dem spielführer übernimmt. Besser könnte und Deutschlands Rekordnational­ ­Saarland so schnell eine so homogene es nicht sein“ – mit diesen Worten spieler, aber auch wegen seiner kraft­ Gemeinschaft entstehen ließ. ­leitete der DFB-Präsident die Wach­ vollen, energiegeladenen Persönlich­ «EIN EHRENSPIELFÜHRER GEHT, EIN EHRENSPIEL­ FÜHRER ÜBERNIMMT. BESSER KÖNNTE ES NICHT SEIN.» (Reinhard Grindel)

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keit kam eigentlich für mich kein anderer Starke Worte zu Beginn 5_Erste Gespräche als neuer Kandidat in Frage“, sagte Curtius. CdN-Vorsitzender mit Jogi Löw … Mit der ihm eigenen Matthäus-Rhetorik, 6_… , dem Mitstreiter Elan und Energie, Kraft und Feuer, aber der Kraft des beschleunigten Wortes, beim WM-Titelgewinn 1990 … auch Dankbarkeit verströmte Matthäus sagte der neue CdN-Vorsitzende: „Für 7_... und , Kapitän beim gleich bei seiner Antrittsrede. „Ich bin mich ist es ein ganz wichtiger Punkt, dass gemeinsamen EM-Triumph 1980. sehr froh, dass dieser Club 2008 ge­ ich in der Zusammenarbeit mit dem DFB gründet und von Wolfgang Niersbach meinen Einfluss und meine Kontakte damals mit seiner tollen Idee ins Leben geltend mache, Ideen ent­wickele und gerufen wurde“, sagte Matthäus. „Der überlege, was sinnvoll und machbar ist.“ Club hat sich seitdem super entwickelt. Matthäus wird sich einsetzen, Matthäus Doch ich glaube, dass man ihn noch wird vorangehen. Und er will, dass an­ setzen – und vielleicht mit der einen­ weiterentwickeln kann, weil noch mehr dere ihm folgen. „Allen Mitgliedern muss oder anderen Neuerung und Ini­tiative Potenzial in ihm steckt.“ bewusst werden, dass es in diesem Club noch ein bisschen mehr frischen Wind nicht nur um Eintrittskarten für Länder­ in den Laden reinzubringen.“ Matthäus ist angetreten, um nicht nur zu spiele geht, sondern um gelebte Inte­ verwalten, was dieser Club ist, sondern gration, damit die DFB-Familie noch Zehn Jahre CdN. Zehn Jahre Uwe Seeler um zu erkämpfen, was mit ihm darüber stärker zusammenwächst“, sagte er. an der Spitze. Da fiel es Ralf Köttker als hinaus möglich ist. Er sagte: „Als DFB Moderator leicht, Matthäus mit einem müssen wir versuchen, die National­ Natürlich versäumte es Matthäus­ nicht, Schmunzeln auf zehn nicht minder er­ spieler noch stärker in den Verband zu seinem Vorgänger Re­s­pekt und Reve­ folgreiche Jahre als CdN-Vorsitzenden integrieren. Sei es bei Veranstaltungen, renz zu erweisen: „Ganz besonders einzuschwören. Köttker sagte: „Sollte es bei Präsentationen oder mit dem ­müssen wir Uwe Seeler ­danken. Uwe hat so kommen, wäre der Club der Na­ ­Legenden-Team namhafter ehemaliger als Vorsitzender in den vergangenen tionalspieler 2028 genauso lange am Nationalspieler. In dieser Mannschaft zehn Jahren nicht nur ­seinen guten Leben wie Deine Karriere, Lothar, als steckt so viel Qualität, dass sie als Part­ ­Namen eingesetzt, sondern auch viel Nationalspieler gedauert hat: 20 Jahre!“ ner des DFB und mit Unterstützung Energie investiert. Ich freue mich und Keine schlechte Perspektive an diesem durch den DFB noch höhere Wert­ bin stolz, sein Nach­folger zu sein. Und 27. März 2018 in Berlin. An einem Tag schätzung und Beachtung zum Wohle ich werde mich bemühen, seine en­ wie keinem anderen. des DFB finden sollte.“ gagierte, verdienstvolle Arbeit fortzu­ Wolfgang Tobien INSIDE CDN 10 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

„BEI LOTHAR IST DER CDN IN GUTEN HÄNDEN“

Zehn Jahre lang hat Uwe Seeler als Vorsitzender an der Spitze des Clubs der Nationalspieler fungiert. Nun hat er sich zurückgezogen und den Vorsitz des CdN an Lothar Matthäus übergeben. Im Interview mit Wolfgang Tobien spricht Seeler über seinen Rücktritt, seinen Nachfolger und den besonderen Gedanken des CdN. INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 34 | 2018 11

Herr Seeler, wegen einer Grippe konn- Anfang an alle bemüht, richtig Leben in Welche von den vielen Zusammen- ten Sie nicht zum 10. Geburtstag des den Club zu bringen. künften der vergangenen Jahre ist Ihnen CdN im Rahmen des ­Länderspiels besonders in Erinnerung geblieben? ­zwischen Deutschland und Brasilien Wie lautet Ihr Fazit nach zehn Jahren? Vor allem die erste im Oktober 2008 in kommen. Wie schwer ist es Ihnen Die Erwartungen wurden weit über­ Dortmund. Bis dahin hatten sich ja viele ­gefallen, Ihren eigenen Abschied zu troffen. Daher gilt es vor allem dem von uns 20, 30 und mehr Jahre nicht verpassen? DFB Dank zu sagen, dass er den Weg hin gesehen. Bei der Gelegenheit habe ich Natürlich habe ich mich sehr darüber zu dieser Gemeinschaft geebnet hat. zum Beispiel Wolfgang Weber, mit dem geärgert, dass ich nicht nach Berlin Egal, ob bei den großen Jahrestreffen ich 1970 noch bei der WM in Mexiko kommen konnte. Ich hätte allen sehr oder bei den regionalen Zusammen­ gespielt hatte, nach fast 40 Jahren mal gerne noch einmal persönlich erklärt, künften – es ist einfach eine wunder­ wieder getroffen. warum ich die Aufgabe nach zehn ­Jahren bare Sache, sich im Rahmen eines in andere Hände legen wollte. Es war ­Länderspiels zu treffen, miteinander zu Welches persönliche Highlight wird aber einfach nicht möglich, mich hatte es plaudern und unserer aktuellen Mann­ Ihnen unvergessen bleiben? zu stark erwischt. Wobei ich finde, dass schaft die Daumen zu drücken. An der Spitze stand und steht das Er­ Abschied ein zu großes Wort ist. Ich lebnis dieser zehn Jahre insgesamt. bleibe dem CdN ja erhalten und freue Wie sieht Ihre persönliche Bilanz beim Aber natürlich werde ich immer an die mich schon jetzt auf die nächsten Treffen. Abschied aus? Zusammentreffen mit Hans Schäfer Ich dachte anfangs, dass dieses Amt beim Fest der Weltmeister 2016 in Warum treten Sie als 1. Vorsitzender ziemlich anstrengend sein würde. Doch ­Düsseldorf oder beim Jahrestreffen in des CdN zurück? ich erlebte viel Unterstützung in einer Köln denken. Der Hans war zwar geistig Weil ich das Gefühl habe, zehn Jahre, tollen Harmonie. So war es in der Tat noch glockenklar, ging aber wegen das reicht. Vor allem aus gesundheit­ keine große Aufgabe. Ich sah mich auch ­seiner kaputten Beine kaum noch aus lichen Gründen muss und will ich etwas weniger als Vorsitzender, sondern mehr dem Haus. So etwas, wie auch das kürzer treten. Mit 81 Jahren ist es an als Kapitän eines starken Teams, in dem ­Treffen mit einer Legende wie Bert der Zeit, sich zurückzuziehen und das ja einer die Binde tragen musste. Es war Trautmann bei unserer Versammlung Amt in jüngere Hände zu legen. Lothar ein schönes und wohltuendes Amt, das 2010 in Berlin, bringt nur der Club der ist jung und dynamisch. Ein wirklich mir große Freude bereitet hat. Nationalspieler zustande. ­guter Nachfolger. Zudem ist er ebenfalls Ehrenspielführer und dazu unser Rekord­ Was zeichnet diesen besonderen Club Als Ehrenvorsitzender werden Sie dem nationalspieler. Bei Lothar ist der CdN in Ihrer Meinung nach ganz besonders aus? CdN weiterhin verbunden bleiben. Ihr guten Händen. Das besondere Gemeinschaftsgefühl Wunsch für die Zukunft? bei unseren Begegnungen! Vor allem Dass der Club seinen Mitgliedern auch War es vor zehn Jahren, als der CdN auch mit den Kollegen der ehemaligen zukünftig dieses einzigartige Gemein­ gegründet wurde, für Sie vorstellbar, DDR-Nationalmannschaft. Die Har­ schaftsgefühl vermitteln wird und dass dass der Club 2018 seinen zehnten monie zwischen Jung und Alt, zwischen weitere ehemalige Nationalspieler den Geburtstag würde feiern können? langjährigen und eher kurzzeitigen Weg zu uns finden. Und natürlich drücke­ Natürlich. Für mich war von Anfang an ­Nationalspielern. Unter uns Fußballern ich unserem aktuellen Nationalteam mit klar, dass der Club der Nationalspieler gibt es keine Hemmschwellen und Ani­ Bundestrainer Joachim Löw und seinem keine Eintagsfliege sein wird. Weil der mositäten. Zudem wurde der Club zum Stab an der Spitze für die WM in Russ­ DFB mit seinem Präsidium total dahinter Anker für den einen oder anderen von land fest die Daumen, damit künftig stand und nach wie vor ohne Wenn und uns, der in der Versenkung verschwun­ noch mehr Weltmeister im Club der Aber dahinter steht. So haben sich von den war oder sich zurückgezogen hatte. Nationalspieler vertreten sind. INSIDE CDN 12 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

HAPPY BIRTHDAY, CDN!

Vor zehn Jahren wurde der Club der ­Nationalspieler gegründet,­ am Rande des Spiels zwischen Deutschland und Brasilien im Berliner Olympiastadion wurde ­Jubiläum gefeiert. Das Jahres­ treffen in der deutschen Hauptstadt war ein voller Erfolg,­ trotz der Niederlage auf dem Spielfeld.

Der Abend von Berlin war ein Abend der Superlative. Auf dem Rasen, zum einen. Zum freundschaftlichen Vergleich im Berliner Olympiastadion trafen sich Deutschland und Brasilien, der Welt­ meister spielte gegen den Rekordwelt­ meister, der viermalige forderte den 1 fünfmaligen Titelträger. Kein anderes Fußballspiel vereint mehr Weltmeister­ schaften als der Vergleich zwischen der deutschen Mannschaft und der Seleção.

Diese Paarung bildete den Rahmen für viele Superlative zum anderen auch ­abseits des Rasens. Im Bauch des Olym­ piastadions fand das Jahrestreffen des Clubs der Nationalspieler statt. Es sollte ein Treffen werden, das aus vielen ­Gründen als historisch und einmalig in die Geschichte des DFB eingehen wird.

4.324 Länderspiele in einem Saal

Uwe Seeler verabschiedete sich als ­Vorsitzender des CdN, die ehrenvolle 2 Aufgabe, den Club der Ehemaligen ­anzuführen, wurde übernommen von ­Ehrenspielführer Lothar Matthäus (siehe Bericht ab Seite 6). Das Jahrestreffen war aber nicht nur wegen des Wechsels an der Spitze ein ganz besonderes. Der Club feierte seinen ersten runden Ge­ burtstag – vor zehn Jahren wurde der Zusammenschluss der früheren National­ spieler aus der Taufe gehoben.

Was damals eine Hoffnung war, ist ­heute Realität. Nationalspieler verschie­ dener Epochen treffen sich im und über den CdN, um alte Kontakte zu pflegen, 3 INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 34 | 2018 13

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1_Holger Fach, Dieter Müller. 2_, Eckhard Meyer. 3_Toni Schumacher, DFB-Botschafter Cacau. 4_Rudi Kargus, Reinhard Grindel. 5_, Manfred Manglitz. 6_DFB-Botschafter mit jugendlichem Fan. 7_DFB-Botschafter Thomas Hitzlsperger, Lars Unger.

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neue zu knüpfen, um neue Freund­ Zapf, von alt bis jung. 57 Jahre trennen Bindung der Ehemaligen an den Ver­ schaften zu schließen und alte zu ver­ das jüngste Mitglied, Marcell Jansen band wünscht. Grindel sagte: „Wir wol­ tiefen. Im CdN wird das unsichtbare Band (32), vom ältesten, Willi Sippel (89). Ins­ len Sie einsetzen als Vorbilder für un­ sichtbar, das zwischen sämtlichen Fuß­ gesamt addiert sich die Zahl der Länder­ sere vielfältigen sportlichen, sozialen ballern besteht, die für Deutschland, die spiele der in Berlin vertretenen ehema­ und gesellschaftlichen Aufgaben. Wir DDR oder das Saarland mindestens ein ligen Nationalspieler auf 4.324, eine benötigen Ihre Erfahrung und Expertise, Länderspiel absolviert haben. stolze Summe, ein weiterer Superlativ. als Repräsentanten und Botschafter.“

Man darf sagen, dass die Zusammen­ Begrüßung durch den Präsidenten Drei frische Beispiele dafür, wie diese kunft in der Jesse-Owens-Lounge im Zusammenarbeit aussehen kann, ge­ Olympiastadion des Jubiläums würdig Sie alle wurden von Reinhard Grindel hör­ten zu den Zuhörern. Cacau, der war. Ein Superlativ bildete schon die mit ehrlichen und warmen Worten be­ Inte­grationsbotschafter des DFB, Tho­ Zahl der Gäste: 210 ehemalige Natio­ grüßt. „Herzlich willkommen in Berlin! mas Hitzlsperger, der DFB-Botschafter nalspieler waren trotz Osterferien und Wir freuen uns sehr, mit Ihnen zusam­ für Vielfalt, und Philipp Lahm, der DFB- Grippewelle zum Wiegenfest nach Berlin men den zehnten Geburtstag dieses Botschafter der deutschen EURO-Be­ gekommen. Aus mehreren Generatio­ besonderen Clubs feiern zu können“, werbung. Diese drei standen mit ihren nen, aus allen Regionen Deutschlands, sagte der DFB-Präsident. In seiner An­ Rollen stellvertretend für das Selbstver­ quer durch das Land, quer durch das sprache betonte Grindel auch, dass er ständnis des CdN. Der Club ist vielfältig, ­Alphabet, von Jens Adler bis Manfred sich für die Zukunft eine noch engere er wirkt integrierend, er ist in die Zu­

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1_, Jürgen Sparwasser, Jürgen Croy mit Begleitung. 2_Olaf Thon, Hans-Peter Briegel, Pierre Littbarski. 3_Berti Vogts, Uli Stein. 4_Lothar Kurbjuweit (Mitte). 5_Siggi Held mit Ehefrau Christel. 6_, Stefan Beinlich, Ulf Kirsten. 7_Karl-Heinz Feldkamp, Bernard Dietz. 6 5 INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 34 | 2018 15

kunft gerichtet und feiert gleichwohl ­Jürgen Nöldner, Eberhard Vogel oder Jahrestreffen angenommen hatten zu­ die Vergangenheit. Das betonte auch Manfred Walter. Die Europameister von dem gleich neun Weltmeister von 1990: der DFB-Präsident. „Der DFB wird nie 1972 waren mit Siggi Held und Horst Köp­ Uwe Bein, , Andy vergessen, was er Ihren Erfolgen, Ihren pel vertreten. Die Weltmeister von 1974 ­Köpke, Pierre Littbarski, Lothar Matt­ Leistungen und Ihrem Auftreten zu mit Jupp Kapellmann und . häus, Frank Mill, Andy Möller, Olaf Thon ­verdanken hat“, sagte Reinhard Grindel. und Rudi Völler. Andy Möller gehörte Als echte Elf präsentierte sich das Team, zudem neben Thomas Helmer, Thomas 210 besondere Geschichten das 1976 in Montreal für die DDR mit Strunz und Andy Köpke zu den Reprä­ dem Finalsieg über Polen Olympia­ sentanten der von Berti Vogts gecoach­ Einige dieser Erfolge sollen an dieser sieger wurde: , Jürgen ten Europameister von 1996. Und mit Stelle genannt werden; in historischer Croy, Wilfried Gröbner, Gert Heidler, Philipp Lahm weilte ein aktueller Welt­ Reihenfolge. Auf der Gästeliste standen Martin Hoffmann, Gerd Kische, Lothar meister beim zehnten CdN-Geburtstag. ein halbes Dutzend Spieler, die 1964 Kurbjuweit, Wolfram Löwe, Hartmut mit der Nationalmannschaft der DDR Schade, Gerd Weber und . Sie alle sind Teil der deutschen Fußball- bei den Olympischen Spielen in Tokio Sieben Europameister von 1980 waren Geschichte, genauso wie alle 210 Ex- mit Bronze die erste Olympia-Medaille vor Ort: Bernard Dietz, , Nationalspieler, die in Berlin gefeiert für den deutschen Fußball gewonnen Caspar Memering, Toni Schumacher, haben. Jedes CdN-Mitglied hat eine hatten: Otto Fräßdorf zum Beispiel, Hans-Peter Briegel, Lothar Matthäus ­eigene, eine besondere Geschichte. , , und Calle del’Haye. Die Einladung zum Und alle fühlten sich einmal mehr

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8_, Simon Rolfes. 9_Herbert Laumen, Luggi Müller. 10_Bernd Patzke, Andy Möller, Siggi Held. 11_Klaus Renner, , Manfred Zapf, Dirk Stahmann, Martin Hoffmann, Axel Tyll. 12_Jürgen Nöldner, Manfred Walter. 13_Herbert Laumen, Uli Borowka, Berti Vogts. 14_Hans-Peter Briegel, Bernd Storck. 14 13 INSIDE CDN 16 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

­überaus wohl beim Jahrestreffen des CdN. Man kennt und schätzt sich, und wer sich nicht kennt, lernt einander VON 2008 BIS 2018 BIS ... ­kennen und schätzen.

Fragen und Antworten surrten durch den Raum. Was machen die Kinder, was die Enkel? Was macht das Handicap, was die Gesundheit? Wenn Fußballer auf Fußballer treffen wird natürlich viel über Fußball gesprochen. Über die ­, über die Turbulenzen beim HSV und die prekäre Situation beim rheinischen FC. Und natürlich über die aktuelle Generation der Nationalspieler, die Mannschaft und ihre Chancen bei der bevorstehenden WM in Russland. Dortmund 2008 Gute Stimmung trotz Niederlage

Und dann ging es raus, Fußball gucken. Nach der großartigen Leistung beim 1:1 gegen Spanien vier Tage zuvor in Düsseldorf waren die Hoffnungen groß, auch das Spiel gegen Brasilien würde zu einem Fest des Fußballs werden. In Berlin konnte die Mannschaft an diese Leistung nicht anknüpfen. Brasilien do­ minierte das Spiel und gewann mit 1:0.

Nach 22 Spielen musste der Welt­ meister zum ersten Mal den Platz als Stuttgart 2011 Verlierer verlassen. Damit wurde auch verpasst, einen alten Rekord zu egali­ sieren. Die bislang längste niederlagen­ freie Serie hatte die Nationalmannschaft unter Bundestrainer zwi­ schen 21. Juni 1978 und 1. Januar 1981 mit 18 Siegen und fünf Remis aus 23 Spielen zustande gebracht. Viele anwesende CdN-Mitglieder waren da­ mals als Teil des Teams aktiv.

Die gute Stimmung beim zehnten Ge­ burtstag des Clubs wurde durch das Geschehen auf dem Rasen nicht nach­ Gelsenkirchen 2014 haltig getrübt. Manchmal kommen ­Niederlagen ja zur rechten Zeit und er­ weisen sich im Rückblick als Baustein künftiger Erfolge. So sahen es die ­meisten Geburtstagsgäste. Halb so wild, Mund abputzen, weitermachen. Die ­Statistik des DFB weist nun eine ­Niederlage mehr aus – die Statistik des CdN einen weiteren Erfolg. Trotz des 0:1 gegen Brasilien – das Jubiläumstreffen in Berlin wird 210 ehemaligen National­ spielern immer in bester Erinnerung bleiben. Steffen Lüdeke Dortmund 2017 AKTUELL IM BLICKPUNKT CDN-MAGAZIN 34 | 2018 17 VON 2008 BIS 2018 BIS ...

Hamburg 2009 Berlin 2010

Stuttgart 2011 Frankfurt 2012 München 2013

Köln 2015 München 2016

Dortmund 2017 Berlin 2018 GEWINNT?

Ein flüchtiger Blick genügt, um ein 2017 wurde Frankreich im Handball, Deutsche Nationalmannschaften hatten ­klares Bild zu haben. Deutschland will Weltmeister 2010 und 2014 wurden die bislang drei Mal die Gelegenheit, auf wieder Weltmeister werden, und wer USA im Basketball, Australien im Hockey. einen Triumph den nächsten zu setzen. sich anschaut, wie erfolgreich die Unter­ Nach den Titeln 1954, 1974 und 1990. nehmen Titelverteidigung auf globaler Was in anderen Sportarten eher ­Regel Ebene zuletzt gewesen sind, der sieht als Ausnahme war, ist im Fußball seit Blaues Wunder in Göteborg eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein 56 Jahren nicht mehr geschehen. 1958 Gelingen. In jüngerer Vergangenheit hat in Schweden wurde Brasilien Welt­ Auf das Wunder von Bern folgte 1958 Frankreich den Titel zwei Mal in Folge meister, mit dem 17-jährigen Pelé, das blaue Wunder von Göteborg. Das gewonnen, auch den USA ist dieses 1962 in Chile war Pelé 21 Jahre alt und Turnier in Schweden begann standes­ Kunststück gelungen, genauso wie Aus­ Brasilien wurde erneut Weltmeister. In gemäß. Nach dem Sieg gegen Argen­ tralien. Das Problem: Für den Fußball, für der Fußballhistorie gelang das Kunst­ tinien (3:1) und den Remis gegen die Joachim Löw und die deutsche Natio­ stück der Titelverteidigung insgesamt Tschechoslowakei (2:2) und Nordirland nalmannschaft, treffen diese Erfolge lediglich zwei Mal: Italien holte den (2:2) belegte die Mannschaft von Sepp keine Aussage. Weltmeister 2015 und ­Titel in den Jahren 1934 und 1938. Herberger in Gruppe 1 Platz 1. BLICKPUNKT WM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 19

Mit scheinbar aussichtslosen Unterfangen kennt die deutsche ­Nationalmannschaft sich bestens aus. Noch nie war es einem Team aus Europa gelungen, bei einer WM in Südamerika zu trium­ phieren. Dann kam die WM 2014, dann kamen Götze Mario und das Maracana Estadio. 2018 will Deutschland wieder Weltmeister werden. Noch keiner deutschen Nationalmannschaft ist dieses Kunststück gelungen, 1958, 1978 und 1994 kam das Aus jeweils zu früh. Und 2018? Gibt es gute Gründe, die Statistik beiseite zu GEWINNT? legen und optimistisch ins Turnier zu gehen.

Im Viertelfinale setzte sich der Welt­ Das Spiel begann dennoch gut für Juskowiak in der 59. Minute und der meister nach einem Tor von Helmut Deutschland, Helmut Rahn erzielte in Verletzung von Fritz Walter in der Rahn mit 1:0 gegen Jugoslawien durch. der 24. Minute das 1:0 für den Titel­ 75. Minute wurde der Druck zu groß. Es folgte das Halbfinale gegen die verteidiger. Doch die Führung währte Gunnar Gren (81.) und Kurt Hamrin ­Gastgeber, es folgte ein besonderes nur kurz – in der 32. Minute traf Lennart (88.) erzielten in der Schlussphase zwei Spiel mit einer besonderen ­Atmosphäre. Skoglund für Schweden zum 1:1. Nach Tore und beendeten die deutschen Die Fans im Ullevi-Stadion feuerten die dem Seitenwechsel wurde die Stim­ Träume vom zweiten WM-Titel in Serie. Gastgeber frenetisch an, lautstark und mung immer hitziger – und das über­ andauernd. Was heute Standard ist, trug sich auch auf den Rasen. Uwe „I wear narrisch“ war damals international unüblich. Und ­Seeler erinnert sich. „Wir Spieler haben die Stimmung auf den Rängen hatte uns nicht so sehr beeinflussen lassen“, Die nächste Chance zum Titel-Doppel Einfluss aufs Spiel. „Lautes Anfeuern sagt er. „Der Schiedsrichter schon.“ hatte Deutschland 1978 in Argentinien. war damals in Deutschland noch kaum Mehrere Entscheidungen des Ungarn Die Mannschaft von Helmut Schön bekannt. Wir waren nicht daran ge­ István Zsolt waren diskussionswürdig, ­hatte allerdings nicht mehr viel mit dem wöhnt“, sagt Torhüter Fritz Herkenrath. und nach dem Platzverweis für Erich Team gemein, das vier Jahre zuvor in BLICKPUNKT WM 20 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

Deutschland Weltmeister geworden war. Nur sechs Spieler waren geblieben: , Berti Vogts, , Bernd Hölzenbein, „Katsche“ Schwarzen­ beck und Bernd Cullmann. Der Bundes­ trainer flog wenig optimistisch nach Ar­ gentinien, seinen Memoiren vertraute er an: „Vor dem Abflug glaubte ich nicht, dass die deutsche Nationalmannschaft noch einmal Weltmeister werden könnte.“

Er sollte Recht behalten. In der Vor­runde erzielte Deutschland in drei Spielen sechs Tore; mit ungünstiger Verteilung. Das Team gewann 6:0 gegen Mexiko, 1 die Partien gegen Polen und Tunesien 2 endeten torlos. In der Zwischenrunde mit Italien, den Nieder­landen und Öster­ reich ging es ähnlich weiter. Das 0:0 gegen Italien war die dritte Nullnummer im vierten Spiel. Im zweiten Zwischen­ runden-Spiel kam es zur WM-Revanche von München. In Cordoba trafen Deutschland und Holland aufeinander – und boten eines der besten Spiele ­dieser WM. Das Ende kam einem be­ kannt vor – Unentschieden Nummer vier, diesmal immerhin ein 2:2 (1:1).

Dann kam das Spiel gegen Österreich, dann kam der Tag, der „Cordoba“ be­ rüchtigt machte. Noch immer klingt ORF-Reporter Edi Finger in den Ohren. Es läuft die 88. Minute, 2:2 der Spiel­ stand. An dieser Stelle übernimmt Edi Finger: „Da kommt Krankl in den Straf­ raum – Schuss … Tooor, Toor, Tooor, Toor, Toor! I wear narrisch! Krankl Sieger verließ und sich souverän für das vom Punkt in Führung geschossen hatte. schießt ein – 3:2 für Österreich.“ Achtelfinale qualifizierte. In Chicago Kurz darauf hatte Andy Möller die Ent­ traf Deutschland auf Belgien und bot scheidung auf dem Fuß. Möller traf – Die Träume enden in New York den Pfosten. Statt 2:0 hieß es wenig später 1:2. Christo Stoitschkow ver­ Bei der Mission Titelverteidigung 1994 wandelte einen Freistoß (75.), Jordan vertraute Bundestrainer Berti Vogts den «ICH WERDE HELD Letchkow einen Freikopfball (78.). 90er-Weltmeistern. Zwölf standen auch ODER VATERLANDS- vier Jahre später noch im deutschen Lahm ist optimistisch Kader. Der Bundestrainer setzte auf VERRÄTER.» ­Erfahrung, 29 Jahre alt waren seine (Berti Vogts) Und 2018? Folgt auf den Titel 2014 der Spieler im Schnitt, älter war ein deut­ nächste Titel? In Brasilien hat Deutsch­ scher WM-Kader bis dahin nie gewesen. land gezeigt, dass es in der Lage ist, Vogts wusste um den Druck. „Ich werde ungünstige Prognosen zu wiederlegen Held oder Vaterlandsverräter“, sagte er. die bis dahin überzeugendste Turnier­ und hat als erstes europäisches Team leistung. Rudi Völler traf doppelt, ­Jürgen bei einer WM in Südamerika triumphiert. Um es vorwegzunehmen: Zum Helden Klinsmann einfach, am Ende stand ein Von einem Malus durch die Rolle als wurde Vogts erst 1996. In den USA 3:2-Erfolg und der Einzug ins Viertelfinale. Weltmeister will der Weltmeisterkapitän ­fehlte seinem Team von Beginn an die nichts wissen. Für Philipp Lahm ist es Leichtigkeit. Wobei Deutschland mit In New York wartete Bulgarien. Und bei einer WM völlig unerheblich, wer den Siegen gegen Bolivien (1:0) und nicht viel sprach für das, was kommen vier Jahre zuvor den Titel gewonnen Südkorea (3:2) sowie einem Remis sollte. Erst recht nicht, nachdem Lothar hat. Der Titelverteidiger habe nicht ­gegen Spanien (1:1) die Gruppe C als Matthäus Deutschland in der 47. Minute ­größere oder kleinere Chancen, weil er BLICKPUNKT WM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 21

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1_Shakehands nach hitzigem Spiel. Horst Eckel zeigt sich als guter Verlierer nach dem 1:3 im WM-Halbfinale gegen Gastgeber Schweden. 2_Der erste Streich. Hans Krankl trifft in den Winkel zum 2:1 bei der WM 1978. Krankls Tor zum 3:2 machte Edi Finger und ganz Österreich „narrisch“. 3_Christo Stoitschkow läuft an und erzielt das 1:1. Das Tor war der Anfang vom Ende der deutschen Träume im WM-Viertelfinale 1994.

als Titelverteidiger ins Turnier geht, sagt nie der neue Weltmeister. Für das Tur­ den Titel zu verteidigen. Vergeblich. Für er. Als Deutschland vor vier Jahren nier in Russland ist dies ausdrücklich die WM 2018 und die deutsche Natio­ Weltmeister wurde, hat Lahm erlebt, wie keine Prognose. Gesetz der Serie ist nalmannschaft muss also ein anderes Titelverteidiger Spanien 1:5 gegen die schließlich auch, dass jede Serie einmal Motto gesetzt werden: 4 gewinnt. Niederlande und 0:2 gegen Chile verlor reißt. Aller guten Dinge sind drei, sagt und damit schon nach zwei Spielen der man. Drei Mal hat Deutschland versucht, Steffen Lüdeke Vorrunde chancenlos war. Lahm hat dies nur am Rande wahrgenommen. „Man beschäftigt sich nicht mit dem Titel­ WM 2018: UNSER FAHRPLAN verteidiger“, sagt er. „Als Spieler kon­ zentriert man sich auf seine Leistung 15. Mai: Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders im und seine Mannschaft.“ Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. 23. Mai: Beginn Trainingslager in Eppan/Südtirol. Seinen Nachfolgern in der National­ mannschaft traut Lahm in Russland viel 2. Juni, 18:00 Uhr: Testspiel in Klagenfurt gegen Österreich. zu, natürlich auch die erneute Welt­ 4. Juni: Meldeschluss für den 23-Mann-Kader bei der FIFA. meisterwerdung. „Es sind immer die gleichen Nationen, um die es sich dreht, 8. Juni, 19:30 Uhr: Testspiel in Leverkusen gegen Saudi-Arabien. und der Titelverteidiger ist auf jeden 17. Juni, 17:00 Uhr: Gruppenspiel gegen Mexiko. Fall dabei“, sagt Lahm. Das Kunststück, 23. Juni, 20:00 Uhr: Gruppenspiel gegen Schweden. Titel an Titel zu reihen, ist zuletzt Brasi­lien 1962 gelungen. Bei den 13 Weltmeister­ 27. Juni, 16:00 Uhr: Gruppenspiel gegen Südkorea. schaften seitdem wurde aus dem alten BLICKPUNKT WM 22 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

GOLDENES SÜDTIROL

Was garantiert Deutschland bei der WM das Halbfinale? Zum einen, dass der Bundestrainer Joachim Löw heißt. Dann ist das schon mal ­sicher – wie 2010 und im glorreichen Jahr 2014 (und 2006, als er Jürgen Klinsmann assistierte). Und zum anderen eine Vorbereitung in Südtirol! Wie 1990, 2010 und 2014 – daraus ent­sprangen zwei Titel und ein großartiges Turnier, das mit Platz 3 belohnt wurde. 2018 geht es wieder nach Südtirol – rein rechnerisch ist der Titel damit bereits zu 66 Prozent sicher. Das CdN-Magazin gibt ­einen Überblick über die Trainingslager in Südtirol.

1990: Hotel Seeleiten, Kaltern ­lautet wie folgt: wir tauschen Adis Kof­ er, der Bedeutung des Augenblicks fer aus, setzen in den falschen Koffer gänzlich unangemessen, seelenruhig Alle sind eingeweiht, nur der Hase weiß einen echten Hasen und simulieren sitzen. Trotzdem versichert Thomas von nichts. Kaltern in Südtirol, Vorbe­ ­eine schwere Verletzung im Training. Berthold noch Jahrzehnte später: „Alle reitung, die letzte Station vor der Reise Wenn der Adi dann besorgt herangeeilt gröhlten und lachten sich halbtot.“ ins WM-Quartier: Bundestorwarttrainer kommt, springt ihm nicht das Kühl­ Sepp Maier, ehrenamtlich als Bundes­ spray entgegen, sondern der Hase. Einen Tag später brach der Tross gen spaßvogel im Dauereinsatz, hat wieder Den Schurken in dieser Komödie gibt Süden auf. Mit dem Gefühl, gut vor­ mal was ausgeheckt und alle machen Andy Brehme, der plötzlich wie vom bereitet zu sein und Freunde zu hinter­ mit. Hauptsache, der Sepp hat einen Blitz getroffen zusammensackt. Er lassen. In der Vitrine des Hotels hängt nicht selbst im Visier, denken sich die krümmt sich und jammert erbärmlich – noch heute ein Foto des Hoteliers mit deutschen Nationalspieler, die sich in bis Katzenmeier schließlich eintrifft dem WM-Pokal, denn Hoteldirektor jenen Tagen anschicken, zum dritten und den Koffer hastig öffnet. Franz Moser durfte mit auf die Sieger­ Mal Weltmeister zu werden. Und dies­ party in Rom. Dass Littbarski ihm den mal trifft es den allseits beliebten Doch der Hauptdarsteller verpatzt sei­ Pokal überraschend zuwarf und ihn am Adi Katzenmeier, DFB-Physiotherapeut nen Einsatz. Niemand hatte dem Hasen Bein traf – geschenkt. Die Narbe trägt er und ehrenamtlicher Seelenmasseur. gesagt, dass er gefälligst effektvoll aus mit Stolz. Wer hat schon ein Andenken Der Schlachtplan an diesem 7. Juni dem Koffer springen soll. Und so blieb vom WM-Pokal am Leib? 2010: Hotel Weinegg, Girlan kam vorbei und hielt auf dem Trai­ fahren in den Weinbergen und zog sich ningsplatz einen Motivationsvortrag Schürfwunden an Kinn und Knien zu. Die Bild-Zeitung hatte im Dezember zum Thema Überwinden von Wider­ 2009 zwar vermeldet, es gehe wieder ständen. Es gehe darum, „Energie zum Hoch oben in den Alpen entstand in ins Hotel Seeleiten („Da kann eigent­ Fliegen zu bringen. Eine WM wird in der ­jenen Mai-Tagen eine Trotzreaktion im lich nichts mehr schief gehen“), aber Psyche gewonnen, nicht in den Beinen“, deutschen Lager, die die über­ die Wahl fiel dann auf das 7,1 Kilometer sagte er den andächtig lauschenden zeugenden Leistungen später auch nördlich an der Weinstraße gelegene Spielern. Trotzdem wurde es nichts mit ­erklärt. „Wir werden deshalb noch Hotel Weinegg in Girlan. Das Fünf-­ dem WM-Titel in Südafrika, denn nie ­enger zusammenrücken. Ich glaube, Sterne-Hotel führte auch ein Herr hatte eine Nationalmannschaft im Vor­ dass wir ­eine eingeschworene Ge­ ­Moser; Bruno, der Bruder des vom Pokal feld einer WM mehr Verletzungspech meinschaft sind“, prophezeite Vertei­ gezeichneten Franz. Die Mountain- gehabt. und René Adler, diger Arne Friedrich. Das bewiesen sie Bikes, die die Nationalspieler auf dem Kapitän und Torwart Nummer 1, erwisch­ mit teils gran­diosem Fußball, der mit Weg zum am Waldrand gelegenen Trai­ te es noch vor der Ab­reise im Spielbe­ Platz drei fast noch zu gering belohnt ningsplatz fuhren, stammten dank brü­ trieb. Ebenso Simon Rolfes. Im Rahmen wurde. In kürzester Zeit eine neue derlicher Hilfe gar aus dem See­leiten. des Trainingslagers kamen Christian ­Hierarchie bilden und ein Team fin- Der in der Nachbar­schaft wohnende Träsch und Heiko Westermann­ hinzu. Und den – das war das Ergebnis der Tage König der Bergsteiger, Reinhold Messner, Thomas Müller stürzte beim Fahrrad­ im idyl­lischen Weinbaugebiet. BLICKPUNKT WM 1 24 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

2014: Hotel Andreus, St. Leonard 4 „Unsere Freunde aus Südtirol haben uns 2 wieder eingeladen, und dieser Ein­ ladung sind wir sehr gerne gefolgt“, ­erklärte Manager Ende 2013. Anderer Ort, selbe Region. ­Warum nicht? Die Rahmenbedingungen dürf­ ten passen, das lehrte die Erfahrung. Das Passeiertal galt bei Wanderern als Geheimtipp, den Fußballern der National­ mannschaft musste man das nicht mehr sagen. Trotz der sportlichen Sorgen um die angeschlagenen Stammkräfte , Philipp Lahm, Bastian Schwein­ steiger und Sami Khedira wurde zu­ nächst viel gelacht. Über Thomas Müller, 5 der nach einer verlorenen Golfpartie den Mitspielern das Abendessen im Dirndl servieren musste. Oder über 3 ­Lukas Podolski, der einen Münchner Journalisten in den Hotelpool warf. Im Quartier ging es fröhlicher zu als es die Schlagzeilen glauben machen wollten. „Chaos-Weltmeister sind wir schon“, ­titelte Bild am 30. Mai, als bekannt ­wurde, dass bei einem Werbetermin zwei Zuschauer am Wegesrand von einem Rennwagen erfasst und verletzt wur­ den. Der DFB konnte nichts dafür, die Gastgeber konnten nichts dafür. Und doch überlagerte der Zwischenfall die öffentliche Darstellung über die dritte 6 WM-Vorbereitung in Südtirol.

Intern sah man es anders. Nach der ­Abreise sagte Oliver Bierhoff der Welt Zum vierten Mal ist Manfred Call (63) am Sonntag: „Die Tage in Südtirol waren sicherlich geprägt von vielen Schlag­ Projektleiter des Trainingslagers in Südtirol. zeilen, auch von tragischen. Ich hätte mir positive Schlagzeilen gewünscht, Herr Call, Ihr erstes Mal war das das war nicht optimal. Aber es war ­Trainingslager vor der WM 1990 am nichts, was die Mannschaft in ihrer Kal­terer See. Welche Erinnerungen ­Arbeit beeinträchtigt hat.“ haben Sie an diese Zeit? Für mich hat sich damals vieles unwirk­ Man hatte schließlich wieder eine gute lich angefühlt, als würde ich träumen. Wahl getroffen. Herrliches Wetter, kurze Ich muss nur auf die Zimmerliste schauen: Wege, Ruhe, ein wunderschön an einem Da finden sich Namen wie Franz Bach gelegener Trainingsplatz mit eigens ­Beckenbauer, Lothar Matthäus, Andy eingesätem Rasen, freundliche Gast­ Brehme, Jürgen Klinsmann, Rudi Völler. geber. Südtirol hielt wieder, was es seit Für mich waren das Vorbilder, Idole. dem ersten Tag im Juni 1990 verspro­ Ich konnte kaum begreifen, dass mein chen hatte. Und es war wieder der Aus­ Leben eine Geschichte schrieb, die mich gangspunkt für eine erfolgreiche WM. zumindest teilweise mit Fußball-Stars wie ihnen zusammenführte. Für mich Udo Muras war das wirklich etwas ganz Besonderes. BLICKPUNKT WM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 25

1_Gelungener Start. Die National­ mannschaft 1990 vor der Abreise zur WM in Italien. 2_Mal was anderes. Jérôme Boateng auf dem Mountain-Bike. 3_Aus Südtirol nach Südafrika. 2010 war Platz drei ein großer Erfolg. 4_In den Jahren ist zwischen der Region und dem DFB eine spezielle Verbindung gewachsen. 7 5_Reinhold Messner spricht über seine ­Erfahrungen in Extremsituationen. 6_Das Quartier 2018. Das Hotel Weinegg hat sich für den Weltmeister herausgeputzt. 7_Zum Glück nicht mehr passiert. Thomas Müller leicht gezeichnet nach seinem Fahrradsturz. 8_Gruppenbild mit Damen. 2014 kurz vor 8 dem Aufbruch zum WM-Titel in Brasilien.

Sie waren damals ganz nah dran und den Spielern abends hin und wieder mal in Ruhe zu lassen. Ich glaube, dass mir haben mit der Mannschaft im Hotel ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken. das bislang immer ganz gut gelungen ist. Seeleiten gewohnt. Ja, ich war mittendrin. Mein Zimmer lag Trauern Sie diesen Zeiten nach? Wie erleben Sie die Turniere? Wie sehr zwischen dem von Pierre Littbarski und Nein. Der Fußball hat sich unfassbar fiebern Sie mit der Mannschaft mit? dem von Sepp Maier. entwickelt, auf allen Ebenen ist alles Wie soll ich das ausdrücken? Bei mir ist professioneller geworden. Wenn man es extrem. Man spielt zwar nicht mit, Ausschließlich Vorteile hatte das nicht. sich dem nicht anpasst, ist es unmög­ aber irgendwie fühlt man sich als Teil Für meinen Schlafhaushalt war es un­ lich, auf dem höchsten Niveau zu be­ des Teams. Oliver Bierhoff sagt zurecht, günstig. (Lacht) Sepp Maier­ pflegte sehr stehen. Außerdem bin ich ohnehin ein dass auf dem Niveau von Weltmeister­ spät ins Bett zu gehen. Und ich musste Typ, der sich lieber im Hintergrund hält. schaften Kleinigkeiten entscheiden. morgens immer ganz früh raus, um die Ich sehe mich als Dienstleister, ich ­helfe, Und wenn Südtirol und Eppan mit Lieferungen für das Hotel entgegen­ wo ich helfen kann. Kontakt zu den ­optimalen Bedingungen am Ende des zunehmen. Für mich war es natürlich Spielern habe ich nie gesucht. Für mich Tages ein Mosaikstein auf dem Weg zur dennoch eine unglaublich schöne Zeit. lautet eine Zielsetzung für das Trai­ Titelverteidigung sind, dann ist das Damals war es auch noch ­möglich, mit ningslager: die Spieler so viel wie möglich schon ganz schön viel. BLICKPUNKT WM 26 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

KURÁNYI, TASCI, FATHI DEUTSCHE NATIONALSPIELER UND IHRE ERFAHRUNGEN IN RUSSLAND

RARITÄTEN IN RUSSLAND

Die finanziellen Rahmenbedingungen sind ­verlockend. Das sportliche Niveau ist durchaus ­attraktiv. Aber: Die Anreise zu einem Punktspiel dauert schon mal neun Flugstunden. Und Spiele bei minus 20 Grad sind keine Seltenheit. Vielleicht fanden deshalb bisher nur wenige deutsche National- spieler den Weg in den russischen Spitzenfußball. Mit Blick auf die WM 2018 in Russland fühlen­ sich Kevin Kurányi, Serdar Tasci und Malik Fathi­ ­dennoch an gute Zeiten erinnert.

1_Kevin Kurányi in Moskau: fünf Jahre, 123 Spiele, 50 Tore. 2_Für Deutschland spielte Kurányi die EM 2004, den Confed-Cup 2005 und die EM 2008. 1 BLICKPUNKT WM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 27

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Seine Vorfreude auf diese Dienstreise ist eine solche Vita hat, muss offen für spürbar groß. Wer wie Kevin Kurányi Neues sein. Kurányi gelingt es schnell, seine aktive Karriere beendet hat und in einer fremden Welt heimisch zu dann an alter Wirkungsstätte ins Ram­ ­werden und erfolgreich zu sein. Er über­ penlicht zurückkehren wird, schwelgt windet sprachliche Hürden, umdribbelt in einer Mischung aus Wehmut und Vor­ kulturelle Unterschiede und wird ver­ freude. Wenn die Weltmeisterschaft traut mit einem Land, das so manchem 2018 vom 14. Juni bis 15. Juli in Russ­ West-Europäer sehr fremd vorkommt. land ausgetragen wird, fühlt sich der frühere Profi von Dynamo Moskau an Mittlerweile ist Kurányi 36 Jahre alt, er gute Zeiten erinnert. „Die Mentalität der arbeitet als Spielerberater und setzt sich Russen gefällt mir. Am Anfang sind sie in Brasilien für wohltätige Zwecke ein. zurückhaltend. Aber wenn sie dich lang­ Fünf erfolgreiche Jahre bei Dynamo sam kennengelernt haben, sind sie sehr Moskau machen ihn zu einem begehrten­ offen und sehr herzlich“, sagt Kurányi. Russland-Fachmann. Seine schlimmste Erfahrung? Bei minus 22 Grad ein Liga­ Der ehemalige Nationalspieler, der spiel zu bestreiten. Sein schönstes Erleb­ ­zwischen 2003 und 2008 als Profi des nis? Mit Dynamo 2014 ungeschlagen FC Schalke 04 und des VfB Stuttgart die Gruppenphase der Europa League 52 Länderspiele für den DFB absolviert zu überstehen. Sein Urteil über die und dabei 19 Tore erzielt hat, gehört Premjer-Liga: „Sie hat sich sehr gut ent­ zum ARD-Expertenteam. Diese Wahl lag wickelt, aber auch sehr starke Konkur­ nah: Kurányi­ weiß schließlich aus ei­ renz. Spieler auf Top-Niveau zu bekom­ gener Erfahrung, welche Qualitäten und men, ist nicht einfach. Die anderen ­welche Probleme das WM-Gastgeber­ Ligen haben nun einmal einen anderen land und der russische Fußball haben. Namen und sind viel weiter.“

Zu kalt, zu anders, zu weit weg Zu kalt, zu anders, zu weit weg: Diese Ansichten über Russland sind es Rückblende in den Sommer 2010. ­offenbar, die dafür sorgen, dass die ­Kurányi wechselt vom FC Schalke 04 in Premjer-Liga eine überschaubare Anzie­ die russische Premjer-Liga. In Brasilien hungskraft für deutsche Profis besitzt. geboren, beim VfB Stuttgart zum Be­ Das Beispiel Roman Neustädter ver­ rufs-Fußballer gereift, von Gelsen­ deutlicht dies. Neustädter wurde in kirchen nach Moskau gewechselt: Wer ­Dnipropetrowsk geboren und war als BLICKPUNKT WM 28 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

Sohn russischer Spätaussiedler nach „Vor zwei, drei Jahren wurden noch Deutschland gekommen. 2012/2013 mehr große Namen geholt. Das hat sich hat er zwei A-Länderspiele für die DFB- ein wenig geändert. Aber es ist immer Auswahl bestritten. 2016 schloss er sich noch genügend Qualität in der Liga“, der russischen Nationalmannschaft an, findet Serdar Tasci. Der ehemalige rechtzeitig, um die EM in Frankreich für ­deutsche Nationalspieler, einst beim Russland spielen zu können. Er hat also VfB Stuttgart und dem FC Bayern Mün­ eine sehr enge Bindung an Russland – chen aktiv, ist mit Spartak 2017 russi­ seine Erfahrungen als Profi hat er gleich­ scher Meister geworden. „Das Leben wohl stets außerhalb von Russland hier ist einfach anders, aber sehr schön“, ­gesammelt. „Aber man sieht schon, sagt er. Nach fast fünf Jahren in Russ­ dass eine Entwicklung im Fußball in land denkt der 30-Jährige dennoch Russland stattfindet“, sagt Neustädter. ­gerade über seinen Abschied nach. Die westeuropäischen Ligen haben weiter­ Zwei Deutsche in Moskau hin eine deutlich größere Anziehungs­ kraft als die Premjer-Liga. Als guter Indikator dafür, wie sich der russische Fußball entwickelt, dient ein Fathi: Lust auf Neues 1 Blick hinter die Kulissen von Loko­motive Moskau. Der russische Meister von 2002 Vor allem von der WM, die in elf russi­ und 2004 gehört in der aktuellen Saison schen Städten ausgetragen wird, erhofft zu den Top-Teams. Den Weg zurück an sich der nationale Fußball einen Auf­ die Spitze hat sich Lok mit deutscher wind. Russland will sich als offen, gast­ Hilfe gebahnt. Der Mülheimer Erik Stof­ freundlich und modern präsentieren. felshaus, ehemaliger Teammanager von Und von der Infrastruktur mit fast 100 Trainingsplätzen, die extra für die WM entstehen, soll auf lange Sicht der «RUSSLAND WAR russische Nachwuchs profitieren. EINFACH ANDERS. Einen sehr ungeschminkten Einblick in seine Erlebnisse als Profi in Russland ES WAR EINE gewährt Malik Fathi. Fathi hat sich nach SPANNENDE ZEIT.» seiner Zeit bei Hertha BSC in Moskau versucht. „Ich hatte Lust, etwas Neues (Malik Fathi) zu entdecken. Und Russland war einfach anders. Es war eine spannende Zeit. Da tauchst du in eine andere Welt ein“, sagt Bundesligist Schalke 04, ist seit Anfang Fathi. Von 2008 bis 2010 stand er bei 2017 Sportdirektor in der russischen Spartak Moskau unter Vertrag. Mittler­ Hauptstadt. Mit Chefscout Willi Kron­ weile spielt der 34-Jährige, der zwei hardt, früherer Profi in der 2. Bundes­ Länderspiele für Deutschland bestritten liga, steht ein weiterer Deutscher in hat, beim spanischen Drittligisten Atlé­ Moskau unter Vertrag. „Es gibt in Russ­ tico Baleares auf Mallorca. „Als Fuß­ 2 land sehr viel Potenzial. Wir müssen uns baller in Russland ist es zum Anfang vor den Topklubs in Deutschland nicht schwer. Du musst diese Nuss knacken, verstecken“, sagt der in der ehemaligen weil die Menschen erst einmal sehr Sowjetunion geborene Kronhardt. Er ­distanziert, aber dann sehr herzlich leistet in Moskau Pionierarbeit und freut sind“, sagt der gebürtige Berliner. ­einem Auswärtsspiel in Wladiwostok sich darüber, dass die besten Akademien antreten. Das liegt am japanischen in Russland dem Beispiel der Nach­ Neun Flugstunden Anreise Meer, neun Flugstunden von Moskau wuchsförderung in Deutschland folgen. entfernt“, erinnert sich Fathi. Der frühere Spartak-Profi Fathi erinnert Der Blick durch die Kader der besten sich an eine lehrreiche Zeit mit vielen Der russische Weg in den internationa­ russischen Mannschaften zeigt: Immer wertvollen Erfahrungen, stuft Russland len Spitzenfußball ist kurvig. Die besten wieder wird in der Premjer-Liga ver­ aber nicht als erste Adresse im Spitzen­ Teams der nationalen Liga setzen in den sucht, durch punktuelle Verstärkungen fußball ein. Er hat auch nicht vergessen, europäischen Wettbewerben aber aus dem Ausland Glanzlichter zu setzen. wie sich der Ligaalltag anfühlt. Wenn in ­regelmäßig Ausrufezeichen. Bei der WM Die besten Teams wie ZSKA Moskau, der sibirischen Kälte ein Punktspiel an­ hofft Russlands Nationalmannschaft, FK Krasnodar und Spartak Moskau leis­ steht oder kuriose Anreisen zu bewäl­ sich in der Vorrunde gegen die Kon­ ten sich teure Profis aus besseren Ligen. tigen sind. „Wir mussten einmal zu kurrenz aus Saudi-Arabien, Ägypten BLICKPUNKT WM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 29

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1_Serdar Tasci ist Führungsspieler bei Spartak Moskau. 2_Zweikampfsieger gegen Lionel Messi. Bei der WM 2010 wird Tasci mit Deutschland Dritter. 3_Malik Fathi bei seinem Debüt für Deutschland im Spiel gegen Schweden. 4_Bei Spartak Moskau war Fathi ­ungewohnt treffsicher. In jedem sechsten Spiel war er erfolgreich.

und Uruguay durchsetzen zu können, ist ausbaufähig. Aber dabei wird die Kurányi hat fünf Jahre lang vorge­ um damit große Euphorie entfachen Weltmeisterschaft helfen“, meint Russ­ macht, wie man sich in einer Metropole zu können. Das Land benötigt Siege land-Experte Kevin Kurányi. Seiner wie Moskau zurechtfindet, mit Hilfe der russischen Mannschaft, um ein Meinung nach verfügten die euro­ von ­Toren zum Liebling der Zuschauer Land für eine Sportart zu begeistern, in päischen Topligen, obwohl im Fußball aufsteigt und am Ende viele neue der Russland international noch keine in Russland viel Geld investiert werde, Freunde gewinnt. Sein Bild von Russ­ großen Titel gewonnen hat. immer noch über einen großen Vor­ land ist trotz so mancher Besonderheit sprung. Vor ­allem die spieltaktische des Landes ein sehr positives. „Die Fußball nicht die Nummer eins Ausbildung wird von Kennern der ­politische Lage ist nicht einfach“, sagt Premjer-Liga nach wie vor bemängelt. Kurányi. „Aber mit Hilfe des Sports „Fußball ist in Russland hinter Eis­ Dazu kommt so manche Ungewissheit lässt sich viel erreichen.“ hockey die Sportart Nummer zwei. potenzieller Profis­ darüber, wie es sich Die Stimmung in den Fußballstadien als Aus­länder in Russland lebt. Christian Otto VEREIN IM FOKUS 30 CDN-MAGAZIN 34 | 2018 JOGIS VIERZEHN Es gibt eine spezielle Tabelle, in der nicht der deutsche Rekordmeister FC Bayern München Spitze ist, sondern Bayer 04 Leverkusen. Es ist die Rangliste mit der Anzahl der Debütanten während der Ära von Joachim Löw – mit bisher 14 Neulingen in der DFB-Auswahl belegt der Werks-Klub unangefochten den ersten Platz. Ein Bericht über eine Talenteschmiede, in der Wunsch, Anspruch und Wirklichkeit fast nahtlos ineinander übergehen.

Ein paarmal war Bayer Leverkusen ganz Dies belegen unter anderem die per­ Bundestrainer Joachim Löw die meis­ nah dran – doch der Traum von der sonellen und die persönlichen Bin­ ten Debütanten abgestellt hat: 14. ­ersten Deutschen Meisterschaft hat sich dungen an die deutsche National­ ­Danach folgen mit dem FC Schalke 04 für die Werkself noch nicht erfüllt. Das mannschaft. Dafür steht nicht nur (zehn) und (neun) Etikett „Vizekusen“ ist gleichwohl unan­ Sportdirektor Rudi Völler. Dem Welt­ zwei weitere westdeutsche Vereine. gebracht, zumindest, wenn es als Syno­ meister von 1990 und Vize-Weltmeister Der FC Bayern, im deutschen Fußball nym für fehlenden Erfolg stehen soll. von 2002 (als Teamchef) gefällt in das Maß aller Dinge, taucht in diesem Denn tatsächlich war und ist Bayer 04 ­diesem Zusammenhang eine Statistik, ­Ranking mit nur drei Spielern (Thomas Leverkusen auch ohne den Sehnsuchts­ nach der Bayer Lever­kusen in der Müller, Holger Badstuber und Joshua titel seit Jahren sehr erfolgreich. bald zwölf Jahre wäh­renden Ära von Kimmich) erst weiter hinten auf.

BAYER DEUTSCHLAND

KIESSLING (6)

BELLARABI (11) BRANDT (14)

SAM (5) HENRICHS (3)

KROOS (8) ROLFES (26)

CASTRO (5) TAH (3) L. BENDER (19)

ADLER (10)

AUF DER BANK: Bernd Leno (6), Stefan Reinartz (3) Anzahl der Länderspiele in Klammern und Philipp Wollscheid (2). VEREIN IM FOKUS CDN-MAGAZIN 34 | 2018 31

Nicht nur Eigengewächse dem Juniorchef der Bayer-Abwehr, und ­ihren Einstand in der Nationalmann­ bei Julian Brandt, einem rasanten, trick­ schaft gefeiert haben:­ Neben Tah, „Sie holen fertige Profis, ist ja klar“, reichen Flügelstürmer mit hoher Spiel­ Brandt und Henrichs waren das Tor­ sagt Völler mit Blick nach München intelligenz. Beide feierten ihre Premiere hüter Bernd Leno sowie die Feldspieler über eine­ Tabelle, die Leverkusen zwar im Team des Weltmeisters vor zwei Karim Bellarabi, Stefan Kießling und zu keinem Titel, aber zu viel Aner­ Jahren als 20-Jährige und gehören Lars Bender. Den Weg von Leverkusen kennung ob der Arbeit im eigenen ­seitdem zum erweiterten (Tah) oder zu Löw hatten vorher bereits Toni ­Nachwuchsleistungszentrum und in zum engeren (Brandt) Kreis der Natio­ Kroos, Gonzalo Castro, Simon­ Rolfes, der Bundes­ligamannschaft verhilft. nalmannschaft. Beide waren und sind Stefan Reinartz, René ­Adler, Sidney „Am liebsten würden wir unsere vor der Nominierung des vorläufigen Sam und Philipp Woll­scheid gefunden. jungen Spieler wie Benjamin Hen- Kaders für die Weltmeisterschaft in Jogis Vierzehn also. richs oder Kai Havertz alle selbst Russland in diesem Sommer aber realis­ ­ausbilden“, sagt Völler, wohl wissend, tisch genug, um aus ihren bisherigen Medaillenregen in Leverkusen dass dieser Wunsch unerfüllbar ist. Einsätzen für den Weltmeister keine ­Daher – so Völler­ – reichern die Lever­ konkreten Ansprüche auf eine Teil­ Dass Bayer im vergangenen Jahrzehnt kusener ­ihren eigenen Talente-Pool nahme an der WM abzuleiten. zum zuverlässigen Lieferanten für die ­alle Jahre wieder mit Juniorennatio­ Nationalmannschaft wurde, hat vor nalspielern anderer Vereine an, Spieler, Davon unabhängig steht fest – ihre ­allem zwei Ursachen. „Es spricht sowohl die im ­Idealfall später auch in der Perspektiven sind glänzend. Zumal in für die gute Transferpolitik als auch für A-Nationalmannschaft Karriere machen. einer Mannschaft mit gleich sieben die tolle Nachwuchsarbeit, die hier seit So zuletzt geschehen mit Jonathan Tah, Profis, die in der Löw-Ära ebenfalls vielen Jahren geleistet wird“ – so lautet BAYER DEUTSCHLAND:

1_Lars Bender 2_Gonzalo Castro 3_Julian Brandt 4_Stefan Kießling 5_Toni Kroos 6_Bernd Leno 7_Karim Bellarabi

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das Urteil von Heiko Herrlich. Und so Spieler von Hoffenheim bestritten hat, kommt es, dass der Cheftrainer das 2011 als Münchner „Löwe“ die Medaille in ­Vergnügen hat, insgesamt acht Spieler ­Bronze gewann. Auch Kapitän Lars Bender anzuleiten, die als Preisträger der Fritz- gehörte zu den seit 2005 geehrten besten Walter-Medaille zu den Jahrgangs­ Jugendspielern, 2006 als Vorkämpfer besten in ihrer Zeit als U 17- oder des TSV München 1860. Ihm wurde vor U 19-Spieler gehörten. Die jüngsten zwölf Jahren die Goldmedaille, seinem ­Gewinner dieser vom DFB vergebenen Bruder Sven, in dieser Saison von Borus­ Auszeichnungen sind die im Klub aus­ sia Dortmund zu Bayer 04 gewechselt, gebildeten Henrichs und Havertz, 2016 die Bronzemedaille umgehängt. kamen“. Transfers, die auf das gute mit Plaketten in Gold und Silber geehrt; Scouting und den guten Ruf der Lever­ dazu gewann Brandt, damals noch im Konstant in der Königsklasse kusener deuten, wenn es darum geht, Dress des VfL Wolfsburg, die Medaille aus verheißungsvollen Talenten fertige gleich zweimal, 2013 in Silber und 2014 Jonas Boldt, 2007 zunächst Scout und Spieler für höhere Aufgaben zu formen. in Gold. Mittelfeldspieler Dominik Kohr, 2009 Chefscout sowie nunmehr seit „Zu den Bayern gehst du, wenn du ein Bayer-Eigengewächs, gewann 2012 2014 Manager bei Bayer 04, sieht die schon Nationalspieler bist“, sagt Boldt, und 2013 Bronze bei der Wahl der vielen Auszeichnungen und Berufungen „zu uns, wenn du einer werden willst.“ ­besten Nachwuchsspieler. von Leverkusener Spielern in die Natio­ nalelf als „Bestätigung für die konti­ Die Spieler bestätigen dies. Weil er ein Tah, beim Hamburger SV sportlich auf­ nuierlich gute Arbeit in den letzten „sehr, sehr gutes Gefühl hatte“, wech­ gewachsen, war 2015, als er zu Bayer ­Jahren“. Dabei müsse man „differenzie­ selte Julian Brandt im Januar 2014 Leverkusen wechselte, ebenfalls Jahr­ ren zwischen Spielern wie Adler, Hen­ von Wolfsburg nach Leverkusen. Er sagt gangsbester, während Kevin Volland, richs, Castro und Reinartz, die wir selbst heute voller Überzeugung: „Es war die der vor dem Wechsel nach Leverkusen ausgebildet haben, und Spielern wie richtige Entscheidung.“ Warum? Brandt seine ersten sechs A-Länderspiele als Tah, Brandt und Leno, die von außerhalb verweist zum einen auf die Fakten. BAYER DEUTSCHLAND:

8_Simon Rolfes 9_Stefan Reinartz 10_Benjamin Henrichs 11_René Adler 12_Jonathan Tah 13_Philipp Wollscheid 14_Sidney Sam

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liga zu sein. Es muss aber nicht alles er Verträge mit begehrten­ Spielern ver­ ­sofort funktionieren wie in vielen an­ längert, um nachhaltig Erfolg zu haben.“ deren Klubs. Hier wird dir etwas mehr Ausbildung und Weiterbildung seien das Zeit gegeben, und du hast auch mehr eine, sagt Völler, „aber am Ende steht Ruhe von außen, wenn es mal nicht so immer der Erfolg. Da wir unter dem glei­ gut läuft. Der Verein verhält sich da chen Wettbewerbsdruck stehen wie alle ­vorbildlich, und so etwas spricht sich anderen Bundesligaklubs, verpflichten wir auch unter jüngeren Spielern herum.“ nicht auf Teufel komm raus junge Spie­ ler.“ Warum auch? Die Generation der „Geht man rein nach dem Sportlichen, Mehr als ein Ausbildungsverein 18- bis 23-Jährigen, die unter dem Bayer- bietet Bayer mit den zahlreichen Cham­ Kreuz als Versprechen für die Zukunft pions League-Teilnahmen all das, was Der Wohlfühlfaktor bei Bayer hat vor ein gilt, bietet im Verbund mit den älteren sich ein junger Spieler wünscht.“ Schon paar Wochen auch Jonathan Tah dazu Kollegen erwachsenen und hochwertigen 21 Spiele in der Königsklasse mit ge­ veranlasst, seine vertragliche Bindung­ Bundesligafußball, der mit jugendlichen rade mal 21 Jahren bestritten zu haben, an den Werksklub bis 2023 auszu­ Impulsen spürbar angereichert ist. ist nicht der schlechteste Leistungs­ dehnen. „Ich glaube, wir haben viel nachweis für einen Hochbegabten. ­Potenzial in der Mannschaft“, sagt er, Kein Wunder, dass Joachim Löw seit „wir können noch viel mehr aus uns vielen Jahren die richtigen Konsequen­ Julian Brandt, in Bremen geboren, rausholen, weil wir noch jung sind.“ zen aus Leverkusens Talenteschmiede ­bodenständig, klug und früh gereift, Auch Brandt betrachtet seinen Verein zieht: Kontinuierlich schöpft der Bundes­ empfindet es als „wohltuend, dass der nicht als „klassische Durchgangssta­ trainer seit seinem Amtsantritt aus dem Druck hier nicht so groß ist. Natürlich tion“, denn „wir sind nicht nur der Aus­ scheinbar unversiegbaren Jungbrunnen hast du einen hohen Anspruch an dich bildungsverein, der am Ende Spieler am Rhein. 14 Debütanten können kein selbst, so, wie der Verein den Anspruch verkauft, weil er aufs Geld angewiesen Zufall sein. hat, unter den ersten Vier in der Bundes­ ist. Der Klub weiß auch ganz genau, dass Roland Zorn DIE ZEIT DANACH 34 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

VON FLORIDA ZUR NÄCHSTEN KARRIERE BRÜCKE IN EIN NEUES LEBEN

Er war Deutscher Meister. Er war Deutscher Natio- nalspieler. Marcel Schäfer war und ist ein guter Fuß- baller. Und er hat klare Vorstel­lungen von dem, was kommt, wenn der gute Fußballer mit dem Fußball aufhört. So akribisch wie nicht viele andere bereitet sich der 33-Jährige auf die Zeit danach vor. Diesem Zweck diente auch sein Wechsel in die USA zu den Tampa Bay Rowdies. DIE ZEIT DANACH CDN-MAGAZIN 34 | 2018 35

Marcel Schäfer hat gute Laune. Gerade Schäfer holt nun nach, was schon lange hat er seine Söhne Noah und Elia in der in seinen Gedanken war. „Viele meiner Schule abgegeben, nun hat er ein biss­ Schulfreunde haben nach dem Abi ein chen Zeit für sich. Die Vögel zwitschern, Auslandsjahr gemacht“, sagt er. „Ich ein lauer Wind streicht ihm durch die ­hätte das damals auch gern gemacht, Haare. Es gibt schlechtere Orte zum hatte aber natürlich den Fußball.“ Überwintern als Florida. Und kaum ­bessere: „Wir waren nur zu Weihnachten Akribische Vorbereitung kurz in Deutschland und sind dann schnell wieder rüber geflogen. Unsere Nach der Entscheidung für die USA beiden Jungs gehen hier ja zur Schule, folgte die Entscheidung für das konkre­ da wollten wir sie nicht lange rausneh­ te Ziel. Wohin sollte er gehen? Vereine men. Wir wollen, dass sie in der kurzen aus der Major League Soccer, der ersten Zeit, in der wir hier in den USA sind, so US-amerikanischen Fußballliga, hatten viel wie möglich aufsaugen“, sagt der Interesse. Doch der Schritt über den achtma­lige deutsche Nationalspieler. großen Teich war für Schäfer weit mehr als die Fortsetzung seiner erfolgreichen Seit März 2017 lebt die Familie Schäfer Karriere. Es sollte bewusst eine Über­ in Florida. Aus der Bundesliga wechselte gangszeit sein – die Brücke von seinem er zu den Tampa Bay Rowdies. Zumin­ alten in ein neues Leben. dest sportlich war das ein ungewöhn­ licher Schritt. Der VfL Wolfsburg hätte Für nicht wenige Profis folgt auf die ihn gern behalten, als er im März 2017 ­aktive Karriere eine Phase der Orien­ beschloss, bei seinem Herzensklub tierung, manche fallen in ein Loch und ­einen Schlussstrich zu ziehen. 256 Bun­ benötigen einige Zeit, um im zweiten desligaspiele für den VfL Wolfsburg hat Leben anzukommen. Bei Schäfer liegt Schäfer absolviert, 2009 gewann er mit der Fall anders. Ihm ist schon lange klar, dem VfL die Deutsche Meisterschaft, was er machen möchte, wenn er die stand dabei in allen 34 Spielen von Fußballstiefel endgültig an den Nagel ­Beginn an auf dem Rasen. Die Erfolge gehängt hat. Er will im Geschäft blei­ und die lange Zeit haben eine enge Bin­ ben, im Fußball, will das Trikot gegen dung entstehen lassen. Umso weniger den Anzug eintauschen und die Kabine leicht fiel der Wechsel. „Das war tat­ gegen das Büro. Darauf bereitet er sich sächlich eine schwierige Entscheidung. schon länger und sehr akribisch vor. Ich hätte ja sofort ins Management des VfL Wolfsburg einsteigen können, hatte Blick in alle Richtungen ein super Angebot vorliegen. Aber ich war noch zu hungrig auf den Fußball, Am IST-Studieninstitut belegte er per wollte noch ein bisschen spielen. Wenn Fernstudium einen Kurs in Sport­ du einmal Schluss machst, ist das ja management und anschließend in endgültig“, sagt Schäfer. Sportmarketing. Er lernte Spanisch, übernahm in Wolfsburg die interne Or­ Also USA, also Florida. Er habe auch mit ganisation der Mannschaft, verwaltete deutschen Vereinen Gespräche geführt, die Mannschaftskasse und organisierte berichtet Schäfer, aber das sei für ihn Team-Events: „Das wurde dann immer nach zehn Jahren in Wolfsburg dann mehr, immer größer“, sagt er, nicht ohne doch nur schwer vorstellbar gewesen. Stolz in der Stimme: „Einmal waren wir „Mir sind gewisse Werte von Bedeutung, mit dem ganzen Verein bowlen, das darum habe ich alles abgelehnt und ­waren 300 Leute. Das auf die Beine zu mir meinen USA-Traum erfüllt“, sagt er. stellen, hat mir viel Spaß gemacht.“

Marcel Schäfer mit Blick nach vorn: auch als Florida-Boy voller Power und Dynamik. DIE ZEIT DANACH 36 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

Schäfer hat nach rechts und nach links geschaut, nach oben und nach unten und hat die Chancen genutzt, die sich für ihn in der Branche und beim VfL ­boten. Dazu gehörten die Diskussionen mit seinen Trainern. Mit Dieter Hecking zum Beispiel habe er „sehr interessante Gespräche über Themen abseits des Fußballs“ geführt. „Oder . Unter ihm hatte ich nicht nur meine sportlich erfolgreichste Zeit, sondern saß mit ihm auch in der Sauna und habe über Finanzfragen philosophiert. Mich hat interessiert, wie er sein Geld anlegt, welche Strategie er fährt.“ 1

Dass er bei Auswärtsfahrten für sein Studium büffeln musste, während seine Mitspieler Playstation spielten oder sich ausruhten, kümmerte ihn nicht. Er sagt: „Ich habe das nie als Belastung wahr­ genommen. Wir Fußballer haben eine Menge freie Zeit, und die habe ich ge­ nutzt, um mich um andere Sachen zu kümmern.“ Nach dem Training flitzte er rüber auf den „VfL-Campus“, dem priva­ ten Hochschulcampus des VfL Wolfs­ burg. „Ich bin schnell unter die Dusche und dann in die Vorlesung. Das war richtig cool“, sagt er und lacht: „Aller­ dings mit drei Kindern dann auch mit­ unter richtig anstrengend.“ Er habe im Flugzeug oder im Hotel für sein Studi­ um gelernt, „habe mich mit der jeweili­ gen Stadt oder dem Land auseinander­ gesetzt, in dem ich gerade war“, ergänzt 2 6 Schäfer. „Wer aber nur an der Play­ station oder dem iPad hängt, sollte sich nicht beschweren, dass er nicht viel mitkriegt. Es ist ja keinem ver- boten, stattdessen ein Buch zu lesen.“

Andere Sportarten, neue Erkenntnisse

Seine Entscheidung für die Tampa Bay Rowdies war einerseits eine Entschei­ dung für die Fortsetzung des Lebens als Leistungssportler, andererseits aber ge­ nauso eine Entscheidung für das, was danach kommt. Tampa Bay spielt in der zweiten Liga, professionell, aber doch bietet sich für Schäfer in Florida Raum für anderes als ausschließlich Fußball. „Hier kann ich schon nebenbei im ­Management mitarbeiten“, sagt er. Außerdem­ bleibt Zeit für den Rundumblick über den Tel­ lerrand. „Ich habe bei den Footballern 3 der Tampa Bay Buccaneers reinge­ schnuppert, auch bei dem Eishockey- und Baseballteam hier vor Ort oder bei

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den Basketballern der ­Boston Celtics. Ich bin viel unterwegs, um bei Sportver­ einen, Sportevents oder Universitäten neue Einblicke zu gewinnen“, erzählt Schäfer. „Ich führe Gespräche mit Trai­ nern, Sportlern, Funktionären oder Unter­ nehmern. All das dient der Vorbereitung auf die Karriere nach dem Fußball.“

Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass ein Fußballer einen so klaren Plan für die Zeit nach dem letzten Abpfiff hat. Andererseits: So selten ist es auch nicht. Philipp Lahm investierte schon 5 zu seiner aktiven Zeit in aufstrebende Unternehmen, Leverkusens Stefan DEUTSCHE NATIONALSPIELER IN NORDAMERIKA ­Reinartz gründete ein Start-up. Und New York Cosmos 1977 – 1980, 1983 Schäfer entwickelte schon zu seiner ak­ Arne Friedrich Chicago Fire 2012 – 2013 tiven Zeit mit seinen Wolfsburger Team­ Torsten Frings Toronto FC 2011 – 2013 kameraden Christian Gentner, Daniel Bernd Gersdorff San José Earthquakes, San Diego Sockers 1979 – 1980 Baier und Christian Träsch eine App zur Volkmar Groß Minnesota Kicks, San Diego Sockers 1979 – 1983 teaminternen Information und Organi­ Bernd Hölzenbein Fort Lauderdale Strikers 1981 – 1982 sation („DeinTeam“), die inzwischen bundesweit von 75.000 Mannschaften Horst Köppel Vancouver Whitecaps 1976 – 1977 genutzt wird. Helmut Kremers Calgary Boomers 1981 Lothar Matthäus New York MetroStars 2000 Schäfers letzte Spielzeit Gerd Müller Fort Lauderdale Strikers 1979 – 1981 Edmonton Drillers, Tampa Bay Rowdies 1980 – 1983 Peter Nogly Im März hat in Amerika die neue Saison Frank Rost 2011 begonnen. Es wird Schäfers letzte sein, Marcel Schäfer Tampa Bay Rowdies Seit 2017 das steht fest. Anfang 2019 kehrt er Chicago Fire Seit 2017 nach Wolfsburg zurück. „Ich werde ins Arno Steffenhagen Chicago Sting, Toronto Blizzard, Vancouver Whitecaps 1978 – 1983 Management gehen und neben Sport­ Chicago Spurs 1967 direktor Olaf Rebbe als Sportlicher Klaus Toppmöller Dallas Tornado, Calgary Boomers 1980 – 1981 ­Leiter arbeiten“, sagt er. Zukunft. Seine Gegenwart heißt Florida. Und in dieser Gegenwart sollen nicht nur Marcel 1_Weitblick beim Weitwurf: Schäfer, sondern die Schäfers insgesamt Marcel Schäfer bei einem seiner einen Mehrwert für die Zukunft gewinnen. acht Länderspiele für den DFB. Ganz bewusst hat Papa Schäfer für seine 2_Besuch in Boston: Treffen beiden Söhne – Tochter Enna ist erst mit NBA-Profi Daniel Theis vom zwei Jahre alt – eine einheimische Schule NBA-Team der Celtics. gewählt: „Sie sollen die Sprache so gut 3_Familienausflug: mit seiner wie möglich lernen. Und ich muss zuge­ Frau Nadine und den drei Kindern ben: Nach zehn Monaten hier sprechen vor dem Weißen Haus. sie besser Englisch als ich nach neun 4_Soccer meets Football: Jahren Schulunterricht. Und ich war nicht Marcel mit Sohn Elia beim Spiel der schlecht in Englisch“, sagt er lachend. Tampa Bay Buccaneers. 5_Ausgezeichnet: Schäfer mit der Keine Frage: Die Schäfers genießen das Trophäe für seine Nominierung in die Leben in Florida, schon jetzt ist klar, Liga-Elf des Jahres. dass die Entscheidung kein Fehler war. 6_Akrobatik am Wasser: „Familiär ist das ein Riesen-Mehrwert Körperertüchtigung vor dem für uns, dass wir hierhergekommen sind. Kapitol in Washington, D. C. 7 Eine Art lange Bildungsreise“, sagt 7_Rowdie bei der Weiterbildung: ­Marcel Schäfer und schmunzelt. Er Marcel Schäfer im Büro seines hat noch viel vor – aber erstmal muss Hauses in Tampa. er gleich die Kids wieder aus der Schule abholen. Lars Wallrodt SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL 38 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL WOLFGANG FAHRIAN SPRICHT ÜBER SEINEN ­WANDEL VOM VERTEIDIGER ZUM TORHÜTER, SEIN DEBÜT FÜR DEUTSCHLAND UND SEINE ERINNERUNGEN AN DIE WM IN CHILE

„TUREK HAT MIR TIPPS GEGEBEN“­

Wolfgang Fahrian (76) ist in seinem Leben viel gereist. Eine Reise bestand in der Metamorphose vom Verteidiger zum Torhüter. Eine andere Reise führte ihn nach Chile. 1962 war das, in Chile­ fand eine WM statt, Fahrian war Deutschlands Nummer eins. Für viele war das eine Über­ raschung. Immerhin kam Fahrian aus der zweiten Liga und hatte erst kurz zuvor sein erstes Länderspiel bestritten. Im Interview mit dem CdN-­Magazin erinnert Fahrian sich an besondere Monate und Momente.

Herr Fahrian, am 30. April 1962 stan- Manchmal denkt man schon noch dran, den Sie in Hamburg gegen Uruguay aber es ist halt wirklich lange her. Ich zwischen den Pfosten. Deutschland war 20, erstmals bei einem Lehrgang gewann 3:0, Sie bekamen gute Kriti- dabei und durfte gleich spielen. Das war ken. Für den kicker war „das Torwart- alles sehr aufregend. problem gelöst“. Wie präsent ist Ihnen dieser bald 60 Jahre zurückliegende Und es war sensationell. Zum einen, Tag noch? weil Sie erst seit September 1960 ­Torwart SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL CDN-MAGAZIN 34 | 2018 39

waren und zum anderen, weil Sie bei würde, dass Sie in Chile Deutschlands der zweitklassigen TSG Ulm 46 spiel- Nummer eins sein würden? ten. Wie konnte so was möglich sein? Das hat man schon gemerkt. Trainer Es stimmt, bis zur A-Jugend war ich Ver­ hat mich in der Vorbe­ teidiger, spielte in der süddeutschen reitung auf Chile immer mal zur Seite Jugendauswahl. Da bin ich dem Helmut genommen und mich ermuntert. Das Schön (damals Co-Trainer von Sepp Torwarttraining hat aber Helmut Schön Herberger) aufgefallen, als Verteidiger gemacht (der Herberger letztlich den wohl gemerkt! Aber im Training stand Rat gab, Fahrian statt Tilkowski aufzu­ ich immer mal im Tor und unser Trainer stellen, die Red.). Fred Hoffmann – ich fand ihn sensa­ tionell – erkannte mein Talent. Dann Und dann kam der 31. Mai. Auftakt hatten wir einen Ausfall im Tor und ich gegen Chile und Ihr 21. Geburtstag. durfte rein. Na ja, und in Ulm haben wir Herberger schenkt Ihnen Ihr erstes auch ganz gut gespielt damals, da fällt WM-Spiel … man schon mal auf. Das war ein schönes Geburtstagsge­ Aber trotzdem, keine zwei Jahre Tor- schenk, aber glauben Sie mir: es ging wart-Erfahrung und schon National- streng nach Leistung. spieler? Gab es keine besseren Tor­ hüter anno 1962? sah das naturgemäß etwas anders. Wie war das Verhältnis Meine Konkurrenten waren Hans Til­ zwischen Ihnen und Tilkowski? kowski und Günter Sawitzki, die waren ein Stück älter als ich. Aber mein Vorteil So weit okay. Ich weiß es auch nicht war gerade die Erfahrung als Feldspie­ mehr so genau, natürlich war er ent­ ler. Man weiß, wie die Stürmer ticken täuscht. Ich hatte aber viel Unterstüt­ und harmoniert besser mit den Vertei­ zung von anderen Spielern im Kader digern, wenn man selbst einer war. ­erhalten, was mich sehr gefreut hat.

Und dann kam plötzlich eine Ein­la­dung Mit Ihren Leistungen in Chile haben Sie vom DFB. Waren Sie überrascht? Herberger und Schön bestätigt. In den drei Vorrunden-Spielen mussten Sie Ich hatte ja vorher schon ein Junioren- lediglich einmal hinter sich greifen. Länderspiel gemacht (im Oktober 1961 Was überwiegt bei Ihnen im Rückblick: gegen Polen; die Red.) und ich habe die Freude über Ihre starken Auftritte gemerkt: Da kann ich ja mithalten. oder die Enttäuschung über das Aus Und genauso dann im Lehrgang bei der im Viertelfinale nach dem 0:1 gegen A-Mannschaft vor meinem Debüt. Außer­ Jugoslawien? Welche Erinnerungen dem kam ja schon mal ein WM-Torwart nehmen Sie mit? aus Ulm – der Toni Turek. Mit dem habe ich mich sogar vorher getroffen und er Nur schöne. Ich war gerade 21 und hat mir ein paar Tipps gegeben. ­durfte zum ersten Mal fliegen – und dann auch noch auf einen anderen Kon­ Die fruchteten wohl wirklich, wie man tinent. Ein Länderspiel ist schon schön, schon gegen Uruguay sah. Ein italieni- aber dann auch noch bei einer WM – scher Reporter schrieb: „Dieser Mann einfach großartig. Ich hab meine zehn erinnert in seinem Stil an die besten Länderspiele gemacht und war bei einer südeuropäischen Torhüter.“ Es war das WM dabei, das kann mir keiner mehr letzte Testspiel vor der WM. Seit wann nehmen. wussten Sie, dass es Ihre WM werden Interview: Udo Muras INSIDE CDN 40 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

EURO IM HERZEN 2024 IM BLICK

WARUM EUROPA- MEISTER ANDY MÖLLER AUF DIE ERFOLGREICHE EM-BEWERBUNG DES DFB HOFFT

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Insgesamt drei Mal hat Andreas Möller an einer EM teilgenommen. Für ihn sind Europa- meisterschaften Ereignisse der ganz besonderen Art, mit einem höheren Stellenwert als ­eine Weltmeisterschaft. Als Mitglied im Club der Nationalspieler des DFB (CdN) hofft der ­ Welt- und Europameister, dass die EURO 2024 in Deutschland stattfinden wird. Möller hat daher für den CdN das offizielle Unterstützungsschreiben verfasst, das der deutschen Bewerbung im Bid Book beigelegt wird. INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 34 | 2018 41

20 Jahre war Andreas Möller (50) als Die Faszination EURO ließ ihn seitdem Fußballprofi am Ball und hat in dieser nicht mehr los. Als Spieler wurde er Zeit alles gewonnen, was ein Spieler an 1992 Vize-Europameister und 1996 Trophäen erobern kann. Er wurde Welt- Europameister, 20 Jahre später erlebte und Europameister, war Weltpokal- und er eine EM aus einem anderen Blick­ Champions League-Sieger mit Borussia winkel. Bei der EM 2016 in Frankreich Dortmund, gewann mit Juventus Turin fungierte Möller als Assistent an der den UEFA-Pokal, war zweimal Deutscher Seite von Ungarns Nationalcoach Meister und dreimal DFB-Pokalsieger. Bernd Storck. Möller kennt Europa­ meisterschaften ­also aus verschiede­ Dennoch: Die Sternstunde seiner Lauf­ nen Perspektiven. Sein Fazit: „Meiner bahn erlebte Möller nicht in einem Meinung nach ist es schwieriger, Europa­ ­seiner vielen Endspiele. „Das Highlight meister zu werden, als einen WM-Titel meiner Karriere war das Halbfinale bei zu gewinnen.“ Ähnlich begeisternd wie der EURO 1996 in England“, sagt Möller. das sportliche ­Geschehen empfindet „Dieses Spiel war die größte Heraus­ Möller die Stimmung während einer forderung, der absolute physische und EURO. „2016 in Frankreich konnte psychische Härtetest. Im legendären ich diese Atmosphäre noch intensiver Wembley, gegen England, vor 70.000 ­aufsaugen“, sagt er. „Als Trainer hat Fans. Und dann unsere Mannschaft als man viel deutlicher das ganze ­Turnier Kapitän ins Finale zu führen und dabei im Blick, mit seinen vielen Begleit­ 2 erschei­nungen insgesamt.“

1_Andy Möller hat EM- Der CdN drückt die Daumen Turniere als Fan, Spieler und Trainer erlebt. Vor zehn Jahren wurde der Club der 2_Stolz nach dem ­Nationalspieler im DFB gegründet, EM-Finale – Möller seitdem ist Möller ein sehr aktives Mit­ mit Trophäe. glied dieser exklusiven Vereinigung. 3_Deutsches Duo für „Wir fühlen uns als Teil der jüngeren ­Ungarn. Möller und Geschichte des DFB. Der gesamte Bernd Storck bei der CdN drückt die Daumen, dass die EM in Frankreich. UEFA sich im September für die DFB- 4_Möller und der CdN Bewerbung entscheidet.“ setzen sich für die deutsche EURO-­ Für Möller war es eine Selbstverständ­ 3 Bewerbung ein. lichkeit, das Schreiben zu verfassen, mit dem der CdN seine Unterstützung der auch noch als letzter Schütze im Elf­ deutschen Bewerbung bekundet. Er meterschießen den Deckel drauf zu preist die Vorzüge eines Turniers in machen – das ist für mich in emotio­ Deutschland. „In einem Fußball-Land naler Hinsicht unübertroffen.“ wie Deutschland kann die UEFA ein ­perfektes Turnier erwarten. Mit dem Wegen der zweiten Gelben Karte war er DFB als einem erfahrenen und einfalls­ fürs Finale gegen Tschechien gesperrt, er reichen Ausrichter, der eine tolle Infra­ erlebte passiv, wie Deutschland Europa­ struktur mit einer einzigartigen Stadien- meister wurde. „Dennoch war dieses Landschaft präsentieren kann. Und die Turnier für mich das prägende Ereignis Fans können sich auf eine unglaubliche meiner Laufbahn“, sagt er. Schon lange Gastfreundschaft mitten im Herzen vorher war Möller großer EURO-Fan. Er ­unseres Kontinents freuen.“ erzählt: „Als 1988 die EM-Endrunde in Deutschland stattfand, war ich als Zu­ Möller glaubt fest daran, dass Deutsch­ schauer total begeistert, habe mich auf der land in sechs Jahren ein großes Fußball­ Tribüne von den Krachern Italien gegen fest ­feiern wird. Für ihn würde sich ein Spanien und England gegen Sowjet­ Kreis schließen. 36 Jahre nach 1988 union mit­reißen lassen und mir geschwo­ wäre er bei einer Europameisterschaft in ren: ,Solch ein Turnier muss mein Ziel Deutsch­land wieder Fan der National­ sein.‘ Danach begann ja dann auch im mannschaft – ein Fan mit spezieller September 1988 mit dem ersten Län­ EURO-Vergangenheit. derspiel meine internationale Karriere.“ Wolfgang Tobien

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Schuster Trainer in China

Nach Roger Schmidt und hat es einen weiteren deutschen Trainer ins „Reich der Mitte“ gezogen. Dach drei Spieltagen der Super-Liga hat den Klub Dalian Yifang über­ nommen. Schuster löste den chinesi­ schen Trainer Ma Lin ab, der nach drei Niederlagen in Folge gehen musste. Dalian Yifang war mit hohen Erwartun­ gen in die Saison gestartet, die Transfers des belgischen Nationalspielers Yannick Carrasco und des Argentiniers Nico ­Gaitan von Atlético Madrid hatten Dalian Yifang zu einem Favoriten gemacht. Schusters Vertrag läuft bis zum Ende der Saison, im Fall des Klassenerhalts Trainer im „Reich der Mitte“: Bernd Schuster, Europameister 1980. verlängert er sich automatisch.

Politik und Sport – darunter auch eine der Stadt Oppeln, den Weltmeister Oppeln ehrt Klose Dele­gation des DFB – bereiteten vor ­Miroslav ­Klose. Er ist ein herausra­- ­allem zahlreiche Kinder ­seiner ehema­ gender Sohn unserer Stadt. Miro Klose Weltmeister ist neuer ligen Schule mit glän­zenden Augen ist eine Symbolfigur,­ ein Sinnbild für die Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Op­ ­einen besonderen ­Empfang. Die Rück­ neuen deutsch-polnischen Beziehun­ peln. Im vollbesetzten Rathaussaal der kehr in die Heimat nutzen Klose und gen.“ Klose erklärte: „Ich freue mich Hauptstadt der polnischen Woiwod­ seine Frau Sylwia für einen Besuch der über die Auszeichnung und werde schaft Opole trug sich der WM-Rekord­ ­„Miro Deutsche Fußballschule“ (MDFS) ­Oppeln sicherlich öfter besuchen.“ torschütze Anfang März nach Aus­ im nahe gelegenen Chronstau. Im händigung der Ehrenbürgerschaft ins ­Rahmen der Ehrung sagte der Stadt­ Goldene Buch der Kommune ein. ­Neben ratsvorsitzende Marcin Ociepa: „Ich Podolski-Döner in Köln zahlreicher Prominenz aus Wirtschaft, ­begrüße unseren neuen Ehrenbürger Lukas Podolski hat hohe Ansprüche, das gilt auch beim Thema Ernährung. Die Vorgabe an Metin Dag und seine Familie war daher unmissverständlich: „Es muss der Beste sein, der Beste.“ Gemeint ist der Döner – und die Vorgabe ist ein ­Arbeitsauftrag an seine Geschäftspart­ ner. Im Januar hat der Weltmeister von 2014 in Köln einen Döner-Laden eröff­ net, Podolski ist Teilhaber des siebten Geschäfts der Kette „Mangal Döner“ in Köln. Der ehemalige Nationalspieler gibt nicht nur seinen Namen, er bringt sich auch bei Design, Planung und Pro­ dukt ein. Und natürlich bringt er auch die Erfahrung aus seiner Zeit bei Galata­ saray Istanbul mit. Was macht also einen guten Döner aus? „Er schmeckt“, sagt Podolski. Man müsse sehen können, wie er entsteht, „Salat, Fleisch, frische Einstieg ins Döner-Geschäft: Weltmeister Lukas Podolski. Produkte. Dann passt das.“ DIAGONALPÄSSE CDN-MAGAZIN 34 | 2018 43

Abschiedsspiel für Odonkor

Ex-Nationalspieler David Odonkor nimmt fünf Jahre nach Ende seiner Profi-Lauf­ bahn endgültig Abschied vom Fußball. Mit ehemaligen Vereins-Kollegen tritt Odonkor am 26. Mai in Aachen gegen ein Team an, das weitgehend aus frühe­ ren Nationalspielern besteht, mit denen Odonkor bei der Heim-WM vor zwölf Jahren den dritten Platz erreicht hatte. Für Odonkor, der 2006 nach seiner überraschenden Nominierung für den deutschen WM-Kader mit der Vorlage zum 1:0-Siegtor im Vorrundenspiel ge­ gen Polen glänzte, war die Austragung seines Abschiedsspiels ein Herzens­ Zurück in Schwarz-Gelb: Ex-BVB-Profi Patrick Owomoyela. wunsch. Auch der Austragungsort fügt sich in seine Vita. Alemannia Aachen hatte dem Sohn eines Ghanaers und einer­ Ziege wieder in Deutschland Owomoyela zurück beim BVB Deutschen 2011 nach einer schweren Knieverletzung ein Comeback ermög­ Das Abenteuer Thailand ist für Christian Patrick Owomoyela kehrt zu Borussia licht. 2013 ließ Odonkor seine Karriere Ziege schon wieder beendet. Nach nur Dortmund zurück. Der 38 Jahre alte beim ukrainischen Profiklub FC ­Hoverla- zwei Monaten und zwei Spielen in der ­frühere BVB-Profi wird den BVB künftig Zakarpattya Uschhorod ausklingen. Verantwortung als Trainer von Ratcha­ als Botschafter bei internationalen buri Mitr Phol FC hat der ehemalige ­Reisen repräsentieren. Zuletzt hatte ­Nationalspieler seinen Vertrag in der Jörg Heinrich diese Aufgabe über­ thailändischen Provinz aufgelöst. Un­ nommen, gehört aber seit der Winter­ terschiedliche Vorstellungen über die pause zum Trainerteam von Peter Rolle des Trainers haben zur schnellen ­Stöger. Der ehemalige Nationalspieler Trennung geführt. Ziege sagt: „Ich bin Owomoyela, der mit der Borussia zwei­ nicht hierhergekommen, damit mir je­ mal Deutscher Meister (2011, 2012) mand sagt, was ich zu tun habe. Wenn und DFB-Pokalsieger (2012) wurde, du als Trainer die Entscheidung nicht ­arbeitete nach seinem Karriere-Ende selber treffen kannst, bist du nur noch unter anderem als TV-­Experte und in eine Marionette.“ Also zog er die Konse­ der Abteilung Auslands­vermarktung quenzen. Er sagt: „Besser ein Ende mit der Deutschen Fußball Liga. Schrecken als ein Schrecken ohne ­Ende.“

Quartett bei Ausstellung Hanke spielt wieder Die ehemaligen Kölner Nationalspieler Mike Hanke hat sein Comeback auf dem Wolfgang Weber, Karl-Heinz Thielen, Fußballplatz gegeben – und was für Bernd Cullmann und Harald Konopka eins. Der 34-jährige Ex-Nationalspieler haben in Köln an der Seite von FC-­ lief für seinen Heimatklub TuS Wiescher­ Präsident Werner­ Spinner anlässlich höfen in der Landesliga auf und markierte des 70. Vereinsjubiläums eine Aus­ in der 92. Minute den 1:1-Ausgleich. stellung eröffnet. Unter dem Motto „Das war wohl mein alter Torriecher“, „Die Zeiten ändern sich, das Gefühl schmunzelte Hanke. Der Rückschlag bleibt“, bekommen Besucher im Deut­ kam wenig später, Hanke zog sich einen schen Sport & Olympia Museum einen Abschied vom Fußball: der 16-fache Muskelfaserriss zu und musste die umfassenden Eindruck der Höhen und ­Nationalspieler David Odonkor. nächsten Wochen pausieren. Tiefen des 1. FC Köln. DIAGONALPÄSSE 44 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

Ginter hilft Kindern Sammer wird BVB-Berater

Den Wunsch, etwas zu tun, spürte ­­ wird externer Berater Mat­t­hias Ginter schon eine Weile. Aber bei Borussia Dortmund. Der BVB wolle als er vor einem Jahr mit seiner Ver­ durch Sammer neue Einflüsse und Im­ lobten die Kinderklinik seiner Heimat­ pulse, sagte BVB-Sportdirektor Michael stadt Freiburg besuchte, wurde der Zorc. Zorc weiter: „Sammer steht für Wunsch konkret. „Nach diesem Besuch ungeschminkte Analyse. Deswegen war uns klar, dass die Hilfe schnell freue ich mich sehr, dass wir ihn als ­benötigt wird“, sagte der Bundesliga­ ­Berater gewinnen.“ Sammer­ selbst profi, als er im März auf dem Frei­ ­sagte zu seiner Aufgabe: „Ich werde burger Schlossberg die Errichtung dem Club als Gesprächs­partner zur der Matthias-­Ginter-Stiftung öffent­ Verfügung stehen. Ich will Impulse lich bekanntgab. Ginter und seine ­dafür geben, die Dinge in die richtige Verlobte Christina Raphaella Dirr Richtung zu bringen. Ich bin aber nicht wollen sozial oder gesundheitlich operativ tätig, ich bin nicht der ent­ benachteiligte Kin­ ­der und Jugendliche scheidende Mann.“ im Raum Freiburg unterstützen. Die Spende für die Ausstattung der bis 2022 entstehenden Kinderklinik und Fritz wird Trainee ein Fußballcamp für hilfsbedürftige Kinder im Spätsommer sind die Der langjährige Kapitän Clemens Fritz ersten­ Stiftungsprojekte.­ Ginter kehrt zu Werder Bremen zurück. Der will etwas für die Stadt und die ehemalige Nationalspieler absolviert Region tun. „So etwas wie Hei­ für mindestens zwei Jahre ein Manage­ matgefühl hat man nur einmal ment-Traineeprogramm bei Werder. im Leben, und ich bin mir durch­ Dabei durchläuft der Werder-Ehren­ aus bewusst, dass selbst das spielführer unter anderem die Abtei­ keine Selbst­verständlichkeit ist.“ lungen Scouting, Marketing, Vertrieb Entscheidend aber sei gewesen, und Kommunikation. „Ich bin zu ­Beginn dass er gebraucht wird. „Wenn man bei Frank Baumann im sportlichen merkt, dass Hilfe nötig ist, kann man ­Bereich und freue mich auf den Start. doch nicht abwarten.“ Aber es wird einiges auf mich zu­ kommen. Es ist eine tolle Möglichkeit, die kompletten Strukturen kennenzu­ Orden für Metzelder lernen und die andere Seite zu be­ leuchten“, sagte Fritz. Fritz spielte elf Bundespräsident Frank-Walter Stein­ Jahre für Werder Bremen und führte meier hat anlässlich des Tages des Für die gute Sache: Matthias Ginter und die Mannschaft in sechs Spiel­zeiten als ­Ehrenamtes 25 Deutsche für ihr lang­ seine Verlobte Christina Raphaella Dirr. Kapitän auf den Rasen. jähriges ehrenamtliches Engagement mit dem Verdienstorden der Bundes­ republik Deutschland ausgezeichnet. Zu den Geehrten gehörte der ehe­ malige Nationalspieler Christoph ­Metzelder. In der offiziellen Begrün­ dung heißt es: „Christoph Metzelder nutzte schon während seiner Zeit als Profifußballspieler seine Popu­ larität zur Unter­stützung sozialer Pro­ jekte. So war er Botschafter für die Fußball-WM der Menschen mit Behin­ derung in Deutschland, Unterstützer des Vereins Herzens­wünsche und der SKM-Schuldnerberatung für junge ­Leute in Dortmund. 2006 gehörte er zu den Gründungsmit­gliedern der ­Bürgerstiftung Haltern. Im gleichen Jahr gründete er die Christoph Metz­ elder Stiftung. Hohe Auszeichnung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrt Christoph Metzelder. IN MEMORIAM CDN-MAGAZIN 34 | 2018 45

Wir trauern um Michel Pfeiffer (92), Michael Strempel (73) und Hans Zeitler (90), die am 2. Januar in Vaals (Niederlande), am 1. März in Jena und am 12. März in Bindlach verstorben sind. 2

Seit dem Tod von Matthias Mauritz am 21. November 2016 war er, Michel Pfeiffer, der älteste lebende National­ spieler des DFB. Auf die Frage, wer der größte oder populärste Spieler von Alemannia Aachen war, wird es keine allzu vielen Antworten geben. Reinhold 1 Münzenberg, der vor dem Krieg 41 1_Michel Pfeiffer ­Länderspiele für die Aachener bestritten 2_Michael Strempel hatte, Willi Landgraf oder Jan Schlau­ 3_Hans Zeitler draff und der charismatische Jupp ­Martinelli stehen zur Auswahl. Geradezu Kultstatus aber genoss Michel Pfeiffer an der deutsch-holländischen Grenze. Bestach Michel Pfeiffer als Stürmer mit 3 1949 gab der Vollblutstürmer seinen Eleganz und Trickreichtum, so beein­ Einstand bei der Alemannia, aus deren druckte Michael Strempel mit gegen­ Stammteam er bis zu seinem Weggang teiligen Qualitätsmerkmalen: als eisen­ Von Statur war er ein Kleiner, nur 1,66 1958 zu Rot-Weiss Essen nicht mehr harter und kompromissloser Verteidiger. Meter groß. Doch auf dem Spielfeld wegzudenken war. Als er die Aachener Auf den unbedingten Siegeswillen war er als Mittelstürmer ein wahrhaft 1953 ins DFB-Pokalfinale schoss (1:2 konnte sich vor allem der FC Carl Zeiss Großer. Vielleicht wurde Hans Zeitler gegen die Essener um Helmut Rahn), Jena verlassen, für den er von 1967 bis von seinen Freunden und Mitspielern wurde auch Sepp Herberger auf ihn 1973 die Abwehr dicht gehalten hat. deshalb „Jumbo“ gerufen. Auf jeden ­aufmerksam. Der trickreiche Angreifer „In diesen sechs Jahren haben wir nur Fall ist der Torjäger einer der bedeu­ konnte sich Chancen fürs WM-Aufgebot ein verloren“, erinnerte er tendsten Spieler, die der Fußball in und 1954 ausrechnen, letztlich aber er­ sich. Nicht zuletzt diese „Unverwund­ um Bayreuth bis heute hervorgebracht hielten andere Kandidaten den Vorzug. barkeit“ zu Hause war die Basis, dass hat. Und auf jeden Fall zudem der ein­ Ein halbes Jahr nach dem „Wunder von Strempel mit Jena zweimal den DDR- zige, der jemals aus der Wagner-Stadt Bern“ avancierte dann auch Pfeiffer zu Meistertitel und einmal den Pokal in die Nationalmannschaft berufen einem von bis heute neben Münzen­ ­gewann – auf dem Spielfeld angeführt ­wurde. Vom damaligen VfB Bayreuth berg und Schlaudraff drei Alemannia- von Roland und sowie zum A-Länderspiel 1952 gegen Luxem­ Nationalspielern. Es sollte das ein­ ­angeleitet von dem nicht minder hart burg, in dem ihm nicht zufällig neben drucksvollste Erlebnis seiner Laufbahn und kompromisslos als Trainer agie­ Stollenwerk und Berni Klodt einer der werden, jenes Länderspiel gegen renden . Buschner war Treffer zum 3:0-Sieg gelang. Kompakt ­England vor 100.000 Zuschauern im es, der Strempel, der ursprünglich in und schnell, kopfballstark und durch­ ­Wembley, trotz der 1:3-Niederlage. Cottbus in der zweiten Liga begonnen schlagskräftig schaffte es der Torschüt­ 1967 kehrte Michel Pfeiffer (bis 1970) hatte, dann aber nach Gera wechselte, zenkönig der Amateurliga Oberbayern an den Tivoli als Trainer zurück, führte nicht nur nach Jena geholt hatte, sogar in Sepp Herbergers berühmtes die Alemannia in die Bundesliga, wo ­sondern als Nationaltrainer ihm zudem Notizbuch – über den Umweg der die Aachener 1969 sensationell Vize­ den Weg ins Nationalteam ebnete. Olympia-Auswahl, für die er bei den meister wurden. Am 2. Januar 2018 1970 und 1971 absolvierte er 15 A- Spielen 1952 in Helsinki und 1956 in verstarb das Ehrenmitglied von Aleman­ Länderspiele, dazu stehen drei Einsätze ­Melbourne vier seiner elf Amateur-­ nia Aachen im Alter von 92 Jahren in in der Olympia-Auswahl auf seinem Länderspiele absolvierte. Mit 90 Jahren seiner benachbarten niederländischen Konto. Am 1. März ist Michael Strempel ist Hans „Jumbo“ Zeitler am 12. März Wahlheimat Vaals. wt im Alter von 73 Jahren gestorben. wt verstorben. wt JUBILÄEN UND RUNDE GEBURTSTAGE 46 CDN-MAGAZIN 34 | 2018

RUNDE GEBURTSTAGE

(in Klammern Anzahl der Länderspiele)

95 Jahre

HERBERT BINKERT (12) am 3. September.

90 Jahre

ALFRED REINHARDT (1) am 3. März.

85 Jahre

GÜNTHER WIRTH (28) am 9. Ja­ nuar; HANS WEILBÄCHER (1) am 23. Oktober; ROLF FRITZSCHE (2) am 23. Oktober. 2

80 Jahre 1 HERMANN STÖCKER (6) am 6. Januar; WERNER OLK (1) am 18. Januar; HEINZ STEINMANN (3) am 1. Februar; KONRAD DORNER (2) am 23. Juni; DIETER ENGEL- HARDT (3) am 18. August; I N G O PORGES (1) am 22. August; P E T E R GROSSER (2) am 28. September; (66) am 4. Oktober; HANS JOSEF KÜPPERS (7) am 24. Dezember.

3 4

1_Herbert Binkert 2_Werner Olk 3_Konrad Dorner 4_Willi Schulz 5_Hans Weilbächer 5 JUBILÄEN UND RUNDE GEBURTSTAGE CDN-MAGAZIN 34 | 2018 47

JUBILÄEN

(Spieler mit 5 und mehr Länderspielen)

Debütantenball Debütantenball vor 60 Jahren (1958) vor 50 Jahren (1968)

KARL-HEINZ SCHNELLINGER HANS-JÜRGEN KREISCHE (50, (insgesamt 47 Länderspiele, Alter und 20 Jahre, Dynamo Dresden) am 2. Fe­ Verein beim 1. Länderspiel: 19 Jahre, bruar gegen die Tschechoslowakei (2:2); SG Düren 99) am 2. April gegen die HORST KÖPPEL (11, 19 Jahre, VfB Tschechoslowakei (2:3); WALDEMAR Stuttgart) am 6. März gegen Belgien MÜHLBÄCHER (17, 20 Jahre, (3:1); GEORG VOLKERT (12, 22 SC ­Dynamo Berlin) am 1. Mai gegen ­Jahre, 1. FC Nürnberg) am 6. März ge­ ­Albanien (1:1); WILFRIED KLING- gen Belgien (3:1); LUDWIG MÜLLER BIEL (6, 19 Jahre, 1. FC Lok Stendal) (6, 26 Jahre, 1. FC Nürnberg) am 1. Juni am 28. Juni gegen Polen (1:1);­ gegen England (1:0); HERBERT MARTIN SKABA (8, 23 Jahre, SC WIMMER (36, 24 Jahre, Borussia 6 Dynamo Berlin) am 14. September ­Mönchengladbach) am 23. November gegen­ Rumänien­ (3:2); WERNER gegen Zypern (1:0). HEINE (29, 23 Jahre, SC Dynamo ­Berlin) am 5. Oktober gegen Bulgarien (1:1); HELMUT BENTHAUS (8, Abschiedsspiel 23 Jahre, Westfalia Herne) am 21. De­ vor 50 Jahren (1968) zember gegen Bul­garien (3:0). (12, 27 Jahre, 1. FC Lokomotive Leipzig) am 2. Fe- Abschiedsspiel bruar gegen die Tschechoslowakei (2:2); vor 60 Jahren (1958) GÜNTER­ BERNHARD (5, 28 Jahre, SV Werder Bremen) am 8. Mai gegen HANS CIESLARCZYK (insgesamt Wales (1:1); KLAUS GERWIEN (6, 7 Länderspiele, Alter und Verein beim 28 Jahre, ) am letzten Länderspiel: 21 Jahre, Borussia 22. Dezember gegen Mexiko (0:0). Dortmund) am 26. Oktober gegen Frankreich (2:2); HORST ECKEL (32, 26 Jahre, 1. FC Kaiserslautern) am 20. November gegen Österreich (2:2). 6_Waldemar Mühlbächer 7_Helmut Benthaus 8_Herbert Wimmer 7 9_Horst Eckel

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8 ZIEL: WM-Finale DATUM: 15. Juli 2018 ORT: Moskau, Luschniki-Stadion MISSION: 5. Stern HERAUSGEBER Deutscher Fußball-Bund Otto-Fleck-Schneise 6 60528 Frankfurt/Main Telefon: (0 69) 67 88-0 Telefax: (0 69) 67 88-2 04 E-Mail: [email protected] www.dfb.de

PROJEKTLEITER CLUB DER NATIONALSPIELER Michael Kirchner (c/o DFB)

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT Ralf Köttker (DFB-Direktor Öffentlichkeit und Fans)

CHEFREDAKTION/ KONZEPTION Wolfgang Tobien, Steffen Lüdeke (c/o DFB)

REDAKTIONELLE MITARBEIT Thomas Dohren, Gereon Tönnihsen

AUTOREN Steffen Lüdeke, Udo Muras, Christian Otto, Wolfgang Tobien, Lars Wallrodt, Roland Zorn

BILDQUELLEN Getty Images, Imago Sportfoto, dpa, Patrick Seeger, Witters, Werner Wolf

GESAMTHERSTELLUNG Braun & Sohn Druckerei GmbH & Co. KG Am Kreuzstein 85, 63477 Maintal

Die Ausgabe Nr. 34/2018 des CdN-Magazins ist, ebenso wie alle bisherigen Ausgaben, online ­unter „www.nationalspieler.dfb.de“ abzurufen.