Schwerpunkt: Exil

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Schwerpunkt: Exil FOLGE 161 APRIL 2003 DÖW-NEUERSCHEINUNG JAHRBUCH 2003 SCHWERPUNKT: EXIL Das DÖW-Jahrbuch 2003, das ab Anfang Mai erhältlich ist, widmet sich vorrangig dem Themenbereich „Exil“. Christine Schindler, die das Jahrbuch redaktionell betreute, stellt im Folgenden die einzelnen Beiträge vor..n. Das DÖW-Projekt „ÖsterreicherInnen im chischer Patriot und Anti-Österreicher? testes Werk „Revolte der Heiligen“ (1944) Exil: Die La-Plata Staaten“ versucht mit- Zu Ernst Sommers Bild von Österreich im thematisiert einen Aufstand jüdischer tels Oral-history-Interviews die Lebens- englischen Exil“ beschäftigt sich mit ei- Häftlinge in einem polnischen Arbeits- geschichten österreichischer EmigrantIn- nem Autor, dessen Lebensweg von Mäh- lager. In Sommers Werken halten sich ins- nen in Argentinien, Uruguay und Para- ren und Böhmen, zunächst habsburgi- gesamt äußerst kritische Rückblicke auf guay zu dokumentieren. Der Artikel „‚Wir schen Kronländern, in die Zugehörigkeit das k.u.k. Österreich, vor allem dessen sind für euch immer noch die Emigran- zur Tschechoslowakei und schließlich ins Militär und Justiz, mit positiv empfunde- ten.‘ Eine österreichisch-argentinische britische Exil führte. Bereits in den zwan- nen Beispielen aus der älteren österreichi- Lebensgeschichte“ von Regula Nigg und ziger Jahren trat Sommer in kurzer Prosa schen Geschichte sowie der jüngsten Ver- Philipp Mettauer gibt exemplarisch die mit radikaler Kritik am k.u.k. Österreich gangenheit, den Februarkämpfen 1934, Geschichte einer österreichischen Emig- in Erscheinung, die sich vor allem gegen die Waage. rantin wieder, die ihre Erlebnisse als Jüdin das Militär, eine dem Militär hörige Justiz, nach dem „Anschluss“, die gelungene die Zensur richtete und die nationalen und Eine Tagung in Rouen im November 2001 Flucht nach Argentinien und die Versuche, sozialen Spannungen im Vielvölkerstaat setzte sich mit dem Thema Exil bzw. im neuen Land heimisch zu werden, schil- anprangerte. 1938 nach London geflüchtet Rückkehr aus dem Exil auseinander. Ein dert. schreibt Sommer über Themen des tsche- Vorabdruck des Vortrages von Wolfgang chischen Widerstandes gegen den Natio- Neugebauer und Siegwald Ganglmair Die Vertreibung von jüdischen Künstlern nalsozialismus, die österreichischen Bau- über „Remigration“ untersucht die Mög- ist Thema zweier Beiträge: ernaufstände, aber auch (bereits im De- lichkeiten und Hindernisse der Rückkehr Jörg Thunecke beschäftigt sich in dem zember 1942) über den technisierten Mas- der aus politischen und rassistischen Artikel „Fritz (Frederick) Brainin. Öster- senmord an den Juden. Sein wohl bekann- Gründen vertriebenen Österreicher und reichischer Dichter in der Neuen Welt“ mit dem Dichter, der nach dem „An- schluss“ in die USA flüchten musste und dessen lyrisches Schaffen durch die Emig- Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ration im Spannungsfeld zweier Kulturen und zweier Sprachen verlief. Fritz Brainin war sich der Problematik seiner Existenz Schwerpunkt: Exil als Lyriker im englischen Exil bewusst, litt unter dem Verlust des muttersprach- Redaktion: lichen Umfeldes und schaffte als Dichter Christine Schindler nie den ganz großen Durchbruch. Thunecke analysiert — auch anhand von Wien 2003, 212 Seiten, deutschen und englischen Beispielen — i 5,90 detailliert Brainins dichterisches Schaffen JAHRBUCH von 1929, dem Erscheinungsjahr seines Mit Beitr. v. ersten Gedichtbandes Alltag, bis zu seiner Edith Blaschke, Milo Dor, Egon letzten Arbeit, der Übersetzung ins Engli- Ehrlich / Helga Raschke, Christoph sche von Gedichten Theodor Kramers, Haacker, Philipp Mettauer / Regula während der er 1992 verstarb. Nigg, Jonny Moser, Wolfgang Der Beitrag von Christoph Haacker 2003 Neugebauer / Siegwald Ganglmair, „Ernst Sommer — Deutscher Jude, tsche- Jörg Thunecke 2 Mitteilungen 161 Österreicherinnen. Die überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge war aus „rassi- RUDOLF EDLINGER NEUER DÖW-PRÄSIDENT schen“ Gründen vertrieben worden. Auf- grund ihrer Erlebnisse von Unrecht und Bundesminister a. D. Rudolf Edlinger wurde im Rahmen der DÖW-Kuratoriums- Demütigung in ihrer alten Heimat, der all- sitzung am 31. März 2003 zum neuen Präsidenten des DÖW gewählt. Er löst damit gemeinen Lage im Nachkriegsösterreich Landtagspräsident a. D. Hubert Pfoch ab, der 20 Jahre durchgehend an der Spitze des mit seiner halbherzigen Entnazifizierung, Dokumentationsarchivs stand und nun als Ehrenpräsident des DÖW fungiert. des nach wie vor praktizierten Antisemi- Nachfolger des ebenfalls aus Altersgründen zurückgetretenen DÖW-Vizepräsidenten tismus und des bekannt gewordenen Aus- Dr. Hubert Jurasek wurde KR Dr. Gerhard Kastelic. maßes des Holocaust, aber auch wegen Zum Kassier wurde Prof. Dr. Jonny Moser, zum Kassier-Stellvertreter Othmar Burian der inzwischen stattgefundenen Integra- gewählt. Diözesanrichter Dr. Stefan Denk schied aus Altersgründen aus dem Vorstand tion im neuen Land dachten fast alle die- aus. ser EmigrantInnen nicht mehr an Rück- kehr, sondern an Einbürgerung im neuen DÖW-VORSTAND 2003 Land. Demgegenüber fühlten sich die po- litischen Flüchtlinge wie Sozialdemokra- Ehrenpräsident: Landtagspräs. a. D. Hubert Pfoch. Präsident: BM a. D. Rudolf ten, Kommunisten, Christlich-Konservati- Edlinger. Vizepräsidenten: KR Dr. Gerhard Kastelic, Prof. Hugo Pepper, Staats- ve und Legitimisten nie als Emigranten. sekretär a. D. Dr. Ludwig Steiner, Abg. a. D. Prof. Alfred Ströer, Oskar Wiesflecker. Sie waren vielmehr bestrebt, nach dem Kassier: Prof. Dr. Jonny Moser. Kassier-Stv.: Othmar Burian. Weitere Mitglieder: Ende der Hitlerdiktatur so früh wie mög- Dr. Heinz Arnberger, Mag. Dr. Brigitte Bailer, Sr. Dr. Edith Beinhauer, Obersenatsrat lich zurückzukehren und das politische Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt, Prof. Rudolf Gelbard, Sekt. Chef i. R. Leben daheim mitzugestalten. Aber auch Dr. Wilhelm Grimburg, RA Dr. Heinrich Keller, MR Mag. Elisabeth Morawek, sie waren mitbetroffen von der gegen Re- Präs. d. IKG Dr. Ariel Muzicant, Abg. a. D. Ing. Ernst Nedwed, Prof. Rudolf Sarközi, migrantInnen gerichteten Stimmung in Dr. Richard Schmitz, OSR Dr. Kurt Scholz, Abg. a. D. Dr. Edgar Schranz, Univ.-Prof. weiten Kreisen der Bevölkerung und in Dr. Erika Weinzierl, Dr. Helmut Wohnout. Wissenschaftlicher Leiter: Hon.-Prof. Dr. fast allen Parteien. Der Beitrag streift all Wolfgang Neugebauer. Kontrolle: OSR Dr. Josefa Breuer, Friederike Krenn, diese Fragen und verweist vor allem auf Mag. Peter Soswinski. das Forschungsdesiderat „Remigration“. über das Massaker in der serbischen Stadt Wehrmacht in Gotha. Anfang 1945 wurde Das „andere“ Exil untersucht Edith Kragujevac. Um den Widerstand der Be- Gadolla Kampfkommandant der Stadt, Blaschitz im Beitrag „NS-Flüchtlinge ös- völkerung Jugoslawiens zu brechen und eine Verteidigung hielt er allerdings An- terreichischer Herkunft: Der Weg nach vor dem Hintergrund des nationalsozialis- fang April 1945 für völlig sinnlos und ver- Argentinien“. Die Möglichkeiten legaler tischen Rassenwahns, führte die Deutsche suchte die Stadt am 3. April kampflos den Emigration werden dabei ebenso themati- Wehrmacht zahlreiche Massenhinrichtun- amerikanischen Streitkräften zu überge- siert wie die illegale Flucht, die Fahndung gen in jugoslawischen Ortschaften durch, ben. Er wurde verhaftet, am 4. April 1945 nach geflüchteten Kriegsverbrechern und für jeden getöteten deutschen Soldaten in Weimar vom Standgericht der Wehr- das Verhalten der österreichischen Bot- sollten 100 und für jeden verwundeten machtskommandantur zum Tode verurteilt schaft in Buenos Aires. Blaschitz nennt 50 Geiseln erschossen werden. Im Okto- und am 5. April 1945 um 7 Uhr früh er- Namen und biographische Daten geflüch- ber 1941 wurden in Kragujevac 3.200 schossen. Zwei Stunden später wurde teter Nazigrößen, darunter der ehemalige Männer zwischen fünfzehn und fünfzig Gotha den Amerikanern übergeben. Landesstatthalter und Gauhauptmann der Jahren verhaftet, die jüngeren oft direkt Steiermark Armin Dadieu, Minister im von der Schulbank weg. Bereits gefangene Jonny Moser erzählt in seinem Artikel Kabinett Seyß-Inquart und Generalkom- Juden und Kommunisten wurden als Erste „Von der Don-Front ins jüdische Spital in missar für Finanz und Wirtschaft Hans erschossen. Am 21. Oktober 1941 folgten Wien“ die Geschichte von ungarisch-jüdi- Fischböck, Gerhard Lausegger, verant- die weiteren Hinrichtungen, insgesamt schen Arbeitsdienstsoldaten, die im Feb- wortlich für die Ermordung des Vorstehers wurden 2.300 Serben umgebracht. Milo ruar 1943 im Spital in der Malzgasse mit der Israelitischen Kultusgemeinde Inns- Dor präsentiert die erschütternden Aussa- schweren Erfrierungen eingeliefert wur- bruck Ing. Richard Berger, Unterrichts- gen der wenigen Überlebenden, die auch den. Moser erläutert das ungarische Sys- minister im Kabinett Seyß-Inquart Oswald von den nach dem Massaker auf dem Feld tem des Arbeitsdienstes, eine militärische Menghin, Eduard Roschmann, Komman- herumliegenden Schulheften, Schülerkap- Dienstpflicht für unliebsame Personen — dant des Rigaer Ghettos. Keiner der Ge- pen und Wörterbüchern berichten. Linksoppositionelle, Angehörige nationa- nannten wurde je für seine Verantwortlich- ler und religiöser Minderheiten —, die oh- keiten und Taten zur Rechenschaft gezo- Mit dem Widerstand in der Deutschen ne Waffen abzuleisten war, ebenso wie die gen; Josef Schwammberger, u. a. Kom- Wehrmacht beschäftigt sich der Artikel ungarische Sondergesetzgebung für die jü- mandant des Ghettos Przemys´l, wurde von Egon Ehrlich und Helga Raschke dische Bevölkerung. Die in Wien behan- 1992 wegen Mordes
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