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Verknüpfung Von Straßenbahn- Und Eisenbahnnetzen

Verknüpfung Von Straßenbahn- Und Eisenbahnnetzen

MISCHBETRIEB

Verknüpfung von Straßenbahn- und Eisenbahnnetzen Einsatz von Straßenbahnfahrzeugen auf Eisenbahngleisen zur Schaffung durchgehender Verkehrsverbindungen – technische Unterschiede und Konzepte bei Mischbetrieb

Betreiber der bundeseigenen Bahnen ist in Deutschland die AG (DB AG). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe nichtbundeseigener Eisenbah- nen (NE), die den jeweiligen Landesei- senbahngesetzen der Bundesländer unter- liegen. Alle Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs werden nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gebaut und betrieben.

Abb. 1: Eisenbahnradsatz im Herzstückbereich einer Weiche Technische Unterschiede: Eisenbahn vs. Straßenbahn Zwischen Straßenbahnen und Eisenbah- cken) erfolgreich umgesetzt. Der vorlie- nen bestehen erhebliche technische Un- Christoph Lütz gende Artikel beschäftigt sich insbesondere terschiede. Bei Nutzung von Eisenbahn- mit den baulichen Besonderheiten (Spur- anlagen durch Stadtbahnen müssen diese Der spurgebundene Personennahverkehr führungstechnik, Lichtraumproblematik) Systemunterschiede überwunden werden. (SPNV) wird in der Regel auf zwei ge- bei einem Mischbetrieb von trennten Schienensystemen abgewickelt. und Eisenbahn. Spurführung U-Bahn, Stadtbahn und Straßenbahn be- Die Radreifen von Schienenfahrzeugen be- wältigen den innerstädtischen Verkehr. Defi nition von Eisenbahn stehen aus zwei grundsätzlichen Kompo- Nahverkehrszüge auf dem Streckennetz der und Straßenbahn nenten. Die Lauffl äche überträgt alle verti- Deutschen Bahn AG (DB AG) und auf Stre- Straßenbahnen im ursprünglichen Sinne kalen Lasten auf die Fahrfl äche der Schiene. cken der nichtbundeseigenen Eisenbahnen haben ausschließlich örtliche Verkehrsauf- Der Spurkranz übernimmt die Führung (NE) besorgen den regionalen Verkehr. Da gaben und fahren überwiegend im Stra- des Radsatzes und sichert ihn gegen ein Ab- die Bahnhöfe der Eisenbahnen die Ziele ßenraum. Dabei unterliegen sie der Stra- laufen von der Schiene. Auch bei gleicher ihrer Fahrgäste in vielen Großstädten nicht ßenverkehrsordnung. Auf unabhängigem Spurweite bestehen zwischen Straßenbahn unmittelbar erschließen, ist oft ein Umstei- Bahnkörper dürfen Straßenbahnen bis zu und Eisenbahn erhebliche Unterschiede in gen auf die innerstädtischen Verkehrsmit- einer Geschwindigkeit von 70 km/h auf der Spurführung, die insbesondere aus der tel erforderlich, welches die Attraktivität Sicht fahren. Trassierung der beiden Verkehrssysteme re- dieser Verkehrsverbindungen mindert. In Straßenbahnen, dazu gehören auch U- sultieren. den großen Ballungsräumen Deutschlands Bahnen und Stadtbahnen, werden nach Eisenbahnen sind mit besonders großen wurden daher S-Bahn-Systeme entwickelt, der Betriebsordnung für Straßenbahnen Gleisbogenhalbmessern trassiert, um eine die über Tunnelstrecken die Innenstädte (BOStrab) gebaut und betrieben. Fahrt mit hoher Geschwindigkeit bei rela- unmittelbar erschließen. Kleine und mit- Eisenbahnen dienen dem nationalen und tiv geringen Laufwiderständen zu ermögli- telgroße Ballungsräume erfordern dagegen internationalen Fernverkehr. Darüber hi- chen. Gemäß EBO beträgt der Mindestra- oftmals kostengünstigere Verkehrslösun- naus werden im Nahverkehr überörtliche dius für durchgehende Hauptgleise auf gen. und regionale Verkehrsbeziehungen be- Nebenbahnen 180 m und auf Hauptbah- In einigen Großstädten (z. B. Köln / Bonn dient. Eisenbahnen verkehren in der Regel nen 300 m. und Karlsruhe) ergab sich zunächst im durchgehend auf unabhängigem Bahnkör- Um den Radsätzen eine horizontale Bewe- Zusammenhang mit dem Aufbau von regi- per im festen Raumabstand, d. h. zwischen gung zu ermöglichen, verfügen diese über onalen Stadtbahnsystemen in der zweiten zwei Zugfolgestellen darf sich jeweils nur ein großes Spurspiel. Dadurch wird ein Hälfte des letzten Jahrhunderts die Mög- ein Zug befi nden. An Bahnübergängen hat ständiges Reiben der Spurkränze an den lichkeit und Notwendigkeit, Personenver- die Eisenbahn Vorrang vor dem Straßen- Fahrkanten vermieden und der Verschleiß- kehre von nichtbundeseigenen Bahnen in verkehr. Meist verfügen die Bahnübergänge vorgang gesteuert. die Stadtnetze zu integrieren. Darüber hin- über eine technische Sicherung. Die bei der Eisenbahn üblichen Schienen- aus wurde Anfang der 90er Jahre im Raum Die Bahnanlagen der Eisenbahn sind in profi le S54 und UIC 60 haben eine Kopf- Karlsruhe damit begonnen, das Eisenbahn- Bahnhof und freie Strecke gegliedert. In- ausrundung von 13 mm und werden mit netz der DB AG für den Stadtbahnbetrieb nerhalb von Bahnhöfen wird zwischen einer Neigung von 1:40 verlegt. Das Rad- zu nutzen. Diese Variante ist als Karlsruher Zug- und Rangierfahrten unterschieden; profi l der Fahrzeuge hat eine entsprechend Modell bekannt und wurde inzwischen auf der freien Strecke gibt es Zug- und ge- kegelförmige Lauffl äche und einen Spur- auch in anderen Regionen (z. B. Saarbrü- gebenenfalls Sperrfahrten. kranz mit besonders fl acher Stirnneigung.

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 6 330.10.20080.10.2008 16:31:1816:31:18 UhrUhr Durch die Neigung von Lauffl äche und Spurkranzstirn zentriert sich der Radsatz ständig selbst und das Radprofi l bzw. die Schienenköpfe werden gleichmäßig ab- genutzt. Während der Fahrt auf einem ge- raden Gleis beschreiben die Radsätze den Verlauf einer Sinusschwingung. Bei einer Bogenfahrt wird das äußere Rad durch die Zentrifugalkraft mit seinem Spur- kranz gegen die äußere Schiene gedrückt, so dass der Laufkreisdurchmesser dieses Rades größer ist, als der des Bogeninnen- Abb. 2: Straßenbahnradsatz im Weichenbereich mit Flachrille rades. Dadurch wird in Gleisbögen ein Ab- rollen ohne Gleiten der beiden Räder eines Radsatzes gewährleistet. verzichten. Dazu sind allerdings breitere Die Maßsysteme A und B unterscheiden Die große Breite der Eisenbahnradreifen ist Radreifen erforderlich. sich vom Maßsystem C spurführungstech- nicht nur aufgrund des Spurspieles erfor- Da sich viele Straßenbahnen zu vom Stra- nisch insbesondere dadurch, dass die zu- derlich, sondern auch beim Befahren von ßenverkehr weitgehend unabhängigen gehörigen Fahrzeuge auf den klassischen Weichen besonders wichtig. Um die Herz- Stadtbahnsystemen entwickeln, werden Straßenbahn-Rillenschienen Ri 59 und stückspitze nicht zu zerstören, müssen im dort inzwischen auch Radsatz- und Gleis- Ri 60 mit geringer Rillenweite betrieben Bereich der Herzstücklücke alle vertikalen maße angewendet, die sich in spurfüh- werden können. Diese Fahrzeuge besitzen Lasten auf die Flügelschiene übertragen rungstechnischer Hinsicht an der Eisen- deshalb u. a. 10 mm schmalere Spurkränze werden. Die Herzstückspitze übernimmt bahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) als Fahrzeuge nach Maßsystem C. Sie sind nur führende Funktionen und ist daher ei- orientieren. Die Spurführungsrichtlinien daher nicht kompatibel mit Weichen, de- nige Millimeter abgesenkt (Abb. 1). (SpR) der Bau- und Betriebsordnung für ren Quermaße der EBO entsprechen. Straßenbahnen müssen sehr kleine Gleis- Straßenbahnen (BOStrab) sehen dem ent- Aufgrund der geringen Spurkranzhöhe ist bogenradien von 25 m befahren können sprechend drei spurführungstechnische das Maßsystem A außerdem nur bedingt und nehmen zumindest abschnittsweise Maßsysteme vor: zum Befahren der Eisenbahnschienenprofi le am öffentlichen Straßenverkehr teil. Aus Maßsystem A: S49, S54 und UIC 60 mit 13 mm Kopfaus- diesen Gründen ist das Spurführungssys- Radsatz- und Gleismaße für Bahnen, die rundung und zum Befahren von Weichen tem der Eisenbahn nicht ohne weiteres auf auf Dauer in wesentlichem Umfang stra- mit abgesenkter Weichenzunge geeignet. die Straßenbahn übertragbar. ßenbündige Gleise besitzen (klassische Mit Rücksicht auf andere Verkehrsteilneh- Straßenbahnen) (Abb. 3). Einhaltung des EBO-Lichtraums mer haben die klassischen Straßenbahn- Maßsystem B: im Bahnsteigbereich Rillenschienen der Profi le Ri 59 und Ri 60 Radsatz- und Gleismaße für regelspurige Gemäß BOStrab beträgt die maximal zu- eine kleine Rillenweite. Darüber hinaus be- Bahnen, die sich von Bahnen nach Maßsys- lässige Wagenbreite für Stadtbahnfahr- trägt die Kopfausrundung der Rillenschie- tem A zu Bahnen entwickeln, die größten- zeuge bei Teilnahme am Straßenverkehr nen nur 10 mm. Um diese Schienen sicher teils besondere oder unabhängige Bahn- 2,65 m. Eisenbahnfahrzeuge sind dagegen befahren zu können, sind die Spurkränze körper besitzen (Stadtbahnen). mit einer Wagenbreite von 3,15 m (Trieb- der Straßenbahn schmaler und der Radrü- Maßsystem C: fahrzeuge) bzw. 2,90 m (Reisezugwagen) ckenabstand größer als bei der Eisenbahn. Radsatz- und Gleismaße für regelspurige wesentlich breiter. Die größeren Fahrzeuge Zudem ist das Spurspiel der Straßenbahn- Bahnen, deren Fahrzeuge in spurführungs- der Eisenbahn erfordern einen entspre- radsätze kleiner. Bei einer Bogenfahrt treten technischer Hinsicht der EBO genügen chenden Lichtraum, der in Anlage 1 der größere Umfangkräfte und ein höherer Ver- (Stadtbahnen und Untergrundbahnen) EBO bundeseinheitlich als Regellichtraum schleiß auf, weil durch die steile Spurkranz- (Abb. 4). defi niert ist. stirn beim Spurkranzanlauf keine Wegun- terschiede ausgeglichen werden können. Die Radbreite ist bei der Straßenbahn ebenfalls eingeschränkt, damit die angren- zenden Einpfl asterungen nicht durch die Lauffl ächen berührt werden. Die schmalen Radreifen und die großen Weichenneigun- gen führen auch im Herzstückbereich von klassischen Straßenbahnweichen zu einer anderen Spurführung. Die vertikalen Las- ten werden nicht durch die Flügelschiene aufgenommen, sondern über den Spur- kranz auf den Boden der Rillenschiene übertragen. Daher sind im Herzstückbe- reich besondere Flachrillen und bei den Radreifen ein Spurkranz mit einer fl achen Kuppe erforderlich (Abb. 2). Bei den meis- ten Straßenbahnunternehmen verfolgt man aber seit längerer Zeit das Ziel, auf Flachrillen mit ihrem besonderen Ein- fl uss auf die Spurkranzform und -höhe zu Abb. 3: Radreifen, Maßsystem A (Straßenbahn) Abb. 4: Radreifen, Maßsystem C (Eisenbahn)

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 7 330.10.20080.10.2008 16:31:2016:31:20 UhrUhr MISCHBETRIEB

Der Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen auf Zugsicherungsanlagen eingesetzt, die im von 600 kN bemessen. Es werden aber Eisenbahnstrecken ist im Bereich der frei- Grundsatz die gleichen Aufgaben erfüllen, Konstruktionsgrundsätze aus dem Fahr- en Strecke unproblematisch. Lichtraum- wie bei der Eisenbahn (Abstandshaltung zeugbau des Straßenverkehrs angewendet, probleme treten dagegen im Bereich der der Züge, Fahrwegsicherung). Aufgrund die auf verformbaren Konstruktionen mit Bahnsteigkanten auf wenn es darum geht, der völlig unterschiedlichen fahrdynami- energieverzehrenden Elementen basieren. vertretbare Einstiegsverhältnisse in die schen Eigenschaften von Stadtbahn- und Darüber hinaus fordert die BOStrab bei schmaleren Stadtbahnwagen unter Berück- Eisenbahnzügen (Höchstgeschwindigkeit, Teilnahme am Straßenverkehr eine ma- sichtigung des Regellichtraumes der Eisen- Bremsverzögerung) sind die Anforderun- ximale Bremsverzögerung von 2,73 m/s². bahn zu schaffen. gen an die Zugsicherungssysteme jedoch Dadurch können kritische Situationen nicht vergleichbar. Dies betrifft auch die (z. B. Kollisionen) in vielen Fällen verhin- Fahrstromversorgung Zugbeeinfl ussungssysteme, die sicherstel- dert werden. Das bei der Straßenbahn übliche Gleich- len, dass die Triebfahrzeugführer „Halt“ Bei einem Einsatz von Stadtbahnfahrzeu- stromsystem mit einer Fahrdrahtspannung und „Langsamfahrt“ zeigende Signale auch gen auf Eisenbahnstrecken ist jedoch auf- von 600 bis 750 V ermöglicht eine einfa- tatsächlich beachten. grund der sehr unterschiedlichen Konstruk- che elektrische Ausrüstung der Fahrzeuge. Während bei der Eisenbahn mit der Induk- tionsgrundsätze beider Fahrzeugtypen zu Die verhältnismäßig geringe Spannung ist tiven Zugsicherung (Indusi) bis zu einer prüfen, welche Auswirkungen eventuelle außerdem Vorraussetzung für einen siche- Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h ein Kollisionen haben können und wie diese ren Betrieb der elektrischen Einrichtungen bundesweit einheitliches System eingeführt vermieden werden können. im innerstädtischen Bereich. Zur Energie- wurde, stehen in den U-Bahn- und Stadt- versorgung kann innerhalb der Städte an bahnnetzen der deutschen Großstädte sehr Einsatz von Stadtbahnfahrzeugen vielen Speisepunkten Drehstrom aus dem unterschiedliche Techniken im Einsatz, die im Bereich NE-Eisenbahnen öffentlichen Netz bezogen und mit statio- den örtlichen Anforderungen entsprechend Erste Verknüpfungen zwischen Straßen- nären Gleichrichtern in Fahrstrom umge- entwickelt wurden. Diese sind weder unter- bahn und Eisenbahn entstanden bereits wandelt werden. einander noch mit dem Indusi-System der um 1900 bei einigen als Eisenbahn kon- Eisenbahnstrecken der DB AG sind da- Eisenbahn kompatibel. Oft handelt es sich zessionierten Privatbahnen im Umfeld von gegen in der Regel mit hochgespanntem um magnetische Fahrsperren ohne Prüfung Großstädten. Zur Schaffung durchgehen- Wechselstrom (15 kV / 16,7 Hz) elektrifi - der Wachsamkeit des Triebfahrzeugführers der Verkehrsbeziehungen zwischen Stadt ziert. Im Gegensatz zu Gleichstrom ist der am Vorsignal und ohne fahrzeugseitige und Umland verkehrten diese Bahnen Wechselstrom transformierbar. Dadurch Überwachung der Bremskurve zwischen auch abschnittsweise im Straßenraum und ist es möglich, die Fahrleitungen mit einer Vor- und Hauptsignal. Geschwindigkeitsü- bei gleicher Spurweite zum Teil sogar auf hohen Spannung zu speisen und diese in berwachungen mittels Prüfstrecke sind aber Gleisen der Straßenbahn. Als Beispiele sind den Triebfahrzeugen den Erfordernissen fahrwegseitig möglich. die ehemaligen Köln-Bonner-Eisenbahnen entsprechend zu reduzieren. Die hohe sowie die Köln-Frechen-Benzelrather-Ei- Fahrdrahtspannung begrenzt die Verluste Fahrzeugstatik/Sicherheit senbahn zu nennen. Beim Bau und Betrieb in der Stromübertragung und ermöglicht Sowohl in der EBO als auch in der BO- dieser Bahnen war man bereits mit den große Abstände zwischen den Speisepunk- Strab werden die Anforderungen an die technischen Unterschieden von Eisenbah- ten. Auch bei hohem Leistungsbedarf fl ießt Fahrzeuge nur sehr allgemein beschrieben. nen und Straßenbahnen konfrontiert. relativ geringer Strom durch den Fahrdraht. Festgelegt ist nur, dass die Fahrzeuge so Bei diesen Bahnen kamen spezielle Eisen- Daher sind gegenüber dem Gleichstrom- beschaffen sein müssen, dass sie den An- bahnfahrzeuge zum Einsatz, welche die system der Straßenbahn deutlich kleinere forderungen der Sicherheit und Ordnung Eigenarten der befahrenen Streckenab- Oberleitungsquerschnitte erforderlich. genügen. Genau defi nierte Vorgaben be- schnitte im Stadtgebiet (abweichende Fahr- Die einfacher gestalteten Fahrleitungs- und züglich der Strukturfestigkeit von Wagen- stromversorgung, Spurführung, Lichtraum Energieversorgungsanlagen des Wechsel- kästen gibt es dort nicht. Es wird lediglich und Einstiegssituation an Bahnsteigen) zu stromsystems bedingen jedoch eine gegen- auf die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen hatten. Ein freizügiger Ein- über dem Gleichstromsystem der Straßen- verwiesen. satz dieser Fahrzeuge im Bereich der Stra- bahn aufwändigere Fahrzeugausrüstung. Bei den europäischen Eisenbahnen hat ßenbahnnetze war jedoch nicht möglich, Hierbei ist insbesondere der schwere Trans- dagegen im Rahmen der UIC eine Stan- so dass durchgehende Verbindungen bis in formator zu erwähnen. dardisierung stadtgefunden. Regelfahrzeu- die eigentlichen Kernbereiche der Innen- ge der Eisenbahn müssen demnach für städte nicht realisiert werden konnten. Die Zugsicherungstechnik eine Längsdruckkraft (Pufferdruck) von betroffenen Linien endeten meist peripher Die konventionelle Straßenbahn verkehrt 2000 kN bemessen werden. Sie entspre- im Randbereich der Großstädte. überwiegend im Straßenraum und nimmt chen dadurch den sehr harten Einsatzbe- Im Zusammenhang mit dem Aufbau von dabei am Straßenverkehr teil. Auch wenn dingungen des Eisenbahnbetriebes (z. B. regionalen Stadtbahnsystemen ergab sich an Lichtsignalanlagen für die Straßenbahn Abstoßen und Abrollen über Ablaufberge in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhun- besondere Signalbilder (Balkensignale) in Güterbahnhöfen). Nur wenn Fahrzeuge derts die Möglichkeit und Notwendigkeit, zur Verfügung stehen, kann nicht von einer aufgrund ihrer Bauart nicht in lokbespann- die Personenverkehre dieser nichtbundes- Zugsicherungsanlage im Sinne der Eisen- te Züge eingestellt werden (z. B. Triebwa- eigenen Bahnen in die Stadtnetze zu in- bahn gesprochen werden. Weichen wer- genzüge für den Personennahverkehr), tegrieren. Ziele dieser Maßnahme waren den oftmals nicht verschlossen und dürfen kann dieser Wert auf 1500 kN reduziert auch hier bereits: dann nur mit 15 km/h gegen die Spitze werden. Diese Vorgaben haben sich auch • Schaffung durchgehender Verbindungen befahren werden. Die Abstandhaltung der auf nationaler Ebene als Stand der Technik von der Innenstadt in die Region, Züge untereinander wird ebenfalls nicht durchgesetzt und im Fall von Kollisionen • Vermeiden von Umsteigezwängen und geregelt und überwacht (Fahren auf Sicht). mit anderen Eisenbahnfahrzeugen als si- • Nutzung vorhandener Infrastruktur zur Im Bereich unterirdischer Gleisanlagen und cherheitsfördernd erwiesen. Schaffung eines Gesamtschienennetzes. unabhängiger Bahnkörper von U-Bahnen Stadtbahnfahrzeuge werden dagegen in Einen planmäßigen Einsatz von Stadt- oder Stadtbahnen werden dagegen vielfach der Regel nur für eine Längsdruckkraft bahnfahrzeugen im Bereich von normal-

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 8 330.10.20080.10.2008 16:31:2316:31:23 UhrUhr spurigen nichtbundeseigenen Eisenbah­ nen gibt es in Deutschland neben dem Raum Köln/ Bonn in Karlsruhe und . Da in allen drei Fällen die im Stadtnetz üblichen Gleichstrom-Stadtbahnfahrzeu­ ge eingesetzt werden, sind die befahrenen Eisenbahnstrecken mit einer entsprechen­ den Oberleitung (Gleichspannung 750 V) ausgerüstet. Der Güterverkehr wird mit Dieseltraktion durchgeführt. Bezüglich technischer Ausrüstung, Spurführung und Lichtraum im Bahnsteigbereich wurden hingegen sehr unterschiedliche technische Lösungen gefunden.

Stadtbahn Köln - Bonn In den Jahren 1978 bzw. 1985 wurden die Abb. 5: Stadtbahn Köln - Bonn, Rheinuferbahn (Linie 16) bei den städteverbindenden Reisezugstre­ cken der ehemaligen Köln-Bonner-Eisen• bahnen (Rheinufer- und Vorgebirgsbahn) als Hauptbahn konzessioniert sind, und lagen in Spurplan- bzw. ESTW-Technik. Als als Linien 16 und 18 in die Stadtbahnnetze werden abschnittsweise im Mischverkehr Zugbeeinflussungssystem ist die magneti­ der beiden Großstädte integriert (Abb. 5). mit Güterzügen der Häfen und Güterver• sche Fahrsperre der Stadtbahn installiert. Aufgrund einer Anpassung der Eisenbahn­ kehr KölnAG (H GK) befahren. Diezulässige Zusätzlich sind die Streckenabschnitte mit infrastruktur können die Regelfahrzeuge Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/ho planmäßigem Güterverkehr mit der induk­ der Kölner-Verkehrs-Betriebe AG (KVB) Während die Rheinuferbahn durchgehend tiven Zugsicherung (Indusi) der DB AG und der Stadtwerke Bonn GmbH (SWB) zweigleisig ausgebaut ist, gibt es im Süd• ausgerüstet. eingesetzt werden. abschnitt der Vorgebirgsbahn einige ein­ Die bei den Strecken gehören zu den weni­ gleisige Abschnitte. Die beiden Strecken Lichtraum im Bahnsteigbereich gen nichtbundeseigenen Eisenbahnen, die verfügen über moderne Zugsicherungsan- Zwischen Köln und Bonn verkehren MISCHBETRIEB

Ähnliche Bahnsteige gibt es teilweise auch auf innerstädtischen Streckenabschnitten in Köln wegen des Mischbetriebs mit Nie- derfl urfahrzeugen. Sämtliche Stadtbahnwa- gen verfügen daher über die erforderlichen beweglichen Trittstufen und ermöglichen so einen zwei- oder dreistufi gen Einstieg von diesen Bahnsteigen. Obwohl die 33 cm hohen Bahnsteigkan- ten immer noch ca. 12 cm in den Eisen- bahnlichtraum hineinragen, können alle Eisenbahnfahrzeuge, die der Bezugslinie G2 nach EBO (Anlage 8) entsprechen, an diesen Bahnsteigen vorbeifahren. Für diese Lösung ist allerdings eine Ausnahmege- nehmigung der Aufsichtsbehörde erforder- lich. Darüber hinaus muss die Soll-Höhe des Gleises im Bereich der Bahnsteigkante sehr genau eingehalten und gegebenenfalls durch Stopfen wieder ausgeglichen wer- den, was einen zusätzlichen Instandhal- tungsaufwand bedeutet.

Spurführung: Die Rad-/Schiene-Geometrie der Stadtbahn Köln – Bonn entspricht dem Maßsystem B der Spurführungsrichtlinien (SpR) gemäß Abb. 6: Stadtbahn Köln – Bonn, Lichtraumproblematik im Bereich der Bahnsteigkante bei Güterverkehr BOStrab. Dadurch können Rillenschienen der Profi le Ri 59 und Ri 60 im innerstädti- schen Bereich problemlos befahren werden. hochfl urige Stadtbahnwagen mit einer Bereich dieser Bahnsteigkanten jedoch er- Aufgrund der unterschiedlichen Abstände Wagenkastenbreite von 2,65 m und ei- heblich eingeschränkt. Eisenbahnfahrzeu- zwischen den Innenfl ächen der Radrücken ner Wagenbodenhöhe von ca. 100 cm. In ge mit Fahrzeugumgrenzung nach EBO bei Eisenbahn (ca. 1360 mm) und Stadt- Streckenabschnitten oder Gleisen, die aus- können an den Bahnsteigkanten nicht vor- bahn (ca. 1380 mm) können jedoch die schließlich von Stadtbahnzügen befahren beifahren. üblichen Weichen und Kreuzungen mit werden, haben die Bahnsteige eine Höhe In Streckenabschnitten oder Gleisen mit starren Herzstücken und Radlenkern nicht von 90 cm über Schienenoberkante, und Mischbetrieb von Stadtbahn- und Güter- von beiden Fahrzeugarten befahren wer- ermöglichen so einen stufenlosen Einstieg. zügen wurden daher niedrigere Bahnsteige den. Daher sind in den Streckenabschnit- Aufgrund des Abstandes von ca. 1,40 m mit einer Höhe von nur 33 cm über Schie- ten mit Mischbetrieb von Stadtbahn- und zwischen Bahnsteigkante und Gleisachse nenoberkante und einem Abstand von Güterzügen sämtliche Weichen mit beweg- ist das Lichtraumprofi l der Eisenbahn im 1,45 m zur Gleisachse errichtet (Abb. 6). lichen Herstücken ausgerüstet (Abb. 7). Aufgrund der beweglichen Herzstücke kann auf die Radrückenführung durch Radlenker verzichtet werden, da die Herzstücklücke wechselseitig vollständig geschlossen wird. Weichen mit beweglichen Herzstücken ver- bessern außerdem den Fahrkomfort und mindern die Rollgeräusche. Der Nachteil dieser Weichen liegt in dem großen Auf- wand für Bau und Betrieb, weil jede Weiche einen Weichenantrieb für das Zungenpaar und einen für die bewegliche Herzstück- spitze benötigt. Albtalbahn Karlsruhe – Bad Herrenalb bzw. Ittersbach Zwischen 1959 und 1961 wurde die ur- sprünglich schmalspurige Albtalbahn Karlsruhe – Bad Herrenalb und Teile der Zweigstrecke Richtung Ittersbach durch die neu gegründete Albtal-Verkehrs-Gesell- schaft mbH (AVG) auf Normalspur umge- baut und für den Betrieb mit Straßenbahn- fahrzeugen hergerichtet. Dadurch war die Einbindung dieser Überlandlinie in das in- Abb. 7: Stadtbahn Köln – Bonn, Weichen mit beweglichen Herzstücken nerstädtische Straßenbahnnetz von Karls-

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 1010 330.10.20080.10.2008 16:31:3516:31:35 UhrUhr ruhe möglich. Bis 1975 wurde auch das Reststück der Zweigstrecke bis Ittersbach entsprechend ausgebaut. Ab 1983 lösten die heutigen Stadtbahnfahrzeuge die erste Generation von Straßenbahnwagen auf der Albtalbahn ab. Die Albtalbahn (Abb. 8) ist als Nebenbahn gemäß EBO konzessioniert. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 80 km/ho Zwischen Karlsruhe und Busen­ bach (Abzweig Richtung Ittersbach) ist die Strecke durchgehend zweigleisig, darüber hinaus nur eingleisig ausgebaut. Mit Aus­ nahme der Stadtstrecke in Karlsruhe und der Wendeschleifen können die Gleise der Albtalbahn auch von Eisenbahnfahrzeu­ gen befahren werden. Zwischen Ettlingen und Bad Herrenalb verkehren regelmäßig historische Dampfzüge. Regelmäßiger Gü• Abb. 8: Albtalbahn terverkehr findet jedoch derzeit nur im Be­ reich Ettlingen statt. Mit Ausnahme der Stadtstrecke in Karlsru­ ist, verkehren gegebenenfalls eingesetzte Lichtraum profil den Anforderungen der he, wo auf Sicht gefahren wird, verfügt die fremde Triebfahrzeuge der Eisenbahn ohne EBO. Die Lücke zwischen Stadtbahn­ Albtalbahn über Zugsicherungsanlagen Zugbeeinflussung. fahrzeug und Bahnsteigkante wird durch mit Blockeinrichtungen. Das installierte eine ausfahrbare Trittstufe geschlossen Zugbeeinflussungssystem basiert auf der Lichtraum im Bahnsteigbereich (Abb. 9). Induktiven Weichensteuerung (IWS) der Die Bahnsteigkanten der Albtalbahn ha­ Karlsruher Straßenbahn. Da dieses System ben eine Höhe von 38 cm über Schienen­ Spurführung nicht kompatibel mit der Indusi der DB AG oberkante und entsprechen bezüglich Die Stadtbahnwagen der Albtalbahn ver- MISCHBETRIEB

Bundesbahn (DB) ausgedehnt. Es handelt sich dabei um die Strecke von Karlruhe nach Linkenheim-Hochstetten (Hardt- bahn). Da der verbliebene Güterverkehr der DB mit Dieseltraktion erfolgte, konn- ten die Gleise für die Stadtbahn mit einer Gleichstrom oberleitung (750 V DC) über- spannt werden. Im Zusammenhang mit dem Bau dieser Stadtbahnstrecke gab es erstmals eine in- tensive Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn, die als wichtiger Entwick- lungsschritt in Richtung der Verknüpfung der Karlsruher Straßenbahn mit dem bun- deseigenen Eisenbahnnetz zu sehen ist. Inzwischen wurde die Strecke in eine nicht- bundeseigene Eisenbahn umgewandelt und durch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) übernommen. Es bestehen noch zwei Privatgleisanschlüsse, die mit Diesel- loks der AVG bedient werden können. Stadtbahn unter Wechselstrom 15 kV /16,7 Hz AC („Karlsruher Modell“) Ab 1991 standen in Karlsruhe Zweisys- tem-Stadtbahnwagen zur Verfügung, die Abb. 9: Albtalbahn, Einstiegsverhältnisse vom EBO-Bahnsteig in Stadtbahnwagen im Stadtbahnbereich mit Gleichspannung von 750 V und im Eisenbahnbereich mit Wechselspannung von 15 KV / 16,7 Hz fah- fügen über ein Radreifenprofi l, welches bahnfahrzeuge sicherzustellen, ist jedoch ren können, so dass auch Stadtbahnbetrieb eine Mischform zwischen Eisenbahn und in sämtlichen Eisenbahnweichen eine Rad- auf elektrifi zierten Strecken der DB AG Straßenbahn darstellt. Es entspricht ober- lenkerhöhe von mindestens 30 mm erfor- möglich ist (Abb. 10). Das Konzept ist als halb von ca. 25 mm über Schienenober- derlich. Karlsruher Modell bekannt. kante dem Radrückenabstand nach EBO. In der Erprobungsphase befuhren die Mit diesem Radreifen können sowohl die Stadtbahnbetrieb mit DC-Fahr- Zweisystem-Stadtbahnwagen zunächst Rillenschienen und Flachrillenweichen zeugen auf einer DB-Strecke die DB-Strecke Karlsruhe – Pforzheim im der Straßenbahn als auch Eisenbahnwei- Zwischen 1979 und 1989 wurde der Stadt- Vorlaufbetrieb und wurden sehr positiv chen mit überhöhtem Radlenker sicher bahnbetrieb der Albtalbahn schrittweise von den Fahrgästen bewertet. Die im Ver- befahren werden. Um eine ausreichende auf eine im Personenverkehr bereits still- gleich zu den lokbespannten Zügen gerin- Überdeckung der Radrücken der Stadt- gelegte Strecke der damaligen Deutschen gere Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h konnte durch die höhere Beschleunigung und schnellere Abfertigung der Stadtbahn- wagen am Bahnsteig mehr als ausgeglichen werden. Nachdem an geeigneten Stellen Schienenverbindungen zwischen dem Straßenbahnnetz und dem Streckennetz der DB hergestellt waren, konnten schritt- weise mehrere Stadtbahnlinien in Betrieb genommen werden, die umsteigefreie Ver- bindungen aus der Region in das Stadtzen- trum ermöglichen. Darüber hinaus hat man die Stadtbahn- fahrzeuge zunehmend auch auf Nahver- kehrsstrecken ohne Übergang auf das Straßenbahnnetz erfolgreich eingesetzt. So entstand innerhalb sehr kurzer Zeit im Raum Karlsruhe ein umfangreiches „S-Bahn-Netz“ von ca. 300 km, welches aus folgenden Bausteinen besteht: • Stadtbahnstrecken der Albtalbahn (NE- Bahnen) mit Gleichstromoberleitung 750 V, • Stadtbahnlinien mit Übergang zwischen Eisenbahnnetz (Wechselstromoberlei- Abb. 10: Stadtbahn Karlsruhe, Begegnung eines Zweisystemfahrzeugs mit einem Reisezug der DB AG tung 15 kV / 16,7 Hz) und Straßenbahn-

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 1212 330.10.20080.10.2008 16:31:5216:31:52 UhrUhr MISCHBETRIEB

sogar international einheitliche technische Standards, die u. a. einen diskriminie- rungsfreien Zugang für alle Eisenbahn-Ver- kehrs-Unternehmen gewährleisten. Daher müssen die Zweisystem-Stadtbahnwagen technisch für einen uneingeschränkten Einsatz auf dem Streckennetz der DB AG ausgerüstet sein. Das Karlsruher Zweisystem-Fahrzeug ist als dreiteiliger Achtachser mit einer Länge von ca. 37,60 m konzipiert und kann in Mehrfachtraktion fahren. Bei Teilnahme am Straßenverkehr ist die Zuglänge aber laut BOStrab auf 75 m beschränkt, so dass in diesem Fall nur eine Doppeltraktion zu- lässig ist. Die beiden äußeren Wagenteile entspre- chen weitgehend den Gleichstromfahrzeu- gen der Albtalbahn. Da im Streckennetz der DB AG keine Wendeschleifen zur Ver- fügung stehen, handelt es sich hier jedoch Abb. 11: Stadtbahn Karlsruhe, Zweisystem-Stadtbahnwagen auf Hauptbahn der DB AG um ein Zweirichtungsfahrzeug (Abb. 11). Bei der zweiten Fahrzeugserie konnte durch die fortschreitende Entwicklung der netz (Gleichstromoberleitung 750 V) Bremsverzögerung Kollisionen vermei- Niederfl urtechnik der Wagenboden im Ein- und den. Daraus lässt sich für Stadtbahnwagen stiegsbereich von 1,00 m auf ca. 60 cm ab- • Stadtbahnlinien, die ausschließlich im eine im Vergleich zu Eisenbahnfahrzeugen gesenkt werden, so dass von 55 cm hohen Eisenbahnnetz unter Wechselstromober- höhere aktive Sicherheit herleiten. Trotz Bahnsteigen ein stufenloser Einstieg mög- leitung 5 kV / 16,7 Hz verkehren. dieser Überlegungen werden bei der Zu- lich ist. Eine ausfahrbare Trittstufe schließt Durch den Betrieb mit einheitlichen Fahr- lassung von Stadtbahnbetrieb auf Strecken auch hier die Lücke zwischen Bahnsteig zeugen wird dieses Stadtbahnnetz von den der DB AG erhöhte Anforderungen an den und Fahrzeug. Fahrgästen als Gesamtsystem empfunden Fahrweg der Eisenbahn gestellt. Durch ei- Die für den Betrieb unter Wechselspannung und anerkannt, obwohl die baulichen An- nen hohen technischen Ausbaustandard erforderliche Zusatzausrüstung (Transfor- lagen (Bahnsteige, Gleisanlagen) nur zum soll verhindert werden, dass Fehlverhalten mator, Gleichrichter) ist in dem Mittelteil Teil erneuert oder erweitert worden sind. einzelner Stellwerks- oder Zugpersonale des Fahrzeugs untergebracht. Die Umschal- Weil die Zweisystem-Stadtbahnwagen nun bereits zu kritischen Situationen führen tung zwischen den Stromsystemen erfolgt auch auf stark befahrenen Hauptstrecken kann. Daher sollen bei Stadtbahnbetrieb im Bereich der Systemtrennstelle automa- der DB AG im Mischbetrieb mit schwe- infrastrukturseitig folgende Einrichtungen tisch. Dabei rollt das Fahrzeug durch einen ren und schnell fahrenden Eisenbahnzü- vorhanden sein: ca. 170 m langen stromlosen Abschnitt. gen fahren, ist die Frage der Sicherheit im • Gleisfreimeldeanlagen, Neben den verschiedenen Oberleitungs- Kollisionsfall mit diesen Fahrzeugen von • Streckenblock, systemen sind fahrzeugseitig auch die un- großer Bedeutung. Während Eisenbahn- • Zugbeeinfl ussungssystem sowie terschiedlichen Zugsicherungs- und Tele- fahrzeuge aufgrund ihrer Strukturfestigkeit • erhöhter Flankenschutz durch Schutz- kommunikationssysteme berücksichtigt. über eine hohe Widerstandskraft gegen weichen. Die Zweisystem-Stadtbahnwagen verfügen Verformungen des Wagenkastens (gro- Darüber hinaus sind auch Betriebszustän- neben der induktiven Weichensteuerung ße passive Sicherheit) verfügen, können de zu vermeiden, die zu einem erhöhten (IWS) der Stadtbahn über die induktive Stadtbahnfahrzeuge aufgrund ihrer hohen Unfallrisiko führen könnten. Dazu gehö- Zugsicherung (Indusi) der DB AG. Auch ren insbesondere das Ersatzsignal Zs1 und die Funkanlage wurde doppelt ausgeführt. der Falschfahrbetrieb. Neben dem Betriebsfunk der Stadtbahn ist Diese Anforderungen an die Infrastruktur auch der Zugbahnfunk der DB AG auf den und die Betriebsführung haben jedoch zur Fahrzeugen installiert. Folge, dass für Stadtbahnfahrzeuge im Ei- Bezüglich der Spurführungstechnik muss- senbahnbereich nur eine streckenbezogene ten die historisch entstandenen baulichen Zulassung erfolgen kann, um ein gleiches Gegebenheiten (z. B. Rillengleise, Flach- Sicherheitsniveau wie beim ausschließli- rillenherzstücke) im innerstädtischen chen Betrieb mit Regelfahrzeugen der Ei- Straßenbahnnetz berücksichtigt werden. senbahn zu erreichen. Daher verfügen die Zweisystem-Fahrzeu- ge über ein ähnliches Radreifenprofi l wie Zweisystem-Stadtbahnwagen die Gleichstromfahrzeuge der Albtalbahn Karlsruhe (Abb. 12). Im Gegensatz zu den nichtbundeseige- Der weitgehend freizügige Einsatz der nen Eisenbahnen können im Bereich der Zweisystem-Fahrzeuge auf dem gesamten DB AG keine besonderen infrastruktu- Gleisnetz der DB AG im Raum Karlsruhe rellen Anpassungen für den Einsatz von erfordert jedoch, dass auch Weichen sicher Stadtbahnfahrzeugen vorgenommen wer- befahren können, deren Radlenker eine Abb. 12: Radreifen Zweisystemwagen Karlsruhe den. Vielmehr gelten hier bundesweit oder Überhöhung von nur 20 mm aufweisen.

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 1414 330.10.20080.10.2008 16:32:1216:32:12 UhrUhr Das Radreifenprofil entspricht daher be­ Schiene Ri 60, Radreifen Karlsruhe se Gleisumbauten (z. B. Anpassung von reits oberhalb von ca. 10 mm über Schie­ Flachrillenherzstücken ) im Straßenbahn• .,1 nenoberkante (anstatt 25 mm bei den CI netz durchgeführt, so dass heute ein Gleichstromfahrzeugen) dem Radrücken• ~ I weitgehend freizügiger Einsatz aller Zwei­ abstand nach EBO. Nachteil dieser Lösung ' ~ J system-Stadtbahnwagen zwischen beiden ~ J ist allerdings ein erhöhter Instandhaltungs­ ~ I Schienennetzen möglich ist. aufwand im Rillengleisbereich. So muss J z. B. ein eventueller Höhenverschleiß der Schienenköpfe durch Auftragsschweißen Bereits 1997 konnte in Saarbrücken mit ausgeglichen werden, um ein Berühren der Saarbahn das zweite Stadtbahnsystem der Spurrille durch den Radrücken auszu­ nach dem Karlsruher Modell den Betrieb schließen (Abb. 13). aufnehmen (Abb. 14). Die unterschiedliche Schienenkopfge­ Als Mittelpunkt des neuen Stadtbahnsys­ staltung von Straßenbahn- und Eisen­ tems entstand zunächst im Innenstadtbe­ bahnschienen beeinflusst darüber hinaus reich der Landeshauptstadt eine völlig neue sehr nachteilig das Verschleißprofil der ~ 36 Straßenbahnstrecke mit einer Länge von Radreifen, so dass es unter Umständen zu 5,5 km. Nördlich der Innenstadt schließt Spurführungsproblemen im Bereich von eine auf unabhängigen Bahnkörper ge­ Eisenbahnweichen kommen kann. Um führte Stadtbahntrasse an, die zur Zeit nur Erfahrungen mit dem Übergang von Stadt­ bis zum südlichen Ortseingang von Rie­ bahnfahrzeugen zwischen dem Gleisnetz Neigung 1 : co gelsberg befahren wird. Die Ortsdurchfahrt der Straßenbahn und der DB AG sammeln Abb. 13: Radreifen Zweisystemwagen Karlsruhe ist bereits baulich fertiggestellt, wird aber zu können, wurde dieser zunächst auf die im Rillengleis mit Schienenprofil Ri 60 voraussichtlich erst zusammen mit dem 1992 in Betrieb genommene Linie Karlsru­ Reststück in Richtung Bf Lebach in Betrieb he - Bretten beschränkt. So kam es in den genommen. Die genannten Teilabschnitte ersten Jahren bis ca. 1997 zu einer Tren­ Inzwischen konnte das Schienenprofil sind nach BOStrab konzessioniert und mit nung zwischen Fahrzeugen dieser Linie der DB AG mit 13 mm Kopfausrundung 750 V Gleichstrom elektrifiziert. und solchen, die ausschließlich DB AG­ auf die Straßenbahnstrecken aufgefahren Südlich von Saarbrücken benutzt die ­ Strecken befuhren. werden. Darüber hinaus wurden diver- bahn die Strecke Saarbrücken - Sarregue- MISCHBETRIEB

Die Niederfl urbauweise mit einer Wagen- bodenhöhe von ca. 40 cm im Türbereich ermöglicht einen stufenlosen Einstieg von 38 cm hohen Bahnsteigen. Die im Eisen- bahnbereich vorhandene Lücke zwischen Bahnsteig und Fahrzeug wird durch einen Klapppodest geschlossen (Abb. 15). Die Andienung von Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 cm über Schienenoberkante ist nicht vorgesehen. Die zu Grunde gelegte Rad- / Schiene-Geo- metrie mit Rillenschienen des Profi ls Ph 37a entspricht dem Maßsystem C der BOS- trab und genügt daher den Anforderungen der EBO (Abb. 16). Eine spezielle Misch- form der Radreifen wie in Karlsruhe ist da- her in Saarbrücken nicht erforderlich.

Abb. 14: Saarbahn, Zweisystem-Stadtbahnwagen im Bf Schlussbetrachtung Der Stadtbahnbetrieb hat auf den Eisen- Abb. 15: Saarbahn, Einstiegsver- bahnstrecken zu enormen Fahrgastzuwäch- hältnisse im Eisenbahnbereich sen geführt. Daher ist es nicht verwunder- (Bahnsteighöhe 38 cm ü. SO) lich, dass in vielen Regionen im In- und Ausland immer wieder Interesse an dem „Karlsruher Modell“ besteht. Ob das Stadtbahnkonzept tatsächlich für eine Stadt oder Region geeignet ist, hängt aber von den jeweiligen Rahmenbedin- gungen ab. Große Ballungsräume mit mehreren Millionen Einwohnern haben ganz andere Verkehrsströme. Die klassi- sche Trennung der spurgebundenen Ver- kehrsmittel (Straßenbahn, U- und S-Bahn) macht dort durchaus Sinn. In kleineren Ballungsräumen mit bis zu einer Million Einwohner in Stadt und Re- gion ermöglicht das Konzept der Zweisys- tem-Stadtbahn dagegen die Lösung indivi- dueller Verkehrsprobleme: • In Karlsruhe führte die periphere Lage des Hauptbahnhofes und das Fehlen ei-

mines / Frankreich der DB AG. Diese zwei- Gesamtlänge von 44 km aufweisen. Bereits gleisige Strecke war bereits vor Aufnahme heute hat die Saarbahn als leistungsfähige des Stadtbahnbetriebes mit 15 kV / 16,7 Hz Hauptachse eine große Bedeutung für den elektrifi ziert und wird weitgehend unverän- öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV ) dert befahren. Lediglich einige Bahnsteige im Raum Saarbrücken. wurden modernisiert und die Gleisanlagen teilweise den Bedürfnissen des Stadtbahn- Zweisystem-Stadtbahnwagen betriebes angepasst. Neben den Stadt- der Saarbahn (Saarbrücken) bahnzügen der Saarbahn verkehren auf Bei den in Saarbrücken beschafften Zwei- der grenzüberschreitenden Strecke zur Zeit system-Stadtbahnwagen handelt es sich nur einige Regionalzüge mit Dieseltriebwa- wie in Karlsruhe um dreiteilige Achtachser gen der französischen Staatsbahn (SNCF) mit vergleichbarer Grundkonzeption. ohne Zwischenhalt. Der Güterverkehr be- Während in Karlsruhe die Infrastruktur der schränkt sich auf ein tägliches Zugpaar und vorhandenen innerstädtischen Straßenbahn wird mit elektrischer Traktion durch die bei der Konzeption der Fahrzeuge zu be- DB AG gefahren. rücksichtigen war, konnten in Saarbrücken Die Saarbahn hat zur Zeit eine Streckenlän- aufgrund der völlig neuen Infrastruktur ge von ca. 25 km. Nach Inbetriebnahme technische Parameter (z. B. Bahnsteighöhe Abb. 16: Saarbahn, Radreifen nach Maßsystem C des Reststücks zwischen Süd und Rad- / Schiene-Geometrie) auf die Be- im Rillengleis mit Schienenprofi l Ph 37a und Lebach wird das Stadtbahnsystem eine lange der Eisenbahn abgestimmt werden. Bildquelle aller Fotos und Grafi ken: C. Lütz

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006_17_Lütz.indd6_17_Lütz.indd 1616 330.10.20080.10.2008 16:32:2616:32:26 UhrUhr ner klassischen Schnellbahn in Richtung D. Ludwig: Stadtbahn auf Bundesbahngleisen. ETR 42 (1993), nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßen• H.12 bahnen (BOStrab) - Spurführungs-Richtlinien (SpR) -, Erich Stadtzentrum zu der Notwendigkeit ei­ J. Bölke, H.-H. Grauf: Die Zulassung des Verkehrs mit leichten Schmitt Verlag GmbH & Co. 1986 ner Verknüpfung von Straßenbahn und Nahverkehrstriebwagen auf Strecken der Eisenbahnen des Eisenbahn. Bundes aus Sicht der Aufsichtsbehörde. ETR 43 (1994), H. 11 D. Ludwig, H. Emmerich, M. in der Beek: Erfahrungen mit der • In Saarbrücken ermöglichte die Integra­ ersten Stadtbahn aud Bundesbahngleisen. DER NAHVERKEHR tion der DB-Strecke nach Sarreguemines 1-2/94 Oipl.-Ing. (FH) Christoph Lütz eine schnelle Ausdehnung des neuen D. Ludwig, A. Kühn: Das Karlsruher Modell und seine Übertrag• Ingenieurbüro Oipl.-Ing. H. Vössing barkeit. DER NAHVERKEHR 10/95 Stadtbahnsystems in die Region. D. Ludwig, P. Forcher, G. Vogel, H. Amend: Das neue Fahrzeug­ GmbH, Niederlassung Köln In Kassel befindet sich seit 2001 ebenfalls Konzept der Karlsruher Stadtbahn. DER NAHVERKEHR 12/95 [email protected] ein Stadtbahnsystem nach Karlsruher Mo­ N. Walter, E. Strohm: Die Stadtbahn Saar - Ein regionales Schienenverkehrssystem im Herzen Europas. ETR 45(1996), H. dell im Autbau. Nachdem zunächst einige 6 von der Saarbahn gemietete Zweisystem­ Zweisystemfahrzeug "Karlsruhe" für den durchgehenden Einsatz Stadtbahnwagen im Vorlautbetrieb einge­ auf DB- und Stadtbahnstrecken. NAHVERKEHRSFORSCHUNG '91, Statusseminar XVIII des Bundesminis-terium für Forschung Summary setzt wurden, verfügt man jetzt dort auch und Technologie (BMFT) und Bundesministerium fürVerkehr über eigene Fahrzeuge und konnte kürzlich (BMV) Integrating tram and railway networks As a rule, there are two separate track sys­ die Anbindung der "Regional-Tram" an die K. Bindewald: Die Albtalbahn: Geschichte mit Zukunft: Von der Schmalspurbahn zur modernen Stadtbahn. Hrsg. Albtal­ tems that carry railborne . In Innenstadt in Betrieb nehmen. Verkehrs-Gesellschaft mbH, Verlag Regionalkultur, 1998 a number of big cities (such as ColognejBonn Darüber hinaus gaben die Zweisystem­ Stadtbahn Rhein-Sieg, Vorlaufbetrieb Köln-Bonn 1978. Hrsg. KölnerVerkehrs-Betriebe AG, Köln-Bonner Eisenbahnen AG, and Karlsruhe), it became both possible and Stadtbahnwagen Anfang der 90er-Jahre im Stadtwerke Bonn, Verkehrsbetrieb, August 1978 necessary in the second half of the 20th Vorfeld der Bahnreform wichtige Impulse H. Braitsch: Kölner Spurführungstechnik machte "Misch betrieb" century to integrate the passenger services of für die Entwicklung von leichten Nahver­ mit Höchstgeschwindigkeiten möglich. V+T 36. Jahrgang (1983) non-federal railways into city networks. In ad­ Sonderheft, S. 42/46 kehrstriebzügen bei der Eisenbahn. Solche H. Berg: Fahrzeugeinsatz im gemischten Betrieb Straßenbahn/ dition, in the early 1990s a start was made in Züge kommen inzwischen bundesweit im U-Bahn/Eisenbahn. V+T36. Jahrgang (1983) Sonderheft, S. the Karlsruhe area on using the railway net­ Regionalverkehr zum Einsatz. 28/30 work of OB AG for rapid transit services. In the Die Stadtbahn Köln-Bonn. Verbindungen einer Region. meantime, this option has also been success­ Eröffnung der Stadtbahn linie 18 (Vorgebirgsbahn) am LITERATUR 9.11.1986, Hrsg. KölnerVerkehrs-Betriebe AG, Köln-Bonner fully implemented in other regions (e.g. Saar­ D. Ludwig. G. Drechsler: Stadtbahnbetrieb Karlsruhe auf Eisenbahnen AG, November 1986 brücken). The present article focuses in partic­ ehemaliger Bundesbahnstrecke. DER NAHVERKEHR 5/87 E. Bündgen: Die Köln-Bonner-Eisenbahnen 1891 - 1992. EK­ ular on the structural issues (vehicle guidance, D. Ludwig. P. Forcher: Neue Stadtbahnwagen für die Region Verlag GmbH 1994 clearance) that arise with mixed rapid transit Karlsruhe. DER NAHVERKEHR 5/89 G. Wolf: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 4: Nordrhein­ and mainline railway traffic. D. Ludwig. G. Drechsler: Mit der Stadtbahn auf Bundesbahn­ Westfalen , SüdlicherTeil. EK-Verlag GmbH 1997 strecken. ETR 40(1991), H. 8 K. Kurz: Richtlinien für die Spurführung von Schienenbahnen

DER ...... EISENBAHN INGENIEUR

INTERNATIONALE FACHZEITSCHRln FÜR SCHIENENVERKEHR "TECHNIK

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