· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 2 4 Berliner Zeitung · Nummer 82 · Dienstag, 9. April 2013 · Feuilleton Frauen Das hätte Darwin aber auch nicht gedacht schauen auf Dass seinetwegen nochmal solche Musik entsteht: und ihr großes, freies, verstörendes neues

Frauen VON MARKUS SCHNEIDER Erogene Zonen in einer feministischen Ausstellung he Knife waren einmal ein Elekt- Tropop-Duo. Schwer zu sagen, was aus ihnen geworden ist, obwohl VON BEATE SCHEDER mit „Shaking the Habitual“ gerade nach sieben Jahren ein neues Al- um Rhythmus einer nicht hör- bum von ihnen erschienen ist. The Zbaren Melodie lässt eine junge Knife bestehen noch immer aus den schwarze Frau ihren Kopf kreisen. Geschwistern und Ka- Im Endlos-Loop schwenkt sie ihren rin Dreijer Andersson. Aber sowohl kurzen Afroschopf hin und her, Pop wie Elektro kann man hier ge- schüttelt ihn nach vorn, wirft ihn rade noch aus anamnestischen dann lasziv in den Nacken. Um die Gründen diagnostizieren. Arbeit von Julia Phillips zu verste- So hört man zum Beispiel auf hen, muss man sich etwas dazu „Crake“, dem kürzesten Stück des denken: eine imaginäre blonde knapp hundertminütigen Werks, Mähne. Die Erotik einer Frau ist im eine knappe Minute lang krei- westlichen Kulturkreis an Klischees schende und knarrende, echt fiese gebunden, an eine schlanke Figur, und nicht eindeutig identifizierbare zarte Gesichtszüge und lange, wal- Sounds. Auf dem fast zwanzigminü- lende Haare. Phillips setzt sich in tigen „Old Dreams Waiting to be Re- dem Video sehr anschaulich mit alized“ schwillt im wesentlichen ein diesen Stereotypen auseinander. Zu spät durch komisch pochende Ge- sehen ist „Untitled (Shake)“ derzeit räuscheinlagen nicht wirklich auf- in der Galerie am Körnerpark in der gelockerter Drone vor sich hin. Da- Gruppenausstellung „Erogenous zwischen entfalten sich stark rhyth- Zone“, organisiert von der Künstle- misierte, oft besungene und harmo- rinnengruppe ff. nisierte Tracks, die aller Voraussicht Die Ausstellung ist Teil der zwei- nach zum Eigenartigsten gehören, ten„Temporären Autonomen Zone“ was man in diesem Jahr im Feld so der Gruppe, die sich im Jahr 2011 als genannter populärer Musik hören loser, feministisch orientierter wird: nervötender Twang von Bett- Künstlerinnen-Verband gründete. federn, schabendes Plinkern von Zi- Elf Frauen sind derzeit bei ff aktiv, thern, wabernd-wogende Feed- darunter Antje Majewski, Mathilde backs, beschleunigte Percussion- ter Heijne, Jen Ray und Juliane motive von vielleicht Glas, Metall Solmsdorf. Als ff versuchen sie, eine oder Tieren und mental verwirrten gemeinsame Sprache zu finden, so- Computern – zapplig zwischen al- wohl künstlerisch als auch über ge- len möglichen Materialdimensio- meinsame Aktionen. DieTemporäre nen hin und her morphende Geräu- ALEXA VACHON Autonome Zone umfasst deshalb sche und Stimmen. The Knife: Karen Dreijer Andersson (l.) und Olof Dreijer in der aktuellen Post-Elektropop-Frühlingsmode. nicht nur zwei Ausstellungen – auf Natürlich wurzeln die Tracks im „Erogenous Zones“ folgt Ende April eigenwilligen Elektropop der frü- ging, scheint ein starker Einfluss Klänge setzten The Knife in ihrer zu horrorfilmhaft synthetisierten Natürlich kann man auch hier „ff Collaborations“ – sondern auch hen The Knife, dem eher verspiel- auf „Shaking the Habitual“. Darwin-Musik die Idee, dass auch in Chören, wozu ein extremistisches exotische Bilder assoziieren, Fallhö- ein umfangreiches, teils partizipati- ten Debüt von 2001, den noch rela- Seit je verweigern sich die beiden der musikalischen Wahrnehmung Arsenal von ungemütlich verbogen hen zwischen melancholischen ves Veranstaltungsprogramm. tiv zutraulichen Songs ihres zwei- den medialen Gepflogenheiten der das ordnende Subjekt ausgedient schwirrenden Bässen, ineinander- Stimmen und kalt erstorbenen Ma- ten Album „Deep Cuts“ von 2003 Popwelt, treten selten auf, zeigen hat. Sie arbeiteten mit Computer- schrillenden glasharfenartigen schinenparks suchen. Aber die mu- und den düster abweisenden, sozi- sich auf Fotos maskiert oder von programmen, die selbstständig, so- Sounds, stichelnd spitzen Becken sikalische Ordnung gibt ihr Rätsel ophoben Schauerbeats von „Silent hinten. Gleichsam zur Vertiefung zusagen naturhaft, Klänge erzeug- und schmerzendem Verzerrer dröh- nicht preis. Sie verzichtet auf die Shouts“, ihrem letzten Werk von verbrachte Olof Dreijer die letzten ten, benutzten andererseits Field nen. Einiges erinnert an die wim- selbst ja schon etwas kitschig ge- 2006. Mit „Heartbeats“ vom zwei- Jahre an der Universität , Recordings aus dem Amazonasge- melnde Polyrhythmik afrikanischer wordene Idee, Differenzen griffig zu ten Album hatten sie sogar einen um sich mit postmodernen Theo- biet, ohne sie dem Hörer als Natur- Gruppen wie Konono No.1, und wie sortieren, indem man sie als Kon- kleinen Hit – in der akustischen rien zu Gender, Postkolonialismus schönes anzubieten – organische deren Daumenklaviere wirken auch struktionen markiert – der Kontext Version von José Gonzales unter- und Klasse zu beschäftigen. Der Al- wie synthetische Sounds blieben in hier die pluggernd-repetitiven Mus- hängt stets eindrucksvoll offen in malte der Titel später eine Sony- bumtitel zitiert aus einer nicht entzifferbaren, beunru- ter undeutlich synthetisch. der Luft. Werbung, deren Erlös in den Auf- einem mit Gespräch mit François higenden Klanglichkeit. Umgekehrt dient auch die Arbeit Dabei wirkt nichts auf diesem bau eines Studios floss. Ewald, in dem jener die Erschütte- von und an Karin Dreijers Stimme – ganz erstaunlichen, spannenden, In den vergangen sieben Jahren rung von Gewissheiten im Denken Schrill schwirrend stichelnd deren elektronische Verfremdung überraschenden und aufrüttelnden veröffentlichte Olof Drejer als Oni und Arbeiten als Aufgabe des post- Ähnlich, aber viel spielerischer, ver- The Knife früh als stilistisches Mittel Album willkürlich. Man hat den Ein- Ayhun ein paar technoide Maxis, modernen Intellektuellen umriss. fahren sie auch auf dem neuen Al- nutzten – keiner vordergründig an- druck eines unergründlichen, au- arbeitete mit experi- Als Hör-Anleitung ist demWerk wie- bum mit ihrem Material. Durch den tihumanoiden Absicht. Mal wird sie ßerweltlichen Rituals – aber nicht mentell kühlen Atmosphären als derum ein manifestartiger Text bei- zugänglichsten Titel „Raging Lung“ durch den elektronischen Wolf ge- als verstörend beunruhigende Party. elektroindustrielle Singer-Song- gelegt, in dem die Dreijer-Ge- schuffelt ein vager HipHop-Beat aus jagt, mal bleibt sie ungefiltert oder Sondern als Einladung zu einer writerin Fever Ray. Zuletzt kompo- schwister gegen Kapital und Kom- Basstrommel und gedämpfter taucht in verschiedenen Schichten Feier der Verunsicherung. nierten die beiden 2010 gemein- merz, Umweltsünden, Kleinfamilie Snare, wozu Dreijer eine Synthpop- vervielfältigt auf – doch sind all das sam mit der Elektrokünstlerin und die Herrschaft weißer Männer taugliche Melodie über Differenzen Möglichkeiten von Klang, keine ·················································································· · und dem Produ- ins Feld ziehen. singt. Ziemlich schnell wird die Statements für eine Cyborg-Ästhe- CHRISTINA DIMITRIADIS zenten Mt. Sims als Auftragswerk Schönerweise klingt die Musik zarte Gothpflanze indes von sinn- tik. Gelegentlich erinnert das an Über den Rock geschaut. die Darwin-Oper „Tomorrow, in a eloquenter und radikaler als die eh- frei quietschenden und walgesangs- Björk, die mit solcherart Verwirrung The Knife: Year“. Vor allem diese abenteuer- renwerte, aber etwas sperrige politi- artig dröhnenen Klängen zerschos- auch gerne spielt. Aber wo Björk am Shaking the Die erste Temporäre Autonome lich freie Arbeit, in der es um die sche Rhetorik. sen. In „Stay out Here“ verwandeln Ende versöhnend auf Bezauberung Habitual Zone fand im vergangenen Herbst nichthierarchische Entfaltung der Gegen den ideologischen Kitsch sich Gaststimmen von hell weiblich und staunende Überwältigung zielt, (Rabid/Coope- in der Wiener Galerie Lisa Ruyter Vielfalt im Denken von Darwin einer universalen Ordnung der zu dunkel männlich bis schließlich bleiben The Knife konsequent. rative Music). statt. Damals ging es um abstrakte Malerei, nun also um Erotik.Wie die rund 40 in der Ausstellung vertrete- nen Künstlerinnen diese für sich und ihre Arbeit definierten, war ih- Im Netz gibt es auch Geld für Filme nen überlassen. Ff versteht sich als basisdemokratisch und hierarchie- Der Puppenspieler René Marik hat eine Kinoproduktion durch Crowdfunding finanziert frei. Im Vordergrund stehe eine Idee der Selbstermächtigung, erklärt VON MAJA BECKERS Modedesigner und Erfinder finden Film, für 300 Euro durfte man einen Antje Majewski. Ein wenig klingt es hier ihren Platz. Der Initiator nennt Auftritt als Statist erwerben, für nach einer Utopie, denn noch im- ie bitte? „Rapante, Rapante, die Summe, die er für sein Projekt 1 000 Euro taucht man im Abspann mer ist die Kunst männlich domi- Wlatte Haate dante!“ Das ist aus braucht – bei Marik waren es auf. niert. „Es geht uns weniger darum, Rapunzel. Im Saal fließen Lachträ- 100 000 Euro – und rührt dieWerbe- So generiert diese neue Form der dass Bestehende zu kritisieren, als nen. Die Maulwurfpuppe mit dem trommel. Kommt die Summe in ei- Kreativwirtschaft jenseits von Plat- eine Alternative aufzuzeigen“, sagt Sprachfehler hat ein großes Publi- ner bestimmten Zeit nicht zusam- tenverträgen und Filmförderung Majewski. So macht die Ausstellung kum. In Live-Shows und bei Fern- men, geht das Geld zurück an die vor allem eine große Nähe zum Pub- auf Traditionen feministischer sehübertragungen hat René Marik Spender, weil das Projekt offenbar likum. Für die Macher ist Crowdfun- Kunst und in Vergessenheit gera- die Kunst des Puppenspiels aus ih- nicht läuft wie geplant. Auf der ding überdies eine Art Marktfor- tene Künstlerinnen aufmerksam. rer Nische geholt und – so befand es Plattform Startnext liegt die Erfolgs- schung in Echtzeit: Will das über- Erotik ist in der Ausstellung ein die Jury des Prix Pantheon – ihm ein quote bei 52 Prozent. Fast 400 Pro- haupt jemand sehen? weites Feld, manche Arbeiten sind „subversives Comeback“ beschert. jekte mit insgesamt mehr als zwei Für René Marik war das Internet sehr emotional, andere humorvoll – Es ist kein Kindertheater, aber es Millionen Euro wurden hier im letz- schon seit Beginn seiner Karriere sehr explizite Darstellungen wur- wird stets eine vielleicht kindlich ten Jahr finanziert. Filme sind auf al- ein wichtiger Motor. Nachdem er den in den Projektraum Pony Royal anmutende Impulsivität gewahrt. len Plattformen am häufigsten ver- auf der Ernst-Busch-Schauspiel- ausgelagert – wieder andere setzen „Über dem Maulwurf schwebt kein treten. Crowdfunding ist schneller schule Puppenspiel studiert hatte, sich mit kultureller Symbolik aus- Über-Ich, das ihm sagt, das kannst und unkomplizierter als öffentliche war er als Schauspieler am Theater einander, wie die Arbeit von Phil- du jetzt nicht machen. Der ist ein- Filmförderung. in Jena, bewohnte eine„Chaos-WG“ lips, aber auch die Gemälde Ma- fach total unbesonnen“, beschreibt mit Reinald Grebe und entwickelte jewskis, die überdimensionierte Ab- Marik seine bekannte Figur. „Und Statisten bringen Geld mit eine kleine Puppenshow. Als ein Fan bilder urzeitliche Venus- und Phal- dieses Intuitive ist als Schauspieler Auch künstlerisch freier, denn das einen Videoausschnitt davon auf lus-Statuetten zeigen, oder das schwierig darzustellen, im Grunde BEN WOLF Ergebnis muss ja nicht jeder mögen, Youtube stellte, entwickelte sich der riesige schwarze Spiegelloch ter ermöglicht die Puppe das erst.“ Das Der Diplompuppenschauspieler René Marik (Mitte) mit zwei Kollegen. nicht einmal viele. Da entsteht schon Clip zum Selbstläufer, den bis heute Heijnes, eine viktorianische Meta- kommt beim Publikum an. Viel- mal ein skurriler Film über Nazis auf 30 Millionen Menschen gesehen pher für die Vagina. Eines jedoch ist leicht, weil „jeder so ein Bedürfnis Puppen und auf berühmte Darstel- Maulwurf deutlicher sprechen, mal der dunklen Seite des Mondes. Aber haben. auffällig: Die Auseinandersetzung hat, sich einfach mal freizumachen ler wie Christoph Maria Herbst und die Pointen vereinfachen, dann auch etablierte Künstler wissen diese Crowdfunding ist so etwas wie mit der Erotik umkreist fast immer und ganz direkt auf Situationen zu Carolin Kebekus. sollte es ausschließlich um den Freiheit zu schätzen. Im Dezember der logisch nächste Schritt von So- den eigenen Körper, nicht das Ob- reagieren“, sagt Marik. Und noch etwas ist besonders an Maulwurf gehen. „Aber das wäre 2011 startete die Firma Brainpool cial Media, die Metamorphose des jekt der Begierde. Vielleicht ist das In Minidramen verwertet er mal diesem Film, Marik hat ihn mit Hilfe nicht mehr mein Film gewesen“, das bis dahin größte Crowdfunding- Like-Buttons in Geld. In den USA ein sehr weiblicher Zugang, viel- berühmte Märchen, wie das ein- von Crowdfunding finanziert, also sagt Marik. So griff er schließlich auf Projekt in Deutschland für einen ging es letztes Jahr um zehn Millio- leicht muss ff hierfür auch erst noch gangs zitierte „Rapunzel“, mal durch Spendensammeln via Inter- diese Art der Schwarmfinanzierung Film zur Fernsehserie „Stromberg“. nen Dollar, als eine multifunktio- eine gemeinsame Sprache finden. große Literatur. Das klingt dann so: net. „Das war der einzige Weg, wie zurück, die gern zum Trend ausge- Eine Million Euro wurde gebraucht, nale „Smartwatch“ entwickelt „Sein oder nicht’n Gaage!“ – das ist ich den Film machen konnte, den rufen wird. in einerWoche war das Geld beisam- wurde. Angesichts solcher Summen auch der Titel von Mariks erstem Ki- ich wollte“, sagt er. „Große Geldge- Das Prinzip ist einfach, wer eine men. Auch René Mariks Film hat entwickelte sich aus Crowdfunding Galerie im Körnerpark, Schierker Str. 8 nofilm rund um seine Puppen ber jeder Art, ob staatlich oder pri- Idee hat, erstellt auf einer Plattform durch eine bestehende Fanbasis grö- bald der Ableger Crowdinvesting. (Neukölln):Erogenous ZoneBis 21. April, Maulwurf, Eisbär Kalle und Frosch vat, schauen natürlich darauf, dass wie Startnext.de, Inkubato.com ßere Chancen auf Unterstützung. Hier werden die Unterstützer an- Di–So 10–20 Uhr. Pony Royal, Siegfriedstr. Falkenhorst. Die Dreharbeiten sind der Film nachher auch möglichst oder pling.de ein Profil, auf dem er Seine Fans lockte Marik mit Ge- schließend am Gewinn beteiligt 12 (Neukölln), Sa–So 10–20 Uhr. beendet, im Herbst wird der Film viel Publikum anzieht und wollten für sein Vorhaben wirbt. Meist sind schenken: Für 2,99 Euro gab es das und so wird Crowdinvesting gerade Danach: ff Collaborations. 27. April bis wohl in die Kinos kommen. Darin ihn dementsprechend massentaug- es Projekte aus Kunst und Kultur, Neueste von den Dreharbeiten, für auch von kapitalintensiven Startups 19. Mai, Eröffnung am 26. April. treffen Maulwurf und Co. auf andere licher machen.“ Mal sollte der aber auch Lebensmittelhersteller, 25 Euro ein „Producer“-T-Shirt vom genutzt.