#01 | 03.09.2015 | 5 Euro

Das Festival-Magazin 2015 www.kammermusik-homburg.de

Aufbruch!Das Motto der 20. Internationalen Kammermusiktage Homburg vom 24. September bis 3. Oktober 2015 steht für eine neue Ära: mehr Konzerte, neue Spielstätten, wegweisender Service – und wie immer gehobene musikalische Experimentierfreude und hochkarätige Künstler. Nichts geht über live! – Kommen, hören und staunen Sie!

Seit Jahren Programmgestalter und Hauptakteure des Festivals: das Berliner Vogler Quartett. Titelfoto: Vogler Quartett — Fotos: inplan-media — Vogler Quartett Ouvertüre 2015

Kommen, hören und staunen Sie!

Aufbruch! Die Kam- die Magie haben, mermusiktage Hom- die Zuhörer in ih- burg finden erstmals ren Bann zu ziehen. im September/Oktober Können dabei nicht statt und präsentieren gerade die großen Vielfältigkeit, Intimität Meisterwerke der und aufregende musika- Klassik, Romantik lische Begegnungen. und Moderne immer Ich möchte Sie im Na- wieder neu gehört men des Vogler Quar- und erlebt werden? tetts ganz herzlich zu Natürlich, und das den 20. Internationalen ist in unserer Arbeit Kammermusiktagen ein ganz zentraler Homburg begrüßen. Punkt, immer wie- Ein Jahr liegt hinter der. Frisch erleben, uns, in welchem hinter auch das scheinbar den Kulissen unserer Kammermusiktage viel Vertraute: Beethoven, Dvoràk, Ravel, Schu- passiert ist, es wurde diskutiert und überlegt, mann, Schubert, Haydn. es ging um Zukunft und Zukunftsfähigkeit. Hinzu kommt, dass auch Neue Musik etwas Wer sich von Ihnen fragt, wie solch ein Fes- im wahrsten Sinne des Wortes Unerhörtes tival überhaupt entstehen und so lange be- darstellt, denn sie ist ja neu, man kennt sie stehen kann… Alles hängt von größtem per- nicht. Noch nicht. In meinen Augen sollte sönlichem Engagement ab. Ohne dieses, über Neue Musik für alle da sein. den langen Zeitraum von der Gründung der Und natürlich wollen wir auch immer Musik Kammermusiktage 1991 bis heute maßgeb- aus angrenzenden Bereichen anbieten. Jazz, lich durch Dr. Balthasar Weinheimer und sei- Improvisation, Folklore, ungewöhnliche In- ne Frau Rose sowie ihre engsten Mitstreiter strumente. In diesem Jahr erstmals dabei: großzügig und selbstlos eingebrachte Enga- Sabrina Ma mit Schlaginstrumenten und Avi gement, wäre niemals denkbar gewesen, dass Avital auf seiner Mandoline. stattgefunden hat, was stattgefunden hat. Wir freuen uns sehr auf das Trio Imàge, auf Die Jahre, die wir, das Vogler Quartett, mit Matan Porat, auf amarcord, Stephan Braun, Ihnen in Homburg erleben durften, gehören Frithjof-Martin Grabner und Moritz Eggert, zum Kostbarsten in unserer 30-jährigen Ge- auf viel wunderbare schichte. Musik und anregende Umso mehr freue ich mich, als Verantwort- Begegnungen mit Ihnen licher für die künstlerische Leitung und das allen, und nicht zuletzt Programm, dass es gelungen ist, Ihnen eine auf die Schulbesuche. so farbige und abwechslungsreiche Musikaus- wahl anbieten zu können. Herzlichst, Ihr Tim Vogler, Für mich und uns, das Vogler Quartett, ste- Künstlerischer Leiter (für das Vogler Quartett) Titelfoto: Vogler Quartett — Fotos: inplan-media — Vogler Quartett inplan-mediaVogler — Quartett Fotos: — Vogler Titelfoto: hen immer im Vordergrund: Programme, die

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 3 Inhalt 2015

18 Interview: DerStilmix ist unser Erfolgsgeheimnis Ein fragendes Gespräch mit Tim Vogler (Violine) und Stefan Fehlandt (Bratsche) über Kammermusik allgemein, die Intention des Vogler Quartetts und Programmschwerpunkte der 20. Internationalen Kammermusiktage Homburg.

Avi Avital Sabrina Ma 21 10 KONZERTE IN 10 TAGEN 5 AUFBRUCH! 43 DIE KÜNSTLER 22 Gesprächskonzert 6 Zum Geburtstag viel Klasse am 24. September 44 Avi Avital Statt im Juni jetzt im Frühherbst: 24 Eröffnungskonzet 46 amarcord die Kammermusikfreunde am 25. September Saar-Pfalz laden vom 24. 48 Frithjof-Martin Grabner September bis 3. Oktober zur 26 Vollmundig 49 Sabrina Ma 20. Auflage der Internationalen am 26. September Kammermusiktage Homburg – 50 Moritz Eggert 28 Piano pianissimo mit zwei ECHO-Preisträgern. am 27. September 52 Trio Imàge 10 Festival-Programm 2015 30 Streicherhaftes 53 Stephan Braun 12 Flüchtlinge am 28. September 54 Matan Porat herzlich willkommen Weil Kultur ein Stück 32 Kontrastreiches Lebenskraft ist und Musik am 29. September deren schönste Form, 34 Klassikerabend 55 AUGENBLICKE laden die Internationalen am 30. September Kammermusiktage Homburg 56 Spannende, witzige und Flüchtlinge in die Konzerte ein. 36 Klavier-dominiertes kunstvolle Impressionen der Das Homburger Unternehmen am 1. Oktober Festivals vergangener Jahre „Dr. Theiss Naturwaren 38 Überraschendes GmbH“ der Verein „saarland. am 2. Oktober innovation&standort e. V.“ 60 DER VEREIN unterstützen die Aktion 41 Abschlusskonzert „Konzertbegleitung für am 3. Oktober 60 „Ohne Musik wäre das Flüchtlinge gesucht“. Leben ein Irrtum!“ 14 Unser Service für Sie Homburg ohne Kammermusik? Kaum vorstellbar, denn die Kammermusiktage feiern in diesem Jahr ihr 20-Jähriges. 15 DIE MACHER Ermöglichen tut dies ein Verein – die Kammermusikfreunde 16 Das Vogler Quartett: Saar-Pfalz e. V. Ein Glücksfall für Homburg Die Kammermusiktage ohne das Vogler Quartett – undenkbar. Die Berliner feiern 62 FINALE 2015 ihr 30-Jähriges – und das bei der 20. Auflage des 62 Sponsoren, Schirmherr, Homburger Festivals. Moritz Eggert Vorschau 2016 und Impressum Fotos: Jean Baptist Millot — Mara Eggert — Erik-Jan Ouwerkerk

4 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Aufbruch!

„Es hat sich längst über die Grenzen des Saarlandes hinaus herumgesprochen, dass es hier ein Musikfest zu erleben gibt, das sich so in ganz Deutschland kein zweites Mal findet“

Tim Vogler, Künstlerischer Leiter der Internationalen Kammermusiktage Homburg (für das Vogler Quartett) Fotos: Jean Baptist Millot — Mara Eggert — Erik-Jan Ouwerkerk

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 5 Aufbruch! – Zum Geburtstag

Foto: Wojciech Koprowski Wojciech Foto: viel Klasse!

6 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Aufbruch! Viel Klasse zum Jubiläum

Statt im Juni jetzt im Frühherbst: die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz laden vom 24. September bis 3. Oktober zur 20. Auflage der (jetzt) „Internationalen Kammermusiktage Homburg“ – mit zwei ECHO-Klassik- Preisträgern und breit gefächerten Überraschungen im Programm.

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 7 Aufbruch! Viel Klasse zum Jubiläum

Von Roman Länger

ie sich abheben aus der Viel- klasse-Klassik und mehr zu bieten. Internationalen Kammermusiktage zahl von Festivals und Kon- Allein zwei aktuelle ECHO-Klassik- Homburg mit einem Gesprächskon- Wzerten, die um die Gunst des Preisträger stehen auf der Künstlerlis- zert, in dem die Musiker zusammen geneigten Publikums buhlen? Ganz te, die einmal mehr Tim Vogler für das mit weiteren Gästen der Frage nach- einfach: mit Klasse statt Masse, mit das Vogler Quartett zusammengestellt gehen, warum die Kammermusik eine Qualität statt Quantität – und mit hat. Dieser meint: „Kommen, hören goldene Zukunft hat. Die folgenden Kontinuität. Auf diese einfache For- und staunen Sie!“ Tage lädt das Streichquartett zu ge- mel lässt sich die Anspruchs-Prämisse Die Einladung gilt permanent für meinsamen Konzerten, unter anderem der Kammermusikfreunde Saar-Pfalz zehn Konzerte in zehn Tagen in der mit dem weltbekannten Vokalensemble bringen, die mit dem Berliner Vog- Zeit vom 24. September bis zum 3. amarcord in der Zweibrücker Festhalle, ler Quartett ein musikalisches Juwel Oktober mit Spielorten in Homburg dem israelischen Mandolinen-Virtuo- als Programmgestalter und fleißi- und Zweibrücken. Tim Vogler, der sen Avi Avital, den Senkrechtstartern gen Interpreten der Internationalen virtuose Geiger und Namensgeber des Trio Imàge und den Pianisten Moritz Kammermusiktage Homburg als ver- renommierten Vogler Quartetts, das Eggert und Matan Porat. Ein Konzert- lässlichen Garanten künstlerischen in diesem Jahr übrigens seinen 30. Ge- abend übrigens ist dem 150. Geburts- Wagemuts verpflichtet haben. Ein burtstag feiert, ist maßgeblich an der tag des Tristan-Akkords gewidmet, der Glücksfall für Homburg, denn auf die- Neuausrichtung des Festivals betei- einem der Meisterwerke Richard Wag- sem Fundament lässt sich aufbauen. ligt, das mit seinen breit gefächerten ners entstammt. Improvisationen rund Das Motto des diesjährigen Festivals Überraschungen im Programm Gäste um einen der berühmtesten klassischen heißt „Aufbruch!“ – und das ist auch weit über den Saarpfalz-Kreis hinaus Ohrwürmer der Musikgeschichte wird Programm. Die Kammermusiktage anlocken soll und wird, wie die ersten es einen Tag vor Festivalende in der Homburg werden bei ihrer 20. Auflage Kartenbestellungen zeigen. Fasanerie in Zweibrücken geben. wieder international und haben Welt- Das Vogler Quartett eröffnet die 20. Übrigens: der 20., 30. und 150. Ge- burtstag sind aber noch längst nicht die einzigen Jubiläen im Zusammen- hang mit dem Kammermusikfestival, das sich schon immer zur Aufgabe ge- macht hat, die hohe Kunst des schönen Klangs an die nachfolgenden Genera- tionen weiterzugeben. Gefeiert wird zu allen genannten An- lässen musikalisch-hochkarätig. Nach Einschätzung von Tim Vogler wird es „Vielfältigkeit, Intimität und aufre- gende musikalische Begegnungen“ ge- ben. „Neben den großen Meisterwer- ken wird es viele Facetten von Neuem zu hören geben: neben der ausgiebigen Begegnung mit der Musik und dem Interpreten und Performer Moritz Eggert zum Beispiel einen Ausflug in die Welt des Jazz, Improvisation mit Stephan Braun am Jazzcello – und na- türlich den Abend mit amarcord, dem führenden deutschen Vokalensemble, in Zweibrücken.“ Das Vogler Quartett wird mit allen anwesenden Musikern zusammen- spielen, und diese untereinander auch. „Das macht die Kammermusiktage zu etwas ganz Speziellem. Vieles entwi- ckelt sich erst vor Ort, nicht zuletzt in den für die Öffentlichkeit zugängli-

chen Proben im Saalbau Homburg“, so Fotos: Astrid Karger (2)

8 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Balthasar Weinheimer. 20. Auflage feiern kann, dann sagt dies und Künstlerischer Leiter der Interna- Mit neuen, jungen Mitgliedern und einiges aus: über Kontinuität, Qualität tionalen Kammermusiktage Homburg anderen in die Zukunft gerichteten und nicht zuletzt über die Musikali- seit mehr als einem Jahrzehnt Welt- Veränderungen möchten die Interna- tät der Macher. Das Schönste daran klasse-Klassik und mehr nach Hom- tionalen Kammermusiktage Homburg aber ist, dass sich die „Internationalen burg und in den Saarpfalz-Kreis holt. ihren Ruf als Botschafter der Kam- Kammermusiktage Auch dieser Name mermusik im südwestdeutschen Raum Homburg“ in ihrem steht für Kontinu- festigen und sich ihren Anspruch als Jubiläumsjahr wach- Botschafter der ität, Qualität und kleines aber feines Fest der Hochkul- sender Beliebtheit natürlich Musika- tur nachhaltig bewahren. bei Publikum und Kammermusik lität, denn auch das Klar ist, wenn eine Veranstaltung ihre Sponsoren erfreuen. im südwest­ weltgereiste Vogler Dies hat nicht zu- Quartett feiert in letzt damit zu tun, deutschen Raum diesem Jahr Ge- Bild Seite 6/7: Das Vogler Quartett mit dass sich längst über burtstag – seinen 30. Stefan Fehlandt, Tim Vogler, Stephan die Grenzen des Kontinuität und Forck und Frank Reinecke (von links). Saarpfalz-Kreises und auch des Saar- Aufbruch sind also keine Widersprü- landes hinaus herumgesprochen hat, che – im Gegenteil. Oder um es mit Bild oben: Applaus für die Konzerte im dass es hier ein Musikfest zu erleben den Worten des Künstlerischen Lei- Kulturzentrum Saalbau Homburg. gibt, dass sich so in ganz Deutschland ters Tim Vogler zu sagen: „Nichts geht kein zweites Mal im Konzertkalender über live! – Kommen, hören und stau- Bild links: Die einzigartige Atmosphäre findet. Dies ist weniger Selbstein- nen Sie.“ und Stimmung bei den Internationalen schätzung, als vielfach gehörte Exper- Kammermusiktagen in Homburg lässt tenmeinung. Etwa die von Tim Vogler, Weitere Infos und Karten: sich geradezu fühlen. www.kammermusik-homburg.de Fotos: Astrid Karger (2) der als Primarius des Vogler Quartetts

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 9 Aufbruch! Festival-Programm

Donnerstag, 24. September, 20 Uhr / Rathaus Homburg 01 Autos sind Das Festival- Gesprächskonzert: Warum die Kammermusik unsere Welt. Programm 2015 eine goldene Zukunft hat Mit dem Vogler Quartett. Dazu Lesung, 11 Veranstaltungen im Überblick Filmbeitrag und spannende Diskussionen. Eintritt: frei.

Freitag, 25. September, 20 Uhr / Kulturzentrum Saalbau Homburg 02 Samstag, 26. September, 20 Uhr / Gr. Saal der Festhalle Zweibrücken 03 Eröffnungskonzert: Schumann Vollmundig: und Dvorák begleiten Haydn Feuerwerk der in den Sonnenaufgang Stimmakrobatik mit amarcord Mit dem Vogler Quartett, Mit amarcord, Trio Imàge und Matan Porat. dem Vogler Quartett und Pavlin Nechev. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Sonntag, 27. September, 18 Uhr / Rublys Werkstatt in Homburg 04 Montag, 28. September, 20 Uhr / Protestantische Stadtkirche Homburg 05 Piano pianissimo: Streicherhaftes: Kontrastreiches Klassik und Moderne in vor dem Tangofinale beeindruckender Sakralkulisse Mit Trio Imàge, dem Vogler Quartett und Matan Porat. Mit dem Vogler Quartett, Eintritt (inklusive Häppchen und Wein in der Pause): 25 Euro, Avi Avital und Stephan Braun. Vereinsmitglieder 20 Euro, ermäßigt 15 Euro. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Dienstag, 29. September, 11 Uhr / Mannlich-Gymnasium Homburg 06 Dienstag, 29. September, 20 Uhr / Kulturzentrum Saalbau Homburg 07 Nachwuchsarbeit: Kontrastreiches: Wie Profimusiker Mandolinenmeisterwerke, Ravel Schüler begeistern und georgische Volkslieder Das Vogler Quartett vermittelt Mit Sabrina Ma, Trio Imàge, Avi Avital, Matan Porat, spielerisch Musikwissen. dem Vogler Quartett und Frithjof-Martin Grabner. Eintritt: frei. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Mittwoch, 30. September, 20 Uhr / Kulturzentrum Saalbau Homburg 08 Donnerstag, 1. Oktober, 20 Uhr / Saarpfalz-Gymnasium Homburg 09 Klassikerabend: Beethoven im Klavier-dominiertes: Dreierpack und Moritz Eggert Piano-Entertainer Moritz Eggert mit „Hämmerklavier“ lässt Hören und Staunen Mit Matan Porat, Frank Reinecke, Trio Imàge, Moritz Eggert, Mit Matan Porat, Moritz Eggert, Tim Vogler, Stephan Forck, Tim Vogler, Stefan Fehlandt und Stephan Forck. Sabrina Ma, dem Vogler Quartett und Trio Imàge. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Freitag, 2. Oktober, 20 Uhr / Festsaal der Fasanerie Zweibrücken 10 Samstag, 3. Oktober, 12 Uhr / Kulturzentrum Saalbau Homburg 11 Überraschendes: Improvisationen und Abschlusskonzert: Moderationen rund um den Tristan-Akkord Das Beste zum Schluss – Mit Moritz Eggert, Matan Porat, Frithjof-Martin Grabner und dem Forellenquintett trifft Kaiser-Quartett Vogler Quartett. Eintritt (inklusive Häppchen und Wein in der Pause): Mit dem Vogler Quartett, Matan Porat, Tim Vogler, Stefan Fehlandt, 25 Euro, Vereinsmitglieder 20 Euro, ermäßigt 15 Euro. Stephan Forck und Frithjof-Martin Grabner. Optional „Late night Dinner“, Preis auf Anfrage. Eintritt: 20 Euro, Vereinsmitglieder 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Scherer GmbH & Co. KG Saarbrücker Str. 120 Mainzer Straße 77 Am Gneisenauflöz 9 66424 Homburg 66424 Homburg 66538 Neunkirchen 10 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Tel.: 06841/6601-0 Tel.: 06841/98245-0 Tel.: 06821/2907-0 scherer-gruppe.de Autos sind unsere Welt.

Scherer GmbH & Co. KG Saarbrücker Str. 120 Mainzer Straße 77 Am Gneisenauflöz 9 66424 Homburg 66424 Homburg 66538 Neunkirchen Tel.: 06841/6601-0 Tel.: 06841/98245-0 Tel.: 06821/2907-0 scherer-gruppe.de Aufbruch! Konzertbegleitung für Flüchtlinge gesucht Flüchtlinge herzlich willkommen

Weil Kultur ein Stück Lebenskraft ist und Musik deren schönste und zudem universellste Form, laden die Internationalen Kammermusiktage Homburg Flüchtlinge in die Konzerte ein. Das Homburger Unternehmen „Dr. Theiss Naturwaren GmbH“ und der Verein „saarland.innovation&standort e. V.“ unterstützen die Aktion „Konzertbegleitung für Flüchtlinge gesucht“.

Von Roman Länger

as notorisch einwohner- begleiten und ihnen dieses Festival der meister unterstützen die Initiative schrumpfende Saarland be- Hochkultur näher bringen wollen. Al- ebenfalls. Dkommt unerwarteten aber will- lein in Homburg gibt es derzeit etwa „Politisch Verfolgte genießen Asyl- kommenen Zuwachs: Flüchtlinge aus 300 Flüchtlinge – Tendenz steigend. recht“, schrieben die Verfassungsvä- krisengeschüttelten Ländern auf der Hintersinn der Aktion ist es, die ter ins Grundgesetz, ein klarer, guter Suche nach einer neuen Heimat. Po- Willkommenskultur des Saarlandes Satz, der freilich kompliziert in die litik, einschlägige Institutionen und zu bereichern. Die Musik und spezi- Tat umzusetzen ist. Zur Erinnerung: viele, viele ehrenamtlich helfende ell auch die Kammermusik mit ihrer Asyl, das war am Anfang eine große Saarländer organisieren das Nötigs- universellen Ausdruckskraft scheinen Idee. 500.000 Deutsche, die meisten te für die Neuankömmlinge: Essen, hierfür besonders gut geeignet. Damit Juden oder politisch Verfolgte, wa- Kleidung und vor allem ein Dach die Initiative auf fruchtbaren Boden ren vor Hitlers Henkern geflohen. Sie überm Kopf. fällt, schreibt der Verein alle Integra- gingen in mehr als 80 Länder, um zu Was zumeist fehlt im Alltag der Neu- tionshelfer der Städte und Gemeinden überleben, und als der braune Terror ankömmlinge ist der Zugang zu kul- im Saarland und Zweibrücken an und vorbei war, gehörte es zur Staatsidee turellen und sportlichen Angeboten. bittet diese, Flüchtlinge und Begleit- der jungen Republik, dass man selbst Um hier Abhilfe zu schaffen, laden personen auf die Konzertreise nach Zuflucht sein wollte. Was auch hieß: die Internationalen Kammermusik- Homburg zu schicken. ein Ort, der es wert sein sollte, dorthin tage Homburg bei freiem Eintritt Der saarländische Innenminister zu flüchten. Flüchtlinge in ihre Konzerte ein. sowie der Homburger Oberbürger- Leichter gesagt, denn getan: Selbst ein Um die sprachliche und generelle Politiker wie Willy Brandt, der ins Exil Hemmschwelle für die interessierten gegangen war, blieb für viele Deut- „Neu-Saarländer“ möglichst niedrig Die Aktion „Konzertbegleitung sche auch nach dem Krieg ein Verrä- zu halten, startet der Verein Kammer- für Flüchtlinge gesucht“ ter – Asyl war etwas für Verdächtige. musikfreunde Saar-Pfalz die Aktion wird unterstützt von: Und nicht mal die eigenen Landsleute, „Konzertbegleitung für Flüchtlinge vertrieben aus den Ostgebieten, waren gesucht“, die großzügig vom Hom- gleich willkommen. burger Unternehmen „Dr. Theiss Na- Rund 13 Millionen Deutsche flüchte- turwaren GmbH“ und dem Verein ten nach Westen, es war die erste und „saarland.innovation&standort e. V.“ mit Abstand größte Zuwanderungs- unterstützt wird. welle. Zum Gründungsmythos der Re- Gesucht werden Menschen, die einen publik gehört, dass der Treck der Hei- oder mehrere Flüchtlinge in eines oder matlosen mit einzigartiger Solidarität mehrere Konzerte der 20. Internati- empfangen worden sei. Die Wahrheit onalen Kammermusiktage Homburg ist, dass sie lange nicht dazugehörten, Fotos: Astrid Karger (2)

12 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 unter sich blieben, als „Polacken“ und gab es staatliche Hilfen, den Lasten- Bild oben: Große Musik sollte auch Be- „Gesindel“ beschimpft wurden. Auf ausgleich, den sie meist gut sichtbar standteil der Willkommenskultur sein. dem Land sollte es manchmal Jahr- ins eigene Häuschen steckten. zehnte dauern, bis die Vertriebenen Und noch etwas sollte zum Muster für Bild unten: Die Kammermusikfreunde keine „Reingeschneiten“ mehr waren. die Zukunft werden: Dass die Ein- Saar-Pfalz freuen sich am Rande der Die Wurzeln der Fremdenfeindlich- gesessenen die Vertriebenen nicht zu Konzerte auch auf nette Kontakte mit keit waren schon damals dieselben, die lieben, aber doch zu schätzen lernten, Neuankömmlingen im Saarland. Gastarbeiter und Asylbewerber später das hatte wenig mit Solidarität, mehr erlebten: die Angst vor Unbekannten, mit Nützlichkeit zu tun. Sie wur- die Sorge um den Wohlstand, die Hei- den gebraucht, als Arbeitskräfte für nächste Zuwanderungswelle, die noch mat, auch der Neid – für Vertriebene das Wirtschaftswunder. So wie die schärfer auf ihre Nützlichkeit kalku- liert war: die Gastarbeiter. Und heute? Jahrelang haben wir die Folgen des demographischen Wan- dels beklagt und über Fachkräfte- mangel sinniert. Die Integration der Flüchtlinge kann hier an vielen Stel- len helfen und zur Win-win-Situation werden. Und damit die dafür nötige Integration gelingen mag, sind so klei- ne aber wichtige Aktionen, wie das Konzertangebot für Flüchtlinge der Kammermusikfreunde Saar-Pfalz eine wohl unterstützenswerte Initiative, die jetzt nur noch mit Leben gefüllt wer- den muss…

Interessierte Mitmenschen, Vereine und Initiativen für die Aktion „Konzertbegleitung für Flüchtlinge gesucht“ können sich bei den Internationalen Kammermusiktagen Homburg melden. Ansprechpartner: Roman Länger, Telefon 06834-5790729 oder E-Mail [email protected] Fotos: Astrid Karger (2)

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 13 Aufbruch! Unser Service für Sie

Eintrittskarten, Geschenkgutscheine, Begleitservice und vieles mehr

Ob Sie vorab Eintrittskarten oder möglichen, organisiert der Veranstalter für Rollstuhlfahrer immer gesondert nicht alleine ins Konzert gehen wollen, einen Busservice von Homburg nach ausgewiesene Plätze reserviert. Behin- die Internationalen Kammermusikta- Zweibrücken und umgekehrt zur je- derte Menschen erhalten gegen Vorlage ge Homburg bieten Ihnen viel Service. weiligen Spielstätte. Festivalbesucher, des Schwerbehindertenausweises eine Machen Sie sich selbst ein Bild. die diesen Service in Anspruch neh- ermäßigte Karte. Enthält der Ausweis men wollen, werden kostenlos zu den den Nachweis über eine Begleitperson, Eintrittskarten-Service Konzerten gefahren. Abfahrt ist im- gilt für diese der gleiche Preisvorteil. Sie wollen Eintrittskarten für die hoch- mer 90 Minuten vor Konzertbeginn in Eine nachträgliche Ermäßigung ist lei- karätigen Konzerte der 20. Internatio- Homburg am Kulturzentrum Saalbau der ausgeschlossen. Wir wünschen Ih- nalen Kammermusiktage Homburg? und Zweibrücken an der Festhalle. Um nen einen angenehmen Aufenthalt und Kein Problem, bestellen Sie einfach die entsprechenden Kapazitäten orga- viel Hörvergnügen bei den Konzerten per Internet, E-Mail, telefonisch oder nisieren zu können, bitten wir um vor- der Internationalen Kammermusiktage schriftlich – oder besuchen Sie eine herige Reservierung. Homburg. Haben Sie noch Fragen zum unserer fünf Vorverkaufsstellen in der barrierefreien Konzertgenuss? Dann Saar-Pfalz-Region. Die genauen An- Nie mehr allein ins Konzert schreiben Sie uns oder rufen Sie an oder schriften und Öffnungszeiten finden Sie lieben Musik, mögen besonders die schicken Sie uns eine E-Mail. Sie auf unserer Website. Die Abend- Kammermusik, sind neugierig auf die beziehungsweise Tageskasse öffnet im- aktuellen Konzerte der 20. Internationa- Geschenkgutschein-Service mer eine Stunde vor Konzertbeginn. len Kammermusiktage Homburg, doch Sie wollen Familie, Freunden oder guten Ermäßigungen: Die ermäßigten Prei- alleine macht Ihnen dieser Kunstgenuss Bekannten eine Freude machen? Dann se gelten für Schüler, Studenten und einfach keinen Spaß? Dann haben wir nutzen Sie doch unseren Geschenkgut- Menschen mit Behinderung (jeweils genau das Richtige für Sie: Nutzen Sie schein-Service für die hochkarätigen mit Ausweis). Kinder bis zur Vollen- das neue Angebot der Kammermusik- Konzerte der 20. Internationalen Kam- dung des 12. Lebensjahres haben in freunde Saar-Pfalz e. V. „Nie mehr al- mermusiktage Homburg. Gern stellen Begleitung eines Erwachsenen bei al- lein ins Konzert“ und einem schönen wir Ihnen auch einen Geschenkgut- len Veranstaltungen freien Eintritt. Konzerterlebnis zu zweit oder in einer schein über Ihren Wunschbetrag aus Festival-Abo: Beim Erwerb von min- kleinen Gruppe steht nichts mehr im und versenden ihn an Sie oder in einem destens fünf Eintrittskarten für un- Weg. Machen Sie mit! Rufen Sie uns an ansprechenden Geschenkumschlag an terschiedliche Veranstaltungen gibt es oder schreiben Sie uns. Wir melden uns den zu Beschenkenden. Das geht ganz eine Ermäßigung von 25 Prozent. dann bei Ihnen mit einem auf Sie zuge- einfach, rufen Sie uns an oder schreiben Verkaufsbedingungen: Jede Bestellung schnittenen Vorschlag für einen geselli- Sie uns eine E-Mail. Teilen Sie uns Ih- per Internet, E-Mail, telefonisch oder gen Konzertabend. Wir wünschen Ih- ren Wunschbetrag, Ihren Namen und schriftlich zuzüglich 3 Euro für Por- nen viel Spaß beim Kontakte knüpfen, Ihre komplette Anschrift sowie gege- to und Versand. Sie erhalten im An- Kennenlernen und Austauschen. benenfalls den Namen und die Adresse schluss an Ihre Kartenbestellung eine des zu Beschenkenden mit. Auftragsbestätigung, deren Gesamt- Barrierefrei ins Konzert betrag innerhalb von 7 Tagen zur Zah- Wir sind stets bemüht, Ihren Aufent- Weitere Infos und Kontakt: lung fällig ist. Nach Zahlungseingang halt bei den Konzerten der Internatio- Internationale Kammermusiktage und rechtzeitig vor Konzertbeginn nalen Kammermusiktage Homburg so Homburg, Festival-Management stellen wir Ihnen die Karten per Post angenehm wie möglich zu gestalten. c/o inplan-media GmbH zu. Bestellungen per Internet, E-Mail, Eine Behinderung sollte sie nicht davon Zur Waldkapelle 36 telefonisch oder schriftlich sind aus or- abhalten, in den Genuss unseres ein- 66773 Schwalbach ganisatorischen Gründen bis 10 Tage maligen Musikangebotes zu kommen. www.kammermusik-homburg.de vor dem jeweiligen Konzert möglich. Wir haben die Spielstätten bewusst so E-Mail kammermusik-homburg@ gewählt, dass auch Menschen mit kör- inplan-media.de Bustransfer-Service: Pendelbus perlichen Beeinträchtigungen unsere Telefon 06834-5790729 zwischen Homburg und Zweibrücken Konzerte besuchen können. Einzige Fax 06834-953909 Um den Festivalbesuchern der 20. Ausnahme ist das Konzert am 1. Ok- Die Internationalen Kammermusiktage Internationalen Kammermusiktage tober in der Aula des Saarpfalz-Gym- Homburg sind eine Veranstaltung der Homburg einen möglichst mühelosen nasiums Homburg. So gibt es überall Kammermusikfreunde Saar-Pfalz Transfer zwischen dem Hauptspielort rollstuhlgerechte Eingänge und behin- e. V., Amtsgericht Homburg, VR 935, Homburg und Zweibrücken zu er- dertengerechte Parkplätze. Auch sind als gemeinnützig anerkannt.

14 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Macher

„Das Vogler Quartett kann auf 30 Jahre Konzerttätigkeit und auf eine glanzvolle Karriere im sensibelsten Bereich instrumentaler Kammermusik verweisen“

Frank Schneider im Buch „Eine Welt auf sechzehn Saiten“, das zum 30. Geburtstag des Vogler Quartetts 2015 erschienen ist

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 15 Ein Glücksfall für Homburg

Die Internationalen Kammermusiktage Homburg ohne das Vogler Quartett – undenkbar. Das Berliner Streichquartett feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges

Bestehen – und das bei der 20. Auflage des Homburger Festivals. Quartett Vogler Foto:

16 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Macher Vogler Quartett

Von Roman Länger

er sie einmal erlebt hat, wird Bratschist Stefan Fehlandt stieß 1985 wie man dem Publikum entgegenkom- sie nie wieder vergessen. Als im Studium hinzu. „Natürlich fanden men kann, ohne populistisch zu sein. WZuhörer muss man fasziniert wir das Quartettspiel toll, aber es hatte Ein Quartettabend muss nicht hehr sein von der Kraft und Feinfühligkeit auch praktische Vorteile: Der normale und ernst sein.“ Die Antwort auf die ihrer Klänge. Das Vogler Quartett ist Weg in der DDR war, nach dem Stu- Frage nach einem Lieblingswerk ist eine feste Größe (nicht nur) im Berli- dium ins Orchester zu gehen, aber das folgerichtig: das erste Quartett von Er- ner Musikleben. Vier Mal im Jahr prä- war uns zu unflexibel. Und wir wollten win Schulhoff. „Kinder und Erwach- sentieren die vier Musiker im Kleinen reisen.“ 1986 bekamen sie erst im letz- sene reagieren darauf begeistert. Es ist Saal am Gendarmenmarkt Höhepunk- ten Moment ihre Reisepässe, um beim anspruchsvolle Musik, die auch nicht te und Raritäten der Quartettliteratur, Wettbewerb im französischen Evian abflacht, wenn man sie 20-mal gespielt manchmal auch unterstützt von illus- zu spielen. Und sie gewannen! „So hat. Aber sie ist spielfreudig, mitrei- tren Gästen, Quintette und Sextette. werden sich auch die Griechen gefühlt ßend, emotional, eine bildhafte Musik.“ „Das hält uns ganz schön auf Trab“, haben, als sie Fußball-Europameister Auch neue Musik spielt eine gewichtige sagt Tim Vogler. „Über Jahrzehnte wurden. Mit einem Schlag änderte Rolle im Repertoire der Voglers, zahl- hinweg vier Programme im Jahr zu sich alles.“ Trotz eines zeitweiligen reiche Werke von Kagel, Widmann, spielen – da kommen eine Menge Stü- Ausreiseverbots, weil sie ein Werk des Rihm u.a. haben sie uraufgeführt. Ei- cke zusammen.“ Dissidenten Ligeti gespielt hatten, be- nen weiteren Schwerpunkt bildet die Für die Internationalen Kammermu- gann eine steile Karriere, die die Vog- Kammermusik Antonin Dvořáks, die siktage Homburg ist das Vogler Quar- sie für das Entdeckerlabel cpo einspie- tett ein Glücksfall. Seit 15 Jahren ha- len: „Das sind allein 16 Streichquartet- ben sie die künstlerische Leitung inne, 1986 der Sieg im te, und es gibt viele Kleinode zu entde- sind also quasi alleinverantwortlich französischen cken – eine schöne Aufgabe.“ für das hochqualitative Programm des Von 2007 bis 2012 teilten sich die Festivals, das 2015 seine 20. Auflage Evian vier Musiker an der Musikhochschu- feiert. Damit mehr Kammermusik- le Stuttgart zwei Professuren. „Al- freunde künftig zuhören, wurde das les unter einen Hut zu bekommen: Festival vom Frühsommertermin in lers rasch in alle Welt führte. Quartettspiel, Unterricht, Familie, ist den Herbst verlegt. 2015 gibt es aber Weil sie auch in Berlin regelmäßig schwer. Man hat fast jedes Wochen- nicht nur die 20. Auflage der Inter- präsent sein wollten, gründeten sie ende Konzerte, muss sich immer fit nationalen Kammermusiktage Hom- 1993 ihre eigene Konzertreihe, als halten, das ist psychologisch anstren- burg, sondern auch den 30. Geburtstag Kooperation mit dem Konzerthaus. gend.“ Manchmal nehmen sie sich frei des Vogler Quartetts zu feiern. Inzwischen sind eine weitere Reihe vom Quartett, doch „Freunde sind wir Tim Vogler, erster Geiger des Quar- in Neubrandenburg, eigene Festivals noch immer.“ Und vier eigenständi- tetts (und Cousin des Cellisten Jan in Homburg und im irischen Sligo ge Persönlichkeiten. „Das letzte, was Vogler), ist noch immer Feuer und sowie die Kindermusiktage in Kassel ich will“, sagt Tim Vogler, „ist: nur Flamme für die Königsgattung der hinzugekommen. „Diese Regelmäßig- homogen klingen. Das muss ein jun- Kammermusik. Wenngleich er auch keit bindet das Publikum“, sagt Vogler, ges Quartett, um zusammenzufinden. freimütig über die Probleme im Leben „Aber insgesamt hat das Streichquar- Aber das Ideal ist, dass jeder so indi- eines Profiquartetts spricht. „Das Pu- tett schon einen schweren Stand. Das viduell spielt wie möglich. Und dass blikum schrumpft, und zugleich kom- traditionelle Publikum wird älter und man dennoch die gemeinsame Idee men immer mehr junge Quartette auf älter. An manchen Orten wächst ein hört, die dahinter steht. Am schöns- den Markt.“ neues nach, an anderen nicht. Hinzu ten ist es, wenn der Körper quasi von Vogler, Frank Reinecke und Cellist kommt: Das Quartett ist eine spezielle selbst spielt und man geistig frei wird Stephan Forck waren schon als Schü- Kunstform, die ein gewisses Grund- für die Gestaltung. Die Interaktion, ler am heutigen Carl-Philipp-Ema- verständnis zum wirklichen Genuss die dann entstehen kann, ist wie eine nuel-Bach-Gymnasium befreundet, voraussetzt. Wer sonst laute Musik Improvisation zu viert – und das kann gewöhnt ist, muss sich einhören. Auf Glücksgefühle auslösen.“ diese gewandelte Qualität des Publi- In diesem Jahr spielen Sie ein Rekord- Bild links: Das Vogler Quartett ist seit kums müssen wir Musiker reagieren.“ programm bei den Internationalen 15 Jahren alleinverantwortlich für das Einen farbigen Quartettabend zu ge- Kammermusiktagen Homburg: 10 hochqualitative Programm der Interna- stalten, ist gar nicht so einfach, die Konzerte in 10 Tagen plus ein Schul- tionalen Kammermusiktage Homburg. Werke haben „fast immer denselben besuch. Das Publikum darf gespannt Von links: Tim Vogler, Stefan Fehlandt, Ablauf: vier Sätze, schnell, langsam, sein, mit welchen Überraschungen sie Frank Reinecke, Stephan Forck. Foto: Vogler Quartett Vogler Foto: Menuett, schnell. Da braucht es Ideen, diesmal aufwarten.

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 17 Der Stilmix ist unser Erfolgsgeheimnis

Ein fragendes Gespräch mit Tim Vogler (Violine) und Stefan Fehlandt (Bratsche) über Kammermusik allgemein, die Intention des Vogler Quartetts und Programmschwerpunkte der 20. Internationalen Kammermusiktage Homburg.

Interview: Astrid Karger

tefan Fehlandt hörte in Dresden Stefan Fehlandt: Ein unglaublich zwei Sätze aus Musikermund, die energetischer, kommunikativer Typ, Sihn entsetzten, Ausdruck einer kann eigentlich nur gut werden… Arbeitsauffassung, die der Musikphilo- Tim Vogler: …und es bringt die sophie der Voglers entgegensteht. Die Chance, eine Form Neuer Musik im Sätze passen gut nebeneinander – „das Kontrast mit Altem zu bringen, auch haben wir schon immer so gemacht“, genreübergreifend. Mit der Mandoline lautet der eine, „das haben wir noch nie in die Alte Musik zum Beispiel, was in so gemacht“, der andere. Die Voglers so einem Festival passiert, ist wie ein machen es gerne anders, sie sind neu- chemischer Prozess, faszinierend da- gierig auf andere Musiker und offen für bei sein zu können. Zusammenarbeit. Streichquartett und Chanson – warum nicht? Ihre musi- Der Verdacht drängt sich auf, dass vor kalischen Reisen führen bis ins Berlin allem die Musiker vom Neuen faszi- der zwanziger Jahre, wenn sie mit Ute niert sind, weil sie sich seit Studien- Lemper oder mit Salome Kammer Eis- tagen mit der Streichquartettliteratur ler/Brecht Lieder auf die Bühne brin- des achtzehnten und neunzehnten gen. Oder nach Argentinien, um dem Tim Vogler Jahrhunderts beschäftigen. Bietet der Bandoneonspieler Marcelo Nisinman Beethoven, auf den der Hörer sich viel- in die Welt des Tangos zu folgen. Der leicht besonders freuen würde, für die türkische Musiker Taner Akyol bringt punkt der Kammermusiktage im Sep- Profis keinen Reiz mehr? mit der Baglama, der türkischen Laute, tember 2015 ist Moritz Eggerts für das Stefan Fehlandt: Es ist reizvoll das den Orient zum Streichquartett. Zu- Vogler Quartett komponierte Stück Alte dem Neuen gegenüber zu stellen, sammenkünfte, bei denen alle Musiker „Croatan“. Eineinhalb bis zwei Minu- die unterschiedlichen Gebiete mit de- sich vortasten, um gemeinsam etwas ten „Hämmerklavier“ am Beethoven- nen wir uns beschäftigen zusammen- Einzigartiges und Neues hervorzubrin- Abend. Der Titel scheint ein Augen- zubringen, das muss nicht unbedingt gen. Jahr für Jahr ist Homburg während zwinkern in Richtung Beethoven. Der Neue Musik sein. Beim Quartett ist es der Kammermusiktage Schauplatz die- Pianist spielt selbst, Eggert gilt auch so, dass man immer wieder zu Haydn ser Begegnungen, dieser „chemischen als großer Performer… zurückkommt. Die Herausforderung Prozesse“, wie Tim Vogler es nennt. Tim Vogler: Moritz Eggert ist gut bleibt. Die Interpretationen ändern ausgesucht, wenn er singt, ist das sehr sich auch im Lauf der Jahre. 2015 gibt es mit Moritz Eggert einen unterhaltsam. Man kann nicht immer „composer in residence“, einen leben- dieselben Mozarts, Haydns, Beetho- Was ist nun das Konstante? Wofür den und anwesenden Komponisten. vens spielen, wir mussten einen Kon- steht das Vogler Quartett? Wie würde Eggert bespielt Bühnen souverän, am text schaffen, der zeitgemäß ist. Nie- ein Musikkundiger den Ensembleklang Klavier und mit Worten. Ein Programm- beschreiben? mand soll abgeschreckt werden. Fotos: Vogler Quartett (2)

18 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Macher Interview

Tim Vogler: Wie ein Instrument und Tim Vogler: Haydn arbeitete wieder doch sehr individuell“, eine spirituelle polyphon, setzte ‚Bausteinchen’ zusam- Komponente, „Musik, das sind nicht men. Das Typische an Bach ist die Fuge, nur Noten, die man spielt, dahinter gleichwertige Stimmen, die sich zuspie- gibt es eine Wahrheit, eine Idee, einen len. Dieser mehrstimmige Ansatz wird Klang, den Duft der Musik sozusagen. bestimmend für das Streichquartett. Es ist etwas, das die Studenten noch nicht haben, sie spielen gut, die Phrasen Dieses „Schachspiel der Musik“ (Zitat sind korrekt, aber dann – das Türchen Tim Vogler) wird zur Herausforderung aufmachen, es zusammen laufen zu las- für Haydn, Mozart, Beethoven. Bereits sen, im Hier und Jetzt zu spielen und taub komponierte Beethoven seine trotzdem im Klang eine Zeit zusammen letzten Streichquartette, hochkomple- zu fassen, darum geht es letztendlich. xe Werke, wie die Große Fuge, die von ihm als Finalsatz für sein B-Dur Streich- Spirituell, überzeitlich – mit Worten ist quartett, Opus 130 gedacht war, auf schwer zu beschreiben, was gute Mu- Anraten des Verlegers aber als eigen- sik zu sagen vermag. ständiges Stück veröffentlicht wurde Tim Vogler: Diese Qualität muss da Stefan Fehlandt (Opus 133 B-Dur, entstanden 1825/26). sein, das führt auch dazu, dass man in Die Latte hing hoch für alle, die sich am Proben gar nicht mehr viel reden muss. Streichquartett versuchten, polyphon Selbst wenn es sich am Anfang zusam- sembleklang entsteht nur, wenn es vier arbeiteten wie Mendelssohn, Brahms, men suchen muss, irgendwann kommt gleichwertige, möglichst individuelle Schubert, Schumann, Reger, Ravel, der Punkt, wo alles, wie Zahnräder, Stimmen sind. Dann kann man anfan- Debussy, Schönberg. Das Repertoire ineinander greift. gen, sich um Homogenität zu kümmern. ist groß, der Drang der Musiker weiter zu gehen ebenso. Das hat wenig mit Technik zu tun. Sind Die Geschichte des Streichquartetts Tim Vogler: Wenn man dreißig Jahre das geistige, transzendente oder auch lasse sich herleiten aus der Zeit des Streichquartett spielt, über viele Jah- nur kognitive Vorgänge? Kontrapunkts, von Johann Sebasti- re ein Festival gestaltet, will man sich Tim Vogler: Ja, aber es sind vor allem an Bach, der polyphonen Musik. Die nicht immer wiederholen. Wir spielen auch emotionale Vorgänge. Emotiona- Mannheimer Klassik verdrängte die natürlich immer Haydn, Haydn hat le Intelligenz ist sicher das Wort. Es komplexe Kunst der Mehrstimmigkeit fast 70 Streichquartette geschrieben. hat mit Herz zu tun. mit ihrer effektgesättigten Einstimmig- Aber um im Bild des Schachspiels zu keit, einer Leitstimme, der die anderen bleiben, es bietet auch uns als Musi- Sie vergleichen es mit dem Kochen, folgen. Dann kam der erfindungsrei- kern viele Möglichkeiten, da mal aus- man hat ein Rezept, kennt die Zuta- che Joseph Haydn. zubrechen. » ten und schmeckt doch ab, ein Gericht wird es erst durch den Koch. In der Au- ßensicht, warum wählen Musikliebha- ber die Einspielung des Vogler Quar- tetts? Was bekommen die Fans des Vogler Quartetts? hintergrund, hörkunst, klangwelten, orientierung. Stefan Fehlandt: Individualität, viel sieben tage die woche. hörstoff. rund um die uhr. Kraft, Differenzierung, eine sehr gro- ße Bandbreite, bis zum orchestralen Klang, Power, Volumen, Klangreich- tum. Substanz, Fülle. TÄGLICH 1.440 MINUTEN Tim Vogler: Authentisch, etwas er- lebbar machen, was aus dem Inneren .. hervorkommt. HORSTOFF Stefan Fehlandt: Präsenz, das Wort Präsenz fällt mir ein. Plastizität. Durchgezeichnet, transparent, aber mit viel Substanz.

Ist es gewünscht, dass die vier Musiker als Individuen erkennbar bleiben?

Fotos: Vogler Quartett (2) Stefan Fehlandt: Ein interessanter En-

www.SR2.de · UKW 91,3 Die Macher Interview

» Stefan Fehlandt: Nicht zuletzt be- darüber nachzudenken? Tim Vogler: Ich erinnere mich an Quar- schäftigt einen nach dreißig Jahren ak- Spontan fallen den beiden vor allem tett-Aufführungen, zum Beispiel ein tiver Musikerkarriere die Frage, welche die ausgefallenen Projekte mit Künst- amerikanisches Quartett von Dvorak. Spuren man hinterlässt, und vor allem lern wie Eduard Brunner oder Salo- Stefan Fehlandt: Schubert-Oktett, welche Anreize man bietet, neue Stü- me Kammer ein, und die besonderen Quintette, wir haben einige schöne cke zu komponieren, ob man jungen Spielorte wie der „Kuhhof“ in Zwei- Sachen gespielt… Komponisten Motivation bietet. brücken. Das Stichwort „Orchester- Tim Vogler: Es ist oft das Zusammen- Tim Vogler: Was passiert heute, was stellenraten“ fällt. treffen und – spielen mit anderen, eben wird geschrieben, warum setzen wir uns Stefan Fehlandt: Ein Student von mir das, was das Festival auch ausmacht. nicht damit auseinander? Das sind Fra- war bei den Kammermusiktagen dabei, gen, die uns interessieren. Wer, wenn er stand kurz vor der Prüfung, und wir Gibt es noch ein paar Highlights aus nicht wir, soll die Musik aufführen? verfielen auf die Idee, ihn Stellen aus dem Gedächtnis? Die Komponisten haben es oft schwer, Orchesterstücken spielen zu lassen, Tim Vogler: Besonderes Highlight, schreiben Stücke, die niemals gespielt die auch zu seinem Prüfungsrepertoire der Rosengarten von Leysers, die vie- werden. Und wenn doch, flüchtet das gehörten, und das Publikum raten zu len schönen Abende im Kreise der Publikum. Das ist doch eigentlich fies. lassen, um welche es sich handelt. Kammermusikfreunde. Stefan Fehlandt: Wir bieten Interaktion Tim Vogler: Zum Beispiel aus dem Stefan Fehlandt: Die ehrenamtliche ohne die Vorurteile und Animositäten, Don Juan von Richard Strauss eine Arbeit so Vieler, Rose Weinheimer, die es nach wie vor gibt… die Kompo- einzelne Bratschenstimme rausgeholt, die alle Fäden zusammen hält. Auch nisten genügen sich selbst, die Lehrer kein normaler Konzertbesucher weiß wenn kleine Katastrophen passieren, beharren auf ihrer Lehre, die Musiker wie das klingt. Sängerin und begleitender Pianist sich sind mit Konzerten so verplant, dass in die Haare kriegen. für die zeitraubende Auseinanderset- Tim Vogler: Die Sopranistin rief an, zung mit lebenden Komponisten die „Wir bieten sie sollten Strauss-Lieder spielen, und Zeit fehlt. Dabei gibt die Arbeit mit sagte, ‚Tim, ich kann mit dem nicht lebenden Komponisten natürlich auch Interaktion spielen, ich reise ab’ – das Konzert war die Chance, Einfluss zu nehmen, Din- ohne am nächsten Tag, auch der Pianist war ge zusammen zu entwickeln. total sauer. Wir fuhren zu ihnen, wie Vorurteile und Kampfhähne standen die beiden gif- Welche zeitgenössischen Komponis- tend voreinander, hier die Walküre, da ten beeindrucken Euch? Animositäten“ der Italiener lässig in seiner schwarzen Tim Vogler: Ein außergewöhnlicher Lederjacke. Sie voller Verachtung, er Komponist ist Sven-Ingo Koch, den im Bewusstsein seines Künstlertums. wir 2014 auch in Homburg dabei hat- Stefan Fehlandt: Haarsträubender Mit Mühe gelang es, die beiden dazu zu ten. Ligeti, Lutowsalski. Lachenmann Stress für den Studenten, der die iso- bringen, es wenigstens einmal zu versu- ist eine große Figur, wir haben ihn lierte Stimme vor Publikum spielt…, chen. Nun, am nächsten Tag haben sie noch nicht gespielt. das sind zwei, drei Zeilen aus „Figaros ganz passabel miteinander gespielt. Die Stefan Fehlandt: Man tendiert dazu, Hochzeit“, der „Verkauften Braut“ oder Wogen hatten sich geglättet. In Erin- auch in der Moderne die Klassiker zu berühmte Stellen von Mahler, Bruck- nerung bleiben aber auch die vielen Ex- spielen, die sicheren Posten. Auch wir ner, Beethoven. Dann durfte geraten trawürste, die der Pianist während des spielen lieber Ligeti oder Lutoslawski. werden. Ein Herr aus dem Publikum Festivals für sich in Anspruch nahm, gewann alle CDs, die es zu gewinnen und nicht zuletzt die Nacht, die Baltha- Seit mehr als zehn Jahren kommen gab, weil er immer der schnellste war. sar Weinheimer mit Krankenbetreuung die vier Musiker nach Homburg zu den Da kam fast ein bisschen Unmut auf. zubrachte, weil der Künstler auf eine Kammermusikfreunden. Was bedeutet Aber ernst war das ja nicht gemeint, Tablette allergisch reagiert hatte… diese Woche „den Voglers“? mit einer Bratsche „Don Juan“ spielen, Tim Vogler: Einer der intensivsten Wo- eher eine Skurrilität. Gibt es denn viele „Diven“? chen im ganzen Jahr, die vielen und Tim Vogler: Man findet Leute, die sind intensiven Kontakte, die gewachsenen Blieb noch etwas besonders im Ge- einfach und unprätentiös, bei denen Freundschaften, die lukullischen Ver- dächtnis haften? könnte man einfach bleiben, das wäre wöhnaktionen durch die Vereinsmit- Stefan Fehlandt: Frank (Reinecke, dann immer derselbe Reigen, aber das glieder, jeden Abend Konzert, jeden Tag Violine) singt im Duett mit Salome wollen wir nicht, wir sind ja schon im- Probe. Es ist eine Woche, die auch er- Kammer „Brüderlein und Schwester- mer dieselben. Und diese immer Selben schöpft, etwas Besonderes auch dadurch, lein“, auch im Kuhhof. bleiben der Homburger Kammermusik dass man an seine eigene Grenze geht. treu und arbeiten mit an Bestand und Aber es ist nicht so, dass nur lustige oder Weiterentwicklung der Internationa- Woran erinnert Ihr Euch, ohne lange skurrile Szenen in Erinnerung bleiben. len Kammermusiktage Homburg.

20 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen

„Ernstes, Fröhliches, Klassisches, Mutiges, Neues, Jazziges, Stimmiges, Unerhörtes, Populäres – hier kommen alle auf Ihre Kosten“

Die große Vielfalt des musikalischen Spektrums zum Festival-Jubiläum kann sich hören lassen.

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 21 Bild links: Musikalische Kostproben – Das Vogler Quartett „umrahmt“ das Gesprächskonzert am 24. September.

Umsätze sind ähnlich wie bei Popkon- zerten. Nur nimmt die Klassik gern ei- nen eigentümlichen Tiefstaplerstatus ein: Ich bin nicht ganz auf der Höhe der Zeit, bitte helft mir überleben. Dass etwas getan werden muss, damit die Formel „Warum Kammermusik eine goldene Zukunft hat!“ nicht nur eine steile These bleibt, ist unbestritten und klar. Dem Klassikbetrieb im Allge- meinen und der Kammermusik im Be- sonderen müssen neue Wege gewiesen werden, die da heißen: mehr Wagemut, weniger Tradition, etwas mehr Tamtam und deutlich weniger Leisetreterei. Seien wir doch ehrlich, die meisten „Deutschland, ein Konzerte heute folgen den alten Ritu- alen, die seit dem 19. Jahrhundert, als das Konzert sich als Ausdruck bürger- licher Identität etablierte, mehr oder Land der Klassik“ weniger unverändert geblieben sind. Die bürgerliche Gesellschaft schuf sich prächtige Konzertsäle, Andachts- Donnerstag, 24. September, 20 Uhr geblich mit – als Musiker und als Pro- stätten geradezu, die der Selbstverge- Rathaus Homburg grammgestalter. Das lässt aufhorchen. wisserung einer selbstbewussten Klas- Dass das Publikum für Streichquartet- se dienten, während man den großen Gesprächskonzert: te schrumpft, wie Tim Vogler jüngst Symphonien und Solokonzerten der Warum die Kammermusik beklagt hat, wird seine Gründe haben. Klassik und Romantik lauschte. eine goldene Zukunft hat Klar auch, dass es kaum ein Bereich so Heute kann man Klassik und Kam- schwer hat wie diese sogenannte Kö- mermusik hören wie Pop: digital, uni- nigsdisziplin der Kammermusik – hier versell, unkompliziert und interaktiv, Warum die Kammermusik eine darf, auch die Alterung des Publikums im Fitnessstudio auf den Crosstrainer, goldene Zukunft hat! Fürwahr, eine nicht übersehen werden. Im Berliner im ICE, überall. Begriffe wie Strea- steile These, über die zur Eröffnung „Tagesspiegel“ aber war kürzlich ein ver- ming oder Download sind so geläu- der 20. Internationalen Kammermu- hängnisvoller Satz zu lesen, der einem fig wie Adagio cantabile oder Cantus siktage Homburg trefflich zu streiten Abgesang recht nahe kommt und dem firmus. Aber Familientreffen vor der sein wird. Diskussionsfreudige Ex- heftig widersprochen werden muss: „Es Musiktruhe sind passé und die An- perten und das Vogler Quartett sitzen ist gerade um diese Form des intimen dacht ist dahin. Da muss man schon auf dem Podium – musikalische Musizierens sehr schade, aber die Ent- deutliche neue Wege bestreiten, wenn Kostproben und eine Lesung runden wicklung kann wohl auch mit noch so man sein Publikum finden will. das Gesprächskonzert ab. viel Energie kaum aufgehalten werden.“ Etwa mit unüberhörbarer Qualität. Hundert Jahre alt ist der älteste in Genau die liefert das Vogler Quartett tmen, Streichen, Peitschenhie- seinem Besitz befindliche Zeitungs- verlässlich, auch nach 30 Jahren in be, kaum ein Genre hat es so ausschnitt mit der Klage, dass klassi- der gleichen Besetzung. Oder gerade Aschwer wie die Kammermusik. sche Musik ausstirbt, sagt der Geiger deshalb! „Die Musiker und Freunde Das hat Tradition. Muss aber nicht Pekka Kuusisto im Gespräch mit dem legen Wert auf Individualität statt ab- sein. Denn dass man trotzdem sein einschlägigen Onlinemagazin VAN. geschmirgeltem Gleichklang, riskieren Publikum findet, beweisen etwa die An der Klage hat sich seitdem nichts auch mal einen Patzer in der Ausgewo- Streicher des Vogler Quartetts. Sie fei- geändert – an der Stabilität des Klas- genheit. Sie pflegen eine rabiate Musi- ern in diesem Jahr ihr 30-jähriges Be- sikbetriebs aber auch nicht. Die Zahl zierhaltung, ob in der Akzentuierung, stehen, seit gut 15 Jahren gestalten sie klassischer Konzerte ist in den vergan- Dynamik oder Phrasierung. Wenn des- die Kammermusik in Homburg maß- genen Jahren sogar noch gestiegen, die wegen manchmal einer ausbricht, so ist Astrid Karger Foto:

22 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Gesprächskonzert am 24. September

das Ergebnis immer noch erfrischen- Orchester und Musiktheater: zwölf weilige Jetzt lebt, natürlich mit dem Ri- der als die monotone Homogenitäts- Rundfunk- und 29 reine Konzertor- siko des Misslingens, Verfehlens. Diese Dogmatisiererei mancher Kollegen“, chester. Insgesamt werden 131 Sym- Gefahr aber gehört genauso zu kam- wie es der Kritiker Christian Schmidt phonieorchester und 83 Musikbühnen mermusikalischer Bühnenkunst dazu kürzlich auf den Punkt brachte. subventioniert, die mit rund 20.000 wie grandioses Gelingen. Eben das ist es, Kammermusik kann Veranstaltungen rund zwölf Millionen Fast 10.000 Menschen leben in Deutsch- Menschen im Innersten anrühren, Besucher erreichen.“ Überspitzt könn- land davon, in einem Orchester klassi- an etwas erinnern, sie öffnen. Musik te man sagen: In Deutschland ist die sche Musik zu machen. Drei Millionen dieser Art ist heute mehr denn je als aus einem lebendigen Bürgertum er- Deutsche musizieren in Laienverbän- Trösterin von den Härten der Welt ge- wachsene Kultur beinahe verstaatlicht. den, allein 2,2 Millionen davon singen fragt. Ja, Kammermusik soll wieder, so Eben das mag das Problem sein, denn regelmäßig in Chören. Das sind beein- die selten klar artikulierte Forderung, in Zeiten leerer Staatskassen aber ei- druckende Zahlen, die es zu halten oder abseits aller historischen, sozialen und steigern gilt. Soll heißen: Ja, die Kam- geisteswissenschaftlichen Aspekte das mermusik hat eine goldene Zukunft! Gefühl ansprechen, sie soll den Hörer Es braucht Oliver Schwambach, der Kulturchef vertrauensvoll in Empfang nehmen, Ideen, Konzepte der „Saarbrücker Zeitung“, wird über ihn für kurze Zeit in ein Paradies diese These am 24. September ab 20 verführen. Und: es ist hier vor allem und Macher Uhr im Homburger Rathaus mit Pro- das Live-Erlebnis, das die Menschen fessor Wolfgang Mayer, dem Rektor packt, wenn sie erst gekommen sind. der Hochschule für Musik Saar und Und dass sie kommen, funktioniert ner boomenden Wirtschaft erscheint den Mitgliedern des Vogler Quartetts mit einem stimmigen und qualitativ es sinnvoller mit guten Ideen auf Fir- diskutieren. Die Veranstaltung wird hochwertigen Musikangebot sowie mit men zuzugehen, als sich das langweili- moderiert vom Berliner Kulturjour- flankierenden Marketingmaßnahmen. ge Klagelied chronisch klammer Kul- nalisten Thomas Böhm. Eingerahmt Motto: Tue Gutes und rede darüber. turpolitiker ständig anzuhören, das an wird die Veranstaltung durch kam- Apropos. Auch ganz Neues kann ge- gähnender Langeweile und Ideenar- mermusikalische Kostproben des Vog- lingen, wie ein Blick in den hohen mut kaum zu überbieten ist. ler Quartetts und einer kurzen Lesung Norden der Republik zeigt. Es ist Aber es braucht eben Ideen, Konzepte aus dem Buch „Eine Welt auf sech- von bitterer Ironie, dass etwa Ros- und Macher und nicht den ewigen Fata- zehn Saiten. Gespräche mit dem Vog- tock, größte Stadt Mecklenburg-Vor- lismus des Krisengeredes. Ja, Neue Mu- ler Quartett“ von Frank Schneider. Im pommerns, gerade Oper und Tanz sik und Uraufführungen sind selbstver- Anschluss an das Gesprächskonzert abschaffen will und auch sonst wenig ständlich geworden und heute scheint signieren Tim Vogler, Frank Reinecke, tut, die Stadt für Einwohner, Pendler alles entdeckt, möglich, machbar. Ge- Stefan Fehlandt und Stephan Forck und Touristen attraktiv zu machen. rade deshalb sollten wir uns in Erinne- ihr Jubiläumsbuch zum 30-jährigen Gleichzeitig wächst aus privater Lust rung rufen, dass jede Aufführungskunst Bestehen des Quartetts. Der Eintritt und Laune auf einem Dorf in der Nähe von der ständigen Vergegenwärtigung, zu diesem Gesprächskonzert ist frei. eine Villa zur Kulturinstitution mit Neuentdeckung, Aktualisierung ins je- Roman Länger überregionaler Resonanz heran. Das Beispiel der Jugendstilvilla Papendorf darf exemplarisch für gelungene kul- turelle Eigeninitiative stehen, die hof- MEISTERBETRIEB GIPS-, STUCK- fentlich noch viele Nachahmer findet. Gerne auch im Saarland. Dass dies sich lohnen kann, belegen UND TROCKENBAU nackte Zahlen: Überall haben sich Festivals, auch der Kammermusik, RUDOLFR FLIESSESTRICH etabliert: 1993/94 waren es 140, in- zwischen sind es fast 500. Das Ange- WÄRMEISOLIERUNG bot reicht vom umfassenden Klassik- STEFFES festival wie dem Schleswig-Holstein GmbH Musik Festival oder den Musikfest- VERPUTZARBEITEN spielen Saar bis zu Spezialreihen für 66125 Dudweiler · Kalkofenstr. 6 Alte oder Neue Musik, zeitgenössische oder eben Kammermusik. BRANDSCHUTZ „Deutschland ist ein Land der Klas- Tel. 0 68 97/7 41 47 sik“, war kürzlich im „Spiegel“ zu Fax 76 15 36 · www.rudolfsteffes.de MALERARBEITEN Foto: Astrid Karger Foto: lesen. „Nirgendwo gibt es so viele Freitag, 25. September, 20 Uhr Kulturzentrum Saalbau Homburg Zwischen Licht Eröffnungskonzert: Schumann und Dvorák begleiten Haydn in den Sonnenaufgang und Schatten Vogler Quartett Joseph Haydn (1732 bis 1809): Streich- quartett B-Dur op. 76 Nr. 4 – „Sonnen- nter den mehr als 70 Streich- gab Haydn die Quartette in Druck. aufgang“ (Allegro con spirito, Adagio, quartetten Joseph Haydns zäh- Immerhin drei von ihnen wurden bald Menuetto: Allegro, Finale: Allegro ma Ulen die sechs, die er unter der so populär, dass sich Beinamen für non troppo). Opuszahl 76 zusammenfasste, zu den sie einbürgerten: Nr. 2 wird „Quin- letzten und tenquartett“ Trio Imàge reifsten. Be- genannt (nach Robert Schumann (1810 bis 1856): kannt wurden Konzertpate dem Haupt- Klaviertrio Nr. 1 D-Moll op. 63 (Mit die 1796/97 thema des Al- Energie und Leidenschaft, Lebhaft, komponierten legros), Nr. 3 doch nicht zu rasch, Langsam, mit Stücke unter „Kaiserquar- inniger Empfindung, Mit Feuer). dem Namen tett“ (wegen Matan Porat, Vogler Quartett „Erdödy- der Variatio- Quartette“ – nenfolge über Antonín Dvořák (1841 bis1904): Klavier- nach dem Wid- die Hymne quintett A-Dur op. 81 (Allegro ma non mungsträger, dem ungarischen Grafen „Gott erhalte Franz, den Kaiser“) und tanto, Dumka: Andante con moto – Vi- Joseph Erdödy, der sie für 100 Duka- Nr. 4 „Sonnenaufgang“. Dieser Titel vace, Scherzo (Furiant): Molto vivace, ten eine Zeitlang zur alleinigen Ver- des vierten Quartetts bezieht sich auf Finale: Allegro). fügung erhielt. Erst im Sommer 1799 den Beginn des Kopfsatzes: Über ei- Imàge Trio Foto:

24 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Eröffnungskonzert am 25. September

Bild links: Thomas Kaufmann, Gergana gleichen satztechnischen Kunst – Ro- manches in meinem alten Koffer was Gergova und Pavlin Nechev (von links) bert und Clara hatten zuvor intensive schlummert und will das Licht sehen!“ sind das Trio Imàge. Sie waren 2014 Kontrapunkt-Studien betrieben. Den teilte der Komponist seinem Verleger ECHO-Klassik-Preisträger. ersten Satz des d-Moll-Trios bestimmt Simrock mit. Bei diesem Stöbern im ein gesangliches Hauptthema, das Notenkoffer tauchte auch ein bereits durch rhythmische Verschiebungen 1872 komponiertes Klavierquintett in nem in der Tiefe ruhenden Akkord ist gegen den Taktschwerpunkt eine ner- A-Dur (op. 5) auf – ein formal aus- eine lange, in lichte Höhen aufstreben- vöse Spannung erhält. Besonders be- uferndes Stück voller abenteuerlicher de Melodie der ersten Violine zu hören. merkenswert erscheint eine Passage, in harmonischer Wendungen. Dvořák Die genaue Umkehrung dieser Kons- der Cello und Geige nahe am Steg zu begann zu kürzen und zu glätten, tellation ergibt das zweite Thema: Das spielen haben – was zusammen mit der sah aber schließlich ein, dass er nicht Violoncello steigt mit einer rhythmisch akkordischen Klavierbegleitung in ho- gleichzeitig seinem Jugendwerk ge- ähnlichen Melodie in die Tiefe, dar- her Lage eine überraschend moderne, recht werden und höheren Ansprüchen über schwebt der Begleitakkord – ein gespenstisch fahle Klangwirkung er- genügen konnte. So schrieb er einfach schönes Beispiel für Haydns berühmte gibt. Die Rahmenteile des scherzoar- in der gleichen Tonart (aber ohne kon- Ökonomie der Mittel. An einen Hym- tigen zweiten Satzes prägt ein erregter krete Anleihen) ein neues Klavierquin- nus lässt das folgende Adagio denken: punktierter Rhythmus, während im tett – es wurde als sein Opus 81 eine Schlicht harmonisierte „Choralzeilen“ ruhigeren Trio-Mittelabschnitt eine der beliebtesten Kammermusik-Kom- erklingen in immer neuen Abwand- Tonleiterfigur wie in einem Kanon positionen des gesamten romantischen lungen und werden gelegentlich von Repertoires. Das Quintett beginnt zarten Figurationen der ersten Violine mit einem groß angelegten Sonaten- und des Cellos abgelöst. Mehr Scherzo Mit Energie hauptsatz, dessen zwei Grundthemen als würdevoller Hoftanz ist dann das erstaunlich vielfältig variiert werden. Menuett; die in Oktaven gespielte Me- und Der zweite Satz ist eine „Dumka“. lodie des Trioteils hat möglicherweise Dieser Name bezeichnet in der pol- ungarische Ursprünge. Vergleichsweise Leidenschaft: nischen und ukrainischen Volksmu- knapp fällt das Rondo-Finale aus. Es sik eine Ballade von melancholischem enthält allerdings eine ungewöhnlich Trio Imàge Charakter. Dvořák entwickelte daraus umfangreiche Coda, die das Quartett spielt Robert einen Satztyp, der durch den Wech- in zweimalige Temposteigerung („Più sel ruhiger und bewegter Abschnitte allegro“ und „Più presto“) zum rasan- Schumanns gekennzeichnet ist und damit auf die ten Schluss führt. in der Volksmusik geläufige Folge von Robert Schumann schrieb viele seiner Klaviertrio elegischer Dumka und tänzerischer Werke für kleine Ensembles in seinem Sumka anspielt. Das Scherzo hat der sogenannten „Kammermusikjahr“ Nr. 1 d-Moll Komponist nachträglich noch mit der 1842 – unter ihnen auch ein erstes Bezeichnung „Furiant“ versehen. Die- Klaviertrio, das er letztlich aber nicht sen tschechischen Volkstanz charak- als solches bezeichnete: Die vier „Fan- durch die Stimmen wandert. Von ei- terisiert normalerweise der Wechsel tasiestücke“ für Klavier, Violine und genartigem Reiz ist der langsame drit- zwischen Zweier- und Dreiertakten Violoncello sind eher locker gefügte te Satz – seine abgerissenen Phrasen (wie bei den bayerischen „Zwiefa- Suite als zyklisches Werk. Fünf Jahre und manche ungewöhnlichen Harmo- chen“); hier schreibt Dvořák allerdings später befasste sich Schumann inten- nisierungen geben ihm einen grübleri- einen durchgehenden Dreiertakt. Im siver mit der Gattung – womöglich schen Charakter. Das Finale schließt Hauptteil treten nicht weniger als drei angeregt durch ein Klaviertrio g-Moll, sich ohne Unterbrechung an. Sicher Themen in rascher Folge auf: das erste das seine Gattin Clara im Oktober bezog sich Clara vor allem auf diesen in der ersten Geige, zweite im Cello, 1846 komponiert hatte. Seine eigenen relativ unkomplizierten, in strahlen- das dritte in der Viola. Das Finale, „offiziellen“ Trios Nr. 1 (d-Moll) und dem Dur endenden Schlusssatz, als sie wieder ein Sonatensatz, ist von mitrei- Nr. 2 (F-Dur) entstanden im Sommer über das gesamte Werk urteilte: „Es ßendem Schwung, zeigt aber zugleich und Herbst 1847, ein drittes in g-Moll klingt wie von einem, von dem noch höchste Kunstfertigkeit – vor allem in sollte 1851 noch folgen. Offenbar kon- vieles zu erwarten steht, so jugend- der Durchführung, die in einer fugen- zipierte Schumann die beiden ersten frisch und kräftig, dabei doch in der artigen Verarbeitung des Hauptthe- Klaviertrios als ein Paar aus gegen- Ausführung so meisterhaft.“ mas gipfelt. Vor die Schlusssteigerung sätzlichen, sich ergänzenden Teilen: Antonín Dvořák stand auf dem Gip- schiebt Dvořák noch eine träumerisch- Das d-Moll-Werk wirkt leidenschaft- fel seines Ruhms, als er 1887 sein besinnliche Episode ein – eine letzte lich, mitunter auch düster verschattet, Klavierquintett A-Dur schrieb. Al- überraschende Wendung in diesem an das in F-Dur freundlich und anmutig. lerdings gab ein älteres Stück den An- Stimmungswechseln so reichen Werk. Jürgen Ostmann Foto: Trio Imàge Trio Foto: Beide Stücke zeugen jedoch von der stoß zu dem Werk: „Ich habe noch so

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 25 Weltklasse Vokalensemble trifft Streichquartett

Samstag, 26. September, 20 Uhr s ist eine gute, ja auch schon fast führen, das bietet Gelegenheit musi- Großer Saal der Festhalle Zweibrücken alte Tradition, dass das Vogler kalische Bälle hin und her zu werfen. EQuartett mit allen Künstlern des 1959 geboren ist auch der Leipziger Vollmundig: Festivals gemeinsam auf der Bühne Komponist Bernd Franke, von dem Feuerwerk der steht und bislang in dieser Kombina- das zweite Stück des ersten Teils kom- Stimmakrobatik mit amarcord tion Unerhörtes dem geneigten Pu- men wird, ebenfalls eine Kompositi- blikum zu Gehör bringt. So wird es on für amarcord. Große gegenseitige auch bei der Gastspielpremiere der 20. Wertschätzung spricht aus diesem Zy- Was dürfen wir erwarten, wenn die Internationalen Kammermusiktage klus, Frankes Musik ist fordernd, aber ECHO-Klassik-Preisträger „amar- Homburg in der Zweibrücker Fest- ohne auf Effekt getrimmte Stimm- cord“ – also das führende deutsche halle am Samstag, 26. September sein. bandstrapazen. Solche Ausflüge in vo- Vokalensemble – auf das großartige – amarcord und das Vogler Quartett, kalartistische Gefilde sind ihre Sache Streicherkollektiv Vogler Quartett eine Weltpremiere. nicht, denn in den Konzertprogram- treffen? Eine Weltpremiere mit Gleich zu Beginn des Programms tref- men von amarcord sollen Neu und Alt Unerhörtem zwischen Klassik, Pop fen sie auf die Gastgeber, das Vogler zusammenkommen, das Neue sollte und Jazz. Quartett. Der schottische Komponist die Stimme beim vielleicht folgenden James MacMillan (geboren 1959) be- Schubert-Stück nicht befremdlich lässt zwei der Sänger beim Streich- klingen lassen. So singen sie auch in Meisterbetrieb für moderne quartett, während drei aus der Ferne Zweibrücken Franz Schubert, die Ver- Floristik zu allen Anlässen singen. Da werden dann sozusagen tonungen der Goethegedichte „Ge- FLEUROP-Dienst die fünf Finger einer Hand geteilt, um sang der Geister über den Wassern“ Blumenhaus Rieß-Leidel in neuer Versuchsanordnung mit den – a cappella – und „Im gegenwärtigen ebenso perfekt aufeinander eingespiel- Vergangenes“ mit Klavierbegleitung. Einöder Straße 11 ten Musikern des Streichquartetts zu Nach der Pause finden Sänger und 66424 Homburg-Schwarzenbach reagieren. Zwei Einheiten aufbrechen, Streicher abermals zueinander, „Folks Telefon 06841-2440 damit spielen, sie wieder zusammen- and Tales“ und „Singer-Songwriter“ Martin Jehnichen Foto:

26 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Vollmundig am 26. September

sind hier die Stichworte, ein weiter Klangkunstwerk wird. Musik aus aller Bild oben: Faszinieren mit der Vielfalt Bogen vom engagierten Lied einer Welt sammelten amarcord auf Reisen der menschlichen Stimme – amarcord. Mercedes Sosa bis zum Briten Paul – nicht wie Bela Bartók oder die Ge- Millns. brüder Grimm, es war zunächst eine Neugierig darf man sein wie eine freundliche Geste dem Gastgeberland Fundus an Liedgut. Ein großes Ge- Ballade über die Liebe, die eigent- gegenüber, „ein kleines Geschenk“, schenk sind sicher die stimmig aus- lich ein Sänger, sich selbst am Klavier zum Beispiel ein estnisches Weih- gefeilten Programme der zweifachen begleitend, vorträgt, auf fünf Stim- nachtslied einzustudieren. So wuchs ECHO-Klassik-Preisträger. men verteilt, zu einem ganz neuen aus diesen Mitbringseln ein stattlicher Astrid Karger

DEUTSCHE radio Philharmonie Saarbrücken K aiserslautern WeltklasseSOIRÉEN in der Congresshalle Saarbrücken Chefdirigent: Karel Mark Chichon

Genial Fantastisch Stanislaw Skrowaczewski steht „Symphonie fantastique“ von kurz vor seinem 92. Geburtstag Hector Berlioz und die Geigerin und dirigiert die 8. Sinfonie von Jennifer Koh mit dem Violin- Anton Bruckner konzert „Sacrosanto“ von Herbert Willi Freitag, 6. November 2015 Freitag, 8. Januar 2016

Foto: Martin Jehnichen Foto: Visionär Titanisch Beethovens Vierte Sinfonie Orchestre National de Belgique Konzertkarten in E: 35 | 25 | 13 | 5 (ermäßigt 17,50 | 12,50 | 6,50) und Gustav Rivinius mit dem aus Brüssel mit „Titan“ von träumerischen Cellokonzert Gustav Mahler und Grande Dame SR-Shop im Musikhaus Knopp | Futterstr. 4 | Saarbrücken, Tel. 0681/9 880 880 „Tout un monde lointain“ von Elisabeth Leonskaja als Solistin Henri Duitilleux in Schumanns Klavierkonzert Freitag, 4. März 2016 Donnerstag, 21. April 2016 www.deutscheradiophilharmonie.de SR SWR Exzentrischer Clown, phantastische Masken

Sonntag, 27. September, 18 Uhr Komponisten jahrzehntelang ideale komponierte er im Sommer 1914 in Rublys Werkstatt in Homburg Arbeitsbedingungen geboten hatte. der französischen Schweiz, also noch Nach dem Tod Nikolaus I. war Haydn während seiner sogenannten „russi- Piano pianissimo: ja von dessen Nachfolger vom Dienst schen Periode“. Volkstümlich-russi- Kontrastreiches freigestellt worden, sodass er Ende sche Elemente sind in ihnen allerdings vor dem Tangofinale 1790 seine erste Englandreise antreten kaum noch zu erkennen. Strawinsky konnte. Als einziges der etwa 40 Kla- veröffentlichte die Stücke zunächst Trio Imàge viertrios Haydns beginnt Hob. XV:21 ohne Satztitel, die er jedoch für eine Joseph Haydn (1732 bis 1809): Kla- mit einer langsamen Einleitung. Dieses spätere Orchesterfassung nachreich- viertrio C-Dur Hob. XV:21 (Adagio pas- „Adagio pastorale“ schlägt allerdings te. In dieser Version heißt das ers- torale – Vivace assai, Andante molto, schon nach sechs Takten in ein aus- te Stück „Danse“, doch man täte sich Finale: Presto). gelassenes „Vivace assai“ um; an einer schwer, darin einen festen, tanzbaren Vogler Quartett Stelle glaubt man sogar das Schnarren Grundrhythmus finden zu wollen. Tat- Igor Strawinsky (1882 bis 1971): Drei eines schottischen Dudelsacks und das sächlich spielen die Instrumente vier Stücke für Streichquartett (Dance, Stampfen von Tänzern zu hören. Das unterschiedliche rhythmische Muster, Excentrique, Cantique). Satztitel über- folgende „Molto andante“ wirkt zu- die sich wiederholen und unregelmäßig tragen aus der Orchesterfassung der nächst wie ein schlichtes Lied, doch überlagern. Das Prinzip ist das gleiche Drei Stücke. seine formale Anlage ist raffiniert: Die wie in der „Minimal Music“ (etwa von Musikanalytiker konnten bis heute Steve Reich), deren Errungenschaften Matan Porat nicht entscheiden, ob es sich eher um Strawinsky damit um 50 Jahre vorweg- Claude Debussy (1862 bis 1918): Suite eine dreiteilige Liedform (ABA), eine nahm. Der zweite Satz, „Excentrique“, bergamasque (Prélude: Moderato – Variationenfolge oder ein Rondo mit wurde durch eine Show von Harry Rel- tempo rubato, Menuet: Andantino, wiederkehrendem Refrain und einge- ph alias „Little Tich“ inspiriert, die Clair de lune: Andante très expresif, schobenen Episoden handelt. Den Bo- Strawinsky in London erlebt hatte. In Passepied: Allegretto ma non troppo). gen zurück zur ländlichen Szenerie des den abgerissenen Melodiefragmenten Kopfsatzes schlägt das Finale: Es lässt spiegelt sich die groteske, ruckhafte Trio Imàge an Jagdhornklänge denken und ist Gangart des zwergengroßen Clowns, Astor Piazzolla (1921 bis 1992): Las nach Art einer „Contredanse“ rhyth- der seine übergroßen Schuhe als Stel- cuatro estaciones porteñas – Die misiert. Dieser lebhafte geradtaktige zen benutzte. Das Stück ist nahezu ato- vier Jahreszeiten von Buenos Aires Tanz, dessen französischer Name aus nal, und Strawinsky musste sich später (Primavera porteña – Frühling in Bu- dem englischen „Country dance“ ver- gegen den Vorwurf verteidigen, er habe enos Aires, Verano porteño – Som- ballhornt wurde, war während des ge- Arnold Schönberg und Anton Webern mer in Buenos Aires, Otoño porteño samten 18. Jahrhunderts bei Adel und nachgeahmt. Die Reihe schließt mit ei- – Herbst in Buenos Aires, Invierno Bürgertum gleichermaßen beliebt. nem „Cantique“ , also einem religiösen porteño – Winter in Buenos Aires). Obwohl Igor Strawinsky in seiner Ju- Lied. Seine Melodie erinnert an alten gend bei Nikolai Rimski-Korsakow Choralgesang, doch sie schreitet nicht Unterricht nahm und zeitlebens die einstimmig, sondern in seltsam starren, Joseph Haydns späte Klaviertrios ste- Musik Peter Tschaikowskys bewun- dissonanten Akkorden fort. hen in Zusammenhang mit seinem derte, konnte keiner dieser beiden Claude Debussys „Suite bergamasque“, zweiten Englandaufenthalt: Zwischen Einflüsse seinen Kompositionsstil1890 komponiert und nach einer 1794 und 1797 erschienen die zwölf auf Dauer prägen. Charakteristisch Überarbeitung 1905 veröffentlicht, Stücke Hob. XV:18 bis 29 in vier Drei- für ihn ist vielmehr eine ungeheure bezieht sich im Titel wie auch in den erserien in London. Einige von ihnen, Wandlungsfähigkeit: Strawinskys Stil- Satzüberschriften auf Musik der Ver- darunter auch das vom Trio Imàge palette reichte von impressionistisch- gangenheit: Die Suite, eine Folge von ausgewählte C-Dur-Werk, sind aber spätromantischen Frühwerken bis zu Tanzsätzen, war ja die wichtigste In- gleichwohl durch Widmungen noch den in Zwölftontechnik komponierten strumentalgattung des französischen mit dem Hof der Fürsten Esterhazy Stücken der 1950er und 1960er Jahre. Barock, und das Wort „bergamasque“ verbunden, der dem Kapellmeister und Die „Drei Stücke für Streichquartett“ deutet sowohl auf die italienische Homburg Palais Foto:

28 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Piano pianissimo am 27. September

Stadt Bergamo nordöstlich von Mai- land hin als auch auf die Bergamasca, einen Volkstanz des 16. Jahrhunderts, der von dort stammt. Den Tanz eben- so wie die Region assoziierte man mit der „Commedia dell’arte“, der italieni- schen Stegreifkomödie. Sie hatte ver- mutlich auch Paul Verlaine im Sinn, als er sein Gedicht „Clair de lune“ („Mondschein“) schrieb: „Votre âme est un paysage choisi / que vont char- mant masques et bergamasques / Jou- ant du luth et dansant et quasi / Tristes sous leurs déguisements fantasques“ (in Siegmar Löfflers Übersetzung: Idyllisch gelegen: Rublys Werkstatt in der Lagerstraße 13 in Homburg. „Dein Herz ist eine Landschaft, wo zu Gast / Sind reizende Figuren, Ber- gamasken, Mit Lautenspiel und Tanz ben Piazzollas Tangos in Wahrheit sich, ihr zu erzählen, dass er Tango- und traurig fast / In ihren so phantas- nur wenig gemeinsam: Es gibt keine musiker war. „Aber Nadia ließ mich tisch bunten Masken“). Diese Zeilen klirrende Winterkälte, keine glühende einen Tango auf dem Klavier spielen, dürften Debussy zu seiner Suite inspi- Sommerhitze; statt europäischer Wet- und dann sagte sie: ‚Du Idiot – weißt riert haben. Der Eröffnungssatz trägt terkontraste finden wir ein relativ aus- du nicht, dass das der wahre Piazzol- wie in mancher barocken Suite den geglichenes Seeklima, wie es in einer la ist, nicht der andere? Du kannst die Titel „Prélude“; zwei festliche Rah- südamerikanischen Hafenstadt herr- ganze andere Musik wegwerfen.’ Also menteile umschließen einen leisen, schen mag: immer ein wenig schwül, warf ich die Arbeit von zehn Jahren nachdenklichen Mittelabschnitt. Es und vor allem aufgeladen mit Sinnlich- weg und begann 1954 mit meinem folgt ein „Menuet“, das aber in nichts keit. „Die vier Jahreszeiten von Buenos Tango Nuevo.“ Zurück in Argentini- außer dem Dreivierteltakt an den hö- Aires“ lautet ungefähr die deutsche en, gestaltete Piazzolla den traditio- fischen Tanz dieses Namens erinnert. Übersetzung von Piazzollas Werktitel, nellen Tango nuancierter, komplexer „Clair de lune“, der berühmteste Satz denn als „porteños“ (wörtlich: Leute und moderner. Er ließ sich vom euro- der Suite und wahrscheinlich in De- vom Hafen) werden die Bewohner der päischen Neoklassizismus und ameri- bussys gesamtem Klavierwerk, sollte argentinischen Hauptstadt bezeich- kanischen Jazz beeinflussen, gab den ursprünglich „Promenade sentimenta- net. In den Slumgebieten der Stadt durchgehenden Rhythmus auf und le“ heißen. Dann wählte Debussy je- am Rio de la Plata entstand um 1870 baute dissonante Harmonien, neue doch den Titel des Verlaine-Gedichts, der Tango. Mit der Zeit entwickelte er Klangfarben in seine Musik ein. Die das er übrigens auch als Lied vertont sich zur argentinischen Nationalmusik vier Tangos der „estaciones porteñas“ hat. Auch die Überschrift des letzten schlechthin – doch sein schlechter Ruf entstanden ursprünglich als eigen- Satzes veränderte er: Zuerst dachte er hing ihm noch lange an. Das bestätig- ständige Stücke. Piazzolla schrieb sie an eine „Pavane“, einen gravitätischen te auch Piazzolla, der seit frühester Ju- zwischen 1964 und 1970 für ein Quin- Schreittanz des 16. Jahrhunderts, doch gend Bandoneon in Tango-Ensembles tett aus Violine, elektrischer Gitarre, letztlich entschied er sich für den leb- gespielt hatte, dann aber in Paris bei Klavier, Kontrabass und Bandoneon. hafteren „Passepied“, einen Rundtanz Nadia Boulanger, der Lehrerin vieler Erst später fasste er sie zu einer Suite des 16. und 17. Jahrhunderts, der oft wichtiger Komponisten des 20. Jahr- zusammen. in barocken Suiten enthalten war. Der hunderts, studierte. Zuerst schämte er Jürgen Ostmann Namenswechsel zeigt, dass es Debus- sy weniger um konkrete musikalische Bezüge als um poetische Assoziatio- nen ging. RATS-APOTHEKE Astor Piazzollas Suite „Las cuatro Apotheker Christian Charissé estaciones porteñas“ nimmt im Titel Talstr. 23 66424 Homburg Bezug auf die berühmten „Vier Jah- reszeiten“ des Barockmeisters Anto- 24h für Sie da – Tel: 0800 200 5223 nio Vivaldi. Dabei lässt das polyphone Wir unterstützen viele Vereine Homburgs. Geflecht, mit dem etwa das erste Stück Wir unterstützen die Kultur. „Primavera porteña“ beginnt, eher an Wir unterstützen soziale Projekte. Johann Sebastian Bach denken. Mit Dies können wir, weil viele von Ihnen uns Ihr Vertrauen geben – Danke ! Foto: Palais Homburg Palais Foto: Vivaldis Programm-Konzerten ha-

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 29 Montag, 28. September, 20 Uhr Protestantische Stadtkirche Homburg Formsinn und Streicherhaftes: Klassik und Moderne in beeindruckender Sakralkulisse Klangsensibilität Vogler Quartett Maurice Ravel (1875 bis 1937): Streichquartett F-Dur ffiziell widmete Maurice Ravel studiert, bevor er seinen eigenen Bei- (Allegro moderato – Très doux, sein erstes bedeutendes Kam- trag zu der traditionsreichen Gattung Assez vif – Très rythmé, Omermusikwerk, das Streich- in Angriff nahm. So überrascht es Très lent, Vif et agité). quartett F-Dur aus den Jahren 1902/03, auch kaum, dass Fauré manches De- seinem Lehrer Gabriel Fauré – sozusa- tail an der Komposition zu kritisieren Avi Avital, Vogler Quartett gen als Abschlussarbeit seiner Zeit am fand, während Debussy schlichtweg David Bruce (geboren 1970): Pariser Konservatorium. In Wahrheit begeistert war: „Im Namen der Göt- „Cymbeline“ (Sunrise, Noon, Sunset). war das Stück allerdings viel stärker ter der Musik und meinem eigenen: Claude Debussy verpflichtet: Das zehn Ändern Sie nichts an dem, was Sie Stephan Braun, Jazzcello Jahre zuvor entstandene Quartett sei- von Ihrem Quartett niedergeschrieben Improvisation nes Kollegen hatte Ravel aufmerksam haben!“ Seinerseits bekannte Ravel Fotos: Stadt Homburg — Stephan Braun

30 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Streicherhaftes am 28. September

Bild links: Die protestantische Stadtkir- che in Homburg erhielt 1972 und 1978 in zwei Bauabschnitten eine Orgel von der Firma G. F. Steinmeyer, Oettingen.

Bild rechts: Über Jazzcellist Stephan Braun titelte die „Süddeutsche Zeitung“ 2013 „Die Entdeckung des Abends“.

später: „Erst seit ich zum ersten Mal Debussys‚ L’après-midi d’un faune’ gehört hatte, wusste ich, was Musik ist.“ Beispiele für Debussys Einfluss auf seinen jüngeren Kollegen bieten die Themen des ersten Satzes mit ih- rer pendelnden Bewegung, außerdem vieles aus dem scherzoartigen zwei- ten Satz: Er wird teilweise pizzicato osen Avi Avital. Der Titel des 2012/13 nen gab) auf die drei unterschiedlichen gespielt, hat die gleiche Taktart (6/8, entstandenen Werks für Mandoline und Positionen der Sonne zurückgeht. Der allerdings überlagert durch 3/4) und Streichquartett (oder Streichorchester) Sonnenaufgang ist der ‚Vater des Tages’; fast die gleiche Tempo- und Vortrags- greift ein altes keltisches Wort auf, das der Mittag repräsentiert die Fülle der bezeichnung wie der entsprechende „Herr der Sonne“ bedeutet. Die Asso- Energie, den Sohn; und der Sonnenun- Satz bei Debussy. Selbständiger als die ziation zwischen Musik und Titel er- tergang ist eine Zeit der Betrachtung ersten beiden wirkt der dritte Satz, der gab sich für Bruce aus dem Klang der und des Nachdenkens – also der Geist. mit seinen häufigen Wechseln in Takt, Mandoline, den er seit jeher als „gold- Für mich stellen diese drei Stadien auch Tempo und Tonart improvisatorischen farben“ empfunden hat – vor allem im die Reflexion über eine künftige Hand- Charakter trägt, ebenso das Finale, in Zusammenspiel mit den warmen Tönen lung (Sonnenaufgang), die Handlung dem sich Fünfer- und Dreiertakt ab- der Streicher. „Die Sonne“, so führt selbst (Mittag) und die Reflexion über wechseln. Ravel verfolgte mit seinem Bruce in seinem Werkkommentar aus, die zurückliegende Handlung (Son- Werk offenbar zwei Ziele: Einerseits „ war eines der ersten Objekte der Ver- nenuntergang) dar. ‚Cymbeline’ besteht ging es ihm um jene formale Strenge, ehrung, und man hat vermutet, dass die demgemäß aus drei Sätzen – zwei kon- die die klassische Gattung des Streich- Idee einer heiligen Dreifaltigkeit (die templative Ecksätze umrahmen einen quartetts zu fordern schien: „Mein es nicht erst im Christentum, sondern energischen Mittelsatz.“ Quartett in F“, so schrieb er später, bereits in zahlreichen früheren Religio- Jürgen Ostmann „entspricht einem Wunsch nach musi- kalischer Konstruktion, die zweifellos unvollkommen verwirklicht ist, aber viel deutlicher in Erscheinung tritt als in meinen früheren Kompositionen.“ In Erscheinung tritt dieses konstruk- tive Moment zum Beispiel in der Her- Meine Heimat. leitung der meisten späteren Themen aus dem Grundthema des Kopfsatzes. Meine Kasse. Andererseits verwirklicht sich in vie- len Details ein ganz eigener Sinn des Komponisten für Klangeffekte: Neben dem Pizzicato sind etwa Dämpfer, das Spiel auf dem Griffbrett, Tremolo oder nfach höchste Lagen für Bratsche und Cello Ei äußerst geschickt eingesetzt. Ravels äher. Streichquartett lebt aus der Spannung n zwischen zwei Begabungen – Form- sinn und Klangsensibilität. Der britisch-amerikanische Komponist David Bruce schrieb sein Stück „Cym-

Fotos: Stadt Homburg — Stephan Braun beline“ eigens für den Mandolinenvirtu-

Die IKK Südwest – aus der Region, für die Region. Meine-Kasse.de Der Geist der Volksmusik

Dienstag, 29. September, 20 Uhr hochvirtuose Musiker benötigen etwa noch einen allgemeineren, überper- Kulturzentrum Saalbau Homburg ein Jahr intensiver Arbeit, um das rund sönlichen Hintergrund – das legen die zwölf Minuten dauernde Werk mit all zahlreichen Anklänge an ostjüdische Kontrastreiches: seinen sich überlagernden Schichten Volksmusik nahe, die viel zur zykli- Mandolinenmeisterwerke, abstrakter rhythmischer Ideen einzu- schen Einheit des Werks beitragen. Ravel und georgische Volkslieder üben. Doch trotz der extrem genauen Obwohl Schostakowitsch sich nicht Notation dieser Ideen durch den briti- dazu äußerte, ist ein Bezug zum Holo- Sabrina Ma schen Komponisten kommt am Ende caust sehr wahrscheinlich: Zur Zeit der Brian Ferneyhough (geboren 1943): jeder Interpret zu seiner ganz eigenen, Arbeit am Trio drangen erste Nach- „Bone Alphabet“ für Percussion. persönlichen Fassung. Schließlich ist richten von den Vernichtungslagern der Trio Imàge manche Entscheidung auch ausdrück- Nationalsozialisten in die Sowjetunion. Dmitri Schostakowitsch (1906 bis lich freigestellt – was schon mit der In- Schostakowitsch liebte die jüdische 1975): Klaviertrio Nr. 2 E-Moll op. 67 strumentierung beginnt. Ferneyhough Volksmusik, weil sie, wie es in seinen (Andante – Moderato, Allegro con schrieb „Bone Alphabet“ 1992/93 auf Memoiren heißt, „fröhlich erscheinen brio, Largo, Allegretto – Adagio). Anregung des Perkussionisten Ste- und in Wirklichkeit tief tragisch sein ven Schick, der sich ein Solostück für kann. Fast immer ist es ein Lachen Avi Avital, Matan Porat ein sehr begrenztes Instrumentarium unter Tränen. Diese Eigenschaft […] Manuel de Falla (1876 bis 1946): Suite wünschte: Die Klangerzeuger sollte kommt meiner Vorstellung von Musik populaire espagnole – Siete Can- bei Flugreisen im persönlichen Ge- sehr nahe. Die Musik muss immer zwei ciones populares (El paño moruno, päck Platz finden. Auf diesen Auftrag Schichten enthalten. Die Juden wurden Seguidilla murciana, Nana, Cancion, reagierte Ferneyhough, indem er keine so lange gequält, dass sie es gelernt ha- Polo, Asturiana, Jota). bestimmten Instrumente vorschrieb, ben, ihre Verzweiflung zu verbergen. Avi Avital, Matan Porat sondern nur einige Regeln aufstellte, Sie drücken sie in Tanzmusik aus.“ Maurice Ravel (1875 bis 1937): nach denen sie auszuwählen sind. Sie- Zu den bekanntesten Werken Manu- Habanera. ben Instrumente von hoher bis tiefer el de Fallas zählen die „Siete cancio- Tonlage, alle mit großer dynamischer nes populares españolas“, die sieben Avi Avital, Vogler Quartett, Bandbreite, sind gefragt. Und benach- spanischen Volkslieder. Komponiert Frithjof-Martin Grabner barte Instrumente dürfen nicht aus wurden sie 1914, und nachdem 1922 Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750): dem gleichen Material (also beispiels- die Originalfassung für Singstimme Konzert für Violine und Orchester, A- weise Holz, Metall, Glas und so wei- und Klavier erschienen war, verbreite- Moll, BWV 1041, Bearbeitung für Mando- ter) bestehen. te sich der Zyklus bald auch in vielen line, Streichquartett und Bass (Allegro Dmitri Schostakowitsch widmete sein Instrumental-Arrangements, die dann moderato, Andante, Allegro assai). zweites Klaviertrio op. 67 dem Ge- unter Namen wie „Suite populaire es- dächtnis des Musikwissenschaftlers pagnole“ bekannt wurden. De Falla Avi Avital, Vogler Quartett, Iwan Sollertinski, der 1944, erst 41 hat sein Ethos als Volkslied-Bearbeiter Frithjof-Martin Grabner Jahre alt, einem Herzinfarkt erlegen einmal so zusammengefasst: „Mei- Sulchan Zinzadse (1925 bis 1991): war. „Das Unglück, das mich traf, als ner bescheidenen Ansicht nach ist bei Miniaturen nach georgischen Volks- ich vom Tode Iwan Iwanowitschs er- Volksliedern der Geist wichtiger als liedern, Bearbeitung für Mandoline, fuhr, kann ich nicht in Worte fassen“, der Buchstabe; die wesentlichen Fak- Streichquartett und Kontrabass von schrieb der Komponist an Sollertins- toren sind der Rhythmus, die Modali- Avi Avital (Hirtentanz, Suliko, Indi-Min- kis Witwe. „Er war mein nächster und tät und die intervallische Struktur der di, Lied, Satschidao, Tanzmelodie). teuerster Freund. Meine ganze Ent- Melodie. Weil aber die rhythmische wicklung verdanke ich ihm. Ohne ihn und harmonische Natur der Beglei- zu leben wird mir unerträglich schwer tung ebenso wichtig ist, muss man sich iele Solo-Perkussionisten be- fallen.“ Tatsächlich hatte Schostako- unmittelbar von dem volkstümlichen trachten Brian Ferneyhoughs witsch von seinem langjährigen Weg- Modell inspirieren lassen. Wer gegen- V„Bone Alphabet“ als eine Art gefährten viele wichtige Anregungen teiliger Meinung ist, schafft nur eine Mount Everest unter den Stücken erhalten; vor allem machte ihn Soller- mehr oder weniger seltsame Melange für ihr Instrumentarium: Eine kom- tinski mit der Sinfonik Gustav Mahlers all dessen, was er selbst in die Vorla- plexere, schwieriger zu erlernende bekannt, die seine eigene Musiksprache ge hineinzuinterpretieren wünscht.“ Schlagzeug-Komposition hat wohl dann nachhaltig prägte. Schostako- Für die „Siete canciones populares“ noch niemand ersonnen, und selbst witschs Trauermusik hat aber offenbar verwendete de Falla teils echte folk-

32 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Kontrastreiches am 29. September loristische Motive, teils erfand er auch eigener und fremder Werke, übertrug Kaffeehäusern und -gärten auftrat. Melodien „im Volkston“. Die arabisch beispielsweise Solokonzerte für Violi- An dem Werk lässt sich beobachten, anmutenden Figuren des ersten Lie- ne oder Oboe aufs Cembalo oder die wie geschickt er das italienische Mo- des erklären sich schon aus dem Titel: Orgel. Die Mandoline hat er zwar dell seinen eigenen Vorlieben anpasste: „El paño moruno“ – das maurische selbst nicht mit Kompositionen be- Der Kopfsatz schließt sich zwar recht Tuch. Das zweite ist eine Seguidilla dacht, doch von seinem Zeitgenossen eng an Vivaldis Konzertsatzform an: (das heißt ein Tanzlied im Tripeltakt) Antonio Vivaldi (der Bach im Bereich Orchester-Ritornelle auf den Haupt- aus Murcia. Es folgt „Nana“, ein Wie- stufen der Tonart bilden die Grund- genlied, dem ein durchgehender syn- pfeiler, zwischen die sich teils thema- kopierter Rhythmus etwas eigentüm- Sabrina Ma tische, teils figurative Soloabschnitte lich Schwebendes verleiht. Nach einer einfügen. einfach „Canción“ überschriebenen spielt das „Bone Miniaturen des georgischen Kompo- Liebesklage hören wir einen „Polo“ – Alphabet“ für nisten Sulchan Zinzadse beschließen ein andalusisches Tanzlied möglicher- den Abend. Georgien ist berühmt für weise zigeunerischen Ursprungs. Und Percussion seine große Tradition mehrstimmiger nach der ruhigen „Asturiana“ schließt Gesänge, die sich seit mehr als einem der Zyklus mit de Fallas meistgesun- Jahrtausend sowohl in der Kirche als genem Lied: Die „Jota“ ist der popu- der Konzertkomposition ja als Vorbild auch in der Volksmusik erhalten hat. lärste aller spanischen Tänze, gespielt diente) sind Konzerte für eine bezie- Zinzadse arrangierte in seinen Mini- im bewegten Dreiachteltakt. Der Text hungsweise zwei Mandolinen überlie- aturen Volkslieder und –tänze, deren der Originalfassung lässt an eine Sere- fert. Sein Violinkonzert a-Moll BWV polyphone Struktur er auf die Streich- nade denken, die ein junger Mann vor 1041 schrieb Bach vermutlich um 1730 quartett-Besetzung übertrug – für die den Fenstern seiner Geliebten singt. für das von ihm geleitete Collegium Aufführung mit Streichorchester fügte Maurice Ravel war in seinem Le- musicum, ein Studenten- und Lieb- er noch eine Kontrabassstimme hinzu. ben nur zweimal kurz in Spanien: haberorchester, das in den Leipziger Jürgen Ostmann als Tourist, 1935, zwei Jahre vor sei- nem Tod. Doch obwohl er das Land kaum kannte und auch seine Sprache nicht beherrschte, sind viele seiner Werke spanisch geprägt. Dafür mag es eine biographische Erklärung ge- ben: Ravels Mutter, zeitlebens seine IHRE GESUNDHEIT engste Bezugsperson, stammte aus dem Baskenland; durch sie lernte er schon früh spanische Klänge kennen. LIEGT UNS AM HERZEN! Und später, während des Studiums, kamen Kontakte und Freundschaften zu spanischen Musikern wie etwa dem Besuchen Sie uns in unserer Pianisten Ricardo Viñes hinzu. Ra- AVIE Brunnen Apotheke, vels Spanien-Begeisterung zeigt sich in Kompositionen wie etwa dem Kla- wir freuen uns auf Ihren Besuch! vierstück „Alborada del gracioso“, dem Orchesterwerk „Rapsodie espagnole“, der komischen Oper „L’heure espag- nole“, dem berühmten „Boléro“ oder den Orchesterliedern „Don Quichotte à Dulcinée“. Mit der Habanera griff Ravel einen langsamen Tanz im 2/4- Takt auf, der ursprünglich aus Kuba nach Spanien gelangt war. Georges Bizets Oper „Carmen“ hatte ihn auch Inhaber Michael Schurig e. K. in Frankreich sehr bekannt gemacht. Im Tal-Zentrum | 66424 Homburg/Saar Ein Violinkonzert von Johann Sebas- Telefon 06841 2228 | Telefax 06841 4589 tian Bach auf der Mandoline – die [email protected] | www.avie-apotheke.de/hom-brunnen Idee ist weniger abwegig, als man Öffnungszeiten: zunächst meinen könnte. Schließlich Montag bis Freitag 8.00 - 18.30 Uhr, Samstag 9.00 - 14.00 Uhr war Bach selbst ein eifriger Arrangeur

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 33 Geistvoll bis geisterhaft

Mittwoch, 30. September, 20 Uhr ersterbenden Klang des Cembalos im Kulturzentrum Saalbau Homburg Diskant zu verstärken. Gelegentlich übernahm sie auch eine Mittelstimme, Klassikerabend: doch man konnte sie durchaus weglas- Beethoven im Dreierpack und sen, ohne dass der Tonsatz seinen Sinn Moritz Eggert mit „Hämmerklavier“ verloren hätte. Beethovens Titelwahl spiegelt diese Praxis, ist aber sachlich Matan Porat, Frank Reinecke schon nicht mehr richtig: Seine Vio- Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827): linsonaten sind echte Duos gleichbe- Sonate für Klavier und Violine A-Dur rechtigter Partner. Ständiges Hin- und op. 12 Nr. 2 (Allegro vivace, Andante Herreichen der Motive, unablässiger più tosto allegretto, Allegro piacevole). Rollentausch zwischen Melodie und Trio Imàge Begleitung prägt vor allem den witzig- Klaviertrio D-Dur op. 70 Nr. 1 „Geister- temperamentvollen ersten Satz der trio“ (Allegro vivace e con brio, Largo A-Dur-Sonate. Dem schlichten An- assai ed espressivo, Presto). dante in a-Moll fügte Beethoven noch die zusätzliche Vortragsbezeichnung Moritz Eggert „più tosto Allegretto“ (eher etwas leb- Moritz Eggert (geboren 1965): haft) hinzu, um einer allzu langsamen Hämmerklavier XXV – Abweichung Ausführung vorzubeugen. Die Sonate (Hommage à Beethoven). endet mit einem rondoartigen Alleg- ro, das ganz zu Recht als „piacevole“ Moritz Eggert, Tim Vogler, (gefällig) bezeichnet ist. Dass aber Stefan Fehlandt, Stephan Forck selbst solche Sätze, die uns heiter und Ludwig van Beethoven: Quintett unproblematisch erscheinen, damals Es-Dur für Klavier, Oboe, Klarinette, manche Zeitgenossen überforderten, Fagott und Horn op. 16 (Grave – Alleg- zeigt eine Rezension der Sonaten op. Frank Reinecke spielt zusammen mit ro ma non troppo, Andante cantabile, 12 in der „Allgemeinen Musikalischen Matan Porat Beethovens Sonate für Rondo: Allegro ma non troppo). Zeitung“: „Es ist unleugbar, Herr van Klavier und Violine A-Dur op. 12 Nr. 2. Beethoven geht seinen eigenen Gang, aber was ist das für ein bizarrer, müh- as Matan Porat und Frank seliger Gang! Gelehrt, gelehrt und im- für den Mittelsatz des Trios eine kurze Reinecke zur Konzerteröff- mer fort gelehrt und keine Natur, kein Skizze mit der Überschrift „Macbeth Wnung spielen, würden die Gesang! […] eine Sträubigkeit, für die – Ende“ enthält. Sie war angeblich für meisten Musikliebhaber unserer Tage man wenig Interesse fühlt; ein Suchen den Hexenchor einer geplanten Oper als eine Violinsonate bezeichnen. Das nach seltener Modulation, ein Ekel- nach Shakespeares „Macbeth“ be- Klavier ist in diesem Begriff zwar mit- tun gegen gewöhnliche Verbindung, stimmt und steht genau wie das Largo gemeint, doch das Hauptaugenmerk eine Anhäufung von Schwierigkeit auf des Klaviertrios in d-Moll. Ein wenig richtet sich auf das Melodieinstru- Schwierigkeit, dass man alle Geduld geisterhaft, schauerlich wirken man- ment. Um das Jahr 1800 sah man das und Freude dabei verliert.“ che Stellen des Mittelsatzes durchaus noch etwas anders: So ließ Ludwig Unter der Opusnummer 70 sind in – etwa die dissonanten Tritonus-Inter- van Beethoven auf das Titelblatt sei- Beethovens Werkverzeichnis zwei valle und verminderten Septakkorde, ner Reihe op. 12 in großer Schrift die Klaviertrios aus dem Jahr 1808 zusam- die fast von Beginn an eine wichtige Worte „Tre Sonate Per il Clavicembalo mengefasst: Das erste in D-Dur wurde Rolle spielen, etwas später dann Tre- o Forte-Piano“ setzen – und deutlich schon früh unter dem Beinamen „Geis- molofiguren und brodelnde Triller in kleiner darunter: „con un Violino“. tertrio“ bekannt, und dieses Etikett ist den Tiefen des Klaviers. Der Kompo- Diese Reihenfolge und Gewichtung zweifellos mitverantwortlich für die nist und Schriftsteller E.T.A. Hoff- wäre wenige Jahrzehnte zuvor so- große Beliebtheit, die das Werk bis mann fühlte sich an solchen Stellen in gar noch angemessen gewesen, denn heute genießt. Wer den Namen erfand, einen „magischen Kreis seltsamer Ah- tatsächlich dominierte damals das ist nicht bekannt, doch der Anlass ist nungen“ gezogen (in seiner Rezension Tasteninstrument. Die Geige diente wohl in einem Skizzenblatt Beetho- des Trios aus dem Jahr 1813). Freund- lediglich dazu, den starren, schnell vens zu sehen, das neben Entwürfen licher verlaufen über weite Strecken Quartett Vogler Foto:

34 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Klassikerabend am 30. September

die beiden Ecksätze. Das eröffnende auch ergänzender Klangquellen erfor- und Tonart sowie manche Ähnlichkeit Allegro platzt mit einem stürmischen schen. „Hämmerklavier XXV – Ab- im Detail aufweist. Nicht weniger auf- Unisono herein, dem ein gesanglicher weichung (Hommage à Beethoven)“ fällig sind allerdings die Unterschiede Cello-Gedanke folgt. Diese beiden wurde am 22. April 2015 im Rahmen zwischen den Quintetten. Beethoven Elemente bilden im Wesentlichen des Projekts „250 piano pieces for zeigte sich in formaler Hinsicht in- schon das Grundmaterial, auf dem der Beethoven“ von der Widmungsträge- novativer, indem er etwa den zweiten ganze Satz aufbaut. Ein wirkliches rin Susanne Kessel uraufgeführt. Satz als Verbindung aus Rondo und Seitenthema fehlt, wenn man nicht Beethoven schrieb sein Opus 16 Variationenfolge, den dritten als Ron- die häufiger zu hörende Kombination 1796/97 als Quintett für Klavier und do mit Sonatensatzelementen gestal- aus Tonleiterfiguren und punktiertem Bläser, doch bereits der Erstdruck aus tete. Dafür nutzte er die klanglichen Rhythmus so bezeichnen will. Ge- dem Jahr 1801 enthielt zusätzlich noch Möglichkeiten der Besetzung, die genüber den beiden vorangegangenen drei Streicherstimmen, die als Alter- reichhaltige Palette der Bläserfarben, Sätzen wirkt das Presto-Finale spiele- native zu den vier Bläserparts gespielt viel zurückhaltender als Mozart. Bei risch, leichtgewichtig, fast schon clow- werden konnten und dem Werk so eine ihm dominiert eindeutig das Klavier; nesk – ein entschlossenes Heraustreten es stellt alle wichtigen Themen vor und aus der Geisterwelt, voll verblüffender spielt sämtliche Kadenzen, so dass das Abschweifungen und Stimmungsum- Die Stück wie ein Kammerkonzert oder schwünge. wie eine Klaviersonate mit begleiten- Moritz Eggert, 1965 in Heidelberg Instrumental­ den Melodieinstrumenten wirkt. Wie als Sohn der Theaterfotografin Mara Beethoven seine Rolle als komponie- Eggert und des Schriftstellers Herbert stücke von render Virtuose verstand, das zeigt eine Heckmann geboren, entschloss sich Moritz Eggert Begebenheit, an die sich sein Schüler relativ spät dazu, Komponist zu wer- Ferdinand Ries erinnerte; die Anek- den. Bevor er sein Studium bei Claus überschreiten dote bezieht sich auf eine Aufführung Kühnl in Frankfurt und danach bei des Quintetts im Dezember 1804: „Im Wilhelm Killmayer und Hans-Jür- die Grenzen letzten Allegro ist einige Mal ein Halt, gen von Bose in München aufnahm, ehe das Thema wieder anfängt; bei dachte er daran, beim Film oder der reiner Musik einem derselben fing Beethoven auf Literatur zu landen. Seinen Kompo- einmal an zu fantasieren, nahm das sitionen merkt man dieses Interesse Rondo als Thema und unterhielt sich durchaus an: Vielfach handelt es sich weitere Verbreitung ermöglichen soll- und die andern eine geraume Zeit, was um Bühnenwerke, unter ihnen sieben ten. Beethoven, der die Bearbeitung jedoch bei den Begleitenden nicht der Opern und mehrere Werke für Tanz- selbst vorgenommen hatte, sah gene- Fall war. Diese waren ungehalten und theater und Ballett. Doch auch die rell das Arrangieren als anspruchsvolle Herr Ramm [der Oboist] sogar sehr Instrumentalstücke überschreiten die Aufgabe: „Da nicht allein ganze Stel- aufgebracht. Wirklich sah es possier- Grenzen reiner Musik. Sie sind oft mit len gänzlich wegbleiben und umgeän- lich aus, wenn diese Herren, die jeden Geschichten und bildlichen Assozi- dert werden müssen, so muss man […] Augenblick warteten, dass wieder an- ationen verknüpft, oder sie enthalten entweder selbst der Meister sein, oder gefangen werde, die Instrumente un- szenische Elemente wie Teile des Kla- wenigstens dieselbe Gewandtheit und auffällig an den Mund setzten, und vierzyklus „Hämmerklavier“. Diese of- Erfindung haben.“ Er selbst hatte sich dann ganz ruhig wieder abnahmen. fene Werkserie begann Eggert im Jahr bereits beim Komponieren an einem Endlich war Beethoven befriedigt und 1995; sie umfasst heute mehr als zwei anderen großen Meister orientiert – fiel wieder ins Rondo ein. Die ganze Dutzend Stücke, die das Ausdrucks- nämlich an Mozart, dessen Quintett Gesellschaft war entzückt.“ spektrum des klassischen Flügels, aber KV 452 (1784) die gleiche Besetzung Jürgen Ostmann

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Donnerstag, 1. Oktober, 20 Uhr Saarpfalz-Gymnasium Homburg

Klavier-dominiertes: Piano-Entertainer Moritz Eggert lässt Hören und Staunen

Matan Porat, Moritz Eggert Im ersten Teil Komponistenporträt Moritz Eggert mit Moderation Moritz Eggert. Moritz Eggert (geboren 1965): „Aboriginal“ (1998) für zwei singende, schlagende und spielende Pianisten. Tim Vogler, Moritz Eggert „Drei Seelen“ (2002) für Violine und Klavier (nach „Oh wie schön ist der Mai“ aus der Oper „Yolimba“ von Wil- helm Killmayer): I (ohne Bezeichnung), II Nouvelle Etude Blanche, III Etude de Yolimba. Stephan Forck, Moritz Eggert „Fast Forward“ (1999) für Violoncello und Klavier. Sabrina Ma, Vogler Quartett „Croatoan“ I bis III für Schlagzeug und Streichquartett. Trio Imàge Antonín Dvořák (1841 bis 1904): Klaviertrio f-Moll op. 65 (Allegro ma non troppo, Allegro grazioso, Finale: Allegro con brio).

eitgenössische „klassische“ ich schon bei meinem dreijährigen Grundimpuls ist ein spielerischer.“ Werke stehen bei vielen Kon- Sohn, wie er mit Legosteinen Skulp- Obwohl er eine gediegene Komponis- Zzertbesuchern im Ruf, anstren- turen baut: Er will etwas probieren, tenausbildung absolviert hat (unter an- gend, unverständlich und misstönend indem er spielt. Das ist für mich ein derem bei Wilhelm Killmayer, dessen zu sein. Ihre Komponisten gelten gesunder Impuls, um Musik zu ma- Oper „Yolimba“ später den Ausgangs- als weltfremd und gefangen in einer chen und zu komponieren. Ein Im- punkt des Violin-Klavier-Duos „Drei kleinen, nach außen abgeschotteten puls, der mit Freude verbunden ist, Seelen“ lieferte), liebt Eggert es, zu Szene. Sollte an dieser Einschätzung und ich muss nicht das Gefühl haben, provozieren und scheinbar Banales in etwas Wahres sein, dann ist Moritz dass ich mich quälen oder jemandem komplexe Zusammenhänge zu stellen. Eggert jedenfalls kein typischer Neue- irgendetwas beweisen muss. Das Spiel So führte er beim Wiener Opernball Musik-Komponist. Seinen eigenen, mit den Tönen ist der Ausgangspunkt. ein „Fußballett“ auf und bei den Salz- eher neugierig-lustbetonten Ansatz Das geht dann in alle möglichen Rich- burger Festspielen eine Collage aller 22 hat er dem Musikwissenschaftler Max tungen, wo es auch sehr ernst wird Mozart-Opern. Auf das aktuelle Thema Nyffeler erklärt: „Das Komponieren oder traurig – oder pathetisch oder was des Datenschutzes im Internet reagierte oder überhaupt die Kunst entsteht aus auch immer, und dann kommt die Fra- er mit seiner Solo-Kantate „Ich akzep- einem spielerischen Impuls. Das sehe ge, was man daraus macht. Aber der tiere die Nutzungsbedingungen“. Be- Hübner Werner Foto:

36 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 10 Konzerte in 10 Tagen Klavier-dominiertes am 1. Oktober

merkenswert sind auch die zahlreichen Werke, die vor dieser Zeit entstanden, Veränderungen vor – deutliches Anzei- Kammermusik- und Klavierstücke, in können durchaus einmal nach Mozart chen einer Krise, wie sie oft mit stilis- denen Eggert gerne selbst als Pianist und dann auch wieder nach Richard tischen Neuorientierungen einhergeht. (und nebenbei als Sänger, Schauspie- Wagner klingen. Und in manchen Den schwermütig-leidenschaftlichen ler und Moderator) auftritt. So etwa in Kompositionen der späteren Jahre tre- Ton des Werks gibt der erste Satz vor „Aboriginal“, einem 1998 entstandenen ten die vermeintlich so typischen fol- – ein sinfonisch dimensioniertes Ge- Klavierstück zu vier Händen, dem die kloristischen Züge wieder in den Hin- bilde, das eher von der kunstvollen letzten, surreal-sinnlosen Worte des tergrund – so beispielsweise bereits im Verarbeitung kleiner Motive als vom Chicagoer Gangsters Dutch Schultz Klaviertrio f-Moll aus dem Jahr 1883. großen melodischen Wurf lebt. Der als Inspirationsquelle dienten. Oder im Es ist in vieler Hinsicht ein besonderes zweite Satz, ein (nicht als solches be- 1999 komponierten Cello-Klavier-Duo Werk: Mit etwa 45 Minuten Dauer ist zeichnetes) Scherzo, konfrontiert in „Fast Forward“: Man muss sich dieses den Hauptteilen graziös leichtfüßi- sechsminütige Stück als eine viel längere ge mit derb stampfender Bewegung, Komposition vorstellen, die von einem „Auch Strawinsky während im Trio-Mittelabschnitt ly- (gelangweilten?) Zuhörer durch Bedie- hat sich stets rische Stimmungen vorherrschen. Der nen der Vorspultaste verkürzt wird. langsame dritte Satz, der in Dvořáks In Wahrheit kann Langeweile hier na- neu erfunden“ Erstfassung noch an zweiter Stelle türlich nicht aufkommen. Wie denn stand, ist besonders reich an Aus- auch – bei einem Komponisten, dem drucksnuancen: Eröffnet durch einen das Überraschen und das Verlassen es ungewöhnlich umfangreich, zugleich stockenden Klagegesang des Cellos, ausgetretener Pfade zum Programm auch ungewöhnlich dramatisch, düster, führt der Weg zunächst über trotzige geworden ist? Formuliert hat Eggert ausdrucksintensiv. Diesen Grundcha- Auflehnung zur nostalgischen Süße dieses Programm in seinem Aufsatz rakter des Trios haben manche Kom- einer Violinmelodie in höchster Lage „Wie ich lernte sorglos zu sein und auf mentatoren mit dem Tod von Dvořáks und schließlich, nach klanglich gestei- Stil zu pfeifen“: „Strawinsky hat sich Mutter (im Dezember 1882) in Verbin- gerter Entwicklung aller Themen, in stets neu erfunden, und man konnte dung gebracht. Ein Schaffensimpuls einen versöhnlichen Schluss. Obwohl nie hundertprozentig vorhersagen, was war vielleicht aber auch die verletzen- auch das Finale höchsten komposi- er als nächstes tun würde, heute kün- de Kritik einiger Freunde Dvořáks an torischen Ansprüchen genügt, sind digen die Komponisten stets immer seinen musikdramatischen Fähigkeiten hier noch am ehesten Anklänge an nur ihre eigene Wiederbestätigung und insbesondere an der gerade fertig- Volksmusik zu erkennen, genauer: an an. Beethoven hörte niemals auf, die gestellten Oper „Dimitri“. In jedem Fall den Rhythmus des „Furiant“-Tanzes Menschen mit Bizarrerien und uner- arbeitete Dvořák für seine Verhältnisse mit seinen Wechseln von Zweier- und warteten Wendungen zu verwirren, recht lange an dem Werk (zwei Mona- Dreiergruppierungen. auch wenn man sein Gesamtwerk te) und nahm später noch tiefgreifende Jürgen Ostmann betrachtet: auf Volkstümliches folgt Subtiles, auf Marktschreierisches sa- tirisch Zurückgenommenes. Und so unterschiedlich klingt das dann auch. Daher setze ich auch heute eher auf Komponisten, die sich ihrem eigenen Verständnis verweigern, genau diese werden die Spannenden sein, nicht die weithin Etablierten und Gelobten.“ Ein überaus facettenreicher, stilistisch vielseitiger Komponist war auch An- tonín Dvořák, dessen Klaviertrio op. 65 im zweiten Teil des Abends zu erle- Musik für das Ohr, ben ist. Zwar bevorzugen Musiker und Hörer nach wie vor jene schwungvoll musikantischen Stücke im böhmischen CB für die Haut. Tonfall, die Dvořák Ende der 1870er Jahre berühmt gemacht hatten. Doch Homburg Alzey Dillingen Eppelborn Erlangen (Zoephel) Gonsenheim Heidelberg (Frosch) Illingen Kaiserslautern Kiel Landstuhl Nieder-Olm Merzig Neunkirchen Pirmasens Bild links: Moritz Eggert Püttlingen Saarbrücken (CB & Bähr) Saarlouis gilt als einer der mutigsten St. Ingbert St. Wendel Völklingen Wiesbaden Zweibrücken Performer in der Neuen Musik. Foto: Werner Hübner Werner Foto:

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 37 10 Konzerte in 10 Tagen Überraschendes am 2. Oktober Tanzen mit Mozart, Schwimmen mit Wagner

Freitag, 2. Oktober, 20 Uhr ir ist’s absolut klar, was unserer nander. Viele unterschiedliche Cha- Festsaal der Fasanerie Zweibrücken heutigen Musik mangelt: ein raktere vereint das Finale. Neben den MMozart! – Und nun ganz of- erwähnten Rokoko-Anklängen stehen Überraschendes: fen: die ersten Früchte dieser Erkennt- Rückwendungen zum lyrischen Aus- Improvisationen und Moderationen nis, welche sich in mir seit geraumer druck des Beginns, choralartige und rund um den Tristan-Akkord Zeit durchringt, sind op. 77a Serenade kontrapunktisch verschlungene Pas- für Flöte, Violine u. Viola und op. 77b sagen, dazu ein gemächlich tanzendes Frank Reinecke, Trio für Violine, Viola u. Violoncello.“ Bratschenthema. Die Uraufführung Stefan Fehlandt, Stephan Forck Max Reger verstand den Namen Mo- des Trios am 29. November 1904 hatte Max Reger (1873 bis 1916): Streichtrio zart offenbar als Symbol für ein ästhe- großen Erfolg – wenngleich ein Re- Nr. 1 a-Moll op. 77b (Sostenuto – Alle- tisches Ideal von Klarheit und Anmut, zensent stichelte, Reger habe sich „den gro agitato, Larghetto, Scherzo: Viva- im Gegensatz zum Überschwang und Karnevalsspaß erlaubt, die Maske des ce – Trio: Vivace, Allegro con moto). der Ausdrucksschwere, die Anfang des Klassizisten vorzubinden und auch Lesung: Blogs von Moritz Eggert 20. Jahrhunderts üblich waren. Nun einmal für die Gegenwart, statt aus- lässt zwar die Besetzung des Streich- schließlich für eine ferne Zukunft zu Frank Reinecke, trios an Mozarts Divertimento KV 563 schreiben.“ Stephan Forck, Moritz Eggert denken, doch im Detail sind die Über- „Man soll schwimmen“ – diesen Titel Moritz Eggert (geboren 1965): Aus einstimmungen eher äußerlicher oder gab Moritz Eggert im Jahr 2013 einem „Man soll schwimmen“, Zyklus für Trio allgemeiner Natur: Ein paar Doppel- Zyklus für Trio, der zugleich auch (Version für Violine, Violoncello und schlag-Ornamente im ersten Satz er- Teil des größeren und stärker besetz- Harmonium): Tief ergründend, Blee- innern an Rokoko-Floskeln, ebenso ten Musiktheaterwerks „Tragedy of a ding With Light, Man soll schwimmen. das frische Hauptthema des Finales Friendship“ ist. Das von dem belgi- Tim Vogler, Matan Porat mit seinen Staccato-Repetitionen und schen Dramatiker und Regisseur Jan Leoš Janáček (1854 bis 1928): Sonate kleinen Läufen. Zu diesen Stilzitaten Fabre ersonnene Dreieinhalb-Stun- tritt barocke Kontrapunktik (etwa in für Violine und Klavier (Con moto, Bal- den-Stück handelt vom Verhältnis der Durchführung des Kopfsatzes) zwischen Richard Wagner und Fried- lada: Con moto, Allegretto, Adagio). und eine spätromantisch-chromatische rich Nietzsche – die beiden wurden ja Frithjof-Martin Grabner, Harmonik. Der erste Satz beginnt mit von Freunden zu erbitterten Gegnern. Moritz Eggert einer kurzen langsamen Einleitung, Eggert entnahm den Titel der Triofas- Frank Proto (geboren 1941): „Sonata die dann, ein wenig anders rhyth- sung Nietzsches letzter Schrift, dem 1963“ für Kontrabass und Klavier (Slow misiert, das erregte erste Thema des 1888 entstandenen Essay „Nietzsche and peacefull, Moderate 4 – Swing, schnellen Hauptteils ergibt. Das ent- contra Wagner. Aktenstücke eines Molto adagio, Allegro energico). spannte zweite Thema spielen Violine Psychologen“. Im Kapitel „Wagner als und Viola zweistimmig über gezupf- Gefahr“ heißt es da: „Die Absicht, wel- Moritz Eggert, Frithjof-Martin tem Bass. Stimmungsvoll und rhyth- che die neuere Musik in dem verfolgt, Grabner, Vogler Quartett misch differenziert ist das folgende was jetzt, sehr stark, aber undeutlich, Lieder aus der „Bordellballade“ (Fas- Larghetto gestaltet. Der Kontrast zum ‚unendliche Melodie’ genannt wird, sung für Stimme und Streichquintett): dritten Satz könnte stärker kaum sein: kann man sich dadurch klar machen, Die Zeiten, sie drehn sich, Do you like Das knappe Scherzo im Stil eines der- dass man ins Meer geht, allmählich animals, Liebeslied, Man müsste blind ben Bauerntanzes rückt immer wieder den sicheren Schritt auf dem Grunde sein, So ein Würmchen. entfernteste Harmonien dicht anei- verliert und sich endlich dem Elemen- Navaee Neda Foto:

38 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Bild oben: Matan Porat spiel zu- sammen mit Tim Vogler Leoš Janáčeks Sonate für Violine und Klavier.

te auf Gnade und Ungnade übergibt: man soll schwimmen. In der älteren Musik musste man, im zierlichen oder feierlichen oder feurigen Hin und Wieder, Schneller und Langsamer, etwas ganz anderes, nämlich tanzen. […] Richard Wagner wollte eine andre Art Bewegung, – er warf die physio- logische Voraussetzung der bisherigen Musik um. Schwimmen, Schweben – nicht mehr Gehn, Tanzen. […] Aus einer Nachahmung, aus einer Herr- schaft eines solchen Geschmacks ent- stünde eine Gefahr für die Musik, wie sie größer gar nicht gedacht werden kann – die vollkommne Entartung des rhythmischen Gefühls, das Chaos an Stelle des Rhythmus.“ Nur eine der drei Violinsonaten Leoš Janáčeks ist erhalten geblieben. Dass zwei Werke aus seiner Studienzeit verloren gingen, lässt sich allerdings verschmerzen: Schließlich fand der tschechische Komponist ungewöhn-

Foto: Neda Navaee Neda Foto: lich spät zu einem charakteristi- »

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 39 10 Konzerte in 10 Tagen Überraschendes am 2. Oktober

» schen Stil. Vor seinem fünfzigsten wirkungsvollen Kontrast dazu. Das klingen sollte. Da er nichts Geeigne- Lebensjahr schrieb er kaum etwas von abschließende Adagio, in der Erstfas- tes fand, schlug ihm sein Lehrer vor, Bedeutung, und die Stücke, die ihm sung der Sonate noch an zweiter Stel- er solle doch selbst eine Sonate kom- weltweiten Ruhm verschafften, ent- le positioniert, lebt von der Spannung ponieren. Proto hatte zuvor zwar nur standen alle erst in seinen Sechzigern. zwischen den langen Melodiephrasen einige Stücke für sein Jazztrio ge- Eine eigenwillige, ausdrucksstarke beider Instrumente und den nervösen schrieben, doch er meisterte die neue Tonsprache konnte Janáček vor allem Einwürfen der Geige. Aufgabe mit Bravour: Seine jazzig ge- durch intensive Auseinandersetzung In der Regel haben Kontrabassisten färbte „Sonata 1963“, die formal dem mit der dörflichen Musik seiner Hei- ja zu begleiten. Das liegt in der Natur Schema der barocken Kirchensonate mat entwickeln. Ein weiteres „Vorbild“ ihres Instruments, das nun einmal die (langsam-schnell-langsam-schnell) war ihm das gesprochene Wort: Er tiefsten Töne hervorbringt – Töne, die folgt, zählt inzwischen zum Stan- bezog sämtliche Aspekte des Alltags- vom Ohr vor allem als harmonische dardrepertoire des Instruments und sprechens in seine Studien ein – das Grundierung wahrgenommen werden, wurde von Dutzenden von Kontrabas- An- und Abschwellen, das Steigen und weniger als Teile eigenständiger Melo- sisten aus aller Welt nachgespielt. Fallen im Sprechton und vieles mehr. dien. Der Herausforderung, den Bass „Das Stück thematisiert die Verrohtheit Die Sprechmelodien prägen Janáčeks zur führenden Stimme zu machen, des Menschen in Zeiten des Turboka- Idiom mit seinen kurzen, vielfach ab- pitalismus und der Wirtschaftskrise. gerissenen melodischen Fragmenten, Es zeigt die verzweifelten Versuche des den häufigen Taktwechseln, bizarren Doppelschlag- Einzelnen, dem Streben nach persönli- Intervallschritten und freien Formen. Ornamente erinnern chem Glück und Wohlstand nicht alle Dieser Stil der Reifezeit ist in der 1913 Werte opfern zu müssen.“ So beschrieb bis 1921 entstandenen Violinsonate an Rokoko-Floskeln Moritz Eggert seine „Bordellballade“ gut zu erkennen. Im eröffnenden „Con für sechs singende Schauspieler und moto“ folgt auf einen kurzen Mono- kleines Ensemble; sie entstand 2009 log der Violine das einzige profilierte stellten sich relativ wenige Komponis- für das Kurt-Weill-Fest Dessau und das Thema des Satzes. Die sich wieder- ten, und sie waren (oder sind) oft selbst Theater Koblenz. Dem Stück mit dem holenden Figuren der Klavierbeglei- Kontrabassisten. Das gilt auch für den Untertitel „Ein Dreigoscherlnsstück“ tung lassen an den Klang des Zymbals US-Amerikaner Frank Proto, der viele dienten die „Dreigroschenoper“ und denken – einer Art Hackbrett, das in Jahre lang dem Cincinatti Symphony vor allem das „Mahagonny-Songspiel“ der osteuropäischen, besonders der Orchestra angehörte. Zum Komponis- von Kurt Weill und Bert Brecht als ungarischen Volksmusik beliebt ist. ten von Jazz- oder Popstücken, aber Ausgangspunkt. Die Protagonisten im Die folgende „Ballada“ hat Janáček in auch „seriösen“ Werken entwickelte Libretto des östterreichischen Schrift- einem einfacheren Stil gehalten als die Proto sich autodidaktisch. Die „Sona- stellers Franzobel sind eine Puffmut- übrigen Sätze. Sie ist dreiteilig ange- ta 1963“, seine erste umfangreichere ter namens Rosl, ihre beiden Dirnen legt; es dominiert die fließende Me- Arbeit, entstand in dem Jahr, das der Zuckergoscherl und Ferkelchen sowie lodie des Beginns, obwohl sie in ihrer Titel nennt. Proto bereitete sich ge- zwei Mafiosi und ein verliebter Metz- vollen Länge nicht wiederholt wird. rade auf die Abschlussprüfung seines ger. Eggert schrieb schon 2010 eine Ein ebenfalls dreiteiliges „Allegret- Kontrabassstudiums vor, und für sein Fassung für Stimme und Klavier, und to“ steht an dritter Stelle der Satz- Diplomkonzert fehlte ihm neben ei- 2015 wurden fünf der insgesamt 21 folge. Seinen Hauptteil bestimmt ein ner barocken, einer romantischen und Songs für Stimme und Streichquintett volkstümliches Thema wie aus einem eine avantgardistischen europäischen arrangiert – diese letzte Version ist in Bauerntanz; ein langsamerer, harmo- Komposition noch eine weitere zeitge- Homburg zu hören. nisch reicher Mittelteil bietet einen nössische, die eindeutig amerikanisch Jürgen Ostmann

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Von der Kaiserhymne zum Forellenliedchen

Samstag, 3. Oktober, 12 Uhr oseph Haydns Name ist mit der den Opuszahlen 1 und 2 an die Öf- Kulturzentrum Saalbau Homburg Entstehung der Gattung Streich- fentlichkeit und „machten allgemein Jquartett und ihrem Aufstieg zur Sensation“, wie es in einem zeitgenös- Abschlusskonzert: angesehensten Besetzung der Kam- sischen Bericht heißt. Haydns Ver- Das Beste zum Schluss – Forellen­ mermusik untrennbar verbunden. dienst liegt allerdings weniger in dem quintett trifft Kaiser-Quartett Ganz zufällig, so erzählte der Kompo- frühen Erfolg als in der Tatsache, dass nist seinem ersten Biographen Georg er das Potenzial der Besetzung erkann- Vogler Quartett August Griesinger, sei er zu der Ins- te und es in den folgenden Jahrzehnten Joseph Haydn (1732 bis 1809): trumentenkombination gekommen: ebenso systematisch wie fantasievoll Streichquartett C-Dur op. 76 Nr. 3, „Ein Baron Fürnberg […] lud von Zeit ausschöpfte. Seine letzte komplette „Kaiserquartett“ (Allegro, Poco ada- zu Zeit seinen Pfarrer, seinen Verwal- Serie in der zeittypischen Sechser- gio, cantabile – Var. I – IV, Menuetto, ter, Haydn und Albrechtsberger […] Gruppierung sind die 1796/97 kompo- Finale: Presto). zu sich, um kleine Musiken zu hören. nierten „Erdödy-Quartette“ op. 76. Sie Fürnberg forderte Haydn auf, etwas verdanken diesen Namen ihrem Wid- Matan Porat, Tim Vogler, zu komponieren, das von diesen vier mungsträger, dem ungarischen Grafen Stefan Fehlandt, Stephan Forck, Kunstfreunden aufgeführt werden Joseph Erdödy. Frithjof-Martin Grabner könnte.“ Diese Gelegenheitsmusiken Das berühmteste Quartett der Reihe Franz Schubert (1797 bis 1828): kamen Anfang der 1760er Jahre unter Haydns dürfte das „Kaiserquartett“ C- Klavierquintett A-Dur D 667, „Forel- Dur sein. Es ist nach seinem zweiten lenquintett“ (Allegro vivace, Andante, Satz benannt, einer Variationenket- Scherzo: Presto, Thema mit Variatio- Bild oben: 1985 gegründet, spielt te über das Lied „Gott erhalte Franz, nen: Andantino – Allegretto, Finale: das Vogler Quartett seit 1986 in den Kaiser“. Dieses Lied, zu dem sich Allegro giusto). unveränderter Besetzung zusammen. Foto: Vogler Quartett Vogler Foto: Haydn beim Anhören der englischen »

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 41 10 Konzerte in 10 Tagen Abschlusskonzert am 3. Oktober

dritter Stelle der Satzfolge steht ein das Cello jedoch für Haupt- oder Mit- Menuett mit einem unregelmäßig ge- telstimmenaufgaben frei – Schubert bauten Thema: Es besteht nicht, wie in nutzte diese Möglichkeiten zum Bei- der Klassik üblich, aus vier plus vier, spiel im Seitenthema des Kopfsatzes sondern aus fünf plus sieben Takten. oder in der fünften Variation des vier- Der Trioabschnitt changiert zwischen ten Satzes. Moll und Dur, und auch das energi- Diesem Satz, dem das bekannte Lied sche Finale beginnt in einer Mollton- zugrunde liegt, verdankt das Werk art (c-Moll), bevor es – erst kurz vor seinen populären Beinamen „Forel- Schluss – zur Grundtonart C-Dur zu- lenquintett“. Er erscheint umso tref- rückfindet. fender, als auch die übrigen Sätze in „Schuberts Quintuor für Pianoforte, Thematik und formaler Gestaltung Violine, Viola, Cello und Kontrabass liedhafte Züge aufweisen. Liedas- mit den Variationen über seine ‚Forel- soziationen wecken zum Beispiel le’ ist Ihnen wahrscheinlich bekannt“, die Themen des eröffnenden Sona- heißt es in einem Brief Albert Stadlers. tensatzes; das Seitenthema erinnert „Er schrieb es auf besonderes Ersuchen sogar ein wenig an die Melodie der Frithjof-Martin Grabner ist bei Franz meines Freundes Sylvester Paumgart- „Forelle“. Einen besonderen Kunst- Schuberts „Forellenquintett“ dabei. ner, der über das köstliche Liedchen griff wendet Schubert im zweiten ganz entzückt war. Das Quintuor hatte Satz, dem Andante, an: Er verbin- nach seinem Wunsche die Gliederung det das einfache Formschema ABC » Hymne „God save the King“ anre- und Instrumentierung des damals / ABC mit einem höchst ungewöhn- gen ließ, wurde später österreichische noch neuen Hummelschen Quintet- lichen harmonischen Ablauf: F-Dur, Volkshymne und 1922, mit Worten tes, recte Septuors, zu erhalten.“ Ge- fis-Moll, G-Dur / As-Dur, a-Moll, von Heinrich Hoffmann von Fallersle- meint ist Johann Nepomuk Hummels F-Dur. Das zentrale Presto-Scher- ben, deutsche Nationalhymne. In der Septett d-Moll op. zo überrascht im Quartettversion erscheint die Melodie 74, das 1816 gleich- Hauptteil durch den zunächst im schlichten vierstimmigen zeitig auch in einer Sylvester fülligen Akkord- Satz, dann unverändert nacheinander Quintettfassung für klang des Klaviers, in der zweiten Violine, dem Cello, Klavier, Violine, Vi- Paumgartner den Schubert in den der Bratsche und der ersten Violine ola, Violoncello und beiden vorangegan- – variiert werden nur die jeweiligen Kontrabass erschien war genen Sätzen aus- Gegenstimmen. Auch der erste Satz und sehr beliebt war. über das gespart hatte. Die bezieht sich zumindest versteckt auf An dieses Vorbild kräftigen rhyth- die Kaiserhymne: Sein Hauptthema erinnert in Franz köstliche mischen Akzente beginnt mit dem fünftönigen Motiv g- Schuberts 1819 ent- dieses Teils bilden e-f-d-c: Gott erhalte Franz den K(C) standenem Quintett Liedchen einen wirkungsvol- aiser. Nach dem Kaiser ehrte Haydn neben der unge- len Gegensatz zur aber auch den Widmungsträger der wöhnlichen Beset- ganz entzückt Gesanglichkeit des Quartettreihe, den ungarischen Gra- zung vor allem der Trioabschnitts. Der fen Erdödy: In der Durchführung des virtuose und reich Variationssatz be- Kopfsatzes erinnert eine zehn Takte verzierte Klavierpart. Sylvester Paum- ginnt mit dem „Forellen“-Thema, das lange Passage auffällig an ungarische gartner – Bergwerksdirektor, Musik- nur von den Streichern gespielt wird. Volksmusik. Über einem Bordunbass mäzen und begeisterter Amateurcel- In den folgenden drei Variationen (hartnäckig gehaltene Quinten) des list – veranstaltete in seinem Haus im wandert die Melodie vom Klavier zur Cellos und der Bratsche spielen die oberösterreichischen Steyr regelmäßig Bratsche und zu den beiden tiefen Violinen eine wilde Tanzmelodie. An Kammermusiksoiréen. Bei einer sol- Streichinstrumenten. Einen Stim- chen Gelegenheit wird er Schuberts mungswechsel ins Düster-Dramati- Lied „Die Forelle“ auf den Text von sche bringt die vierte Variation, und Christian Friedrich Daniel Schubart nach einer dunkel getönten, formal kennen gelernt haben. Das Cellospiel komplexen letzten Variation endet des Gastgebers bestimmte vermutlich der Satz mit dem Thema – dieses Mal Rebmann & Gingrich einschließlich der perlenden Begleit- Heizung - Sanitär - Umwelttechnik seinen Besetzungswunsch: Oft hat- Solar - Bäder ... und der passende Service dazu te in der Kammermusik der Zeit das figur, die aus dem Lied bekannt ist. 0 68 94 - 58 10 25 Cello ja nur zu grundieren, etwa die Eine leicht ungarische Färbung zeigt Klavierbässe zu verdoppeln. Durch das das abschließende „Allegro giusto“. Rohrbacher Str. 1a · St. Ingbert-Hassel Jürgen Ostmann Hinzutreten eines Kontrabasses wurde Frithjof-Martin Grabner Foto:

42 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Künstler

„Wir wollen das Publikum in Homburg und Zweibrücken erstaunen und die Begeisterung für die Musik immer wieder neu entfachen“

Gemeinsame Maxime der Künstler des Festivals: Vogler Quartett, Sabrina Ma, Stephan Braun, Avi Avital, Trio Imàge, Matan Porat, Frithjof-Martin Grabner, amarcord und Moritz Eggert Foto: Frithjof-Martin Grabner Foto:

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 43 Zwischen Bach und Balkan

Der israelische Mandolinen-Spieler Avi Avital ist dabei, seinem Instrument den Respekt der Klassik, ja, weltweiten Erfolg zu verschaffen.

Von Axel Brüggemann

ür Avi Avital ist die Mandoline mehr als ein Instru- ment, sie ist ein Werkzeug, mit dem er Kontinente, FEpochen und kulturelle Welten erobert. Egal, mit welcher Musik sich Avital beschäftigt, stets kratzt er an den Grenzen der Klangmöglichkeiten. Unermüdlich sucht er nach der Ausweitung der Interpretationszone der Man- doline, nach ihrer Gegenwart und ihren Wurzeln. In seinen letzten Aufnahmen hat er dabei die Klassikwelt geschockt, etwa mit seinen Bach-Bearbeitungen. Bach-Pu- risten und Mandolinen-Experten waren gleichsam verblüfft von der Kraft und der Freiheit, die sich Avital nimmt. In seinem neuen Album, das im Frühjahr 2015 erschienen ist, kehrt er nun zurück zum Ursprung seines Instruments. Er reist in das venezianische Barock von Antonio Vivaldi. Und natürlich bürstet er auch diesen Komponisten gehörig ge- gen den Strich: inspirativ, aufbrausend, anders nimmt er sich seine Werke vor. Vivaldis Mandolinenkonzerte sind für Avital das „Alte Testament meines Instruments“. Ihm geht es darum, den Geist Venedigs einzufangen und das musikalische Genie Antonio Vivaldis neu zu befragen. „Das Spannende an dieser Zeit war die ungeheure Freiheit, die sie den Musikern gab“, sagt er. „Letztlich geht es dar- um, den persönlichen Groove in dieser Musik zu finden, und darum, sich Vivaldi, dessen Musik ja jeder kennt, indi- viduell zueigen zu machen.“ Herausgekommen ist ein Album, mit dem der Mandolinen- spieler unser gemütliches Vivaldi-Bild gehörig auf den Kopf stellt. Auch deshalb, weil er dem unerschrockenen Slogan Der Mandolinen-Virtuose Avi Avital. folgt: „Es darf in der Musik keine Tabus geben.“ Zugegeben, Avi Avital ist nicht der erste Musiker, der in Antonio Vivaldi einen barocken Rocker sieht, einen Pop- Stimmung zu erzeugen, ein Konzept zu finden. Bei Vival- star, einen Komponisten, dem es in erster Linie darum di ist das ähnlich. Wir haben die Melodie und den Gene- ging, seine Zuhörer zu packen. Aber selten war der Bogen ralbass – wann welches Instrument einsetzt, wie man die von der Vergangenheit in die Gegenwart so schlüssig: „Bei Rhythmen definiert, den eigentlichen Klang erzeugt, das den Proben zu dieser Aufnahme habe ich mich oft an die ist die Herausforderung.“ Zeit in meiner Band an der High-School erinnert“, sagt „Musik war damals eine Frage des Muts“, erklärt der Künst- Avital. „Auch im Rock geht es schließlich darum, zu einer ler, „der Persönlichkeit und der Spontaneität.“ Genau mit

Gesangslinie einen mitreißenden Groove zu finden, eine diesen Eigenschaften begegnet er nun Vivaldi: Avital, des- Baptist Millot Jean Foto:

44 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Künstler Avi Avital

sen musikalisches Wissen historisch geschult ist, setzt auf für die Mandoline geschrieben, für die es in den Orches- dynamische Kontraste, auf rasante Tempokonstellationen, tern von damals sicherlich keine fest angestellten Musiker und in seiner musikalisch perfekten Artikulation nimmt er gab. Die Mandoline war eher in den Salons des Adels zu sich die Freiheit, einzelne Töne bis an die Grenzen auszu- Hause. Das eigentliche Herz Vivaldis schlug für die Geige. spielen, zuweilen mit Mitteln, die wir eher aus dem Jazz „Und es ist ein spannendes Experiment, den Violinpart für kennen. In jeder seiner Interpretationen geht es ihm darum, die Mandoline umzuschreiben – vielleicht auch, weil man die Mandoline an Grenzen zu führen und so den Geist ei- dann etwas mutiger in der Interpretation sein kann als ein ner Epoche, die Experimentierfreude des Barocks und die Geigenvirtuose es wäre.“ Avital nimmt sich das Konzert in Unmittelbarkeit der Musik in Szene zu setzen. Mit seiner A-Moll vor, das viele Geigenschüler bereits nach drei oder Art zu spielen und seiner historischen und emotionalen Be- vier Jahren spielen, eines der populärsten Stücke des Kom- schäftigung mit der barocken Musik Vivaldis sprengt Avital ponisten: „Das Spannende ist, dass jeder diese Melodie im noch heute zuweilen die Grenzen der Aufnahmetechnik. Ohr hat. Mir ging es darum, zu sehen, was passiert, wenn „Vivaldi, den wir oft mit Puderperücke und Prunk in Ver- man es nun mit meinem Instrument neu interpretiert.“ bindung bringen“, sagt der Mandolinenspieler, „war in Ähnlich spektakulär ist Avitals Bearbeitung des „Sommers“ Wahrheit ein äußerst fantasievoller Minimalist. Wenn man aus den Vier Jahreszeiten. Ein Spektakel des Aufruhrs, ein Bach und ihm das gleiche Notenmaterial gegeben hätte, Orkan, eine Eskalation. „Vivaldis Sommer ist bipolar“, sagt würde Bachs Stück sieben Minuten, das von Vivaldi nur Avital, „manchmal sogar furchterregend.“ Und tatsächlich vier Minuten dauern. Vivaldi bringt seine Botschaften auf klingt dieses Stück bei ihm weniger nach einem Schäfer, den Punkt, er ist ein Meister der Direktheit – eine Ins- der bei Regen Unterschlupf unter einem Baum sucht, als piration für das Extrakt.“ Für Avital liegt das Genie des vielmehr nach einem Panoptikum der Natur und der Größe Komponisten auch in seiner Unverfrorenheit. Der „rote und Gewalt Gottes. „Genau so wird es in dem Gedicht be- Priester“ von Venedig ist für ihn nicht nur der Erfinder der schrieben, das Vivaldi dem Sommer vorangestellt hat“, er- Vier Jahreszeiten, sondern des Beats im Barock. Für Avital klärt Avital. Der Mandolinenspieler hat keine Angst, einer ist die Mandoline eine Zeitmaschine, ein Instrument, mit der größten Mythen des Barocks die beschaulich bürger- dem er immer wieder aus der liche Fratze des „Welthits“ ab- Vergangenheit in die Gegen- zureißen und den Vier Jahres- wart reist. Bei Vivaldi lässt der „Es darf zeiten den Puls neu anzulegen. Mandolinenmeister nun hören, Seine Bearbeitung ist vielleicht dass der Komponist aus Vene- in der Musik der eindringlichste Beweis für dig tatsächlich unser Zeitge- keine Tabus die zeitlose Modernität Anto- nosse sein kann: ein Aufrüttler, nio Vivaldis. ein Rhythmus-Enthusiast, ein geben“ Mit seinem Instrument inter- Quer-Musiker! Avi Avital zeigt pretiert Avi Avital das Italien uns einen neuen, da authenti- des Barocks nicht nur, er ver- schen Antonio Vivaldi. körpert es. Längst ist das Land Vivaldis für ihn, der im is- In seinem großen Mandolinenkonzert in C-Dur oder im raelischen Be’er Scheva geboren wurde, zur zweiten Heimat D-Dur-Konzert für Laute, aber auch in der C-Dur-Trio- geworden. Einen Großteil seiner Studien hat er am italieni- sonate für Geige und Laute trifft Avital im Grunde auf schen Konservatorium Cesare Pollini bestritten und ist mit simple Kompositionen, die erst durch die Interpretation zu der Mentalität des italienischen Barocks aufgewachsen. Für leben beginnen. „Das Mandolinenkonzert ist eine dauernde sein Vivaldi-Projekt trifft er nun auf das Venice Baroque Irritation und eine Herausforderung an unsere Erwartun- Orchestra, das Vivaldi wahrscheinlich so authentisch spielt gen“, sagt Avital, »und man sieht den Spaß, den Vivaldi wie kaum ein anderes Ensemble. „Das Venice Baroque hatte, wenn er etwa das ganze Orchester pizzicato spielen Orchestra ist für mich ein Erlebnis“, schwärmt Avital, „es lässt, um das Solo-Instrument zu imitieren – im Grunde besteht ausschließlich aus Musikern, die in Venedig woh- wird hier das ganze Orchester zur Mandoline. Eine Idee, nen, die den Dialekt der Stadt sprechen, die von der Kultur die für Vivaldis Fantasie, seine Inspiration und seine Ide- dieser einmaligen Stadt umgeben sind. Ihr unglaubliches enreichtum spricht.“ Neben der zärtlichen Mandolinenme- Verständnis für die venezianische Geschichte ist in jeder lodie hören wir in Avitals Interpretation krachende Saiten, Note zu hören.“ plötzlich taucht eine Orgel auf, die Harmonien wirken wie Die Bonus-Tracks mit Gondoliere-Liedern sind Avital be- gespensterhafte Schatten, dann wieder fällt das Stück zu- sonders wichtig. „Hier hört man, was zur gleichen Zeit in rück in fast naive Gedanken. Immer und überall sucht Avi- den Straßen gesungen wurde: subversive, rohe Texte, Lieder tal neue Irritationen, neue Stimulation für das Ohr – neue, der Taxifahrer von damals.“ Avi Avitals Vivaldi-Album ist dynamische Anfangspunkte. eine akustische und interpretatorische Neuentdeckung eines Dass Vivaldi sich die Mandoline vorgenommen hat, hat altbekannten Genies – selten klang der „rote Priester“ aus wohl etwas damit zu tun, dass er seinem Förderer schmei- Venedig so heutig, so aufbrausend – so ergreifend, so tabulos. cheln wollte, dem Marchese Guido Bentivoglio von Ferra- Mehr Infos: www.aviavital.com Foto: Jean Baptist Millot Jean Foto: ra, der dieses Instrument spielte. Zwei Stücke hat Vivaldi

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 45 Von der Thomaskirche in die Welt

„amarcord“ – das sind fünf ehemalige Thomaner, sie singen Gesänge des Mittelalters, Madrigale und Messen der Renaissance, Kompositionen und Werkzyklen der europäischen Romantik und des 20. Jahrhunderts sowie Arrangements weltweiter Volkslieder und bekannter Songs aus Soul und Jazz.

Von Astrid Karger

ichard Strauss fand, ein richtiger zettel“ zu Beginn des neuen Jahrtau- einander singen, meist a cappella, und Musiker müsse auch eine Speise- sends mit großem Erfolg. „Salat, Salat, damit weltberühmt geworden sind. Rkarte komponieren können. Der Salat“, das bleibt im Ohr, wenn man es Polyphonie konnten sie schon als klei- Leipziger Komponist Carl Friedrich einmal gehört hat. amarcord sind fünf ne Jungen, denn sie entstammen alle Zöllner tat es und das Ensemble amar- Männer – zwei Tenöre, zwei Bässe, ein dem Leipziger Thomanerchor. Dem cord sang den wunderbaren „Speise- Bariton – die zusammen oder durch- Thomanerchor aus Altersgründen Martin Jehnichen Foto:

46 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Künstler amarcord

Bild links: Das ECHO-preisgekrönte fen sie auf die Gastgeber, das Vogler ohne auf Effekt getrimmte Stimm- Vocalensemble amarcord. Quartett. Der schottische Komponist bandstrapazen. Solche Ausflüge in vo- James MacMillan (geboren 1959) be- kalartistische Gefilde sind ihre Sache lässt zwei der Sänger beim Streich- nicht, denn in den Konzertprogram- entwachsen gründeten sie 1992 das quartett, während drei aus der Ferne men von amarcord sollen Neu und Alt Vokalensemble amarcord, in der Zeit singen. Da werden dann sozusagen zusammenkommen, das Neue sollte „zwischen Wende und Internet,“ sagt die fünf Finger einer Hand geteilt, um die Stimme beim vielleicht folgenden Bass und Gründungsmitglied Dani- in neuer Versuchsanordnung mit den Schubert-Stück nicht befremdlich el Knauft (der auch Medizin studiert ebenso perfekt aufeinander eingespiel- klingen lassen. So singen sie auch in hat). ten Musikern des Streichquartetts zu Homburg Franz Schubert, die Verto- Es sei eine gute Zeit gewesen, um reagieren. Zwei Einheiten aufbrechen, nungen der Goethegedichte „Gesang gemeinsam durchzustarten, die kalt der Geister über den Wassern“ – a cap- abgewickelte DDR hatte keinen Plan pella – und „Im gegenwärtigen Ver- mehr für sie, und das Internet war In den gangenes“ mit Klavierbegleitung. Nach noch nicht so omnipräsent, dass man der Pause finden Sänger und Streicher nicht in Ruhe reifen konnte. Sie hatten Konzert- abermals zueinander, „Folks and Ta- sich gefunden, konnten gut miteinan- programmen les“ und „Singer-Songwriter“ sind hier der musizieren, kamen aber auch gut die Stichworte, ein weiter Bogen vom miteinander aus, eine wichtige Vor- von engagierten Lied einer Mercedes Sosa aussetzung, um beruflich „gemeinsam bis zum Briten Paul Millns. durchs Leben zu schreiten.“ amarcord Neugierig darf man sein wie eine Ihre musikalische Heimat liegt in der Ballade über die Liebe, die eigent- Renaissance, der alten Musik und bei sollen lich ein Sänger, sich selbst am Klavier Johann Sebastian Bach, ihr „Rucksack Neu und Alt begleitend, vorträgt, auf fünf Stim- an Erfahrung und Interesse“, ist be- men verteilt, zu einem ganz neuen stimmend für den Anspruch auch an zusammen- Klangkunstwerk wird. Musik aus aller die Musik der folgenden Jahrhunderte. Welt sammelten amarcord auf Reisen Die umfangreiche Diskographie, bis kommen – nicht wie Bela Bartók oder die Ge- 2015 sind es 23 Alben, spricht von den brüder Grimm, es war zunächst eine „letzten Dingen“ oder reist mit „Folks freundliche Geste dem Gastgeberland and Tales“ durch die Welt. damit spielen, sie wieder zusammen- gegenüber, „ein kleines Geschenk“, 2015 zeigten sie mit „Armarium“ führen, das bietet Gelegenheit musi- zum Beispiel ein estnisches Weih- (etwa Schatzkammer), dass in der kalische Bälle hin und her zu werfen. nachtslied einzustudieren. So wuchs Leipziger Thomaskirche nicht erst mit 1959 geboren ist auch der Leipziger aus diesen Mitbringseln ein stattlicher dem berühmtesten Thomaskantor Jo- Komponist Bernd Franke, von dem Fundus an Liedgut. Ein großes Ge- hann Sebastian Bach gesungen wurde. das zweite Stück des ersten Teils kom- schenk sind sicher die stimmig aus- Fünfhundert Jahre zurück gehen sie in men wird, ebenfalls eine Kompositi- gefeilten Programme der zweifachen der „Geistlichen Vokalmusik aus dem on für amarcord. Große gegenseitige ECHO-Klassik-Preisträger. Notenschrank der Thomaner.“ Wertschätzung spricht aus diesem Zy- 1997 feierten amarcord, das übrigens klus, Frankes Musik ist fordernd, aber Mehr Infos: www.amarcord.de „ich erinnere mich“ heißt (im Dialekt der Emilia-Romagna), mit der Grün- dung des „Internationalen Festivals für Vokalmusik ‚a cappella’“ ihren fünften

Geburtstag. Gelegenheit auch ihre Ständig „Lehrer“, das „Hilliard Ensemble“ und gebrauchte die „King Singers“ wieder zu treffen, Klaviere denn die boten in den Anfangsjah- ren Orientierung. Inzwischen haben die fünf Sänger auf Konzerttourneen Inh. Karl-Heinz Müller e.Kfm. alle Kontinente und über 50 Länder besucht. Nun kommen sie zu den 20. Hauptstraße 71, 66482 Zweibrücken Internationalen Kammermusiktagen Homburg und spielen am Samstag, Tel. 0 63 32-33 41, Fax 0 63 32-1 33 04 26. September in der Festhalle Zwei- E-Mail: [email protected] brücken. www.musikhausmueller.de

Foto: Martin Jehnichen Foto: Gleich zu Beginn des Programms tref-

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 47 Die Künstler Frithjof-Martin Grabner Er will nur (Bass) spielen

Infiziert von der Musik Johann Sebastian Bachs gehört der Bassist Frithjof-Martin Grabner zu den größten Künstlern seiner Zunft. Seine Gastspiele in Homburg und Zweibrücken sind mit Überraschungen gespickt – so viel sei verraten.

Von Astrid Karger

rithjof-Martin Grabner wurde er sitzt und welche Position er hat, ist 1962 in Limbach in Sachsen ge- Grabner nicht wichtig, sondern, „dass Fboren, sein Vater war Pastor. Er ich Teil eines Ganzen bin.“ Große verbrachte eine Kindheit auf dem Dorf, Musik spielen, die Energie spüren, die und obwohl ganz selbstverständlicher wirkliches Zusammenspiel auch für Teil der Erziehung war, ein Instru- jeden im Publikum erlebbar macht, ment zu lernen – in seinem Fall Gei- darum geht es. Die „Voglers“, deren ge – kam das Erweckungserlebnis erst energetisches Miteinander ihn beson- nach dem Umzug der Familie nach ders fasziniert, lernte der Kontrabas- Leipzig. Der junge Grabner hörte den sist Mitte der 80er Jahre kennen, den Thomanerchor und wusste, Johann Se- Kontakt intensivierten die Musiker aus bastian Bach hat die größte und tiefste der, damals noch, DDR auf einer Kon- Musik überhaupt geschrieben. Auch zertreise in Amerika. Grabners erste nach 30 Jahren intensiver Beschäfti- Auslandsreise überhaupt. gung mit seiner Musik hat die Ehr- Als „Wegweiser“ nennt Grabner auch furcht vor Bachs Beherrschung von den amerikanischen Komponisten und Polyphonie, horizontaler oder vertika- Kontrabassisten Frank Proto (gebo- ler Anordnung der Musik, mathemati- ren 1941), in Zweibrücken wird er mit scher Genauigkeit und Zahlensymbo- Moritz Eggert dessen „Sonata 1963“ lik nicht nachgelassen. Deutlich, fast für Kontrabass und Klavier spielen. pfiffig oft Bachs Sprache, wenn er zum Amerikanisches, Jazziges im Schnell- Beispiel das Auftreten falscher Zeu- Langsam-Wechsel der Sonatenform, gen mit falschen Akkorden begleitet. und der Bass mal ganz vorne. Grabner wusste schnell, er will Bass Grabner ist heute Professor für Kon- spielen, denn der Generalbass, der so trabass an der Hochschule für Mu- bestimmend für die Musik des Barock sik und Theater Felix Mendelssohn ist, trägt die Kraft durch das ganze Bartholdy, an der er auch Student war, Stück, Kontrabass und Cello führen und gibt europaweit Meisterkurse. den Grundgedanken, harmonisch aus- Kammermusiker ist er in all diesen geziert von Cembalo, Orgel, Harfe, Ensembles: Bach-Collegium Stutt- Laute. gart, Kammerorchester „Carl Philipp Frithjof-Martin Grabner studierte in Emanuel Bach“, Leipziger Concert, Leipzig Kontrabass bei Achim Beyer Mit dem Bass auf Du und Du: Neues Berliner Kammerorchester, und Konrad Siebach, Kammermusik Frithjof-Martin Grabner. Berliner Bachakademie, Solisten En- bei Gerhard Bosse. Achtzehn Jahre semble Berlin. lang war er Solokontrabassist beim Konzertreisen führten durch Europa, Rundfunk-Sinfonieorchester Leip- ner Opernhäusern, der Sächsischen Israel, Asien, Nord- und Südamerika. zig, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Staatskapelle Dresden und in vielen Der kostbare Kontrabass bekam nicht Berlin und in der Staatsoper „Unter anderen Orchestern. Er sei „durch wie vermutet einen eigenen Sitzplatz den Linden“ Berlin. Als Gast spielte und durch Ensemblemusiker“, vor die im Flugzeug, sondern reiste in Hart- Grabner beim Symphonieorchester des Wahl gestellt, ein Solokonzert oder schale im Frachtraum. Bayerischen Rundfunks, den Bam- die Matthäuspassion zu spielen, würde Mehr Infos: www.grabner.de berger Symphonikern, an den Berli- er die Matthäuspassion vorziehen. Wo Ouwerkerk Erik-Jan Frithjof-Martin— Grabner Fotos:

48 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 “Kammermusik - Die Künstler Sabrina Ma die Krone des Konzertwesens!”

Die schöne Schlagwerkerin Sabrina Ma.

Vom Gleichgewicht im Ungleichen

Perkussionistin Sabrina Ma auf dem Marimba, manchmal wird sogar das steinigen Weg der Erkenntnis… Das Klavier dazugezählt, schließlich wird Ergebnis lässt sich am 29. September der Ton angeschlagen. Die Schlag- und 1. Oktober hören. werker beherrschen auch die kleinen Rhythmusinstrumente, die man zum ür Schlagwerker muss es eine Beispiel aus der brasilianischen Samba ganz besondere Erfahrung sein, kennt, handlich und ganz unterschied- Fdenn auch Sabrina Ma hat mit lich im Klang, der oft durch Schütteln dem Knochenalphabet des britischen hervorgerufen wird. Perkussion lässt Komponisten Brian Ferneyhough ge- sich mit allem betreiben, und gerade in kämpft, sie erzählt: „An dem Stück zeitgenössischen Kompositionen kom- „Bone Alphabet“ von Brian Ferney- men auch Spülbürsten, Tupperdosen hough habe ich ein Jahr lang gearbei- oder Butterbrotpapier zum Einsatz. tet…nein, es stimmt so nicht, ich habe Sabrina Ma bereist Festivals für Neue mich mit dem „Entziffern“ der Noten Musik wie die „Darmstädter Ferien- noch viel länger beschäftigt, schon kurse“, die Tiroler „Klangspuren“ oder vor Jahren, nur ich habe mich immer weit weg, das „Roaring Hooves Festi- gedrückt vor diesem Ungeheuer und val“ in der Mongolei. Ihr Repertoire nicht getraut zu spielen. Und als ich umfasst Werke des 20. Und 21. Jahr- dann tatsächlich anfangen musste zu hunderts, Transkriptionen und eigene üben („Der Aufnahmetermin naht!“) Werke. Sie arbeitet mit Komponisten – was für eine Qual. Aber sie hat sich wie Olga Neuwirth, Rebecca Saunders gelohnt: durch „Bone Alphabet“ lernte oder Georges Aperghis. Kritiker be- ich die Zeit neu kennen und entdeckte scheinigen ihr „atemberaubende Fin- das Gleichgewicht in dem Ungleichen.“ gerfertigkeit,“ oder im Falle ihrer Ma- Wir wünschen Allen viel Sabrina Ma wurde 1985 in Groß- rimbainterpretation einer Bach’schen Freude an diesem britannien geboren, wuchs in Hong Cellosuite „Virtuosität und Brillanz“, einzigartigen Festival! Kong auf und erhielt dort bereits mit und immer wieder etwas, das „beson- vier Jahren Musikunterricht. Sie blieb dere Frische“ oder „grenzenlose Spiel- beim Trommeln und studierte ab freude“ heißt und den Zauber der jun- LICHTSTUDIO 2003 in Michigan/USA Schlaginst- gen Musikerin gut einfängt. rumente. Dazu gehören die kleine und Astrid Karger große Trommel, Becken, Pauke. Die Saarbrücker Str. 16 Mehr Infos: www.sabrinama.com Fotos: Frithjof-Martin Grabner — Erik-Jan Ouwerkerk Erik-Jan Frithjof-Martin— Grabner Fotos: Triangel gehört dazu, Xylophon und 66424 Homburg Tel. (06841) 2115 Fax (06841) 12229 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 49 [email protected] www.bullacher.de Raus aus dem Narrenkäfig

Er gilt als einer der mutigsten Performer in der Neuen Musik. Bei seinen Konzerten in Homburg und Zweibrücken wird Moritz Eggert genussvoll

experimentieren und kalkuliert provozieren. Christian Dubno Hartlmeier Katharina — Fotos:

50 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Künstler Moritz Eggert

Bild links: Der musikalische Tausend- Uckermark zu verlesen und verärgert zu sassa Moritz Eggert kommt zum ersten kommentieren – „peinliches Geseier ei- mal zum Festival nach Homburg. nes öden FAZ-Muftis.“ Er schreibt im „bad blog of musick“ Ernstes und Ko- Bild unten: Moritz Eggert auf Reisen. misches, wobei das eine vom anderen nicht zu trennen ist. Immer wieder er- regen seine Werke die Gemüter – eine misslosem“ aufzustören. Kollage aller Mozartopern, ein „Fuß- So sieht Eggert die Neue Musik im ballett“ oder ein „Fußballoratorium.“ Schatten und in einer Alibifunktion, Vielseitig und abenteuerlustig bleibt gerne in der ersten Hälfte von Kon- der Wahlmünchner überraschend. 230 zerten gespielt. Literatur und bildende Stücke enthält sein Werkverzeichnis, Kunst haben in die Jetztzeit gefunden, darunter zwölf Opern, Orchestermu- Alt und Neu existieren nebeneinander sik, Kammermusik, Kirchenmusik, und werden wahrgenommen. In einem Ballette, experimentelle und elektro- von der Zeit (Die Zeit, 28/2015) initi- nische Musik, Hörspiele etc. ierten Gespräch von vier Komponisten Er singt, dirigiert und schauspielert. sagte Eggert: „Aber früher haben die Oder alles zusammen. Das Klavier Schnittstellen zur Gesellschaft bes- nicht zu vergessen… ser funktioniert. Bach zu seiner Zeit Astrid Karger hat heutige Musik geschrieben, weil er ständig mit seinem Publikum kon- Mehr Infos: www.moritzeggert.de frontiert war. Jede Woche eine neue Kirchenkantate! Beethoven war ein politischer Komponist. Die Neunte ist politisch, die Eroica ohnehin. Wenn man seine Briefe liest, weiß man, der interessiert sich für seine Zeit, der diskutiert darüber. Diese Schnittstel- len gäb‘s ja für uns heute theoretisch auch…“ Er selbst nutzt die Schnittstellen, nutzt die Freiheit des Künstlers, um auch politisches Tagesgeschehen zu kommentieren. So richtete er ein Lied seiner „Bordellballade“ im Kurt Weill- Stil als Protest mit Widmung an die namentlich genannten Kommunal- politiker – „Einmal muss Sperrstund’ sein…“ – im konkreten Fall für ein Ju- gendorchester. In der Ablehnung fester Grenzen der Kunst, der Gedanken, verzapft er oritz Eggert, Jahrgang 1965, ganz dada Unsinn, hinter dem man ist klassisch ausgebildeter Sinn vermuten kann. „PG Dada“, ein MMusiker, Pianist. Da er kom- Ensemblewerk, das im Juni zur Ur- poniert und noch lebt, verortet er sich aufführung kam, wirft einen Blick im Zeitgenössischen, bewegt sich in auf die Pegida-Demonstrationen, die der Neue Musik Szene und aus ihr he- Werkeinführung ein echter Eggert: raus. Dass die sogenannte klassische „Ich bin gegen die Einwanderung. Ich oder E-Musik ihre Relevanz verliert, bin gegen die Einwanderung der Be- nicht in die Gegenwart findet, ist ein schränkung. Wo die Einwanderung Thema für ihn. Zeitgenössische Kom- beschränkt wird, beginnt die Auswan- positionen werden von Verantwortli- derung des Geistes.“ chen in die Programme gepackt, weil Eggert nutzt das Internet, um zum der Rundfunkauftrag vorsieht, Hörge- Beispiel eine grotesk langweilige Ab-

Fotos: Christian Dubno Hartlmeier Katharina — Fotos: wohnheiten mit irgendwas „Kompro- handlung über Botho Strauß in der

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 51 Die Künstler Trio Imàge

Bild links: Thomas Kaufmann, Gergana Gergova und Pavlin Nechev (von links) sind das Trio Imàge.

mit Auszeichung ab. Von 2009 bis 2011 absolvierte sie ihr Masterstudium Kam- mermusik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler bei Prof. Eberhard Feltz. Der Pianist Pavlin Nechev konzer- tierte als Elfjähriger zum ersten Mal mit Orchester. Er trat weltweit auf und ist ebenfalls Träger renommier- ter Kammermusik- und Solistenprei- se. Sein Interesse an zeitgenössischer Musik manifestiert sich auch in der Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern/Frankfurt. Nechev hat drei Master Ausbildungen an der „Folk- wang Universität der Künste Essen“ und an der „Hanns Eisler Hochschu- le für Musik Berlin“ in Klavier und Neugier auf die in Kammermusik abgeschlossen. Zu seinen Lehrern zählten Antoaneta Vo- denicharova, Michael Roll, Andreas Neugierigen Reiner und Eberhard Feltz. Auch der in Graz geborene Cellist Thomas Kaufmann lebt heute in Berlin. Das Trio Imàge gewinnt gleich mit Das Trio Imàge wurde geboren. „Imà- Und auch seine Musikerkarriere ist mit seiner ersten Einspielung den ECHO ge“ mit ‚accent aigu’ ist ein Kunstwort, Reisen zu Festivals und Konzertreisen Klassik: Mauricio Kagels Klavier- Vorstellungskraft evozierend, aber mit Ensembles wie der Camerata Bern trios sind eine echte Entdeckung. Die ohne das Häkchen über dem a wurde oder dem Münchner Kammerorchester drei Musiker, die die Welt begeistern, der Name zum Entsetzen der Musiker verbunden. Im „Zuckmayer Ensemble“ spielen jetzt erstmals im Saarland. als das englische „image“ gelesen, in die widmet er sich der Streichquartett-Li- Werbewelt, à la Markenimage deutend. teratur der Wiener Klassik. Kaufmann s ist immer wieder bemerkens- Trio Imàge – drei Musiker, die jeder für besuchte ab 1999 in Wien die Meister- wert, wie sehr Musik das Leben sich auch solistisch, in anderen Forma- klasse von Heinrich Schiff, wechselte Evon Musikern ist. Was banal tionen oder in der Lehre tätig sind. nach dem Diplom im Konzertfach Cel- klingt, führt doch dazu, dass wenig Gergana Gergova startete ihre internati- lo für das Aufbaustudium Kammermu- gewertet wird, Kompositionen unvor- onale Karriere mit Auszeichnungen wie sik zu Eberhard Feltz an die Hochschu- eingenommen angenommen werden, dem ersten Preis bei dem Internationa- le für Musik Hanns Eisler in Berlin. Musik einfach eine Sprache ist, deren len Violinwettbewerb „Vladigeroff“ und Die Debüt-CD des Trios erschien 2014. Beherrschung befähigt oder verpflich- bei Kammermusikwettbewerben wie Die Einspielung aller Klaviertrios tet alles zu erzählen, was darin möglich „Schubert und die Musik der Moder- des 2008 verstorbenen argentinisch- ist. Gergana Gergova sagt, sie hat ei- ne“ und „Joseph Joachim“. Sie ist in der deutschen Komponisten Mauricio Ka- gentlich keine Erinnerungen ohne Vi- Kammermusik ebenso zu Hause wie im gel erhielt den Deutschen Musikpreis oline, sie spielt seit frühester Kindheit. Orchester, an der Deutschen Oper am ECHO Klassik 2014 als „Welt-Erstein- Mit fünf Jahren lernte sie den damals Rhein Duisburg, beim Teatro Real Ma- spielung des Jahres“. Gergana Gergova sechsjährigen Pavlin Nechev kennen, drid, mit den Festival Strings Lucerne, sagt, sie gingen mit Neugier an die der spielte Klavier. Seitdem musizieren der Deutschen Kammerphilharmonie Stücke heran, sie wollten texttreu blei- sie zusammen, besuchten gemeinsam Bremen, dem Münchner Rundfunkor- ben, die Partitur ausschöpfen. Mit ihrer in ihrer nordbulgarischen Heimat- chester, NDR Hannover und der Belgi- ganzen, dreifachen Wahrhaftigkeit ein stadt Pleven ein Musikgymnasium. schen Kammerphilharmonie nahm sie möglichst genaues Bild liefern, heraus- Zum Studium gingen sie 1999 nach die Position der Konzertmeisterin ein. finden, was in der Musik steckt. Deutschland, 2008 stellte ein Kammer- Gergova studierte bei Mintcho Mint- Astrid Karger musikprofessor den Cellisten Thomas chev und schloss ein Aufbaustudium Mehr Infos: www.trioimage.eu Kaufmann vor, der würde gut passen. Kammermusik bei Prof. Andreas Reiner Fotos: Imàge Trio — Robert Grund

52 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Die Künstler Stephan Braun Let’s groove tonight

Der Cellist Stephan Braun gehört zu den Musikern, die nicht nach der Literatur für ihr Instrument fragen, sondern was damit anstellen. Bei Konzerten in Homburg wird er eine Kostprobe seines Könnens liefern.

tephan Braun wurde 1978 in Zeitz, Sachsen Anhalt geboren und besuchte das Musikgymnasium Schloss SBelvedere in Weimar. Als klassischer und Jazzcellist an den Musikhochschulen in Hamburg und Berlin ausgebil- det, gewann er u.a. mit seinem Trio den internationalen Jaz- zwettbewerb 2010 in Bucharest. Konzertauftritte führten ihn bereits nach Asien, Nordamerika, Afrika und Europa. Er gastierte auf bekannten Bühnen und Festivals, wie der Staatsoper Wien, Concertgebouw Amsterdam, Konzerthaus Berlin, Olympia Theatre Paris, Pori Jazzfestival in Finnland und war bei mehr als 20 CD-Produktionen beteiligt. Spieltechniken wie das „Chopping“ oder „Tapping“ be- herrscht er virtuos. Beim „Chopping“ verursacht der Bogen auf den Saiten einen knackig kurzen Laut, der perkussiv eingesetzt werden kann, praktisch, wenn den Streichern der Schlagzeuger fehlt. Grooveorientierte Bogentechnik ani- miert zum Mitgehen, rhythmisiert, führt auch in die tanz- bare Welt von Swing, Funk und Jazz. Stephan Braun ist ein Cellist, der die Zuhörer überrascht, ob mit seiner Band deep strings, seinem Jazztrio oder solistisch. Seine eigene Sprache hat er auf dem Fundament der klassischen Musik in der Improvisation des Jazz gefunden. So ist er heute ein vielseitiger Improvisateur und gern gesehener Gastmusiker. In seinen Solokonzerten wird er mit seinem elektrisch ver- stärkten Cello und der Nutzung von Effekten einen weiten musikalischen Bogen spannen von der Musik des 17. Jahr- hunderts bis hin zu Jazzstandards wie „My favourite things“ und eigenen Kompositionen. Außergewöhnliche Spieltech- niken, rhythmische Raffinesse und ein melodischer Ein- fallsreichtum zeigen ein ganz neuartiges Cellospiel des 21. Jahrhunderts. Er kann „weich und fließend, aber auch hart und konturenhaft“ (G. Szczegulski, Südwestpresse) spielen. Er spielte Konzerte mit bekannten Musikern und Ensem- bles, unter anderem Don Thomson, Kristjan Randalu, An- namateur, Etta Scollo, Melody Gardot, Nils Landgren, Till Brönner, Gil Goldstein, der NDR-Bigband und dem Berli- ner Ensemble. Mit dem CD-Debut (2008) seines Trios klärt er ein für alle Mal die Frage, was die wahre Domain des Violoncellos im Jazz ist: der Groove. Im Frühjahr 2012 ist die CD „Façon“ seines Duos „deep strings“ bei nrw-Records erschienen. Seit 2014 unterrichtet er an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Momentan lebt Stephan Braun als freischaffender Musiker in Berlin. Astrid Karger / www.stephanbraun.com

Mehr Infos: www.stephanbraun.com Animiert zum Mitgehen: Jazzcellist Stephan Braun. Fotos: Imàge Trio — Robert Grund

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 53 Die Künstler Matan Porat

Bild links: Matan Porat hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen als Pianist und Komponist gemacht.

Ysaÿe, Pacifica und Jerusalem Quar- tett, mit Renaud und Gautier Capu- çon, , , , Dorothea Rösch- mann, und mit Mit- gliedern des Guarneri Quartetts. Mit der Produktion von Peter Brooks Ver- sion der „Zauberflöte“ für Solo-Klavier und 7 Sänger ging er auf Welttournee. Matan Porat studierte bei Emanuel Krasovsky, Maria João Pires und Mur- ray Perahia. Seinen Masterabschluss erhielt er an der Juillard School. 2009 wurde Matan Porat mit dem Prime Mi- nister Award für seine kompositorische Arbeit ausgezeichnet und konnte sich Pianist, Komponist und damit als Komponist bei Ruben Serous- si und George Benjamin weiterbilden. Unter anderem gaben , Wahlberliner aus Israel Maria João Pires, Kim Kashkashian, Elena Bashkirova, und die Geneva Camerata, sowie die Er ist einer der interessantesten büt-CD „Variationen über ein Thema Akademie des Deutsches Symphonie- Künstler unserer Zeit, der sich in den von Scarlatti“ – ein 65minütiges Pro- Orchesters Berlin bei Matan Porat letzten Jahren sowohl als Pianist als gramm mit Werken von Couperin bis Kompositionen in Auftrag, die bei den auch als Komponist einen Namen ge- Boulez, die alle in Beziehung zu Scar- Festivals in Montpellier, Schleswig- macht hat. Nach Homburg und Zwei- lattis Sonate K. 32 stehen – wurde im Holstein und Gstaad uraufgeführt brücken kommt er zum ersten Mal. letzten Jahr beim Label Mirare aufge- wurden. David Orlowskys Aufnahme nommen und von der Frankfurter All- von Matan Porats Werk „Lux Aeterna“ eine Mutter ist irakischer gemeinen Zeitung als „ein phantasti- wurde 2011 mit dem ECHO-Klassik und mein Vater russischer sches Album, man muss es wieder und ausgezeichnet. 2012 wurde das Stück MAbstammung, also bin ich wieder hören,“ gefeiert. „Whaam!“ in der Interpretation von aschkenasisch-sefardisch. Ich bin der Porat spielte bereits in der Carnegie David Greilsammer bei Sony veröf- einzige Musiker in meiner Familie. Hall in New York, in der Berliner fentlicht. Weiterhin zählen die Oper Schon in sehr jungen Jahren habe ich Philharmonie, im Pariser Auditori- „Animal Farm“, ein Requiem, ein Man- gesungen und auf dem Tisch gespielt um du Louvre und Salle Gaveau, im dolinenkonzert und eine Musiktheater- mit kleinen Spielzeug-Instrumenten. Londoner Barbican Centre und in Trilogie basierend auf Werken Kafkas, Also haben meine Eltern entschieden, der Wigmore Hall sowie in der Alten Orwells und Thomas Manns zu Porats ich soll ein richtiges Instrument ler- Oper Frankfurt. Als Solist konzer- herausragenden Kompositionen. nen. Und das erste Instrument, das ich tierte er mit dem Chicago Sympho- Zu den Höhepunkten seiner 2014/15 in einem Laden gesehen habe, war ein ny Orchestra, der Sinfonia Varsovia, Saison zählen Porats erstes Solo-Re- Klavier. Ich war sofort darin verliebt. dem Münchner Kammerorchester, der zital in der Wigmore Hall, Festival- Da war ich erst sechs.“ Hong Kong Sinfonietta, dem Jerusa- Gastspiele beim Heidelberger Früh- Matan Porat ist einer der interessan- lem Symphony Orchestra, dem Israel ling und bei „La Folle Journée“ in testen Künstler unserer Zeit, der sich Symphony Orchestra und dem Israel Frankreich und Japan sowie eine Tour- in den letzten Jahren sowohl als Pia- Chamber Orchestra. nee mit dem SWR Sinfonieorchster nist, als auch als Komponist einen Na- Als begeisterter Kammermusiker ist unter François-Xavier Roth von Wien men gemacht hat. er gern gesehener Gast bei den Festi- über Baden-Baden nach Frankfurt am Sein vielseitiges Konzertrepertoire vals in Marlboro, Lockenhaus, Ravi- Main. reicht von allen Partiten Bachs über nia, Verbier, Delft, beim Heidelberger Quelle: Impressariat Simmenauer sämtliche Schubert Sonaten bis hin Frühling und Rheingau Festival. Er Mehr Infos: www.matanporat.com zu Ligetis Klavierkonzert. Seine De- konzertierte unter anderem mit dem Navaee Neda Foto:

54 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Augenblicke

„Wegen der einzigartigen und familiären Atmosphäre kommen die Künstler und das Publikum immer wieder gerne zu den Konzerten nach Homburg“

Optische Höhepunkte der Kammermusiktage Homburg vergangener Jahre. Eine umfangreichere Bildergalerie finden Sie im Internet unter www.kammermusik-homburg.de Foto: Neda Navaee Neda Foto:

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 55 Augenblicke 2014, 2013, 2012 Fotos: Astrid Karger (14)

56 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Augenblicke 2012, 2011, 2010 Fotos: Astrid Karger (14)

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 57 Augenblicke 2009, 2008 Fotos: Astrid Karger (13)

58 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Augenblicke 2007, 2006 Fotos: Astrid Karger (13)

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 59 Der Verein Die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V. „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum!“

Homburg ohne Kammermusik? Kaum vorstellbar, denn bereits seit rund 40 Jahren gibt es hier ein Kammermusikfest – und die Internationalen Kammermusiktage feiern in diesem Jahr ihr 20-Jähriges. Ermöglichen tut dies alles ein Verein – die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V.

Von Roman Länger

hne Musik wäre das Leben ein Irrtum!“ Dieses im- mergrüne Zitat von Friedrich Nietzsche fasst sehr Oschön die Motivation eines kleinen aber feinen Ver- eins zusammen, der aktiv um neue Mitglieder wirbt, weil das, was er tut und weiter tun möchte ohne einen funktio- nierenden und stetig wachsenden Trägerverein nicht funk- tionieren kann: Die Vermittlung von Kammermusik, der vielleicht schönsten Nebensache der Welt an junge Men- schen und solche, die jung geblieben sind und weiter Lust auf (musikalische) Abenteuer haben. Wer Ohren hat, der höre, was die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V. alle Jahre wieder auf die Beine stellen. Es lohnt sich, als Mitglied aktiv an der Zukunftsgestaltung der „Internationalen Kammermusiktage Homburg“ mitzuwir- ken – und sei es nur durch eine reine Mitgliedschaft im Verein. Seit etwa vierzig Jahren gibt es in Homburg ein Kammer- musikfest. 1991 fanden sich Freunde dieser Musik als ört- liche Organisatoren im Verein Kammermusikfreunde Saar- Pfalz e. V. zusammen. Seitdem organisiert dieser Verein mit einem gewählten musikalischen Leiter zunächst alle zwei Jahre, dann jährlich Kammermusiktage in Homburg,

Die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V.

Die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V. werden ver- treten durch ihren Vorstand, der sich derzeit wie folgt zusammensetzt:Dr. Balthasar Weinheimer (Erster Vorsit zender), Ludwig Edelmann (Zweiter Vorsitzender), Michael Schurig (Kassierer), Rolf Petzold (Schriftführer). Postanschrift: Karlsbergstraße 20, 66424 Homburg. Telefon 06841-3168, Fax 06834-953909 Ohne ihn und sein Engagement hätte es die Kammermusik- E-Mail [email protected] tage Homburg niemals gegeben. Mitte Juli wurde er nun 90. www.kammermusik-homburg.de Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Balthasar Weinheimer! Amtsgericht Homburg VR 935, als gemeinnützig anerkannt. Fotos: Astrid Karger (2)

60 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Bild oben: Die Rose als Sinnbild für Lebensfreude, Vollkom- Folgende Arten der Mitgliedschaft stehen Ihnen zur Ver- menheit, Schönheit und Anmut – passend zur Kammermusik. fügung: Einzelmitgliedschaft mit einem Jahresbeitrag von 75 Euro, Mitgliedschaft als Schüler oder Student mit ei- nem Jahresbeitrag von 15 Euro, Firmenmitgliedschaft mit ein internationales Treffen kammermusikalischer Solisten. einem Jahresbeitrag von mindestens 150 Euro. So wird es in diesem Jahr 2015, dem 25. Jahr des Vereins- bestehens, die 20. Internationalen Kammermusiktage in Weitere Informationen und ein Aufnahmeantrag zum Homburg geben. Das Vogler Quartett ist seit 2000 dabei Ausdrucken: www.kammermusik-homburg.de und somit 15 Jahre lang mit der musikalischen Leitung des Festivals betraut. Von Anfang an haben die Organisatoren Kinder und Ju- Ihre Vorteile als Vereinsmitglied gend zu Proben eingeladen. Inzwischen werden die Mu- siker gerne in den Schulen empfangen und bringen so das Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Ihr Jahresbei- Vogler Quartett ins Klassenzimmer. trag und Ihre Spenden sind steuerlich absetzbar. Die private Betreuung der Künstler am Ort durch Mitglie- Vereinsmitglieder haben ein Vorkaufsrecht für Eintritts- der des Vereins hat über all die Jahre zu einer intensiven karten der Internationalen Kammermusiktage Homburg. Beziehung zu den Künstlern und ihrer Arbeit geführt. Als Mitglieder kommen Sie in den Genuss einer Ermäßi- Diese Tradition wollen wir bewahren und suchen dafür gung von 25 Prozent auf die regulären Eintrittspreise bei neue Mitstreiter, Freunde und Mitglieder. Fördern auch Sie den Internationalen Kammermusiktagen Homburg. das bewahrenswerte musikalische Phänomen Kammermu- Als Rahmenprogramm zur jährlichen Mitgliederversamm- sik durch eine Mitgliedschaft im Verein „Kammermusik- lung kommen Sie in den Genuss eines Exklusivkonzertes. freunde Saar-Pfalz e. V.“ – und genießen auch Sie die vielen Als Mitglied der Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V. Vergünstigungen und Exklusivangebote, die Vereinsmit- haben Sie die Möglichkeit, vergünstigte Konzertkarten für Partnerfestivals zu erwerben (in Vorbereitung). Fotos: Astrid Karger (2) gliedern vorbehalten sind.

20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 | 61 Finale Impressum, Schirmherr, Sponsoren, Ausblick 2016

Vorschau 2016: Barock satt und Literatur live

Das Festival-Magazin 2015 Die 21. Internationalen Kammer- musiktage Homburg finden vom 24. www.kammermusik-homburg.de September bis 3. Oktober 2016 statt. Telefon 06834-5790729 Fax 06834-953909 as Festival im kommenden Jahr E-Mail [email protected] wird (höchst wahrscheinlich) unter dem Motto „Barock“ über Herausgeber: D Kammermusikfreunde Saar-Pfalz e. V. die Bühnen gehen – passend zum groß Karlsbergstraße 20, 66424 Homburg gefeierten Barockjahr 2016 in Rhein- Erster Vorsitzender: Dr. Balthasar Weinheimer (V.i.S.d.P) land-Pfalz und dem Saarland. Amtsgericht Homburg, VR 935, Die 21. Internationalen Kammermu- als gemeinnützig anerkannt siktage Homburg begleiten musika- Schirmherr der 20. Internationalen Kam- Redaktion und Festivalmanagement: lisch die Ausstellung „Barock – Nur Internationale Kammermusiktage Homburg mermusiktage Homburg 2015: Rüdiger schöner Schein?“ (vom 11. September c/o inplan-media GmbH, Roman Länger, Schneidewind, Oberbürgermeister der Zur Waldkapelle 36, 66773 Schwalbach 2016 bis 19. Februar 2017) des Reiss- Universitäts­stadt Homburg. Engelhorn-Museum in Mannheim. Parallel wurde das kulturtouristische Netzwerk „Barockregion“ ins Leben Ein Dank an IKK Südwest, gerufen. Imposante Schlossanlagen, Saarbrücken prachtvolle Sakralbauten, repräsenta- alle Sponsoren, tive Bürgerhäuser, geometrisch aus- Stiftung Saarländischer Konzertpaten und gerichtete Gartenanlagen oder mili- Kulturbesitz, Saarbrücken tärische Festungsbauten – zahlreiche Unterstützer der historische Erinnerungsorte zeugen Unterstützer-Kreis noch heute von der Vielschichtigkeit 20. Internationalen des Barock. Natürlich auch in Hom- Kammermusiktage Heinrich Fuhrmann KG, burg, Zweibrücken und Blieskastel. Zweibrücken Homburg 2015 Ergänzend zur Ausstellung wird das Steuerberatung Lintz, barocke Zeitalter hier wieder lebendig. Welsch & Kollegen, Homburg Ein attraktives Veranstaltungspro- Sponsoren gramm in den Mannheimer Reiss- AVIE Brunnen-Apotheke, Homburg Engelhorn-Museen und den einzelnen Saarland-Sporttoto, TEBA Hansen & Kaub, Partnerorten versprechen im Ausstel- Saarbrücken Hermeskeil, Bad Liebenwerda, lungsjahr 2016 unvergessliche Kulturer- Dr. Theiss Naturwaren, Senningerberg (Luxemburg) lebnisse in der gesamten Barockregion. Homburg REGI Rebmann & Gingrich, Die 21. Internationalen Kammermu- siktage Homburg werden ihren Beitrag Volksbank Saarpfalz, St. Ingbert dazu leisten. Im Rahmenprogramm des Homburg Rudolf Steffes GmbH, Festivals 2016 wird ein kenntnisreicher Kreisstadt Homburg Saarbrücken Vortrag „Kammermusik in der Litera- SR 2 Kulturradio, Blumenhaus Rieß-Leidl, tur“ des Wiesbadener Soziologen und Saarbrücken Homburg Intellektuellen Hans-Heinrich Ehr- hardt seine Weltpremiere haben. Rats-Apotheke, Homburg Nähere Details zum Programm der Konzertpaten Parfümerie CB, Homburg 21. Internationalen Kammermusikta- ge Homburg finden Sie auf der ständig Kreissparkasse Saarpfalz, Autohaus Scherer, aktualisierten Website Homburg Homburg www.kammermusik-homburg.de Musikhaus Müller, Zweibrücken Fußbodentechnik Uwe Schorr, Illingen Nichts geht über live! – Lichtstudio Bullacher, vom 24. September Homburg saar.is, Saarbrücken bis 3. Oktober 2016 Foto: Stadt Homburg Stadt Foto:

62 | 20. Internationale Kammermusiktage Homburg 2015 Foto: Stadt Homburg