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Der Krieg Hat Uns Für Alles Verdorben“

Der Krieg Hat Uns Für Alles Verdorben“

„Der Krieg hat uns für alles verdorben“

Die Darstellung des Ersten Weltkrieges in den beiden englischen Übersetzungen des Klassikers Im Westen nichts Neues von

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Jasmin Stranzl, BA

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachterin: Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Michaela Wolf

Graz, 2019

Danksagung:

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen guten Geistern bedanken, die mich im Laufe des Schreibprozesses meiner Masterarbeit entweder aktiv durch das Korrekturlesen einzelner Passagen oder auch moralisch unterstützt haben und mir die nötige Motivation gegeben haben, um diese erfolgreich zu beenden.

Ein großer Dank gilt meiner Betreuerin Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Michaela Wolf, die mich durch den gesamten Ablauf von der Konzepterstellung bis hin zur Fertigstellung meiner Masterarbeit begleitet und dabei tatkräftig unterstützt hat.

Seite 2 von 107 Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 5 1 „Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz“ – Der Erste Weltkrieg aus deutscher Sicht ...... 7 1.1 Kriegsverlauf ...... 8

1.2 Folgen des Krieges ...... 10

1.3 Soldaten im Ersten Weltkrieg ...... 12

2 „Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks, Maschinengewehre, Handgranaten – Worte, Worte aber sie umfassen das Grauen der Welt.“ – Vom Krieg erzählen ...... 14 2.1 Das Genre Kriegsliteratur ...... 14

2.2 Literatur in Deutschland vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg ...... 15

3 „Ich bin jung, ich bin zwanzig Jahre alt; aber ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst und die Verkettung sinnlosester Oberflächlichkeit mit einem Abgrund des Leidens.“ – Der Mythos Remarque ...... 18 3.1 Erich Maria Remarque vor der Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues ...... 18

3.2 Erich Maria Remarque und Im Westen nichts Neues ...... 21

3.3 Erich Maria Remarque nach Im Westen nichts Neues ...... 23

3.3.1 Zeit in der Schweiz ...... 23

3.3.2 Exil in den USA ...... 24

3.3.3 Die letzten Lebensjahre Remarques ...... 25

4 „Er fiel … an einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich auf nur den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden“ – Der Klassiker der Kriegsliteratur ...... 30 4.1 Der Inhalt ...... 31

4.1.1 Der Titel des Romans ...... 32

4.1.2 Romanaufbau und Erzählverhalten ...... 33

4.1.3 Verschiedene Fassungen von IWnN ...... 35

4.2 Wichtige Themen in IWnN ...... 36

4.2.1 Der Krieg ...... 36

Seite 3 von 107 4.2.2 Die vom Krieg zerstörte Generation und die Bedeutung der Kameradschaft .... 38

4.2.3 Weitere Bedeutungsebenen ...... 39

4.3 Der Roman als Klassiker der Weltliteratur...... 40

4.3.1 Mögliche Gründe für den großen Erfolg ...... 41

4.3.2 Rezeption des Roman ...... 44

4.3.3 US-amerikanische Verfilmungen ...... 50

4.4 Die beiden englischen Übersetzungen ...... 51

4.4.1 All Quiet on the Western Front von Arthur Wesley Wheen (Ü1) ...... 52

4.4.2 All Quiet on the Western Front von Brian Murdoch (Ü2) ...... 53

5 Die Welt der Neuübersetzungen ...... 55 5.1 Warum ein Werk neu übersetzen? ...... 56

5.2 Die Retranslation Hypothesis (RH) ...... 57

6 „Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben.“ – Textanalyse ...... 61 6.1 Analyse der Rezensionen ...... 62

6.2 Vergleich der beiden englischen Übersetzungen ...... 65

6.2.1 Der Kampfdiskurs bzw. der Überlebenskampf der Soldaten ...... 68

6.2.2 Der Verlustdiskurs bzw. die Thematik der verlorene Generation ...... 80

6.2.3 Der Leidensdiskurs bzw. das Leben der Soldaten an der Front ...... 92

6.3 Ergebnisse der Textanalyse ...... 99

Zusammenfassung ...... 101 Bibliografie ...... 103

Seite 4 von 107 Einleitung

Wie sinnlos ist alles, was je geschrieben, getan, gedacht wurde, wenn so etwas möglich ist! Es muss alles gelogen und belanglos sein, wenn die Kultur von Jahrtausenden nicht einmal verhindern konnte, dass diese Ströme Blut vergossen wurden, dass diese Kerker der Qualen von Hunderttausenden existieren. (Remarque 2010/1929:180) Im Westen nichts Neues (im Folgenden IWnN) gilt als eines der bedeutendsten Werke über den Ersten Weltkrieg und ist ein Klassiker der deutschen Kriegsliteratur. Erich Maria Remarque leistete mit der Publikation dieses Romans, in dem er aus der Sicht des 19-jährigen Paul Bäumer das Leben der Soldaten an der Westfront schildert, einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des Ersten Weltkrieges. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde das Werk in über 55 Sprachen übersetzt. Im englischen Sprachraum liegen aktuell zwei Übersetzungen, die in einem Abstand von 65 Jahren (1929 bzw. 1994) publiziert wurden, vor.

Im Rahmen dieser Masterarbeit werden folgende Aspekte im Hinblick auf den Roman und die beiden englischen Übersetzungen untersucht: Zunächst werden mögliche Gründe für den Erfolg des Romans betrachtet. Warum wurde der Roman gerade in diesem Zeitraum (1929), in dem die Bevölkerung die Kriegsereignisse vermutlich verdrängen wollte, zu einem Erfolg? Was macht das Werk zu einem Klassiker der Kriegsliteratur? Des Weiteren werden die Einflüsse auf die englischen Übersetzungen, wie die Rezeption des Autors in Deutschland, die Rolle der Verlage sowie der Publikationszeitraum der Übersetzungen, näher untersucht. Überdies soll auch der Frage nach den Gründen für eine Neuübersetzung nachgegangen werden. Ziel dieser Arbeit ist es, anhand eines Vergleichs der beiden englischen Übersetzungen die unterschiedlichen Darstellungen im Hinblick auf Remarques Beschreibungen des Krieges, das heißt seiner Schilderungen von Kampfhandlungen, dem Alltag der Soldaten an der Front sowie wichtiger Themen des Werkes, wie beispielsweise dem Verlust der Jugend oder der Bedeutung der Kameradschaft, herauszuarbeiten.

Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass die erste englischsprachige Übersetzung, die im selben Jahr wie das deutsche Original veröffentlicht wurde, stärker von diesem abweicht und einzelne Darstellung abschwächt – einerseits aufgrund der Nähe der Ereignisse, da 10 Jahre nach Kriegsende das Erlebte noch frisch im Gedächtnis der Menschen war, und andererseits, um den Roman an die Zielkultur anzupassen und dadurch zu gewährleisten, dass das Werk auch bei der englischsprachigen Leserschaft Anklang findet. Im Gegensatz dazu wird in Bezug auf die zweite Übersetzung davon ausgegangen, dass diese näher am Ausgangstext bleibt und aufgrund der Rezeption des Autors und des Klassikerstatus des Romans sowie des zeitlichen Abstandes zu den Kriegsereignissen weniger Änderungen

Seite 5 von 107 vorgenommen wurden und somit die kriegsrelevanten Darstellungen Remarques nicht abgeschwächt sind.

Für die Untersuchung der einzelnen Forschungsfragen und der Überprüfung der Hypothese wird eingangs ein Überblick über den Ersten Weltkrieg gegeben. Dabei wird sowohl auf die geschichtlichen Abläufe wie auch auf die Hintergründe, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben, und die Auswirkungen, die dieser auf die Bevölkerungen – im Speziellen die deutsche Bevölkerung – hatte, eingegangen. Schließlich befasst sich dieses Kapitel auch mit dem Leben der Soldaten an der Front sowie mit den Schwierigkeiten, mit denen sie bei ihrer Heimkehr nach dem Kriegsende konfrontiert waren.

Auf diese Ausführungen folgt ein kurzer Exkurs in das Thema der deutschen Kriegsliteratur. Hierbei wird der Fokus vor allem auf den Wandel der deutschen Literatur vor, während und nach dem Krieg gelegt und parallel ein Vergleich mit der Kriegsliteratur im englischen Sprachraum angestellt, um einen theoretischen Rahmen für die spätere Analyse der beiden englischen Übersetzungen von IWnN zu schaffen. Das darauffolgende Kapitel gibt einen ausführlichen Einblick in das Leben des Autors sowie einen kurzen Überblick über seine wichtigsten Werke und wie sich dessen literarisches Schaffen im Laufe der Jahre gewandelt hat.

Auf dieses Kapitel folgt eine genaue Betrachtung des Romans. Dazu zählt einerseits die Darlegung des Inhalts sowie eine Besprechung der wichtigsten Themen des Werkes. Andererseits werden auch mögliche Gründe für den Erfolg des Romans ausgearbeitet und ein Überblick über die Rezeption des Romans, vor allem in Deutschland, im Zeitraum der Publikation gegeben. Abschließend werden in diesem Kapitel die beiden englischen Übersetzungen behandelt, indem einerseits die jeweiligen Verlage, in denen die Erstveröffentlichung der beiden Übersetzungen stattfand, genauer betrachtet werden sowie andererseits eine Aufstellung der Biographien der beiden Übersetzer durchgeführt wird. Darauf folgend wird in Kapitel 5 ein Einblick in das Thema der Neuübersetzungen und die aktuelle Forschung in diesem Bereich gegeben.

Im Hauptteil der Arbeit wird ein Vergleich der beiden englischen Übersetzungen von IWnN auf Basis der oben angesprochenen Aspekte angestellt. Abschließend werden die Resultate zusammengeführt und die Argumente zusammengefasst.

Seite 6 von 107 1 „Die erste Granate, die einschlug, traf in unser Herz“ – Der Erste Weltkrieg aus deutscher Sicht

Der Erste Weltkrieg offenbarte sich als ein unvorstellbares, noch nie da gewesenes Ereignis in der Geschichte der Menschheit:

Nie zuvor hatte ein Krieg solche Dimensionen angenommen, nie zuvor waren größere Menschenmassen aufeinandergetroffen, nie zuvor hatte es so viele Tote gegeben. (Hansen 2002:163) Neue technologische Errungenschaften – Panzer, Flugzeuge, Telegraphie, Gas und neue Waffen, um nur einige zu nennen – führten dazu, dass der Krieg Anfang des 20. Jahrhunderts bis dahin undenkbare Ausmaße annahm (ibid.). In vielen Ländern bekam er daher die bis heute gebräuchliche Bezeichnung „Großer Krieg“, wie zum Beispiel in Italien (la Grande Guerra), Frankreich (la Grande Guerre) oder im englischsprachigen Raum (the Great War) (Hirschfeld/Krumeich 2013:7). Der Erste Weltkrieg gilt darüber hinaus als erster moderner Krieg (Hansen 2002:163). In dem von 1914 bis 1918 andauernden Konflikt waren 70 Millionen Soldaten aus allen Kontinenten beteiligt – über 13 Millionen davon deutsche Soldaten (Krumeich 2014:11). Der Krieg verzeichnete hohe Verlustzahlen: Die Zahl der an der Front gefallenen Soldaten liegt zwischen mindestens 8,6 Millionen und 10-11 Millionen. Zum ersten Mal in der Geschichte betraf ein Krieg auch die gesamte Bevölkerung der einzelnen Staaten. Ihm fielen mindestens 6,5 Millionen ZivilistInnen zum Opfer (ibid.:140f.). Die Fronten, die sich im Ersten Weltkrieg herausgebildet hatten, waren die Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien) mit etwa 25 Millionen Mann und die Entente bzw. die Alliierten (Frankreich, Großbritannien und Irland, Russland und weitere Verbündete wie die USA und Italien), die etwa 45 Millionen Soldaten für den Krieg mobilisierten (ibid.:33).

Die Feindschaft zwischen den Fronten wurde mithilfe der jeweiligen Propaganda, die zuvor in dieser Form nicht existiert hatte, verstärkt. Sie entwickelte sich zu einer wichtigen Waffe der psychologischen Kriegsführung, die die öffentliche Wahrnehmung über den Krieg maßgebend beeinflusste. Sie stellte die Gegner als Barbaren dar, machte sie lächerlich und stufte die feindlichen Armeen als harmlos ein. Die Propaganda der Alliierten bezog dabei die Bevölkerung stärker in den Krieg ein und war dadurch effektiver als jene der Deutschen (Hirschfeld/Krumeich 2013:107). Sie war darauf ausgerichtet, die Verdienste der französischen und britischen Helden aufzuzeigen sowie die Kriegsgegner, also in erster Linie die deutsche Armee, als „Hunnen“ darzustellen, die die eroberten Gebiete plünderten, verwüsteten und die dortige Bevölkerung beraubten, verstümmelten und hinrichteten

Seite 7 von 107 (Krumeich 2014:104). Die französische Propaganda verwendete zur Beschreibung der Deutschen häufig die Bezeichnung boche („stiernackiger Quadratschädel“), die bereits im Krieg 1870/71 gängig war. Im Gegensatz dazu war die deutsche Propaganda defensiver. Sie behandelte kaum die Grausamkeiten der Gegner sowie die Leiden der Menschen und enthielt seltener Schuldzuweisungen an die Feinde. Während britische Plakate oftmals brutale Darstellungen zeigten, in denen die deutschen Soldaten als gewalttätige Monster dargestellt wurden, waren jene der Deutschen im Vergleich dazu bieder (Hirschfeld/Krumeich 2013:101- 109). Diese Feindbilder blieben auf beiden Seiten auch nach Kriegsende erhalten und erschwerten besonders in der Nachkriegszeit die Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten.

Um eine Basis für die in dieser Arbeit folgende Analyse zu schaffen, wird in diesem Kapitel der Erste Weltkrieg aus der Sicht Deutschlands dargestellt sowie ein kurzer Blick auf dessen Auswirkungen auf Großbritannien, wo die beiden englischen Übersetzungen publiziert wurden, geworfen.

1.1 Kriegsverlauf

Die Konflikte zwischen den betroffenen Staaten entstanden nicht von heute auf morgen. Ihnen gingen vielmehr zahlreiche Missstände und Unstimmigkeiten voraus, die sich Schritt für Schritt intensivierten und letzten Endes den Ausbruch eines Krieges zur Folge hatten, der sich rasch von einem Krieg zwischen europäischen Nationen zum Weltkrieg entwickelte. Bereits im 19. Jahrhundert existierten aufgrund des Weltmachtstrebens der Nationen Spannungen zwischen den einzelnen europäischen Staaten (Hansen 2002:164). Das Deutsche Reich, das im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich noch keine Kolonien außerhalb Europas besaß, war bemüht zu expandieren. Im Jahr 1870 kam es zum Krieg zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich, aus dem die Deutschen siegreich hervorgingen und sich folglich Elsass-Lothringens bemächtigen konnten. Diese Niederlage bedeutete eine große Demütigung für Frankreich, wodurch es wiederholt zu Grenzzwischenfällen kam und die Beziehungen zwischen den beiden Nationen angespannt blieben. Seit Mitte der 1890er-Jahre führten die Expansionsbemühungen Deutschlands zusätzlich zum Ausbau der Handels- und Kriegsflotte. Dies resultierte unausweichlich in Konflikten mit Großbritannien, das die Vorherrschaft der Weltmeere für sich beanspruchte (Krumeich 2014:13-17).

Um die Jahrhundertwende boomte die Weltwirtschaft, und die europäischen Großstaaten konnten ein signifikantes Wachstum verzeichnen. Die Großmächte (Großbritannien,

Seite 8 von 107 Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn, das Deutsche Reich, das Osmanische Reich sowie auch Japan und die Vereinigten Staaten) wollten ihre politische Machtstellung ausweiten und territorial expandieren, wodurch ein Wettrüsten zwischen den einzelnen Staaten – zunächst auf See, ab 1905 auf dem Land – begann. Wiederholt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten, die jedoch meist friedlich gelöst wurden (Hirschfeld/Krumeich 2013:8-15). Während dieser Zeit entstanden wichtige Bündnisse: Das Deutsche Reich ging mit Österreich-Ungarn ein Militärbündnis – den Zweibund – ein, Großbritannien und Frankreich beschlossen die Entente Cordiale (Krumeich 2014:16ff.). Darüber hinaus bestand ein Verteidigungsbündnis zwischen Frankreich und Russland sowie Bündnisse zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten und Großbritannien und Japan. Diese sollten im folgenden Krieg eine wichtige Rolle spielen (Hirschfeld/Krumeich 2013:16-22).

Es kam vermehrt zu Krisen über die imperiale Aufteilung der Welt, in deren Folge sich das Deutsche Reich auf der einen Seite und Großbritannien und Frankreich auf der anderen kontinuierlich verfeindeten. Deutschland sah sich zu diesem Zeitpunkt immer stärker von Feinden umzingelt und war der Überzeugung, ein Krieg zur Verteidigung des Landes sei unumgänglich. Aufgrund der angespannten Lage innerhalb Europas stieg der Nationalismus in der deutschen Bevölkerung, und die positive Haltung zum Krieg nahm vor allem in den größeren Städten stetig zu. Zahlreiche Politiker sowie Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller vertraten die Meinung, dass es früher oder später zu einem Krieg in Europa kommen würde (Hirschfeld/Krumeich 2013:11-18). Das führte dazu, dass im Jahr 1914 bereits der Großteil der deutschen Bevölkerung – auch jene, die sich zuvor aufgrund der zu erwartenden Kosten gegen ihn aussprachen – einem Krieg positiv gegenüber stand (Niedhart 2002:188). Am 28. Juni 1914 wurden der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Gattin in Sarajevo ermordet (Krumeich 2014:27). Dieses Ereignis bildete den Anstoß zum Ersten Weltkrieg. Das Deutsche Reich überfiel entgegen der Bestimmungen des Völkerrechts das neutrale Belgien, woraufhin Großbritannien die gemeinsamen kolonialen Vereinbarungen als ungültig erklärte und die deutschen Kolonien angriff (Hirschfeld/Krumeich 2013:20).

Der Krieg weitete sich schnell aus. Aus aller Welt wurden Soldaten entsandt. Vor allem in den ersten Jahren des Krieges nahm – auch aufgrund der erfolgreichen Propaganda – eine große Anzahl Freiwilliger teil. Die Großmächte waren der Annahme, der Krieg würde ein schnelles Ende finden und könnte rasch gewonnen werden, wodurch sie den folgenden Kämpfen unvorbereitet gegenüberstanden (Hansen 2002:163f.). Die militärischen

Seite 9 von 107 Operationen hatten folglich nicht den erhofften Ausgang, und die Kämpfe an der Westfront entwickelten sich bald zu einem Stellungskrieg. Im Verlauf des Jahres 1916 verschlechterte sich die Lage für das Deutsche Reich stetig, die Lebensmittel- sowie Güterversorgung konnte nicht mehr gewährleistet werden, die Verlustzahlen stiegen immer weiter, und ein erfolgreiches Kriegsende war aus deutscher Sicht nicht mehr absehbar (Holzer 2017:24). An der Ostfront kam es schließlich am 15. Dezember 1917 zum Waffenstillstand zwischen Russland und den Mittelmächten, nachdem im selben Jahr in Russland eine Revolution stattfand, in deren weiterer Folge der Zar abdanken musste und sich die Bolschewiken, die später an die Macht kamen, für das Kriegsende aussprachen. Am 3. März 1918 wurde der Frieden von Brest-Litowsk unterzeichnet, und der Krieg in Osteuropa somit offiziell beendet (ibid.:10f.).

Die Lage an der Westfront spitzte sich hingegen weiter zu. Während aus der Sicht Deutschlands die Verdun-Offensive fehlschlug und die Somme-Offensive signifikante Verluste mit sich brachte, nahm die Kriegsbegeisterung innerhalb der Bevölkerung konstant ab (Hirschfeld/Krumeich 2013:162-169). Lebensmittelknappheit und Mangelwirtschaft führten dazu, dass der Verdruss und die politische Unzufriedenheit der Menschen wuchsen. Die Niederlage des Deutschen Reiches bildete sich immer deutlicher heraus. Erste Friedensinitiativen auf diplomatischer Ebene vonseiten der Mittelmächte schlugen jedoch fehl (Hansen 2002:168-171). Mit dem Eintritt der USA in den Krieg auf Seiten der Entente im April 1917 verschoben sich die Kräfte schließlich entscheidend, und die französischen, britischen und US-amerikanischen Truppen waren in der Lage, die deutsche Armee zum Rückzug und letzten Endes zur Kapitulation zu zwingen (Holzer 2017:11, 52). Am 11. November 1918 unterzeichnete das Deutsche Reich ein Waffenstillstandsabkommen (Hansen 2002:173), wodurch der Krieg an der Westfront beendet wurde.

1.2 Folgen des Krieges

Nach langen Verhandlungen, zu denen ausschließlich die Siegermächte zugelassen waren, unterzeichnete Deutschland am 28. Juni 1919 den Friedensvertrag von Versailles (Hirschfeld/Krumeich 2013:278, 289). Die Verbündeten Deutschlands folgten schrittweise (10. September 1919 Österreich; 27. November 1919 Bulgarien; 4. Juni 1920 Ungarn; 10. August 1920 Türkei etc.) (Krumeich 2014:137). Die im Vertrag angeführten Bedingungen waren besonders hart für Deutschland und prägten die Zeit nach dem Krieg. Demnach musste Deutschland sein Heer auf ein Berufsheer von 100.000 Mann reduzieren, der Stationierung

Seite 10 von 107 von Besatzungstruppen am Rhein zustimmen, wichtige Teile des Staatsgebietes abtreten sowie hohe Reparationszahlungen leisten. Darüber hinaus war der Staat aus dem Völkerbund ausgeschlossen und deutsche Kriegsverbrecher wurden verfolgt. Am schwerwiegendsten war jedoch die Bedingung, die Deutschland und dessen Verbündeten die alleinige Kriegsschuld zusprach (Holzer 2017:154).

Trotz Ende des Krieges war ein Frieden noch in weiter Ferne, und es wurden immer wieder militärische Handlungen in ganz Europa verübt (ibid.:7). Die politischen Systeme hatten sich teilweise fundamental verändert, und die europäischen Mächte waren infolge der hohen Ausgaben während des Krieges in wirtschaftlicher Hinsicht erschöpft, wodurch in den einzelnen Staaten Inflationen und Preisanstiegen auftraten. Darüber hinaus waren aufgrund der Kampfhandlungen vor allem in Frankreich große Teile des Bodens zerstört. Die Folgen des Krieges trugen dazu bei, dass radikale politische Bewegungen immer mehr an Macht gewannen (Hansen 2002:179-185). So verstanden es die Nationalsozialisten Ende der 1920er- Jahre mit dem Versprechen, die militärische und politische Niederlage zu bereinigen und Deutschlands Stellung in Europa wiederherzustellen, die mentale Erschütterung der Bevölkerung auszunutzen (Hirschfeld/Krumeich 2013:302). Indem sie die Kriegsschuld Deutschlands ablehnten, die Ehre der Soldaten hervorhoben sowie versicherten, die verlorenen Gebiete zurückzuholen, erhielten sie großen Zuspruch innerhalb der Bevölkerung – vor allem der jungen Generationen der Mitte und der Rechten (Krumeich 2014:146f.).

In Deutschland hielt die Euphorie über den Frieden in der Bevölkerung nicht lange an. Die Lebensmittelversorgung konnte auch mit Kriegsende nicht verbessert werden, und auf die jahrelange Unterernährung folgten Krankheiten und Seuchen (Holzer 2017:60). Aufgrund der hohen Reparationen war Deutschland finanziell stark eingeschränkt. Wirtschaftliche Blockaden sowie militärische Sanktionen der Siegermächte isolierten Deutschland international und schwächten das Land weiter (Niedhart 2002:200-207). Die politische Lage Deutschlands wurde vor allem in den großen Städten zunehmend unruhig und führte im Januar 1919 zu Auseinandersetzungen in – dem sogenannten „Januaraufstand“. Durch den Einsatz von Freikorps auf Seiten der Regierung, die zum Großteil aus ehemaligen Soldaten bestanden, waren diese bürgerkriegsähnlichen Straßenkämpfe von Gewalt geprägt (Hirschfeld/Krumeich 2013:275). Erst Mitte der Zwanzigerjahre stabilisierte sich die politische und wirtschaftliche Lage des Landes, und es begannen die sogenannten „Goldenen Zwanzigerjahre“ (Holzer 2017:22). In der Bevölkerung entstand neue Hoffnung. Die schweren Kriegsjahre wurden verdrängt.

Seite 11 von 107 Die negativen Folgen des Ersten Weltkrieges waren jedoch auch bei den Siegermächten evident. Da in der Analyse dieser Arbeit die beiden englischen Übersetzungen von IWnN betrachtet werden, wird hier kurz auf die Auswirkungen des Krieges auf Großbritannien eingegangen. Auch wenn Großbritannien siegreich aus dem Konflikt hervorging, hatten die Ereignisse der vorangegangenen vier Jahre schwerwiegende Auswirkungen auf das Land. Insgesamt hatten etwa 9,5 Millionen britische Soldaten an den Auseinandersetzungen teilgenommen (Krumeich 2014:33) – eine große Zahl davon waren Freiwillige, erst mit voranschreitendem Kriegsverlauf wurde in Großbritannien die Wehrpflicht wieder eingeführt. Die britische Armee erlitt vor allem in der Somme-Schlacht – ca. 20.000 Tote am ersten Tag – sowie der 3. Flandern-Schlacht große Verluste (Hirschfeld/Krumeich 2013:164). Überdies nahm der Krieg beträchtlichen Einfluss auf die Wirtschaft Großbritanniens und führte, wie auch in Deutschland, zu einer kriegsbedingten Inflation. Auch heute noch ist das kulturelle Leben Großbritanniens von den Ereignissen des Ersten Weltkrieges geprägt. Alljährlich wird am 1. Juli der Schlacht an der Somme im Jahr 1916 gedacht, die als blutigste Schlacht in die britische Geschichte einging und bis zum heutigen Tag in England und Großbritannien als „größte Katastrophe, die sich jemals an einem einzigen Tag ereignet hat“ (Krumeich 2014:47) gilt.

1.3 Soldaten im Ersten Weltkrieg

Auch für die Soldaten – besonders aufgrund des Stellungskrieges an der Westfront – unterschied sich der Erste Weltkrieg von allen vorangegangenen Kriegen. Durch den Krieg in den Schützengräben veränderte sich die Kampfweise und damit einhergehend der Alltag der Soldaten an der Front. Während Infanteristen zuvor aktiver am Krieg teilnahmen und der Feind von Angesicht zu Angesicht bekämpft wurde, waren die Soldaten im Stellungskrieg der Artillerie mehr oder weniger passiv ausgeliefert und hatten seltener physischen Kontakt zum Gegner (Hirschfeld/Krumeich 2013:90). Durch die Entwicklung neuer Waffen wurde das Töten und Sterben anonymer, was sich auch in den Verlustzahlen widerspiegelte: In Deutschland fielen im Ersten Weltkrieg zirka 1,81 Millionen Soldaten, 4,25 Millionen wurden verwundet (Krumeich 2014:141). Das von der Propaganda verbreitete Bild des Soldaten als Helden, der sich für sein Vaterland aufopfert, wurde mit fortschreitender Kriegsdauer kaum mehr als solches wahrgenommen. Die neue Art der Kriegsführung brachte schwerwiegende physische und psychische Folgen mit sich. Viele Soldaten litten auch nach ihrer Heimkehr an

Seite 12 von 107 Unruhezuständen, nervlichen Zusammenbrüchen oder dem sogenannten „Kriegszittern“ (ibid.:84f.).

Der Krieg hatte die Soldaten verändert, aber auch das Leben, in das sie zurückkehrten, war nicht mehr dasselbe. Häufig wurde ihnen von Seiten der Bevölkerung Misstrauen entgegengebracht. Mit dem Kriegsende begann die Demobilisierung und mit ihr das Problem der – sowohl sozialen als auch ökonomischen – Wiedereingliederung der Soldaten (Hansen 2002:173ff.). Die Bevölkerung fürchtete, dass die Soldaten gewalttätig aus dem Krieg heimkehren und nach weiteren Revolutionen verlangen würden (Hirschfeld/Krumeich 2013:271). Der Großteil der Heimkehrer war jedoch froh über das Ende der Kämpfe. Nur wenige schlossen sich aus Frustration, dem Wunsch weiterzukämpfen oder da sie Schwierigkeiten hatten, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden, den Freikorps an, nahmen an Straßenkämpfen teil und verübten politische Morde (ibid.:298ff.).

Die Umstellung von einer Kriegs- zu einer Friedensgesellschaft erwies sich als schwierig. Es fehlten Arbeitsplätze – vor allem für die heimkehrenden Soldaten. Am härtesten von der Situation im Land betroffen waren jene Soldaten, die eine physische Beeinträchtigung vom Krieg davontrugen. Viele medizinische Versorgungseinrichtungen, wie orthopädische Lazarette, und andere Fürsorgestellen, wurden mit Kriegsende geschlossen, wodurch viele Kriegsinvalide, die während des Krieges noch als Helden angesehen wurden, dazu gezwungen waren, als Bettler, Hausierer oder Straßenhändler auf der Straße zu leben (Holzer 2017:142). Sie hatten im Gegensatz zu beispielsweise den französischen Kriegsversehrten, die in Frankreich hochgeachtet wurden und Unterstützung vom Staat erhielten, ein niedriges Ansehen innerhalb der deutschen Gesellschaft (Krumeich 2014:85). Die Kriegsveteranen blieben für die Bevölkerung eine stetige Erinnerung an die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg.

In der Literatur wurden das Bild der Soldaten, ihr Leben an der Front sowie ihre Rückkehr in die Heimat intensiv behandelt. Die Darstellung der Soldaten variiert dabei stark, worauf im Laufe der vorliegenden Arbeit im Hinblick auf den Roman IWnN im Vergleich mit der damaligen Kriegsliteratur genauer eingegangen wird.

Seite 13 von 107 2 „Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks, Maschinengewehre, Handgranaten – Worte, Worte aber sie umfassen das Grauen der Welt.“ – Vom Krieg erzählen

Die beiden Weltkriege stellen fortlaufend aktuelle Themen in der europäischen Literatur dar. Das wird auch bei Betrachtung der großen Anzahl an jährlichen Neuerscheinungen deutlich. Die Forschung in diesem Bereich beschäftigt sich seit der Jahrhundertwende nicht mehr ausschließlich mit den militärischen Zusammenhängen, sondern versteht den Krieg als „einen umfassenden gesellschaftlichen Vorgang“ (Buschmann/Carl 2001:12).

Der Krieg wird in zahlreichen unterschiedlichen Medien abgebildet. Dazu zählen zum einen private Korrespondenzen von Soldaten, die sogenannte Feldpost, sowie Erfahrungsberichte und Tagebücher ehemaliger Soldaten und auch Kriegsberichte, die die Geschehnisse an der Front beschreiben. Darüber hinaus existiert umfangreiches Bildmaterial, das den Krieg und das Leben an der Front zeigt. Zum anderen finden sich zahlreiche Beispiele zum Thema Krieg in Epik, Lyrik und Prosa. Ein weiterer Bereich, in dem die Thematik Eingang fand, ist die Forschung. Bis zum heutigen Tage wurde eine Vielzahl an wissenschaftlichen Abhandlungen in diesem Bereich veröffentlicht. Überdies kann auch die Propaganda als Form der Literatur über den Krieg in dieser Aufzählung angeführt werden. Sie stellt seit dem Ersten Weltkrieg den „absoluten Gegenpol zur Wahrheit“ dar, trug maßgeblich zur Erschaffung stereotypisierter Feindbilder bei und „schuf weltweit ein Schlachtfeld der Bilder und Worte“ (Hüppauf 2009:181).

2.1 Das Genre Kriegsliteratur

„Seine Bedeutungen gewann der Krieg nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern vor allem in Literatur, Kunst, Film, philosophischen Reflexionen und öffentlichen Riten“ (Hüppauf 2009:171). Diese Bemerkung von Bernd Hüppauf macht deutlich, dass der Krieg Einfluss auf unterschiedlichste Bereiche wie Literatur, Kunst und Medien nahm, er vice versa aber auch von diesen beeinflusst wurde. Die Kriegsliteratur – und dies gilt nicht ausschließlich für die deutsche Kriegsliteratur, sondern für alle nationalen Literaturen Europas – stellt keine Dokumentation geschichtlicher Ereignisse dar. Sie dient vielmehr vorrangig der Erinnerung an den erlebten Krieg (ibid.:178). Aufgrund der mechanisierten Kriegsführung, der Giftgasangriffe etc. waren die Erfahrungen, die die Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg machten, sehr traumatisch. Dies führte dazu, dass viele Soldaten Schwierigkeiten hatten, das Erlebte in Worte zu fassen beziehungsweise niederzuschreiben (Rogge 2016:10ff.). Zu

Seite 14 von 107 Beginn des Krieges stand das Bedürfnis, den Krieg authentisch zu dokumentieren, im Vordergrund. Viele Soldaten verfassten Tagebücher, um die eigenen Erfahrungen an der Front festzuhalten. Diese Einstellung änderte sich jedoch mit Kriegsverlauf. Viele AutorInnen schrieben auch, um ihre eigenen Erlebnisse aufarbeiten zu können und den Krieg sozusagen „aus dem Gedächtnis auszutreiben“ (Hüppauf 2009:178).

In der fiktionalen Kriegsliteratur sind somit zwei Richtungen zu erkennen: Einerseits wird der Wunsch an den Krieg zu erinnern deutlich, andererseits wird aber auch das Bedürfnis zu vergessen ersichtlich. Zur Zeit des Ersten Weltkrieges hatte die Glaubwürdigkeit der Erzählungen von Kriegserfahrungen Priorität, das heißt die AutorInnen sollten ausschließlich über Ereignisse schreiben, die sie selbst erlebt hatten. Daher versuchten Gegner Remarques auch nachzuweisen, dass dieser die in IWnN beschriebenen Erfahrungen nicht selbst gemacht hatte – worauf im Folgenden noch eingegangen wird. Um diesem Authentizitätsanspruch gerecht zu werden, sollte die Sprache der Kriegsliteratur einfach, schlicht und kunstlos sein und nur das Wesentliche darstellen. Romane und Erzählungen über den Krieg sollten kohärent und plausibel verfasst sein. Die Erlebnisse der Soldaten sollten überprüfbar sein und enthielten daher häufig genaue Angaben zu Orten, militärischen Einheiten sowie Namen von Offizieren, und es wurde großen Wert auf Zahlen und Fakten gelegt (Schneider 1994:42-45).

2.2 Literatur in Deutschland vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg

In der fiktionalen Literatur Deutschlands ist der Wandel in der Einstellung der Soldaten sowie der Bevölkerung zum Krieg klar ersichtlich. Bereits seit der Jahrhundertwende beschäftigen sich zahlreiche literarische Werke mit einem möglichen bevorstehenden Krieg. Der Großteil der Bevölkerung war mit der damaligen Lebenssituation unzufrieden, worüber auch viele AutorInnen berichteten. Einerseits bestand Furcht vor dem drohenden Krieg, andererseits gab der Gedanke an einen möglichen Krieg auch Hoffnung auf Verbesserung der Lebensbedingungen (Hüppauf 2009:182). Zum Zeitpunkt der Kriegserklärung Deutschlands im August 1914 entstand eine Art Kriegshysterie innerhalb der deutschen Bevölkerung. Aber auch in den anderen beteiligten Staaten blickten Teile der jeweiligen Bevölkerung dem Krieg positiv entgegen. Der Krieg wurde als „Segen“, „Heil des deutschen Volkes“ oder sogar als „überwältigende Gnade“ betrachtet (Rürup 1984:1). Der Wunsch für das Vaterland zu kämpfen und sich für dieses aufzuopfern war groß. Dies verdeutlicht die Zahl der Kriegsfreiwilligen – bis zum 1. August wurden bereits 1,3 Millionen Freiwillige vermerkt – die als Soldaten an die Front zogen. Die Kriegshysterie zeigt sich wiederum an der Publikation zahlreicher patriotischer und nationalistischer Gedichte sowie Soldatenbriefe

Seite 15 von 107 innerhalb dieses Zeitraums und wurde auch durch große Verluste innerhalb der ersten Kriegswochen nicht abgeschwächt (ibid.:1ff.). Bereits Ende des Jahres 1914 wurde die Enttäuschung über den Stellungskrieg im Westen in der Literatur erkennbar. Die ab 1915 verfassten Tagebücher, Briefe und anderen literarischen Werke zeigen einen Wandel in der Wahrnehmung hinsichtlich des Krieges. Nach zahlreichen Massenschlachten und aufgrund steigender Opferzahlen änderte sich die Einstellung der Bevölkerung. Nun traten die Resignation der Menschen sowie deren Bedürfnis nach Distanz zum Krieg in den Vordergrund. Die Literatur, die im späteren Verlauf des Konflikts entstand, zeigt signifikante Unterschiede im Vergleich zu jener der ersten Kriegswochen. Sie ist nicht mehr mit der zuvor dargestellten Emotionalisierung und Verherrlichung des Krieges vergleichbar (Hüppauf 2009:183ff.).

Die literarische Produktion endete jedoch nicht mit dem Ende des Krieges. Die heimkehrenden Soldaten brachten den Krieg vielmehr von der Front in den Alltag. Er setzte sich sozusagen im zivilen Leben fort (ibid.:185). Um die im Krieg erlittenen traumatischen Erfahrungen verarbeiten zu können, begannen viele, das Erlebte niederzuschreiben. Rüter teilt die Kriegsliteratur der Nachkriegszeit in zwei Strömungen: Zum einen war sie rechtsorientiert, wobei der Frontgeist und das Heldentum der Soldaten in den Vordergrund gestellt und glorifiziert und die Niederlage verdrängt wurde. Zum anderen gab es linksliberale Literatur, die gegen den Krieg gerichtet war, die Verbrechen des Krieges denunzierte und sich gegen eine Verherrlichung des Krieges aussprach (Rüter 1980:21f.). 10 Jahre nach Ende des Krieges kam es zu einer weiteren Flut an Veröffentlichungen von (Anti-)Kriegsliteratur. Die in diesem Zeitraum publizierten Werke befassten sich in erster Linie mit den letzten zwei Kriegsjahren beziehungsweise dem Stellungskrieg an der Westfront, wohingegen dem Krieg an der Ostfront weniger Beachtung zuteilwurde (Hüppauf 2009:188). Sie dienten nicht ausschließlich dazu, die geschichtlichen Ereignisse zu dokumentieren, sondern zeigten darüber hinaus die damaligen politischen Meinungen, Bedürfnisse und Wünsche der Gesellschaft (Rüter 1980:23). Zumeist beschrieben die Werke dieses Zeitraums die Sinnlosigkeit des Krieges und gingen nicht mehr auf das Heldentum der Soldaten ein. Daneben gab es auch kriegsbejahende Literatur, die den Fokus auf die Grausamkeiten und Schrecken des Krieges legte und dabei vor allem die Authentizität der Beschreibungen in den Vordergrund stellte (Schneider 1994:44). Eines der wichtigsten Werke, das in diesem Zeitraum entstand, und das bereits kurz nach seiner Publikation erfolgreich wurde und heutzutage als Klassiker der Kriegsliteratur gilt, ist IWnN von Erich Maria Remarque (1929).

Seite 16 von 107 In Anbetracht der späteren Analyse, die die beiden englischen Übersetzungen des Romans IWnN in den Blick nimmt, werden hier einige Gemeinsamkeiten und Gegensätze der deutschen und der britischen Kriegsliteratur hervorgehoben. Beim Vergleich der beiden Kriegsliteraturen können einige Unterschiede festgestellt werden. In England wurde der Krieg mit einem Gefühl von Verlust verbunden. Die „gute“ Vergangenheit, die mit dem Krieg ihr Ende fand, wird in der Literatur mit dem Verlust der Kindheit, des Glücks sowie der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Zusammenhang gestellt. Somit bildeten sich in der englischen Kriegsliteratur aufgrund des Ersten Weltkrieges, der eine „Unterbrechung der individuellen Lebensläufe“ (Hüppauf 2009:186) darstellte, zwei Abschnitte heraus: eine Zivilisation vor dem Krieg und eine danach. Während Großbritannien von einer überwiegend schwermütigen, melancholischen Stimmung dominiert wurde und die Literatur häufig die Trauer und Verzweiflung über den Verlust der Vorkriegszivilisation wiedergab, blickte die deutsche Kriegsliteratur oftmals kämpferisch in die Zukunft und schöpfte Hoffnung aus der Niederlage (ibid.:186f.).

Einige Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch in allen europäischen Kriegsliteraturen finden. Zunächst handelt es sich meist um Literatur aktiver Kriegsteilnehmer, die den Krieg größtenteils aus der Perspektive einfacher Soldaten darstellen. Überdies haben die einzelnen Literaturen eine Reihe von Themen gemein: Zum einen existiert das konventionelle Feindbild, das die Soldaten auf der anderen Seite der Front diffamiert, nicht mehr, und die Ähnlichkeiten mit den Gegnern, die nun auch als einfache Soldaten, die für ihr Vaterland kämpfen, wahrgenommen werden, werden priorisiert – dieser Aspekt wird auch in IWnN deutlich. Zum anderen stellt Hüppauf eine gewisse Abneigung gegenüber der Kriegspropaganda des eigenen Landes sowie gegenüber all jener, die an der Fortsetzung des Krieges Teil hatten, fest (Hüppauf 2009:187).

Die unterschiedliche Darstellung des Krieges in der deutschen beziehungsweise in der englischsprachigen Kriegsliteratur wird in der späteren Analyse noch einmal aufgegriffen werden. In diesem Zusammenhang wird betrachtet werden, ob diese Unterschiede auch in die Übersetzungen einfließen beziehungsweise inwiefern diese – aufgrund des großen zeitlichen Abstandes – in der zweiten englischen Übersetzung außen vor gelassen werden. Bevor nun jedoch genauer auf das Werk an sich eingegangen wird, folgt zunächst ein Blick auf den Autor von IWnN, Erich Maria Remarque, dessen Biographie einige interessante Details auch im Hinblick auf das Werk beinhält.

Seite 17 von 107 3 „Ich bin jung, ich bin zwanzig Jahre alt; aber ich kenne vom Leben nichts anderes als die Verzweiflung, den Tod, die Angst und die Verkettung sinnlosester Oberflächlichkeit mit einem Abgrund des Leidens.“ – Der Mythos Remarque

Erich Maria Remarque zählt zu den wichtigsten deutschen AutorInnen nicht nur im Bereich der Kriegsliteratur, sondern der gesamten deutschsprachigen Literatur. Sein Roman Im Westen nichts Neues zog bereits vor Veröffentlichung der Buchausgabe – er wurde im Zeitraum von November bis Dezember 1928 als Fortsetzungsroman in der Vossischen Zeitung publiziert – in ganz Deutschland große Aufmerksamkeit auf sich. Mit dem großen Erfolg des Romans und dem steigenden Bekanntheitsgrad des Autors entstanden zahlreiche Biographien über Erich Maria Remarque, welche zum Teil widersprüchliche Angaben zu seinem Leben machten. Dazu trug vor allem die Pressearbeit des Ullstein Verlags bei, der Remarques Biographie beeinflusste, um die Verkaufszahlen des Romans zu steigern. Der Verlag veranlasste die Änderung von Remarques Aufenthaltsdauer an der Front im Ersten Weltkrieg sowie seines Alters, um dieses an das Alter des Protagonisten Paul Bäumer anzupassen, und verschwieg darüber hinaus dessen frühere literarische Arbeit. Remarque selbst hielt an diesen Veränderungen fest und berichtigte diese auch nicht in späteren Interviews, sondern sorgte zusätzlich für Verwirrung, indem er vage Angaben zu der vom Verlag verfälschten Biographie machte (Rüter 1980:24). Davon abgesehen gab er wenig von seinem Privatleben preis. Dies trug folglich dazu bei, dass sich rund um die Person Remarque und dessen Leben zahlreiche Mythen bildeten (Owen 1984:26). Eine genauere Betrachtung dieser erfundenen Biographie folgt in Kapitel 4. Dieses Kapitel dient als ausführliche Darstellung des Lebens und literarischen Schaffens Erich Maria Remarques und versucht falsche Angaben hinsichtlich der Biographie des Autors richtigzustellen.

3.1 Erich Maria Remarque vor der Veröffentlichung von Im Westen nichts Neues

Geboren am 22. Juni 1898 in Osnabrück wuchs Erich Paul Remark – seinen Namen änderte er später selbst zu Erich Maria Remarque – als Sohn des Buchbinders Peter Franz Remark und von Anna Maria (geb. Stallknecht) in bescheidenen Verhältnissen auf (Owen 1984:8). Sein Vater galt als zurückhaltender, wortkarger Mann, wohingegen seine Mutter, die bereits 1917 – zu jener Zeit war Remarque gerade an der Front stationiert – im Alter von 42 Jahren an Krebs verstarb, als lebhaft, freundlich und musikalisch beschrieben wird (Hilsenrath 2001:5). Gemeinsam mit seinen drei Geschwistern wurde Erich Maria Remarque streng katholisch erzogen (Owen 1984:9). Sein zwei Jahre älterer Bruder Theodor Arthur Remark verstarb

Seite 18 von 107 bereits im Alter von fünf Jahren (Schneider 2001:79). Zu seinen beiden jüngeren Schwestern (Elfriede und Erna) sowie zu seinem Vater hatte er, nachdem er Deutschland 1931 aufgrund der politischen Lage verlassen hatte, kaum mehr Kontakt. Seine katholische Erziehung spiegelte sich auch in seinem Werdegang wider. Als junger Knabe sang Remarque im Kirchenchor, von 1904-1908 besuchte er die Domschule und danach von 1908-1912 die Johannisschule, beide in Osnabrück. Aufgrund von Geldproblemen war seine Familie dazu gezwungen, mehrmals umzuziehen. Viele seiner Kindheitserinnerungen finden sich – zum Beispiel in Form von Straßennamen – in seinen literarischen Werken wieder. Remarque war musikalisch begabt, sang und spielte Klavier und besaß darüber hinaus Talent zum Schreiben (Owen 1984:9f.).

Aufgrund seines Wunsches Lehrer zu werden und der Tatsache, dass dies einen der wenigen Berufswege darstellte, die eine in einfachen Verhältnissen lebende Person in dieser Zeit einschlagen konnte, absolvierte er zwischen 1912 und 1915 die Katholische Präparandie, eine dreiklassige Vorstufe zum katholischen Lehrerbildungsseminar für Volksschullehrer in Osnabrück. Danach begann er die Ausbildung zum Volksschullehrer, indem er das Katholische Königliche Schullehrer-Seminar in Osnabrück besuchte (Schneider 2001:79). In diesem Lebensabschnitt träumte Remarque davon, Komponist oder Pianist zu werden (Rüter 1980:25) und gab privat Klavierunterricht, um sich seine Ausbildung finanzieren zu können. Zu seinen damaligen Interessen zählten überdies die Malerei, die Musik und die Literatur sowie das Sammeln von Schmetterlingen, Briefmarken und Steinen. Darüber hinaus legte er großen Wert auf seine Kleidung. Er schloss in diesem Zeitraum eine Reihe von neuen Bekanntschaften, welche zum Teil in seinen späteren literarischen Werken Erwähnung finden. So war er zum Beispiel zwischen 1915 und 1916 Teil einer Gruppe von jungen, kunstinteressierten Männern rund um Fritz Hörstemeier, die sich regelmäßig in dessen Atelier, welches sie als „Die Traumbude“ bezeichneten, trafen (Owen 1984:26). Sein erstes veröffentlichtes Buch unter eben diesem Titel (Die Traumbude, 1920) beschreibt seine Erlebnisse in diesem Künstlerkreis (Howind 1988:55). Das im Verlag Die Schönheit veröffentlichte Erstlingswerk Remarques bekam wenig Aufmerksamkeit und wurde nach der Publikation von IWnN von vielen Kritikern herangezogen, um Remarque als Faschisten zu brandmarken (Owen 1984:26ff.). Remarque gab in späteren Interviews an, dass er den Inhalt seines ersten Romans an das expressionistische, neuromantische Image des Verlags (Rüter 1980:28), dessen Ansichten er nicht teilte, anpassen musste, und lehnte den Roman selbst ab. Der Ullstein Verlag kaufte kurze Zeit nach der Veröffentlichung von IWnN den gesamten

Seite 19 von 107 Bestand von Die Traumbude auf und ließ ihn vernichten, wodurch heute nur noch wenige Exemplare erhalten sind (Owen 1984:28, 33f.).

Im November 1916 wurde Remarque mit 18 ½ Jahren in die deutsche Armee einberufen (ibid.:28). Nach halbjähriger Ausbildung in der Caprivi-Kaserne in Osnabrück kam er im Juni 1917 an die Westfront in Flandern, wo er jedoch bereits am 31. Juli durch einen Granatsplitter am linken Bein, rechten Arm sowie am Hals verwundet und daraufhin ins Feldlazarett in Duisburg gebracht wurde. Während seines Lazarettaufenthaltes übernahm Remarque einen Posten in der Schreibstube, der ihm die Möglichkeit eröffnete, zahlreiche Geschichten seiner Kameraden über das Leben und das Kämpfen an der Front zu hören (Schneider 2001:79). Diese Erzählungen, gepaart mit seiner eigenen – wenn auch kurzen – Fronterfahrung, in deren Verlauf er den Tod seines Freundes miterlebte, bildeten die Grundlage für seinen Roman IWnN. Nach seiner Entlassung aus dem Lazarett im Oktober 1918 kehrte Remarque in das 1. Ersatz-Bataillon im Infanterie-Regiment 78 in Osnabrück zurück. Bereits in diesem Zeitraum publizierte er eine Reihe von Gedichten, die seine Kriegserfahrungen widerspiegeln. Bevor Remarque wieder an die Front beordert werden konnte, wurde der Erste Weltkrieg beendet (Owen 1984:12f., 28).

Trotz seiner musikalischen Begabung war Remarque nach Ende des Krieges aufgrund seiner Verwundung nicht in der Lage, Komponist zu werden und das Klavierspielen professionell auszuüben. Er gab jedoch weiterhin Privatunterricht und spielte in der Kirche die Orgel. Überdies setzte er seine Lehrerausbildung fort und absolvierte im Juni 1919 die Lehramtsprüfung. Aufgrund seines mäßigen Notendurchschnitts erhielt er zunächst eine Stelle als Aushilfslehrer in Lohne bei Lingen (ibid.:28ff.). Danach arbeitete er als Vertretungslehrer in Klein Bersen/ Hümmling und danach in Nahne bei Osnabrück. 1920 beschloss, er den Lehrerberuf zu kündigen und sich vermehrt dem Schreiben zu widmen. Er schrieb für zahlreiche Zeitschriften – so zum Beispiel als Theaterkritiker für das Osnabrücker Tagesblatt und die Osnabrücker Tageszeitung oder für die Zeitschrift Echo Continental der Continental- Gummiwerke in Hannover, für die er 1922 Werbetexter und Redakteur wurde. Daneben nahm er verschiedene Gelegenheitsarbeiten wahr und arbeitete zum Beispiel als Kaufmännischer Angestellter, Buchhalter oder Grabsteinverkäufer (Schneider 2001:80). In diesem Zeitraum nahm er auch seinen Mittelnamen – „Maria“ anstelle von „Paul“ – an und verwendete ab 1923 für seine Veröffentlichungen stets „Remarque“ – anscheinend jedoch ohne von seinen französischen Vorfahren, die aus religiösen Gründen aus Frankreich geflohen waren, Kenntnis zu haben (Owen 1984:34, 41). Im Jahr 1920 erschien sein erster Roman Die

Seite 20 von 107 Traumbude in der Zeitschrift Die Schönheit (Rüter 1980:25), für dessen Druckkosten er sich gezwungen sah, sein Klavier zu verpfänden (Owen 1984:33).

Remarques Charakter wird als extravagant beschrieben. Er trug auffallende Kleidung wie Monokel, Melone und Spazierstock oder auch Offiziersuniformen mit zum Teil falschen Orden (Rüter 1980:25f.). Er hatte eine Leidenschaft für, vor allem teure, Autos und reiste viel – nach Italien, in die Schweiz, Türkei oder den Balkan (Owen 1984:41). Er strebte nach einem exquisiten Lebensstil und pflegte Kontakte zu den avantgardistischen Dadaisten- Kreisen Hannovers (Rüter 1980:25). 1926 kaufte sich Remarque den Adelstitel „Freiherr von Buchenwald“, im Jahr 1927 trat er aus der katholischen Kirche aus (Schneider 2001:44).

1925 wurde Erich Maria Remarque Redakteur der Zeitschrift Sport im Bild. Das Blatt für die gute Gesellschaft in Berlin (Schneider 2001:80), für die er Geschichten und Skizzen über Autos, Mode, Rennfahrer etc. verfasste. Remarque legte keinen Wert auf die Ideologie der Zeitschrift, er arbeitete für diese lediglich, da er Geld benötigte, und betonte stets, dass er sich in seinen Werken nicht mit politischen Themen befasste und diese somit keinen politischen Unterton besäßen (Owen 1984:42). Im selben Jahr, am 14. Oktober, heiratete Remarque Ilse Jutta Zambona, von der er sich im Jahr 1930 scheiden ließ, die Ehe aber 8 Jahre später in der Schweiz erneuerte und erst 1951 endgültig löste (Rüter 1980:26). Er begann in diesem Zeitraum seinen Roman Station am Horizont, der als Serie in Sport im Bild veröffentlicht wurde. Seine Vergangenheit sowie das im Krieg Erlebte lagen schwer auf Remarque. Er sah keine Hoffnung für die Zukunft, und das spiegelte sich sowohl in seinem exzessiven Lebensstil als auch in seinen Werken ab IWnN, wie zum Beispiel bei seinen Beschreibungen der „verlorenen Generation“ (junge Soldaten, die aus der Schule in den Krieg zogen und nach Kriegsende Schwierigkeiten hatten, sich wieder in die Gesellschaft einzufügen), wider (Owen 1984:45).

3.2 Erich Maria Remarque und Im Westen nichts Neues

Mit IWnN kann eine Art Bruch im literarischen Schaffen Remarques festgestellt werden. Während seine früheren Romane, wie zum Beispiel Station am Horizont, die elegante Welt mit den Genüssen des Lebens beschreiben, steht nun das Thema Krieg im Fokus. Remarque beschreibt zum ersten Mal die Realität aus der Sicht einfacher Soldaten und verwendet dabei zum Teil auch Umgangssprache. Diesen Stil sowie die Thematik behielt er bei seinen darauffolgenden Werken bei (Rüter 1980:35).

Seite 21 von 107 Erich Maria Remarque reichte das Manuskript für IWnN zunächst beim S. Fischer Verlag ein, welcher das Werk jedoch ablehnte. Der Ullstein Verlag bestätigte schließlich die Publikation des Romans und veröffentlichte ihn in weiterer Folge im Zeitraum vom 10. November bis zum 9. Dezember 1928 zunächst in der Vossischen Zeitung, die Teil des Verlags war. Aufgrund des hohen Interesses bei den LeserInnen der Zeitung folgte im Januar 1929 die Publikation der Buchausgabe des Romans im Propyläen Verlag (Owen 1984:68f.). Ullstein sicherte sich mit einer Vertragsklausel ab, die besagte, dass Remarque im Falle des Scheiterns des Romans die Verluste abarbeiten müsse. Das Buch wurde jedoch unmittelbar zu einem Erfolg: Der Verlag verzeichnete bereits in den ersten 5 Monaten 200 000 verkaufte Exemplare. 1930 hielten die Verkaufszahlen bereits bei über einer Million. Auch im Ausland – IWnN wurde bereits 1929 in zahlreiche Sprachen übersetzt – fand der Roman großen Anklang; so schaffte es dieser zum Beispiel auf die Bestsellerliste der New York Times (Hilsenrath 2001:5).1

Remarque war mit dem plötzlichen, unerwarteten Erfolg seines Werkes und seiner nach eigenen Angaben unverdienten Berühmtheit überfordert und zog sich daher aus der Öffentlichkeit zurück. Er widmete seine Zeit seinem nächsten Roman (Der Weg zurück), zu dem er sich durch einen Vertrag mit dem Ullstein Verlag innerhalb von zwei Jahren nach der Veröffentlichung von IWnN verpflichtet hatte (Owen 1984:164). Mit seinem neu erworbenen Vermögen kaufte sich Remarque eine luxuriöse Villa in Porto Ronco bei Ascona, in der er auch bis ins Jahr 1939 lebte (Rüter 1980:26). Überdies begann er, zahlreiche Kunstgegenstände und Gemälde zu erwerben und widmete sich vermehrt seiner Leidenschaft, dem Reisen. Der Erfolg von IWnN brachte Remarque viele Gegner, vor allem der politischen Rechten. So wurde zum Beispiel die Uraufführung der US-amerikanischen Verfilmung von IWnN am 4. Dezember 1930 in Berlin von nationalsozialistischen Störtrupps unter der Führung Goebbels unterbrochen, wodurch der Film kurz darauf in ganz Deutschland verboten wurde (Schneider 2001:81f.). Remarque verstand, dass, auch wenn er versuchen würde, politisch nicht Stellung zu nehmen, sein Aufenthalt in Deutschland begrenzt war (Owen 1984:164). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es im Mai 1933 zu einer öffentlichen Bücherverbrennung in Berlin, der auch Werke Remarques zum Opfer fielen (Schneider 2001:83). Darüber hinaus veranlassten diese die Verbannung seiner Bücher aus

1 Der genaue Ablauf der Publikation des Werkes sowie die Reaktionen auf den Roman in Deutschland und im Ausland werden im 4. Kapitel genauer dargelegt.

Seite 22 von 107 allen deutschen Bibliotheken (Rüter 1980:26f.). Remarque war zu diesem Zeitpunkt bereits in die Schweiz ausgewandert.

3.3 Erich Maria Remarque nach Im Westen nichts Neues

Ab dem 7. Dezember 1930 erschien sein Roman Der Weg zurück in der Vossischen Zeitung – die Buchausgabe folgte am 30. April 1931 im Propyläen Verlag (Schneider 2001:82). Der Weg zurück bildet thematisch die Fortsetzung von IWnN und beschäftigt sich mit den letzten Tagen des Krieges sowie der Heimkehr der Kriegsveteranen und dem Schicksal der „verlorenen Generation“. Er schuf mit diesem Werk Parallelen zu seinem eigenen Leben, indem er zum Beispiel die Protagonisten in eine Stadt zurückkehren ließ, die Ähnlichkeiten mit Osnabrück aufweist (Westphalen 1988:16f.).

3.3.1 Zeit in der Schweiz

Nach der Publikation seines zweiten Kriegsromans emigrierte Remarque schließlich im Jahr 1931 in die Schweiz, wo die Villa in Porto Ronco, in der er zunächst gemeinsam mit Ilse Jutta Zambona lebte, zu seinem ständigen Wohnsitz wurde. Um ein dauerhaftes Visum zu erhalten und so die Sicherheit Zambonas zu gewährleisten, heirateten die beiden erneut im Jahre 1932. Remarque musste in der Schweiz keine Steuern zahlen und verdiente durch den Erfolg von IWnN sowie Der Weg zurück – das ebenfalls ein Bestseller wurde, auch wenn es nicht mit dem Erfolg von IWnN verglichen werden kann – gut und genoss daher ein Leben in Luxus (Owen 1984:165ff., 209). Er ging auf zahlreiche Reisen, speiste in den besten Restaurants, war gut gekleidet und machte in diesem Lebensabschnitt viele neue Bekanntschaften, wie zum Beispiel mit Marlene Dietrich und Greta Garbo. Überdies investierte er viel Geld in Kunstgegenstände, wie französische impressionistische Malerei, chinesische Bronze sowie persische und chinesische Teppiche (ibid.:210f.). 1937 erschien die erste deutsche Ausgabe seines dritten Kriegsromans Drei Kameraden, der bereits zuvor unter dem Titel Three Comrades in den USA publiziert worden war (ibid.:221). Auch dieser umfasst, wie die beiden ihm vorangehenden Romane, autobiographische Inhalte. In Deutschland selbst erschien Drei Kameraden aufgrund des Verbots durch die Nationalsozialisten nicht vor 1951 (ibid.:212ff.).

Am 4. Juli 1938 verlor Remarque schließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Dieses Ereignis stellte für ihn ein persönliches Trauma dar, weswegen Remarque auch nach der Niederlage der Nationalsozialisten nicht nach Deutschland zurückkehrte. Lediglich für das Begräbnis seines Vaters Peter Franz Remark im Jahr 1954 in Osnabrück sowie für die Premiere seines

Seite 23 von 107 Bühnenstückes Die letzte Station 1956 in Berlin besuchte er seine Heimat (ibid.:211). Nach seiner Ausbürgerung beschloss Remarque in die USA zu gehen, wo er überwiegend in Hollywood lebte.

3.3.2 Exil in den USA

Am 23. März 1939 erreichte Erich Maria Remarque gefolgt von Ilse Jutta Zambona New York. Die beiden lebten jedoch – wie bereits nach ihrer zweiten Heirat 1932 in der Schweiz – auch in den USA getrennt voneinander (Schneider 2001:83f.). Remarque war bereits vor seiner Ankunft aufgrund seiner drei Bestseller, welche zusätzlich verfilmt wurden und die durch Taschenbuchausgaben einem noch größeren Publikum zugänglich gemacht wurden, in den USA bekannt. Von 1939 bis 1942 lebte er in Hollywood, wo er an verschiedenen Filmprojekten mitarbeitete, danach verbrachte er viel Zeit in New York (Owen 1984:230- 233). Obgleich Remarques Zeit in den USA häufig als Exil bezeichnet wird, lebte dieser keineswegs ein typisches Emigrantenschicksal (Rüter 1980:27). Ganz im Gegenteil: Remarque hatte dank seiner Bücher, der Filmrechte, Übersetzungsrechte, Taschenbuchausgaben etc. keine finanziellen Schwierigkeiten, war überall bekannt und trotz seiner schüchternen Persönlichkeit in der feinen Gesellschaft angesehen, hatte eine Vielzahl an Freunden und genoss ein luxuriöses Leben. Überdies pflegte Remarque Kontakte zu zahlreichen deutschsprachigen EmigrantInnen, die er – wie vermutet wird, sich aber nicht nachweisen lässt – auch finanziell unterstützte (Owen 1984:231, 246). Der Kontakt zu anderen Flüchtlingen gab ihm viel Stoff für seine Romane. Seine späteren Werke, wie zum Beispiel Arc de Triomphe (1945), Die Nacht von Lissabon (1962) und Schatten im Paradies (1971), beschreiben größtenteils das Schicksal von EmigrantInnen, Flüchtlingen und Vertriebenen, vorwiegend aus Deutschland, und deren Leiden im Exil (ibid.:245-249). KritikerInnen Remarques merkten häufig an, dass Remarque nicht ausschließlich durch Erzählungen und Beobachtungen von Betroffenen vom Elend und der Verzweiflung von Menschen im Exil schreiben könne, ohne selbst diese Erfahrungen gemacht zu haben (ibid.:210).

Im Jahr 1943 wurde seine Schwester Elfriede von der Gestapo verhaftet, wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und noch im selben Jahr, am 16. Dezember 1943, hingerichtet. Remarque, der erst 2 ½ Jahre später davon Benachrichtigung erhielt, gab sich selbst die Schuld für den Tod seiner Schwester, da der Grund für ihre Hinrichtung vermutlich nicht nur auf ihrer Ablehnung des „Dritten Reiches“ beruhte, sondern auch auf der Tatsache,

Seite 24 von 107 dass sie Erich Maria Remarques Schwester war und dieser in den USA für die Nationalsozialisten unerreichbar blieb (ibid.:246f.).

1947 erhielt er schließlich die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Seine Depression über sein Leben in den USA – er musste sich seit 1942 an eine für alle aus Deutschland geflohenen EmigrantInnen geltende nächtliche Ausgangssperre halten – nahm jedoch stetig zu, weshalb er nach neunjährigem Exil 1948 nach Porto Ronco zurückkehrte. Das darauffolgende Jahrzehnt verbrachte Remarque mit Reisen zwischen New York, Hollywood und Porto Ronco (ibid.:230f., 250).

3.3.3 Die letzten Lebensjahre Remarques

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Remarque 1948 in der Hoffnung, eine Einladung nach Deutschland zu bekommen, zunächst in die Schweiz zurück. Diese Einladung kam jedoch nie. Aufgrund seiner Ausbürgerung hatte Remarque die Rechte an seinen Büchern verloren und erhielt dafür erst spät Anspruch auf Entschädigung (Riess 1987:80). Dieser Zeitraum – in dem Remarque zwischen den USA und Europa hin und her pendelte – stellte seine produktivste literarische Schaffungszeit dar. Abgesehen von seinen Romanen schrieb Remarque auch Bühnenstücke und Drehbücher und versuchte sich selbst erfolgreich an der Schauspielkunst. Seine Werke, wie zum Beispiel der Roman Der Funke Leben (1952), riefen stets Kontroversen hervor. So wurde an dem obengenannten Werk einerseits der fehlende Realismus eines Augenzeugen kritisiert, anderseits wurde dieser jedoch als einer der großen Nachkriegsromane, die die Schrecken des Konfliktes perfekt einfingen, hochgelobt (Owen 1984:264ff.).

Im Laufe der Jahre änderten sich Remarques Werke im Hinblick auf ihren politischen Gehalt. Ab Mitte der 1940er-Jahre wurden seine Werke von offensiven politischen Aussagen begleitet. Er vertrat die Meinung, dass für die Verbrechen im Krieg beziehungsweise der Nachkriegszeit Verantwortung übernommen werden und für eine bessere Zukunft zunächst die Vergangenheit aufgearbeitet werden müsste und schenkte vor allem der Thematik der Menschenwürde und der Menschenrechte sowie seiner Empörung und seinem Schmerz über deren Verletzung und Missachtung besondere Aufmerksamkeit. Sein im Jahr 1952 veröffentlichter Roman Der Funke Leben spielt etwa in einem Konzentrationslager und stellt die Würde der Menschen sowie den Überlebenswillen in den Mittelpunkt. In seinen Romanen der 1950er-Jahre beschreibt Remarque die Vergangenheit und bedient sich ihrer als Maßstab für die Gegenwart (Westphalen 1988:13-22). In Der schwarze Obelisk. Geschichte einer

Seite 25 von 107 verspäteten Jugend (1956) appelliert er an die LeserInnen und warnt vor einer möglichen Wiederholung der Geschichte und vor einem Dritten Weltkrieg. Ende der 1950er wurde auch in Remarques Werken dessen Resignation deutlich. Mit dem Roman Der Himmel kennt keine Günstlinge (1961) kehrte er zu seinen literarischen Anfängen zurück. Der Roman schließt thematisch an Station am Horizont (1927/28) an. Er beschreibt nicht den Krieg oder das Leben im Exil, sondern erzählt die tragische Liebesgeschichte zwischen einem Rennfahrer, der von Rennen zu Rennen lebt, und seiner schwerkranken Geliebten (ibid.:23f.).

Vermutlich auch aufgrund seines exzessiven Lebensstils, der ständigen Reisen und des übermäßigen Alkoholkonsums erkrankte Remarque Anfang der 1950er-Jahre schwer (Riess 1987:80). In diesem Zeitraum kam es zu einer engen Beziehung zur Schauspielerin Paulette Goddard, die er – nachdem er sich zum zweiten Mal von Ilse Jutta Zambona scheiden lassen hatte – im Jahr 1958 nach 10-jähriger Freundschaft in den USA heiratete. Die beiden führten eine glückliche Ehe (Owen 1984:298).

Im Jahr 1964 erlitt Remarque seinen ersten Herzinfarkt (ibid.:301). Seine letzten Jahre waren von Krankenhausaufenthalten und Reisen gemeinsam mit Paulette Goddard nach Italien geprägt (Schneider 2001:90f.). Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes war er nicht in der Lage, die ihm durch die Stadt Osnabrück verliehene Möser-Medaille persönlich entgegenzunehmen (Owen 1984:301). Darüber hinaus wurde er 1967 mit dem „Großen Bundesverdienstkreuz der B.R.D.“ geehrt, und an seinem 70. Geburtstag erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Gemeinden Porto Ronco und Ascona. Am 25. September 1970 erlag er schließlich in Locarno einem Aortenaneurysma (Schneider 2001:91). Bis zu seinem Tod wurde er nicht mehr deutscher Staatsbürger (Owen 1984:302).

Ein Jahr nach seinem Tod ließ seine Frau Paulette Goddard Remarques letzten Roman Schatten im Paradies, welchen dieser noch vor seinem Tod vollendete, veröffentlichen. Dieser Roman, in dem Remarque sein eigenes Exil, das heißt seine eigenen Erfahrungen in den USA, beschreibt, besitzt den wahrscheinlich größten autobiographischen Anteil seiner Werke und wurde zu einem Bestseller in Deutschland (ibid.:235, 303ff.).

Im November 1979 feierte All Quiet on the Western Front, die zweite Verfilmung von IWnN unter der Regie von Delbert Mann Premiere, welche aber nicht an den Erfolg des ersten Films anschließen konnte. Im Jahr 1989 wurde das „Erich Maria Remarque-Archiv“ in der Universitätsbibliothek Osnabrück eröffnet. 1996 kam es zur Gründung der „Remarque- Institute“, 1998 eröffnete das „Erich Maria Remarque-Friedenszentrum“. Darüber hinaus

Seite 26 von 107 finden jährlich Gedenken an Remarques Leben und sein literarisches Schaffen statt (Schneider 2001:92).

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die bedeutendsten Romane Remarques:

deutsche Titel Erstveröffentlichung Erstveröffentlichung2 1920 1920 Die Traumbude Dresden: Die Schönheit Dresden: Die Schönheit 1927/28 1927/28 Berlin: Sport im Bild Berlin: Sport im Bild

Station am Horizont erste Buchausgabe: 1998 Köln: Kiepenheuer & Witsch 1928 1928 Berlin: Vossische Zeitung Berlin: Vossische Zeitung

Im Westen nichts Neues erste Buchausgabe: 1929 Berlin: Propyläen Verlag 1930 1930 Berlin: Vossische Zeitung Berlin: Vossische Zeitung

Der Weg zurück erste Buchausgabe: 1931 Berlin: Propyläen Verlag 1937 1937 Boston: Little Brown & Co. Amsterdam: Querido Drei Kameraden Titel: Three Comrades Übersetzung: Arthur Wheen 1941 1941 Boston: Little Brown & Co. Stockholm/Batavia: Bermann- Liebe Deinen Nächsten Titel: Flotsam Fischer Übersetzung: Denver Lindley 1945 1946 New York: Appleton-Century- Zürich: F. G. Micha Crofts Arc de Triomphe Titel: Arch of Triumph Übersetzung: Walter Sorell, Denver Lindley 1952 1952 New York: Appleton-Century- Köln, Berlin: Kiepenheuer & Der Funke Leben Crofts Witsch Titel: Spark of Life Übersetzung: James Stern 1954 1954 New York: Harcourt, Brace & Köln: Kiepenheuer & Witsch Zeit zu leben und Zeit zu World (zensierte Fassung) sterben Titel: A Time to Love and a Time to Die 1989

2 In einigen Fällen ist die deutsche Erstveröffentlichung ≠ die Erstveröffentlichung des Romans.

Seite 27 von 107 Übersetzung: Denver Lindley Köln: Kiepenheuer & Witsch (unzensierte Fassung) Der schwarze Obelisk. 1956 1956 Geschichte einer verspäteten Köln: Kiepenheuer & Witsch Köln: Kiepenheuer & Witsch Jugend 1960 1959 Moskau: Izdatelstvo inostrannoj Hamburg: Kristall lit-ry Titel: Geborgtes Leben Der Himmel kennt keine Titel: Zhizn’vzajmy. Istoriia (zensiert Fassung) Günstlinge odnoj ljubvi Übersetzung: L. Cherna erste Buchausgabe: 1961 Köln: Kiepenheuer & Witsch 1962 1962 Die Nacht von Lissabon Köln: Kiepenheuer & Witsch Köln: Kiepenheuer & Witsch 1971 1971 Schatten im Paradies München: Droemer Knaur München: Droemer Knaur Tabelle 1: Überblick über die wichtigsten Romane Remarques (Schneider 2001:93f.)

Die Tabelle stellt eine Auflistung der Romane Remarques ohne Berücksichtigung anderer Werke wie Gedichte, Bühnenstücke etc. dar. Sie zeigt, dass die Erstveröffentlichungen der Romane, die Remarque nach seiner Auswanderung aus Deutschland beziehungsweise nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verfasste, aufgrund des Verbotes seiner Bücher nicht in deutscher Sprache erfolgten. Der Großteil der Romane dieser Zeit (Liebe Deinen Nächsten, Arc de Triomphe, Der Funke Leben und Zeit zu leben und Zeit zu sterben) wurde zunächst in den USA in englischer Sprache publiziert. Zu letzterem entstand im selben Jahr (1954) eine deutsche, jedoch stark zensierte, Fassung. Eine unzensierte Fassung dieses Romans wurde erst 1989 von Kiepenheuer & Witsch verlegt (Schneider 2001:93f.). Auch das Werk Drei Kameraden erschien 1937 zunächst in den USA unter dem Titel Three Comrades. Die deutsche Fassung wurde im selben Jahr, aufgrund der politischen Verhältnisse in Deutschland, in Amsterdam von Querido, einem Verlag, der zahlreiche ExilautorInnen veröffentlichte, publiziert (Owen 1984:221). Der Himmel kennt keine Günstlinge erschien ein Jahr nach der Erstveröffentlichung in Moskau auch in Deutschland. Zuvor wurde bereits eine stark zensierte deutsche Fassung unter dem Titel Geborgtes Leben in der Zeitschrift Kristall veröffentlicht (Schneider 2001:94).

Erich Maria Remarque führte ein ereignisreiches Leben. Von seiner Kindheit in einer katholischen Familie, über seine traumatisierenden Erfahrungen an der Front, sein Leben im Exil bis hin zur schweren Erkrankung in seinen letzten Lebensjahren sowie die Tatsache, dass er nicht mehr in seine Heimat zurückkehrte – all diese Ereignisse stellten prägende Stationen im Leben Remarques dar und beeinflussten maßgeblich sein literarisches Schaffen.

Seite 28 von 107 Im Hinblick auf den Hauptteil dieser Arbeit wird im Folgenden genauer auf den Gegenstand der Analyse – das heißt auf das Werk Im Westen nichts Neues und die beiden englischen Übersetzungen – eingegangen. Dabei ist es in Bezug auf die Hypothese – zum einen, um näher auf die Frage des großen Erfolges des Romans einzugehen und auf mögliche Gründe für diesen hinzuweisen und zum anderen, um aufzuzeigen, inwieweit die Rezeption des Autors die beiden Übersetzungen beeinflusst hat – von Relevanz, verschiedene Aspekte hinsichtlich des Publikationsablaufs, wie Schwierigkeiten, die während dieses Prozesses auftraten oder auch Maßnahmen der Gegner Remarques, um dessen Glaubwürdigkeit und die des Werkes zu schädigen sowie der Rezeption des Werkes in Deutschland und im Ausland etc. genauer zu betrachten. Weitere Fragen, die es vor der Analyse zu klären gibt, betreffen einerseits den Publikationszeitraum der beiden Übersetzungen, um festzustellen, wie die in diesem Zeitraum vorherrschenden Umstände die beiden Übersetzungen beeinflusst haben könnten und zu eruieren, ob der zeitliche Faktor die These bestätigt, dass die zweite Übersetzung im Gegensatz zur ersten Übersetzung, die sich stärker an der Zielkultur orientiert, AT-zentriert ist. Andererseits haben auch die Verlage, in denen die jeweilige Übersetzung publiziert wurde, sowie die beiden Übersetzer Einfluss auf die Rezeption des Romans und somit dessen Erfolg im Ausland.

Seite 29 von 107 4 „Er fiel … an einem Tag, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich auf nur den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden“ – Der Klassiker der Kriegsliteratur

Erich Maria Remarque beschäftigte sich in seinen Werken vorwiegend mit Themen rund um die beiden Weltkriege, die Nachkriegszeit und die Aufarbeitung der Kriegserlebnisse sowie mit dem Schicksal von im Exil lebenden Menschen etc., und behandelte folglich die bedeutendsten Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Somit kann sein literarisches Schaffen durchaus als eine „Chronik deutscher Geschichte“ betrachtet werden (Westphalen 1988:25).

Das bekannteste Werk Remarques – zumindest im deutschsprachigen Raum3 und Gegenstand der folgenden Analyse – ist IWnN. Der Roman galt nach seiner Publikation im Jahr 1929 für viele LeserInnen als „erlösende Offenbarung der Wahrheit über den Krieg“ (ibid.:15). Sie waren in der Lage, sich mit dem Protagonisten des Romans, Paul Bäumer, der aus einfachen Verhältnissen stammte und dadurch die breite Masse ansprach, zu identifizieren (ibid.:15f.). Der Roman wurde häufig als „wahre Beschreibung des Krieges“ sowie als „Vermächtnis an kommende Generationen, als Mittel, einen zukünftigen Krieg zu verhindern“ (ibid.:16), beschrieben. Ein französischer Germanist, Pierre Grappin, beschreibt das Werk als „getreueste Schilderung des Lebens und der Korporalschaft von Infanteristen“ (ibid.:16) und erklärt überdies, dass es nicht nur das Leben der deutschen Soldaten an der Front wiedergibt, sondern es vielmehr auch auf andere Völker im Krieg, in diesem Fall auf die französischen Soldaten, umgelegt werden kann. Mit dieser Aussage begründet Grappin auch die positive Aufnahme des Romans in Frankreich. Laut Pierre Grappin wurde der französischen Bevölkerung von den Medien ein nicht der Wirklichkeit entsprechendes Bild der Deutschen vermittelt, das dank des Werkes berichtigt wurde (ibid.).

Remarque selbst war von dem unerwarteten Erfolg seines Romans überwältigt. So merkte er zum Beispiel in einem Interview auf die Frage nach der kontroversen Debatte um seine Werke an: „There is nothing worse for an author than that his book should become an international success“ (Owen 1984:299), da all seine darauffolgenden Werke mit IWnN verglichen wurden. Remarque bekräftigte stets, dass er mit dem Roman lediglich die negativen, unmenschlichen Auswirkungen des Krieges aufzeigen wollte und keineswegs beabsichtigt habe, eine politische Position einzunehmen (Chambers/Schneider 2001:10).

3 In der Literatur einzelner Länder ist IWnN im Vergleich mit anderen Werken Remarques zweitrangig. Dieser Aspekt wird in 4.3.2.2 genauer betrachtet.

Seite 30 von 107 Genau dies wurde ihm jedoch nach der Veröffentlichung des Romans von seinen Gegnern vorgeworfen, worauf im Laufe dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird.

Auch heutzutage ist der Roman noch von Bedeutung und zeigt besonders auf jüngere Generationen seine Wirkung. Aus diesem Grund zählt IWnN in zahlreichen deutschsprachigen Schulen fortlaufend zum literarischen Kanon. John W. Chambers und Thomas F. Schneider (2001) begründen diese Tatsache mit der zeitlosen Thematik, die im Werk behandelt wird, die – auch wenn das Ende des Ersten Weltkrieges bereits 100 Jahre zurück liegt – stets aktuell bleibt:

Durch die Beschreibung des Ersten Weltkrieges erinnern »Im Westen nichts Neues« – das Buch und der Film – immer wieder an die Gefahren, die Autoritarismus, Militarismus und der Massenkrieg für den menschlichen Geist und für das menschliche Leben bedeuten. (Chambers/Schneider 2001:16)

4.1 Der Inhalt

Remarque schildert in IWnN die Geschichte eines einfachen Soldaten, der mit seiner Kompanie an der Westfront im Ersten Weltkrieg stationiert ist. Dabei beschreibt der Protagonist Paul Bäumer als Ich-Erzähler den Alltag an der Front und das Leben unter den Soldaten, wobei er vor allem die Kameradschaft positiv hervorhebt. Abgesehen davon bringt er überwiegend die negativen Seiten des Krieges, die Kämpfe und das Sterben an der Front, das Elend in den Lazaretten etc. zum Ausdruck. Die Soldaten selbst werden von Remarque nicht als Helden dargestellt, sondern als einfache Menschen, die ums Überleben kämpfen.

Paul Bäumer ist ein 19-jähriger Schüler, der sich gemeinsam mit seinen Klassenkameraden freiwillig für den Krieg meldet. Einzelne Episoden schildern ihre Erlebnisse von der Ausbildungszeit in der Kaserne, die von sinnlosen Schikanen der Ausbilder geprägt ist, sowie ihrer anfänglichen Kriegsbegeisterung, die jedoch bald schwindet, über den Alltag an der Front bis hin zu Szenen des Protagonisten auf Heimaturlaub. Remarque veranschaulicht zum einen das Zusammenleben der Soldaten in den Baracken während der Kampfpausen und den Drill hinter der Front. In einer dieser Szene lernen die Kameraden drei Französinnen kennen, mit denen sie die Nacht verbringen, um so dem grausamen Alltag an der Front kurzzeitig zu entfliehen. Zum anderen beschreibt der Protagonist einzelne Kampfhandlungen an der Front, von Artilleriebeschuss und Granaten über Gasangriffe bis hin zu Nahkämpfen, und stellt dabei die Verluste, das Sterben der Kameraden und das Elend an der Front in den Vordergrund. Daneben werden auch Szenen im Heimatort des Protagonisten geschildert sowie Rückblicke auf dessen Schulzeit gezeigt und damit dargestellt, wie weit sich dieser von

Seite 31 von 107 seinem Leben vor dem Krieg entfernt hat. In diesem Zusammenhang bringt der Protagonist auch seine Gefühle über die Hoffnungslosigkeit im Hinblick auf die Zukunft zum Ausdruck. Er beschreibt, wie unvorstellbar es für ihn und seine Kameraden ist, nach Kriegsende wieder in ihr altes Leben beziehungsweise an die Schulbank zurückzukehren, da sie die Front zu sehr verändert hatte. Überdies behandelt das Werk auch das Leben in den Lazaretten. Paul Bäumer wird, nachdem er bei einem Angriff verwundet wurde, gemeinsam mit einem seiner Kameraden ins Lazarett gebracht. Dort veranschaulicht er den Alltag, der geprägt ist von Amputationen, Patienten, die zu Versuchskaninchen der Ärzte werden, und wo der Tod allgegenwärtig ist.

Im letzten Abschnitt des Romans überwiegt der Tod. Remarque beschreibt überwiegend die Hoffnungslosigkeit der Soldaten, die sich der Tatsache bewusst sind, dass der Krieg verloren war. Am Ende der Erzählung fällt auch der Protagonist Paul Bäumer als bis dahin letzter Überlebender seiner Schulklasse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Roman einen Überblick über einzelne Kriegsereignisse schafft – von der Kriegsbegeisterung der jungen Soldaten, über ihren ersten Einsatz an der Front bis hin zu der Einsicht, dass das Erlebte ihr Leben grundlegend verändert hat.

4.1.1 Der Titel des Romans

Mit dem aussagekräftigen Im Westen nichts Neues wurde ein Titel gewählt, der schnell zu einem wichtigen Schlagwort wurde und sich sogar zu einer Redewendung im Deutschen herausbildete. Der Titel findet auch heute noch Anwendung, indem das Wort „Westen“ durch eine andere Thematik ersetzt wird. Der Ursprung der Bezeichnung ist jedoch unklar. Es gibt keinen Nachweis dafür, ob der Titel eine Erfindung des Autors war oder vom Verlag bestimmt wurde. Kurz vor Beginn des Vorabdrucks wurde das Werk noch mit dem Titel „Nichts Neues im Westen“ in der Vossischen Zeitung angekündigt, kurz darauf jedoch unter dem heute bekannten Titel veröffentlicht. Der Begriff „Westen“ stand vor allem im Zeitraum der Veröffentlichung des Werkes – 10 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges – für viel mehr als lediglich eine der vier Himmelsrichtungen. Die LeserInnen assoziierten damit den Stellungskrieg an der Westfront, Materialschlachten sowie das Massensterben. Darüber hinaus erinnert die Struktur des Titels an die typischen Heeresberichte aus dem Ersten Weltkrieg, wodurch der Autor eine gewisse Anklage an der ausschließlich militärischen Betrachtungsweise des Krieges äußert (Rüter 1980:56f.).

Seite 32 von 107 Das Buch negiert sozusagen den eigenen Titel, da es im Gegensatz zu der Aussage, im Westen gebe es nichts Neues zu berichten, viele Neuigkeiten meldet, indem es eines der ersten Werke in diesem Zeitraum ist, das überwiegend die negativen Aspekte des Krieges darstellt, das heißt jene Seite des Krieges beschreibt, die von den meisten AutorInnen zuvor nicht behandelt wurde.

4.1.2 Romanaufbau und Erzählverhalten

Remarque teilt den Roman in einzelne Episoden. Die Reihung – welche vom Erstdruck in der Vossischen Zeitung zum tatsächlichen Buchdruck verändert wurde – erscheint zufällig. Remarque verknüpft bei dieser Gelegenheit zum Teil inhaltlich stark kontrastierende Episoden. Durch diese Vorgehensweise versucht der Autor möglichst viele verschiedene Aspekte des Krieges aufzuzeigen. Der Roman besitzt keinen Mittelpunkt, keinen Höhepunkt, das heißt Remarque beschreibt kein bestimmtes Ereignis, das die weiteren Handlungen der Erzählung bestimmt. Überdies möchte er keine Entwicklung innerhalb des Werkes zeigen, weshalb auch keine Veränderung im Hinblick auf den Protagonisten des Werkes stattfindet. IWnN ist im Gegensatz zu späteren nationalistischen Kriegsromanen eine reine Zustandsschilderung (Rüter 1980:77-83).

Grundsätzlich wird IWnN meist als Roman bezeichnet. Remarque selbst betonte jedoch, einen Bericht geschrieben zu haben. Er wollte mit dem Werk Tatsachen beschreiben, das heißt die Kriegsgeschehen wirklichkeitsgetreu schildern, und dabei einen nicht wertenden, objektiven Text verfassen und so dessen Glaubwürdigkeit gewährleisten. Mit Hilfe von vagen Orts- beziehungsweise Zeitangaben verhindert er die Überprüfbarkeit der Ereignisse und verleiht dem Werk eine gewisse Allgemeingültigkeit (ibid.:65). Die in IWnN beschriebenen Geschehnisse lassen sich im Allgemeinen auf die Erlebnisse eines jeden Soldaten im Ersten Weltkrieg übertragen. Erst am Ende des Werkes verwendet Remarque Jahreszahlen, davor bedient er sich ausschließlich der Nennung von Jahreszeiten oder beschreibt einzelne Wetterbegebenheiten, die es den LeserInnen ermöglicht, die Zeit zu erahnen. Während der Lektüre erkennt der/die Leser/in schließlich, dass sich das Werk innerhalb eines Zeitraumes von etwas mehr als einem Jahr abspielt, nämlich zwischen Sommer 1917 und Oktober 1918 (ibid.:71). Der gesamte Text wird aus Sicht des jungen Soldaten Paul Bäumer beschrieben, der seine Erlebnisse als Ich-Erzähler beschreibt und so die Authentizität der Ereignisse verstärkt. Lediglich am Ende des Werkes weicht Remarque von der Ich-Erzählung ab, indem er in Form eines auktorialen Erzählers über den Tod Paul Bäumers berichtet. Darüber hinaus ist der Übergang zu allgemeiner werdenden Aussagen im Laufe des Werkes, vor allem im

Seite 33 von 107 zweiten Teil, erkennbar. Diese Änderung geht mit einem zunehmenden Abstand des Erzählers zum Geschehen einher (ibid.:66ff.). Durch sein Erzählverhalten gelingt es Remarque, Erfahrungen, die als subjektiv und somit authentisch dargestellt werden, gleichzeitig auch als allgemeine Erfahrungen darzulegen. Auch wenn die Geschichte aus Sicht des Soldaten Bäumers geschildert wird, handelt es sich bei dieser Erzählung trotz alledem nicht um ein individuelles Schicksal. Im Mittelpunkt steht vielmehr das „Wir“, eine Gruppe von acht Kameraden, die Remarque im Gegensatz zum Rest der Einheit – die gesichtslos bleibt – genauer beschreibt (ibid.:69f.).

Remarque nimmt in IWnN keinen Bezug auf bestimmte historische Ereignisse im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg, sondern schildert den Krieg im Allgemeinen. Durch eine Rückblende, in der er Paul Bäumer und dessen Klassenkameraden beschreibt, die sich freiwillig zum Krieg gemeldet hatten, porträtiert er beispielsweise die allgemeine Kriegseuphorie der Bevölkerung zu Beginn des Ersten Weltkrieges (ibid.:72). Überdies vermeidet Remarque in IWnN einseitig zu agieren und relativiert häufig seine eigenen Aussagen. So stellt er den Unteroffizier Himmelstoß in ein schlechtes Licht, merkt jedoch in der gleichen Passage an, dass es viele anständige und vernünftige Korporale gäbe und das diese in der Überzahl wären. Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Beschreibung der Ärzte in den Lazaretten, die bei Remarque äußerst negativ ausfällt. Auch hier schreibt er: „ […] es mag gute Ärzte geben, und viele sind es […]“ (Remarque 2010/1929:191).

Bei der Beobachtung sprachlicher Aspekte des Romans fällt auf, dass sich Remarque für die Verwendung einer größtenteils einfachen, nicht-literarischen Sprache entschieden hat. Im Vergleich mit den späteren nationalistischen Kriegsromanen, die an der Verwendung einer gepflegten Literatursprache festhalten und Dialekt beziehungsweise Umgangssprache nur in Ausnahmefällen anwenden – um den Kontrast zwischen einem einfachen Soldaten aus einer niedrigen sozialen Schicht und dem Protagonisten aus einer höheren Gesellschaftsschicht zu verdeutlichen –, wählt Remarque in IWnN vorwiegend gesprochene Sprache, ohne Beschönigungen oder Umschreibungen zu verwenden. Er zeigt mit diesem sprachlichen Mittel das Geschehen roh und wahrheitsgetreu (Rüter 1980:75). Durch die zusätzliche Verwendung des damaligen Soldatenjargons wird der Erzähler bei Remarque zum „Sprachrohr aller Soldaten“ (ibid.). Diese stilistische Maßnahme trug wesentlich zum Erfolg des Werkes bei, was durch damalige Rezensionen, die die realistische Sprache des Werkes

Seite 34 von 107 loben, unterstrichen wird.4 Neben der einfachen Sprache der Soldaten finden sich zudem auch lyrische Passagen. Dieser Stilwechsel, der zum Teil kritisiert wurde, zeigt deutlich den Stimmungswechsel zwischen dem „durch die Brutalität des Krieges geformte[n] Soldat[en] Bäumer“ und dem „feinfühlige[n], unter dem Krieg leidende[n] ehemalige[n] Schüler Bäumer“ (ibid.:76).

4.1.3 Verschiedene Fassungen von IWnN

Beim Vergleich der Buchausgabe mit dem Vorabdruck in der Vossischen Zeitung zeigen sich in einzelnen Passagen einige Unterschiede, das heißt der Autor beziehungsweise der Verlag haben einige Veränderungen zwischen den beiden Versionen vorgenommen, und auch bei der heute erhältlichen Buchausgabe kam es zu Änderungen. Daher können vier Fassungen unterschieden werden: das Originalmanuskript, der Vorabdruck in der Vossischen Zeitung, die erste Buchausgabe und die aktuelle Taschenbuchausgabe5 (Rüter 1980:58). Die einzelnen Fassungen können zum einen – bei genauerer Betrachtung der Originalfassung – Aufschluss über die Absichten des Autors geben sowie über die bestehenden Normen, die hinsichtlich der Publikation von Werken dieser Art in der Presse im Vergleich zu Publikationen von Büchern in den 1920er-Jahren bestanden haben.

Zwischen der ersten Buchausgabe von IWnN und der aktuellen Taschenbuchausgabe lassen sich nur geringe Unterschiede – vor allem stilistische Korrekturen – feststellen. Zu diesen Änderungen – der genaue Zeitpunkt der Korrekturen durch Remarque ist nicht bekannt – zählt zum einen die Streichung eines Charakters, der im Vorabdruck lediglich eine kurze Erwähnung findet und somit keine tragende Rolle innerhalb der Geschichte spielt. Überdies wurden genauere Korrekturen an der Pferdeszene – in der der Tod von zahlreichen Pferden an der Front beschrieben wird – durchgeführt, da es zu Diskussionen darüber kam, ob sterbende Pferde, wie zuvor von Remarque dargestellt, schreien könnten. Der Autor beschloss dieses Detail zu ändern, um die Glaubwürdigkeit des Werkes nicht herabzusetzen.

Größere und damit einhergehend aufschlussreichere Eingriffe fanden zwischen dem Vorabdruck und der ersten Buchausgabe statt. Da diese Änderungen in einem kurzen Zeitraum erfolgten, wurden im Hinblick auf den Stil nur geringe Korrekturen durchgeführt. Bezüglich der Einteilung der einzelnen Kapitel beziehungsweise der Teilung einzelner

4 Der Aspekt des Erfolges des Werkes und die möglichen Gründe dafür werden in 4.3.1 genauer behandelt. 5 Die rezente Taschenbuchausgabe stammt aus dem Jahr 2013 – herausgegeben zum 100-jährigen Jahrestag des Kriegsbeginns – und enthält ein Nachwort von Thomas F. Schneider, in dem dieser die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Romans behandelt (Kiepenheuer & Witsch 2013).

Seite 35 von 107 Abschnitte können jedoch einige größere Änderungen in der Buchausgabe festgestellt werden. Überdies wurden einige Passagen von Remarque stark gekürzt. Einige dieser Veränderungen zeigen, dass die Vossische Zeitung darauf bedacht war, die Handlung logisch und die historischen Gegebenheiten richtig wiederzugeben, um die Authentizität des Werkes zu gewährleisten. Darüber hinaus wurden einige Textpassagen im Vorabdruck abgeschwächt, wodurch die Zeitungsausgabe zurückhaltender auftritt als die spätere Buchausgabe. Diese Zurückhaltung lässt sich dadurch erklären, dass IWnN eines der ersten Werke war, das auf diese Weise vom Krieg berichtete und sich der Verlag aus kommerziellen Gründen dazu verpflichtet sah, die zum Teil grausamen Beschreibungen zu verharmlosen, um das Werk der breiten Masse anzupassen (ibid.:64). Darüber hinaus wurden all jene Aspekte, die für Armee, Kirche und das Bildungssystem zu unangenehm waren, aus der ersten Fassung entfernt (Owen 1984:72).

4.2 Wichtige Themen in IWnN

Der Roman behandelt verschiedene Gegensätze wie zum Beispiel die Antonyme Krieg und den damit verbundenen Tod und Leben bzw. Überleben im Krieg (Rüter 1980:144). Ein weiteres von Remarque dargestelltes Gegensatzpaar zeigt die Jugend – die Rüter als „wahres Leben“ bezeichnet – im Gegensatz zum reduzierten Leben im Krieg, das heißt, Remarque stellt in diesem Zusammenhang die Vergangenheit der Gegenwart gegenüber. Dabei spricht der Autor den Generationengegensatz zwischen der Jugend, die den Krieg verneint und unter ihm leidet, und der älteren Generation, die dem Krieg überwiegend positiv gegenüber steht, an. Darüber hinaus wird durch einzelne Szenen eine Gegenüberstellung der Front und der Heimat deutlich, welche einen Kontrast zwischen Wirklichkeit und Illusion erkennen lässt. Aufgrund der zahlreichen Bedeutungsschichten, die in IWnN dargestellt werden, lässt der Roman diverse Rezeptionen zu (ibid.:144f.). Diese Tatsache wurde von den Gegnern Remarques bei dem Versuch, den Roman abzuwerten und somit Ablehnung von Seiten der LeserInnen zu erzeugen, genutzt.

4.2.1 Der Krieg

Zentrales Thema des Romans ist der Krieg. Remarque spricht in IWnN nicht vom Beginn oder dem Ende des Krieges, sondern setzt diesen als Tatsache voraus und zeigt ausschließlich dessen Auswirkungen auf die Teilnehmer, im Speziellen die Gruppe rund um den

Seite 36 von 107 Protagonisten Paul Bäumer und damit verbunden die sogenannte zerstörte Generation (Rüter 1980:85).

Der Krieg wird nicht als nationale Auseinandersetzung gezeigt, sondern vielmehr seine gewaltsame und destruktive Komponente in den Vordergrund gestellt. Die Soldaten sind dem Krieg willenlos ausgesetzt, ihr Alltag ist geprägt vom langen Warten in den Schützengräben und dem Hoffen auf ein Ende. Remarque beschreibt in erster Linie die Folgen der Angriffe, wobei die Kämpfe und das Töten der Gegner in den Hintergrund rückt und überwiegend Szenen gestaltet werden, die das Sterben und Getötet-werden an der Front zeigen und das damit verbundene Leid der Soldaten ausdrücken. Einzelne Sequenzen des Romans beschreiben die negativen Auswirkungen des Stellungskrieges wie den Frontkoller, Wahnsinn oder damit einhergehend Kurzschlusshandlungen wie die Desertion eines Soldaten (ibid.:90f.). Der Roman verdeutlicht Remarques konträre Position zu jener der AutorInnen nationaler Kriegsromane im Hinblick auf den Krieg. Bei Remarque ist der Krieg kein positives Ereignis, die Soldaten sind willenlos, und die junge Generation wird durch den Krieg zerstört. Die Szenen hinter der Front und in der Heimat überwiegen im Vergleich mit den Kampfszenen an der Front. Er beschreibt Leid, Hunger, Schmutz und die „Vertierung“ (ibid.:93) der Soldaten sowie die Auswirkungen des Krieges auf die ihre innere Verfasstheit. Militärische Ehrungen und Karrieren werden in IWnN abgelehnt. Im Gegensatz dazu beschreibt die nationale Kriegsliteratur den Krieg als „höchste Manifestation des Lebens“ (ibid.), die den Charakter der Soldaten formt. Während Remarque den Krieg oft mit dem Tod auf eine Stufe stellt und mit der Beschreibung des Kriegstodes, den er als sinnlos darstellt, versucht, Abscheu vor dem Töten zu erzeugen, wird der Tod in der nationalen Kriegsliteratur heroisiert. Die Soldaten empfinden es als Ehre, für die Heimat ihr Leben zu geben (ibid.:96f.). Remarque schafft dabei jedoch kein konkretes Feindbild. Obgleich eine gewisse Schuld am Krieg der Generation der Väter zugesprochen wird, benennt der Roman die Schuldigen beziehungsweise Verantwortlichen für den Krieg nicht konkret. Die Soldaten in IWnN denken selten an die internationale Auseinandersetzung, sie hegen keinen blinden Hass für die Kriegsgegner, sondern beklagen vielmehr das Leid aller Soldaten. Im Roman ist nicht der Feind auf der anderen Seite der Front der Gegner der Protagonisten, sondern der Krieg und seine Maschinerie. Diese Darstellungen kontrastieren stark mit dem Feindbild der nationalistischen Romane, in denen die Gegner diffamiert und zu Tieren abgewertet werden (ibid.:100-103).

Seite 37 von 107 Ein weiterer Unterschied zwischen Remarque und der nationalistischen Kriegsliteratur findet sich in der moralischen Dimension des Krieges. Remarque beschreibt zum Beispiel in einer Szene, in der der Protagonist gezwungen ist, einen französischen Soldaten zu töten, dessen schlechtes Gewissen und seine Schuldgefühle bei dem Gedanken an die Familie dieses Soldaten. Diese Schuldgefühle werden jedoch schnell durch Bäumers Überlebenswillen ersetzt. Remarque gibt den einfachen Soldaten keine Schuld, er beschreibt vielmehr die Notwendigkeit, im Krieg gegen moralische Normen zu verstoßen, um überleben zu können. Die Soldaten verlieren im Kampf ihre Menschlichkeit und werden von einem reinen Überlebenstrieb geleitet. Im Gegensatz zu den nationalistischen Romanen, die Schuldgefühle ausblenden, ist das Töten nicht durch den Krieg gerechtfertigt, sondern notwendig, um zu überleben (ibid.:99f.).

4.2.2 Die vom Krieg zerstörte Generation und die Bedeutung der Kameradschaft

Ein Konzept des Romans, das stark von der politischen Rechten kritisiert wurde, ist jenes der zerstörten Generation. Remarque zeigt diese anhand einer Gruppe von vier Schülern, die durch vier weitere Personen aus niedrigen sozialen Verhältnissen ergänzt wird (Rüter 1980:106f). Diese Gruppe rund um Paul Bäumer bildet keine Einheit im militärischen Sinne und ist nicht hierarchisch strukturiert. Zusammenhalt verleiht ihnen die gemeinsame Kritik am Krieg, ihr Lebenswille sowie die emotionale Bindung untereinander und die Feindschaft gegenüber ihrem Ausbilder (ibid.:126). Am Ende des Romans erweitert Remarque den Begriff Generation von der Kameradengruppe auf den gesamten Jahrgang und spricht somit alle Soldaten an, die am Krieg teilnahmen und von diesem zerstört wurden (ibid.:108).

Die Kameradschaft unter den Soldaten spielt eine wichtige Rolle in IWnN. Sie stellt eine bedeutende Komponente im Hinblick auf den Überlebenswillen der Gruppe dar, da sie die eigentliche Heimat bildet und gegen die Vereinsamung der Soldaten wirkt (ibid.:134). Der Kameradschaft wohnt jedoch kein politischer Aspekt inne. Sie wird als „die Sozialisationsform, die unter den tödlichen Bedingungen des Krieges allein das Überleben sichert, da alle anderen Beziehungen durch Entfremdung gekennzeichnet sind“ (ibid.:128,134) dargestellt. Um zu überleben, versuchen die Soldaten die Realität zu verdrängen und nicht über die Ereignisse an der Front nachzudenken. Sie stellen die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse – Essen, Schlafen, Trinken – allen anderen Aspekten des Krieges voran. Die menschlichen Qualitäten werden hintangestellt. Gefühle und Sentimentalität haben keinen Platz. Der Krieg verwandelt die Soldaten in „Menschentiere“ (ibid.:117), die ausschließlich instinktiv handeln (ibid.).

Seite 38 von 107 Für die vier Schüler repräsentiert der Krieg einen Bruch mit ihrer Vergangenheit. Ihnen fehlen jegliche Perspektiven, und sie haben keine Hoffnung für die Zukunft (ibid.:106). Im Gegensatz zu ihren vier Kameraden, die nach Ende des Krieges in ihr zuvor geführtes Leben und in ihre Berufe zurückkehren können, sehen sie keine Möglichkeit, wieder an die Schulbank zurückzukehren. Ihre Erziehung wurde durch die Wirklichkeit des Krieges und ihre Erfahrungen an der Front zerstört und die schulische Bildung abgewertet, wodurch die ehemaligen Lehrer von den Soldaten nicht mehr ernst genommen werden konnten. Der Protagonist klagt die Erziehung der Eltern und der Schule an, die ihnen ein falsches Bild vom Krieg übermittelt haben. Die Jugend bedeutete für viele Soldaten ein positives Leben, das sie durch den Krieg aufgeben mussten beziehungsweise verloren hatten. Aufgrund der fehlenden Zukunftsperspektiven waren viele betroffene Soldaten gleichgültig gegenüber ihrer aktuellen Situation. Der Roman zeigt einerseits das Bedürfnis der Soldaten, gegen den Krieg anzukämpfen und mit den Verantwortlichen abzurechnen, andererseits wird jedoch auch das Bedürfnis des Protagonisten deutlich, aus der Gegenwart zu fliehen und in seine Kindheit zurückzukehren. Die in IWnN beschriebenen Kindheitserinnerungen des Protagonisten stellen eine Flucht aus der Realität dar (ibid.:110-121).

4.2.3 Weitere Bedeutungsebenen

IWnN lässt – im Gegensatz zu den nationalistischen Kriegsromanen in diesem Zeitraum – die militärische Struktur des Krieges außen vor. Remarque spricht nur gelegentlich von Vertretern höherer militärischer Ränge und stellt diese, in den seltenen Fällen, in denen sie Erwähnung finden, in ein negatives Licht. Er führt eine deutliche Trennung zwischen dem Krieg beziehungsweise der Front und dem Militär durch (Rüter 1980:87ff.). Überdies wird in dem Werk ausschließlich das Leid der armen Gesellschaftsschicht dargestellt. Alle Charaktere, die genauer beschrieben werden, kommen aus niedrigen sozialen Schichten beziehungsweise sind junge Rekruten, deren Generation vom Krieg zerstört wurde (ibid.:94).

Obgleich Remarque – besonders in späteren Interviews – eine politische Motivation seines Werkes dementiert, fließt eine gewisse politische Dimension in den Text ein. Denn der Protagonist ist sich der Tatsache bewusst, dass der Krieg von politischen Entscheidungen abhängig ist, und auch die Kameraden sprechen darüber, dass lediglich die Regierung den Krieg wolle, nicht aber die breite Masse. Dieser Aspekt wird jedoch kaum thematisiert. Remarque möchte mit IWnN keine politische Analyse anstellen. Er zeigt lediglich eine wahrheitsgetreue Darstellung der Soldaten an der Front, die zumeist apolitisch sind oder durch die Propaganda nationalistische und patriotische Denkweisen besitzen (ibid.:86f.).

Seite 39 von 107 Aufgrund all dieser Bedeutungsebenen lässt sich IWnN durchaus auf unterschiedliche Weise rezipieren. Der Roman hat einerseits eine politische Wirkung, diskutiert andererseits jedoch nicht ausdrücklich die politische Dimension des Krieges. Remarque nimmt hingegen in Teilen des Werkes mithilfe der Kameradengruppe Stellung zu den aktuellen politischen Auseinandersetzungen und stellt den Krieg im gesamten Roman überwiegend negativ dar (ibid.:145ff.). Darüber hinaus übt Remarque Kritik am Militärwesen, indem er die militärischen Führungspositionen überwiegend negativ darstellt und die Tapferkeit und den Mut der Soldaten hervorhebt und die Kameradschaft idealisiert. Daher kann der Roman laut Rüter (1980) sowohl unpolitisch, als reine Beschreibung der Realität an der Front, als auch als entschieden kriegsfeindlich rezipiert werden (ibid.:140-148). Er gilt zum einen als Anti- Kriegsroman, kann aber auch als „Heldenlied des einfachen Soldaten“ und „Hymne auf den letzten erhaltenen Wert, die Kameradschaft“ (Hüppauf 2009:182) aufgefasst werden.

4.3 Der Roman als Klassiker der Weltliteratur

IWnN wurde bereits kurze Zeit nach seiner Veröffentlichung zum „erfolgreichste[n] deutsche[n] Antikriegsbuch“ und entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem „Weltbestseller in Millionenauflage“ (Schrader 1992:5) und einem Klassiker der Weltliteratur. Mit einer Gesamtauflage von mindestens 20 Millionen Exemplaren6 zählt es zu einem der meistgedruckten Bücher Deutschlands (Westphalen 2010:204). Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung der Buchausgabe erreichten die Auflagenzahlen eine Million Exemplare. Der Erfolg von IWnN beschränkte sich jedoch nicht ausschließlich auf Deutschland. So wurde das Werk bereits innerhalb dieses Zeitraums in 23 Sprachen übersetzt. Zu den größten Auflagen zählen die französische (440 000), die russische (410 000) und die englische Übersetzung (USA: 325 000; GB: 310 000). Auf diese folgen Länder wie die Tschechoslowakei (81 500), Spanien (75 000), Niederlande (70 000), Schweden (67 000) und Japan (50 000) (ibid.:208f.). Daneben finden sich heute auch Übersetzungen in Sprachen wie Katalanisch, Jiddisch, Estnisch, Esperanto etc. (Rüter 1980:53). Bis zum Jahr 2009 wurde IWnN in 55 Sprachen übersetzt (Kiepenheuer & Witsch 2009).

Der Roman löste bereits kurz nach seinem Erscheinen zahlreiche öffentliche Reaktionen sowie politische Debatten aus. Dies wirft die Frage auf, ob der Erfolg vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass IWnN zum richtigen Zeitpunkt erschienen war (Schrader 1992:5). Um

6 Da es im Laufe der Zeit immer wieder zu zahlreichen Raubdrucken kam, kann die genaue Ausgabenzahl nicht bestimmt werden.

Seite 40 von 107 diesen Aspekt genauer zu beleuchten, werden im Folgenden mögliche Faktoren benannt, die Einfluss auf den Bekanntheitsgrad des Werkes genommen haben, und dadurch ein Versuch vorgenommen, Ursachen für den Erfolg des Romans festzumachen.

4.3.1 Mögliche Gründe für den großen Erfolg

Aufgrund der Tatsache, dass diese einzelnen Faktoren nur schwer überprüfbar sind, können über die möglichen Gründe für den Erfolg von IWnN nur Vermutungen angestellt werden.

Wie bereits eingangs erwähnt, trug die politische Debatte rund um den Roman wesentlich dazu bei, seinen Bekanntheitsgrad nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch im internationalen Kontext zu steigern. Obgleich Remarque häufig betonte, mit IWnN keine politischen Absichten zu verfolgen, wurde der Roman nichtsdestotrotz Gegenstand politischer Diskussionen. Zahlreiche Nationalisten und Befürworter des Krieges erklärten den Roman, da er nach ihren Angaben nicht die persönlichen Erlebnisse Remarques und somit nicht die Realität an der Front zeigte, zu einer Fälschung (Hüppauf 2009:180). Die vehementeste Kritik kam von Seiten der Nationalsozialisten, aber auch auf Seiten der Kommunisten wurde der Pazifismus des Werkes verurteilt (Arnold 1999:42). Überdies gab es jedoch auch Kriegsgegner, die den Roman aufgrund seines zu geringen dokumentarischen Charakters negativ kommentierten (Hüppauf 2009:180).

Mit IWnN traf Remarque Ende der 1920er-Jahre auch den Nerv der Zeit (Arnold 1999:42). In diesem Zeitraum, einer politisch-ökonomischen Krisensituation, stieg das Interesse rund um den Krieg und machte diesen wieder zu einem öffentlichen Thema. Das Land hatte den „Großen Krieg“ noch nicht bewältigt, die Bevölkerung hatte die Kriegserlebnisse noch kaum aufgearbeitet (Westphalen 2010:209). Diese Umstände trugen dazu bei, dass sich die deutsche Bevölkerung vermehrt für die damalige Kriegsliteratur begeisterte. Im Gegensatz zu der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und auch noch im Verlauf des Krieges vollzog sich nun ein Wandel innerhalb der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Einstellung zur Kriegsliteratur von den typischen Heldengeschichten hin zu authentischen Erzählungen über den Krieg. Remarque war einer der ersten AutorInnen, der diese Richtung einschlug und die Schrecken des Krieges schilderte und somit die Gattung des Kriegsromans von Grund auf veränderte. Bei ihm stand nun der einfache Soldat im Mittelpunkt, der wahrheitsgetreu über die Ereignisse an der Front berichtete. Remarque beschreibt das Leid und das Elend der Soldaten an der Front, den Schmutz, Hunger, die Angst etc. – all die Aspekte, die zuvor vom Großteil der AutorInnen der Kriegsliteratur außen vor gelassen wurden. Remarque zeigt den bedingungslosen

Seite 41 von 107 Überlebenskampf der Soldaten, die, um im Krieg zu bestehen, ihre Menschlichkeit ablegen müssen. Durch diese Beschreibungen können sich die LeserInnen, die den Krieg selbst miterlebt haben, mit den Protagonisten des Werkes identifizieren und mithilfe des Romans ihre eigenen Erlebnisse versuchen zu verarbeiten (Rüter 1980:9, 23f.). Das Werk galt für viele als „erlösende Offenbarung der Wahrheit über den Krieg“ (Westphalen 1988:15). Der Protagonist Paul Bäumer war wie sie aus einfachen Verhältnissen, verspürte keine Kriegsbegeisterung und war nicht auf Abenteuer aus. Viele sehen in IWnN nicht nur eine Beschreibung des Krieges, sondern erkennen in dem Roman auch eine Warnung an zukünftige Generationen, um einen neuerlichen Krieg zu verhindern (ibid.:15f.).

Überdies beschreibt Remarque eine allgemein gültige Thematik, die nicht ausschließlich Deutschland betrifft. Auch wenn die Handlung an der Westfront spielt, schildert Remarque keine spezifischen Schlachten und erreicht somit den Eindruck, der Konflikt könne überall stattfinden (ibid.:9). Remarque wirft Fragen auf, die nicht nur Deutschland betreffen, sondern auf jedes andere Land umgelegt werden können (Rüter 1980:54). Damit berührte er auch Menschen außerhalb Deutschlands, wodurch in weiterer Folge der Weg zu einem internationalen Erfolg geebnet wurde. Dabei spielten auch Remarques Stil – die wenig literarische Schreibweise sowie die Verwendung von Jargon und Umgangssprache – und der beinahe dokumentarische Aufbau des Werkes mit erschütternden Darstellungen der Kriegsereignisse, durch die es Remarque gelang, die breite Schicht anzusprechen, eine wichtige Rolle (ibid.:23).

All die zuvor angeführten Gründe beziehen sich auf den Inhalt beziehungsweise inhaltliche Besonderheiten des Romans. Daneben gibt es auch kommerzielle Argumente, wie die Vermarktungsstrategie durch den Ullstein Verlag, die eine wesentliche Rolle bei der Rezeption von IWnN gespielt haben. Remarque sendete, wie erwähnt, das Manuskript für IWnN zunächst an den S. Fischer Verlag, von dem es jedoch abgelehnt wurde. Der Ullstein Verlag entschied sich schließlich dazu es zu verlegen (Owen 1984:68). Der Ullstein Verlag – eines der größten und einflussreichsten Verlagshäuser in der Weimarer Republik (Rüter 1980:54) – sicherte sich das alleinige Verlagsrecht für IWnN sowie die Rechte für das folgende Werk Remarques. Überdies verpflichtete sich Remarque vertraglich dazu, bei geringem Erfolg des Werkes für die Defizite aufzukommen. Dies zeigt deutlich, dass der Herausgeber vom Erfolg des Romans nicht überzeugt war (ibid.:40).

IWnN wurde schließlich in der Vossischen Zeitung, die Teil von Ullstein war, innerhalb des Zeitraums von 10. November bis 9. Dezembers 1928 in Fortsetzungen abgedruckt. Zwei Tage

Seite 42 von 107 vor der Veröffentlichung der ersten Folge wurde diese durch einen Artikel in der Vossischen Zeitung, damals noch, wie erwähnt, unter dem Titel „Nichts Neues im Westen“, angekündigt (Owen 1984:69f.). Diese Bekanntgabe erregte bereits Aufsehen, da es zu dieser Zeit unüblich war, über die Publikation eines Romans auf diese Weise und in diesem Ausmaß zu berichten (Rüter 1980:41). Das Werk wurde als Autobiographie Remarques sowie als ein Augenzeugenbericht, der die tatsächlichen Erlebnisse des Autors an der Front beschrieb, vermarktet (Owen 1984:71f.). Diese Vermarktungsstrategie steigerte gemeinsam mit der Ankündigung, 10 Jahre nach dem Waffenstillstand zum ersten Mal die Wahrheit über den Ersten Weltkrieg aus der Sicht eines einfachen Soldaten zu zeigen, das Interesse an dem Roman. Aufgrund der überraschenden Beliebtheit der Serie in der Vossischen Zeitung beschloss Ullstein eine Buchausgabe im Propyläen Verlag, der ebenfalls Teil von Ullstein war, zu publizieren (Howind 1988:60). Das Vorgehen des Verlages führte dazu, dass es bereits vor der Veröffentlichung der letzten Folge in der Vossischen Zeitung zehntausende Bestellungen für das Buch gab (Owen 1984:69). Zusätzlich veröffentlichte Ullstein vor Erscheinen der Buchfassung eine Reihe von positiven Leserbriefen sowie kontroversen Meinungen in Bezug auf den Roman (Howind 1988:60). Überdies wurden auch am Tag der Erscheinung zahlreiche Rezensionen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften des Ullstein Verlags, aber auch in anderen Zeitungen, veröffentlicht, wodurch Millionen Menschen in Deutschland, auch jene die weniger Interesse an Literatur hatten, erreicht wurden (Rüter 1980:55). Üblicherweise wurde die erste Ausgabe eines Buches mit einer Auflage von 5-7 000 Exemplaren gedruckt. Aufgrund der positiven Reaktionen der LeserInnen der Vossischen Zeitung wurde am 31. Jänner 1929 eine Erstauflage von 30 000 Exemplaren veröffentlicht (Owen 1984:73). Nach knapp drei Wochen waren bereits 100 000 Exemplare des Romans verkauft (Harjes 1999:179), und nach zwanzig Monaten waren über acht Millionen Exemplare in 25 Sprachen erschienen (Riess 1987:76).

Um den Roman von anderen in diesem Zeitraum publizierten Werken im Bereich der Kriegsliteratur abzuheben, bewarb Ullstein – wie bereits erwähnt – das Werk als Augenzeugenbericht, wofür die Biographie des Autors abgeändert und die Kunstfigur des Autors Remarque erschaffen wurde (Howind 1988:55). Remarques frühere literarische Tätigkeiten wurden verschwiegen und sein Alter abgeändert, um dieses mit jenem des Protagonisten Paul Bäumers übereinzustimmen. Darüber hinaus gab der Verlag an, Remarque hätte sich – ebenso wie die Protagonisten des Romans – als Schüler freiwillig für den Krieg gemeldet. Tatsächlich wurde er jedoch erst nach der Schulzeit während seiner Ausbildung

Seite 43 von 107 zum Lehrer einberufen (Rüter 1980:41f.). Im Gegensatz zu dem Bild, das Ullstein kreiert hatte, schrieb Remarque jedoch nicht über seine eigenen Fronterfahrungen. Da er selbst lediglich sechs Wochen an der Front stationiert war und danach aufgrund einer Verwundung die restliche Kriegsdauer im Lazarett verbrachte, beschrieb er größtenteils die Erlebnisse anderer Soldaten an der Front, über die er aus Erzählungen seiner Kameraden erfuhr (Schrader 1992:9). Nichtsdestotrotz gibt es in IWnN auch einige Parallelen zu seinen eigenen Erfahrungen, die zum Beispiel in Szenen wie der Rekrutenzeit in der Kaserne, dem Heimaturlaub, dem Schanzdienst, der Verwundung sowie dem Lazarettaufenthalt einflossen. Aufgrund der Änderung der Reihenfolge der einzelnen Ereignisse wird jedoch klar, dass Remarque IWnN als Roman konzipierte hatte (Rüter 1980:44).

Das Schweigen Remarques – er äußerte sich zunächst nicht zu den Kontroversen hinsichtlich seiner Biographie – sowie die Spekulationen über den Wahrheitsgehalt des Werkes verstärkten die Debatte über das Buch (Howind 1988:62). Sowohl dem Verlag als auch Remarque selbst lag viel daran, die Wahrheit über seine Biographie zu verschweigen, um das Image, über seine eigenen Erfahrungen geschrieben zu haben, das heißt das Konzept eines authentischen Augenzeugenberichts, nicht zu verlieren (Rüter 1980:51).

Der Erfolg des Buches lässt sich nicht ausschließlich auf die Vermarktung durch den Verlag festmachen, er trug jedoch wesentlich zu diesem bei. Ein kleinerer Verlag wäre nicht in der Lage gewesen, ein derartiges Publikumsinteresse zu erwecken beziehungsweise eine dementsprechend große Anzahl an LeserInnen zu erreichen und ähnlich hohe Auflagenzahlen zu drucken (ibid.:56).

4.3.2 Rezeption des Roman

Wie bereits zuvor angesprochen, sorgte IWnN zur Zeit seiner Publikation (1928/29) für Furore im deutschsprachigen Raum. Ein großer Teil der Bevölkerung – auch jene, die sich wenig für Bücher interessierten – las den Roman. Dieses Interesse spiegelte sich auch an den öffentlichen Stellungnahmen zum Werk wider. Den Höhepunkt erreichten die Kommentare im April 1929, als sich jede fünfte öffentliche Stellungnahme (Leserbriefe, Rezensionen, Gegenschriften etc.) auf den Roman bezog (Harjes 1999:178-181). Zahlreiche zeitgenössische AutorInnen wie Ernst Toller, Fritz von Unruh, oder Carl Zuckmayer äußerten sich zum Werk (Rüter 1980:52). IWnN wurde in den unterschiedlichen Kreisen jedoch

Seite 44 von 107 widersprüchlich aufgenommen. Die Debatten rund um das Buch waren zwischen 1929 bis 1933 – Verbot des Buches – vor allem politischer Natur7 (Westphalen 2010:215).

4.3.2.1 Rezeption im deutschsprachigen Raum

In den demokratischen Kreisen – in der liberalen und linksliberalen Presse – wurde der Roman im Zeitraum der Erstveröffentlichung überwiegend positiv aufgenommen und erhielt in einzelnen Rezensionen zum Teil großes Lob (Rüter 1980:152). So hebt der Schriftsteller Ernst Toller die Tatsache, dass das Werk die Realität des Kriegsalltages aus Sicht eines einfachen Soldaten zeigt, positiv hervor, indem er schreibt:

Einer hat für uns Alle gesprochen, für uns Muschkoten, […] die den Krieg nicht aus der Perspektive der Generalstäbe, nicht aus Schreibstuben und Redaktionsbüros sahen, die ihn erlebten als Alltag, als furchtbaren und monotonen Alltag. […] Dieses Buch ist ganz wahrhaftig […]. Dieses Buch ist so gerecht und ungerecht, wie ein Kriegsbuch sein muß, […]. Dieses Buch ist Wirklichkeit und Vision. (Toller 1929, zit. in Rüter 1980:152) Ein weiterer Schriftsteller – Bernhard Kellermann – lobt das Werk Remarques in einer Rezension in der Berliner Morgenpost (31.1.1929) als

unvergängliches Zeitdokument, unbestechlich, erschreckend in seiner entsetzlichen Wahrheit, das Erlebnis und Qual von Millionen unbekannter junger Soldaten […] mit der Schärfe eines geschliffenen Spiegels wiedergibt, der nichts verschweigt. (Kellermann 1929, zit. in Schrader 1992:20) Und auch Walter von Molo, Präsident der Dichterakademie, rühmt das Werk als „bisher einzige neutrale Schilderung der furchtbaren Geschehen des Weltkrieges“ (Harjes 1999:183).

Darüber hinaus forderten viele – vor allem Schriftsteller wie Bernhard Kellermann, Carl Zuckmayer, Fritz von Unruh oder auch Walter von Molo – die Lektüre des Buches in Schulen, Universitäten etc. Ernst Toller schreibt dazu:

Dieses Buch sollte in Millionen Exemplaren verbreitet, übersetzt, in allen Schulen gelesen, von allen den Krieg bekämpfenden Gruppen gekauft und verschenkt werden. Es sagt mehr über das Volk und seinen Anteil am Krieg aus als dickleibige historische Wälzer und Statistiken. (Toller 1929, zit. in Rüter 1980:152) Und auch Carl Zuckmayer teilte diese Meinung, indem er erklärte: „Dieses Buch gehört in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender, und das alles ist noch nicht genug“ (Zuckmayer 1929, zit. in Schrader 1992:22). In seiner Rezension in der Berliner Illustrirte Zeitung am 31.1.1929, am Erscheinungstag des Romans, kündigte Carl Zuckmayer den Erfolg des Buches an und schreibt, Remarque zeige „zum ersten Mal

7 Die folgenden Aussagen stellen lediglich Beispiele für die Haupttendenzen der Rezeption des Romans dar.

Seite 45 von 107 ganz klar und unverwischbar – was in diesen Menschen vorging, was innen geschah […] – und darum ist es das erste Kriegsbuch, das Wahrheit gibt“ (ibid.:23).

Überdies zeigen die einzelnen Rezensionen in diesem Zeitraum – kurz nach Erscheinen des Romans – zum Teil auch große Betroffenheit. So schreibt der österreichische Schriftsteller Oskar Maurus Fontana:

Mehr als einmal kommen einem dabei die Tränen. Mehr als einmal kann man nicht weiterlesen, muß aufstehen, durch die Stube rennen, um nicht von seiner Verzweiflung, seinem Jammer erdrückt zu werden. (Fontana 1929, zit. in Rüter 1980:153) Oft schwingt in diesen Rezensionen die Hoffnung mit, dass das Buch eine pazifistische Wirkung auf die Bevölkerung haben wird und in der Lage wäre, einen erneuten Krieg zu verhindern.

Zum Teil wird der Roman aus linksliberaler Position jedoch auch angegriffen. Einzelne Rezensenten kritisieren das Fehlen einer rationalen Auseinandersetzung mit dem Krieg, da dieser nur aus der Sicht der Leidtragenden dargestellt wird und der Roman folglich nur an Gefühle appelliert. Hugo Sclutius geht noch weiter und bezeichnet den Roman als Kriegspropaganda (Rüter 1980:154f.). Beim Betrachten dieser einzelnen Rezensionen wird deutlich, dass sich im gleichen politischen Kreis entgegengesetzte Meinungen hinsichtlich des Buches herausgebildet haben. Indem unterschiedliche Passagen des Romans hervorgehoben wurden, legten sie das Buch, überspitzt dargestellt, entweder als pazifistisches Antikriegsbuch oder aber als Kriegspropaganda aus.

Kommunistische Publikationsorgane wie die Rote Fahne – eine österreichische Tageszeitung – zeigen eine starke Ablehnung gegenüber dem Roman (Rüter 1980:157). Die Kritik richtet sich vor allem an die pazifistische, unpolitische Haltung des Werkes und des Autors sowie an das Fehlen einer Lösung. Remarque suche in IWnN keinen höheren Sinn im Krieg und erforsche nicht mögliche Kriegsursachen (Westphalen 2010:213). Karl August Wittfogel warf Remarque vor, dass dieser die wahren Kriegsursachen in IWnN verschweige und bezeichnete den Roman als „Aufrüstungsliteratur“ (Wittfogel 1930, zit. in Schrader 1992:78) sowie Remarque als „Lieblingsdichter der imperialistischen Bourgeoisie und ihrer kleinbürgerlichen Mitläufer“ (ibid.:79). Fortführend begründete er den Erfolg von IWnN „[…] nicht nur für das, was darin steht, sondern eben so sehr auch für das, was nicht darin steht, oder was als Lüge und Karikatur in ihm steckt“ (ibid.:78). Auch M. Helfand bezeichnet IWnN als Lüge sowie als ideologische Kriegsvorbereitung und erklärt:

Die Besonderheit des Remarquismus besteht darin, dass durch einen Teil der Wahrheit, oder richtiger, einer Scheinwahrheit, die ganze Wahrheit über den imperialistischen Krieg

Seite 46 von 107 und die Gesellschaftsordnung, die ihn hervorgerufen hat, verdeckt wird. (Helfand 1932, zit. in Rüter 1980:157) Die stärkste Ablehnung des Romans kam aber von Seiten der politischen Rechtskräfte. Da es innerhalb ihres Lagers unterschiedliche Ausrichtungen gibt, weichen die Meinungen auch hier voneinander ab. Die extreme Rechte lehnt das Buch vollständig ab und prangert Remarque als „typische[n] Vertreter der liberalen Bourgeoisie“ (Rüter 1980:158) an. Sie sehen den Roman als pazifistische Propaganda und somit hinderlich für die Remilitarisierung des Landes (Harjes 1999:184). Dies zeigt zum Beispiel eine Rezension in der Zeitschrift Deutsche Wehr. Zeitschrift für Heer und Flotte (Berlin) aus dem Publikationsjahr 1929, die den Roman wie folgt beschreibt: „Sein Zweck ist es, der heranwachsenden Jugend eine unüberwindliche Abscheu vor dem Kriege, überhaupt vor allem Militärischen, ins Herz zu senken“ (Freiherr v. d. Goltz 1929, zit. in Schrader 1992:84). Der Rezensent dieses Artikels räumt ein, dass der Roman sehr gut geschrieben ist und die Kampfszenen packend und dramatisch dargestellt sind, erklärt jedoch, wie im vorhergehenden Zitat herauszulesen ist, dass der Roman dadurch vor allem für die Jugend besonders gefährlich ist und sieht ihn als Diffamierung des deutschen Heers (ibid.:85). Zum Teil fordert die politische Rechte auch auf, gegen den Pazifismus des Werkes anzukämpfen. Oskar Fritsch schreibt in diesem Zusammenhang:

Wir müssen uns dagegen wehren, daß das Bild des in diesem Buche gezeichneten, erbitterten, verrohten und im Innersten disziplinlosen Kriegsfreiwilligen uns […] von Literateneigenmacht als Denkmal des deutschen Frontsoldaten aufgezwungen wird. (Fritsch 1929, zit. in Rüter 1980:159) Ein Großteil der Kritik der Nationalisten bezieht sich auf die Schilderung des Krieges im Roman. Dabei kritisiert zum Beispiel Erich Limpach die fehlende Beschreibung der positiven Aspekte des Krieges und schreibt dazu, Remarque schildere

[…] realistisch den Krieg in Feld und Heimat, so wie er auch war, mit seiner Not, seiner Häßlichkeit und seinem Kleinkram, doch seine Höhepunkte, die jeder wahre Frontsoldat erlebt, werden geschickt verschwiegen, und vergebens sucht man nach einem Hinweis, daß der Krieg nicht nur vernichtete, sondern daß in ihm auch Unvergängliches entstanden ist – daß er für alle die, die ihn zu tiefst erlebt, ein unversiegbarer Kraftquell wurde. (Limpach 1929, zit. in Schrader 1992:36) Laut Limpach fühlten sich die Soldaten nicht durch den Ersten Weltkrieg zerstört, sondern von ihm geläutert:

Die wenigsten Frontsoldaten, die diese Besprechungen oder die genannten Bücher gelesen haben, werden sich dabei darüber klar geworden sein, daß hier Maulwürfe am Werke sind, die in geschickt getarnter Weise das wahre Kriegserlebnis fälschen und ins Negative zerren wollen. (Ibid.)

Seite 47 von 107 Die stärkste Kritik kam von den Publikationsorgangen der Nationalsozialisten. Deutlich wird diese Ablehnung zum Beispiel im folgenden Zitat von Hans Zöberlein im Völkischen Beobachter (1929), der zentrale Aussagen des Romans verdreht und über das Werk schreibt:

Es ist eine jauchzende Entschuldigung der Deserteure, Überläufer, Meuterer und Drückeberger und somit ein zweiter Dolchstoß an der Front, an den Gefallenen aber eine Leichenschändung. (Zöberlein 1929, zit. in Rüter 1980:160) In der zweiten Hälfte des Jahres 1929 begannen die politischen Rechtskräfte Remarque in der Presse einzukreisen, indem sie zahlreiche Gegenschriften – wie Contra Remarque. Im Westen wohl was Neues (1931) von Franz Arthur Klietmann – die den Roman aber auch den Autor selbst angriffen, verfassten (Harjes 1999:184f.). Klietmann übernahm, in Anlehnung an das Original, den einleitenden Satz des Autors und veränderte ihn folgendermaßen:

Dieses Buch soll eine Anklage sein gegen einen Degenerierten, welcher versucht, deutschen Heldengeist zu besudeln, nur, weil sein ausgemergeltes Mark und sein mutwillig entnervter Leib, durch eigene Hand zerstört, nicht fassen konnte, was das große Ringen dem deutschen Frontsoldaten gab. (Klietmann 1931, zit. in Harjes 1999:185) Um gegen den Erfolg des Buches zu wirken und Remarque zu diskreditieren, behauptete die nationalistische und nationalsozialistische Presse zusätzlich, Remarque wäre ein Jude und sein Geburtsname Kramer – der Nachname Remark umgedreht (Owen 1984:9). Diese Lüge findet sich zum Teil auch heute noch in Lexika wieder (Riess 1987:78). All diese Bemühungen führten schließlich zum Verbot des Buches im Jahr 1933 und in weiterer Folge zur Verbrennung zahlreicher Werke Remarques (Harjes 1999:185).

Im Allgemeinen behandeln viele Rezensionen, sowohl positive als auch negative, vor allem die Authentizität und den Wahrheitsgehalt des Romans (Harjes 1999:182f.). Die große Resonanz des Werkes trug stark zur Zunahme der veröffentlichten Kriegsbücher in diesem Zeitraum bei (Rüter 1980:52). Keines dieser Kriegsbücher konnte jedoch an den Erfolg von IWnN anschließen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde das Verbot des Romans im Westsektor aufgehoben, woraufhin IWnN erneut publiziert wurde (Rüter 1980:167). Es gilt in diesem Zeitraum als „Paradigma kriegskritischer Literatur“ (ibid.). In den 1950er- und 1960er-Jahren sinkt die Diskussion im Hinblick auf den Roman und Remarques Exilromane sowie der KZ- Roman Der Funke Leben (1905), wobei der Großteil der antifaschistischen Passagen bereits bei deren Publikation gekürzt wurde, rücken in den Mittelpunkt der Debatten. Der Einfluss von IWnN auf die Kriegsliteratur nach 1945 ist gering. Jedoch finden sich immer wieder Anlehnungen an den Roman, und er diente häufig als Informationsquelle für Beschreibungen des Kriegsalltages (ibid.:168).

Seite 48 von 107 Bis heute wurde eine Gesamtauflage von über 20 Millionen Exemplaren des Romans in über 50 Sprachen verkauft (Langels 2014). IWnN ist aktuell überall erhältlich und zum Teil auch auf den Lehrplänen von Schulen zu finden (Schrader 1992:15). Häufig werden auch einzelne Passagen des Romans verwendet, um gegenwärtige politische Ereignisse zu kommentieren (Chambers/Schneider 2001:8). Dies zeigt die Bedeutung, die der Roman auch heute noch besitzt.

4.3.2.2 Internationale Rezeption Remarques

Die Rezeption Remarques und seiner Werke kontrastierte im Laufe der Jahre je nach Land stark. Bei der Betrachtung der Rezeptionsgeschichte der Werke Remarques wird deutlich, dass die verschiedenen Werke und somit auch IWnN in den einzelnen Ländern unterschiedliche Stellenwerte besitzen und Remarque keineswegs, wie oft dargestellt, ein „Ein-Buch-Autor“ (Schneider 2002:145) ist. Remarques Werke wurden in insgesamt 60 Sprachen verlegt, wobei IWnN mit 53 Sprachen8 das am meisten übersetzte Werk darstellt, dicht gefolgt von Der Weg zurück und Zeit zu leben und Zeit zu sterben, die jeweils in 40 Sprachen übersetzt wurden, und Drei Kameraden (in 38 Sprachen). Jedoch gibt es Sprachen, in die IWnN nicht übersetzt wurde, andere Werke Remarques wiederum schon. Dies zeigt, dass Remarque nicht nur als Autor von IWnN bekannt ist, sondern ebenso Interesse an anderen Romanen besteht. Remarques Popularität in den einzelnen Ländern lässt sich auch anhand der Anzahl der verlegten Werke in den unterschiedlichen Sprachen ablesen. Dabei wird ein Schwerpunkt in Mittel- und Osteuropa deutlich. So steht an erster Stelle das Deutsche mit 21 verlegten Werken, gefolgt von Russisch (20 verlegte Werke) und Bulgarisch (19). Die Anzahl der verlegten Werke im englischsprachigen Raum beträgt lediglich 13 Werke (ibid.:146-151).

Die Anzahl der Ausgaben im Zeitraum zwischen 1920 und 2001 sowie der Zeitpunkt der jeweiligen Herausgabe bringen folgende Erkenntnisse: Zum einen besitzt IWnN mit 608 Ausgaben deutlich die höchste Ausgabenzahl. In Bezug auf den Zeitpunkt der einzelnen Publikationen ist der Erfolg des Romans im Jahr 1929 – mit 122 Ausgaben – klar erkennbar. Aufgrund der weltpolitischen Situation gingen die Ausgabenzahlen der Werke Remarques in den 1930er- und 1940er-Jahren stark zurück. Erst im Jahr 1952 kann ein stetiger Anstieg der Ausgabenzahl aufgrund der kontinuierlichen Publikation von Neuausgaben verzeichnet werden. Das zweiterfolgreichste Jahr nach 1929 im Hinblick auf die Anzahl der Ausgaben ist

8 Diese Angabe stammt aus dem Jahr 2002. Aktuell liegt die Zahl der Übersetzungen von IWnN bei 55 (Kiepenheuer & Witsch 2009).

Seite 49 von 107 1998, in dem anlässlich Remarques 100. Geburtstag zahlreiche Neuauflagen in Auftrag gegeben wurden (ibid.:151-156). Nach IWnN sind Arc de Triomphe (279 Ausgaben) und Drei Kameraden (255 Ausgaben) jene Werke mit den höchsten Ausgabenzahlen. Im Allgemeinen lassen sich an den Ausgabenzahlen nur wenige Besonderheiten hinsichtlich der Popularität einzelner Werke ablesen. Sie zeigen jedoch deutlich, dass Remarque keineswegs nur aufgrund von IWnN bekannt ist, dieses jedoch den Grundstein für seine Popularität weltweit bildete (ibid.:157f.).

4.3.3 US-amerikanische Verfilmungen

Bereits im Jahr 1930 wurde das Buch von Universal Pictures unter der Regie von Lewis Milestone verfilmt (Chambers/Schneider 2001:12). Im selben Jahr gewannen in Deutschland die Nationalsozialisten die Reichstagswahlen und zogen somit in den Reichstag ein. Überdies bestand aufgrund der Weltwirtschaftskrise ein enormer Rechtsruck. Die nationalkonservativen Kräfte Deutschlands wollten die US-amerikanische Verfilmung All Quiet on the Western Front – nach dem Titel der englischsprachigen Übersetzung des Werkes – verbieten. Als der Film ohne Probleme durch die Zensur kam, sendete Goebbels SA- Truppen zur Premiere in Berlin, um dort für Unruhen zu sorgen und so das Verbot des Filmes zu erzwingen (Schrader 1992:12). Diese Truppen ließen weiße Mäuse im Kinosaal frei und warfen Stinkbomben in die Menschenmenge. Darüber hinaus organisierte Goebbels Demonstrationen vor dem Kino gegen den Film und gegen den Autor des Romans, ließ Menschen verprügeln, schikanieren und bedrohen. Dies führte dazu, dass der Film noch im selben Jahr in Deutschland verboten wurde (Owen 1984:76, 163). Die österreichischen Nationalsozialisten erreichten mit ähnlichen Methoden ebenfalls das Verbot des Filmes. In Deutschland wurde der Film bereits Ende 1931 wieder gezeigt, in Österreich blieb das Verbot bis Ende der 1980er-Jahre aufrecht (Schrader 1992:13f.). Der Film wurde auch in anderen Ländern mit rechten Regimen wie Italien (ab 1930) oder Japan (ab 1937) über einen längeren Zeitraum verboten. Öffentliche Vorführungen wurden in Ungarn und Polen (jeweils 1931) unterbunden. Überdies kam es zu kurzzeitigen Verboten in China und Neuseeland sowie in der Türkei (1931). In der Sowjetunion war zu Stalins Regierungszeit die Vorführung von IWnN zwar nicht untersagt, der Film wurde jedoch nicht vertrieben und erst im Jahr 1991 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Chambers/Schneider 2001:14). Trotz all dieser Verbote wurde der US-amerikanischen Verfilmung große Popularität zuteil. Im Jahr 1939 kam es in den USA zu einer Neuausgabe des Filmes, in der einerseits aufgrund des Inhalts und andererseits aufgrund der Filmlänge einige Kürzungen und Auslassungen durchgeführt

Seite 50 von 107 wurden. Erst im Jahr 1950 wurde der gesamte Film vom Museum of Modern Art in New York zusammengestellt, und seither wird wieder die vollständige Version gezeigt (Owen 1984:163f.). 1979 entstand eine Neufassung des Films unter der Regie von Delbert Mann, die weniger erfolgreich war als ihr Vorgänger. Dennoch zeigt diese Neuverfilmung, dass die in IWnN behandelte Thematik auch nach 50 Jahren stets aktuell bleibt (Flau 1988:119).

All Quiet on the Western Front zählt seit seiner Uraufführung zu den Klassikern der englischsprachigen Filmgeschichte sowie als Antikriegsfilm par excellence (ibid.:116). Sowohl das Buch als auch der Film halfen dabei, die Auffassung über den Ersten Weltkrieg langsam zu verändern (Chambers/Schneider 2001:12). Der Regisseur Lewis Milestone hielt sich weitgehend an das Buch von Erich Maria Remarque, schuf jedoch trotzdem ein eigenständiges Werk (Flau 1988:116). Im Gegensatz zum Roman ergänzte er den Film mit Humor und Liebesgeschichten und gab diesen Szenen auch einen größeren Stellenwert, um dem Geschmack des Publikums gerecht zu werden, das seiner Meinung nach nicht ausschließlich das Elend des Krieges sehen wollte. Positive Kritik erhielt vor allem die realistische Darstellung der einzelnen Schlacht- beziehungsweise Kampfszenen (Chambers/Schneider 2001:12f.).

Die Popularität des Filmes – vor allem im englischsprachigen Raum – lässt sich auch an den erhaltenen Auszeichnungen erkennen. Die englische Verfilmung von IWnN erhielt zwei Oscars – für den „Besten Film“ und die „Beste Regie“. Überdies hatte der Film, ebenso wie das Buch, eine enorme politische Wirkung und löste zahlreiche Debatten aus. Kaum ein anderer Film hatte diese Wirkung auf ein Land (ibid.:14f.).

Unerlässliche Grundlage der Verfilmung war die englische Übersetzung von Arthur Wesley Wheen aus dem Jahr 1929.

4.4 Die beiden englischen Übersetzungen

Die beiden englischen Übersetzungen, die Gegenstand der nachfolgenden Analyse sind, wurden in einem zeitlichen Abstand von 65 Jahren publiziert. Die erste Übersetzung aus dem Jahr 1929 wurde vom Verlagshaus Little, Brown and Company herausgegeben und von Arthur Wesley Wheen, einem Bibliothekar sowie Soldaten im Ersten Weltkrieg, übersetzt. Die zweite englische Übersetzung wurde im Jahr 1994 von Jonathan Cape Ltd. in London publiziert und von Brian Murdoch übersetzt.

Seite 51 von 107 4.4.1 All Quiet on the Western Front von Arthur Wesley Wheen (Ü1)

Die erste englische Übersetzung entstand im Publikationsjahr des deutschen Originals (1929) und wurde von Little, Brown and Company – einem von Charles Little und James Brown im Jahr 1837 „for the purpose of Publishing, Importing and Selling Books“ (Hachette Book Group [2012]) gegründeten Verlagshaus – herausgegeben. Die in der Analyse verwendete Ausgabe der englischen Übersetzung wurde im Jahr 1982 von Ballantine Books, das Teil der Verlagsgruppe Random House Inc. ist, in New York veröffentlicht. Random House umfasst aktuell 45 Buchverlage, darunter Goldmann, Heyne, Knaus, btb, DVA, das Güterslohner Verlagshaus und C. Bertelsmann (Verlagsgruppe Random House GmbH [2010]).

Die Übersetzung des deutschen Originals wurde von Arthur Wesley Wheen durchgeführt. Arthur Wheen, geboren am 9. Februar 1897 in Sunny Corner in New South Wales, war wie Erich Maria Remarque Soldat im Ersten Weltkrieg. Aufgewachsen in einer streng gläubigen Familie – sein Vater war Engländer und Pfarrer der wesleyanischen und methodistischen Kirche, seine Mutter Australierin – durchlief er eine klassische Erziehung (Gordon Public School, Sydney Boys High School, Kunststudium an der University of Sydney). Seine Kindheit wurde stark von der Religion seiner Eltern beeinflusst und bildete seinen Charakter sowie seine Persönlichkeit. Von 1915 bis 1919 war er als Signalgeber für die Australian Imperial Force im Ausland tätig – unter anderem in Ägypten und in Frankreich an der Front in Fromelles und an der Front an der Somme etc. (Ramsland 2015:85-89). Für seinen Einsatz an der Front im Ersten Weltkrieg erhielt Arthur Wheen die „Military Medal“ sowie den Dienstgrad des „Lieutenant“ (O’Neill 1990). Im September 1918 kehrte er nach einer erneuten Verwundung nach Sydney zurück und setzte danach mit einem Rhodes-Stipendium seine Ausbildung am New College in Oxford fort. Er wollte den Krieg und die Front sowie auch seine Kindheit und die religiöse Indoktrination seiner Wesleyanischen Familie hinter sich lassen. Nach seiner Kriegserfahrung existierte Gott für ihn nicht mehr (Ramsland 2015 86). Er war vom Krieg physisch sowie psychisch gekennzeichnet, litt an Albträumen und war aufgrund seiner Kriegsverwundung invalid. Im Jahr 1924 begann er in der Bibliothek des Victoria and Albert Museum in Kensington zu arbeiten. Er wurde bald als Intellektueller und Linguist bekannt, verkehrte regelmäßig in Dichter- und Schriftstellerkreisen und versuchte sich auch selbst an der Schriftstellerei. Sein Antikriegsroman Two Masters (1924, London Mercury), in dem er über seine Erfahrungen in Ägypten und an der Somme schrieb, blieb jedoch das einzige von ihm veröffentlichte Werk. Er wurde vor allem für seine Übersetzungstätigkeit aus dem Deutschen, insbesondere für die englische Übersetzung von

Seite 52 von 107 IWnN, bekannt. Bereits kurz nach der Veröffentlichung der Übersetzung konnten eine halbe Million Exemplare verkauft werden. Die englische Übersetzung leistete auch einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Romans sowie der Hollywood-Verfilmung (1930, Lewis Milestone). Die Übersetzung von Arthur Wheen wurde von Remarque anerkannt und ist bis heute im Handel erhältlich (ibid.:94f.). Daneben übersetzte Wheen noch vier weitere deutsche Kriegsromane – zwei davon von Remarque – sowie eine wissenschaftliche Abhandlung zu Virgil und ein Buch über die Kunst der Buschmänner. Er lebte gemeinsam mit seiner Frau Aldwyth Lewer und seinen beiden Töchtern in Buckinghamshire (O’Neill 1990). Wheen verstarb am 15. März 1971 im Amersham Hospital in Buckinghamshire, wo er auf seinen eigenen Wunsch ohne religiöse Zeremonie eingeäschert wurde (Ramsland 2015:96).

4.4.2 All Quiet on the Western Front von Brian Murdoch (Ü2)

Die zweite englische Übersetzung aus dem Jahr 1994 wurde in London von Jonathan Cape Ltd., welches als Teil des Penguin Random House eine der bekanntesten Verlagsgruppen Englands darstellt, herausgegeben. Das in der Analyse verwendete Exemplar aus dem Jahr 1996 wurde von Vintage Books – auch Teil von Penguin Random House – in London herausgegeben (Penguin Books Ltd. [2019]). Übersetzt wurde es von Brian Murdoch, emeritierter Professor an der University of Sterling in England (University of Sterling [2017]). Bis heute ist die erste Übersetzung von Wheen die bekanntere der beiden und vorrangig erhältlich.

Brian Murdoch, geboren 1944, absolvierte ein Studium der Germanistik in Exeter, promovierte im Jahr 1965 in Cambridge, wo er im Jahr 1991 den akademischen Grad „Litt. D.“ (Doctor of Letters) erhielt (Arnold 2001:103). Von 1991 bis 2007 war er Professor der Germanistik an der University of Stirling. Zu seinen wichtigsten Forschungsbereichen zählen das mittelalterliche Deutschland, die Kelten und andere Literaturen, im Speziellen mittelalterliche Apokryphen, sowie die Literatur der beiden Weltkriege. Er gab zwei Essay- Sammlungen heraus – eine davon Critical Insights – All Quiet on the Western Front (2010). Unter anderem verfasste er enzyklopädische Arbeiten und schrieb verschiedene Artikel für Sammelbände über den Ersten Weltkrieg sowie Abhandlungen über Kriegsliteratur. Daneben arbeitet er auch als literarischer Übersetzer und übersetzte IWnN oder auch Walter Flex’s Kriegsroman Der Wanderer zwischen zwei Welten ins Englische (University of Sterling [2017]). Im Rahmen seiner Übersetzung von IWnN gibt Murdoch an, diese anhand der ersten Ausgabe (1929, Propyläen Verlag) verfasst zu haben. Den englischen Titel übernahm Murdoch von Arthur Wesley Wheen, auch wenn dieser laut Murdoch nicht genau auf den

Seite 53 von 107 deutschen Originaltitel zutrifft. Er begründet seine Entscheidung mit der Tatsache, dass Wheens Titel bereits Teil der englischen Sprache war (Murdoch 1994).

Über die Gründe, warum es erst nach 65 Jahren zu einer neuen englischen Übersetzung kam und warum dies gerade im Jahr 1994, das keine Besonderheiten in Bezug auf das Leben Remarques – wie zum Beispiel ein Jubiläum – aufweist, geschah, gibt es in der Literatur keine näheren Informationen9. Die Frage nach den Gründen, die einen Verlag dazu bewegen, einen Klassiker, wie es bei IWnN der Fall ist, neu übersetzen zu lassen, ist durchaus interessant, jedoch schwer überprüfbar.

9 Auf Anfrage beim Verlagsarchiv der zweiten englischen Übersetzung (Penguin Random House) konnte herausgefunden werden, dass diese anlässlich eines Jubiläums im Jahr 1994 veröffentlicht wurde. Über die Art des Jubiläums gab es jedoch keine genaueren Auskünfte. Es lässt vermuten, dass es sich dabei um den Beginn des Ersten Weltkrieges (1914) handelt, der sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährte.

Seite 54 von 107 5 Die Welt der Neuübersetzungen

Ähnlich wie Schönheitsideale ändern sich im Laufe der Jahre auch die Ansprüche an eine Übersetzung (Bereza 2013:7). Diese Tatsache trägt zur Entstehung von sogenannten Neuübersetzungen bei. Eine Neuübersetzung wird definiert als „a reiterative and a multiplicative event which gives rise to a second, third, ad infinitum target language instantiation of a source text” (Deane-Cox 2014:1), das heißt es wird eine erneute Übersetzung von bereits übersetzten Texten in der gleichen Sprache durchgeführt. Dabei kann von keinem bestimmten Rhythmus, in dem Neuübersetzungen erstellt werden, ausgegangen werden. Im Regelfall entsteht eine zweite beziehungsweise spätere Übersetzung vor allem zu Klassikern, die bereits über einen längeren Zeitraum auf dem Markt sind. Aber auch aktuellere Werke beziehungsweise weniger kanonisierte Texte können Gegenstand einer Neuübersetzung werden (Desmidt 2009:670). Darüber hinaus können Übersetzungen in ein und dieselbe Sprache durchaus auch simultan beziehungsweise nahezu simultan ablaufen – wie beispielsweise Émile Zolas Roman Nana, bei dem es aufgrund von unterschiedlichen Erwartungen von Seiten des Publikums zeitgleich zur Herausgabe von zwei englischen Texten kam. Dadurch können Schwierigkeiten bei der Bestimmung der ersten Übersetzung auftreten (Koskinen/Paloposki 2010a:33).

Eine Neuübersetzung wird oft als „zweites Leben“ für ein literarisches Werk betrachtet, mit deren Hilfe ein Buch neu entdeckt werden kann. Überdies kann eine Neuübersetzung die Möglichkeit bieten, den LeserInnen das Original ohne gröbere Veränderungen – wie es womöglich bei der ersten Übersetzung aus verschiedenen Gründen nicht der Fall war – näherzubringen und eine neue Sichtweise auf das Werk zu zeigen. In den meisten Fällen werden Neuübersetzungen positiv aufgenommen, da sie als Verbesserung im Vergleich mit der ersten, zuweilen als „fehlerhaft“ bezeichneten Übersetzung gesehen werden (Bereza 2013:33f.).

Auch wenn eine neue Übersetzung eines Werkes durchgeführt wird, bedeutet dies nicht zwingend, dass beide existierenden Übersetzungen mithilfe der gleichen Textvorlage, das heißt dem gleichen Ausgangstext, gearbeitet haben. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen der Ausgangstext anlässlich einer zweiten beziehungsweise weiteren Übersetzung abgeändert wurde, wie dies beispielsweise bei der im Jahr 2006 erschienenen deutschen Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht der Fall ist. Die Übersetzerin Claudia Ott verwendete für ihre Übersetzung eine neue Textvorlage, die dem deutschen Publikum bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war (Bereza 2013:44). Diese Übersetzungen werden ebenso als

Seite 55 von 107 Neuübersetzungen charakterisiert. Dies sowie die Tatsache, dass verschiedene WissenschaftlerInnen zusätzlich Relais-Übersetzungen – indirekte Übersetzungen, die eine bereits übersetzte Version des Originaltextes als Ausgangstext hernehmen (Koskinen/Paloposki 2010b:294) – und auch Revisionen oder Adaptionen zu Neuübersetzungen zählen, wirft die Frage nach der Korrektheit beziehungsweise der Definition des Begriffs „Neuübersetzung“ auf (Bereza 2013:44).

Auch die Identifizierung und Klassifizierung von Neuübersetzungen ist problematisch. Da Neuübersetzungen in bibliographischen Datenbanken zumeist nicht als solche ausgewiesen sind, gestaltet sich die Suche nach ihnen langwierig und kompliziert. Überdies ist zu beachten, dass die Angabe von unterschiedlichen ÜbersetzerInnen bei zwei Texten nicht bedeuten muss, dass die beiden sich voneinander unterscheiden. Es besteht die Möglichkeit, dass zwei verschiedene Verlage die gleiche Übersetzung drucken oder Übersetzungen zu verschiedenen Zeiten gedruckt werden, der Text selbst jedoch keine Änderungen aufweist (Koskinen/Paloposki 2010a:36).

5.1 Warum ein Werk neu übersetzen?

Generell kann es viele Gründe für eine Neuübersetzung geben, wie zum Beispiel ein Jubiläum (z.B. 100-jähriger Geburtstag Remarques) oder eine mangelhafte Erstübersetzung. Überdies besteht die Möglichkeit, mithilfe einer neuen Übersetzung ein Werk neu aufleben zu lassen und dieses an das aktuelle Zielpublikum anzupassen, da die Sprache eines über 60 Jahre alten Textes für ein zeitgenössisches Publikum befremdlich und ungewohnt erscheinen kann.

Viele WissenschaftlerInnen im Bereich der Neuübersetzungen legen den Fokus auf das Altern einer Übersetzung. Die Sprache einer Übersetzung altert im Laufe der Zeit und stimmt nicht mehr mit den aktuell vorherrschenden Standards in Bezug auf Genauigkeit und einen originalgetreuen Wortlaut überein. Dies bedingt in weiterer Folge eine neue Übersetzung des Textes, um die Sprache an die Gegenwartssprache anzupassen (Koskinen/Paloposki 2010a:29f.). Eine erste Übersetzung, die bereits kurz nach der Publikation des Originals entstanden ist, verfügt womöglich noch über wenige Informationen in Bezug auf den Ausgangstext, den/die Autor/in und die Ausgangskultur sowie die Rezeption des Textes und des/der Autors/in in der Zielkultur. Diese stehen einem/r Übersetzer/in im Laufe der Jahre schrittweise zur Verfügung. Bei einer späteren Übersetzung können all diese Faktoren berücksichtigt und genützt werden, um die Erstellung einer „vollständigeren“ Übersetzung zu ermöglichen (Koskinen/Paloposki 2010b:296).

Seite 56 von 107 Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass sich aufgrund der Tatsache, dass sich Kulturen stetig weiterentwickeln, die Sicht einzelner Generationen auf Übersetzungen ändert und diese andere Ansprüche an eine Übersetzung stellen. Die existierende Übersetzung erfüllt womöglich nicht (mehr) die aktuellen Vorstellungen der LeserInnen, wodurch der Wunsch nach einer Neuübersetzung laut wird (Desmidt 2009:670). Überdies kann eine neue Übersetzung beauftragt werden, die einen anderen Zweck verfolgt als die bereits existierende Übersetzung (Bereza 2013:45). So kann ein Text zum Beispiel für pädagogische Zwecke, oder um ihn an ein spezifisches Zielpublikum anzupassen, abgeändert werden.

Zusammenfassend ist mit Bereza festzustellen, dass es zahlreiche mögliche Gründe für eine neue Übersetzung gibt. Dazu zählen, wie bereits erwähnt, Neuübersetzungen anhand einer veränderten Textvorlage sowie Neuübersetzungen, um die Sprache an die Gegenwartssprache anzupassen. Überdies bespricht Bereza auch Neuübersetzungen, die die zeitgenössische Sprache des Originals wieder aufgreifen sowie Neuübersetzungen, um einen Text im Gegensatz zur ersten Übersetzungen ohne Zensur und Verfälschung zu publizieren. Sie zählt auch größere Veränderungen am Text, zum Beispiel für eine Neuinszenierung im Theater, zum Feld der Neuübersetzungen. Neuübersetzungen können schließlich nach Bereza auch für Anthologien verfasst werden oder, wie zuvor genannt, eine andere Funktion als das Original verfolgen und so beispielsweise als feministische Übersetzung angefertigt werden (ibid.:45).

5.2 Die Retranslation Hypothesis (RH)

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts beschäftigen sich WissenschaftlerInnen verstärkt mit dem Thema der Neuübersetzungen. Der Großteil der Studien findet im Bereich des literarischen Übersetzens statt und untersucht überwiegend Werke, die bereits den Status eines Klassikers innehaben (Desmidt 2009:670). Neuübersetzungen stehen in engem Zusammenhang mit der Entstehung eines literarischen Kanons. So leisten Neuübersetzungen einen bedeutenden Beitrag dazu, dass ein Werk zu einem Klassiker ernannt wird, und der Status eines Klassikers führt wiederum häufig zur Beauftragung einer weiteren Neuübersetzung (Koskinen/Paloposki 2010b:295).

Das Interesse an der Erforschung von Neuübersetzungen steigt zwar stetig, doch ein stichhaltiges, empirisches und konzeptionelles Verständnis von Neuübersetzungen bleibt dennoch bis zu diesem Zeitpunkt undefiniert. Es bedarf noch viel Forschung in diesem Gebiet, um dieses komplexe Phänomen verstehen zu können (Deane-Cox 2014:1).

Seite 57 von 107 Eine Hypothese, die in der Translationswissenschaft Eingang gefunden hat, ist die sogenannte Retranslation Hypothesis (RH). Laut dieser Hypothese ist die erste Übersetzung eines Werkes zielkulturorientiert, das heißt stärker domestiziert als eine Neuübersetzung, da der/die Autor/in erst in die Kultur eingeführt wird (Koskinen/Paloposki 2004:27f.). Um die Akzeptanz des Zielpublikums zu erhalten, wird der Text an die Normen der Zielkultur angepasst und weicht folglich stärker vom Original ab. Neuübersetzungen hingegen sind laut dieser Hypothese eher ausgangstextzentriert. Die LeserInnen sind bereits mit dem/der Autor/in vertraut, wodurch der Bedarf für eine neue Übersetzung, die sich nicht mehr an der Zielkultur, sondern am Ausgangstext orientiert und bei der folglich verfremdende Übersetzungsstrategien angewendet werden, entsteht (Desmidt 2009:671).

Bereits Goethe beschäftigte sich mit dem Thema der Neuübersetzungen und setzte damit den ersten Schritt zur Entwicklung der RH. Laut Goethe ändert sich der Zweck einer jeden Neuübersetzung abhängig von der jeweiligen Rezeptionsphase der Ausgangskultur in der Zielkultur. Er unterscheidet folglich drei Übersetzungsphasen: Die erste Übersetzung führt das Werk in eine fremde Kultur ein und macht das Publikum mit der Ausgangskultur vertraut. Bei der zweiten Übersetzung ist es die Aufgabe des/der Übersetzers/in, sich in die fremde Situation hineinzuversetzen und diese als seine/ihre eigene darzustellen. Das Ziel der dritten Übersetzung ist es schließlich, eine perfekte Identität mit dem Original zu erreichen und dadurch das Lesepublikum zum Ausgangstext zurückzuführen (Goethe 2013/1819:223ff.).

Antoine Berman beschäftigte sich ebenso mit dem Thema der Neuübersetzungen. Seine Überlegungen beim Versuch, das Entstehen von Neuübersetzungen zu begründen, führten weitergehend zu jener Hypothese, die heute unter dem Begriff „Retranslation Hypothesis“ bekannt ist. Laut Berman (1990) ist jede erste Übersetzung fehlerhaft und plump. Mithilfe dieser ersten Übersetzung kann in weiterer Folge jedoch eine „vollendete“ Übersetzung erreicht werden, die die Essenz des Ausgangstextes in die Zielsprache überträgt. Berman vertritt die Meinung, dass alle guten Übersetzungen Neuübersetzungen sind und spricht weitergehend von „great translations“, die das Original, das zunächst von der ersten Übersetzung verschleiert wurde, zurück ans Licht bringt und seine Bedeutung wiederherstellt. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Faktor Zeit, da sich ein/e Übersetzer/in lediglich durch Zeit und Erfahrung das nötige Wissen aneignen kann, um dem Ausgangstext gerecht zu werden (Berman 1990:1-7). Berman gilt aufgrund seines Beitrages in diesem Feld als Begründer der sogenannten „Retranslation Studies“, welche sich mit dem Thema der Neuübersetzungen beschäftigen (Widman 2019:148).

Seite 58 von 107 Die aktuelle Forschung im Bereich der RH bringt sowohl Beweise für als auch gegen diese Hypothese. Im Großen und Ganzen stimmt die Forschung darin überein, dass die RH nicht auf alle Neuübersetzungen anwendbar ist (Desmidt 2009:678). Auch wenn es zahlreiche Fälle gibt, bei denen die erste Übersetzung domestiziert wird und die zweite beziehungsweise die weiteren Übersetzungen wieder näher zum Original zurückkehren und diese somit in das Schema der RH passen, gibt es zahlreiche andere, bei denen dies nicht der Fall ist und das Schema genau umgedreht wurde. Des Weiteren liegen Übersetzungen vor, bei denen die Frage der Domestizierung beziehungsweise Anpassung einer Übersetzung an die Zielkultur im Gegensatz zur Verfremdung beziehungsweise der Orientierung am AT keine Rolle spielt (Koskinen/Paloposki 2004:36). Eine Schwierigkeit bei der Erforschung der RH besteht darin, Konzepte, wie die Nähe am Original oder die Richtigkeit einer Übersetzung, zu erfassen. Theoretische Arbeiten zu Neuübersetzungen besprechen daher eine Reihe unterschiedlicher Ansätze und Untersuchungsmethoden und wenden verschiedene Vergleichseinheiten bei der Untersuchung der Texte an. Dies erschwert laut Koskinen und Paloposki den Vergleich einzelner Ergebnisse von vorliegenden Studien (Koskinen/Paloposki 2010a:30). Darüber hinaus werden externe Faktoren, die eine Übersetzung beeinflussen, von der RH zumeist nicht miteinbezogen. Demnach besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass eine Neuübersetzung ohne Wissen über eine erste Übersetzung durchgeführt wurde und daher die Übersetzungsentscheidungen der RH widersprechen (Deane-Cox 2014:5).

Einige neue Aspekte, mit denen sich die aktuelle Forschung im Bereich der „Retranslation Studies“ beschäftigt, schließen beispielsweise die involvierten AkteurInnen, wie Verlage, ÜbersetzerInnen etc., sowie den Buchmarkt aber auch die Rezeption der LeserInnen, die eine immer größere Rolle bei der Untersuchung von Neuübersetzungen einnimmt, mit ein (Berk Albachten/Tahir Gürçağlar 2019a:3).

Eine aktuelle Studie wurde von Özlem Berk Albachten und Şehnaz Tahir Gürçağlar (2011- 2016) an der Bosporus-Universität in Istanbul durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie erstellten die beiden eine Bibliographie von neuübersetzten Werken ins Türkische, um mithilfe dieser Datenbank weiter Forschung im Bereich der Übersetzung und Neuübersetzung in der Türkei zu ermöglichen. Anhand der erstellten Datenbank untersuchten Berk Albachten und Tahir Gürçağlar soziale, kulturelle sowie ideologische Gründe für Neuübersetzungen sowie Funktionen, die Neuübersetzungen in unterschiedlichen Perioden in der Türkei eingenommen haben (Berk Albachten/Tahir Gürçağlar 2019b:216f.).

Seite 59 von 107 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gründe für die Neuübersetzung eines Werkes zahlreich sein können. Sie bleiben den LeserInnen, wie es auch bei IWnN der Fall ist, meist verborgen. Der Begriff Neuübersetzung schließt neben zweiten und späteren Übersetzungen auch Übersetzungen anhand neuer Textvorlagen, Relais-Übersetzungen etc. und zum Teil auch Revisionen und Adaptionen mit ein. Diese breite Anwendung sowie die Identifizierung von Neuübersetzungen aufgrund einer fehlenden bibliographischen Datenbank für Neuübersetzungen – mit Ausnahme der oben genannten Studie – erschwert deren Untersuchung.

Die folgende Analyse stellt nun einen Vergleich der beiden englischen Übersetzungen von IWnN an. Dabei wird untersucht, ob sich die Hypothese, dass die erste Übersetzung aufgrund des geringen zeitlichen Abstandes zu den Geschehnissen sowie der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Aversionen zwischen Großbritannien und Deutschland zielkulturorientiert übersetzt wurde und die zweite Übersetzung im Gegensatz dazu durch die Rezeption des Autors und des Werkes sowie des zeitlichen Faktors wieder näher zum Ausgangstext, das heißt zum deutschen Original, zurückkehrt, bestätigt und somit die RH im Hinblick auf die beiden englischen Übersetzungen zutrifft.

Seite 60 von 107 6 „Wir sind keine Jugend mehr. Wir wollen die Welt nicht mehr stürmen. Wir sind Flüchtende. Wir flüchten vor uns. Vor unserem Leben.“ – Textanalyse

Im vorliegenden Kapitel wird ein Vergleich der englischen Übersetzungen von IWnN aus den Jahren 1929 von Arthur Wesley Wheen (Ü1) und 1994 von Brian Murdoch (Ü2) angestellt. Dabei wird zunächst anhand der Analyse einzelner Rezensionen zu den beiden Übersetzungen aus dem englischen Sprachraum der Einfluss der Rezeption des Autors beziehungsweise des Werkes auf die Übersetzung untersucht. Überdies soll die Rolle des Zeitraums, in dem die jeweiligen Übersetzungen veröffentlicht wurden, betrachtet werden, da davon ausgegangen werden kann, dass der Übersetzer von Ü1 aufgrund des Publikationszeitraums – knapp 10 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war das Erlebte noch frisch im Gedächtnis der Bevölkerung – das Original anders ins Englische übertragen hat und stärkere Eingriffe vorgenommen hat, als der Übersetzer von Ü2 65 Jahre später in einem Zeitraum, in dem die Kriegserlebnisse weitgehend aufgearbeitet werden konnten. Der Vergleich einzelner Textstellen soll über die unterschiedliche Darstellung des Krieges bezüglich der im Roman beschriebenen Kampfszenen sowie Szenen, die das Leben der Soldaten an der Front schildern, Aufschluss geben. Im Rahmen dieses Vergleichs wird auch die Wiedergabe der wichtigsten Aspekte des Romans – dazu zählen Themen wie beispielsweise die verlorene Generation, die Kameradschaft unter den Soldaten sowie im Allgemeinen die Schrecken des Krieges und das Leiden der Soldaten im Ersten Weltkrieg – in den beiden Übersetzungen beleuchtet.

Die beiden Übersetzungen werden dem deutschen Original gegenübergestellt. Die in der Analyse verwendete Ausgabe wurde 2010 bei Kiepenheuer & Witsch herausgegeben. Diese ist identisch mit dem Original aus dem Jahr 1929. Beide englischen Übersetzungen wurden anhand der gleichen Textvorlage erstellt, das heißt sie besitzen den gleichen deutschen Ausgangstext aus dem Jahr 1929. Dies bezeugt Murdoch für Ü2 zu Beginn der Übersetzung im Rahmen einer „Translator’s Note“, in der er schreibt: „This new translation has been made from the first edition of Erich Maria Remarque’s Im Westen nichts Neues, published in Berlin by Ullstein under their Propyläen imprint early in 1929“ (Murdoch 1994). Im Hinblick auf die Übersetzung des Romantitels merkt Murdoch im Anschluss an, den Titel der ersten Übersetzung aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades bzw. Wiedererkennungswertes beibehalten zu haben (ibid.).

Bevor im Weiteren eine Analyse einzelner Textstellen der beiden englischen Übersetzungen folgt, wird zunächst anhand ausgewählter Rezensionen ein Blick auf die Rezeption der beiden

Seite 61 von 107 Übersetzungen im englischsprachigen Raum geworfen, um dabei auf mögliche zusätzliche Gründe für die spätere Übersetzung schließen zu können beziehungsweise um feststellen zu können, inwieweit die erste Übersetzung die spätere Übersetzung von Murdoch bedingt hat, das heißt ob die Sprache der ersten Übersetzung zum Beispiel nicht mehr angemessen für das zeitgenössische Publikum erschien oder diese Ungenauigkeiten oder Fehler beinhaltet und somit der Entschluss für eine Neuübersetzung gefasst wurde. Darüber hinaus soll die Analyse der einzelnen Rezensionen Aufschluss darüber geben, wie die Darstellungen und Beschreibungen Remarques der Kriegsgeschehnisse beziehungsweise der einzelnen Kampfhandlungen vom englischsprachigen Publikum aufgenommen wurde und ob sich in diesem Zusammenhang Unterschiede zwischen den beiden Übersetzungen erkennen lassen. Da Rezensionen zu den Paratexten eines Buches gezählt werden können, folgt zunächst ein kurzer Einblick in das Thema der Paratexte, anhand welcher die Analyse der einzelnen Rezensionen erfolgt.

6.1 Analyse der Rezensionen

Paratexte sind das sogenannte „Beiwerk“ eines Buches, „durch das ein Text zum Buch wird und als solches vor die Leser und, allgemeiner, vor die Öffentlichkeit tritt“ (Genette 2016/2001:10). Das heißt Paratexte spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Aufnahme und Rezeption eines Werkes bei den LeserInnen. Die paratextuellen Elemente eines Textes treten keineswegs systematisch bzw. gleichmäßig auf und sind abhängig von der jeweiligen Epoche, von verschiedenen Kulturen etc. Änderungen unterworfen. Überdies sind Paratexte, entgegen ihrer Bezeichnung, nicht ausschließlich Texte. Sie können auch in Form von Illustrationen, Fakten oder anderem Material auftreten (ibid.:10-14). Gerard Genette nimmt eine begriffliche Differenzierung der Paratexte in Peritexte und Epitexte vor. Unter Peritext versteht er jene paratextuellen Elemente, die sich im unmittelbaren Umfeld des Textes befinden, wie der Titel, das Vorwort oder auch das Format des Buches. Überdies zählt Genette Elemente, die in den Zwischenräumen des Textes vorzufinden sind – wie beispielsweise Kapitelüberschriften oder Anmerkungen –, zu dieser Kategorie. Im Gegensatz dazu sind Epitexte im weiteren Umfeld eines Textes angesiedelt und nicht mehr Teil des Buches. Laut Genette ist ein Epitext „jedes paratextuelle Element, das nicht materiell in ein und demselben Band als Anhang zum Text steht, sondern gewissermaßen im freien Raum zirkuliert, in einem virtuell unbegrenzten physikalischen oder sozialen Raum“ (ibid.:328). Dazu zählt er Interviews mit AutorInnen, Besprechungen des Buches in der Presse oder in anderen Medien oder auch mündliche Empfehlungen eines Buches sowie auch private

Seite 62 von 107 Kommunikation, wie beispielsweise ein Briefwechsel zwischen dem/der Autor/in und dem Verlag oder einer dritten Person, oder aber auch ein Tagebuch des/der Autors/in. Epitexte können zeitlich gesehen vor dem Werk, zur gleichen Zeit oder nachträglich erscheinen. Genette trifft dabei eine grobe Unterscheidung zwischen dem verlegerischen, dem offiziösen allographen, dem öffentlichen auktorialen sowie dem privaten auktorialen Epitext (ibid.:329).

Paratexte müssen im Allgemeinen nicht immer dem Text untergeordnet sein. Sie können durchaus, wie bereits erwähnt, vor dem eigentlichen Text entstehen und nicht nur dessen Rezeption, sondern auch die der Übersetzung lenken (ibid.:58). Vor allem Rezensionen, die ebenso zu Epitexten gezählt werden, können großen Einfluss auf die Rezeption eines Werkes bzw. einer Autorin oder eines Autors in einem Land haben (Tahir Gürçağlar 2002:45).

Für die Analyse wurden fünf englischsprachige Rezensionen gewählt, die die erste Übersetzung von Wheen (Ü1) oder die zweite von Murdoch (Ü2) besprechen, beziehungsweise auf beide Übersetzungen eingehen. Als Auswahlkriterium galt zum einen das Medium, in dem die Rezension veröffentlicht wurde, wobei hierbei bekannte Zeitschriften (New York Times, The Independent etc.) priorisiert wurden. Zum anderen wurde die Wahl der einzelnen Rezensionen anhand ihres Inhalts getroffen. Der Großteil der im Internet kursierenden, englischsprachigen Rezensionen bespricht, aufgrund des identischen Titels, die US-amerikanische Verfilmung des Romans und wurde daher nicht miteinbezogen. Überdies wurde darauf geachtet, dass sowohl Rezensionen der ersten als auch der zweiten Übersetzung verwendet wurden, wobei sich die Suche nach Rezensionen, die sich auf die spätere der beiden Übersetzungen stützen, als schwierig erwies. Die fünf Rezensionen stammen aus unterschiedlichen Jahren – es wurden sowohl ältere (z.B. aus dem Jahr 1970) als auch aktuellere Besprechungen des Romans verwendet. Hierbei fällt auf, dass diese größtenteils zu bestimmten Ereignissen publiziert wurden. So wurde die älteste Rezension (Whitman 1970) im Jahr 1970 in der New York Times anlässlich des Todes von Erich Maria Remarque veröffentlicht. Jene Rezension, die beide Übersetzungen bespricht (Dyer 1994), stammt aus dem Jahr 1994, das heißt sie wurde im Publikationsjahr der zweiten Übersetzung verfasst. Darüber hinaus häufen sich die Rezensionen zum Roman vor allem in Jahren, die ein bestimmtes Jubiläum aufweisen, wie beispielsweise 2018, in welchem sich das Ende des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal jährte (Stone 2018).

Die einzelnen Rezensionen besprechen selten ausschließlich den Roman, sondern thematisieren auch Aspekte wie die Biographie Remarques, verschiedene Fakten hinsichtlich

Seite 63 von 107 des Ersten Weltkrieges oder auch die US-amerikanische Verfilmung von Lewis Milestone (1930).

Die ausgewählten Rezensionen beinhalten überwiegend positive Kommentare. So finden sich in den einzelnen Texten beispielsweise Aussagen wie „Remarque’s novel helped lay the ghost of a cataclysm that had shattered victorious and defeated nations alike“ (Dyer 1994) oder „[…] it is an account of trench warfare and a simple story of human endurance in extremity […]. It is understandably one of the most famous of war novels“ (Yee 2004). Hierbei ist die Rezension aus dem Jahr 1970, die die erste englische Übersetzung bespricht, hervorzuheben. Der Verfasser merkt bereits zu Beginn der Rezension an, dass Remarque die Macht besäße, die LeserInnen mit seinen Worten zu bewegen. Überdies finden sich Kommentare wie „Mr. Remarque shunned the superficial explanation of war as man’s inhumanity to man and stroke to discern its power politics and to identify the ‘they’ who sent millions to their death“ (Whitman 1970). Der Verfasser lobt überdies den Stil des Autors, indem er schreibt: „Mr. Remarque helped to liberate German writing from its stodgy formalism by bending language to his will“ (ibid.).

Die einzelnen Rezensionen stimmen darin überein, dass IWnN die wahre Seite des Ersten Weltkrieges, seine Schrecken und Gräuel zeigt, ohne dabei einen Schuldigen für die Ereignisse zu deklarieren, darüber hinaus bestätigen sie seinen Status als Klassiker der Kriegsliteratur. Dies zeigt sich in Kommentaren, die den Roman wie folgt beschreiben: „a novel of unrelenting realism of battle action “ (Whitman 1970) oder auch „a gritty pull-no- punches look at the horrors of war“ (Sauer 2015). Whitman schreibt dazu: „But it was Mr. Remarque who captured readers all over the world, for ‘All Quiet’ is the conscript soldier’s war par excellence“ (Whitman 1970).

Die Analyse der Rezensionen lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die zweite Übersetzung aufgrund von eventuellen Mängeln an der ersten Übersetzung – sei es eine veraltete Ausdrucksweise, Fehler im Text etc. – beauftragt wurde. Sie zeigen vielmehr, dass sowohl Ü1 als auch Ü2 überwiegend positiv aufgenommen wurden. Die einzige Rezension, die beide englischen Übersetzungen berücksichtigt (Dyer 1994), zeigt sowohl Kritik als auch Lob. Zum einen hebt sie Ü1 positiv hervor, indem sie die Aktualität der Übersetzung Wheens aus dem Jahr 1929 unterstreicht. Zum anderen übt der Verfasser leichte Kritik an Ü2, indem er davon spricht, dass Murdoch anstatt den Roman wiederzubeleben oder eine neue Sichtweise auf den Text zu werfen, diesen beinahe „mumifiziert“ (ibid.). Generell stellt dieser jedoch beide Übersetzungen positiv dar und bezeichnet sie als „work of popular modernism“

Seite 64 von 107 (ibid.). Auch die aktuellste Rezension aus dem Jahr 2018 merkt im Hinblick auf eine Textstelle in der späteren Übersetzung positiv an: „This colloquially rendered passage is characteristic of Prof Brian Murdoch’s excellently readable translation“ (Stone 2018).

Die Darstellungen und Beschreibungen der Kriegsgeschehnisse in IWnN werden in den einzelnen Rezensionen immer wieder angesprochen bzw. positiv hervorgehoben, wodurch deutlich wird, dass diese eine wichtige Aufgabe innerhalb des Romans einnehmen und vermutlich eine wichtige Rolle bei der Rezeption des Romans spielen und somit durchaus zum Erfolg des Romans beitrugen. Diese positive Beurteilung zeigt sich deutlich in Kommentaren wie beispielsweise: „The soldiers’ deaths are recorded intermittently, interspersed with bitter comments and dramatically described events of trench warfare“ (Stone 2018). In der Rezension von Yee aus dem Jahr 2004 („All Quiet on the Western Front. Erich Maria Remarque“), in der der Verfasser den direkten Schreibstil Remarques hervorhebt, wird ein guter Überblick über die wichtigsten Inhalte gegeben:

We follow soldiers scavenging, defying petty authority, and on an amorous excursion – as well as facing artillery barrages, enduring the screams of wounded men and horses, and lost in no-man’s-land. Episodes of joy and happiness and intervals of relaxation are combined with periods of numb endurance and sudden outbreaks of violence. There is the occasional lyrical passage or philosophical rumination, but Remarque’s approach is mostly straightforward. (Yee 2004) In diesem Zusammenhang finden sich auch Andeutungen darauf, dass die Kampfszenen, aufgrund ihrer nicht immer realistischen Darstellung, von den Gegnern Remarques genutzt wurden, um das Werk und den Autor zu kritisieren sowie zu beweisen, dass dieser nicht über seine eigenen Erfahrungen berichtete (Dyer 1994). Die analysierten Rezensionen zeigen überwiegend positive Reaktionen auf die beiden Übersetzungen, und lassen keine Mängel an der Erstübersetzung erkennen, die zu einer Neuübersetzung geführt hätten. Überdies werden die Darstellungen der Kriegshandlungen in den beiden Übersetzungen von den einzelnen Rezensionen positiv hervorgehoben, wodurch deren Bedeutung für die Rezeption des Romans deutlich wird.

Folglich spielt dieser Aspekt, das heißt die Darstellung und Beschreibung von Kriegserlebnissen, auch bei der folgenden Analyse bzw. dem Vergleich der einzelnen Textstellen eine wichtige Rolle.

6.2 Vergleich der beiden englischen Übersetzungen

Für die folgende Analyse wird das Modell der Kritischen Diskursanalyse von Siegfried Jäger herangezogen.

Seite 65 von 107 Diskurse sind „soziale Wissensflüsse durch die Zeit“ (Jäger 2001:106). Alle Ereignisse haben nach Jäger diskursive Wurzeln, die abhängig von den jeweiligen politisch vorherrschenden Mächten und Konjunkturen zu einem diskursiven Ereignis werden (ibid:108). Um die Analyse dieser zahlreichen, miteinander verflochtenen Diskurse zu erleichtern, entwickelte Jäger ein Analyseverfahren mit dazugehöriger Terminologie. Hierfür nimmt er zunächst eine Differenzierung zwischen Spezialdiskursen und Interdiskursen vor. Als Interdiskurse werden alle nicht-wissenschaftlichen Diskurse bezeichnet, die aber stets auch Elemente der Spezialdiskurse, das heißt wissenschaftlicher Diskurse, beinhalten. Der gesellschaftliche Gesamtdiskurs setzt sich aus zahlreichen unterschiedlichen Themen zusammen. Diskursverläufe, die thematisch übereinstimmen, werden bei Jäger als Diskursstränge bezeichnet, wobei jeder dieser Stränge über eine synchrone und eine diachrone Dimension verfügt. Diskursstränge besitzen eine Geschichte, eine Gegenwart sowie eine Zukunft. Sie agieren auf unterschiedlichen diskursiven Ebenen wie den Wissenschaften, der Politik, den Medien, dem Geschäftsleben, etc. All diese Diskursebenen sind in sich stark verflochten, sie interagieren miteinander, wirken aufeinander, beziehen sich aufeinander und nutzen einander. Des Weiteren bezeichnet Jäger jene Elemente, aus denen sich ein Diskursstrang zusammensetzt, als Diskursfragmente. Bei diesen Diskursfragmenten handelt es sich um Texte oder Textteile, die ein bestimmtes Thema darstellen. Demnach kann ein Text verschiedene Diskursfragmente beinhalten, die in verschränkter Form auftreten. In diesem Fall spricht Jäger von Diskursstrang-Verschränkungen. Diese treten einerseits auf, wenn ein Text verschiedene Themen behandelt, die nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben müssen. Andererseits wird auch bei Texten, die ein Hauptthema behandeln, sich aber gleichzeitig auf andere Thematiken beziehen, von Diskursstrang-Verschränkungen gesprochen. Bei letzteren kann auch von diskursiven Knoten gesprochen werden, die die einzelnen Diskursstränge miteinander vernetzen (ibid.:107-110). Ein weiterer Begriff, den Siegfried Jäger geprägt hat, ist jener der Diskursposition. Darunter versteht er den „spezifische[n] ideologische[n] Standort einer Person oder eines Mediums“ (ibid.:109).

Mit Hilfe dieses Modells wird im Folgenden ein Vergleich der beiden englischen Übersetzungen von IWnN, die in Kapitel 4.4 besprochen wurden, angestellt. Im Zuge der folgenden Analyse werden die beiden englischen Übersetzungen (Ü1 und Ü2) dem deutschen Original (O) gegenübergestellt. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung liegt auf der unterschiedlichen Darstellung des Ersten Weltkrieges im Roman, wobei der Fokus auf die Beschreibung einzelner Kampfhandlungen sowie auf das Leben an der Front gelegt wird.

Seite 66 von 107 Weitere wichtige Themen, die Gegenstand der Analyse sind, sind der Überlebenskampf der Soldaten (6.2.1), der Verlust der Jugend und die Bedeutung der Kameradschaft (6.2.2) sowie der Alltag an der Front und die Schrecken und das Leid des Krieges (6.2.3). Wie aus den Darlegungen in 4.4 hervorgeht, wurden die beiden englischen Übersetzungen in einem zeitlichen Abstand von 65 Jahren publiziert. Ausgehend von der Annahme, dass sich die Herangehensweise an eine Übersetzung abhängig vom zeitlichen Abstand zum Original verändert, wird die Rolle des zeitlichen Faktors in der Analyse mitberücksichtigt.

Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass die erste englischsprachige Übersetzung, die noch im selben Jahr wie das Original publiziert wurde, stärker von diesem abweicht und die Darstellungen und Beschreibungen der Kriegsgeschehnisse an die Zielkultur angepasst werden. Es wird dabei von der Vermutung ausgegangen – für die es jedoch keine Beweise gibt –, dass diese Abweichung einerseits eine Folge der Aversionen zwischen Großbritannien und Deutschland im Ersten Weltkrieg und andererseits aufgrund des kurzen zeitlichen Abstandes entstand. Da die erste Übersetzung bereits knapp 10 Jahre nach dem Kriegsende veröffentlicht wurde, waren die Ereignisse des Krieges noch frisch im Gedächtnis der Bevölkerung, und es hatte noch kaum eine Aufarbeitung stattfinden können, weshalb angenommen wird, dass der Übersetzer stärkere Veränderungen am Original durchführen musste und einzelne Darstellungen relativierte, um zu gewährleisten, dass das Werk auch bei der britischen Leserschaft Anklang findet. Darüber hinaus spricht auch die sogenannte „Retranslation Hypothesis“, dass ein Werk bei der ersten Übersetzung eher zielkulturorientiert übersetzt wird, um dieses und auch den/die Autor/in in die Zielkultur einzuführen, für diese Annahme. Bei der zweiten Übersetzung wird hingegen davon ausgegangen, dass der Übersetzer ausgangstextzentriert gearbeitet hat. Es wird angenommen, dass aufgrund der Rezeption des Autors und der Tatsache, dass der Roman zum Zeitpunkt der zweiten Übersetzung bereits ein Klassiker war, im Vergleich zur ersten Übersetzung weniger Veränderungen in der Darstellung der Kriegserlebnisse vorgenommen wurden. Diese These wird auch vom zeitlichen Faktor unterstützt. Da die Konflikte zwischen Großbritannien und Deutschland zur Zeit der zweiten Übersetzung nicht mehr aktuell waren und die Ereignisse des Krieges bereits größtenteils aufgearbeitet werden konnten, wird angenommen, dass sich der Übersetzer bei seinem Vorgehen enger an das deutsche Original gehalten hat.

Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurden unterschiedliche Textstellen gewählt, die in drei Themenbereiche bzw. Diskursstränge eingeteilt werden. Diese werden in den folgenden Unterkapiteln genauer betrachtet.

Seite 67 von 107 6.2.1 Der Kampfdiskurs bzw. der Überlebenskampf der Soldaten

In diesem Unterkapitel werden einzelne Textstellen, das heißt Diskursfragmente, im Hinblick auf die Darstellung und Beschreibung von Kampfszenen sowie der Front analysiert.

Beispiel 1:

Im vorliegenden Beispiel wird Paul Bäumer mit seiner Truppe von den Baracken zum Schanzen gebracht. Als sie in die Nähe der Front kommen, beschreibt der Protagonist diese wie folgt10:

Für mich ist die Front ein To me the front is a mysterious For me, the front is as sinister unheimlicher Strudel. Wenn whirlpool. Though I am in still as a whirlpool. Even when you man noch weit entfernt von water far away from its centre, I are a long way away from its seinem Zentrum im ruhigen feel the whirl of the vortex centre, out in calm waters, you Wasser ist, fühlt man schon die sucking me slowly, irresistibly, can still feel its suction pulling Saugkraft, die einen an sich inescapably into itself. From the you towards it, slowly, zieht, langsam, unentrinnbar, earth, form the air, sustaining inexorably, meeting little ohne viel Widerstand. Aus der forces pour into us – mostly resistance. But the power to Erde aus der Luft aber strömen from the earth. To no man does defend ourselves flows back uns Abwehrkräfte zu, – am the earth mean so much as to into us out of the earth and out meisten von der Erde. Für the soldier. When he presses of the air – and most of all it niemanden ist die Erde so viel himself down upon her long and flows out of the earth. The earth wie für den Soldaten. Wenn er powerfully, when he buries his is more important to the soldier sich an sie presst, lange, heftig, face and his limbs deep in her than to anybody else. When he wenn er sich tief mit dem from the fear of death by shell- presses himself to the earth, Gesicht und den Gliedern in sie fire, then she is his only friend, long and violently, when he hineinwühlt in der Todesangst his brother, his mother; he urges himself deep into it with des Feuers, dann ist sie sein stifles his terror and his cries in his face and with his limbs, einziger Freund, sein Bruder, her silence and her security; she under fire and the fear of death seine Mutter, er stöhnt seine shelters him and releases him upon him, then the earth is his Furcht und seine Schreie in ihr for ten seconds to live, to run, only friend, his brother, his Schweigen und ihre ten seconds of life; receives mother, he groans out his terror Geborgenheit, sie nimmt sie him again and often forever. and screams into its silence and auf und entlässt ihn wieder zu safety, the earth absorbs it all neuen zehn Sekunden Lauf und and gives him another ten Leben, fasst ihn wieder, und seconds of life, ten seconds to manchmal für immer. run, then takes hold of him again – sometimes for ever.

O: S. 45 Ü1: S. 55 Ü2: S. 38f.

Der vorherrschende Diskursstrang im Original dieses ersten Beispiels ist der Kampfdiskurs bzw. Überlebensdiskurs, der sich mit ein paar Ausnahmen durch das gesamte Werk zieht.

10 Zur besseren Übersicht werden die einzelnen Veränderungen in den Textstellen wie folgt gekennzeichnet: Fettdruck zeigt im Regelfall einzelne Satzglieder (Substantive, Verben, Adjektive etc.) an, an denen eine Veränderung beim Vergleich der beiden englischen Übersetzungen mit dem Original festgestellt werden konnte. Findet sich eine Veränderung innerhalb eines ganzen Satzteiles oder einer Formulierung wird diese durch Unterstreichen verdeutlicht. Kommt es zu Eingriffen in die Erzählperspektive wird dieser kursiv und fettgedruckt dargestellt.

Seite 68 von 107 Dieser wird vor allem durch eine Fülle an Adjektiven, die charakteristisch für Remarques Roman sind, zum Ausdruck gebracht. Die Adjektive spielen auch eine wichtige Rolle bei der Rezeption des Werkes. Daher führt die Betrachtung der beiden englischen Übersetzungen hinsichtlich der Wahl der Adjektive zu aufschlussreichen Beobachtungen. Der Übersetzer von Ü1 wählte in diesem Ausschnitt mit „mysterious“ und auch „powerfully“ Adjektive, die im Vergleich mit Ü2 („sinister“, „violently“) die Ausdrücke aus dem deutschen Original abschwächen beziehungsweise negative Beschreibungen mildern. Diese Tendenz wird auch bei der Wahl der Verben ersichtlich. Während Ü1 im Vergleich mit dem Original schwächere Verben einsetzt („buries“, „stifles“, „receives“), bleibt Ü2 mit den gewählten Verben näher am deutschen Original („urges“, „groan out“, „takes hold“). Dies führt dazu, dass der Kampfdiskurs in Ü1 zum Teil abgeschwächt wird. Im Gegensatz dazu wird dieser im letzten Satz dieser Passage bei Ü1 verstärkt, indem Wheen das deutsche „manchmal“ mit „often“ wiedergibt. Ü2 bleibt hier wiederum näher am Ausgangstext und der Diskurs bleibt folglich unverändert. Relevant ist auch die unterschiedliche Wiedergabe des deutschen Indefinitpronomens „man“. Während Ü2 den Ton des Originals beibehält, wird Ü1 durch die Verwendung von „I“ persönlicher und verstärkt infolgedessen im Vergleich mit dem Originaltext den Kampfdiskurs. Zusätzlich zu diesen Beobachtungen fällt auf, dass beide Übersetzer stellenweise das Original leicht ändern: So spricht Remarque beispielsweise davon, dass die Erde die Schreie der Soldaten aufnimmt. Während Ü2 wiederum genauer am Original festhält, wird diese Stelle in Ü1 geändert, so dass die Erde dem Soldaten Schutz gibt, womit ein positiveres Bild vermittelt wird und der Diskurs leicht abgeschwächt wird. Neben dem Kampfdiskurs kann in diesem Diskursfragment auch der Angstdiskurs benannt werden. Diese Darstellung findet sich in der Beschreibung der Erde als Schutz für die Soldaten wieder. Hier verändert Murdoch durch die Wahl seiner Worte in Ü2 das Bild, das im Original vermittel wird, leicht. Diese Änderung hat, wie auch bei Ü1, keine Auswirkungen auf den Kampf- oder den Angstdiskurs. In diesem Fall kann von einer sogenannten Diskursstrang- Verschränkung gesprochen werden. Zusammenfassend kann in diesem Diskursfragment festgestellt werden, dass Ü1 stärker vom Original abweicht, während Ü2 durch die Wahl der einzelnen Formulierungen näher am AT bleibt. Diese Eingriffe führen in weiterer Folge zu einer Abschwächung des Kampfdiskurses in Ü1, wohingegen dieser in Ü2 mehrheitlich unverändert bleibt.

Seite 69 von 107 Beispiel 2:

Auf diese Textstelle folgend schildert Remarque die Auswirkungen, die die Granaten bzw. das Dröhnen der Granaten auf die Soldaten haben und wie sie durch diese verändert werden.

Wir schnellen mit einem Ruck At the sound of the first droning With the first rumble of in einem Teil unseres Seins of the shells we rush back, in shellfire, one part of our being beim ersten Dröhnen der one part of our being, a hurls itself back a thousand Granaten um Tausende von thousand years. By the animal years. An animal instinct Jahren zurück. Es ist der instinct that is awakened in us awakens in us, and it directs and Instinkt des Tieres, der in uns we are led and protected. It is protects us. It is not conscious, erwacht, der uns leitet und not conscious; it is far quicker, it is far quicker, far more beschützt. Er ist nicht bewusst, much more sure, less fallible, accurate and far more reliable er ist viel schneller, viel than consciousness. One cannot than conscious thought. You sicherer, viel unfehlbarer als explain it. A man is walking can’t explain it. You are moving das Bewusstsein. Man kann es along without thought or heed; up, not thinking of anything, nicht erklären. Man geht und – suddenly he throws himself then suddenly you are in a denkt an nichts – plötzlich liegt down on the ground and a storm hollow in the ground with man in einer Bodenmulde, und of fragments flies harmlessly shrapnel flying over your head; über einen spritzen die Splitter over him; – yet he cannot but you can’t remember having hinweg; – aber man kann sich remember either to have heard heard the shell coming or nicht entsinnen, die Granaten the shell coming or to have having thought about taking kommen gehört oder den thought of flinging himself cover. If you had relied on Gedanken gehabt zu haben, sich down. but had he not thought, you would have been hinzulegen. Hätte man sich abandoned himself to the so many pieces of meat by darauf verlassen sollen, man impulse he would now be a now. It was something else, wer bereits ein Haufen heap of mangled flesh. It is this some prescient, unconscious verstreutes Fleisch. Es ist das other, this second sight in us, awareness inside us, that threw andere gewesen, diese that has thrown us to the ground us down and saved us without hellsichtige Witterung in uns, and saved us, without our our realizing. But for this, there die uns niedergerissen und knowing how. If it were not so, would long since have been not gerettet hat, ohne dass man there would not be one man a single man left alive between weiß, wie. Wenn sie nicht wäre, alive from Flanders to the Flanders and the Vosges. gäbe es von Flandern bis zu den Vosges.

Vogesen schon längst keine Menschen mehr.

O: S. 45f. Ü1: S. 56 Ü2: S. 39

Der in diesem Textbeispiel präsente Diskursstrang ist wiederum der Kampfdiskurs, wobei hier keine klare Tendenz hinsichtlich einer Verstärkung oder Abschwächung dieses Diskurses deutlich wird. Diese Erkenntnis wird durch die Betrachtung der einzelnen Adjektive beziehungsweise Adverbien in diesem Abschnitt unterstützt. Zum einen wird der Kampfdiskurs in Ü1 dadurch abgeschwächt, dass der Übersetzer das Adjektiv „harmlessy“, welches sich nicht im Original wiederfinden lässt, hinzufügt. Dieser Zusatz vermindert die Bedrohung durch die Granatensplitter deutlich, wodurch es zu einer Abschwächung des Diskurses kommt. Ü2 hält sich an dieser Stelle an das deutsche Original und wirkt sich folglich nicht auf den Diskurs aus. Somit bleibt dieser im Vergleich mit dem deutschen

Seite 70 von 107 Original unverändert. Im Gegensatz dazu wird der Kampfdiskurs in Ü1 im Vergleich mit Ü2 durch die Verwendung des Adjektiv „mangled“ für das deutsche Verb „verstreut“ verstärkt. Ü2 weicht wiederum weniger stark vom Original ab und ändert den Diskurs folglich nicht. Überdies finden sich in dieser Textstelle auch Beispiele dafür, dass der Kampfdiskurs sowohl in Ü1 als auch in Ü2 trotz Eingriffe in den AT nicht verändert wurde. Dies bestätigt beispielsweise die unterschiedliche Übertragung der beiden Übersetzer bei der Beschreibung des Tierinstinkts, im Speziellen die Übersetzung von „viel unfehlbarer“. Obgleich sowohl Wheen als auch Murdoch unterschiedliche Varianten für die Übersetzung dieser Begriffe wählen – während Ü1 mit „less fallible“ näher am AT bleibt, greift Ü2 mit „far more reliable“ stärker in diesen ein – bleibt der Kampfdiskurs in diesem Fall unverändert. Eine fehlende Tendenz bei der Wiedergabe des Kampfdiskurses wird auch bei der Betrachtung der einzelnen Verben deutlich. Zum einen wird der Diskurs in Ü1 erneut leicht abgeschwächt, indem im Englischen „rush“ (eilen) für die Übersetzung des deutschen Ausdrucks („schnellen“) gewählt wurde. Der Diskurs in Ü2 bleibt in diesem speziellen Fall wiederum unverändert. Zum anderen tritt der Diskurs in beiden Übersetzungen durch die Übertragung des deutschen „sich hinlegen“ verstärkt auf.

Im Hinblick auf die Erzählperspektive kommt es im vorliegenden Diskursfragment zu einer Veränderung in Ü2. Während im Original, wie bereits im vorhergehenden Beispiel, das unpersönliche „man“ verwendet wird und dieses auch in Ü1 durch die Wahl von Ausdrücken wie „one“, „a man“ oder „he“ unpersönlich gehalten wird, wird Ü2 durch den Gebrauch des Pronomens „you“ persönlicher. Dies führt zu einer Verstärkung des Kampfdiskurses in Ü2.

Ein weiteres Beispiel für die Abschwächung des Diskurses in Ü1 ist die Übersetzung der deutschen Formulierung „diese hellsichtige Witterung“. Beide Übersetzer entfernen sich weiter vom Original und übertragen es nicht wörtlich. Dabei kommt es bei Ü1 im Vergleich zu Ü2 zu einer Abschwächung hinsichtlich des Kampfdiskurses.

Beispiel 3:

Beispiel 3 beschreibt eine Kampfszene, in der Remarque das Leiden und Sterben von verwundeten Pferden am Schlachtfeld schildert. Dabei bringt er sowohl die Qualen der Tiere als auch das damit verbundene Leid der Soldaten zum Ausdruck.

Das Schreien dauert an. Es The cries continued. It is not The screaming goes on and sind keine Menschen, sie men, they could not cry so on. It can’t be men, they können nicht so furchtbar terribly. couldn’t scream that horribly. schreien. “Wounded horses,” says Kat. ‘Wounded horses,’ says Kat.

Seite 71 von 107 Kat sagt: »Verwundete Pferde.« It’s unendurable. It is the I have never heard a horse moaning of the world, it is the scream and I can hardly believe Ich habe noch nie Pferde martyred creation, wild with it. There is a whole world of schreien gehört und kann es anguish, filled with terror, and pain in that sound, creation kaum glauben. Es ist der groaning. Detering stands up. itself under torture, a wild and Jammer der Welt, es ist die horrifying agony. We go pale. gemarterte Kreatur, ein wilder, Detering sits up. grauenvoller Schmerz, der da stöhnt. Wir sind bleich. Detering richtet sich auf. “God! For God’s sake! Shoot ‘Bastards, bastards! For Christ’s »Schinder, Schinder! Schießt them.” sake shoot them!’ sie doch ab!« He is a farmer and very fond of He is a farmer and used to Er ist Landwirt und mit Pferden horses. It gets under his skin. handling horses. It really gets vertraut. Es geht ihm nahe. Then as if deliberately the fire to him. And as if on purpose the Und als wäre es Absicht, dies down again. The screaming firing dies away almost schweigt das Feuer jetzt of the beasts becomes louder. completely. The screams of the beinahe. Umso deutlicher wird One can no longer distinguish animals become that much das Schreien der Tiere. Man whence in this now quiet silvery clearer. You can’t tell where it weiß nicht mehr, woher es landscape it comes; ghostly, is coming from any more in that kommt in dieser jetzt so stillen, invisible, it is everywhere, quiet, silver landscape, it is silbernen Landschaft, es ist between heaven and earth it invisible, ghostly, it is unsichtbar, geisterhaft, überall, rolls on immeasurably. everywhere, between the earth zwischen Himmel und Erde, es Detering raves and yells out: and the heavens, and it swells schwillt unermesslich an – “Shoot them! Shoot them, can’t out immeasurably. Detering is Detering wird wütend und you? Damn you again!” going crazy and roars out, brüllt: »Erschießt sie, erschießt ‘Shoot them, for Christ’s sake, sie doch, verflucht noch mal!« […] shoot them!’ […] […] We see a dark group, bearers We can make out a dark group Wir sehen eine dunkle Gruppe with stretchers, and larger black of orderlies with stretchers, and Sanitäter mit Tragbahren und clumps moving about. Those then some bigger things, black schwarze, größere Klumpen, die are the wounded horses. But not mounds that are moving. Those sich bewegen. Das sind die all of them. Some gallop away are the wounded horses. But not verwundeten Pferde. Aber nicht in the distance, fall down, and all of them. Some gallop off a alle. Einige galoppieren weiter then run on farther. The belly of little way, collapse, and then entfernt, brechen nieder und one is ripped open, the guts trail run on again. The belly of one rennen weiter. Einem ist der out. He becomes tangled in of the horses has been ripped Bauch aufgerissen, die them and falls, then he stands open and its guts are trailing Gedärme hängen lang heraus. up again. out. It gets its feet caught up in Es verwickelt sich darin und them and falls, but it gets to its stürzt, doch es steht wieder auf. feet again.

O: S. 50 Ü1: S. 62f. Ü2: S. 43f.

In diesem Diskursfragment tritt der Kampfdiskurs verschränkt mit dem sogenannten Leidensdiskurs auf. Überdies kann in diesem Beispiel auch der Schmerzdiskurs benannt werden. Die Textstelle zeigt eine Tendenz der ersten Übersetzung den Kampfdiskurs abzuschwächen – einerseits durch die Wahl der Adjektive (Ü1: „terribly“, Ü2: „horribly“) andererseits durch die abweichende Verwendung einzelner Verben. Beispiele für Verben, die sowohl den Kampfdiskurs als auch den Leidensdiskurs in dieser Textstelle abschwächen, werden anhand der Übersetzung des deutschen „schwillt an“ (Ü1: „rolls on“, Ü1: „swells

Seite 72 von 107 out“) oder auch „brechen … nieder“ (Ü1: „fall down“; Ü2: „collapse“) deutlich. In beiden Fällen verwendet Wheen Ausdrücke, mit denen er die vorliegenden Diskurse reduziert. Überdies wählt er im Vergleich mit Murdoch für das Verb „schreien“, welches bei vielen Kritikern Remarques bemängelt wurde – sie waren der Meinung, Pferde könnten nicht schreien –, einen schwächeren Ausdruck. Auch bei der Erklärung, dass Detering mit Pferden vertraut sei, weicht Ü1 stärker vom Original ab, wohingegen Ü2 sich an das Original hält und die Konnotation des Verbs im Deutschen nicht ändert. In diesem Fall wird der Leidensdiskurs bzw. der Schmerzdiskurs in Ü1 verstärkt. Dies geschieht aufgrund der Wahl des Verbes („fond of“), durch die Wheen eine persönlichere Beziehung Deterings zu den Tieren aufbaut und dadurch die Auswirkungen, die das Leiden der sterbenden Pferde auf diesen haben – und somit dessen Leid – verstärkt.

Bei der Betrachtung der Verben am Beginn dieser Passage fällt überdies auf, dass Ü1 das Tempus des Originals nicht übernimmt. Während sowohl im deutschen Original als auch in Ü2 mithilfe des Präsens beschrieben wird, dass die Schreie der Pferde andauern, wurde das Verb in Ü1 ins Perfekt gesetzt. Dadurch vermittelt Ü1 einen abgeschwächten Eindruck der Geschehnisse, da diese weiter entfernt beziehungsweise abgeschlossen erscheinen. Diese Maßnahme führt zu einer weiteren Abschwächung des Leidensdiskurses in Ü1.

Im Hinblick auf die Erzählperspektive kann wie im vorangegangenen Beispiel in Ü2 durch die Verwendung von „you“, wodurch die Erzählung persönlicher wird, eine Verstärkung des Kampfdiskurses und in diesem Fall auch des Leidensdiskurses festgestellt werden. Diese Beobachtung lässt die Vermutung zu, dass sich diese translatorische Entscheidung durch das gesamte Werk zieht, das heißt dass Murdoch im gesamten Roman das deutsche Indefinitpronomen „man“ durch das englische Pronomen „you“ ersetzt hat und somit im gesamten Werk den Kampfdiskurs leicht verstärkt hat.

Eine weitere aufschlussreiche Beobachtung zeigt sich im Hinblick auf die direkte Rede in diesem Beispiel. Im Original beschimpft der Soldat Detering die Gegner als „Schinder“. Während Ü2 diese Aussage im Englischen übernimmt, fällt dieser verbale Angriff auf den Feind bei Ü1 weg, wodurch der Kampfdiskurs deutlich abgeschwächt wird.

Abschließend fällt auf, dass Ü1 einen Satz komplett verändert hat beziehungsweise einen weiteren omittiert hat – siehe kursive und unterstrichene Passage in der Textstelle. Dieser wesentliche Eingriff in das Original lässt sich möglicherweise darauf zurückführen, dass der Verlag (Little, Brown and Company), um den Roman im englischen Sprachraum publizieren

Seite 73 von 107 zu können, einige Veränderungen an der Übersetzung von Wheen durchführte. Diese Auslassung des Inhalts hat eine weitere Abschwächung des Leidensdiskurses in Ü1 zur Folge.

Beispiel 4:

Ein weiteres Beispiel für diese mögliche Omission von Seiten des Verlages bei der ersten Übersetzung zeigt sich auch im folgenden Textfragment. In dieser Passage wird eine weitere Szene am Schlachtfeld geschildert, in der der Protagonist Paul Bäumer und sein Kamerad Kat einen jungen, unerfahrenen Soldaten, der schwer verwundet wurde, verbinden und dabei die Überlegung, diesen von seinem Leid zu befreien, aussprechen. Neben dem Kampfdiskurs können hier erneut der Leidensdiskurs sowie der Schmerzdiskurs definiert werden. Durch die Auslassung der Aussage Kats aus dem deutschen Original („Gib her“) schwächt Ü1 den Kampfdiskurs signifikant ab, da dadurch die Andeutung aus dem Original, in dem die beiden Soldaten dazu bereit wären, den verwundeten Kameraden zu erschießen, um diesen von seinem Leid zu befreien, verschleiert beziehungsweise entschärft wird.

Wenn er einen Bauchschuss hat, If he has been hit in the stomach If he’s been hit in the stomach darf er nichts trinken. Er hat he oughtn’t to drink anything. then he mustn’t drink anything. nichts erbrochen, das ist There’s no vomiting, that’s a He has thrown up, and that is a günstig. Wir legen die Hüfte good sign. We lay the hip bare. good sign. We expose the hip bloß. Sie ist ein einziger It is one mass of mince-meat area. It is just a pulp of torn Fleischbrei mit and bone splinters. The joint flesh and splintered bone. The Knochensplittern. Das Gelenk has been hit. This lad won’t joint has been hit. This lad will ist getroffen. Dieser Junge wird walk any more. I wet his never walk again. I wet my nie mehr gehen können. Ich temples with a moistened fingers and run them across his wische ihm mit dem finger and give him a swig. His forehead, then give him a befeuchteten Finger über die eyes move again. We see now drink. Some life comes into his Schläfe und gebe ihm einen that the right arm is bleeding as eyes. It’s only now that we Schluck. In seine Augen kommt well. realize that his right arm is Bewegung. Jetzt erst sehen wir, bleeding as well dass auch der rechte Arm blutet. […] […] […] Kat looks around and then Kat sieht sich um und flüstert: Kat looks around and whispers: whispers, ‘Wouldn’t it be best »Sollte man da nicht einfach “Shouldn’t we just take a just to take the revolver and put einen Revolver nehmen, damit revolver and put an end to it?” him out of his misery?’ The lad es aufhört?« Der Junge wird The youngster will hardly is not likely to survive being den Transport kaum überstehen, survive the carrying, and at the moved, and at the very most und höchstens kann es noch most he will only last a few he’ll last a couple of days. But einige Tage mit ihm dauern. days. What he has gone through everything he’s been through so Alles bisher aber wird nichts so far is nothing to what he’s in far will be nothing compared to sein gegen diese Zeit bis er for till he dies. Now he is numb those few days until he dies. At stirbt. Jetzt ist er noch betäubt and feels nothing. In an hour he the moment he is still in shock und fühlt nichts. In einer Stunde will become one screaming and can’t feel anything. Within wird er ein kreischendes Bündel bundle of intolerable pain. an hour he’ll be a screaming unerträglicher Schmerzen Every day that he can live will mass of unbearable agonies, werden. Die Tage, die er noch be a howling torture. And to and the few days he still has left leben kann, bedeuten für ihn whom does it matter whether he to live will just be an incessant

Seite 74 von 107 eine einzige rasende Qual. Und has them or not – raging torture. And what wem nützt es, ob er sie noch hat difference does it make to oder nicht – anyone whether he has to suffer them or not?

I nod. “Yes, Kat, we ought to I nod. ‘You’re right, Kat. The Ich nicke. »Ja, Kat, man sollte put him out of his misery.” best thing would be a bullet.’ einen Revolver nehmen.« He stands still a moment. He ‘Give me a gun’, he says, and »Gib her«, sagt er und bleibt has made up his mind. We look stops walking. I can see that he stehen. Er ist entschlossen, ich around – but we are no longer is set on it. We look around – sehe es. Wir blicken uns um, alone. but we’re not alone any more. aber wir sind nicht mehr allein.

O: S. 56f. Ü1: S. 71f. Ü2: S. 49f.

Die in diesem Beispiel gewonnen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Anhand dieser Textstelle wird eine deutliche Verstärkung der Diskurse in Ü2 deutlich. Diese Verstärkung lässt sich an verschiedenen Elementen innerhalb des Textes festmachen. So stellt zum Beispiel die Verwendung zweier Adjektive („incessant raging“) anstelle von nur einem, wie es im AT der Fall ist, eine Intensivierung des Schmerz- beziehungsweise des Leidensdiskurses dar. Dies gilt ebenfalls für die Übertragung des Begriffes „Schmerzen“. Während Ü1 hier nahe am Original bleibt („pain) und nicht vom Diskurs abweicht, wird dieser in Ü2 durch die Verwendung des Substantivs „agonies“ verstärkt. Überdies zeigt sich die Tendenz, den Diskurs im Vergleich mit dem Original zu verstärken, auch bei der Übertragung des Modalverbs „dürfen“ bzw. in diesem Fall „nicht dürfen“, welches in Ü2 durch die Wahl von „mustn’t“ intensiviert wird. In all diesen Passagen weicht Ü1 kaum vom Original ab, wodurch die einzelnen Diskurse folglich unverändert bleiben.

Zusätzlich zu diesen Beobachtungen konnte in Ü2 im Vergleich mit Ü1 eine Übersetzung herausgefiltert werden, die im Widerspruch mit dem AT steht. Anstelle der Aussage, dass der verwundete Soldat nicht erbrochen hätte, dreht Murdoch diese um („He has thrown up“). Diese Änderung – ob diese vom Übersetzer beabsichtigt war oder nicht – hat keinen Einfluss auf die Diskursstränge in diesem Diskursfragment.

Ein weiteres Beispiel in dem Murdoch im Englischen stärker vom deutschen Original abweicht, ist bei der Übersetzung des deutschen Wortes „Schläfen“, welches er mit „forehead“ anstelle von „temples“ (Ü1) wiedergegeben hat. Dies wirkt sich jedoch nicht auf die einzelnen Diskurse aus.

Beispiel 5:

In einer der zahlreichen Kampfszenen sucht der Protagonist Paul Bäumer Schutz in einem Trichter. In Notwehr ersticht er einen gegnerischen Soldaten, der in denselben Trichter

Seite 75 von 107 springt. Da der Angriff jedoch noch nicht vorüber ist, muss Bäumer neben dem sterbenden Franzosen ausharren. Remarque bringt dabei in seinen Darstellungen die Gedanken des Soldaten und sein inneren Leidensprozess zum Ausdruck.

Diese Stunden. – Das Röcheln These hours…. The gurgling Hours. The gurgling starts again setzt wieder ein – wie langsam starts again – but how slowly a – how long it takes for a man to stirbt doch ein Mensch! Denn man dies! For this I know – he die! What I do know is that he das weiß ich: Er ist nicht zu cannot be saved. I have, indeed, is beyond saving. To be sure, I retten. Ich habe zwar versucht, tried to tell myself that he will have tried to convince myself es mir auszureden, aber mittags be, but at noon this pretence otherwise, but by midday this ist dieser Vorwand vor seinem breaks down and melts before self-delusion has melted away, Stöhnen zerschmolzen, his groans. If only I had not lost has been shot to pieces by his zerschossen. Wenn ich nur my revolver crawling about, I groans. If I hadn’t lost my meinen Revolver nicht beim would shoot him. Stab him I revolver when I was crawling Kriechen verloren hätte, ich cannot. along I would shoot him. I can’t würde ihn erschießen. stab him.

Erstechen kann ich ihn nicht. By midday I am in that twilight By noon I am groping on the Mittags dämmere ich an der area where reason evaporates. I outer limits of reason. Hunger Grenze des Denkens dahin. am ravenously hungry, almost devours me, I could almost Hunger zerwühlt mich, ich weeping for want of food, but I weep for something to eat, I muss fast weinen darüber, essen can’t help it. I fetch water cannot struggle against it. Again zu wollen, aber ich kann nicht several times for the dying man and again I fetch water for the dagegen ankämpfen. Mehrere and I drink some of it myself. dying man and drink some Male hole ich dem Sterbenden myself. Wasser und trinke auch selbst davon. […] […] […] Aber jeder Atemzug legt mein But every gasp lays in my heart But every gasp strips my heart Herz bloß. Dieser Sterbende hat bare. This dying man has time bare. The dying man is the die Stunden für sich, er hat ein with him, he has an invisible master of these hours, he has an unsichtbares Messer, mit dem er dagger with which he stabs me: invisible dagger to stab me mich ersticht: die Zeit und Time and my thoughts. with: the dagger of time and my own thoughts. meine Gedanken.

O: S. 152f. Ü1: S. 220 Ü2: S. 151

Hier kann erneut eine Diskursstrang-Verschränkung zwischen dem Kampfdiskurs und dem Leidensdiskurs beobachtet werden, wobei letzterer im Vordergrund steht. Im Allgemeinen ist in diesem Beispiel eine Verstärkung des Leidensdiskurses in Ü2 festzustellen. Murdoch entfernt sich weiter vom Original als Wheen, indem er im Vergleich mit dem AT zum Teil stärkere Ausdrücke oder Formulierungen wählt. Diese Verstärkung lässt sich beispielsweise an Ausdrücken wie „self-delusion“ anstelle von „Vorwand“, mit dem Murdoch in den AT eingreift und diesen verändert, festmachen. Ü1 bleibt in diesem Fall nahe am Original und überträgt diesen unverändert („pretense“). Des Weiteren verstärkt Murdoch den Leidensdiskurs, indem er „zerschossen“ mit „shot to pieces“ übersetzt. Ü1 weicht hier bei der Übersetzung weiter vom Original ab und schwächt den Diskurs durch die Wahl eines weniger

Seite 76 von 107 starken Verbs („break down“) ab. Hier fällt zusätzlich eine Veränderung des Tempus in Ü1 auf, wodurch Wheen stärker in das Original eingreift. Dieser Eingriff wirkt sich jedoch nicht auf die beiden Diskurse aus. Überdies kommt es in Ü2 bei Formulierungen wie „ravenously hungry“ oder „I am in that twilight area where reason evaporates“ zu einer Verstärkung des Leidensdiskurses. Eine leichte Abschwächung erhält der Diskurs in Ü2 lediglich durch das Weglassen des Demonstrativpronomens „diese/r“ sowohl zu Beginn als auch im letzten Absatz dieser Textstelle.

Wie anhand der eben genannten Beispiele veranschaulicht wurde, zeigt Ü1 erneut die Tendenz, das Original abzuschwächen. Jedoch finden sich hier auch Passagen, in denen die Diskurse unverändert bleiben oder sogar verstärkt werden – wie das bei Formulierungen wie zum Beispiel „hunger devours me“ oder „I am groping on the outer limits of reason“ der Fall ist.

Abschließend kann hier angemerkt werden, dass in den bis zu diesem Punkt analysierten Textstellen bereits deutlich wird, dass Ü2 zum Teil bestimmte Aspekte genauer beschreibt oder Informationen wiederholt, um den Text leichter verständlich zu machen. Diese Maßnahme wird auch im letzten Teil dieses Diskursfragments deutlich. Hier wiederholt Murdoch das Wort „dagger“ und erreicht mit dieser Änderung ein leichteres Verständnis der Zusammenhänge in dieser Passage.

Beispiel 6:

Die letzte Textstelle, die im Rahmen dieses Unterkapitels einer Analyse unterzogen wurde, stellt eine weitere Kampfszene dar, in der der Protagonist und seine Truppe unter Beschuss geraten. Während Paul Bäumer vor den Granaten in Deckung geht, trifft er auf einen jungen, verängstigten Rekruten, der bei ihm Schutz sucht. Der zweite Abschnitt dieser Textstelle beschreibt die Interaktion der beiden Soldaten nach dem Ende des Angriffs. Dabei ermutigt Paul Bäumer den jungen Rekruten, der sich für seine Reaktion auf den Beschuss schämt.

Schon geht es los. Wir kriechen Then it begins in earnest. We It has started. We crawl away as weg, so gut es in der Eile geht. crawl away as well as we can in fast as we can. The next shell Der nächste Schuss sitzt bereits our haste. The next lands fair lands amongst us. Some of the zwischen uns. Ein paar Leute among us. Two fellows cry out. men scream. Green rockets go schreien. Am Horizont steigen Green rockets shoot up on the up over the horizon. Dirt flies grüne Raketen auf. Der Dreck sky-line. Barrage. The mud up. Shrapnel buzzes. You can fliegt hoch, Splitter surren. flies high, fragments whizz hear it landing when the noise Man hört sie noch aufklatschen, past. The crack of the guns is of the blast has long gone. wenn der Lärm der Einschläge heard long after the roar of the längst wieder verstummt ist. explosions. Close by us there is a recruit, a Neben uns liegt ein Besides us lies a fair-headed

Seite 77 von 107 verängstigter Rekrut, ein recruit in utter terror. He has blond lad, and he is terrified. Flachskopf. Er hat das Gesicht buried his face in his hands, his He has pressed his face into his in die Hände gepresst. Sein helmet has fallen off. I fish hold hands. His helmet has rolled Helm ist weggepurzelt. Ich of it and try to put it back on his off. I reach for it and try to put fische ihn heran und will ihn head. He looks up, pushes the it on to his head. He looks up, auf seinen Schädel stülpen. Er helmet off and like a child pushes the helmet away and sieht auf, stößt den Helm fort creeps under my arm, his head huddles in under my arm like a und kriecht wie ein Kind mit close to my breast. The little child, his head against my chest. dem Kopf unter meinen Arm, shoulders heave. Shoulders just His narrow shoulders are dicht an meine Brust. Die like Kemmerich’s. shaking, shoulders just like schmalen Schultern zucken. Kemmerich had.

Schultern, wie Kemmerich sie hatte.

[…] […] […] Er bemerkt seinen Helm und He sees his helmet and puts it setzt ihn auf. Langsam kommt on. Gradually he comes to. He notices his helmet and puts er zu sich. Plötzlich wird er Then suddenly he turns fiery it on his head. Slowly he comes feuerrot und hat ein verlegenes red and looks confused. to himself. Then suddenly he Aussehen. Vorsichtig langt er Cautiously he reaches his hand blushes scarlet and his face has mit der Hand nach hinten und to his behind and looks at me a look of embarrassment. sieht mich gequält an. Ich dismally. I understand at once: Cautiously he puts his hand to verstehe sofort: Gun-shy. That wasn’t the his rear end and gives me an Kanonenfieber. Dazu hatte ich reason I had stuck his helmet agonized look. I understand at ihm eigentlich den Helm nicht over it. “That’s no disgrace,” I once: the barrage scared the gerade dorthin gepackt – aber reassure him: “Many’s the man shit out of him. That wasn’t the ich tröste ihn doch: »Das ist before you has had his pants precise reason that I put his keine Schande, es haben schon full after the first bombardment. helmet where I did – but all the ganz andere Leute als du nach Go behind that bush there and same I comfort him. ‘No shame ihrem ersten Feuerüberfall die throw your underpants away. in that, plenty of soldiers before Hosen voll gehabt. Geh hinter Get along –––––” you have filled their pants when they came under fire for the den Busch da und schmeiß deine Unterhose weg. first time. Go behind that bush, chuck your underpants away, Erledigt –« and that’s that –’

O: S. 48f. Ü1: S. 61f. Ü2: S. 42f.

In dieser Textstelle ist erneut der Kampfdiskurs vorherrschend. Darüber hinaus lässt sich zusätzlich der Angstdiskurs benennen.

Das Diskursfragment spiegelt im Wesentlichen die gewonnenen Erkenntnisse aus den Analysebeispielen 1 und 3 wider. Auch hier wird deutlich, dass Ü2 im Gegensatz zu Ü1 näher am AT bleibt. Dabei zeigt das vorliegende Beispiel ebenfalls, dass Ü1 den Kampfdiskurs durch die vorgenommenen Änderungen im Vergleich mit dem deutschen Original abschwächt. Ü2 behält den Diskurs größtenteils bei. Diese Erkenntnisse werden erneut anhand der Betrachtung der einzelnen Verben, und wie diese in den jeweiligen Übersetzungen übertragen wurden, ersichtlich (z.B. „schreien“, „gepresst“, „zucken“ etc.). Sie zeigen im Wesentlichen stets eine Abschwächung des Kampfdiskurses in Ü1, bedingt durch die

Seite 78 von 107 Verwendung von schwächeren Verben und folglich dem Abweichen des Übersetzers vom deutschen Original. Ü2 behält die Intensität der Verben bei und hat somit keine Auswirkungen auf den Diskurs. Diese Erkenntnis gilt im Allgemeinen auch für die Übertragung der Adjektive. Dementsprechend schwächt Ü1 die deutschen Adjektive „verlegen“ und „gequält“ ab („confused“ bzw. „dismally“) während Ü2 am Original bleibt und somit den Diskurs im Vergleich mit dem Original nicht verändert („look of embarrassment“ bzw. „agonized“). Hierbei ist jedoch eine Ausnahme anzumerken. Beide englischen Übersetzungen verstärken an einer Stelle die Aussage beziehungsweise den Angstdiskurs im deutschen Original, indem sie das deutsche Adjektiv „verängstigt“ mit „in utter terror“ (Ü1) beziehungsweise „terrified“ (Ü2) wiedergeben.

Abgesehen von diesen Beobachtungen ist auch die Betrachtung der Termini im Hinblick auf den Krieg, das heißt die Soldatensprache, aufschlussreich. Unter dem von Remarque im deutschen Original verwendeten Begriff „Kanonenfieber“ wird die Angst, die einen neuen Rekruten bei einem Angriff befällt, beschrieben (Duden [2019]). Während Ü1 einen englischen Begriff wählt, der ein ähnliches Bild vermittelt, entschloss sich Murdoch in Ü2 dafür, diesen zu umschreiben und gleichzeitig die Folgen dieser Angst in die Erklärung miteinzubeziehen, welche im Original und in Ü1 an dieser Stelle nicht direkt angesprochen werden. Diese Maßnahme verstärkt den Kampf- beziehungsweise den Angstdiskurs in Ü2. Ein weiteres Beispiel für diese Verstärkung hinsichtlich eines militärspezifischen Wortschatzes zeigt die Übertragung des Begriffes „Splitter“. Im Deutschen umfasst dieser Begriff verschiedene Bedeutungen und ist nicht ausschließlich im Rahmen einer Kriegshandlung anzutreffen. Während Ü1 diese vage Formulierung beibehält („fragments“), greift Ü2 stärker in den AT ein und verstärkt durch die Verwendung des Begriffes „shrapnel“, welches die Art der Splitter, das heißt Granatensplitter, spezifiziert, den Kampfdiskurs.

Zusammenfassend können anhand der Analyse der einzelnen Textstellen hinsichtlich der Darstellung und Beschreibung der Kampfszenen in IWnN folgende Ergebnisse dargelegt werden. Vier der sechs in diesem Unterkapitel analysierten Beispiele stimmen mit der zuvor getroffenen Annahme, dass der Übersetzer von Ü1 bei der Übersetzung weiter vom Original abweicht und Ü2 wieder zu diesem zurückkehrt, überein, das heißt die RH ist auf diese Beispiele anwendbar. Dies hat zur Folge, dass der Kampfdiskurs in den betroffenen Beispielen in Ü1 tendenziell abgeschwächt wird und in Ü2 wiederum unverändert bleibt beziehungsweise in bestimmten Fällen sogar verstärkt wird.

Seite 79 von 107 Diese Hypothese trifft jedoch nicht auf alle in diesem Unterkapitel analysierten Beispiele zu. Bei zwei Diskursfragmenten bleibt Ü1 im Gegensatz zu den anderen Beispielen näher am Original, während Ü2 freier übersetzt. In diesen Fällen stimmt die RH nicht mit den Übersetzungen überein. Die Veränderungen in der zweiten Übersetzung führen dazu, dass der Kampfdiskurs in Ü2 im Vergleich mit dem Original verstärkt wird. Bei Ü1 kann hingegen eine Tendenz in Richtung einer geringen Veränderung beziehungsweise Abschwächung des Kampfdiskurses festgestellt werden. Aus diesen Erkenntnissen kann gefolgert werden, dass die beiden englischen Übersetzungen im Gesamten keine klare Linie hinsichtlich des Kampfdiskurses verfolgen und somit auch die RH nicht auf das gesamte Werk zutreffen kann. Um diese Annahme weiter zu überprüfen, wird im folgenden Kapitel ein nächster wichtiger Diskurs im Hinblick auf das Werk untersucht.

6.2.2 Der Verlustdiskurs bzw. die Thematik der verlorene Generation

Im Gegensatz zum vorangehenden Unterkapitel untersucht dieser Abschnitt einzelne Diskursfragmente im Bezug auf die Darstellung der verlorenen Jugend der Soldaten beziehungsweise hinsichtlich der Darstellung der Kameradschaft, die eine wichtige Rolle in IWnN spielt. Dafür wurden einzelne Passagen ausgewählt, in denen einerseits der Protagonist des Romans über bestimmte Themen nachdenkt wie beispielsweise seine verlorene Jugend oder die Tatsache, dass er keine Zukunftsperspektiven für sich und seine gleichaltrigen Kameraden sieht, und anderseits Szenen untersucht, in denen der Protagonist gemeinsam mit seinen Kameraden über den Krieg philosophiert.

Beispiel 7:

Im ersten Diskursfragment sinniert Paul Bäumer über seine Jugend, die er und seine Kameraden im Krieg verloren haben sowie über sein altes Leben, in das er seiner Meinung nach nicht einfach nach dem Krieg zurückkehren kann. Er erklärt, dass die älteren Soldaten, die vor dem Krieg schon einen Beruf, eine Familie etc. hatten, nach dem Kriegsende wieder in ihr zuvor geführtes Leben zurückkehren können, dies aber für ihn selbst und seine gleichaltrigen Kameraden unvorstellbar sei, da das Leben an der Front sie zu sehr verändert habe und sie gezwungen hatte, erwachsen zu werden.

Seit wir hier sind, ist unser Our early life is cut off from the When we came out here we früheres Leben abgeschnitten, moment we came here, and that were cut off, whether we liked ohne dass wir etwas dazu getan without our lifting a hand. We it or not, from everything we haben. Wir versuchen often try to look back on it and had done up to that point. We manchmal, einen Überblick to find an explanation, but often try to find a reason or an und eine Erklärung dafür zu never quite succeed. For us explanation for this, but we can

Seite 80 von 107 gewinnen, doch es gelingt uns young men of twenty never quite manage it. Things nicht recht. Gerade für uns everything is extraordinarily are particularly confused for us Zwanzigjährige ist alles vague, for Kropp, Müller, Leer, twenty-years-olds, for Kropp, besonders unklar, für Kropp, and for me, for all of us whom Müller, Leer and me, the ones Müller, Leer, mich, für uns, die Kantorek calls the “Iron Kantorek called young men of Kantorek als eiserne Jugend Youth.” All the older men are iron. The older men still have bezeichnet. Die älteren Leute linked up with their previous firm ties to their earlier lives – sind alle fest mit den Früheren life. They have wives, children, they have property, wives, verbunden, sie haben Grund, sie occupations, and interests, they children, jobs and interests, and haben Frauen, Kinder, Berufe have a background which is so these bonds are all so strong und Interessen, die schon stark strong that the war cannot that the war can’t break them. sind, dass der Krieg sie nicht obliterate it. We young men of But for us twenty-year-olds zerreißen kann. Wir twenty, however, have only our there are only our parents, and Zwanzigjährigen aber haben nur parents, and some, perhaps, a for some of us a girlfriend. That unsere Eltern und manche ein girl – that is not much, for at isn’t much, because at our age Mädchen. Das ist nicht viel – our age the influence of parents parental influence is at its denn in unserm Alter ist die is at its weakest and girls have weakest, and girls haven’t really Kraft der Eltern am not yet got a hold over us. taken over yet. Apart from that, schwächsten, und die Mädchen Besides this there was little else we really didn’t have much sind noch nicht beherrschend. – some enthusiasm, a few else; the occasional passion for Außer diesem gab es ja bei uns hobbies, and our school. something, a few hobbies, nicht viel anderes mehr; etwas Beyond this our life did not school; our lives didn’t go much Schwärmertum, einige extend. And of this nothing further than that as yet. And Liebhabereien und die Schule; remains. now nothing is left of it all. weiter reichte unser Leben noch nicht. Und davon ist nichts geblieben. Kantorek würde sagen, wir Kantorek would say that we Kantorek would say that we had hätten gerade an der Schwelle stood on the threshold of life, been standing on the very des Daseins gestanden. So And so it would seem. We had threshold of life itself. It’s ähnlich ist es auch. Wir waren as yet taken no root. The war pretty well true, too. We hadn’t noch nicht eingewurzelt. Der swept us away. For the others, had a chance to put down any Krieg hat uns weggeschwemmt. the older men, it is but an roots. The war swept us away. Für die andern, die Älteren, ist interruption. They are able to For the others, for the older er eine Unterbrechung, sie think beyond it. We, however, men, the war is an interruption, können über ihn hinausdenken. have been gripped by it and do and they can think beyond the Wir aber sind von ihm not know what the end may be. end of it. But we were caught ergriffen worden und wissen We know only that in some up by war, and we can’t see nicht, wie das enden soll. Was strange and melancholy way we how things will turn out. All we wir wissen, ist vorläufig nur, have become a waste land. All know for the moment is that in dass wir auf eine sonderbare the same, we are not often sad. some strange and melancholy und schwermütige Weise way we have become verroht sind, obschon wir nicht hardened, although we don’t einmal oft mehr traurig werden. often feel sad about it any more.

O: S. 23 Ü1: S. 19f. Ü2: S. 14f.

Durch den in diesem Diskursfragment beschriebenen Verlust der Jugend lässt sich folglich der sogenannte Verlustdiskurs benennen, der in diesem Abschnitt vorherrschend ist. Am Ende dieser Textpassage tritt darüber hinaus in verschränkter Form mit dem zuvor genannten Diskurs der Gleichgültigkeitsdiskurs auf.

Seite 81 von 107 Dieses Beispiel zeigt, dass sich Ü2 im Allgemeinen weiter vom AT entfernt als Ü1 und einzelne Begriffe wie beispielsweise „eiserne Jugend“ im Englischen umschrieben werden. Hinsichtlich des Verlustdiskurses lässt sich in Ü1 eine Tendenz in Richtung einer Verstärkung des Diskurses feststellen. Diese Erkenntnis bringt einerseits die Betrachtung der in diesem Abschnitt verwendeten Verben: Demnach wird der Verlustdiskurs in Ü1 durch Verben wie beispielsweise „obliterate“ verstärkt. Im Gegensatz dazu, hat das Verb „break“ in Ü2 lediglich eine geringe Änderung des Diskurses zur Folge, wobei dieser tendenziell abschwächt wird. Andererseits lässt sich diese Tendenz auch an der Wahl der Adverbien beziehungsweise Adjektive festmachen. Durch die Verwendung des Adverbs „extraordinarily“ verstärkt Wheen Ü1 im Vergleich mit Ü2, die in diesem Fall mit der Wahl des Adverbs „particularly“ näher am Original bleibt und das deutsche Adverb nicht verstärkt. Überdies gibt es jedoch in dieser Textstelle auch eine Passage, in der bei beiden Übersetzungen eine Verstärkung des Verlustdiskurses festzustellen ist. Beide englischen Übersetzer übertragen das im deutschen AT verwendete Adverb „manchmal“ mit „often“ und verstärken somit die Aussage des Originals.

Beispiele dafür, dass beide Übersetzungen weiter vom Original abweichen beziehungsweise, dass sich vor allem Murdoch stellenweise für eine freiere Übertragung ins Englische entschieden hat, gibt vor allem die Betrachtung der Substantive in dieser Textstelle. Sowohl Ü1 als auch Ü2 übertragen Ausdrücke wie zum Beispiel „Schwärmertum“ oder „Liebhabereien“ verhältnismäßig frei und greifen in diesem Zusammenhang stärker in den AT ein. Darüber hinaus ändert Murdoch beispielsweise die Aussage „ohne dass wir etwas dazu getan haben“, indem er diese mit „whether we liked it or not“ wiedergibt. Diese Änderungen innerhalb der beiden Übersetzungen wirken sich jedoch nicht beziehungsweise nur gering auf den Verlustdiskurs in diesem Diskursfragment aus.

Der Gleichgültigkeitsdiskurs am Ende dieser Textpassage wird in Ü1 bei der Übertragung des deutschen Ausdruckes „verroht sein“ leicht verstärkt („we have become a waste land“). In Ü2 („we have become hardened“) bleibt der Diskurs in diesem Fall unverändert. Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf den Verlustdiskurs in Ü1 eine Verstärkung feststellen, während dieser in Ü2 tendenziell unverändert bleibt.

Beispiel 8:

In dieser Szene befasst sich Paul Bäumer mit der harten Ausbildungszeit, die er gemeinsam mit seinen Kameraden erfahren hatte. Nachdem sie zuvor in den Barracken auf den

Seite 82 von 107 Unteroffizier Himmelstoß, ihren damaligen Ausbilder, getroffen waren, der für die zahlreichen Schikanen während ihrer Ausbildungszeit verantwortlich war und für die sich die Gruppe von Freunden in einer der folgenden Szenen rächt, beschreibt der Protagonist diese Zeit folgendermaßen:

Uns ist dabei wohl jeder So we were put through every In the process we probably Kasernenhofschliff conceivable refinement of picked up every little detail of zuteilgeworden, der möglich parade-ground soldiering till we parade-ground drill that there war, und oft haben wir vor Wut often howled with rage. Many was, and often we were so geheult. Manche von uns sind of us became ill through it; angry that it brought us to auch krank dadurch geworden. Wolf actually died of screaming pitch. It made a good Wolf ist sogar an inflammation of the lung. But few of us ill, and one of us, Lungenentzündung gestorben. we would have felt ridiculous Wolf, actually died of Aber wir wären uns lächerlich had we hauled down our pneumonia. But we would have vorgekommen, wenn wir klein colours. We became hard, been ashamed of ourselves if beigegeben hätten. Wir wurden suspicious, pitiless, vicious, we had thrown in the towel. We hart, misstrauisch, mitleidlos, tough – and that was good; for became tough, suspicious, rachsüchtig, roh – und das war these attributes were just what hardhearted, vengeful and gut; denn diese Eigenschaften we lacked. Had we gone into rough – and a good thing too, fehlten uns gerade. Hätte man the trenches without this period because they were just the uns ohne diese Ausbildungszeit of training most of us would qualities we needed. If they had in den Schützengraben certainly have gone mad. Only sent us out into the trenches geschickt, dann wären wohl die thus were we prepared for what without this kind of training, meisten von uns verrückt awaited us. then probably most of us geworden. So aber waren wir would have gone mad. But this vorbereitet für das, was uns way we were prepared for what erwartete. was waiting for us. Wir zerbrachen nicht, wir We did not break down, but We didn’t break; we adapted. passten uns an; unsere zwanzig adapted ourselves; our twenty The fact that we were only Jahre, die uns manches andere years, which made many twenty helped us to do that, so schwer machten, halfen uns another thing so grievous, even though it made other dabei. Das Wichtigste aber war, helped us in this. But by far the things so difficult. But most dass in uns ein festes, most important result was that it important of all, we developed a praktisches awakened in us a strong, firm, practical feeling of Zusammengehörigkeitsgefühl practical sense of esprit de solidarity, which grew, on the erwachte, das sich im Felde corps, which in the field battlefield, into the best thing dann zum Besten steigerte, was developed into the finest thing that the war produced – der Krieg hervorbrachte: zur that arose out of the war – comradeship in arms. Kameradschaft! comradeship.

O: S. 27 Ü1: S. 26f. Ü2: S. 19

Zum einen zeigt diese Textstelle anhand der Erzählung des Protagonisten den Kampf der Soldaten, vor allem mit sich selbst. Bei der Schilderung seiner Ausbildungszeit beschreibt Bäumer das Ankämpfen der Soldaten gegen ein Kapitulieren aufgrund der Anstrengungen, denen sie ausgesetzt waren. Folglich kann hier ebenso wie im vorangehenden Unterkapitel der Kampfdiskurs – wenngleich auch in einem anderen Sinne – identifiziert werden. Zum anderen weist Paul Bäumer am Ende dieses Diskursfragments auf die Bedeutung des

Seite 83 von 107 Zusammenhalts unter den Soldaten hin. Folglich lässt sich hier ein sogenannter Kameradschaftsdiskurs definieren.

Im Bezug auf den Kampfdiskurs lässt sich lediglich eine Tendenz dahingehend erkennen, als dass Ü1 weniger in den AT eingreift und der Diskurs folglich meist unverändert bleibt. Eine Ausnahme bildet einerseits die Übertragung des Adjektivs „schwer“, welches in Ü1 mit einem stärkeren Adjektiv übertragen wird und der Diskurs infolgedessen verstärkt wird. Ü2 bleibt in diesem Fall nahe am Original, wodurch der Kampfdiskurs unverändert bleibt. Andererseits kommt es auch durch die Wahl des Verbes „put through“ zu einer Verstärkung. Im Hinblick auf Ü2 ist keine Tendenz erkennbar. Demnach finden sich Beispiele für ein Beibehalten des Diskurses („difficult“), das Verstärken („ashamed“ für das deutsche „lächerlich“) sowie auch für das Abschwächen des Kampfdiskurses („probably“). Überdies wird in Ü2 die Formulierung „vor Wut aufheulen“ aus dem deutschen Original abgeschwächt, indem in der englischen Übersetzung („we were so angry that it brought us to screaming pitch“), die die Formulierung umschreibt, die Handlung des Weinens verloren geht. Diese Maßnahme des Übersetzers von Ü2 bedingt auch hier eine Abschwächung des Kampfdiskurses – beziehungsweise kann in diesem Fall auch ein Leidensdiskurs identifiziert werden, welcher folglich im Vergleich mit dem deutschen Original ebenfalls abgeschwächt wird.

Abschließend findet sich in dieser Textstelle ebenfalls ein Beispiel für eine Verstärkung des Kampfdiskurses in beiden englischen Übersetzungen. Während das deutsche Original schildert, dass „manche“ der Soldaten aufgrund des harten Trainings erkrankt sind, steigern beide englischen Übersetzungen mit „many“ (Ü1) beziehungswiese „good few“ (Ü2) diese Aussage und verstärken in weiterer Folge den gesamten Diskurs.

Über die Übertragung des Kameradschaftsdiskurses im letzten Abschnitt dieses Diskursfragments gibt die Betrachtung des im Original von Remarque gewählten Begriffs „Zusammengehörigkeitsgefühl“, der in engem Zusammenhang mit dem Konzept der Kameradschaft steht, Aufschluss. Während Murdoch diesen Begriff mit „feeling of solidarity“ wiedergibt, entschloss sich Wheen dazu, für die Übertragung dieses Konzepts eine französische Formulierung („sense of esprit de corps“11) zu wählen. Weder in Ü1 noch in Ü2 kommt es durch diese unterschiedliche Übertragung ins Englische zu einer Veränderung in Hinblick auf den Kameradschaftsdiskurs.

11 Arthur W. Wheen verwendete mehrfach französische Begriffe in seiner Übersetzung von IWnN. Diese kennzeichnete er durch eine kursive Formatierung.

Seite 84 von 107 Beispiel 9:

Erich Maria Remarque beschreibt in der folgenden Textstelle ein Gespräch über den Krieg innerhalb der Gruppe der ehemaligen Schulkameraden, darunter der Protagonist Paul Bäumer, in den Baracken hinter der Front. Dabei bringen die Kameraden ihre jeweilige Meinung über ihr Leben nach dem Krieg zum Ausdruck. In den Passagen vor diesem Ausschnitt sprechen die Soldaten darüber, wie unvorstellbar für sie der Gedanke ist, nach dem Kriegsende wieder an die Schulbank zurückzukehren. Überdies stimmen sie darin überein, all das in der Schule Gelernte bereits vergessen zu haben beziehungsweise ohnehin nichts Nützliches gelernt zu haben. Remarque veranschaulicht in dieser Passage die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit, die die ehemaligen Schüler im Hinblick auf ihre Zukunft verspüren. In diesem Zusammenhang lassen sich folgende Diskurse definieren: Einerseits tritt durch die Beschreibungen des Protagonisten seiner verlorenen Jugendzeit beziehungsweise der seiner Schulkameraden der Verlustdiskurs stark hervor. Andererseits kann im folgenden Diskursfragment zusätzlich der Generationendiskurs, der verschränkt mit dem zuvor genannten Diskurs auftritt, benannt werden.

Mit einem Mal scheint mir alles All at once everything seems to All at once everything seems to aussichtslos und verzweifelt. me confused and hopeless. be pointless and desperate. Kropp denkt ebenfalls darüber Kropp feels it too. “It will go Kropp takes it further along the nach. Es wird überhaupt schwer pretty hard with us all. But same line. ‘It will be just as werden mit uns allen. Ob die nobody at home seems to worry difficult for all of us. I wonder sich in der Heimat eigentlich much about it. Two years of whether the people back at nicht manchmal Sorgen shells and bombs – a man home don’t worry about it machen deswegen? Zwei Jahre won’t peel that off as easy as a themselves occasionally? Two Schießen und Handgranaten – sock.” years of rifle fire and hand- das kann man doch nicht grenades – you can’t just take it ausziehen wie einen Strumpf all off like a pair of socks nachher –« afterwards –’ Wir stimmen darin überein, We agree that it’s the same for We all agree that it is the same dass es jedem ähnlich geht; everyone; not only us here, but for everyone; not only for us nicht nur uns hier; überall, everywhere, for everyone who here, but for everyone who is in jedem, der in der gleichen Lage is of our age; to some more, and the same boat, some to a ist, dem einen mehr, dem to others less. It is the common greater, others to a lesser extent. andern weniger. Es ist das fate of our generation. It is the common fate of our gemeinsame Schicksal unserer generation. Generation. Albert expresses it: “The war Albert puts it into words . ‘The Albert spricht es aus. »Der has ruined us for everything.” war has ruined us for Krieg hat uns für alles He is right. We are not youth everything.’ He is right. We’re verdorben.« Er hat recht. Wir any longer. We don’t want to no longer young men. We’ve sind keine Jugend mehr. Wir take the world by storm. We are lost any desire to conquer the wollen die Welt nicht mehr fleeing. We fly from ourselves. world. We are refugees. We are stürmen. Wir sind Flüchtende. From our life. We were fleeing from ourselves. From Wir flüchten vor uns. Vor eighteen and had begun to love our lives. We were eighteen unserem Leben. Wir waren years old, and we had just

Seite 85 von 107 achtzehn Jahre und begannen life and the world; and we had begun to love the world and to die Welt und das Dasein zu to shoot it to pieces. The first love being in it; but we had to lieben; wir mussten darauf bomb, the first explosion, burst shoot at it. The first shell to schießen. Die erste Granate, die in our hearts. We are cut off land went straight for our einschlug, traf in unser Herz. from activity, from striving, hearts. We’ve been cut off from Wir sind abgeschlossen vom from progress. We believe in real action, from getting on, Tätigen, vom Streben, vom such things no longer, we from progress. We don’t believe Fortschritt. Wir glauben nicht believe in war. in those things any more; we mehr daran; wir glauben an den believe in the war. Krieg.

O: S. 66f. Ü1: S. 87f. Ü2: S. 61

Im Hinblick auf den Verlustdiskurs in den beiden Übersetzungen kann hier eine Tendenz in Richtung einer Verstärkung festgestellt werden. Diese Aussage wird durch zahlreiche Beispiele in dieser Textstelle unterstützt. So verstärkt Ü1 im Vergleich mit Ü2 den Verlustdiskurs beispielsweise durch Verben wie „shoot to pieces“ oder auch „burst“. Ü2 behält den Diskurs in diesem Fall bei („shoot at it“ bzw. „went straight for“). Im Gegensatz dazu verstärkt Ü2 den Verlustdiskurs in anderen Abschnitten, in denen dieser in Ü1 unverändert bleibt. Dies ist zum Beispiel bei der Aussage des Protagonisten, dass sie ihre Jugend verloren haben und sie „die Welt nicht mehr stürmen“ wollen, der Fall. Während Ü1 bei der Übertragung dieses Satzes nahe am deutschen Original bleibt und es im Prinzip unverändert übernimmt („We don’t want to take the world by storm“), spricht Ü2 davon, dass die Schulkameraden jegliches Verlangen, die Welt zu erobern verloren hätten („We’ve lost any desire to conquer the world“). Mit dieser Aussage verstärkt Murdoch den Verlustdiskurs in dieser Passage.

Überdies fällt auf, dass Wheen die Frage aus dem Original im ersten Absatz nicht übernommen, sondern diese zu einem Aussagesatz umgewandelt hat. Durch diese Änderung weicht er stark vom AT ab und greift auf diese Weise in den Diskurs ein, indem er diesen im Vergleich mit dem deutschen Original verstärkt. Im Gegensatz dazu übernimmt Murdoch die Fragestruktur des AT, wodurch der Verlustdiskurs in Ü2 unverändert bleibt. Diese Diskursverstärkung in Ü1 wird zusätzlich noch durch ein Fehlen des im deutschen AT verwendeten Adverbs „manchmal“, welches diesen abschwächen würde, unterstützt.

Abgesehen von einer Verstärkung des Verlustdiskurses in beiden Übersetzungen kann im ersten Absatz dieser Textstelle erneut eine Änderung im Hinblick auf die Erzählperspektive in Ü2 beobachtet werden. Wie bereits zuvor im Unterkapitel 6.2.1 besprochen, wirkt sich der Perspektivenwechsel durch die Änderung des deutschen Indefinitpronomens „man“ hin zu

Seite 86 von 107 einem persönlichen Pronomen („you“) dahingehend aus, dass die betroffenen Diskurse, in diesem Fall der Verlustdiskurs, verstärkt werden.

Der eingangs erwähnte Generationendiskurs bleibt in beiden Übersetzungen unverändert erhalten. Allgemein kann in diesem Beispiel davon gesprochen werden, dass Ü1 dazu tendiert, stärker vom Original abzuweichen, während Ü2, im Gegensatz dazu, näher zum AT zurückkehrt. Folglich trifft die RH auf dieses Diskursfragment zu.

Beispiel 10:

Nachdem der Protagonist an der Front verwundet wird, wird er gemeinsam mit seinem Kameraden Albert ins Lazarett gebracht. Dort erlebt er das ganze Leid und Elend des Krieges. Diese Erfahrungen veranlassen ihn einmal mehr dazu, den Krieg zu hinterfragen. In einer dieser Lazarettszenen bringt Remarque diese Verzweiflung über den Krieg folgenderweise zum Ausdruck:

Wie sinnlos ist alles, was je How senseless is everything How pointless all human geschrieben, getan, gedacht that can ever be written, done, thoughts, words and deeds must wurde, wenn so etwas möglich or thought, when such things be, if things like this are ist! Es muss alles gelogen und are possible. It must be all lies possible! Everything must have belanglos sein, wenn die Kultur and of no account when the been fraudulent and pointless if von Jahrtausenden nicht einmal culture of a thousand years thousands of years of verhindern konnte, dass diese could not prevent this stream of civilization weren’t even able to Ströme von Blut vergossen blood being poured out, these prevent this river of blood, wurden, dass diese Kerker der torture-chambers in their couldn’t stop these torture Qualen zu Hunderttausenden hundreds of thousands. A chambers existing in their existieren. Erst das Lazarett hospital alone shows what war hundreds of thousands. Only a zeigt, was der Krieg ist. is. military hospital can really show you what war is.

I am young, I am twenty years Ich bin jung, ich bin zwanzig I am young, I am twenty years of age; but I know nothing of Jahre alt; aber ich kenne vom old; yet I know nothing of life life except despair, death, fear, Leben nichts anderes als die but despair, death, fear, and and the combination of Verzweiflung, den Tod, die fatuous superficiality cast over completely mindless Angst und die Verkettung an abyss of sorrow. I see how superficiality with an abyss of sinnlosester Oberflächlichkeit people are set against one suffering. I see people being mit einem Abgrund des another, and in silence, driven against one another, and Leidens. Ich sehe, dass Völker unknowingly, foolishly, silently, uncomprehendingly, gegeneinander getrieben obediently, innocently slay one foolishly, obediently and werden und sich schweigend, another. I see that the keenest innocently killing one another. I unwissend, töricht, gehorsam, brains of the world invent see the best brains in the world unschuldig töten. Ich sehe, dass weapons and words to make it inventing weapons and words to die klügsten Gehirne der Welt yet more refined and enduring. make the whole process that Waffen und Worte erfinden, um And all men of my age, here much more sophisticated and das alles noch raffinierter und and over there, throughout the long-lasting. And watching this länger dauernd zu machen. Und whole world see these things; with me are all my mit mir sehen das alle all my generation is contemporaries, here and on the Menschen meines Alters hier experiencing these things with other side, all over the world – und drüben, in der ganzen Welt, me. What would our fathers do

Seite 87 von 107 mit mir erlebt das meine if we suddenly stood up and my whole generation is Generation. Was werden came before them and proffered experiencing this with me. unsere Väter tun, wenn wir our account? What do they What would our fathers do if einmal aufstehen und vor sie expect of us if a time ever one day we rose up and hintreten und Rechenschaft comes when the war is over? confronted them, and called fordern? Was erwarten sie von Through the years our business them to account? What do they uns, wenn eine Zeit kommt, wo has been killing; – it was our expect from us when a time kein Krieg ist? Jahre hindurch first calling in life. Our comes in which there is no war? war unsere Beschäftigung Töten knowledge of life is limited to For years our occupation has – es war unser erster Beruf im death. What will happen been killing – that was the first Dasein. Unser Wissen vom afterwards? And what shall experience we had. Our Leben beschränkt sich auf den come out of us? knowledge of life is limited to Tod. Was soll danach noch death. What will happen geschehen? Und was soll aus afterwards? And what can uns werden? possibly become of us?

O: S. 180 Ü1: S. 263f. Ü2: S. 180

Die in diesem Diskursfragment zu beobachtende Diskursstrang-Verschränkung setzt sich aus dem Leidensdiskurs, der in diesem Abschnitt prädominant ist, und dem Generationendiskurs, der nur vereinzelt auftritt, zusammen.

Im Hinblick auf den Leidensdiskurs in dieser Passage können folgende Erkenntnisse gezogen werden: Aufgrund der Nähe zum deutschen Original bleibt der Leidensdiskurs in Ü2 im Großen und Ganzen unverändert. Im Gegensatz dazu kommt es in Ü1 zu größeren Veränderungen hinsichtlich des Diskurses, wobei dieser weitgehend abgeschwächt wird. Festmachen lässt sich diese Abschwächung beispielsweise am ersten Satz dieser Passage. Im deutschen Original, wie auch in Ü2, wird die Verzweiflung des Protagonisten über die Sinnlosigkeit des Krieges anhand eines Ausrufesatzes zum Ausdruck gebracht. In Ü1 geht dieser Ausruf verloren, wodurch es in diesem Fall zu einer Abschwächung des Leidensdiskurses kommt. Ein weiteres Beispiel für den abgeschwächten Diskurs in Ü1 stellt die Übertragung der im deutschen Original verwendeten Ausdrücke „Ströme von Blut“ beziehungsweise „Lazarett“ dar. Während Ü2 auch in diesen beiden Fällen nahe am AT bleibt und den Diskurs nicht beziehungsweise nur leicht verändert, schwächt Ü1 den ersten Ausdruck durch die Wahl des Substantivs „stream“ anstelle von „river“ stärker ab. Bezogen auf die Übersetzung des letztgenannten Begriffes kommt es in Ü1 im Vergleich mit Ü2 zu einem Wegfallen des Zusatzes „military“, welches die Schwere der Aussage, dass ein Lazarett die wahre Seite des Krieges zeigt, abgemildert.

Demgegenüber lässt sich jedoch auch eine Verstärkung des Leidensdiskurses in Ü1 bei der Übersetzung des deutschen Verbs „töten“ feststellen. Während in diesem Beispiel Ü2 wiederum näher am Original bleibt, wird die Aussage und somit der Leidensdiskurs in Ü1

Seite 88 von 107 durch die Verwendung des stärker konnotierten Verbes „slay“ verstärkt. Diese Verstärkung stellt jedoch eine Ausnahme dar.

Abgesehen davon ist ein weiterer Aspekt dieser Textstelle in Bezug auf Ü2 erwähnenswert. Wie bereits mehrfach erläutert, entschied sich Murdoch, die Erzählperspektive in seiner Übersetzung zu verändern. Dies zeigt sich auch im ersten Absatz dieses Beispiel, in dem der Übersetzer zusätzlich das Pronomen „you“ einfügt, ohne dass dieses für das Verständnis des Satzes nötig wäre. Mit dieser Maßnahme wird die Übersetzung persönlicher und dadurch der Leidensdiskurs verstärkt.

Hinsichtlich des Generationendiskurses kann weder in Ü1 noch in Ü2 eine signifikante Veränderung beobachtet werden.

Diese Textstelle unterstützt wiederum die Retranslation Hypothesis: Die erste Übersetzung von Arthur W. Wheen wählt freiere Formulierungen und weicht bei der Übertragung ins Englische weiter vom AT ab, während die spätere Übersetzung von Murdoch zum Original zurückkehrt und Formulierungen wählt, die näher am deutschen AT bleiben.

Beispiel 11:

Die letzte Textstelle, die in diesem Unterkapitel untersucht wird, stellt ein weiteres Beispiel für die Übertragung des Verlustdiskurses in den beiden englischen Übersetzungen dar. Der Verlustdiskurs wird im Folgenden durch Beschreibungen des Protagonisten, der an seine Jugendzeit vor dem Kriegsbeginn zurückdenkt, zum Ausdruck gebracht. Die folgende Szene beschreibt Bäumers Gedanken, während er am Abend nach einem Angriff auf dem Wachposten ist. Die Ruhe nach dem Kampf führt dazu, dass in ihm die Erinnerungen an seine Jugend wieder aufleben.

Und selbst wenn man sie uns And even if these scenes of our And even if someone were to wiedergäbe, diese Landschaft youth were given back to us we give us it back, that landscape unserer Jugend, wir würden would hardly know what to do. of our youth, we wouldn’t have wenig mehr mit ihr anzufangen The tender, secret influence that much idea of how to handle it. wissen. Die zarten und passed from them into us could The tender, secret forces that geheimen Kräfte, die von ihr zu not rise again. We might be bound it to us cannot come back uns gingen, können nicht amongst them and move in to life. We should be in the wiedererstehen. Wir würden in them; we might remember and landscape, wandering around; ihr sein und in ihr umgehen; wir love them and be stirred by the we should remember, and love würden uns erinnern und sie sight of them. But it would be it, and be moved by the sight of lieben und bewegt sein von like gazing at the photograph of it. But it would be just the same ihrem Anblick. Aber es wäre a dead comrade; those are his as when we see a photograph of das Gleiche, wie wenn wir features, it is his face, and the one of our friends who has been nachdenklich werden vor der days we spent together take on killed, and we stop to think Fotographie eines toten a mournful life in the memory; about it. The features are his,

Seite 89 von 107 Kameraden; es sind seine Züge, but the man himself it is not. the face is his, and the days we es ist sein Gesicht, und die spent with him take on a

Tage, die wir mit ihm deceptive life in our memories; zusammen waren, gewinnen ein but it isn’t really him. trügerisches Leben in unserer

Erinnerung; aber er ist es nicht selbst. […] […] […] Vielleicht war es nur das Perhaps it was only the Perhaps it was just the privilege Vorrecht unserer Jugend – wir privilege of our youth, but as of our youth – we were not yet sahen noch keine Bezirke, und yet we recognized no limits and able to see any restrictions, and nirgendwo gaben wir ein Ende saw nowhere an end. We had we could not admit to ourselves zu; wir hatten die Erwartung that thrill of expectation in the that things would ever come to des Blutes, die uns eins machte blood which united us with the an end; expectation was in our mit dem Verlauf unserer Tage. course of our days. blood, and this meant that we were at one with our lives as the

days went by. Heute würden wir in der Today we would pass through Now we would wander around Landschaft unserer Jugend the scenes of our youth like like strangers in those umhergehen wie Reisende. Wir travelers. We are burnt up by landscapes of our youth. We sind verbrannt von Tatsachen, hard facts; like tradesmen we have been consumed in the fires wir kennen Unterschiede wie understand distinctions, and like of reality, we perceive Händler und Notwendigkeiten butchers, necessities. We are no differences only in the way wie Schlächter. Wir sind nicht longer untroubled – we are tradesmen do, and we see mehr unbekümmert – wir sind indifferent. We might exist necessities like butchers. We fürchterlich gleichgültig. Wir there; but should we really live are free of care no longer – we würden da sein; aber würden there? are terrifyingly indifferent. We wir leben? might be present in that world, but would we be alive in it?

O: S. 89f. Ü1: S. 122f. Ü2: S. 84f

Dieses Beispiel zeigt wiederum eine Präferenz des Übersetzers von Ü2, verschiedene Aspekte genauer zu formulieren oder zu beschreiben, um dem Original gerecht zu werden. Dies wird bereits anhand der Länge der Passage aus Ü2 klar ersichtlich. Generell kann aber festgestellt werden, dass Murdoch mit dieser Maßnahme größtenteils nicht in den AT eingreift, sondern dadurch im Vergleich mit Ü1 näher am Inhalt des Originaltextes bleibt.

Das Diskursfragment zeigt keine klare Tendenz im Bezug auf die Veränderung des Verlustdiskurses in den beiden englischen Übersetzungen. Beim Vergleich der einzelnen Attribute fällt jedoch auf, dass Ü1 bei der Übertragung ins Englische dazu neigt, stärker in den AT einzugreifen und den Verlustdiskurs im Vergleich mit dem Original somit verändert, während dieser bei Ü2 unverändert bleibt. In Ü1 finden sich sowohl Beispiele für eine Verstärkung („mournful“) als auch für eine Abschwächung des Diskurses. Die Abschwächung entsteht in Ü1 beispielsweise durch die Auslassung eines Adverbs

Seite 90 von 107 („fürchterlich“). In Ü2 bleibt der Verlustdiskurs in beiden angesprochenen Fällen unverändert.

Im Gegensatz dazu finden sich einige Passagen, in denen der Verlustdiskurs in Ü2 verstärkt wird, während dieser in Ü1 unverändert bleibt. Dazu zählt zum einen die Übertragung des Substantivs „Reisende“, das in Ü2 – anstelle von wie in Ü1 mit „travelers“ – mit „strangers“ übersetzt wurde und dadurch die Aussage, dass sie wie Reisende durch die Landschaft ihrer Jugend wandern, leicht verstärkt. Zum anderen trägt auch die Übersetzung des im Deutschen verwendeten „würden“ zu Beginn dieses Abschnitts zu einer Verstärkung des Diskurses in Ü2 bei, indem Murdoch dieses durch ein Modalverb ersetzt und somit die Aussage verschärft. Letztlich kann auch im abschließenden Satz dieser Textstelle eine Verstärkung des Verlustdiskurses – jedoch in Ü1 – festgestellt werden. In diesem Abschnitt verwendet der Übersetzer von Ü1 anstelle des deutschen „würde“ im Englischen das Modalverb „should“, wodurch er die Frage, ob sie dort leben würden, durch „sollen“ verschärft. Diese Maßnahme wirkt sich in weitere Folge auch auf den Diskurs aus, der ebenfalls leicht verstärkt wird.

Zusätzlich kann in diesem Beispiel der Kameradschaftsdiskurs benannt werden. Dieser tritt jedoch nur vereinzelt auf und bleibt sowohl in Ü1 als auch Ü2 unverändert.

Im Vergleich zu den Textstellen in Unterkapitel 6.2.1, in denen überwiegend die Übertragung des Kampfdiskurses in die beiden englischen Übersetzungen untersucht wurde, kann bei den in diesem Unterkapitel betrachteten Diskursen keine klare Tendenz bezüglich der Veränderung der Diskurse festgestellt werden. Für jene Diskurse, die in den analysierten Textstellen lediglich oberflächlich behandelt wurden – dies gilt für den Kameradschaftsdiskurs, den Kampfdiskurs, den Gleichgültigkeitsdiskurs sowie den Generationendiskurs – kann zusammengefasst werden, dass diese weder in Ü1 noch in Ü2 gröberen Veränderungen ausgesetzt sind und dementsprechend im Allgemeinen unverändert bleiben. Die gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf den Leidensdiskurs in IWnN lassen sich wie folgt resümieren: Während dieser in Ü1 tendenziell abgeschwächt wird, bleibt er in Ü2 überwiegend unverändert beziehungsweise wird im Vergleich mit der ersten Übersetzung vereinzelt sogar verstärkt. Dies bestätigt wiederum die Hypothese, dass der Übersetzer von Ü1 weiter vom deutschen Original abgewichen ist und Aussagen bezüglich des Leidens der Soldaten an der Front abgeschwächt hat, um vermutlich auch aufgrund der zeitlichen Nähe das Ausmaß der Ereignisse zu reduzieren und dadurch das Werk leichter in die Zielkultur einführen zu können.

Seite 91 von 107 Die Ergebnisse, die bei der Untersuchung des Verlustdiskurses – der in diesen Diskursfragmenten vorherrschend ist – herausgearbeitet werden konnten, stimmen jedoch nicht mit dieser These überein. Obgleich keine allgemeine Tendenz in Bezug auf die Veränderung dieses Diskurses festzustellen ist, kann zusammenfassend die Aussage getroffen werden, dass dieser in beiden Übersetzungen entweder tendenziell leicht verstärkt wird oder aber unverändert erhalten bleibt. Durch die Eingriffe der beiden Übersetzer in das deutsche Original kommt es hierbei – im Gegensatz zum Leidensdiskurs in Ü1 – jedoch zu keiner Abschwächung des Diskurses.

Im Bezug auf die Retranslation Hypothesis kann abschließend folgende Aussage getroffen werden: Da die RH in drei von fünf untersuchten Fällen zutrifft, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese – auch wenn vereinzelt das Gegenteil der Fall ist – im Großen und Ganzen auf das gesamte Werk umlegen lässt.

Um weitere Erkenntnisse im Hinblick auf die Veränderungen der einzelnen Diskurse in den beiden englischen Übersetzungen zu erhalten, wird im folgenden Unterkapitel eine abschließende Thematik des Werkes behandelt.

6.2.3 Der Leidensdiskurs bzw. das Leben der Soldaten an der Front

Im Folgenden werden drei Textstellen im Hinblick auf die Darstellungen Remarques des Alltags der Soldaten an der Front beziehungsweise im Lazarett untersucht. In diesem Zusammenhang soll vor allem die Wiedergabe der Schrecken des Krieges beziehungsweise des Leides der Soldaten im Ersten Weltkrieg in den beiden englischen Übersetzungen näher betrachtet werden. Obgleich der Leidensdiskurs bereits im vorangehenden Unterkapitel Erwähnung fand, liegt der Fokus dieses Unterkapitels aufgrund seiner Rolle im Roman erneut auf diesem. Daneben lässt sich überdies erneut der Kampfdiskurs benennen.

Beispiel 12:

Die erste Textstelle, die in diesem Unterkapitel Aufschluss über die Übertragung des Leidensdiskurses in den beiden englischen Übersetzungen geben soll, beschreibt eine Szene am Beginn des Romans, in der die Gruppe rund um den Protagonisten ihren Kameraden Kemmerich im Feldlazarett besuchen. Mithilfe dieser Darstellungen des Leids und Elends im Lazarett veranschaulicht Remarque erneut die Schrecken des Krieges.

Im Feldlazarett ist großer In the dressing station there is The clearing station is very Betrieb; es riecht wie immer great activity: it reeks as ever busy. It smells of carbolic, pus nach Karbol, Eiter und of carbolic, pus, and sweat. We and sweat, just like it always

Seite 92 von 107 Schweiß. Man ist aus den are accustomed to a good deal does. You get used to a lot of Baracken manches gewohnt, in the billets, but this makes us things when you are in the aber hier kann einem doch flau feel faint. We ask for barracks, but this can still really werden. Wir fragen uns nach Kemmerich. He lies in a large turn your stomach. We keep on Kemmerich durch; er liegt in room and receives us with asking people until we find out einem Saal und empfängt uns feeble expressions of joy and where Kemmerich is; he is in a mit einem schwachen Ausdruck helpless agitation. While he was long ward, and welcomes us von Freude und hilfloser unconscious someone had weakly, with a look that is part Aufregung. Während er stolen his watch. pleasure and part helpless bewusstlos war, hat man ihm agitation. While he was seine Uhr gestohlen. unconscious, somebody stole his watch.

Müller shakes his head: “I Müller shakes his head, ‘I Müller schüttelt den Kopf: »Ich always told you that nobody always said that you shouldn’t habe dir ja immer gesagt, dass should carry as good a watch as take such a good watch with man eine so gute Uhr nicht that.” you, didn’t I?’ mitnimmt.« Müller is rather crude and Müller is a bit bossy and Müller ist etwas tapsig und tactless, otherwise he would tactless. Otherwise he would rechthaberisch. Sonst würde er hold his tongue, for anybody have kept his mouth shut, den Mund halten, denn jeder can see that Kemmerich will because it is obvious to sieht, dass Kemmerich nicht never come out of this place everyone that Kemmerich is mehr aus diesem Saal again. Whether he finds his never going to leave this room. herauskommt. Ob er seine Uhr watch or not will make no It makes no difference whether wiederfindet, ist ganz egal, difference, at the most one will he gets his watch back or not – höchstens, dass man sie nach only be able to send it to his the most it would mean is that Hause schicken könnte. people. we could send it back home for

“How goes it, Franz?” asks him. »Wie geht’s denn, Franz?«, Kropp. Kemmerich’s head ‘How is it going, then, Franz?’ fragt Kropp. Kemmerich lässt sinks. “Not so bad … but I have asks Kropp. Kemmerich’s head den Kopf sinken. »Es geht ja – such a damned pain in my drops back. ‘OK, I suppose. It’s ich habe bloß so verfluchte foot.” just that my damned foot hurts Schmerzen im Fuß.« so much.‘ Wir sehen auf seine Decke. We look at the bed covering. We glance at his bed-cover. His Sein Bein liegt unter einem His leg lies under a wire basket. leg is under a wire frame, which Drahtkorb, das Deckbett wölbt The bed covering arches over it. makes the coverlet bulge sich dick darüber. Ich trete I kick Müller on the shin, for he upwards. I kick Müller on the Müller gegen das Schienbein, is just about to tell Kemmerich shin, because he would be quite denn er brächte es fertig, what the orderlies told us capable of telling Kemmerich Kemmerich zu sagen, was uns outside: that Kemmerich has what the orderly told us before die Sanitäter draußen schon lost his foot. The leg is we came in; Kemmerich no erzählt haben: dass Kemmerich amputated. longer has a foot. His leg has keinen Fuß mehr hat. Das Bein been amputated. ist amputiert. […] […] […] Here lies our comrade, Kemmerich, who a little while There in the bed is our pal Dort liegt unser Kamerad ago was roasting horse flesh Kemmerich, who was frying Kemmerich, der mit uns vor with us and squatting in the horse-meat with us not long Kurzem noch Pferdefleisch shell-holes. He it is still and yet ago, and squatting with us in a gebraten und im Trichter it is not he any longer. His shell hole – it’s still him, but it gehockt hat; – er ist es noch, features have become uncertain isn’t really him any more; his und er ist es doch nicht mehr, and faint, like a photographic image has faded, become verwaschen, unbestimmt ist plate from which two pictures blurred, like a photographic sein Bild geworden, wie eine have been taken. Even his voice plate that’s had too many copies

Seite 93 von 107 fotografische Platte, auf der sounds like ashes. made from it. Even his voice zwei Aufnahmen gemacht sounds like ashes. worden sind. Selbst seine Stimme klingt wie Asche.

O: S. 19f. Ü1: S. 13ff. Ü2: S. 9f.

Grundsätzlich trifft auf diese Textstelle wiederum die Aussage zu, dass die erste Übersetzung eines Werkes weiter vom AT abweicht, während eine spätere Übersetzung wieder zu diesem zurückkehrt. Mit Ausnahme der Erzählperspektive, die hier in Ü2 erneut verändert wird, bestätigt dieses Beispiel die RH. Wie der oben angeführte Ausschnitt aus dem deutschen Original und den beiden englischen Übersetzungen verdeutlicht, verstärkt Ü2 die Aussagen aus dem deutschen AT, indem es das deutsche Indefinitpronomen „man“ im Englischen mit dem Pronomen „you“ bzw. „we“ ersetzt. Dies führt folglich zu einer Verstärkung des gesamten Diskurses nicht nur in dieser Textstelle, sondern, wie bereits in den vorangehenden Beispielen besprochen, im gesamten Roman. Der Übersetzer von Ü1 verändert in diesem Diskursfragment zum Teil ebenfalls die Perspektive der Erzählungen des Protagonisten, übernimmt aber in anderen Fällen die unpersönliche Ausdrucksweise des Originals. Im Hinblick auf den Leidensdiskurs kann daher von einer leichten Verstärkung in Ü1 gesprochen werden.

In Bezug auf den Leidensdiskurs können bei der Betrachtung einzelner Passagen, bei denen beim Vergleich der beiden englischen Übersetzungen Unterschiede zu erkennen sind, folgende Erkenntnisse herausgefiltert werden: Beide Übersetzungen umfassen Beispiele für eine Diskursverstärkung. Dies wird einerseits bei der Übertragung einzelner Verben aus dem deutschen Original deutlich, wie der Vergleich von deutschen Verben wie beispielsweise „riecht“ (Ü1: „reeks“; Ü2: „smells“) oder auch „sinken“ (Ü1: „sinks“; Ü2: „drops back“) mit den beiden Übersetzungen zeigt. Beim erstgenannten Verb wird der Leidensdiskurs in Ü1 verstärkt, während dieser in Ü2 unverändert bleibt. Bei der Übertragung des Verbes „sinken“ greift Ü2 nur minimal in den AT ein, daher kann in diesem Fall lediglich von einer geringen Verstärkung des Diskurses gesprochen werden, während dieser in Ü1 nicht verändert wird.

Andererseits hat auch die Wahl der Adjektive eine leichte Verstärkung in bestimmten Passagen zur Folge. Im Fall des deutschen Adjektivs „rechthaberisch“ wird der Leidensdiskurs in geringem Maße verstärkt („crude“), während dieser in Ü2 durch den Zusatz von „a bit“ leicht abgeschwächt wird. Diese Abschwächung bildet jedoch eine Ausnahme. Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse dieses Beispiels eine Verstärkung des Leidensdiskurses in beiden englischen Übersetzungen.

Seite 94 von 107 Überdies verstärkt auch die Verwendung des Begriffes „pal“ in Ü2 anstelle des neutraleren „comrade“ den Leidensdiskurs, da die Verwendung dieses Ausdrucks die Verbindung der Soldaten zu Kemmerich vertieft. Im Gegensatz dazu bleibt Ü1 hier näher am deutschen Original, wodurch der Diskurs nicht verändert wird.

Obgleich der Diskurs in mehreren Fällen unverändert bleibt, kann im Gesamten in diesem Diskursfragment von einer Verstärkung des Leidensdiskurses gesprochen werden.

Darüber hinaus können in dieser Textstelle einige Beobachtungen angesprochen werden, die, obgleich sie keine Auswirkungen auf den Leidensdiskurs in den beiden Übersetzungen haben, erwähnungswert sind. Dazu zählt die Formulierung im vorletzten Satz dieser Textstelle, bei der es in Ü1 zu keiner Änderungen am AT kommt. Ü2 weicht im Gegensatz dazu stärker vom Original ab, indem Murdoch das deutsche „zwei Aufnahmen“ im Englischen mit „too many copies“ (zu viele Abzüge) übersetzt. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Publikationszeitraum der zweiten Übersetzung (1994) einen Einfluss auf die Entscheidung Murdochs, stärker auf den AT einzugreifen, um so den Text an das Lesepublikum anzupassen, hatte.

Darüber hinaus ist auch die Übersetzung bestimmter Termini in Zusammenhang mit dem Krieg beziehungsweise dem Militär wie beispielsweise „Feldlazarett“ (Ü1: „dressing station“; Ü2: „clearing station“) oder auch „Baracken“ (Ü1: „billets“; Ü2: „barracks“) zu erwähnen. Obgleich die beiden Übersetzer unterschiedliche Begriffe im Englischen verwenden, hat dies keine Auswirkungen auf den Leidensdiskurs in diesem Beispiel.

Beispiel 13:

Die folgende Textstelle schildert eine Szene, in der die Soldaten in Unterständen an der Front liegen. In der Nacht zuvor gab es zwei Verwundete, da sie aufgrund von ausgeleierten Rohren von der eigenen Artillerie beschossen wurden. Der Protagonist spricht in diesem Abschnitt vom Zufall, der die Soldaten im Krieg am Leben hält.

Die Front ist ein Käfig, in dem The front is a cage in which we The front is a cage, and you man nervös warten muss auf must await fearfully whatever have to wait nervously in it for das, was geschehen wird. Wir may happen. We lie under the whatever happens to you. Here liegen unter dem Gitter der network of arching shells and we lie under a criss-cross of Granatenbogen und leben in der live in a suspense of shell trajectories, and we live in Spannung des Ungewissen. uncertainty. Over us, Chance the tension of uncertainty. Über uns schwebt der Zufall. hovers. If a shot comes, we can Chance is hovering over us. If Wenn ein Geschoss kommt, duck, that is all; we neither there is a shot, all I can do is kann ich mich ducken, das ist know nor can determine where duck; I don’t know for sure and alles; wohin es schlägt, kann ich it will fall. I can’t influence where it is weder genau wissen noch going to come down. beeinflussen. It’s this awareness of chance

Seite 95 von 107 Dieser Zufall ist es, der uns It is this Chance that makes us that makes us so indifferent. A gleichgültig macht. Ich saß vor indifferent. A few months ago I few months ago I was playing einigen Monaten in einem was sitting in a dug-out playing cards in a dugout; after a bit I Unterstand und spielte Skat; skat; after a while I stood up got up and went out to go and nach einer Weile stand ich auf and went to visit some friends talk to some men I knew in und ging, Bekannte in einem in another dug-out. On my another dugout. When I got anderen Unterstand zu return nothing more was to be back, there was nothing left of besuchen. Als ich zurückkam, seen of the first one, it had been the first one, a direct hit from a war von dem ersten nichts mehr blown to pieces by a direct hit. heavy shell had flattened it. I zu sehen, er war von einem I went back to the second and went back to the other dugout schweren Treffer zerstampft. arrived just in time to lend a and got there just in time to help Ich ging zum zweiten zurück hand digging it out. In the dig the men out. While I was und kam gerade rechtzeitig, um interval it had been buried. away it had been buried. zu helfen, ihn aufzugraben. Er war inzwischen verschüttet worden. Ebenso zufällig, wie ich It is just as much a matter of It is simply a matter of chance getroffen werde, bleibe ich am chance that I am still alive as whether I am hit or whether I go Leben. Im bombensicheren that I might have been hit. In a on living. I can be squashed Unterstand kann ich bomb-proof dug-out I may be flat in a bomb-proof dugout, zerquetscht werden und auf smashed to atoms and in the and I can survive ten hours in freiem Felde zehn Stunden open may survive ten hours’ the open under heavy barrage Trommelfeuer unverletzt bombardment unscathed. No without a scratch. Every soldier überstehen. Jeder Soldat bleibt soldier outlives a thousand owes the fact that he is still nur durch tausend Zufälle am chances. But every soldier alive to a thousand lucky Leben. Und jeder Soldat glaubt believes in Chance and trusts chances and nothing else. And und vertraut dem Zufall. his luck. every soldier believes and trusts to chance.

O: S. 75 Ü1: S. 101 Ü2: S. 70

In diesem Diskursfragment kann eine Diskursstrang-Verschränkung zwischen dem Kampfdiskurs, der bereits in den beiden vorangehenden Unterkapiteln betrachtet wurde, und dem zentralen Diskurs in diesem Kapitel, dem Leidensdiskurs, beobachtet werden.

Hinsichtlich dieser beiden Diskurse kann im vorliegenden Beispiel eine Tendenz des Übersetzers von Ü1 in Richtung einer stärkeren Abweichung vom AT festgestellt werden, wodurch die Diskurse folglich stärker verändert werden. Während in Ü1 eine Verstärkung des Kampf- und auch des Leidensdiskurses beobachtet wird, bleiben die Diskurse in Ü2 unverändert. Eine Ausnahme bildet wiederum die Erzählperspektive in Ü2. Wie bereits die Ergebnisse der zuvor analysierten Textstelle zeigen, wird auch hier das deutsche „man“ in den beiden englischen Übersetzungen mit den Pronomen „we“ (Ü1) beziehungsweise „you“ (Ü2) wiedergegeben und somit die Diskurse leicht verstärkt.

Die Tendenz zur Verstärkung der beiden Diskurse in Ü1 lässt sich vor allem an den Adjektiven beziehungsweise Verben festmachen. So wird beispielsweise das deutsche Adjektiv „nervös“ in Ü1 mit „fearfully“ wiedergegeben, während Murdoch mit seiner

Seite 96 von 107 Übersetzung in Ü2 näher am AT bleibt („nervously“). Dies führt in weiterer Folge zu einer Verstärkung der Diskurse in Ü1, während diese in Ü2 unverändert bleiben. Das gleiche Bild zeigt sich auch bei der Betrachtung der Verben „zerstampft“ und „zerquetscht“. In beiden Fällen verstärkt Ü1 mit der Wahl der englischen Verben die Diskurse („blown to pieces“ bzw. „smashed to atoms“), während diese in Ü2 zu keiner Veränderung führen beziehungsweise die Diskurse leicht verstärken („had flattened“ bzw. „squashed flat“). Überdies bedingt auch das Fehlen von Ausdrücken in Ü1 – wie das deutsche „genau“ – eine Verstärkung der Diskurse.

Bezogen auf diese Erkenntnisse gibt es jedoch eine Ausnahme, bei der es in Ü2 zu einer Verstärkung der Diskurse kommt, wohingegen diese in Ü1 unverändert bleiben. Dies wird an jener Stelle deutlich, an der der Protagonist beschreibt, dass er zum zweiten Unterstand gerade rechtzeitig zurückgekommen war, um dabei zu helfen, diesen auszugraben. Während Ü1 diese Formulierung weitgehend übernimmt, fügt Murdoch in Ü2 an, dass der Protagonist dabei half, die Männer auszugraben. Dieser Zusatz verschärft die Aussage Bäumers und verstärkt folglich die in diesem Beispiel besprochenen Diskurse.

Abschließend zeigt auch der vorletzte Satz dieser Textstelle, dass sich der Übersetzer von Ü2 näher an den AT gehalten hat, während Ü1 stärker davon abweicht. Durch den Eingriff in diesen Satz ändert der Übersetzer von Ü1 die Aussage, die Remarque in diesem Abschnitt tätigt. Diese Änderung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Diskursstränge, das heißt es kommt weder zu einer Verstärkung noch zu einer Abschwächung des Leidens- beziehungsweise Kampfdiskurses.

Beispiel 14:

Die letzte Textstelle die im Rahmen dieser Textanalyse untersucht wird, beschreibt eine Szene im Lazarett, in welches der Protagonist nach einer Verwundung an der Front gebracht wurde.

Remarques Darstellung und Beschreibung der einzelnen Lazarettszenen sind – vermutlich auch dank seiner eigenen Erfahrungen – besonders detailliert und spiegeln das Elend in den Lazaretten im Ersten Weltkrieg wider.

Zwei Leute sterben an Two fellows die of tetanus. Two men die of tetanus. Their Wundstarrkrampf. Die Haut Their skin turns pale, their skin becomes pale, their limbs wird fahl, die Glieder erstarren, limbs stiffen, at last only their stiffen, and at the end only their zuletzt leben – lange – nur noch eyes live – stubbornly. Many eyes remain alive – for a long die Augen. – Bei machen of the wounded have their time. With many of the Verletzten hängt das shattered limbs hanging free in wounded, the damaged limb zerschossene Glied an einem the air form a gallows; has been hoisted up into the air

Seite 97 von 107 Galgen frei in der Luft; unter underneath the wound a basin is on a kind of gallows; die Wunde wird ein Becken placed into which drips pus. underneath the wound itself gestellt, in das Eiter tropft. Alle Every two or three hours the there is a dish for the pus to drip zwei oder drei Stunden wird das vessel is emptied. Other men lie into. The basins are emptied Gefäß geleert. Andere Leute in stretching bandages with every two or three hours. Other liegen im Streckverband, mit heavy weights hanging from the men are in traction, with heavy schweren, herabziehenden end of the bed. I see intestine weights pulling down at the end Gewichten am Bett. Ich sehe wounds that are constantly full of the bed. I see wounds in the Darmwunden, die ständig voll of excreta. The surgeon’s clerk gut which are permanently full Kot sind. Der Schreiber des shows me X-ray photographs of of matter. The doctor’s clerk Arztes zeigt mir completely smashed hipbones, shows me X-rays of hips, knees Röntgenaufnahmen von völlig knees and shoulders. and shoulders that have been zerschmetterten Hüftknochen, shattered completely.

Knien und Schultern. It is impossible to grasp the fact A man cannot realize that above Man kann nicht begreifen, dass that there are human faces such shattered bodies there are über so zerrissenen Leibern above these torn bodies, faces still human faces in which life noch Menschengesichter sind, in which life goes on from day goes its daily round. And this is in denen das Leben seinen to day. And on top of it all, this only one hospital, one single alltäglichen Fortgang nimmt. is just one single military station; there are hundreds of Und dabei ist dies nur ein hospital, just one – there are thousands in Germany, einziges Lazarett, nur eine hundreds of thousands of them hundreds of thousands in einzige Station – es gibt in Germany, hundreds of France, hundreds of thousands Hunderttausende in thousands of them in France, in Russia. Deutschland, Hunderttausende hundreds of thousands of them in Frankreich, Hunderttausende in Russia. in Russland.

O: S. 179f. Ü1: S. 262f. Ü2: S. 179f.

Grundsätzlich zeigt dieses Diskursfragment bei Ü1 eine Tendenz zur Verwendung von Ausdrücken beziehungsweise Formulierungen, mit denen der Übersetzer nahe am AT bleibt. Im Vergleich dazu weicht der Übersetzer von Ü2 stärker vom deutschen Original ab. Im Hinblick auf den Leidensdiskurs, der in diesem Abschnitt vorherrschend ist, können demnach folgende Erkenntnisse formuliert werden: Während der Leidensdiskurs in Ü1 meist unverändert bleibt beziehungsweise leicht verstärkt wird, tendiert Ü2 dazu, diesen in einigen Passagen abzuschwächen. Diese Tendenz wird beispielsweise beim Vergleich der verwendeten Verben in den beiden englischen Übersetzungen deutlich. Während das deutsche Verb „zerschossen“ in Ü1 mit „shattered“ wiedergegeben wird und der Leidensdiskurs dadurch nur leicht verändert wird, trägt die Übersetzung in Ü2 („damaged“) zu einer wesentlichen Abschwächung bei. Die Übertragung anderer Verben in die beiden englischen Übersetzungen – wie zum Beispiel „zerschmettert“ oder „zerissen“ – bedingen keine Diskursveränderung. Sowohl Wheen („smashed“ bzw. „shattered“) als auch Murdoch („shattered“ bzw. „torn“) verwenden in ihrer jeweiligen Übersetzung in diesen Fällen unterschiedliche Begriffe, greifen damit jedoch nicht in die Intensivität des Leidensdiskurses ein.

Seite 98 von 107 Darüber hinaus zeigt sich die Abschwächung des Leidensdiskurses in Ü2 – während dieser in Ü1 unverändert bleibt – auch bei der Betrachtung der Substantive. Während Ü1 beispielsweise mit dem englischen Ausdruck „excreta“ näher am AT bleibt und der Diskurs unverändert bleibt, wird dieser in Ü2 durch die Wahl des Begriffs „matter“ abgeschwächt.

Eine Ausnahme zu den eben besprochenen Erkenntnissen bildet die Übertragung der Zeitangabe „lange“ zu Beginn dieser Textstelle. In diesem Fall weicht der Übersetzer von Ü1 stärker vom deutschen Original ab und ändert die Aussage des Satzes durch die Verwendung des Adverbs „stubbornly“. Dieser Eingriff in den AT hat in diesem Fall jedoch keine Veränderung des Leidensdiskurses zur Folge. Ü2 bleibt an dieser Stelle mit der englischen Formulierung „for a long time“ näher am deutschen Original, wodurch sich keine Diskursveränderung feststellen lässt.

Relevant ist in diesem Beispiel auch die Betrachtung der Erzählperspektive. Im Gegensatz zu den bereits untersuchten Textstellen bleibt in diesem Diskursfragment das deutsche Indefinitpronomen „man“ auch in Ü2 unpersönlich. Dadurch ändert sich weder in Ü1 noch in Ü2 der Leidensdiskurs.

Zusammenfassend lassen sich für dieses Unterkapitel folgende Aussagen treffen: Die drei Textstellen, die in diesem Unterkapitel untersucht wurden, zeigen erneut auf, dass die RH nicht auf alle Abschnitte des Romans in den beiden Übersetzungen zutrifft. In diesem Unterkapitel stimmen lediglich zwei der drei Textstellen mit den Aussagen der RH überein. Hinsichtlich des Leidensdiskurses lässt sich zusammenfassend keine klare Tendenz in Richtung einer Verstärkung oder einer Abschwächung in den jeweiligen Übersetzungen erkennen. Jedoch kann tendenziell eine Verstärkung des Leidensdiskurses in Ü1 festgestellt werden, während dieser in Ü2 überwiegend unverändert bleibt oder aber auch abgeschwächt wird. Im Gegensatz dazu fällt auf, dass es in Ü1 trotz stärkerer Abweichungen vom deutschen Original keine Abschwächung des betroffenen Diskurses stattfindet.

6.3 Ergebnisse der Textanalyse

Abschließend können nun im Hinblick auf die Ergebnisse der vorliegenden Textanalyse folgende Schlüsse gezogen werden. Im Wesentlichen kann anhand der untersuchten Textstellen festgestellt werden, dass die beiden Übersetzungen mit den Aussagen der Retranslation Hypothesis übereinstimmen. Obgleich bei der Betrachtung der einzelnen Passagen Abschnitte gefunden wurden, die diese Hypothese nicht unterstützen, sondern vielmehr stellenweise sogar widerlegen, kann in Bezug auf das gesamte Werk doch mit den

Seite 99 von 107 Aussagen der RH übereingestimmt werden, da sich die einzelnen Abschnitte im Gesamten betrachtet nicht auf die allgemeine Linie des jeweiligen Übersetzers auswirken. Demzufolge weicht die erste englische Übersetzung von Arthur W. Wheen (1929) stärker vom deutschen Original ab und verändert den AT stärker als die zweite englische Übersetzung von Brian Murdoch (1994), welche trotz zahlreicher Umschreibungen und zusätzlicher Formulierungen durch den Übersetzer näher am Inhalt des AT bleibt, die Aussagen kaum verändert und dadurch sozusagen zum deutschen Original zurückkehrt.

Im Hinblick auf die drei zentralen Diskursstränge des Romans – Kampfdiskurs, Verlustdiskurs und Leidensdiskurs – können folgende Erkenntnisse resümiert werden: Im Allgemeinen kann ausschließlich von Tendenzen gesprochen werden, auf Basis derer Rückschlüsse auf das gesamte Werk getroffen werden können. Der Kampfdiskurs ist im ganzen Werk präsent und kann an den Darstellungen und Beschreibungen Remarques in Bezug auf die Kämpfe sowie das Leben der Soldaten an der Front festgemacht werden. Beim Vergleich der beiden englischen Übersetzungen lässt sich in Ü1 eine Tendenz in Richtung einer Abschwächung des Kampfdiskurses feststellen. Im Gegensatz dazu bleibt der Kampfdiskurs in Ü2 im Großen und Ganzen unverändert. Kommt es jedoch zu einer Veränderung des Diskurses in Ü2, wirkt sich diese in Form einer Verstärkung aus. Daraus kann geschlossen werden, dass die erste Übersetzung die Kampfszenen im Roman aufgrund der bereits angesprochenen möglichen Gründe – wie dem zeitlichen Abstand und der Einführung des Werkes und des Autors in eine andere Kultur – abschwächt, während Ü2 diese Maßnahmen nicht mehr ergreifen muss, da zum Publikationszeitpunkt die Kriegsereignisse länger zurücklagen und ihre Aufarbeitung weiter fortgeschritten war sowie der Autor im englischen Sprachraum bekannt war und das Werk bereits als Klassiker der Kriegsliteratur galt.

In Bezug auf den Verlustdiskurs, der vor allem in Erzählungen und Reflexionen des Protagonisten über dessen Jugend sowie in Beschreibungen von Lazarettszenen deutlich wird, lässt sich in beiden englischen Übersetzungen tendenziell eine leichte Verstärkung feststellen.

Der Leidensdiskurs, der im Allgemeinen an den einzelnen Szenen im Lazarett sowie auch an einzelnen Episoden am Schlachtfeld – siehe beispielsweise die Pferdeszene in Beispiel 3 – festgemacht werden kann, zeigt in Ü1 tendenziell eine Verstärkung während es in Ü2 im Großen und Ganzen zu keiner Veränderung des Diskurses kommt beziehungsweise dieser vereinzelt leicht abgeschwächt wird.

Seite 100 von 107 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann der Klassikerstatus des dieser Arbeit zugrunde liegenden Werkes bestätigt werden. Erich Maria Remarque, der ein ereignisreiches Leben führte – von seiner katholischen Erziehung, über seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg, seine Ausbürgerung aus Deutschland sowie seinem Exil in den USA bis hin zu seiner schweren Erkrankung in seinen letzten Lebensjahren – kann als einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Kriegsliteratur bezeichnet werden. Seine Auswanderung aus Deutschland, der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft sowie sein Leben im Exil prägten ihn stark und spiegelten sich auch in seinen Werken wider, die im Lauf der Jahre eine immer stärkere politische Komponente implizierten. In seinen Werken beschrieb Remarque die wichtigsten Ereignisse der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts – die beiden Weltkriege, die Nachkriegszeit – sowie das Schicksal der im Exil lebenden Menschen. Trotz seines kurzen Einsatzes an der Front aufgrund einer Verwundung schuf Remarque dank der zahlreichen Erzählungen von Soldaten im Lazarett mit IWnN eine realitätsnahe Darstellung des Ersten Weltkrieges.

Aus den Darlegungen in Kapitel 4 wird deutlich, dass es zahlreiche Aspekte gibt, die zum großen Erfolg des Romans, nicht nur in Deutschland, sondern international, beigetragen haben und diesen somit zu einem Klassiker der deutschen Kriegsliteratur gemacht haben. Hierzu zählt einerseits die Vermarktung durch den Ullstein Verlag. Diesem gelang es durch die zuvor durchgeführte Publikation des Werkes in der Vossischen Zeitung und zahlreicher Ankündigungen und veröffentlichter Rezensionen sowie durch die Bekanntgabe, dass es sich bei IWnN um einen Augenzeugenbericht handelte, das Interesse der deutschen Bevölkerung zu wecken. Überdies entstanden aufgrund der Änderungen an der Biographie Remarques durch den Verlag zahlreiche Mythen rund um den Autor, die ebenfalls zum Erfolg des Romans beitrugen. Andererseits spielte die Rezeption des Werkes in Deutschland kurz nach seiner Veröffentlichung eine bedeutende Rolle. Aufgrund der entstandenen politischen Debatte rund um den Roman sowie dank zahlreicher zeitgenössischer Rezensionen, sowohl positiver als auch negativer, erreichte der Roman in kürzester Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad. Dies führte dazu, dass bereits im Jahr seiner Veröffentlichung zahlreiche Übersetzungen in unterschiedliche Sprachen in Auftrag gegeben wurden, die den internationalen Erfolg von IWnN ebneten. Überdies trug die Tatsache, dass der Krieg im Zeitraum der Erstveröffentlichung des Werkes wieder ein öffentliches Thema war und die deutsche Bevölkerung mit der Aufarbeitung der Kriegserlebnisse begann, zu dessen Erfolg bei. Remarque schuf mit seinem Roman ein authentisches Werk, das die Erlebnisse der

Seite 101 von 107 Soldaten an der Front schilderte und diese dabei nicht als Helden darstellte. Der internationale Erfolg des Werkes lässt sich wiederum auf die Thematik des Werkes zurückführen. Remarque behandelt in IWnN eine Thematik, die nicht nur Deutschland betrifft, sondern auf andere Nationen umgelegt werden kann, wodurch sich Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit diesem Werk identifizieren konnten.

Im Hinblick auf die englische Neuübersetzung konnte nach Kontaktaufnahme mit dem Verlag der zweiten englischen Übersetzung eruiert werden, dass diese anlässlich eines Jubiläums im Jahr 1994, vermutlich dem 80-jährigen Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkrieges, in Auftrag gegeben wurde.

Die Analyse spiegelt im Wesentlichen die Annahmen der zuvor aufgestellten Hypothese wider. Demnach wird beim Vergleich der beiden englischen Übersetzungen ersichtlich, dass die erste Übersetzung von Arthur W. Wheen mehr Eingriffe durchführt und somit stärker vom deutschen Original abweicht, während die zweite Übersetzung von Brian Murdoch wieder näher zu diesem zurückkehrt und einzelne Aussagen lediglich gering verändert werden, ohne dass diese dadurch eine Auswirkung auf die Darstellungen der Kriegsereignisse haben. Mit diesen Ergebnissen lässt sich die in Kapitel 5 beschriebene Retranslation Hypothesis unterstützen.

In Bezug auf die Unterschiede in der Darstellung der Kampfhandlungen beziehungsweise dem Alltag der Soldaten an der Front können folgende Schlüsse gezogen werden: Die Ergebnisse im Hinblick auf die Untersuchung des Kampfdiskurses – der in Ü1 tendenziell abgeschwächt wird, während er in Ü2 im Großen und Ganzen unverändert bleibt – stimmen mit den zuvor angestellten Annahmen und somit mit der RH überein. Obgleich die Analyse des Verlustdiskurses – bei dem jeweils eine Tendenz in Richtung einer leichten Verstärkung festzustellen ist – beziehungsweise des Leidensdiskurses – der in Ü1 tendenziell verstärkt wird, während Ü2 kaum auf diesen eingreift – nicht die gleichen eindeutigen Ergebnisse im Hinblick auf die eingangs beschriebene Hypothese bringt, kann diese hinsichtlich des gesamten Werkes dennoch bestätigt werden.

Abschließend kann gesagt werden, dass diese Arbeit durch die Untersuchung und den Vergleich der beiden englischen Übersetzung einen neuen Blick, aus translationswissenschaftlicher Sicht, auf das Werk von Erich Maria Remarque wirft sowie einen Beitrag zur Unterstützung der Retranslation Hypothesis leistet.

Seite 102 von 107 Bibliografie

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