Nr. 33 Bernd Baun-Rückkehr in Die Fremde Neuauflage 2020.Pdf
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kleine schriften kleine schriften Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte ISSN - Stiftung ISBN ---- Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Rückkehr in die Fremde? Deutschland und seine Exilanten nach kleine schriften Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Bernd Braun Rückkehr in die Fremde? Deutschland und seine Exilanten nach Heidelberg DER AUTOR Braun, Bernd geb. 1963; Prof. Dr. phil.; 1990 bis 1999 Museumspädagoge, seither Wissenschaft- licher Mitarbeiter der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg, Lehrbeauftragter am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Bildnachweis Bild Umschlag und S. 5 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bild S. 6 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bild S. 10 (Bundesarchiv Koblenz, Bild 183-S65226), Bild S. 14 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bilder S. 16 und 17 (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Bild S. 18 (Bundespresseamt), Bilder S. 20 und 26 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bild S. 29 (Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft), Bild S. 32 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bild S. 36 (Archiv der Akademie der Künste, Berlin), Bild S. 37 (Sammlung Dr. Bernd Braun), Bild S. 40 (Bundespresseamt), Bild S. 42 (Bundesarchiv Koblenz, Bild 183-S78110, Fotograf Walter Heilig), Bild S. 44 (Joseph-Wirth-Stiftung), Bild S. 45 (Bernd Haunfelder), Bild S. 47 (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich- Ebert-Stiftung in Bonn), Bild S. 49 (Ullstein-Bild), Bild S. 51 (Universitätsarchiv Frankfurt am Main), Bild S. 59 (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Bild S. 62 und 63 (Bundesarchiv Koblenz, Bild 183-A09004-0017-011, Fotograf Günter Weiß, und Bild 183-A0904-0092-002, Fotograf Heinz Koch), Bild S. 65 (Privatarchiv Jeff Carrier, Ispheming, Michigan/USA) und Bild S. 68 (Parlamentsarchiv des Deut- schen Bundestages). Braun, Bernd Rückkehr in die Fremde? Deutschland und seine Exilanten nach 1945 (Kleine Schriften / Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte: Nr. 33) © 2. Auflage 2020 Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte Untere Str. 27 D – 69117 Heidelberg Tel.: (06221) 9 10 70 Fax: (06221) 91 07 10 Internet: http://www.ebert-gedenkstaette.de E-Mail: [email protected] Redaktion: Walter Mühlhausen, Bernd Braun Realisation: gschwend_grafik, Heidelberg, Ingo Preuß, Ladenburg | PreussType.com Die Stiftung wird gefördert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. ISNN 0940-4201 ISBN 978-3-92888-58-9 Erich Maria Remarque bei seiner Ankunft im Exil in New York im September 1939. Deutschland und seine Exilanten nach Der Hauptgrund für Erich Maria Remarques Verfolgung durch das NS-Regime: Sein Antikriegsroman und Weltbestseller „Im Westen nichts Neues“, hier angekündigt in der spanischen Übersetzung „Sin novedad en el frente“ auf dem Umschlag der Zeitschrift „Novelas y Cuentos“. 8 Deutschland und seine Exilanten nach Rückkehr in die Fremde? Deutschland und seine Exilanten nach 1945 In einem Interview zu seinem 70. Geburtstag am 22. Juni 1968 wur- de dem erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahr- hunderts, Erich Maria Remarque, unter anderem die Frage gestellt, warum er nach dem Ende der Hitler-Diktatur nicht nach Deutsch- land zurückgekehrt sei.1 Die Antwort von Remarque lautet: „Es gibt keine Rückkehr aus dem Exil. Übrigens sind wir eine Emigrantengeneration – ob wir weggegangen oder zu Hause geblie- ben sind. Die Füße der einen trugen sie aus Deutschland hinaus, unter den Füßen der anderen ist Deutschland weggegangen.“2 Die Zeit, die einem in Mitteleuropa für einen Vortrag üblicher- weise zur Verfügung gestellt wird und selbst der erweiterte Umfang eines in Schriftform gegossenen Vortrages reichen nicht aus, um über die einzelnen Bestandteile dieses ungemein tiefgründigen Zi- tates von Remarque angemessen zu reflektieren. Geschweige denn reichte dieser vorgegebene Rahmen aus für einen Beitrag, der dem Thema „Deutschland und seine Exilanten“ auch nur annähernd ge- 1 Es handelt sich bei diesem Beitrag um die erweiterte und für die zweite Auflage leicht veränderte Fassung eines Vortrages, den ich am 3. November 2010 in der Reichspräsi- dent-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg gehalten habe. 2 Zitiert in: Erich Maria Remarque zum 70. Geburtstag am 22. Juni 1968, hrsg. vom Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1968, S. 7. Zu Remarque allgemein: Wilhelm von Sternburg, „Als wäre alles das letzte Mal“ – Erich Maria Remarque. Eine Biographie, Köln 21998. 9 Deutschland und seine Exilanten nach recht werden kann.3 Es soll deshalb der Versuch unternommen wer- den, in zehn Punkten manche gängige Sichtweise auf das deutsche Exil zu hinterfragen, um so gleichzeitig den Blickwinkel zu weiten und zu schärfen. 1. Die Unvergleichbarkeit des Unvergleichbaren Seit sich in der Menschheitsgeschichte Hierarchien herausgebildet haben, gab es einzelne Menschen und Gruppen, die mit den jewei- ligen Autoritäten in Konflikt gerieten und, um Leib und Leben zu schützen, ihre Heimat verlassen mussten. Dies war in der Antike so, im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit, im 19. und im 20. Jahrhundert, in allen Erdteilen und in allen Kulturkreisen. Und dies ist bis heu- te so geblieben. Auch während der Lektüre dieses Aufsatzes verlas- sen politische Flüchtlinge ihre Familie, ihren Geburtsort, ihr Land. Und obwohl sich die Einzelschicksale durch die Zeiten hinweg glei- chen und deshalb auch vergleichen lassen, sollte, ja darf der Ver- gleich nicht zu weit getrieben werden: Was sich zwischen 1933 und 1945 während der Hitler-Diktatur in Deutschland und in den von deutschen Truppen besetzten Ländern abgespielt hat, ist einmalig und unvergleichbar. Unvergleichbar in seiner territorialen, in seiner quantitativen, in seiner mörderischen Dimension, unvergleichbar in seinen Folgen für die Betroffenen, unvergleichbar in seinen Folgen für Deutschland wie für Europa, die wir noch heute tagtäglich spü- 3 Im Rahmen eines solchen Beitrages können nur ansatzweise Hinweise auf die Sekun- därliteratur gegeben werden. Erste Orientierung liefern: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hrsg. von Werner Röder und Herbert A. Strauss, München 1980ff.; Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945, hrsg. von Claus-Dieter Krohne, Darmstadt 21988. 10 Deutschland und seine Exilanten nach ren. Diese Unvergleichbarkeit gilt gerade und ganz besonders für das vorliegende Thema: das durch die so genannte „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten ausgelöste Exil Hunderttausender. Wer etwa die Verfolgung Andersdenkender in der NS-Zeit mit der Verfolgung Andersdenkender zu Zeiten der DDR oder in anderen aktuellen Diktaturen der Welt in einem Atemzug nennt, relativiert und ver- harmlost die Situation in Deutschland zwischen 1933 und 1945 in unerträglicher und nicht hinnehmbarer Art und Weise. 2. Die Fixierung auf Deutschland Natürlich darf bei dem Thema „Deutschland und seine Exilanten nach 1945“ nicht übersehen werden, dass aus dem gesamten deut- schen Machtbereich, der sich – unter Einschluss der Verbündeten und der Marionettenregime – zeitweise vom Nordkap bis Nordafri- ka, von der Atlantikküste bis zum Kaukasus erstreckte, Menschen auf der Flucht waren. Nicht nur Deutsche, die ihr zunächst sicher ge- glaubtes Exilland wieder und wieder vor den heranrückenden deut- schen Truppen fluchtartig verlassen mussten, sondern Gefährdete aus allen Nationen Europas. Um nur ein einziges Beispiel zu nen- nen: Italien hatte 1938 nach deutschem Vorbild Rassegesetze ein- geführt. Im gleichen Jahr wurde der Physiker Enrico Fermi, der mit einer Jüdin verheiratet war, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Der bedeutendste italienische Physiker des 20. Jahrhunderts kehrte von der Nobelpreisverleihung in Stockholm am 10. Dezember 1938 nicht nach Italien zurück, sondern emigrierte mit seiner Frau und seinen Kindern in die USA. 11 Deutschland und seine Exilanten nach Zwei jüdische Flüchtlingskinder aus einem Kindertransport aus Hamburg bei ihrer An- kunft in Großbritannien im Dezember 1938. 12 Deutschland und seine Exilanten nach Und fast immer wird übersehen, dass umgekehrt Hunderttau- sende von Menschen ihre Heimat verlassen mussten, weil sie im Zwangsexil in Deutschland Zwangsarbeit verrichten mussten. Die- ser zumeist vergessene Aspekt, dass nicht nur Hunderttausende von Menschen aus Deutschland hinaus, sondern auch Hunderttausende nach Deutschland hineingetrieben wurden, ist erst durch die Ende der 1990er Jahre von der Politik aufgegriffene Entschädigung der Zwangsarbeiter und die dafür im Jahr 2000 gegründete Stiftung „Er- innerung, Verantwortung, Zukunft“ ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gerückt.4 Genauer müsste man von den Zwangs- arbeitern aus Mittel- und Osteuropa sprechen, denn den italieni- schen Zwangsarbeitern zum Beispiel wird eine Entschädigung bis heute unter Hinweis auf ihren Status als Militärinternierte verwei- gert.5 3. Der Fokus auf den Prominenten „Denn die einen sind im Dunkeln/Und die andern sind im Licht/ Und man siehet die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht“, dichtete in der „Dreigroschenoper“ mit Bertolt Brecht einer der be- rühmtesten deutschen Emigranten. Natürlich liegt der Fokus der Wahrnehmung immer auf den prominenten Exilanten, obwohl nur eine verschwindend geringe Minderheit der politischen Flüchtlinge zu ihrer Zeit bekannt oder gar berühmt war. Die weitaus meisten der auf mindestens 500.000 geschätzten deutschsprachigen Emigranten standen nie im Rampenlicht, sondern gingen unspektakulären Be- rufen nach. Oder sie hatten noch gar keinen Beruf und standen erst am Beginn