ERIKA FLÜCKIGER STREBEL / VIASTORIA Tourismusgeschichte Zentralschweiz Detailprojekt

ViaStoria − Zentrum für Verkehrsgeschichte Universität Bern Dr. Erika Flückiger Strebel Kapellenstrasse 5 CH-3011 Bern Tel. 031 300 70 50 [email protected] www.viastoria.ch

© ViaStoria, Mai 2013

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung ...... 3 1.1. Fragestellung ...... 4 1.2. Methode, Quellenmaterial und Aufbau der Arbeit ...... 4 1.3. Tourismusgeschichte und –theorie: die wichtigsten Thesen ...... 5 1.4. Zum Begriff «Tourismus» ...... 6 1.5. Die Phasen der Schweizer Tourismusgeschichte im Überblick ...... 7 1.6. Die (Zentral)schweiz als Verkörperung der idealen Alpenlandschaft ...... 8 2. Reisen in die Zentralschweiz vor der Belle Epoque ...... 10 2.1. Reisen aus religiösem Motiv: Pilger und Wallfahrer ...... 10 2.2. Bäder- und Kurtourismus: von den Anfängen bis zur Perfektion im 19. Jahrhundert ...... 12 2.3. Forschende und Künstler als Entdecker und Werbebotschafter der Zentralschweiz ...... 14 2.3.1. Die Werbewirkung von Schillers «Wilhelm Tell» ...... 16 2.3.2. Die Werbewirkung von Bildern ...... 18 2.4. Die Rigi als Trendsetterin...... 20 3. Das 19. Jahrhundert: Pionierzeit in Hotellerie und Transport ...... 27 3.1. Transportinfrastrukturen und Verkehrsentwicklung ...... 27 3.1.1 Ausbau von Fahrstrassen und Fusswegen ...... 27 3.1.2 Dampfschiff und Eisenbahn als wichtige Zubringer der Fremdenindustrie ...... 32 3.1.3 Berg- und Hotelbahnen als neue touristische Attraktionen ...... 37 3.1.4 Infrastrukturen der Gemeinden zur Unterhaltung der Fremden ...... 45 3.2. Hotelinfrastruktur ...... 47 3.2.1. Quantitative Entwicklung und Gästestruktur ...... 47 3.2.2. Schweizer Hotelstandards als weltweiter Massstab ...... 49 4. Gastfreundschaft und Gastgeber ...... 54 4.1. Die Pioniere der Zentralschweizer Hotellerie...... 54 4.1.1 Franz Josef Bucher-Durrer (1834-1906): Nicht nur auf dem Bürgenstock ein Pionier .. 54 4.1.2 Weitere Hotelpioniere der Zentralschweiz ...... 58 4.2. Gastfreundschaft ...... 63 4.2.1 Hohe Erwartungen an Schweizer Gastfreundschaft ...... 64 4.2.2 Reserviertheit und Geschäftstüchtigkeit der Schweizer in der zeitgenössischen Kritik 65 4.2.3 Bettelei als Begleitphänomen des Reisens ...... 66 4.2.4 Reglemente zur Verbesserung der Gastlichkeit ...... 68 4.2.5 Schweizer Hotellerie im 19. Jahrhundert: Faktoren ihres Erfolgs ...... 70 2

4.2.6 Berühmte Gäste und die Zentralschweizer Gastfreundschaft ...... 74 4.2.7 Veränderungen in der Gastfreundschaft am Ende der Belle Epoque ...... 77 5. Tourismus in der Zentralschweiz im 20. Jahrhundert ...... 79 5.1. Zwischenkriegs- und Krisenzeit ...... 79 5.2. Wintertourismus ...... 81 5.3. Tourismustrends nach dem Zweiten Weltkrieg ...... 85 6. Die Zentralschweizer Tourismusgeschichte an ausgewählten Stationen des Waldstätterwegs .. 87 7. Zusammenfassung und Fazit ...... 89 8. Literaturverzeichnis ...... 91 8.1. Abkürzungen...... 91 8.2. Quellen ...... 91 8.3. Literatur ...... 91

Titelbild: Das Grandhotel Schreiber auf Rigi-Kulm. Überspitzte Darstellung des Rigi-Betriebs nach Er- öffnung der Bergbahn. (StALU: FDC 50/341.1) 3

1. EINLEITUNG

Der Vierwaldstättersee «ist wegen seines pitoresken, romantischen, grossen und schauerlichen Ka- rackters, und der grossen Mannigfaltigkeit in den Nüanzierungen desselben einer der interessantes- ten Seen der Schweitz», umschrieb 1793 ein Reiseführer den See als wichtigste Sehenswürdigkeit der Zentralschweiz.1 Pittoreske Landschaften, romantische Hirtenidylle, schauerliche Berge und Gletscher in mannigfaltiger Form, das war es, was der Reisende des 18. und 19. Jahrhunderts auf seiner Schweizerreise sehen wollte. Die Zentralschweiz bot all dies in überschaubarer, leicht erreichbarer und komprimierter Form an, angereichert mit einer Vielzahl historischer Stätten von nationaler Be- deutung, welche im Zeitalter der Nationalstaatenbildung auf ein besonderes Interesse der Reisenden stiessen. Hundert Jahre später waren zu den naturräumlichen und historischen Faktoren noch tech- nische Errungenschaften wie Dampfschifffahrt, Eisenbahn und Bergbahnen hinzu gekommen, so dass der Vierwaldstättersee «nicht nur der centralste und grossartigste, sondern auch der besuchteste aller Schweizer Seen» wurde und selbst «das gefeierte Berner Oberland *…+, was die Massenhaftigkeit des Fremdenandrangs betrifft, mit den romantischen Waldstätten nicht mehr concurrieren» könne.2 Naturschönheiten, Geschichtsträchtigkeit, gute Erreichbarkeit und ein früher Ausbau der Transport- und Hotelinfrastruktur machten die Region Zentralschweiz im Laufe des 19. Jahrhunderts neben der Genferseeregion und dem Berner Oberland zur führenden Tourismusregion der Schweiz mit einer internationalen Ausstrahlung.

Abb. 1: Das Bild von R. Dikmann von Brunnen um 1870 vereint die wesentlichen touristischen Faktoren der Zentralschweiz auf einen Blick: See, (Schnee)berge, luxuriöse Hotellerie (mit dem Hotel Waldstätterhof), infrastrukturtechnische Innovatio- nen wie das Dampfschiff oder die Axenstrasse im Hintergrund sowie letztlich die «Swissness» der Region symbolisiert durch die perfekt ins Bild platzierten Schweizerflaggen. (Riek/Rickenbacher 1998, S. 227) Die Kombination von See und Bergen sowie die enge Verbindung zur Schweizer Nationalgeschichte waren und sind die wesentlichen Elemente, welche die Zentralschweiz gegenüber anderen Schweizer Reisedestinationen abheben. Spätestens mit der Einführung der Dampfschifffahrt wurde der Vier-

1 Ebel, 1793, 176. 2 Peyer, 1885, 212, zitiert in: Schleifer-Stöckli, 1998, 23. 4 waldstättersee zur touristischen Drehscheibe der ganzen Zentralschweiz. Eine Fahrt mit dem (Dampf)schiff war und ist Ausgangs- oder Endpunkt vieler Reisevorschläge zu historischen und land- schaftlichen Sehenswürdigkeiten der Region. Ein weiteres verbindendes Element ist die Schweizer Erinnerungskultur, die sich in der Zentralschweiz angesichts der zahlreichen historischen Stätten weit stärker manifestiert als in anderen Regionen der Schweiz. Hier definiert sich Swissness über ein histo- risches Verständnis, das Orte und Persönlichkeiten wie Niklaus von Flüe, die Tellsage oder die Rütli- wiese mystisch überhöht und touristische Schweizbilder fabriziert, welche die Wahrnehmung der Schweiz von aussen wie auch das Selbstverständnis der Schweiz und der Schweizer bis heute prägen.3

1.1. FRAGESTELLUNG Ausgehend von diesen einleitenden Bemerkungen zu den Grundzügen der Tourismusentwicklung in der Zentralschweiz sollen in den nachfolgenden, chronologisch aufgebauten Kapiteln einige Frage- stellungen vertieft behandelt werden: 1. Einordnung in einen grösseren räumlichen Zusammenhang: Welchen Stellenwert hatte die Zentralschweiz als Tourismusregion im internationalen und nati- onalen Vergleich? 2. Einordnung in einen grösseren historischen Zusammenhang: Wie lässt sich die touristische Entwicklung der Region Zentralschweiz historisch einordnen, dh. auf welchen Faktoren und Vorläufern gründet ihr Erfolg in der Belle Epoque, was verändert sich bis zur Gegenwart und was bleibt gleich? Welchen Einfluss haben gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen auf den Tourismus der Region? 3. Der Faktor Infrastruktur: Welche Rolle hatten Transportwesen, Verkehrsentwicklung und techni- sche Innovation auf die touristische Entwicklung der Region Zentralschweiz? Wie innovativ und gästefreundlich waren die Infrastrukturen der Zentralschweizer Hotels und Ferienorte? Welche Rolle spielte der Vierwaldstättersee als verkehrs- und infrastrukturverbin- dendes Element? 4. Der Faktor Gastlichkeit: Welchen Stellenwert hatte die Gastfreundschaft im Tourismusangebot der Zentralschweiz? War die Zentralschweiz gastfreundlicher als andere Regionen? Was verstand man unter Gastfreundschaft und welche Anstrengungen unternahm man zu ihrer Erfül- lung? Welchen Ruf genoss die Zentralschweizer Gastfreundschaft, auch im nationalen und inter- nationalen Vergleich?

1.2. METHODE, QUELLENMATERIAL UND AUFBAU DER ARBEIT Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf einer umfassenden und möglichst lückenlosen Sich- tung des aktuellen Wissensstandes. Berücksichtigt wurden dabei nebst der Literatur zur europäi- schen und schweizerischen Tourismusgeschichte die in grosser Zahl vorhandenen Orts- und Hotelge- schichten aus der Region, verkehrs- und technikgeschichtliche Literatur, Analysen zur kulturge- schichtlichen Bedeutung der Region sowie zeitgenössische Reiseberichte und Reiseführer zur Zentral- schweiz vom 18. bis 20. Jahrhundert. Parallel dazu förderten Archivrecherchen in Luzern und Stans Bildmaterial zu Tage, das die wesentlichen Fragestellungen dokumentiert. Eine Auswahl dieser Bilder, Panoramen, Ansichtskarten und Fotografien sind im Anhang dieser Arbeit als eigene Dokumentation abgelegt. Die Arbeit verfolgt primär einen chronologischen Aufbau. Nach einem Überblick über die Vorläufer des Fremdenverkehrs im Pilgerwesen, Bädertourismus und den Bildungsreisen von Wissenschaftlern,

3 Kreis 2010, 12. 5

Literaten und Künstlern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, widmet sich ein umfassendes Kapitel der Zeit von 1815 bis 1914, in welcher die Zentralschweizer Fremdenindustrie ihre Hochblüte erlebte. Die inhaltlichen Fragestellungen zur Gastfreundschaft, zur Rolle der Infrastruktur und zur (in- ter)nationalen und historischen Einordnung der Zentralschweizer Tourismusentwicklung werden hauptsächlich in diesem Kapitel beantwortet. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einem Überblick über die weitere Entwicklung nach dem Ende der Belle Epoque bis in die Gegenwart.

1.3. TOURISMUSGESCHICHTE UND –THEORIE: DIE WICHTIGSTEN THESEN Theoretische Grundlagen zum Tourismus und zur Tourismusgeschichte haben sich erstaunlich spät entwickelt. Obwohl der Tourismus zu den auffallendsten kulturellen und ökonomischen Phänomenen unserer Zeit gehört, wurde er in der Forschung lange nur unzulänglich reflektiert. In der deutschsprachigen Forschung prägte Hans Magnus Enzensberger brillanter Essay «Theorie des Tourismus» von 1958 über Jahrzehnte die Diskussion. Er sieht den Tourismus als Fluchterscheinung, die auf dem Freiheitswunsch der neuen bürgerlichen Schicht und der Unwirtlichkeit der modernen, industrialisierten und urbanisierten Lebenswelt basiert, unterstützt durch die Fiktionen der romanti- schen Literatur, welche die unberührte Natur und Geschichte idealisieren. Andere Tourismustheorien ergänzen die «Fluchttheorie» von Enzensberger mit den Faktoren «Erholung» und «Reisetrieb» als Motivationen des Reisenden. Ein angelsächsischer Ansatz versucht, Parallelen zwischen Touristen und Pilgern zu ziehen: Wie die Pilger wandern auch die Touristen zu sakralen Plätzen und suchen das «absolut andere» und die Loslösung vom Alltag. Hasso Spode wiederum sieht das moderne Reisen als «Zeit-Reise». Seiner Meinung nach war und ist das Reisen ab dem 18. Jahrhundert eine Reaktion auf die zunehmende Affekt- und Körperkontrolle im modernen Europa und entsprach einer Sehnsucht nach der vermeintlichen Freiheit einer idyllischen, unberührten Natur und nach dem unverdorbenen Menschen. Touristen wollen sich auf der Zeitachse in eine idyllischere und weniger reglementierte Welt zurück bewegen. Sie suchen imaginierte Räume abseits des Alltags. In einem sind sich die ver- schiedenen Tourismustheorien einig: Urlaub ist immer auch ein Gegenentwurf zum Alltag.4 Später als die Soziologie, Anthropologie, Geografie und die Literaturwissenschaften hat die Ge- schichtswissenschaft den Tourismus als Forschungsgegenstand entdeckt; vorerst im Zusammenhang mit der Konsumgeschichte, der Geschichte kommerzialisierter Freizeit und den Forschungen zu Erin- nerungsorten (lieux de mémoire).5 Dies ist umso erstaunlicher, als die Beschäftigung mit der Ge- schichte des Tourismus neue Perspektiven zur Modernisierung unserer Gesellschaft bietet, denn seine Entstehung und Entwicklung ist eng gekoppelt mit der Industrialisierung, mit der Bürokratisie- rung des Reisens, mit der mechanischen Produktion von Bildern dank neuer technischer Entwicklun- gen, mit der Standardisierung von Bewegung, mit der Schaffung von freier Zeit durch neue Arbeitsge- setze und mit der Kommerzialisierung von (Reise)erfahrungen.6 Zudem ist das Reisen und Urlaubma- chen heute eine wichtige soziale Praxis, die jeden von uns betrifft, und der Tourismus umfasst heute weltweit 10 Prozent aller Beschäftigten und 10 Prozent des Bruttosozialprodukts. In der Schweiz ist diese verspätete Beschäftigung mit der Tourismusgeschichte umso erstaunlicher, als der Fremdenverkehr als zentraler Auslöser der Schweizer Erfolgsgeschichte als Wirtschaftsnation angesehen werden kann.7 In den letzten zwei Jahrzehnten sind in der Schweiz diverse Publikationen zur Tourismusgeschichte einer Region oder eines Ortes erschienen, doch fehlt es bislang an einer

4 Hennig 1997, 35-50, Urry 1990, 11. 5 Baranowski/Furlough 2001, 1. 6 Baranowski/Furlough 2001, 8. 7 Humair 2011, 5ff. 6 systematischen Analyse der Schweizer Tourismusgeschichte als Ganzes. Dieses Manko versuchen zurzeit mehrere laufende Forschungsprojekte an den Universitäten Neuenburg und Lausanne sowie Luzern wettzumachen.8

1.4. ZUM BEGRIFF «TOURISMUS» Die Entstehung der Tourismusindustrie ist eng mit der globalen industriellen Entwicklung und der damit einhergehenden Verstädterung im 19. Jahrhundert verbunden. Die städtischen Eliten reagier- ten auf die negativen Seiten der Industrialisierung (Umweltbelastung, Zersiedelung) mit einer Suche nach der unberührten und gesunden Natur. Zugleich diente das Reisen der sozialen Abgrenzung ge- gen unten. Die Verbreitung neuer Sportarten und -interessen förderte ebenfalls den Tourismus. Neue Transportmöglichkeiten wie Eisenbahn und Dampfschiff sowie erste Reiseagenturen wie diejenige von Thomas Cook erleichterten das Reisen und machten es für eine breitere Schicht von gut situier- ten Bildungsbürgern erträglich und bezahlbar. Um 1900 kann man von einer «Demokratisierung» des Tourismus sprechen, aber noch nicht von einem Massentourismus. Dieser setzte erst in den 1950er- Jahren ein. Literaturwissenschaftler wie James Buzard knüpfen die Verbreitung des Begriffs «Tourismus» an die Flut von Touristen, die ab dem frühen 19. Jahrhundert den europäischen Kontinent zu überschwem- men beginnt. Zur Schöpfung des neuen Begriffs habe aber weniger die Zahl der neuen Touristen als vielmehr die Angst der bisherigen, elitären Reisenden vor den Veränderungen durch die neue, breite- re Reiseszene beigetragen. Anders als die früheren Individualreisenden besuchten die Touristen Eu- ropa aufgrund von Vorschlägen und Hinweisen von Reiseführern, mit denen sich die Reise effizient, günstig und gezielt planen und durchführen liess.9 Neben den neuen Transportmitteln Eisenbahn und Dampfschiff war es vor allem die Verbreitung der Fotografie als neue technische Entwicklung, die den Tourismus durch die Massenproduktion billiger Bilder ankurbelte und demokratisierte. Die Forschung ist sich heute einig, dass Bilder und das sight- seeing die Reisewünsche der Menschen und den Tourismus massgeblich prägen. Der touristische Blick entsteht massgeblich durch Bilder und das Sammeln von Bildern. Touristen sind stets auf der Suche nach Bildern, die ihren Vorstellungen eines Reiselandesortes entsprechen. Meist sind dies Landschaften und Orte, die vom Alltag abweichen und ein Eintauchen in Vergnügen, Tagträumerei und Fantasie versprechen.10 Nach Laurent Tissot ist die Geschichte des Tourimus eng mit der Ge- schichte des Sehens verknüpft, als eine Geschichte des domestizierten Blicks. Er appelliert denn auch dafür, Tourismusgeschichte – frei nach Foucault – als Archäologie des Sehens und der Sinne zu betreiben und dabei nicht nur die Wirkung des Bildes, sondern auch der Stimmungen, der Gerüche und der Atmosphäre auf den Reisenden einzubeziehen.11

8 «Luzern, Löwenplatz – eine touristische Bilderfabrik». Forschungsprojekt von Andreas Bürgi und Jon Mathieu an der Universität Luzern; «Was macht der Tourismus mit der Vergangenheit?» Forschungsprojekt unter Leitung von Valentin Groebner an der Universität Luzern; «Systeme touristique et culture technique dans l'Arc lémanique. ac- teurs, réseaux sociaux et synergies (1852-1914)». Forschungsprojekt an den Universitäten Neuenburg und Lau- sanne unter Leitung von Cédric Humair und Laurent Tissot. 9 Humair 2011, 9–11; Baranowski/Furlough 2001, 2. 10 Urry/Larsen 2011, 4, 31. 11 Moderationsbeitrag von Laurent Tissot an den Schweizer Geschichtstagen 2013 in Fribourg im Rahmen des Panels «Touristische Images im 20. Jahrhundert». 7

1.5. DIE PHASEN DER SCHWEIZER TOURISMUSGESCHICHTE IM ÜBERBLICK Die aktuelle Tourismusforschung teilt die Tourismusgeschichte der Schweiz in folgende Phasen ein:12 1. Zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts: Die Schweiz wandelt sich vom Transit-Reiseland zum Ziel-Reiseland. Erste Reiseziele sind Genf als Ausgangsort zu den Gletschern von Chamonix sowie Bern als Ausgangsort zum Berner Oberland. Weil auf dem Land noch kaum Hotelinfrastrukturen existieren, dienen Stadthotels als Basis für (Tages)exkursionen ins Umland. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege und der Aufhebung der Kontinentalsperre, mit der Napoleon ab 1805 den Engländern den Zugang zum Kontinent verwehrt hatte, kommt es rasch zu einer Zunahme der Reisen in die Schweiz. Das Reiseland Schweiz ist geboren.13 2. 1820-1875: In den 1830er-Jahren beginnt die Ära des modernen Tourismus. Sie ist ein Resultat von Industria- lisierung, Kommunikationsrevolution, ökonomischer Integration der europäischen Welt, einer Neubewertung des Körpers und des Gesundheitsgefühls und letztlich einem signifikanten Wan- del in der Wahrnehmung, markiert durch das Aufkommen von Lithographien und Photographien. Mit den ersten Reiseführern, Eisenbahnen, Telegrafen und Reiseagenturen setzt eine Demokrati- sierung des Reisens ein und löst damit eine Infrastrukturentwicklung in der Schweizer Hotellerie aus. Die Tourismusindustrie entwickelt sich primär an bequem erreichbaren Orten mit Eisen- bahnanschluss und mit Aussicht zur Bergwelt. 1834 entsteht in Genf das erste Luxushotel. Die Regionen rund um den Vierwaldstättersee, den Genfersee und den Thuner- und Brienzersee sind in dieser Phase führend. Zwischen 1860 und 1870 kommt es zu einer ersten strukturellen Konso- lidierung des Schweizer Tourismus durch einen Boom im Hotelbau und durch das Aufkommen standardisierter Gruppenreisen à la Cook. Die Eroberung der Hochalpen setzt ein. 3. 1875-1914, die sogenannte «Belle Epoque» : Die positive Wirtschaftsentwicklung Europas, grosse Bahnerschliessungen wie der Gotthardtun- nel 1882 oder der Simplontunnel 1906, die Eroberung der Bergwelt dank technischer Innovatio- nen im Bergbahn- und Hotelbau, eine Zunahme des Gesundheits- und Medizinaltourismus und der Beginn des Wintertourismus führen zu einem Anstieg der Gästezahlen und zu einer Erschlies- sung bisher peripherer Zonen wie Graubünden, Tessin und Wallis für den Tourismus. Grösse und Ausbaustandards der Luxushotels, die jetzt in grosser Zahl gebaut werden, sind nur noch über Aktiengesellschaften finanzierbar. Die neue Ära des organisierten Kapitals in der Schweizer Tou- rismusindustrie geht einher mit der Gründung des Schweizer Hotelierverbandes 1882. In den 1890er-Jahren erhält die Schweiz Konkurrenz durch andere Alpendestinationen in Öster- reich, Deutschland und Frankreich. Die Demokratisierung des Tourismus führt besonders im Sommertourismus zum Exodus der reichen Elite nach exklusiveren Destinationen am Mittelmeer oder in den Kolonien. Mit konzertierten Werbeaktionen und Investitionen in den öffentlichen Raum wie Promenaden, Beleuchtung, Transportmittel und Vergnügungsstätten wie Casino und Musikhallen reagieren die Schweizer Tourismusdestinationen auf die neuartige Konkurrenzsitua- tion. Luxushotel-Neubauten mit dem neuesten technischen und touristischen Know-How und ex- klusive Unterhaltungsangebote buhlen um eine exklusive Kundschaft. 4. 1914-1955: Zwei Weltkriege und die Wirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit führen zu einer langen Stagnati- onsphase im Schweizer Fremdenverkehr. Das Ausbleiben der ausländischen Gäste wird nur teil- weise kompensiert durch einen Anstieg einheimischer Touristen. Mit Konkurrenzverboten und Bedürfnisklauseln kommt es erstmals zu staatlichen Eingriffen zur Förderung der Tourismusin- dustrie. Immer mehr Gäste reisen bereits in der Zwischenkriegszeit mit dem eigenen Auto an.14 Trotz der Stagnation bleibt die Schweiz mit einem Anteil von 19-23 Prozent bis 1935 an der Spitze

12 Humair 2011, 17ff; Heiss 2004, 47-49. 13 Flückiger-Seiler 1998, 22. 14 Anteil der Schweizer am Total der Gäste in Schweizer Hotels: 1914: 27.8%; 1935: 61.2%; 1944: 86%. Anteil der Autotouristen: 1912: 1%; 1935: 35%. 8

aller europäischen Tourismusdestinationen. 1955 liegt sie mit einem Anteil von 15 Prozent be- reits klar hinter den Mittelmeeranbietern Frankreich und Italien zurück. 5. Ab 1955: Die gesetzliche Einführung bezahlter Ferien für alle Arbeitnehmer und der wirtschaftliche Auf- schwung führen zum Massentourismus und zur Entwicklung der Parahotellerie. Dank grosser In- vestitionen in Wintertourismus-Infrastrukturen profitieren davon vorab das Wallis, Tessin und Graubünden. Der Einsatz des Flugzeugs als Massenverkehrsmittel führt ab den 1960er-Jahren zu einer grossen Zunahme der aussereuropäischen Gäste.

1.6. DIE (ZENTRAL)SCHWEIZ ALS VERKÖRPERUNG DER IDEALEN ALPENLANDSCHAFT Die Alpenlandschaft als Teil der europäischen Kulturgeschichte entstand erst durch den Blick von aussen. Ihre systematische wissenschaftliche Erforschung und die neue ästhetische Sensibilität ge- genüber Natur und Bevölkerung veränderten die Alpenwelt und insbesondere die Hochalpen um die Wende zum 19. Jahrhundert von einem Ort des Schreckens zu einem Ort der Erhabenheit mit «gera- dezu königlicher Majestät».15 Zusammen mit dem benachbarten Chamonix wurden die Schweizer Alpen als Prototyp der Alpenlandschaft idealisiert.16 Die Fokussierung auf die Schweiz als ideale Alpenlandschaft beruhte gemäss Marc Boyer auf vier Faktoren: 1. Vertikales Raumkriterium: Je höher die Berge, desto wertvoller und attraktiver erscheinen sie den Reisenden für einen Besuch. 2. Vertikales Zeitkriterium: Je mehr Geschichte ein Ort zu bieten hat, umso attraktiver wird er in den Augen der Besucherinnen und Besucher. Dies beginnt mit der Suche nach der Entstehung der Welt über die Geologie und die Fossiliensuche und findet ihre Fortsetzung im Besuch histori- scher Stätten der alten Eidgenossenschaft. 3. Rousseau'sches Kriterium: nach Rousseau‘schem Vorbild sucht der Bildungsbürger des 18. und 19. Jahrhunderts nach dem inneren Frieden in der Natur. 4. Anekdotisches Kriterium: Je mehr Sagen und historische Helden, welche Werte wie Freiheit und Unabhängigkeit symbolisieren, eine Region präsentieren kann, umso attraktiver wird sie in den Augen des liberal und freiheitlich gesinnten Bürgertums des 19. Jahrhunderts.17 Nach Claude Reichler förderten die Schweizer diesen Aspekt nach Kräften und ganz bewusst, u.a. mit den Unspunnen- und Schwingerfesten, die nach den Revolutionsjahren nicht nur die alten Freiheiten der Schweizer in Erinnerung rufen, sondern auch Reisende mit romantischen und freiheitlichen Idealen anlocken sollten.18 Diesen naturräumlichen und ideellen Kriterien fügen die Tourismushistoriker Laurent Tissot und Ced- ric Humair weitere strukturelle und gesellschaftliche Aspekte hinzu, die für das Reiseland Schweiz sprachen: 19 a) die leichte Erreichbarkeit der Schweizer Alpen dank ihrer Lage mitten in Europa b) das Vorhandensein von «Willkommensstrukturen», ganz besonders in den Grandhotels. Diese trugen viel zum Marketing der Schweizer Alpen bei, indem sie selbst mit ihrer Architektur und ih- rem Angebot die Landschaft mitprägten. c) technologische Innovationen und Investitionen: Die Schweizer Hotelbesitzer waren im 19. Jahr- hundert führend in technischen, organisatorischen und unternehmerischen Modernisierungspro- zessen.

15 Reichler 2005, 25. 16 Reichler 2005, 303. 17 Boyer 2004, 26f. 18 Reichler 2005, 211. 19 Tissot 2011, 60, 67-68; Humair 2011, 12ff. 9 d) politischer und diplomatischer Aspekt: Das liberale Bürgertum Europas hegte im 19. Jahrhundert grosse Sympathien für die republikanische Staatsform der Schweiz. Der alpine Raum wurde als Wiege der freiheitlichen und egalitären Werte angesehen und galt als vereinigende Kraft hinter der republikanischen Eidgenossenschaft. e) Der verstärkte Gesundheitsdiskurs in Europa steigerte die Nachfrage nach Luft- und Badekuren ganz besonders in der idealisierten reinen Luft der Alpenwelt. f) enge Beziehungen zwischen englischen und Schweizer Handelshäusern und Banken förderten bereits früh den Kontakt vermögender Engländer zur Schweiz.

Nicht zuletzt verdankt die Schweiz ihre Entwicklung zum angesagten Reiseziel der Belle Epoque auch einer gewissen Eigendynamik der Reiseliteratur. Reisebeschreibungen des 18. Jahrhunderts konnten selten für bare Münze genommen werden, da sie meist als Spiegel benutzt wurden, um dem Leser die Mängel der heimischen Gesellschaftsordnung vor Augen zu halten. Und dazu eignete sich kein anderer Flecken Europas besser als die Schweiz. Hier sah man das Ideal der väterlichen Obrigkeit verwirklicht, die über sittsame und tugendhafte Hirten und Sennen regierte. Während des ganzen 19. Jahrhunderts stellte die Reiseliteratur die Welt der Schweizer Alpen als Gegenwelt zur städtischen Industriegesellschaft dar und zementierte damit den Mythos des harmonischen Idealreiches.20 Dank der in den Reisebüchern vervielfachten Bilder wurde die Reise durch die Schweiz im Laufe des Jahr- hunderts zu einem festgeschriebenen Parcours an Sehenswürdigkeiten.21 Die Zentralschweiz erober- te sich in den Reiseführern des 18. Jahrhunderts ihren festen Platz. So wurde Luzern zwischen 1700 und 1750 zwölfmal erwähnt und stand damit hinter den grossen Städten und Interlaken als Zentrum des Berner-Oberland-Fremdenverkehrs an elfter Stelle der in den Reiseführern erwähnten Schweizer Orte. Bis 1800 verbesserte Luzern mit insgesamt 123 Erwähnungen seine Position auf Rang acht aller Schweizer Reiseziele und lag damit noch vor Interlaken.22 Allmählich wandelte sich auch der Charakter des Reisebeschriebs von der bisher ausschliesslich en- thusiastischen und idealisierenden zur kritischen und ambivalenten Darstellung, in welcher sich auch die ersten Erfahrungen mit der Fremdenverkehrsindustrie der Schweiz widerspiegelte: Die zweite Generation von englischen Reiseführern über die Schweiz machte es sich zum Ziel, die Reisenden so umfassend mit Informationen auszustatten, damit diese den Kontakt zu den Bewohnern des Landes auf ein Minimum beschränken konnten. Die Schilderungen konzentrierten sich auf die landschaftli- chen Objekte und vermieden die Erwähnung ihrer Bewohner. Und wenn die Bevölkerung doch er- wähnt wurde, dann meist als Gegenstück zur Schönheit der Natur. Die Schweizer seien hässliche Dummköpfe und ein eigentliches Hindernis beim Genuss der herrlichen Natur. Nichtsdestotrotz war man voll des Lobes für die helvetische Politik, Staatsform und Geschichte. Diese Reiseführer sagten über die Reisenden mindestens ebenso viel aus wie über das Reiseland; sie widerspiegelten eine elitäre, herablassende Haltung der Briten gegenüber den Gegenden, die sie bereisten. Etwas anders verhielt es sich dagegen mit dem Reiseführer des Deutschen Karl Baedeker: er äusserte sich nicht negativ über die Schweizer, sondern ignorierte sie schlichtweg.23

20 Böning 2005, 190. 21 Seger 2005, 28-29. 22 Béguelin 2003, 346-340. 23 Tissot 2000, 71-74. 10

2. REISEN IN DIE ZENTRALSCHWEIZ VOR DER BELLE EPOQUE

Bis ins 18. Jahrhundert war die Zentralschweiz kein begehrtes Reiseziel und meist nur Durchgangs- land für Transithandel, Pilger- und Wallfahrten und Reisläuferei.

2.1. REISEN AUS RELIGIÖSEM MOTIV: PILGER UND WALLFAHRER

Abb. 2: Blick von der Kapelle auf der Chatzenstrick-Passhöhe Richtung Einsiedeln um 1830, wie er sich den Jakobspilgern präsentiert haben dürfte. Lithographie von J.B. Kälin. Als wohl bekanntester Pilgerweg der Schweiz durchzieht einer der Hauptstränge des Jakobswegs die Zentralschweiz von Ost nach West. Zahlreiche alte Herbergen verweisen noch heute auf den einst- mals regen Pilgerverkehr. Sie sind Beispiele einer frühen Form der Zentralschweizer Gastfreund- schaft. Eine internationale Ausstrahlung auf die Pilgerreisenden hatte Einsiedeln, das seit dem Mit- telalter eine beliebte Zwischen- und Anfangsstation auf dem Weg zum Grab des Heiligen Jakobs in Santiago de Compostela war.24 1444 zählte man in Einsiedeln bereits über 120‘000 Pilger und Wall- fahrer.25 Vom Bodensee oder von Zürich her kommend machten die Jakobspilger zuerst in Einsiedeln Station, von wo sie weiter nach Brunnen zogen, um dort über den See nach Treib oder Luzern über- zusetzen. Von Treib aus ging es weiter entlang des Sees über Emmetten nach Beckenried, wo noch heute die Grabplatte eines Jakobspilgers in der Pfarrkirche St. Heinrich von der Pilgerpassage zeugt.26 In Buochs kehrten die Jakobspilger dem See den Rücken, um den Weg über Stans nach Flüeli-Ranft unter die Füsse zu nehmen.27 Im 16. Jahrhundert nahmen die langen Pilgerreisen wegen der reformatorischen Wirren ab und ka- men während der napoleonischen Kriege beinahe vollständig zu erliegen. An ihre Stelle traten im Laufe der Gegenreformation kurze Wallfahrten zu zahlreichen Wallfahrtsorten der Zentralschweiz

24 Horat 2012, 170. 25 Wyler 2000, 7. 26 Bolliger 2010, 56. 27 Bolliger 2010, 59ff. 11 mit lokaler oder regionaler Ausstrahlung. Wallfahrtsorte mit regionaler Ausstrahlung waren die Wall- fahrtskapelle Maria Sonnenberg oberhalb von Seelisberg sowie die Einsiedelei des Niklaus von Flüe in Sachseln, dessen Bedeutung heute eher als national-patriotischer denn als religiöser Wallfahrtsort zu sehen ist. Einsiedeln behielt seine internationale Strahlkraft als Pilgerstation und erlebte im 19. Jahr- hundert gar einen grossen Aufschwung. Laut dem Baedeker-Reiseführer zählte man in Einsiedeln um die Abb. 3: Die Wende zum 20. Fotografie von Flüeli-Ranft Jahrhundert jährlich demonstriert 200‘000 Pilger und auf einen Blick 28 das touristische Wallfahrer. Potential des Pilgern diente meist legenden- und nicht nur der religiö- mythenbehafte- ten Ortes: in sen Erfüllung, son- Sichtweite des dern auch profan- Wallfahrtsortes liegt das Kurho- touristischen Moti- tel Nünalphorn, ven wie der Befrie- das 1896 für digung von Reiselust Kurgäste und Pilger erbaut und Fernweh. Bä- wurde und sich der- und Pilgerreise heute unter dem Namen Paxmon- wurden deshalb oft tana als präch- kombiniert. In der tiges Hotel der Belle Epoque Zentralschweiz hat- neuer Beliebt- ten die Heilbäder bis heit erfreut. ins 19. Jahrhundert (Zentralbiblio- thek Zürich) jedoch nur eine lo- kale Ausstrahlung.29 Einzig das Kaltbad auf der Rigi genoss schon im 18. Jahrhundert einen Ruf über die Landesgrenzen hinaus. Der Hotelhistoriker Flückiger-Seiler ortet denn auch in der Kombination von Wallfahrt und Badefahr- ten den Ausgangspunkt für die Erfolgsgeschichte der Zentralschweiz als Reiseziel. Dies sei besonders auf der Rigi zum Ausdruck gekommen. Die Kapelle in Rigi-Klösterli entwickelte sich nach ihrem Bau 1688 unter anderem dank Gerüchten von Wunderheilungen rasch zu einem regional beliebten Wall- fahrtsziel und wurde 1721 mit einer grösseren Kapelle ergänzt. Und Rigi-Kaltbad mit seiner Kapelle aus dem Jahr 1585 soll im 18. Jahrhundert jährlich bis zu 15‘000 Wallfahrer angezogen haben, was auch im Vergleich zum internationalen Pilgerort Einsiedeln eine beachtliche Zahl ist und von seiner regionalen Ausstrahlungskraft als Wallfahrtsort zeugt. Auf der Rigi liess sich das Wallfahren bereits früh mit Badefreuden kombinieren. Gemäss dem Chronisten Renwart Cysat zählte Rigi-Kaltbad am Tag des Heiligen Jakobus 1601 rund 150 Badegäste, was ihn umso mehr erstaunte, weil er der medi- zinischen Heilkraft des fünf Grad kalten Wassers stark misstraute.30 Die Bedürfnisse von Wallfahrern und Badenden nach Verpflegung und Beherbergung legten gemein- sam den Grundstein für die spätere Entwicklung der Rigi als Reiseziel: Um 1805 warben in Rigi-

28 Baedeker, La Suisse, 1903, 119. 29 Horat Erwin 2012, 170-171; Bolliger 2010, 17-19; Hachtmann 2007, 39, IVS-Kantonsheft Schwyz 2007, 31-33; Bausinger/Beyer/Korff 1999, 23ff. 30 Weber 1991, 48-50 12

Klösterli bereits vier Gasthäuser um die Gunst der Reisenden. Nur wenig später kam es mit dem auf- kommenden Aussichtstourismus rasch zu einer «Säkularisation der Wallfahrt».31 Man pilgerte nun nicht mehr zur Kapelle, sondern zum Sonnenaufgang. Dabei war die Erfahrung, welche die Besitzer der Gaststuben auf der Rigi bei der Bewirtung und Beherbergung von Wallfahrern und Badenden hatten sammeln können, der raschen Entwicklung eines breiten Angebots für die Aussichtstouristen sicher von zusätzlichem Nutzen.

2.2. BÄDER- UND KURTOURISMUS: VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR PERFEKTION IM 19. JAHRHUNDERT

Abb. 4: Das Panorama vom Kurhaus Schöneck bei Seelisberg über den Vierwaldstättersee um 1880 vereinigt die wesentli- chen Elemente eines idealen Kurortes: reine Bergluft, ein Kurpark mit Spazierwegen und unterhaltsamen Wasserspielen, Aussichtsmöglichkeiten auf See und Bergwelt und (am linken Rand) exklusive Geselligkeit. (Riek/Rickenbacher 1998, S. 362) Der Besuch von Heilbädern erlebte ab dem 15. Jahrhundert in ganz Europa und ganz besonders in Deutschland, Österreich und der Schweiz einen grossen Aufschwung. Bis 1750 wurden die meisten Bäder von breiten Bevölkerungsschichten, aber meist nur im lokalen oder regionalen Rahmen be- nutzt.32 Dies war auch in der Zentralschweiz nicht anders. So gibt es laut Heinz Horat rund um Luzern bereits früh zahlreiche Hinweise auf kleine lokale Bäder mit bescheidenen Infrastrukturen.33 Balneo- logische Schriften mit Aufzählungen empfehlenswerter Bäder erschienen bereits ab dem 15. Jahr- hundert. Im 18. Jahrhundert porträtierten sie verstärkt Bäder in den Alpenregionen und förderten damit die touristische Nachfrage über die lokale Reichweite der Bäder hinaus. Dahinter stand eine auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und romantisierenden Alpendarstellungen basierende Kehrtwende: Das bis anhin als unbewohnbar und ungesund erachtete Gebirge erfuhr eine neue Wertschätzung. Berge wurden neu mit reiner Luft und gesunder Ernährung gleichgesetzt.34 Bäder in den Alpen wurden zu einem touristischen Anziehungspunkt. Vielerorts antwortete man auf die gestiegene Nachfrage mit der Eröffnung neuer Bäder und mit dem Ausbau der Infrastrukturen in den bestehenden Bädern, was wiederum dazu führte, dass nicht nur Bädertouristen, sondern auch andere Reisende die Alpen besuchen wollten. Der Bädertourismus war

31 Omachen 2010, 22. 32 Furter 2005, 87-90 33 Horat 2008, 31. 34 De Capitani. Gesunde Schweiz. Der Gesundheitsdiskurs in der Aufklärung, in: Graf 2010, 16-17. 13 somit im Alpenraum ein wichtiger Ausgangspunkt für die Schaffung weitergehender Tourismusange- bote.35 Auch in der Schweiz waren Badereisen stets eine wichtige Säule des Tourismus. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Bädertourismus, der sich auf die Bade- und Kurbetriebe be- schränkte, immer mehr zum Erholungstourismus, von dem die Kurorte als Ganzes profitierten.36 Mit dem hygienischen Gesundheitsdiskurs anfangs des 19. Jahrhunderts erlebten viele der bisher lokalen Bäder in der Zentralschweiz einen Aufstieg zum Bade- und Luftkurort.37 Dies hing mit einem bemer- kenswerten allgemeinen Wandel im Kurwesen zusammen, weg vom stundenlangen Baden und hin zu kurzen ein- bis zweistündigen Badekuren, ergänzt mit Molken-, Milch-, Trauben- und Luftkuren, mit denen man ab 1800 die Auswirkungen der ungesunden städtischen Lebensweise zu behandeln ver- suchte. Die Milch erfuhr eine neue Wertschätzung. Während die Encyclopédie von Diderot noch er- klärt hatte, Milch mache dick, schwer, faul und stupid, rühmte Albrecht von Haller ganz besonders die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Alpenmilch, die auf den würzigen Alpenkräutern be- ruhte.38 Im Zuge dieser Entwicklung entstanden vielerorts aus bisher lokalen Bädern und Gaststätten kleine Kurzentren mit Kurhotels, Trinkhallen, Aussichtspavillons sowie Spazier- und Wanderwegen.39 Um 1860 gab es in der ganzen Schweiz um die 100 Anstalten, die Molkenkuren anboten.

Abb. 5: Die Kuranstalt in Rigi- Scheidegg. Lithographie nach 1874. (ZHBLu: RIa:6:1:14)

Auf der Rigi machte man sich die Neuentdeckung der Milch zunutze. Im Kurbetrieb von Rigi- Scheidegg «wurden jeden Morgen und Abend Kühe und Ziegen in den Hof der Halle geführt, um den Gästen die Milch dieser Thiere in die Gläser zu melken.»40 Die empfohlene Tagesration lag bei drei Litern (!). Alle drei Hotelstandorte auf der Rigi stiegen im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Kurtou- rismus ein. Rigi-Kaltbad und Rigi-Klösterli, die bisher einen eher bescheidenen Bäder- und Wallfahrts- tourismus gepflegt hatten, entwickelten sich sukzessive zu grossen Hotelbetrieben mit städtischem Standard und einem kurtouristischen Angebot für Molken-, Heilwasser- und Luftkuren.41 Zum Ange- bot gehörten nebst der Milch- und Badekur gemäss einem ganzheitlichen Konzept auch Spaziergänge an der frischen Bergluft und das Erlebnis von Natur und Landschaft. Ein Kuraufenthalt dauerte meh- rere Wochen bis Monate und war auch ein gesellschaftliches Erlebnis. Zum guten Ruf eines Kurortes gehörte auch ein eigener Kurarzt der die medizinische Seriosität der Anstalt garantierte.42 Die Zentralschweiz zählte zwar nicht zu den Pionieren des Kurtourismus wie das Appenzellerland mit den Molkenkuren oder die Bündner Höhenorte Davos und Arosa mit ihren Luft- und Lungenkuren.

35 Furter 2005, 87-90 36 Dängeli 2011, 24. 37 Dubler 1983, 282ff. 38 De Capitani, 2010, 16-17. 39 Flückiger-Seiler 1997, 97. 40 Zitat unbekannter Herkunft, zitiert in: Treichler, Hans Peter. Milch und Traubenberge. In: Graf 2010, 49) 41 Burri 2002, 35-36. 42 Bänziger 1978, 44ff 14

Dennoch erwähnte der Baedeker-Reiseführer kurz vor dem Ende der Belle Epoque mit der Iberge- regg, mit Hergiswald und Eigental bei Luzern, Beckenried, Gersau, Seelisberg, Stoos, Rigi-Kaltbad und Rigi-Klösterli, Realp, Niederrickenbach, , Kerns und Melchsee-Frutt im Melchtal sowie Sach- seln und Lungern eine beachtliche Zahl an sogenannten Luftkurorten.43 Der Trend zu Kuraufenthalten schwächte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ab und machte einem zweckfreien Urlaub in einem mondänen Aussichtshotel Platz.44

2.3. FORSCHENDE UND KÜNSTLER ALS ENTDECKER UND WERBEBOTSCHAFTER DER ZENTRALSCHWEIZ Die Entdeckung der Schweiz als Reiseziel begann mit der Aufklärung. Dabei spielte die Zentralschweiz und insbesondere die Rigi eine zentrale Rolle. Bereits im 16. Jahrhundert hatten einzelne Naturfor- scher, Botaniker und Geologen zu Forschungszwecken die Alpen bereist und erste Gipfel in den Vor- alpen erklommen. Ihre Forschungsreisen hatten Pioniercharakter, aber (noch) keine Breitenwir- kung.45 Die Besteigung des Pilatus 1555 und der darüber geschriebene Reisebericht durch den Zür- cher Gelehrten Conrad Gessner symbolisieren exemplarisch den wissenschaftlichen Aufbruch der damaligen Gesellschaft. Peter von Matt spricht dem Pilatus im Prozess der Verwissenschaftlichung und Aufklärung der Gesellschaft eine einzigartige Rolle zu. Unter den humanistischen Gelehrten wur- de der Berggang zum Pilatus, als dem Ort mittelalterlichen Aberglaubens, wo Drachen und Lindwür- mer hausten, zu einem Ritual des wissenschaftlichen Aufbruchs. Die Liste der Pilatus-Forscher liest sich wie das Who is who der damaligen eidgenössischen Wissenschaftlergilde. Für den Pilatus wurde die erste Bergmonografie geschrieben, die erste Spezialkarte und das erste Bergrelief erstellt. Allein deshalb kommt ihm eine Pionierrolle in der Schweizer Wissenschaftsgeschichte zu.46 Der nüchterne wissenschaftliche Zugang zu den in ihren Dimensionen unfassbaren und schrecklichen Bergen blieb bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Ausnahme.47 Doch bewirkten die Naturforscher eine Entmystifizierung und Versachlichung der Berge, auf der die nachfolgenden Bildungsreisenden aufbauten. Eine Sonderrolle als Forscher und Kunstschaffender in einer Person kam dabei Franz Lud- wig Pfyffer von Wyer zu, der seine kartografischen Forschungen und Vermessungsarbeiten zur Zent- ralschweiz in einer neuartigen Relieftechnik umsetzte. Er schuf mit dieser neuen Technik 1762 ein Relief der Urschweiz, das sich in der Folge zur ersten Attraktion für berg- und naturbegeisterte Rei- sende in Luzern entwickelte. So soll sich auch Johann Wolfgang von Goethe, der 1779 auf der Durch- reise in Luzern übernachtete, kaum für die Stadt, aber umso mehr für das Relief der Urschweiz inte- ressiert haben.48

43 Baedeker 1913, 108, 115, 118-120, 122, 143, 151, 156. 44 Schleifer-Stöckli 1998, 97. 45 Flückiger-Seiler 1997, 76; Hachtmann 2007, 60. 46 Von Matt 2011, 27-31. 47 Seger 2005, 20. 48 Oppenheim/Stähli 1974, 126; Omachen 2010, 135. 15

Abb. 6: Berggänger geniessen – ausgestattet mit einem mobilen Fernrohr – auf dem Pilatus den Blick über den Vierwaldstät- tersee und zur Rigi. Ausschnitt aus einem Panorama von Xaver Schwegler von 1855. (ZHBLu: PIc:1:4:13a-b) Die ersten Vergnügungsreisenden Europas waren junge Adelige, die ab dem 17. Jahrhundert auf ihrer «Grand Tour», aus der sich später der Begriff «Tourismus» ableiten sollte, Europa bereisten. Die Schweiz gehörte allerdings nicht zu ihren primären Reisezielen, sondern wurde höchstens durch- quert, um zu den antiken Stätten Italiens zu gelangen. Auf ihrer Durchreise durch die Schweiz besich- tigten sie vorab historische Stätten sowie Orte mit militärischem oder handelspolitischem Wert.49 Mit Albrecht von Hallers Gedicht «Die Alpen» und Jean-Jacques Rousseaus Roman «La nouvelle Héloise» erfuhr die Schweiz eine Idealisierung als idyllische und freie Bergwelt. Die belesene Elite Europas des 18. Jahrhunderts wollte die beschriebene Bergwelt unbedingt besuchen.50 In den Augen des aufgeklärten Bürgertums verkörperte die Zentralschweiz als Hort der freien Eidgenossenschaft mehr als andere Regionen der Schweiz das Ideal von Freiheit und Selbstbestimmung und war allein deshalb eine Reise wert. Das Erlebnis der Bergidylle und der Naturschönheiten sowie die Begegnung mit der freiheitsliebenden Bevölkerung wurden zum primären Motiv einer Reise in die Schweiz. Nach Meinung Jon Mathieus kam dabei dem romantischen Roman Rousseau’s der weit grössere Einfluss zu als dem Gedicht von Haller, dessen Publikation zu früh erfolgte, als dass sie für den «Alpen-Hype» der 1820er-Jahre hätte verantwortlich sein können. La Nouvelle Héloise - mit rund 70 Auflagen euro- paweit der Bestseller der damaligen Zeit – schuf dagegen eine romantisierende Verbindung zwischen Gefühls- und Bergwelt.51 Nach der Veröffentlichung der Nouvelle Héloise pilgerten tausende von begeisterten Leserinnen und Lesern an die Orte des Romangeschehens am Genfersee und liessen sich dort von der Kraft der Landschaft begeistern.52 Die Alpen- und Schweizbegeisterung des frühen

49 Bausinger/Beyer/Korff 1999, 244; Strobel 2006; Hachtmann 2007, 43. 50 Bausinger/Beyer/Korff 1999, 243-246; Hachtmann 2007, 43; Flückiger-Seiler 1997, 82ff. 51 Mündliche Aussagen des Alpenforschers Jon Mathieu, Luzern, vom 12.9.2012. 52 Seger 2005, 28-29. 16

19. Jahrhunderts war also zum grossen Teil ein literarisches Phänomen. Als wichtigste touristische Regionen der Schweiz entwickelten sich diejenigen, welche von der Weltliteratur am nachhaltigsten beschrieben worden waren. So ging es auch der Zentralschweiz als «Tell’sche Kulisse» des Dramas von Friedrich Schiller.53

2.3.1. DIE WERBEWIRKUNG VON SCHILLERS «WILHELM TELL»

Abb. 7: Die Enthüllung des Tell- denkmals in Altdorf am 28. August 1895 war auch eine Antwort auf das Tellfieber, dass die Schweizrei- senden seit Beginn des Jahrhun- derts erfasst hatte. Zusammen mit dem 1200 Plätze umfassenden Tellspielhaus, das 1899 eröffnet wurde, zog es fortan die Touristen zu Tausenden nach Altdorf, so dass man 1906 eine Strassenbahn von Flüelen bis zum Denkmal baute. (aus: Piatti 2004, 173)

Obwohl Friedrich Schiller die Zentralschweiz nie besucht hatte und sich beim Schreiben seines Dra- mas «Wilhelm Tell» von Reiseschilderungen Goethes und seiner Frau Charlotte von Schiller sowie von der damals unter Europas Intellektuellen breit rezeptierten Geschichtsschreibung des Schweizers Johannes von Müller hatte inspirieren lassen, prägte sein Schauspiel die Landschaft der Zentral- schweiz nachhaltig.54 Das Drama um den Schweizer Freiheitshelden kam 1804 in Weimar unter der künstlerischen Leitung Goethes zur Uraufführung. Zu diesem Zeitpunkt war Friedrich Schiller «zwei- fellos Deutschlands populärster Dichter»,55 so dass alle Augen auf Weimar gerichtet waren, als das Bühnenbild der Uraufführung eine landschaftliche Idylle mit lieblichen Matten, schroffen Felswänden und dem «Eisgebirge» in der Ferne zeigte – wie dazu gemacht, das Fernweh nach der Bergidylle zu wecken. Schiller sprang damit auf einen Zug auf, der sich bereits in Fahrt befand, mit seinem Werk aber eine ungeahnte Beschleunigung erfuhr. Bereits im 18. Jahrhundert hatte die Schweizer Elite ein neues Nationalgefühl und eine Begeisterung für die eigene ruhmreiche Vergangenheit entwickelt. Erste Reisebeschreibungen hatten die Einmaligkeit der Schweiz als einzigartige Kombination von Ge- schichte und Naturszenerie beschrieben und stiessen allerorten in Europa auf reges Interesse. Schil- lers «Wilhelm Tell» sorgte nun dafür, dass der Vierwaldstättersee zum mythischen Herz der Schweiz als Hort der republikanischen Freiheit wurde. Das fortschrittlich gesinnte Europa sah in der Schweiz ein Gegenbild zur eigenen, unfreien Heimat und stilisierte den Vierwaldstättersee zum idyllischen Refugium. Dieser Mythos vom Hort der Freiheit wirkte derart stark, dass selbst Monarchen wie Queen Victoria oder Ludwig II von Bayern, die per se einem freiheitsliebenden Volk skeptisch gege- nüberstehen mussten, sich ihm nicht entziehen konnten! Hunderte von Reisenden besuchten nach der Uraufführung mit einer Buchausgabe von «Wilhelm Tell» die Orte des Schauspiels am Vierwaldstättersee. «Man hatte die Ausgabe beständig in der Hand, oft im bequemen Taschenformat und zum Teil auf extraleichtes Papier gedruckt, um das Reise- gepäck nicht unnötig zu beschweren.»56 Nebst Altdorf, der Tellsplatte und der Tellskapelle besuchte man das Rütli, das auf die Reisenden eine ungeheure Faszination ausübte. Danach setzte man nach

53 Mathieu 2005, 15, Seger 2005, 32. 54 Hentschel 2010, 116ff. 55 Piatti 2004, 17. 56 Piatti 2004, 130. 17

Brunnen über, fuhr von dort zur Hohlen Gasse und der Ruine der sogenannten Gessler Burg in Küs- nacht und schloss das historisch-kulturelle Erlebnis mit einem Besuch von Pfyffers Alpenrelief in Lu- zern ab, sofern man dies nicht bereits zu Beginn der Reise in die Vergangenheit der Schweiz getan hatte.

Abb. 8: Wagengewirr in Brunnen, einem Umsteigeplatz vom Dampfschiff zur Kutsche und umgekehrt auf der Besichtigungs- tour historischer Stätten rund um den See . Datum und Urheber der Darstellung unbekannt. (ZHBLu: SZa 4:12:36) Schillers Schauspiel steigerte den touristischen Marktwert der Region rund um den Vierwaldstätter- see nachhaltig und wurde zum Werbeträger dieser Landschaft.57 Mit der Vertonung des Dramas durch Gioachino Rossini 1829 wurde der Vierwaldstättersee zum Opernsujet und sein Ruhm erhöhte sich nochmals. Kurhotels und Gasthäuser warben mit den kurzen Distanzen zu den historischen Stät- ten des Telldramas. Jeder Reisende inszenierte in der Kulisse der gewaltigen Landschaft sein eigenes Schauspiel, indem er die Eindrücke seiner Lektüre mit den eigenen Reiseerlebnissen überblendete. Zahlreiche Schriftstel- ler, Maler und Komponisten wie August Wilhelm Schlegel, Felix Mendelson Bartholdy, Alexandre Dumas, James F. Cooper, Richard Wagner oder Friedrich Liszt liessen sich von Schillers Wilhelm Tell zu einer Schweizerreise inspirieren und trugen mit ihren Reiseberichten ihrerseits wieder zur Wer- bewirkung bei.58 Der Vierwaldstättersee wurde als einzige Theaterkulisse wahrgenommen, wie das Zitat von Henry James zeigt: «There is something extremely operatic, suggestive of foot-lights and scene-shifters, in the view on which looks out. You are one of the five thousand - fifty thou- sand - 'accomodated' spectators; you have taken your season-ticket, and there is a responsible impre- sario somewhere behind the scenes...»59

57 Piatti 2004, 130. 58 Piatti 2004, 141-145. 59 Piatti 2004, 147-148. 18

2.3.2. DIE WERBEWIRKUNG VON BILDERN Neben Schriftstellern und Naturforschern lenkten auch die Maler den Blick auf die Schönheiten der Bergwelt und setzten sie ästhetisch und romantisierend in Szene.60 Der Einfluss der pittoresken Ma- lerei auf die Sehgewohnheiten der Touristen zeigte sich nicht nur in der Vorliebe für gerahmte, abge- schlossene Szenerien, sondern auch in der Wahl der Motive. So entwickelten sich etwa Seen als häu- figes Motiv der pittoresken Malerei zu bevorzugten Reisezielen des gebildeten Publikums.61 1815 erstellte der Zürcher Panoramenmaler Heinrich Keller eine pittoreske Rundansicht des Rigi- Panoramas. Ein Panorama verfolgte verschiedene Zwecke: primär war es eine Lesehilfe für die Rei- senden, um sich in der Landschaft zurechtzufinden. Es konnte aber auch Lust und Vorfreude auf eine Bergaussicht erzeugen oder bei schlechtem Wetter für eine verpasste Aussicht entschädigen und zu Hause die Erinnerung an das Bergerlebnis wachhalten. Gemäss Keller standen hinter der Panora- menproduktion auch handfeste wirtschaftliche Motive, wolle man doch «... in einem Panorama auch einen guten Anhaltspunkt für die Erinnerung an die vergangenen Genüsse haben, und mehr, die Wirthe wollen von nahe gelegenen Aussichtspunkten Panoramen zu dem Zwecke, die Touristen zum Gang auf diese Höhen zu ermuntern.»62

Abb. 9: Ausschnitt aus dem Rigi-Panorama von Heinrich Keller 1815. Jeder selbst weit entfernte Berggipfel wird erwähnt und damit der Eindruck verstärkt, dass man von der Rigi beinahe die gesamte Schweizer Bergwelt aus sicherer Distanz bewun- dern kann. Die Szenerie im Vordergrund verweist auf die grosse Beliebtheit einer Rigi-Reise nicht nur als Naturerlebnis, son- dern auch als geselliges Ereignis. (Riek/Rickenbacher, S. 150-151) Keller hatte mit seiner pittoresken und handlichen Form des Panoramas Erfolg und begründete eine eigentliche «Schweizer Panoramistenschule».63 Die langen Panoramastreifen wurden meist zu hand- lichen Leporellos gefaltet in Schubern verkauft, so dass sie problemlos transportiert und von den Reisenden direkt vor Ort verwendet werden konnten. Kellers Rigi-Panorama war zudem dem Reise- führer Johann Gottfried Ebels ab der zweiten Auflage von 1804/1805 als Beilage angefügt. Dieser führte die Reisenden als erste systematische Reiseanleitung durch die Schweiz und gehörte anfangs des 19. Jahrhunderts zur touristischen Pflichtlektüre.64 Das Keller‘sche Panorama half den Reisenden, sich vor Ort zurecht zu finden, wie dies 1815 der Rigi-Besucher Eduard Johann Assmuth beschreibt: «Aus meinem Gasthof hatte ich das Kellersche Panorama der Rigi-Aussicht mit heraufgenommen und den Tag dazu verwendet, mich zu orientieren. Das gehört mit dazu. Man will doch wissen, in welchen Thälern die hohen Gipfel ihre Füsse haben.»65 Dem Panorama Kellers sollte eine eigentliche Bilderindustrie mit Ansichtskarten und Dioramen fol- gen, welche das Rigi-Erlebnis kopierten und in ganz Europa verbreiteten. Kleinmeister-Darstellungen von den wichtigsten Zentralschweizer Orten und Landschaften waren als handliche Souvenirbilder bereits seit dem späten 18. Jahrhundert als erschwingliche, druckgrafische Ansichten im Umlauf.

60 Bänziger 1978, 120. 61 Dirlinger 2000, 116. 62 Speich 1999, 85. 63 Cavelti Hammer 2001, 93-96. 64 Cavelti Hammer 2001, 104. 65 Hentschel 2011, 121. 19

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen riesige Ölbilder dazu, welche die Landschaft rund um den Vier- waldstättersee heroisierten und ihre Theatralik übersteigerten. Bekannt sind die Bilder des Genfer Malers Alexandre Calame oder des Engländers J.M.W. Turner, der den Vierwaldstättersee während vierzig Jahren mehrfach besuchte und dessen Bilder europaweite Verbreitung fanden.

Abb. 10: J.M.W. Turner: Der Urnersee von Brunnen aus gesehen war eines der vielen Werke Turners, die das idyllische Bild der Region Zentralschweiz europaweit verbreite- ten. (Piatti, S. 284)

Eine grosse Breitenwirkung hatten ab den 1820er-Jahren die Alpen-Dioramen, welche in den grossen Städten Europas in überdimensionalen Guckkästen die Bergidylle der Schweizer Alpen perfekt und für ein grosses Publikum in Szene setzten. Sie trugen massgeblich zum Erfolg der Schweiz als Reise- land bei. Die Dioramen schufen aber bei den Reisenden auch eine Erwartungshaltung, die von der Wirklichkeit meist nicht befriedigt werden konnte. Sie waren mit verantwortlich, weshalb sich in die Schweiz-Begeisterung mehr und mehr auch kritische Reaktionen mischten.66

Abb. 11: Rigi-Reisende geniessen die Aussicht vom Rigi-Känzeli über Berge und See und die mit dem Rigi-Erlebnis verbundene Geselligkeit. Ansichtskarte unbekannten Datums. (ZHBLu. RIa 4:2)

66 Flückiger-Seiler 2001, 21; Dirlinger 2000, 227. 20

Einen gewaltigen Multiplikatoreffekt hatten die Post- und Ansichtskarten, die sich ab den 1870er-Jahren grosser Beliebtheit erfreuten und in grossen Auflagen gedruckt und von den Gästen nach ganz Europa ver- schickt wurden. Allein für die Rigi entstanden bis 1930 rund 5‘000 verschiedene Ansichtskarten, wovon einige Auflagen von einer Million Exemplaren erreichten.67 Die Entdeckung der Schweizer Alpenwelt durch Litera- ten und Maler von europäischem Rang hatte für das Reiseland Schweiz somit einen ungeheuren Multiplika- toreffekt: Immer zahlreicher wurden die Reisenden, die in der Schweizer Bergwelt den bevorzugten Ort sahen, an dem ihre von romantischer Literatur und Malerei geprägten Vorstellungen zumindest für die Zeit ihres Aufenthalts in Erfüllung gingen.68

Abb. 12: Zeitschriften waren ebenfalls ein wichtiges Werbemit- tel: Die Reise zur Rigi auf der Titelseite der Leipziger Illustrierten vom 22. Mai 1852 mit dem neuen Hotel auf Rigi-Kulm im Hin- tergrund. (KBLU Rlb 2:1:8)

2.4. DIE RIGI ALS TRENDSETTERIN Nach dem Ende der napoleonischen Kriege 1815 entwickelte sich die Zentralschweiz rasch zu einem wichtigen Reiseziel der europäischen Elite. Die Eröffnung des ersten Berggasthauses auf Rigi-Kulm 1816 steht sinnbildlich für den Beginn einer neuen Ära des Reisens und der Gastfreundschaft in der Zentralschweiz. Ebenfalls 1816 öffnete mit dem «Goldenen Adler» in Küssnacht das erste Seehotel seine Tore.69 Der Bau des Gasthauses auf Rigi-Kulm 1816 wird von Flückiger-Seiler als die «Geburts- stunde der alpinen Hotellerie» bezeichnet. Seinem Vorbild folgend baute man im Berner Oberland Gasthäuser auf dem Faulhorn (1823), auf der Kleinen Scheidegg (1830er-Jahre) und auf dem Brienzer Rothorn (1840), gefolgt von den Unterkünften für die ersten Alpinisten im Wallis. Ein Ausflug auf die Rigi mit einer Bergübernachtung und dem Miterleben des Sonnenaufgangs, be- gleitet von Alphornklängen und mit Blick auf die idyllische Berg-und Seenlandschaft der Zentral- schweiz, war oft das erste Reiseziel der natur- und geschichtsbegeisterten Schweizreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts. Von hier aus konnten sie auf bequeme Weise und aus sicherer Distanz die schneebedeckten Hochalpen bewundern, denen noch immer eine unnahbare und gefährliche Aura anhaftete. Was die Reisenden auf der Rigi erlebten, trug viel zur Entstehung des touristischen Schweizbildes und zur Aussenwahrnehmung der Schweiz bei – der Sonnenaufgang auf der Rigi wurde als Naturereignis und als touristisches Urerlebnis zum Symbol der damaligen Schweiz.70

67 Cavelti Hammer 2001, 102. 68 Reichler 2005, 18; Humair 2011, 12ff. 69 Horat Heinz 2007, 285; Burri 2002, 33ff; Dubler 1987, 291, Huber 1986, 172-173. 70 Hermann 2002, 42; Horat Heinz 2007, 285. 21

Abb. 13 und 14: Sunrise and Sunset on the Rigi. Karikaturistische Zeichnungen von Sydney Hall 1871. (ZHBLu: Rlb 2:1:4) Die Rigi entwickelt sich in der Folge zu einer Schrittmacherin eines popularisierten und kommerziali- sierten Aussichtstourismus. Diese Entwicklung hatte ihr Carl Victor von Bonstetten bereits vor Eröff- nung des Gasthauses und vor dem grossen Gästeansturm prophezeit. Er schrieb 1803 an Friederike Brun: «Das Baden auf der Rigi wird Mode; man war da ausserordentlich munter und lustig; die Hirten hielten ihre Spiele auf dem Berge: ihr Wettlaufen bergauf, ihr Springen und Steinstoßen; man tanzt, man liest; man badet; man spaziert. Es ist da eine ordentliche Post eingerichtet und sie führen da oben ein Götterleben.» Man genoss also bereits in diesem frühen Stadium des Fremdenverkehrs nicht nur Natur, Unterhaltung und Wellness, sondern mit der «ordentlichen Post» auch das Vorhan- densein einer verlässlichen Infrastruktur. Johann Jakob Ebel doppelte in seinem Reiseführer zur Schweiz, der von tausenden von Reisenden gelesen wurde, kurz darauf nach: «Ich kenne keine Berg- gegend, wo man neben dem Zweck, in reiner Bergluft zu leben und Milchkuren zu machen, so genuss- voll mehrere Wochen zubringen könnte, als auf dem Rigi.»71 Die Rigi als Inbegriff des helvetischen Arkadiens!

71 Hentschel 2011, 120. 22

Abb. 15 (vorhergehende Seite): Rigi-Kulm mit Gasthaus und Aussichtsturm. Im Vordergrund Reisende auf Maultieren. In der Mitte eine Reisende auf Tragsessel. Undatierte Lithographie von R. Dickenmann. (ZHBLu: Rlb 2:1:5) Der zweitägige Rigi-Besuch gehörte im 19. Jahrhundert zum Kanon einer jeden Schweizer- respektive Europareise.72 Bis Mitte des 19. Jahrhunderts vergrösserte sich die Zahl der Rigi-Begeisterten sprung- haft. Waren es 1815 noch 300 Besucherinnen und Besucher pro Jahr gewesen, so pilgerten in den 1850er-Jahren jährlich bereits um die 40‘000 Menschen zum Gipfelerlebnis.73 Allein in den zehn Jah- ren nach Eröffnung des Gasthauses Rigi-Kulm verfünffachte sich die Zahl der Besucher.74 Die Zentral- schweizer antworteten auf diesen Ansturm mit einem zunächst noch etwas verhaltenen Ausbau der Gästeinfrastruktur. Den Anfang hatte allerdings ein Zürcher Komitee von Rigi-Freunden gemacht, das 1815/16 den Bau des ersten Berggasthauses auf Rigi-Kulm finanzierte. Um 1835 gab es auf der Rigi ungefähr 180 Hotelbetten, fast alle auf Schwyzer Boden.75 Erst danach zogen die Luzerner nach, wohl nicht zuletzt dank der neuen Dampfschiffe, die ab 1837 Weggis anliefen, und dank dem Ausbau des Weggiser Rigiweges (siehe Kap. Infrastruktur); beides waren wichtige Infrastrukturleistungen, welche den Zugang zur Rigi von Luzerner Seite her erleichterten. In Rigi-Kaltbad baute der Luzerner Amtsschreiber Joseph Segesser, seines Zeichens bereits Erbauer des Hotels Schweizerhof in Luzern, das erste moderne Rigi-Hotel auf Luzerner Boden. Der gewiefte Hotelier im Nebenamt hatte die Zei- chen der Zeit erkannt: es galt, die säkularisierte Wallfahrt des europäischen Bildungsbürgertums zur romantischen Naturidylle und zum Bergerlebnis zu nutzen.

Abb. 16: Die Rigi als Geschäft I: Verkaufsläden mit Souvenirs in Rigi-Kaltbad, wo gemäss dem Schild auch Brienzer Holz- schnitzereien verkauft werden. Im Hintergrund Salonwagen und Lokomotive der Rigi-Vitznau-Bahn. Foto: vermutlich Beeler, Brunnen, 1900-1910. (StALU: FDC 50/309) Der Trend zum Aussichtstourismus war wohl der wichtigste Grund, weshalb sich die Rigi zu einem absoluten Modeberg des 19. Jahrhunderts entwickelte. Mit modernsten Verkehrsmitteln bequem erreichbar, bot der Berg hoch über dem See einen ungefährlichen, aber spektakulären Blick auf die

72 Burri 2002, 42 und 66. 73 Escher 1851, 58ff; Schleifer-Stöckli 1998, 24. 74 Bänziger 1978, 57. 75 Kälin 2012, 63. 23

Hochalpen – oder wie es Peter von Matt formuliert: «Die Rigi war das Sofa, von dem aus man die gefährlichen Riesen betrachtete.»76 Doch auch die Gestalt der Rigi selber war ein Anziehungspunkt: trotz ihrer geringen Höhe von unter 2000 Metern vermittelte sie mit ihren steilen Hängen und dem abwechslungsreichen Aufstieg mit wechselnden Szenerien und Aussichtspunkten ein echtes Berg-Feeling. Der «Rigi-Berg», so schrieb Joseph Businger 1811, sei «gerade so, wie man sich alle Gebirge der Alpenwelt wünschen möchte.» Mit ihren sanften Hängen verkörperte sie im 18. und 19. Jahrhundert die Schönheit der Bergwelt, während der zerrissene und rauhe Pilatus für die Erhabenheit der Berge stand.77 Und nur wenige Jahre später konnte Joseph Businger vermelden: «Der Rigiberg ist heut zu Tage ein so allgemein eu- ropäischer Wallfahrtsort geworden, dass von den meisten die Schweiz besuchenden Fremden dessen Besteigung zum angelegensten Zielpunkt ihrer Wanderung und zum besonderen Gegenstand ihrer Huldigung gemacht wird.»78

Abb. 17: Die Rigi als Geschäft II: Verkaufsstände mit Souvenirs auf Rigi-Kulm. Foto J. Gaberell, ohne Datum. (StALU: FDC 50/6) Reiseberichte begeisterter Rigi-BesucherInnen trugen nebst der bereits erwähnten Bilderproduktion das ihre zum europaweiten Ruhm der Rigi bei – nicht nur als Aussichtsberg und Naturerlebnis, son- dern auch als angesagtes gesellschaftliches Ereignis. «... es war ein nie gesehener, nie wieder zu schauender Anblick», begeisterte sich Wolfgang von Goethe, der 1775 bei schlechtem Wetter zur Rigi aufgestiegen war nach dem Aufreissen der Nebelwolken über die Einzigartigkeit der Aussicht.79 Diese Einzigartigkeit betonte auch der englische Schriftsteller und Bergsteiger Albert Smith, der nach der Besteigung des Mont Blancs 1851 gesagt haben soll: «Als Panorama bietet die Sicht vom Rigi Kulm

76 Peter von Matt, Gesichter und Geschichten, in: Schläpfer 2011, 26. 77 Peter von Matt, in: Schläpfer 2011, 26; Bänziger 1978, 40ff. 78 Kälin 2012, 21. 79 Goethe, Dichtung und Wahrheit, Zürich o.J., 716, zitiert in: Bänziger 1978, 32. 24 mehr [als der Mont Blanc].»80 Gemäss Johann Joseph von Goerres faszinierte dabei auch der Blick über den Dunst des Mittellandes, der dem Berggänger ein Gefühl der Abgehobenheit und Entrückt- heit vermittelte: «Denn wie die Luft hier heiterer und klarer ist, weil wir über dem Bodensatze stehen, so sind die Alpenwasser klarer, reiner, durchsichtiger...*…+ Deswegen sind die zehn Seen, die ich hier von meinem Sitze erblicken kann, einer schöner und klarer als der andere.»81 Für Felix Mendelson-Bartholdy war die Rigi der Höhepunkt der Reise durch die Alpen: «Wenn man so aus den Bergen kommt, und dann nach dem Rigi sieht, das ist, als käme am Ende der Oper die Ouver- türe *…+; alle die Stellen, wo man so Himmlisches sah *…+ sieht man hier noch einmal neben einander liegen, und kann Abschied nehmen.»82 Europaweit entwickelte sich die Rigi im Laufe des 19. Jahrhun- derts wenn nicht gerade zum Mass aller Dinge, so doch zum Referenzwert für Höhenangaben. Berge, die neu ins Blickfeld der Reisenden gerieten, wurden wortwörtlich an der Rigi gemessen. Stellvertre- tend sei hier Victor Hugo mit den Worten zitiert: «Le Rigi a neuf fois la hauteur du clocher de Stras- bourg; le Mont Blanc n'a que trois fois la hauteur du Rigi.»83

Abb. 18: Die Rigi als Geschäft III: Vor- und Rückseite der Visitenkarte von Joseph Anton Dörig, Tuchfabrikant und Kunsthänd- ler aus Appenzell, der sein Geschäft jeweils von Juni bis Oktober nach Rigi-Kaltbad verlegte, wo er im Gebäude des Grandho- tels Kaltbad in den 1870er-Jahren einen Laden führte und seine Geschäftskontakte pflegte.( StALU: FDC 50/305) Bereits 1808 hatte der Rigi-Besucher Zacharias Werner den nicht zu unterschätzenden gesellschaftli- chen Aspekt ins Spiel gebracht: «Sonnenaufgang auf dem Rigikulm, nicht ganz klar, aber vergoldete Schneeberge und herrliche dampfende Nebel, Bekanntschaft mit dem Kronprinzen von Bayern.....»84 Sehen und Gesehen werden war damit bereits ebenso wichtig wie das Naturerlebnis an sich. Und bereits 1836 berichtete Heinrich Zschokke von einem wahren Unterhaltungszirkus auf der Rigi: «An schönen Tagen werden von Karavanen der Auf- und Niedersteigenden die Hauptwege des Berges belebt. Die sonst einsamen Alpen gleichen dann einem weiten Lustgarten in der Nähe irgend einer großen Hauptstadt. Dies bunte Getümmel, der hier entfaltete Luxus, das fröhliche Umhertreiben rei-

80 Bener/Schmid 1983, 55. 81 Goerres, Gesammelte Briefe, Bd. 1, München 1858, 192, zitiert in: Bänziger, 34. 82 Mendelsohn-Bartholdy, Reisebriefe aus den Jahren 1830-1832, Leipzig 1862, 259, zitiert in: Bänziger 1978, 36. 83 Hugo, En voyages. Alpes et Pyrénées, Paris o.J., 29, zitiert in: Bänziger 1978, 37. 84 Werner, Briefe, Bd. 2, München 1914, 148, zitiert in: Bänziger 1978, 33. 25 cher Familien der verschiedensten Nationen» habe einen Franzosen auf die Idee gebracht, in der Sommerzeit auf der Rigi ein Spielhaus zu eröffnen, wo um Geld gespielt werden kann. Diese Idee wurde jedoch laut Zschokke von der Schwyzer Regierung abgelehnt, weil man dies als eine «Entwei- hung des Heiligthums» ansah.85 Als erste Reaktion auf die steigende Nachfrage ersetzte man 1847 auf Rigi-Kulm das kleine Gasthaus durch einen Steinbau mit Platz für 130 Personen. In Rigi-Kaltbad und Rigi-Klösterli wurden die Gast- häuser, die bisher einem eher bescheidenen Bäder- und Wallfahrtstourismus gedient hatten, sukzes- sive zu grossen Hotelbetrieben mit städtischem Standard und einem kurtouristischen Angebot für Molken-, Heilwasser- und Luftkuren ausgebaut.86 Spätestens jetzt institutionalisierten die Gasthäuser das Erlebnis des Sonnenaufgangs und der Aussicht, indem sie es in ihr Angebot integrierten. Man baute überdachte Aussichtstürme und verpasste dem Sonnenaufgangerlebnis eine streng ritualisier- te Form. Dies rief – zusammen mit den immer grösser werdenden Besuchermassen – erste Kritiker auf den Plan wie ein Mark Twain, der die durchfrorenen, den Aufgang der Sonne erwartenden Rigi- Reisenden als «einer der traurigsten Anblicke, die mir je unter die Augen gekommen ist» beschrieb.87

Abb. 19: Das Grandhotel Schreiber auf Rigi-Kulm. Hotel, Aussichts- und Zufahrtswege und die Bahnstation bilden ein touristi- sches Ensemble. Man beachte die Szenerie im Vordergrund: Trotz der schnellen Bahn gibt es immer immer noch Reisende, die sich mit Saumtieren zur Rigi tragen lassen. Zeichnung mit unbekanntem Datum und Autor. (StALU: FDC 50/341.1) Wie sehr die Rigi die Reisepläne der Alpenbegeisterten prägte, zeigte sich spätestens mit den Pau- schalreisen von Thomas Cook. Als der englische Reisepionier 1863 seine erste pauschale Gruppenrei- se plante, gehörten einzig der Besuch der Rigi und des Mont-Blanc-Massivs zu den bereits fix gesetz- ten Reisezielen, um die er die ganze weitere Reise gruppiert.88 Nicht zuletzt dank der rasch steigen- den Beliebtheit der Cook’schen Pauschalreisen, die immer mehr Reisende in Gruppen in die Schweiz führten, nahm auch der Besucherstrom zur Rigi stetig zu. Diesen Umstand versuchte die Hotelfamilie

85 Zschokke, Heinrich, Die klassischen Stellen der Schweiz, Ausgabe 1978, 83, zitiert in: Seger 2005, 18. 86 Burri 2002, 35-36. 87 Kälin 2012, 60. 88 Froelicher 2004, 8-16; Tissot 2000, 158. 26

Schreiber, welche ab 1878 auf Rigi-Kulm sämtliche Hotels und damit das Monopol besass, zu nutzen. Sie erhöhte die Übernachtungstarife um 20 Prozent, was sich als Fehler erweisen sollte: Cook rea- gierte umgehend und nahm die Übernachtung auf der Rigi aus seinem Reiseprogramm. Weil ein Be- such der Rigi aber immer noch zum Kanon einer Schweizerreise gehörte und von den Reisenden er- wartet wurde, ersetzte er die Übernachtung kurzerhand mit einem Tagesausflug, der dank der Zahn- radbahn seit einigen Jahren problemlos zu bewältigen war.89 Die Eröffnung der Vitznau-Rigi-Zahnradbahn 1871/73 brachte der Rigi nochmals einen gewaltigen Besucheransturm. Obwohl man laufend am Ausbau der Gästeinfrastruktur gearbeitet hatte, waren nur zwei Hotelbetriebe auf der Rigi, die Kurhäuser in Kaltbad und auf der Scheidegg, auf diese Ent- wicklung vorbereitet. Diese beiden Häuser jedoch boten ihren Gästen den modernsten Standard städtischer Hotels mit Gesellschaftsräumen, Musikzimmer, Billardsaal, Kurarzt, Gasbeleuchtung, aus- ländischen Zeitungen, Telegrafiebüros und eigenen Postverbindungen ins Tal. Insbesondere Rigi- Kaltbad entwickelte sich jetzt zu einem geschäftigen, ruhelosen Ort mit internationalem Flair.90

Abb. 20: Rigi-Kaltbad kurz nach seinem Ausbau anfangs der 1870er-Jahre. (ZHBLu: Rla 3:1) Gemäss Marie-Louise Ritz, Ehefrau von César Ritz, der seine Sporen im Hotelgewerbe auf Rigi-Kulm abverdiente, stapelten sich jeweils nach Ankunft des letzten Zuges aus Vitznau in den Korridoren des Hotels Rigi Kulm «fast bis zur Decke unzählige Gepäckstücke», vorab von englischen und deutschen Touristen. Um sieben Uhr morgens begann sich das Hotel, das am Abend und in der Nacht zum Bers- ten voll gewesen war, bereits wieder zu entvölkern, «denn die Touristen hatten ihr Ziel bereits hinter sich: den Sonnenaufgang.»91 Trotz allem kamen die Touristen also immer noch primär wegen der Aussicht und wegen des Sonnenaufgangs. Und dies in ungebremst grosser Zahl: Der Boom war derart immens, dass die Rigi Ende des 19. Jahrhunderts die höchste Beherbergungsdichte im gesamten Al- penraum aufwies.92

89 Tissot 2000, 180. 90 Kälin 2012, 152. 91 Ott 1990, 38-39. 92 Dal Negro 2007, 40. 27

3. DAS 19. JAHRHUNDERT: PIONIERZEIT IN HOTELLERIE UND TRANSPORT

Von den Gemeinden, Organisationen und Privatpersonen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts rund um den Vierwaldstättersee verschiedenartigste Infrastrukturleistungen erbracht, um den Reisenden die Anreise und den Aufenthalt möglichst bequem und attraktiv zu gestalten. Dazu gehörten nebst der eigentlichen Transportinfrastrukturen wie Fahrstrassen für Kutschenbetrieb das Dampfschiff, die Eisenbahn und Bergbahnen, aber auch die Anlage von See- und Aussichtspromenaden, die Elektrifi- zierung der öffentlichen Strassen und Räume, die Eröffnung von Kulturhäusern, Casinos, Sportanla- gen, Golfplätzen und Strandbädern.

Abb. 21: Wegrast in einer Gaststätte bei der Heiligkreuz-Kappelle auf dem Weg zur Rigi. Das Bild von J. Jacottet um 1830 vereint auf einen Blick das damalige Infrastrukturangebot für Rigi-Reisende: Gastwirtschaften, breite Bergwege, Saum- und Reittiere und (ganz links) das Dampfschiff als Zubringer über den See. (StALU)

3.1. TRANSPORTINFRASTRUKTUREN UND VERKEHRSENTWICKLUNG

3.1.1 AUSBAU VON FAHRSTRASSEN UND FUSSWEGEN Gute Transportinfrastrukturen sind eine zentrale, aber nicht die einzige Bedingung für die touristi- sche Entwicklung einer Region. Ebenfalls wichtig und notwendig ist eine gute Koordination zwischen den Empfangsstrukturen (Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung der Gäste) und den Transport- infrastrukturen. Diese müssen sowohl die langen Distanzen wie die lokale Feinverteilung abdecken.93 Fahrstrassenbau und Fremdenverkehrsentwicklung standen in einer engen Wechselwirkung. Der ab den 1820er-Jahren in verschiedenen Regionen der Schweiz erfolgende Ausbau von holprigen, maxi- mal mit Karren passierbaren Zufahrtswegen zu breiten, für Kutschen bequem befahrbaren Fahrstras- sen war eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau des Postkutschenangebots und damit für die Entwicklung eines breiten Fremdenverkehrs.94 Viele Neubauten und Strassenverbesserungen dieser

93 Bonnaud 2003, 43. 94 Flückiger-Seiler 2001, 22. 28

Zeit erfolgten oft aufgrund der neuen Bedürfnisse des Fremdenverkehrs. Der Ansturm auf die Aus- sichtsberge war wiederum verantwortlich für den Ausbau des alpinen Wegnetzes.95 In der Zentralschweiz erfolgte an verschiedenen touristischen Brennpunkten ab dem frühen 19. Jahr- hundert eine Anpassung der Weganlagen an die Bedürfnisse des Fremdenverkehrs. Obwohl man bereits mit dem Aufschwung des Wallfahrtsverkehrs nach Rigi-Klösterli und Rigi-Kaltbad mehr Sorg- falt auf die Instandstellung der Fusswege gelegt hatte, waren die Wege zur Rigi anstrengend und auch gefährlich geblieben. Besonders anspruchsvoll waren die Wegverhältnisse auf der steilen Weg- giser Seite, so dass die hiesigen Bauern ihre Alpen auf Rigi-Kaltbad nur über Vitznau bestossen konn- ten, wohin sie ihr Vieh mit Nauen verschifften.96 Angesichts des zunehmenden Reiseverkehrs baute man in Weggis zwischen 1818 und 1820 den Weg zur Rigi zu einem angenehmen, mit Saumtieren begehbaren Strässchen aus, um damit noch mehr Reisende anzuziehen und so den einheimischen Schiffern, Trägern und Führern zusätzlichen Ver- dienst zu verschaffen.97 Kurz danach zog Vitznau nach und beantragte bei der Luzerner Regierung finanzielle Unterstützung für den Ausbau seines Rigiwegs und begründete sein Gesuch damit, dass ein solcher Weg nicht nur den Älplern diene, sondern auch eine «...Verdienstquelle für die dürftigen Bewohner des Dorfes Vitznau hinsichtlich der Bedienung fremder Reisender...» bringe.98 Bis 1840 waren die meisten der acht bis neun Wege, die von Arth, Goldau, Lauerz, Gersau, Vitznau, Weggis, Greppen und Küssnacht zur Rigi führten, zu für den Fremdenverkehr begehbaren Wegen ausge- baut.99

Abb. 23: Vor dem Ausbau des Weggiser Rigiwegs führte die Reise nach Abb. 22: Der Weggiser Rigiweg nach seinem Ausbau Rigi-Kaltbad über Leitern. Skizze aus Fuessli/Keller, Der Rigiberg, 1807. in den 1820er-Jahren. Aus: Raoul-Rochette Paul: (ZHBLu: Rlb 1:2:12) Lettres sur la Suisse, 3e partie: Lac des 4 cantons. Paris 1826. (ZHBLu Rlb 1:2:17)

95 Flückiger-Seiler 1996, 40-41. 96 Bänziger 1978, 73-75 97 Froelicher 1999, 33; Horat Heinz 2007, 286 98 Weber 1991, 24. 99 Burri 2002, 73. 29

Wie das Beispiel der Wege zur Rigi anschaulich zeigt, war es aber mit einer einmaligen Investition in den Ausbau oder Neubau eines Zufahrtsweges nicht gemacht. Der zunehmende Verkehr auf den neuen Wegen und nicht zuletzt der vermehrte Einsatz von Saumpferden und Maultieren für den Transport der fremden Gäste brachte zusätzliche Unterhaltsarbeiten mit sich. Diese Entwicklung führte zu Streitereien zwischen den Transporteuren, die vom Zustrom der Touristen profitierten, und den Landeigentümern mit Weganstoss, die traditionellerweise für den Wegunterhalt zuständig wa- ren. Sie sahen sich mit zusätzlichem Aufwand konfrontiert, ohne vom Fremdenverkehr direkten Nut- zen zu haben. Auf der Rigi löste man den Konflikt mit der Erhebung von Weggeldern bei den Trans- porteuren, um damit die gestiegenen Unterhaltskosten zu finanzieren.100 Am Pilatus baute der Nidwaldner Hotelier Kaspar Blättler 1856-59 einen Touristenweg von Hergiswil zum Klimsen, wo er 1860 das Gasthaus Klimsenhorn eröffnete, und von dort zum Pilatus Kulm. 1861 zogen die Obwaldner mit der Eröffnung eines Gasthauses auf Pilatus-Kulm und eines durchgehenden Wegs von Alpnachstad zum Pilatus nach, worauf sich auch am Pilatus ein reger Fremdenverkehr ent- spann.101 Teile dieser Weganlagen entwickelten sich in der Folge selbst zu einer Sehenswürdigkeit wie zum Beispiel das Felsentor am Weggiser Rigiweg oder der Durchstieg durch das Chriesiloch zwi- schen Klimsen und Pilatus Kulm.

Abb. 24: Abenteuerlicher Aufstieg von Touristen in eleganter, aber kaum zweckmässiger Kleidung durch das Chriesiloch. Darstellung von P. Bauer von 1860. (ZHBLu: PLb 3:14:5)

Weit bekannter noch als der Pilatusweg ist die Publikumswirkung des Felsenwegs auf dem Bürgen- stock, den der Hotelier Franz Josef Bucher 1905 als schwindelerregende Promenade hoch über dem Vierwaldstättersee als Verbindung zwischen seinen Hotels und dem gleichzeitig eröffneten Hamm- etschwandlift anlegte.

100 Weber 1991, 24-25. 101 Schleifer-Stöckli 1998, 79; Kulturwege Schweiz 2009, 91; IVS-Kantonsheft Nidwalden 2007, 13-14. 30

Abb. 25: Josef Bucher-Durrer auf einem für die fremden Gäste angelegten Promaden- weg durch den Wald. (STANW: Fotoalbum Bucher-Durrer; OD 3-5/5)

Felsenweg und Lift entwickelte sich rasch zu einer Attraktion, welche den Zulauf der Gäste zum Hotel förderte. Die Idee Buchers, mit spektakulären Aussichtswegen Gäste zu gewinnen, stiess rasch auf Nachahmer. Bereits im Eröffnungsjahr des Bürgenstock-Felsenwegs begann auf Rigi-First der Hotelier Anton Bon mit der Anlage eines Felsenwegs rund um den sogenannten «Schild». Auch dieser Weg, den man 1911 fertig stellte, wurde wegen seiner Aussicht auf den Vierwaldstättersee weit herum bekannt.102 Die beiden Felsenwege sind letztlich auch spektakulärste Beispiele für die Spazierwege und Parkanlagen, die im Laufe der Belle Epoque zum Standardangebot der Hotels der oberen Preis- klasse gehörten.

Abb. 26: Der Felsenweg bei Rigi-First. Foto: J. Gaberell, ohne Datum. (StALU FDC 50/6)

102 Bänziger 1978, 178. 31

Die Rolle der Hoteliers als treibende Kraft hinter diversen Strassenausbauten ist nicht zu unterschät- zen. So hielt beispielsweise Franz Josef Bucher den Bau einer Fahrstrasse zum geplanten Hotel Bür- genstock, das er 1873 eröffnen sollte, für ein absolutes Muss. Wohl zu Recht, denn für die luxusver- wöhnten Reisenden aus der europäischen Oberschicht der Belle Epoque musste auch die Anreise zum Hotel möglichst annehmlich und bequem erfolgen. Von der Dringlichkeit einer bequemen Fahr- strasse im Interesse des Hotelbetriebs überzeugt, verfolgte Bucher den Ausbau auch gegen den Wi- derstand der einheimischen Bauern, die laut Buchers Sohn gar «mit Sense und Sichel, mit Rechen und Hacken auf den Strassenbauer [ also Bucher ] losgingen».103 Die Strasse gelangte jedoch rasch an ihre Belastungsgrenze. Sie war den vielen Pferdefuhrwerken, welche Hotelgäste und Tagesausflügler zum Bürgenstock brachten, nicht mehr gewachsen, so dass Bucher 1888 die Transportinfrastruktur zu seinem Hotel mit einer Drahtseilbahn ab Kehrsiten, ergänzte, welche die Gäste, die mit dem Dampf- schiff von Luzern her eintrafen, bequem und schnell zum Hotel führte. Bucher baute auch sie – ähn- lich wie vorher die Fahrstrasse zum Bürgenstock – gegen den Widerstand der Einheimischen und auch gegen die Einwände von Gästen, die eine Verschandelung der Aussicht befürchteten.104 Und wieder behielt Bucher recht, denn schon bald nach ihrer Eröffnung priesen Reiseführer die Bahn: Sie bringe den Besucher in nur 15 Minuten von der Dampfschiffstation in Kehrsiten zum Bürgenstock, biete eine herrliche Aussicht auf die Berge und eine bequeme und sichere Anreise.105

Abb. 27: Kutschen waren bis zum Aufkommen des Automobils die zentralen Verkehrsmittel für den Anschluss vieler Frem- denverkehrsorte an die Eisenbahn und zur Erschliessung der Bergtäler für den Fremdenverkehr. Die Fotografie zeigt Hotel- Omnibusse nach Andermatt, die am Bahnhof Göschenen auf Reisende warten. (ViaStoria/Elsasser 2007, S. 15) Auch im noblen Kurhotel Schöneck fuhren die Gäste mit Kutschen auf einer Zufahrtsstrasse vor, die auf Betreiben des Hoteliers Michael Truttmann 1880 auf 14 Fuss ausgebaut worden war, weil sie wegen ihrer Steilheit und geringen Breite von nur 8 Fuss [ = 2.4m ] als gefährlich galt.106 Auch der Erbauer und Besitzer des Hotels Nünalphorn in Flüeli-Ranft, Franz Hess, war sich der Bedeutung einer Zufahrtsstrasse für Kutschen zu seinem Betrieb bewusst. 1893 investierte er private Mittel in den Bau einer Holzbrücke über die Melchaa in Sachseln-Kerns, um damit eine durchgehende Fahrstrasse zwi-

103 Cuonz/Hirtler 1998, 68. 104 Cuonz/Hirtler 1998, 69. 105 Der Kurort Bürgenstock. In: Europäische Wanderbilder 1901, 8. 106 Zimmermann 1999, 25. 32 schen Sachseln und Flüeli als Grundlage für einen regelmässigen Postkutschenbetrieb zu gewährleis- ten. Ähnlich wie Bucher versuchte auch Hess aus dieser Investition den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen: In seinem Hotelprospekt pries er die Holzbrücke, welche sich in 97 Metern Höhe über die Melchaa spannte, als höchste Brücke Europas und damit als Sehenswürdigkeit für potentielle Hotel- gäste.107 Im Laufe des 19. Jahrhunderts gerieten selbst Strassen, deren Bau nicht aus touristischen Motiven erfolgt war, in den Focus eines technik- und fortschrittsbegeisterten Publikums und entwickelten sich zu einer vielbesuchten Sehenswürdigkeit. Beispielhaft zeigt sich dies an der Axenstrasse, die 1865 primär aus handelspolitischen Motiven eröffnet wurde, um die Gotthardroute durchwegs befahrbar zu machen, und die bis zur Jahrhundertwende nicht zuletzt wegen ihrer technischen Kühnheit und den attraktiven Felsengalerien zu einer der beliebtesten Promenaden im Alpenraum und damit einer wichtigen Sehenswürdigkeit am Vierwaldstättersee wurde.108

Abb. 28 (links): Die Axenstrasse als Postkartensujet…. . Ausschnitt aus einer Ansichts- karte von Brunnen. Datum unbekannt (KBLU: SZa 4:12:1) Abb. 29 (oben): ….und als Vorbild wie hier für die «Kleine Axenstrasse» zwischen Stansstad und Kehrsiten. Ansichtskarte aus den 1940er-Jahren. (STANW: OD 1-10/7-9)

3.1.2 DAMPFSCHIFF UND EISENBAHN ALS WICHTIGE ZUBRINGER DER FREMDENINDUSTRIE Ein wichtiger Schritt zur Förderung des Fremdenverkehrs waren die Dampfschiffe, die ab 1837 die Reisenden von Luzern zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten rund um den See transportierten.109 Im Vergleich zu anderen Schweizer Seen wurde die Dampfschifffahrt in der Zentralschweiz eher spät eingeführt und hatte anfangs mit dem Widerstand der Schiffer zu kämpfen, die um ihre Einkünfte fürchteten. Anders als beispielsweise im Berner Oberland, wo auf dem Thunersee mit Johann Jakob Knechtenhofer, dem Besitzer des Hotels Bellevue in Thun und auf dem Brienzersee mit Gabriel Matti, einem Hotelier aus Brienz, zwei Hoteliers die ersten Dampfschiffe in Betrieb nahmen,110 waren es auf dem Vierwaldstättersee zwei Unternehmer, welche mit dem Dampfschiff den Warenhandel und den Postbetrieb über die Gotthardstrecke beschleunigen und optimieren wollten.

107 Von Flüe 1996, 10. 108 Imboden 2003, 123. 109 Dubler 1987, 287; Huber 1986, 47-51. 110 Reichen 2011, 404. 33

Abb. 30: Die verschiedenen Verwendungszwecke der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee auf einen Blick: Dampfschiffe und Vergnügungsboote für den Fremdenverkehr und schwer beladene Nauen für den traditionellen Warentransport. Abbil- dung um 1860. (ZHBLu: LSc 4:1:7) Der Initiant des ersten Dampfschiffs auf dem Vierwaldstättersee, Casimir Friedrich Knörr, begann sich bereits 1832 konkret mit der Idee zu befassen, brauchte aber für die Umsetzung seiner Pläne deutlich länger als die Dampfschiff-Promotoren anderer Schweizer Seen wie Knechtenhofer auf dem Thuner- see oder Suchard in Neuchâtel, weil er lange nach Kapital suchen musste und mit Escher-Wyss eine Schweizer Firma mit dem Bau beauftragte, die eben erst im Schiffbau Fuss gefasst hatte. Allerdings war das erste Schiff auf dem Vierwaldstättersee, die Stadt Luzern, dann auch deutlich grösser als seine Vorgänger auf dem Neuenburger- und Thunersee und transportierte bereits in den ersten zwei Betriebsjahren 1837/38 rund ein Viertel mehr Passagiere als das Dampfschiff Knechtenhofers auf dem Thunersee.111

Abb. 31: Dampfschiff und Postkutsche vor dem Hotel Schweizerhof in Luzern – die beiden wichtigsten Transportmittel des frühen Fremdenverkehrs in der Zentralschweiz. Abbildung von 1852 (ZHBLu: LSa 8:2:3) 1847 erhielt Knörr Konkurrenz durch Carl Emanuel Müller, Urner Ingenieur und Strassenbauunter- nehmer, der die Fahrstrasse durch die Schöllenen gebaut hatte und in den 1860er-Jahren den Bau

111 Meister 2009, 53-56. 34 der Axenstrasse als Urner Regierungsrat entscheidend vorantrieb. Müller hatte ein Jahr zuvor vom Kanton Uri eine Konzession für den Betrieb eines Postschiffs erworben und nahm nun mit der «Wald- stätten», die er in England beschafft hatte, das schnellste Schiff auf dem Vierwaldstättersee in Be- trieb. Wiederum ein Jahr später baute er seinen Postschiffbetrieb mit dem Dampfschiff Rigi aus, das von 1848 bis 1952 auf dem Vierwaldstättersee verkehrte und heute im Verkehrshaus Luzern zu be- wundern ist. 1849 ging Knörr eine Betriebsgemeinschaft mit seinem Konkurrenten Carl Emanuel Mül- ler ein.112 Spätestens mit dem Zusammenschluss der diversen Kleingesellschaften zur Dampfschiffge- sellschaft Vierwaldstättersee 1870 wurde der Tourismus zur wichtigsten Grundlage der dortigen Schifffahrt.113 Eine dieser Kleingesellschaften war diejenige von Kaspar Blättler, dem erfolgreichen Hotelpionier vom Rotzloch. Von Beginn weg hatte Blättler 1862 den ersten Schraubendampfer auf dem Alpnachersee ausschliesslich aus touristischen Motiven in Betrieb genommen. Er sollte ihm eine optimale Anbindung seines florierenden Kurhauses im Rotzloch nach Alpnach und damit an die Ver- kehrsverbindungen des Vierwaldstättersees garantieren.114 Die Vierwaldstättersee-Region gehörte zwar nicht zu den Pionieren der Schweizer Dampfschiffahrt, was die Inbetriebnahme der ersten Dampfschiffe anbelangt. Der rasche Ausbau der Flotte und die frühe Ausrichtung auf den Komfort der Vergnügungsreisenden machte die Dampfschifffahrt des Vierwaldstättersees aber europaweit zu einem Vorbild.115 Um 1850 zirkulierten bereits vier Dampf- schiffe auf dem See,116 die Luzern zweimal täglich in einer dreistündigen Fahrt mit Flüelen verbanden und unterwegs in Weggis, Beckenried, Gersau und Brunnen Station machten. Pionierhaft war insbe- sondere die Inbetriebnahme von neuen, luxuriösen Salonschiffen wie der «Germania» oder der «Ita- lia», die 1872 ausschliesslich im Interesse des Fremdenverkehrs erfolgte.117 Dass der Tourismus zur primären Grundlage der Dampfschiffahrt geworden war, zeigt sich nicht nur an ihren geräumigen, lichtdurchfluteten und luxuriös eingerichteten Salons und an der Erhöhung der maximal möglichen Passagierzahl von bisher 200 (Dampfschiff Rigi) bis 400 (Dampfschiff Winkelried) auf 750 Passagiere, sondern auch an der Tatsache, dass die Restaurationsbetrieb an namhafte Hoteliers verpachtet und der Versorgung der Fahrgäste unterwegs damit ein hoher Stellenwert zugewiesen wurde.118 Der Er- folg gab dieser Strategie recht: die Dampfschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee erlebte zwischen 1869 und 1881, also innerhalb von nur zwölf Jahren, fast eine Verdoppelung der Passagierzahlen von 430‘000 auf 832‘000 Personen.119 Die Dampfschifffahrt rückte neue Reiseziele rund um den Vierwaldstättersee in den Fokus der Rei- senden, die sich bisher hauptsächlich auf den Besuch der Rigi und Luzerns beschränkt hatten. Sie erlaubte es, auf bequeme Art den landschaftlichen Reiz des Sees zu geniessen und rasch in die Nähe historischer Stätten wie dem Rütli oder der Tellskapelle zu kommen.120 Die Dampfschifffahrtsgesell- schaft förderte diesen Trend zur Entdeckung der Erlebnislandschaft Vierwaldstättersee nach Kräften, indem sie zum Beispiel mit dem Stapellauf der Dampfschiffe «Schiller» und «Wilhelm Tell» 1906 das Tell-Fieber auf den Höhepunkt trieb und die Theaterlandschaft Vierwaldstättersee komplettierte.121 Die touristische Ausrichtung der Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee ist bis heute von zentraler Bedeutung für die Tourismusregion Zentralschweiz geblieben. Der Vierwaldstättersee besitzt heute

112 Meister 2009, 60-62. 113 150 Jahre Dampfschifffahrt, 15. 114 Gaulis et al. 1976, 54; 150 Jahre Dampfschifffahrt, 13. 115 Flückiger-Seiler 1996, 41. 116 Dubler 1987, 272. 117 Meister 2009, 58. 118 150 Jahre Dampfschifffahrt, 33. 119 Meyer 1984, 38. 120 Escher 1851, 79-87. 121 Piatti 2004, 177. 35 die grösste Raddampferflotte auf einem europäischen Binnensee. Die fünf seit den 1970er-Jahren restaurierten Dampfschiffe sind selber zu einem touristischen Anziehungspunkt geworden, wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil sie als schwimmenden Zeugen der Belle Epoque vom damaligen Tou- rismusboom in der Schweiz und vom Fortschrittsglauben dieser Epoche erzählen. 122

Abb. 32: Anlegeplatz der ersten Dampfschiffe in Luzern um 1865 beim heutigen Schwanenplatz. Von hier aus traten viele Reisende ihren Ausflug zur Rigi oder zu den historischen Stätten im Süden des Sees an, die mit dem Dampfschiff ab 1837 bequem und schnell zu erreichen waren. (Zentralbibliothek Luzern, abgedruckt in: Bühlmann/Schnieper 1980)

Förderlich für die positive Entwicklung der Dampfschifffahrt hatte sich auch der Anschluss Luzerns an das Schweizerische Eisenbahnnetz 1859 erwiesen, der den Raddampfern neue zusätzliche Passagiere zuführte. Das Reisen wurde dank der Eisenbahn billiger als noch zur Zeit der Postkutschen, und es setzte eine «Demokratisierung des Reisens» ein.123 Trotzdem blieb das Reisen zum Vergnügen ein Privileg der begüterten Schichten; der eigentliche Massentourismus setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein.124 Die Eisenbahn steht jedoch sinnbildlich für den Beginn des modernen Tourismus, war sie doch der erste Schritt zu einer Globalisierung des Reisens, die bis heute fortschreitet. Die Schweiz genoss unter Bahnreisenden einen guten Ruf. Davon zeugt eine Bemerkung von Jemima Morell, die 1863 als Mitglied der ersten von Thomas Cook organsierten Pauschalreise durch die Schweiz in Luzern den Zug Richtung Olten bestieg: «The Swiss undoubtedly understand and believe in comfortable railway travelling. The carriages on the broad gauge are no cut into compartments, but are large cushioned saloons with an aisle down the center. Neither are the railway managers niggard- ly in space, nor bent on conveying strangers too swiftly trough their lovely country, but transmit them from station to station with a measured dignity, at two-thirds of which we alighted to changes car- riages, but no bustle, fuss nor even steam, for the engines burn coal.» [Zu Deutsch: Ohne Zweifel ver-

122 Waldis 2001, 46; 150 Jahre Dampfschifffahrt, 49. 123 Urry 2011, 31; Humair 2011, 17-18. 124 Frey 2005, 157; Flückiger-Seiler 1997, 106; Hachtmann 2007, 9 und 75. 36 stehen sich die Schweizer auf bequeme Zugreisen. Die Wagen sind nicht in Abteile unterteilt, sie sind gepolsterte Salons mit einem Durchgang in der Mitte. Die Bahnverantwortlichen legen es nicht dar- auf an, die Fremden möglichst rasch durch ihr schönes Land zu schleusen. Im Gegenteil. Sie führen sie mit Begeisterung von Station zu Station, wo meistens noch ohne hektisches Treiben und Getue einige Wagen an- und abgehängt werden.] In der Zentralschweiz brachte man wie anderswo in der Schweiz touristische Argumente ein, um den Bau von Eisenbahnlinien voranzutreiben. Nebst den Linien Basel-Luzern (1859) und Zürich-Luzern (1864) entstand so 1888 auch die Brünigbahn, die ab 1888 eine Verbindung der Zentralschweiz mit den Tourismuszentren des Berner Oberlands und damit eine Steigerung des Fremdenverkehrs garan- tieren sollte.125 Der Anschluss an das internationale Bahnnetz verschaffte dem Schweizer Fremdenverkehr im Allge- meinen und den Zentralschweizer Kurorten im Speziellen einen spürbaren Aufschwung. Allein in Lu- zern wurden zur Zeit des Eisenbahnanschlusses vier neue Hotels am See eröffnet.126 Auch in Engel- berg entstanden die meisten Hotels erst nach der Eröffnung der Stansstad-Engelberg-Bahn 1898.127

Abb. 33: Passagiere verlassen das Dampfschiff «Helvetia» in Alpnachstad 1888, das damals noch Endstation der Brünigbahn war, bis am 1. Juni 1889 die Teilstrecke Alpnachstad-Luzern eröffnet wurde. (aus: Hirtler et al. 1999, S. 302)

125 Garovi 2000, 190; Huber 1986, 177. 126 Flückiger-Seiler 1998, 27; Furrer 2010, 44. 127 Eckert 1932, 58; Zimmermann 1999, 16; Waldis 2001, 150. 37

3.1.3 BERG- UND HOTELBAHNEN ALS NEUE TOURISTISCHE ATTRAKTIONEN Die enge Wechselbeziehung zwischen Tourismus und Transport wird mit dem Bau der ersten Berg- bahnen offensichtlich. So wurde beispielsweise das Rigi-Panorama mit dem Bau der Zahnradbahnen Vitznau-Rigi 1871 und Arth-Rigi 1875 zum bequem erfahrbaren Konsumgut. Bahn- und Naturerlebnis verschmolzen hier zu einem technisch-kulturellen Ensemble, das die Besucherzahlen weiter anstei- gen liess und in der ganzen Welt bis 1914 vielfach kopiert wurde.

Abb. 34: Die Ansicht von Rigi-Kaltbad von R. Dikenmann um 1875 rückt den grosszügigen Hotelkomplex und die neu eröffne- te Zahnradbahn allein schon durch die detailreiche Darstellung der technischen und architektonischen Besonderheiten in den Mittelpunkt der Betrachtung, während die eher sinnbildlich dargestellte Bergwelt nicht nur zeichentechnisch in den Hinter- grund verdrängt wird. (Riek/Rickenbacher 1998, S. 167)

Dank der Bahn rückte die Rigi näher an die städtischen Zentren Luzern und Zürich und war neu auch mit Tagesausflügen erreichbar. Dies führte zu neuen touristischen Nutzungsformen und trug letztlich auch zur Etablierung und Professionalisierung des internationalen Gruppen- und Rundreisesystems bei, wie es von Thomas Cook 1863 erstmals für die Rigi praktiziert worden war.128 Die Bergbahnen steigerten die Frequenzen zusätzlich mit Spezialangeboten zu ermässigten Preisen wie Sonntags-, Arbeiter-, Hotel- oder Pilgerbilletten.129 Die Rigi-Bahn ging mit ihrer Kundenfreundlichkeit gar soweit, dass sie die Abfahrtszeiten nach dem Sonnenaufgang ausrichtete und entsprechende Fahrpläne pub- lizierte.

128 Burri 2002, 2, 79. 129 Eckert 1932, 107. 38

Abb. 36: Sonnenaufgangsfahrplan der Rigi-Bahn. Abb. 35: Die Attraktionen der Rigi-Bahn auf einen Blick, (Weber 1991, S. 131) inklusive ‚product placement‘ der Firma Chocolat Suchard. (KBLU: Rlb 2:4:2)

Der Bau der Rigi-Bahn in den 1870er-Jahren markierte den Anfang der bahntechnischen Eroberung der Alpengipfel in der ganzen Schweiz. Diese Entwicklung entsprach nicht nur einem Bedürfnis der Fremdenverkehrsindustrie, sondern wurde durch die Politik gezielt gefördert. 1859 hatte der Bun- desrat eine Ideenkonkurrenz für den Bau von Bergbahnen ausgeschrieben. Unter den 20 eingereich- ten Projekten, von denen schliesslich keines realisiert wurde, befand sich auch das spektakuläre Pro- jekt des Winterthurer Architekten und Tüftlers Friedrich Albrecht für eine Luft- oder Ballonbahn zur Rigi.130 Seine Idee stiess nur auf wenig Begeisterung, war aber doch der Startschuss für die Entwick- lung weiterer Bahnprojekte, die schliesslich im Bau der Zahnradbahn Vitznau-Rigi durch Niklaus Rig- genbach gipfelte. Nochmals gesteigert wurde der Bergbahnboom mit der Eröffnung der Pilatusbahn 1889, die den Titel der steilsten Bergbahn der Welt für sich beanspruchen konnte und zu einem Vorbild für weitere Bahnprojekte wurde, die sich an technischer Kühnheit überbieten wollten. Die Bergbahnen erfreuten sich bei den Feriengästen äusserster Beliebtheit. Mit dem Bau von fast 20 Zahnradbahnen zwischen 1880 und 1914 erreichte die Schweiz vor dem Ersten Weltkrieg die höchste Zahnradbahndichte der Welt. Bekannteste Schweizer Beispiele sind die Bahnen zum Rocher de Naye (1892), zum Brienzer Rothorn (1892), zum Gornergrat (1898) und zum Jungfraujoch (1912).131 Weil sich gegen die bahntechnische Erschliessung der Alpenwelt aber auch mehr und mehr Widerstand regte, der 1905 in der Gründung der Heimatschutzbewegung gipfelte, wurde die Mehrzahl dieser

130 Kälin 2012, 114-117; Burri 2002, 34; Flückiger-Seiler 1996, 43. 131 Flückiger-Seiler 1996, 42-43. 39

Projekte nicht verwirklicht. Darunter war auch ein Projekt für eine Luftseilbahn von Pilatus-Kulm zum Klimsenhorn, das nach einem landesweiten Protest fallengelassen wurde.

Abb. 37 und 38: Das Aufeinandertreffen zweier Welten: neueste Bahntechnik auf dem Weg zum sagenumwobenen, bis in die Moderne gefürchteten Pilatus. Aquarell von Ulrich Gutersohn um 1900. Beachtenswert ist auch der Text einer Werbepost- karte von 1894, der sich an die französischsprachigen Reisenden richtet und mit Argumenten (Einzigartigkeit, ein must eines jeden Schweiz-Besuchs, grandioser Sonnenaufgang usw.) für den Pilatus wirbt, wie in den Anfangsjahren des Schweizer Tourismus für die Rigi. (ZHBLu: Pla:5:1:4 und Plb:4:7:6)

Abb. 39: Stansstad im 20. Jahrhundert. Ein Zukunftsbild. Karikatur im Nidwaldner Kalen- der von 1890 (S. 48) – eine direkte Antwort auf den Bergbahn- und Infrastrukturboom der Belle Epoque.

40

Ähnlich erging es Plänen für den Bau einer Zahnradbahn von Engelberg über den Jochpass bis nach Meiringen mit Anschluss an die Brünigbahn und an die Tourismuszentren des Berner Oberlands. Hier erteilten die Behörden aus landschaftsschützerischen Motiven lediglich für die Teilstrecke Engelberg- Jochpass eine Konzession. Und selbst diese Teilstrecke wurde wegen Finanzierungsschwierigkeiten auf den Bau einer Drahtseilbahn Engelberg-Gerschnialp redimensioniert, die von allem Anfang an primär für den Winterbetrieb vorgesehen war. Nach einer kurzen Bauzeit von nur 8.5 Monaten wur- de sie 1913 eröffnet. Zusammen mit den Bahnen Lauterbrunnen-Mürren und Les Avant-Sonloup gehörte sie zu den ersten Winterbergbahnen der Schweiz, und ihre Eröffnung geriet zum europaweit beachteten Spektakel.132 Zusammen mit der ebenfalls neu erstellten Bobsleigh-Bahn half sie wesent- lich dabei mit, Engelberg in der Zwischenkriegszeit als neues Wintersportzentrum aufzubauen.

Abb. 40: Vor dem Bau der Berg- und Seilbahnen: Berggängerinnen und Berggänger auf dem Titlis 1898 (StANW: Archiv Bergführerverband Unterwalden; PA 300 D 28/14)

Engelberg behielt seinen Pionierstatus punkto Wintersportanlagen bis in die Gegenwart bei. 1927 nahm man eine Luftseilbahn zum Trübsee in Betrieb. Sie war – einmal abgesehen vom kurzen Gast- spiel des Wetterhornaufzugs in Grindelwald zwischen 1908 und 1914 – die erste Luftseilbahn der Schweiz. 1944 feierte Engelberg mit der Inbetriebnahme der ersten Einersesselbahn vom Trübsee zum Jochpass eine Europapremiere. Und die 1967 eröffnete Luftseilbahn vom Trübsee zum Titlis, die vorab dem Ausbau des Wintersport- gebiets in höhere, schneesichere Gebiete dienen sollte, wartete 1992 mit einer drehenden Kabine wiederum mit einer Weltneuheit auf.133

132 Bacher 2012. 133 Waldis 2001, 150-151. 41

Abb. 41: Versuchskabinen der Jochpassbahn 1943. (aus: Hirtler et al. 1999, S. 159) Eine Bahn zum Stanserhorn: das war die Antwort des Hoteliers und Unternehmers Franz Josef Bucher auf den Bau der Pilatusbahn. Ohne den Unternehmergeist und die Sturheit Buchers wäre die Stan- serhornbahn wohl nie zustande gekommen. Gegen den Willen der Familie und mit finanziellen Risi- ken setzte er das Bahnprojekt innert kürzester Zeit um und nahm in Kauf, dass die Bahn bis zum Ende der Belle Epoque nie Gewinn einbrachte. Technisch umsetzen und begleiten liess Bucher den Bau der Bahn durch seinen Schwager und Kompagnon Josef Durrer. Um die Bahn möglichst rasch in Betrieb nehmen zu können, liess er die Arbeiter illegal an Feiertagen arbeiten und setzte sich über zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen hinweg. Ein Nebenprodukt seiner Sparbemühungen war das neuartige Bremssystem, das er von Durrer entwickeln liess, um auf die teuren Zahnradstangen verzichten zu können. Bucher setzte das neu entwickelte System mit einer Testfahrt vor ausländischer Prominenz publikumswirksam in Szene, versäumte es dann aber erstaunlicherweise, es rechtzeitig patentieren zu lassen. Obwohl sie als Betrieb nicht rentierte, war die Stanserhornbahn für ihren Erbauer ein wirt- schaftlicher Erfolg, verschaffte sie ihm doch weitere Aufträge für Bahnen in Genua, bei den Reichen- bachfällen, von zum San Salvatore, von Vevey zum Mont Pélérin und von Linthal nach Braunwald.134 In der Zentralschweiz wurden in dieser Hochphase der bahntechnischen Erschliessung nicht nur ei- gentliche Aussichtsbahnen realisiert wie die Bahnen zum Pilatus und zum Stanserhorn, sondern auch Zufahrtsbahnen zu Kurorten und Hotels. Zwischen Stansstad und Stans realisierte Franz Josef Bucher, gleichzeitig mit der Eröffnung der Stanserhornbahn 1893 eine Strassenbahn, welche die Fahrgäste bequem und schnell von der Schiffsstation in Stans zur Talstation der neuen Bergbahn bringen sollte, was den Berg für Tagesausflügler wesentlich attraktiver machte. 1898 verlor sie mit der Eröffnung der Stansstad-Engelberg-Bahn einen Teil ihrer Fahrgäste und wurde 1903 stillgelegt, während die neu eröffnete Verbindung nach Engelberg dem aufstrebenden Winterkurort einen spürbaren Aufschwung verschaffte.

134 Cuonz/Hirtler 1998, 52-54. 42

Abb. 42: Die Standseil- bahn zum Stanserhorn mit Hotel kurz nach der Eröffnung 1893. (aus: Cuonz/Hirtler 1998, S. 57)

Auch zwischen Altdorf und Flüelen eröffnete man 1906 eine Strassenbahn, um die Reisenden der Gotthardbahn bequem von der Bahnstation in Flüelen nach Altdorf zu führen, wo sie nicht nur das 1895 erstellte Telldenkmal besichtigen, sondern auch die Tellspiele besuchen konnten, die seit 1899 in Altdorf organisiert wurden und auf ein reges Interesse der fremden Gäste stiessen. Die Bahn hatte bis 1951 zur Umstellung auf Postautobetrieb Bestand.135 Zahlreich sind in der Zentralschweiz die Beispiele von Hotelbahnen, welche in der Belle Epoque ei- gens zur besseren Verkehrsanbindung von Hotels gebaut wurden – meist auf Initiative und eigene Rechnung des Hotelbesitzers. Dazu gehörten die Standseilbahnen in Luzern zum Château Gütsch (Baujahr 1884), zum Hotel Montana (Baujahr 1910) und zum Dietschiberg (Baujahr 1912), die Standseilbahn von Kehrsiten (Baujahr 1888) und der Hammetschwandlift zu den Hotels auf dem Bür- genstock (Baujahr 1905), die Standseilbahn von Kriens zum Hotel Sonnenberg (Baujahr 1902) und die Zahnradbahn von Brunnen zum Hotel Axenstein (Baujahr 1905).136 Bei den beiden letzteren handelt es sich nicht um reine Hotelbahnen. Für die Luzern-Kriens-Sonnenberg-Bahn wurde bereits 1874 ein Baugesuch eingereicht. Die Bahn sollte nicht nur Hotelbahn zum seit 1856 bestehenden Kurhaus auf dem Sonnenberg sein, sondern auch Ausflugsbahn für die Luzerner Bevölkerung und zudem eine bessere Anbindung der Krienser Industrie an Luzern garantieren. In einem ersten Schritt realisierte man 1886 vorerst nur die Teilstrecke Luzern-Kriens. 1902 folgte die Inbetriebnahme der Standseil- bahn zum Sonnenberg, um Ausflügler und Hotelgäste zum frisch renovierten Grandhotel Sonnenberg zu transportieren.137 Nach einer höchst wechselvollen Geschichte und zahlreichen Betriebseinstel- lungen ist die Bahn heute zu einem wichtigen Element im Luzerner Naherholungsgebiet geworden. Einen schlechteren Verlauf nahm der Betrieb der Standseilbahn auf den Dietschiberg, die 1912 eröff- net wurde. Dieser Hügel in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum Luzerns war bei den Touristen sehr beliebt und wurde seiner schönen Aussicht wegen gerne die «Kleine Rigi» genannt. Zur Steige- rung seiner Attraktivität richtete man auf dem Ausflugsberg 1920 einen Golfplatz und Mitte der 1930er-Jahre eine Modelleisenbahnanlage ein. Nach einem Brand 1978 wurde der Bahnbetrieb je- doch definitiv eingestellt und die Geleise 1999 abgebrochen.138

135 Waldis 2001, 78. 136 Strobel 2006. 137 Solombrino 2009, 141-143. 138 Waldis 2001, 90-91. 43

Die 1905 in Betrieb genommene Zahnradbahn von Brunnen über Morschach zum Grand Hotel Axenstein erfüllte primär den Zweck einer Zubringerbahn zum Hotel. Die Betriebskonzession von 1891 hatte noch eine neun Kilometer lange Zahnradbahn von Brunnen über Morschach und den Stoos bis zur Fronalp vorgesehen. Das Projekt, das weit über eine reine Hotelbahn hinausging, wurde aber wegen der zahlreichen teuren Kunstbauten zwischen Brunnen und Morschach aus finanziellen Überlegungen nie verwirklicht. Die Brunnen-Axenstein-Bahn erreichte kaum je die erwarteten Passa- gierzahlen, was wohl auch an der langen Gehdistanz ihrer Talstation zur Eisenbahnstation in Brunnen lag. Mit der Schliessung der beiden Hotels in Morschach wurde 1969 auch der Bahnbetrieb einge- stellt.139 Später als die anderen Hotelbahnen, nämlich erst in der Zwischenkriegszeit wurde die Fürigenbahn bei Stansstad erbaut. Ebenso wie ihre Vorgänger in der Belle Epoque ging ihr Bau auf die Initiative eines umtriebigen Hoteliers zurück. Paul Odermatt-Mosmann betrieb seit 1910 hoch über dem Vier- waldstättersee ein Hotel, das er mit einer Badeanlage, die er 1920 in der Harissenbucht errichtet hatte, verbinden wollte, um seinen Gästen den Weg zum Baden im Vierwaldstättersee zu erleichtern. Die kleine Standseilbahn, die 1924 ihren Betrieb aufnahm, verfügte über eine neuartige und ausge- klügelte Fernsteuerung, mit dem der Antriebsmotor in der Bergstation vom Fahrwagen aus bedient werden konnte.140

Abb. 43 und 44: Das Kurhaus Fürigen mit Verbindungsbahn zum Strandbad in der Harissenbucht und ins Bild retouchierter Vergnügungsregatta. Rechts die 1924 gebaute, nur 380m lange Fürigenbahn mit einer Transportkapazität von 14 Perso- nen. (STANW: Sammlung Goetz, O_39_152 sowie Stansstad 3, OD 1-10/7-9)

Ebenfalls erst nach Ende der Belle Epoque eröffnet wurde die Standseilbahn zwischen Treib und See- lisberg, obwohl es bereits in den 1890er-Jahren Diskussionen darum gegeben hatte. War die Idee einer Bahn von Seelisberg zum Rütli 1891 wohl nicht zuletzt wegen Heimatschutz und Patriotismus gar nie zum Projekt ausgereift, so scheiterte auch die Planung einer Zahnradbahn von Treib über Seelisberg und Emmetten nach Beckenried 1893 an der Gemeindeversammlung von Seelisberg. Aus Kostengründen ebenfalls abgelehnt wurde 1905 ein auf die Strecke Treib-Seelisberg redimensionier- tes Projekt. Erst die Anpassung des Projekts von der teuren Zahnradbahn zur billigeren Standseilbahn

139 Waldis 2001, 120ff; Flückiger-Seiler 2001, 149. 140 Schweizer Seilbahninventar, Objekt 61.018: http://www.seilbahninventar.ch/; Waldis 2001, 150. 44 brachte die erfolgreiche Verwirklichung des Bahnvorhabens – allerdings erst 1916 und damit mitten in der Stagnation von Fremdenverkehr und Ausflugstourismus.141 Hoteliers waren oft risikofreudige Förderer von technischen Entwicklungen im Transport- und Kom- munikationsbereich, weil sie ihre Hotelanlagen exklusiv, modern, bequem erreichbar und damit att- raktiv für eine elitäre und zahlungskräftige Kundschaft machten. Der Ausbau der Bergbahninfrastruk- tur war besonders in den Jahren der Belle Epoque von einer Investitions-Euphorie geprägt, die ähn- lich wie in der Hotellerie zu einer Übersättigung an Ausflugsbergen rund um den Vierwaldstättersee führte. Dies bekam insbesondere die Stanserhornbahn zu spüren, deren Fahrgastfrequenzen in den ersten Betriebsjahren die Erwartungen der Investoren nicht erfüllen konnten und gegenüber den Transportzahlen der Rigi- und der Pilatusbahn weit zurückblieben.142 Zudem verlangten die touris- tisch orientierten Bergbahnen weit höhere Fahrpreise als die Eisenbahn, weshalb das Erfahren der Berge lange einer vermögenden Elite vorbehalten blieb. Tagesausflüge waren selbst für die Mittel- schicht kaum erschwinglich, weil die Reisekosten das Budget überdurchschnittlich hoch belasteten, so dass man – wenn überhaupt – längere Ferienaufenthalte bevorzugte, da die Übernachtungskosten oft tiefer waren als die Bahnpreise.143

Abb. 45: Bahnhof Rigi-Kulm mit Passagieren. Foto von J. Gaberell ohne Datum. Vermutlich zwischen 1900 und 1920. (StALU: FDC 50/6)

141 Waldis 2001, 128-129. 142 Schleifer-Stöckli 1998, 54ff. 143 Frey 2005, 161 und 168. 45

3.1.4 INFRASTRUKTUREN DER GEMEINDEN ZUR UNTERHALTUNG DER FREMDEN Bereits in den 1830er-Jahren begann man in Luzern mit dem Bau einer Tourismusmeile, wo man sich mit Dioramen, Museen und Souvenirläden auf die Darstellung der Schweiz als Natur- und Ge- schichtserlebnis und später als Ort kühner Ingenieurbauten und alpiner Sporterlebnisse konzentrier- te. Die Vergnügungsangebote der Touristenmeile sollten die Gäste zu einem längeren Aufenthalt in der Stadt bewegen. Demselben Zweck diente auch der Bau einer grosszügigen Promenade direkt am See ab den 1830er-Jahren. Beim Aufbau der sogenannten «Tourismusmeile» schien man sich in Lu- zern nicht zuletzt auch an internationalen Vorbildern wie dem Wiener Prater orientiert zu haben.144 Nebst dem Ausbau der Tourismusmeile und der Quaipromenade gehörte dazu der Aufbau einer städ- tischen Trinkwasserversorgung in den 1870er-Jahren. Ebenso förderlich wirkte sich der Fremdenver- kehr auch bei der Elektrizitätsversorgung aus. 1880 begann Luzern vergleichsweise früh mit der ver- suchsweisen Illumination von Gletscherdenkmal und Löwendenkmal – nur ein Jahr, nachdem in St. Moritz das erste Hotel der Schweiz auf elektrische Beleuchtung umgerüstet hatte. Bei der Beleuch- tung ganzer Stadtteile und Strassenzüge waren andere Tourismusorte wie Vevey (1887) oder Interla- ken (1888) den Luzernern, die den Schweizerhofquai 1891 mit einer elektrischen Beleuchtung versa- hen, nur um ein paar wenige Jahre voraus.145 In den 1890er-Jahren gingen die Fremdenverkehrsorte rund um den See zur Elektrifizierung ihrer Strassen und Anlagen über, nicht zuletzt um bei den Gästen nicht als veraltet und technikfeindlich zu gelten. Die Lage am See erwies sich dabei als fortschrittsfördernd, wie das Beispiel Beckenrieds zeigt, das sich in den 1890er-Jahren auch deshalb für die Elektrifizierung des Dorfes entschied, weil man «als Kurort übel dran wäre, wenn das gegenüberliegende Ufer in elektrischer Beleuchtung erstrahlte, während wir nach wie vor auf Petrol angewiesen wären.»146 Auch in vermeintlich abgelegenen Bergkurorten wie Andermatt oder Engelberg erkannte man den marktsteigernden Wert von öffentlichen Dienstleistungen für die Gäste, die zwar naturverbundenen waren, aber einen gewissen Komfort doch sehr wohl zu schätzen wussten. In Andermatt engagierten sich mehrere Hoteliers beim Bau eines Elektrizitätswerk, um das Dorf mit Strom und Beleuchtung zu versorgen, und der Verkehrsverein des Dorfes legte noch im Jahr seiner Gründung 1902 mit Bäumen beschattete Spazierwege an, in der Meinung, der Spaziergang durch lichte Wälder zähle zum Grund- angebot einer jeden Tourismusdestination in den Alpen.147 Engelberg, so berichtete 1900 der Nid- waldner Kalender, baute mit dem Zustrom der fremden Gäste seit dem Eisenbahnanschluss 1898 die technische Infrastruktur des Ortes innert kurzer Zeit aus, was auch im Leben der Dorfbewohner zu grossen Veränderungen geführt habe. Vor gar nicht so langer Zeit habe es im Dorf Leute gegeben, die noch nie eine Eisenbahn gesehen hätten, und nun wandle der Nachtwächter im elektrischen Licht, mit dem Telegrafen würden Meldungen verbreitet, und der Koch könne «seinen Chabis durchs Tele- fon» bestellen.148 Der Ausbau der öffentlichen Fremdenverkehrsinfrastruktur erfolgte in der Zentralschweiz und insbe- sondere in Luzern parallel zu anderen Tourismusdestinationen der Schweiz. Gegen Ende der Belle Epoque, als neue Feriengäste aus der Mittelschicht weniger einen noblen Kurtourismus als vielmehr einen sportiven Erlebnis- und Aussichtstourismus bevorzugten, reagierten viele Ferienorte der Zent- ralschweiz mit einem Ausbau der organisatorischen Infrastruktur. Kurvereine wurden gegründet, um

144 Siehe Beitrag von Andreas Bürgi in der Zeitschrift «Wege und Geschichte 2013/1», die im August 2013 erscheinen wird. 145 Flückiger-Seiler 2001, 32; Omachen 2010, 63. 146 Schleifer-Stöckli 1998, 60. 147 Scheuerer 2011, 293, 304-305. 148 Zimmermann 1999, 15. 46 die Angebote der Ferienorte zur Unterhaltung und Beherbergung der Gäste zu koordinieren und aus- zubauen. Ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung der Touristenbetreuung und -werbung war die Gründung des «Vereins zur Förderung des Fremdenverkehrs am Vierwaldstättersee und Umgebung» 1881 und die Schaffung eines Verkehrsbüros durch die «Verkehrskommission für Luzern, Vier- waldstättersee und Umgebung» 1892.149 Der Aufbau einer Unterhaltungsinfrastruktur für eine internationale und kulturell anspruchsvolle Klientel erfolgte in der Stadt Luzern erst um die Jahrhundertwende und damit im Vergleich zu ande- ren europäischen Fremdenverkehrszentren relativ spät. Während in Interlaken 1859 der erste Kur- saal der Schweiz eröffnet wurde, folgte Luzern erst 1882. Das seit 1839 bestehende Stadttheater brachte nur Liebhaberstücke für den breiten Musikgeschmack zur Aufführung, so dass Luzern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts musikalische Provinz blieb, woran auch die mehrmonatigen Aufenthalte eines Richard Wagners nichts zu ändern vermochten.150 Das eher provinzielle Unterhaltungsangebot wurde Ende des 19. Jahrhunderts stark aufgewertet, nicht nur mit der Ausrichtung von Musikfestwochen und Seenachtsfesten, sondern auch im sportli- chen Bereich mit der Organisation von Ruderregatten, Pferderenntagen und Springkonkurrenzen und mit der Erstellung von Tennis- und Golfplätzen sowie 1912 mit einer Rollschuhhalle.151

Abb. 46 und 47: Impressionen der Luzerner Saison 1912 mit einem elitären und internationalen Flair: Pferderennen auf der Allmend und Ballett der Mailänder Scala im Kursaal. Quelle: Heinemann 1920, S. 152-153. Beim Angebot von öffentlichen Bädern hielt die Region Vierwaldstättersee und insbesondere die Stadt Luzern Ende des 19. Jahrhunderts durchaus mit anderen Schweizer Tourismusregionen mit: 1882 gab es allein in der Stadt Luzern fünf öffentliche Bäder, darunter drei Sommerbäder am See und an der Reuss, die seit den 1860er-Jahren bestanden. Dieses breite Angebot erklärt sich wohl nicht zuletzt auch dank der Nachfrage der fremden Gäste. 1919 erfolgte in Weggis die Eröffnung des ers- ten öffentlichen, nicht nach Geschlechtern getrennten Strandbades der Schweiz, das zum Vorbild für weitere Bäder in Luzern, Fürigen, Stansstad, Flüelen, Gersau, Vitznau und Buochs werden sollte.152 Ins gleiche Kapitel gehört auch der Aufbau einer Luftschiffstation zu touristischen Zwecken. 1908 hatte ein Zeppelin-Luftschiff erstmals eine Reise nach Luzern unternommen und bei den dortigen Hoteliers einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Einige Hoteliers gründeten in der Folge die «Ge- nossenschaft Aero Luzern», die ab 1910 als zusätzliche touristische Attraktion mit dem Luftschiff «Ville de Lucerne» täglich kurze Spazierfahrten in die nähere Umgebung und grössere Ausflüge zur Rigi oder zum Pilatus anbot. Die dafür erhobenen Preise von 100 bis 200 Franken pro Fahrt waren klar auf eine gehobene, vermögende Schicht von Reisenden ausgerichtet. Der Luftschiffbetrieb blieb

149 Huber 1986, 207; Heinemann 1920, 156. 150 Rieder/Schaub 2001, 15. 151 Dubler 1983, 290, Huber 1986, 190 und 209ff. 152 Horat 2008, 35ff. 47 allerdings wegen technischer und organisatorischer Schwierigkeiten defizitär und endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Doch war das Publikumsinteresse an den Luftschiffen derart gross, dass die Genossenschaft im September 1910 im Anschluss an die bereits traditionellen Pferdesport- tage eine «Aeroplan-Konkurrenz» als erstes internationales Flugmeeting der Schweiz organisierte und Luzern damit – wenn auch nur für kurze Zeit – zu einer auch im Ausland bekannten Luftfahrtsta- tion machte.153

3.2. HOTELINFRASTRUKTUR

3.2.1. QUANTITATIVE ENTWICKLUNG UND GÄSTESTRUKTUR Parallel zur Entwicklung des Eisenbahnnetzes und zur steigenden Zahl von Reisenden vervielfachte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Zahl der Schweizer Hotelbetriebe. Nach 1860 erfasste ein grosser Bauboom das Hotelgewerbe. Innert 15 Jahren verdoppelte sich die Zahl der Hotels und Pen- sionen in der Schweiz.154 Um 1900 boten schweizweit 1400 Hotels insgesamt 80‘000 Gästebetten an und beschäftigten 35‘000 Angestellte. Zwischen 1885 und 1905 war der Tourismus mit einem Anteil von 4.6 Prozent am Bruttoinlandprodukt zu einem wichtigen Wirtschaftszweig der Schweiz und damit für Finanzinvestoren attraktiv geworden.155 Der Tourismus entwickelte sich zu einer Sache innovati- ver Unternehmer, die den Ausbau der Hotel- und Transportinfrastruktur mit hohem Kapitaleinsatz und der Hoffnung auf grosse Renditen vorantrieben.156 Ab den 1870er-Jahren finanzierten mehr und mehr Hotels ihren grossen Investitionsbedarf über Aktiengesellschaften.157 Bevorzugte Standorte für die Errichtung grosser Hotelbauten mit einem luxuriösen Innenausbau waren attraktive Flächen di- rekt am See oder in erhöhter Lage mit Sicht auf den See und die Berge, die von den bestehenden Fremdenverkehrszentren bequem per Bahn oder Schiff zu erreichen waren.158 Dank der Erschliessung mit der Eisenbahn und der günstigen Weltwirtschaft kam es in der Zentral- schweiz ab Ende den 1860er-Jahren zu einer ersten Blüte des Fremdenverkehrs. Eine eigentliche Hochkonjunktur und den Aufstieg zum europäischen Reiseziel ersten Ranges erlebte die Region je- doch erst nach dem Abflauen der Wirtschaftskrise Mitte der 1880er-Jahre. Gemäss Omachen ent- standen in der Stadt Luzern allein zwischen 1890 und 1910 28 neue Hotels, und die Zahl der Gäste- betten vervielfachte sich von 3‘800 auf 9‘400.159 Dank der optimalen Verkehrserschliessung, einer tourismusfreundlichen Gesetzgebung und einem umfassenden Stadtumbau und –ausbau hatte sich hier die Fremdenindustrie zum leading sector entwickelt.160 Die historische Statistik weist für den gesamten Kanton Luzern in derselben Zeit mehr als 180 neu eröffnete Hotels aus und damit verbunden einen immensen Anstieg der Hotelbetten um 440% (siehe Tabelle 1). Auch Weggis konnte die Zahl seiner Gästebetten zwischen 1890 und 1914 von 400 auf 1400 Betten steigern.161 Während Unterwalden – wohl nicht zuletzt dank der grosszügigen Bauten Franz Josef Buchers – ei- nen ähnlich fulminanten Ausbau der Hotelangebote erlebte wie der Kanton Luzern, startete Schwyz mit 87 Hotels 1880 bereits auf einem relativ hohen Niveau und vermochte deshalb mit den Zuwachs-

153 Waldis 2001, 53-55; Waldis 1994, 181-183. 154 Flückiger-Seiler 2011, 413. 155 Bonnaud 2003, 41; Humair 2011, 46. 156 Huber, 1986, 164. 157 Seger 2005, 82. 158 Flückiger-Seiler 1997, 112ff; Burri 2002, 37. 159 Omachen 2010. 160 Furrer 2010, 44-45. 161 Flückiger-Seiler 2001, 147. 48 zahlen der beiden anderen Kantone nicht mitzuhalten. Das Angebot an Gästebetten war trotz der geringeren Zuwachsrate imposant: 1914 standen allein in Brunnen-Morschach 2000 und auf der Rigi 1800 Gästebetten bereit.162 Anders präsentierten sich die Zahlen nach dem Ende der Belle Epoque. Während Schwyz, Unterwal- den und Uri die Zahl der Gästebetten zumindest konstant halten oder – wie in Schwyz – leicht aus- bauen konnten, erlebte der Kanton Luzern einen deutlichen Rückgang an Hotels und Gästebetten.

Luzern Schwyz Unterwalden Uri Schweiz Hotels Betten Ø Hotels Betten Ø Hotels Betten Ø Hotels Betten Ø Hotels Betten Ø 1880 39 2913 75 87 5248 60 29 1874 65 27 1503 56 1002 58119 58 1894 104 6220 60 114 5537 49 64 3139 49 43 2280 53 1693 88634 52 1912 223 12817 57 168 6685 40 127 7071 56 73 3581 49 3585 168625 47 1929 337 11869 35 306 8086 26 195 8105 42 156 3861 25 7606 202159 27 1938 321 10347 32 361 7637 21 191 7014 37 146 3688 25 7415 194667 26 1880-1912 (%) 440 127 377 238 290 1912-1938 (%) 81 114 99 103 115 Tabelle 1: Zahl der Hotels und Gästebetten in der Zentralschweiz und in der gesamten Schweiz zwischen 1880 und 1938. Quelle: Ritzmann, Historische Statistik, 741. Ø = durchschnittliche Bettenzahl (Berechnung E. Flückiger). Veränderung der Bettenzahl 1880-1912 (1880 = 100%) und 1912-1938 (1912 = 100% ) in Prozent (Berechnung E. Flückiger).

14 250

Luzern Tausende

12 Tausende Uri 200 Schwyz 10 Unterwalden

Schweiz 150 8

6 100

4

50 2

0 0 1880 1894 1912 1929 1938

Diagramm 1: Veränderung der Anzahl Gästebetten in der Zentralschweiz zwischen 1880 und 1938 (in Tausend, abgebildet auf Primärachse) und der Schweiz (in Tausend, abgebildet auf Sekundärachse). Darstellung E. Flückiger, basierend auf Daten aus: Ritzmann, Historische Statistik, 741. Die steile Zunahme der Übernachtungszahlen im Fremdenverkehr ab den 1870er-Jahren ist auch eine Folge der Demokratisierung des Reisens. Während sich vorher nur die Reichsten der Reichen eine Reise in die Schweiz leisten konnten, kam jetzt eine gut verdienende obere Mittelschicht von Fabri- kanten, Beamten, Geschäftsleuten, Anwälten und Ärzten dazu. Die Gästestruktur in den Hotels der Zentralschweiz widerspiegelte die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in Europa

162 Flückiger-Seiler 2001, 147. 49 und war direkt gekoppelt mit dem Verlauf der industriellen Revolution: zuerst kam der grösste Teil der Gäste aus England, ab den 1880er-Jahren aus Deutschland. Vor dem Ersten Weltkrieg waren ein Drittel aller Gäste Deutsche; danach folgten Engländer, Franzosen, Amerikaner und Schweizer.163

3.2.2. SCHWEIZER HOTELSTANDARDS ALS WELTWEITER MASSSTAB Ende des 19. Jahrhunderts war die Schweizer Hotellerie zum weltweiten Massstab in der Unterbrin- gung, Versorgung und Unterhaltung der Gäste geworden. Vielerorts kamen die Gäste nicht mehr nur wegen der Berge und der Aussicht, sondern auch wegen der Herbergen, die nicht mehr als Durch- gangsstationen und einfache Hospize dienten, sondern als Orte der Geselligkeit, Erholung und ro- mantischen Erfahrung. Insbesondere das Kur- und Grandhotel entwickelte sich durch seine raffinierte und vielfältige Gastlichkeit vom blossen Zweck zum eigentlichen Ziel der Reise.164 Zum Standardan- gebot des gehobenen Hotels zählten nicht nur Gästezimmer mit dem jeweils neuesten Ausbaustan- dard wie elektrisches Licht, Heizung und später auch Wasseranschluss und Badezimmer, sondern auch Gesellschaftsräume und Aussenanlagen für jegliche Unterhaltungs- und Sportbedürfnisse sowie eine exklusive Küche, professionell geschultes Personal, Unterhaltungsprogramme und Kurangebote. Die Hotelräume erlebten im Laufe des 19. Jahrhunderts eine umfassende Veränderung. Frühe Hotels, wie zum Beispiel das Hotel Schwanen in Luzern, boten nur wenig Gemeinschaftsräume an. Meist bestand das Angebot in einem Speisesaal und einem Lese- und Rauchzimmer. Anders als die Kurho- tels auf dem Land bauten die Stadthotels ihr Angebot an gemeinsamen Aufenthaltsräumen für die Gäste nur wenig aus, da sich die Gäste tagsüber in der Stadt vergnügten. Der Speisesaal jedoch wan- delte sich vom einfachen Esszimmer zum prunkvollen Saal, wo die Gäste an langen Tischreihen, den tables d’hôte, gemeinsam tafelten. Diese gemeinsamen Mahlzeiten waren in der Belle Epoque «ein gesellschaftliches Ereignis des Sehen-und-Gesehen-Werdens».165 Leo Tolstoi, der Luzern 1857 besuch- te und im Hotel Schweizerhof abstieg, beschrieb die Gästetafel der Belle Epoque als eher steifes Er- eignis einer vornehmlich englischen upper class: «Im grossen, prächtig ausgestatteten Parterresaal waren zwei lange Tische für mindestens hundert Personen gedeckt. Etwa drei Minuten dauerte das stumme Erscheinen der Gäste, das Rauschen der Damenkleider, die leichten Schritte und die leisen Unterredungen mit den ungemein höflichen und eleganten Kellnern. *…+ Wie überall in der Schweiz bestand der grösste Teil der Tischgesellschaft aus Engländern; daher bestimmten den allgemeinen Ton der Table d'hôte eine strenge Beachtung der gesetzlich anerkannten Anstandsregeln, eine Ver- schlossenheit, die nicht auf dem Stolz der Gäste, sondern auf dem Mangel eines Bedürfnisses, sich einander zu nähern, beruhte.»166 In den Grandhotels auf dem Land, welche die Zahl ihrer Gästebetten im Laufe der Jahrzehnte auf mehrere hundert ausbauten, boten die Speisesäle mancherorts Platz für bis zu 500 Personen, wie beispielsweise im Kurhotel Sonnenberg in Seelisberg.167 Die Grandhotels waren – im Gegensatz zu den älteren Herbergen – eine in sich geschlossene Welt, die nur betreten durfte, wer Rang und Na- men sowie die nötigen Finanzen hatte. Sie waren oftmals Zweitwohnsitz, in welchem man sich für mehrere Wochen oder Monate niederliess. In den Grandhotels spielte das Gesellschaftsleben eine herausragende Rolle. Sie waren ein Symbol für die Emanzipation des Bürgertums, das hier in einem

163 König 2000, 15; Huber 1986, 228. 164 Seger 2005, 18, 119. 165 Omachen 2010, 55. 166 Bener/Schmid 1983, 213. 167 Zimmermann 1999, 63. 50 sozial abgeschlossenen und rituell klar festgelegten Rahmen den adeligen Lebensstil öffentlich imitie- ren konnte.168

Abb. 48 und 49: Speisesaal und Billardzimmer im Hotel Honegg auf dem Bürgenstock. Im Speisesaal ist die table d’hôte bereits durch individuelle Einzeltische abgelöst worden. Aufnahmen aus einem Hotelprospekt zu Beginn des 20. Jahrhun- derts. (StANW: PA 301: A16)

Zahl und Vielfalt der Unterhaltungsangebote interessierten den Gast weit mehr als der Komfort der Zimmer. Wegen der hohen räumlichen Ansprüche, bedingt durch den luxuriösen Tagesablauf und das Unterhaltungsbedürfnis der Gäste, entwickelten sich die Grandhotels zu einer eigenen architektoni- schen Form mit Theatersaal, Konversations- und Leseräumen, Bibliothek, Spielsalon, Billard- und Musikzimmer und Kegelbahn.169 Doch nicht nur die Grandhotels der Oberschicht am Vierwaldstätter- see, sondern auch die Mittelklasse-Kurhäuser des Entlebuchs boten ihren Gästen ein ähnlich vielfälti- ges, wenn auch weniger luxuriöses Angebot an Gesellschaftsräumen und Unterhaltungen.170 Die Ausstattung der Schweizer Alpenwelt zum playground of Europe für Spass und Sport ging in der Belle Epoque weit über die Hotelräume hinaus. Die Hotels auf dem Land, welche anders als die Stadthotels über genug Land verfügten, investierten in grossem Stil in Park- und Sportanlagen. Im Kurtourismus waren Spaziergänge nebst Trink- und Badekuren fester Bestandteil der Anwendungen. Im Kurhotel Schöneck auf Seelisberg baute man deshalb in den 1870er- und 1880er-Jahren eine grosszügige Parkanlage mit romantischen, von Pavillons und Ruhebänken gesäumten Spazierwegen, zu der auch ein Philosophenweg gehörte, der durch einen Wald bis zu einem Wasserfall führte und die Gäste zu ausgedehnten, aber nicht überanstrengenden Spaziergängen anregen sollte.171 Doch auch bei den Aussichtshotels ohne Kurtourismus wie den Hotels auf dem Bürgenstock oder beim Hotel Axenstein in Morschach gehörte eine gepflegte Parkanlage mit Spazierwegen mit grandi- osen Aussichten über den Vierwaldstättersee zum Standardangebot. Spektakulärstes Beispiel ist si- cher der Felsenweg auf dem Bürgenstock, der sich zu einer besonders gesuchten Attraktion entwi- ckelte und den Hotels auf dem Bürgenstock zusätzliche Gäste bescherte. Zusammen mit den drei Grandhotels und den Zufahrten über die Standseilbahn und den Hammet- schwandlift bot die Parklandschaft auf dem Bürgenstock ein äusserst attraktives touristisches En- semble.

168 Seger 2005, 119. 169 Flückiger-Seiler 1996, 44; Ott 1990, 57. 170 Dängeli 2011, 97ff. 171 Zimmermann 1999, 22. 51

Abb. 50: Werbeinserat für den Luftkurort Bürgenstock, das nicht nur mit der Aussicht und der guten Luft (in Bergwäldern) wirbt, sondern auch mit der schnellen und bequemen Verkehrserschliessung (Dampfschiff, eigener Kutschenbetrieb), den neuesten Kommunikationsmitteln (Telegraf und Post) und medizinischer Betreuung durch einen Kurarzt. Unbekanntes Er- scheinungsdatum, aber sicher vor Inbetriebnahme des Hammetschwandlifts 1905 (Abb. 51, rechts), der sofort zur Hauptatt- raktion des Bürgenstocks wurde. (KBLU; NWa 3:8:3 und STANW: PA 301: A16)

Ein bemerkenswertes Detail bei der umfassenden Ausstattung der Hotels für jegliche Bedürfnisse der Gäste sind die hoteleigenen Kapellen, die beispielsweise auf dem Bürgenstock oder auf dem Sonnen- berg auf Wunsch der Gäste erstellt wurden.172 Die beiden Hotels waren mit ihrem Angebot nicht allein, erstellten doch diverse Schweizer Kurorte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eigens für ihre englischen Gäste anglikanische Kirchen. 1914 soll es in der ganzen Schweiz 52 engli- sche Kirchen und über 100 Hotels gegeben haben, in denen sonntags Gottesdienste in englischer Sprache gehalten wurden.173

Abb. 52: Eislaufen in Rigi-Kaltbad – auch ein gesellschaftliches Ereignis. Foto: Photo-Haus Deyhle, Rigi-Kaltbad. (StALU FDC 50/100.2)

172 Ott 1990, 20; Flückiger-Seiler 2001, 143, Stadler 2002, 36-37. 173 Beatti 2009, 170; Flückiger-Seiler 1996, 47. 52

Mit dem Trend zur sportlichen Eroberung der Alpenwelt investierten auch die Hotels zunehmend in den Bau von Sportanlagen. Den Tennis- und Reitplätzen folgten ab der Jahrhundertwende die ersten Golfanlagen. So auch auf dem Axenstein, das 1925 eine Golfanlage eröffnete, und auf dem Sonnen- berg, wo 1903 der neu gegründete Golfclub Luzern den vierten Golfplatz der Schweiz eröffnete. Er befand sich in idealer Distanz zum Kurhotel Sonnenberg und zum Grandhotel Gütsch, wurde dann aber 1921 auf den Dietschiberg verlegt.174 Im Winter gehörten Eislaufflächen, Skihügel und Bobbah- nen zum erweiterten Aussenangebot für die sportbegeisterten Gäste.

Abb. 53: Curling auf der Eisbahn des Grandhotels Rigi-Kaltbad als Postkartensujet. Datum unbekannt. (StALU: FDC 50/304) Hoteliers gehörten zu den Pionieren bei der Einführung technischer Innovationen wie Telegraf und Telefon, elektronische Beleuchtung, Personentransportlifte und Zentralheizungen. Ab 1850 richteten die ersten Hotels in der Schweiz eine eigene Telegrafenverbindung ein. Zu den ersten Hotels in der Zentralschweiz mit Telegraf gehörte ab 1870 die Kuranstalt Schöneck in Seelisberg, deren drei Ge- bäude zudem mit einem elektrischen Läutwerk untereinander verbunden waren.175 In den 1880er- Jahren erfasste eine eigentliche Beleuchtungswelle die Schweizer Hotels, nachdem bereits vorher einzelne Hotels wie das Hotel Schreiber auf der Rigi (ab 1874) Gasbeleuchtung angeboten hatten. Nur wenige Jahre nach Eröffnung des ersten Schweizer Hotels mit elektrischer Beleuchtung in St. Moritz 1879 folgten die grossen Zentralschweizer Hotels, 1883 das Kurhaus Schöneck in Seelisberg, 1886 die Hotels Schweizerhof und Du Lac in Luzern, 1887 das Hotel Titlis in Engelberg und 1888 das Park-Hotel Bürgenstock.176 Die Hotels auf dem Land nahmen zur Erzeugung des für die Beleuchtung nötigen Stroms meist ein eigenes kleines Wasserkraftwerk in Betrieb. Oft ermöglichte diese neue Energiequelle die baldige Installation weiterer technischer Innovationen wie beispielsweise des Hotellifts. Hier gehörten die Zentralschweizer Hotels nicht zu den Pionieren der Schweizer Hotellerie. Erstmals bauten einzelne Hotels am Genfersee in den 1860er-Jahren hydraulische Personenlifte ein, gefolgt von Hotels in Inter- laken und Thun in den 1870er-Jahren. Den ersten Zentralschweizer Hotellift nahm 1883 das Hotel

174 Solombrino 2009, 142; Flückiger-Seiler 2001, 149; Kaufmann 1992, 13. 175 Dal Negro/Fuchs 2007, 276; Zimmermann 1999, 22. 176 Zimmermann 1999, 22; Flückiger-Seiler 2001, 32. 53

Luzernerhof in Luzern in Betrieb. Ihm folgten 1885 das Hotel National in Luzern, 1887 das Hotel Titlis in Engelberg, 1888 das Grandhotel Gütsch in Luzern, 1891 die Hotels Du Lac und Victoria in Luzern und 1892 das Hotel Waldstätterhof in Brunnen. Seine Krönung fand der Hotelliftbau dann allerdings doch in der Zentralschweiz mit der Inbetriebnahme des Hammetschwandliftes durch den Hotelkönig Franz Josef Bucher-Durrer auf dem Bürgenstock 1905.177 Nicht von ungefähr begann der Aufstieg der Luzerner Firma Schindler Aufzüge um die Jahrhundert- wende. 1874 als mechanische Werkstatt gegründet, stellte die Maschinenfabrik von Robert Schindler 1890 den ersten hydraulischen Lastenaufzug her, gefolgt vom ersten elektrischen Warenlift 1892 und vom ers- ten elektrischen Personenlift mit Druckknopfsteue- rung 1902, und war damit sozusagen ein wirtschaftli- ches Nebenprodukt der pionierhaften Zentralschwei- zer Hotellerie.178 Ein schönes Beispiel für den aus der elektrischen Stromversorgung resultierenden Innovationsschub im Tourismus ist die Kuranstalt Schöneck, wo man dank dem eigenen Wasserkraftwerk 1889 ein neues Waschhaus mit Dampfbetrieb einsetzen und so die Abb. 54: Werbeinserat der Firma Schindler in Luzern, deren Firmengeschichte eng mit dem Fremdenverkehr Arbeit der Wäscherinnen stark erleichtern und be- verbunden ist. (aus: DalNegro/Fuchs 2007, S. 280) schleunigen konnte. Der elektrische Strom ermöglichte der Kuranstalt zudem neue Möglichkeiten im Therapieangebot. Zusätzlich zu den traditionellen Mol- ken-, Milch- und Wasserkuren konnte der Betrieb in den 1880er-Jahren erste pneumatische Appara- turen zur Behandlung von chronischen Atemwegserkrankungen einsetzen. Ihnen folgten in den 1890er-Jahren sogenannte «Elektrische Bäder» zur Behandlung von Hysterie und Schlaflosigkeit, wo die Patienten in der Badewanne einem schwachen Wechselstrom ausgesetzt wurden. Den Masseu- ren stand neu eine elektrische Vibrationsmaschine zur Verfügung. Die Kuranstalt konnte sich dank diesen neuesten technischen Entwicklungen rühmen, landesweit ein einmaliges Angebot von Be- handlungsmethoden für Atemwegskrankheiten und psychischen Leiden anbieten zu können.179 Im Gegensatz zur Elektrifizierung ging es in den Hotels mit der Installation moderner Sanitäranlagen schleppender voran. Während in Genf bereits 1847 das erste Hotel Gäste-WCs anbot, bauten in Lu- zern erst in den 1870er-Jahren die ersten Hotels Etagen-WCs und -bäder ein, was auch an der städti- schen Wasserversorgung lag, die erst 1864 auf Druckwasser umgestellt wurde. Im Gästezimmer in- tegrierte WCs und Bäder folgten noch später, zuerst 1900 im Hotel National, danach 1906 im Hotel Palace.180 Im grossen Stil wurde fliessendes Wasser auf den Zimmern erst ab der Zwischenkriegszeit installiert. Eine ähnliche Entwicklung nahm die allmähliche Umrüstung der Hotels auf eine zentrale Heizung. Anders als früher wollte der Gast mehr Privatsphäre. So wie beim Essen, wo kleine individu- elle Tische die langen tables d’hôte ablösten, wünschte der Gast nun auch komfortablere und gross- zügigere Zimmer, in das er sich nach Möglichkeit zurückziehen konnte. Heizung und elektrische Be- leuchtung gehörten darum mehr und mehr zum gewünschten Zimmerservice.

177 Flückiger-Seiler 2001, 61-63. 178 Dal Negro/Fuchs 2007, 280. 179 Zimmermann 1999, 43-57. 180 Omachen 2010, 64. 54

4. GASTFREUNDSCHAFT UND GASTGEBER

4.1. DIE PIONIERE DER ZENTRALSCHWEIZER HOTELLERIE Der erfolgreiche Hotelier der Belle Epoque war ein kreativer, in der Gemeinde, der Wirtschaft und der Politik bestens vernetzter und initiativer Machertyp.181 Er war nicht nur im Hotelfach tätig, son- dern engagierte sich auch in Gemeinde und Kanton, übernahm politische Ämter und gehörte in allen Regionen der Schweiz zu den Initianten neuer touristischer Angebote und Infrastrukturen. Mit dem enormen Wachstum der Fremdenindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Hoteliers zu «eigentlichen Dominatoren von grösseren Touristenorten».182 Solche Hotelkönige fanden sich primär in neuen, ländlichen Fremdenorten, nicht aber in den Städten, wo meist mehrere Familien die Hotellerie kontrollierten. In der Zentralschweiz haben mehrere solcher initiativer Selfmademänner quasi im Alleingang ganze Hotelimperien aufgebaut. Im Gegensatz zur Genfersee-Riviera, wo bereits in den 1830er-Jahren Ho- telneubauten über Aktiengesellschaften finanziert wurden, waren in der Zentralschweiz die Hotels noch sehr lange im Besitz von Einzelpersonen oder einer Familie, bis Ende des 19. Jahrhunderts auch hier die ersten Finanzierungen über Aktionärsgesellschaften erfolgten. Selbst mehrköpfige Familien- unternehmen wie diejenige im Hotel Schweizerhof in Luzern waren hier eher die Ausnahme.183

4.1.1 FRANZ JOSEF BUCHER-DURRER (1834-1906): NICHT NUR AUF DEM BÜRGENSTOCK EIN PIONIER Bekanntestes Beispiel dieses Typs des umtriebigen, vernetzten und alles kontrollierenden Hotelpat- rons ist sicher Franz Josef Bucher. Mit sicherem Gespür für das grosse Geschäft verfolgte er seine Hotel- und Verkehrserschliessungspläne hartnäckig gegen alle Widerstände und baute damit ein letztlich weltumfassendes Familienunternehmen auf. Über ihn ist bereits viel geschrieben worden, und eine gewisse Legendenbildung ist nicht von der Hand zu weisen. So kursieren über ihn weit mehr Anekdoten als über andere Hoteliers. Eine dieser Anekdoten charakterisiert sein Wesen und seinen Erfolg wohl am augenfälligsten: Der weltgewandte Bucher, der am Ende seiner Karriere Hotels in halb Europa sein eigen nannte, soll nebst seinem Obwaldner Dialekt nur ein fremdsprachiges Wort be- herrscht haben, und zwar das Wort «Subito! »184 Buchers unternehmerische Stationen sollen hier nur kurz zusammengefasst werden. Als 36-jähriger Sägereibesitzer und Parketthersteller stieg er 1870 mit seinem Schwager und Geschäftspartner Josef Durrer mit der Eröffnung des Hotels Sonnenberg in Engelberg ins Hotelgeschäft ein. Bereits zwei Jahre später eröffnete er auf der Alp Tritt oberhalb Stansstad das Grand Hotel Bürgenstock, das sich rasch zum Inbegriff des luxuriösen Aussichtshotels entwickeln sollte. Den Bau des Hotels und der dazugehörigen Fahrstrasse trieb er gegen den Widerstand der einheimischen Bauern voran, die ihn für einen Spinner hielten und sich gegen seine Baupläne handgreiflich zur Wehr setzten. Dies hing wohl nicht zuletzt auch mit der kompromisslosen Art Buchers zusammen, seinen Interessen alles unterzuordnen. Kompromisslos setzte er für die Alp Tritt selbst bei der Landestopographie den neu- en Namen «Bürgenstock» durch. Ähnliches geschah mit dem Dörfchen Kirsiten, das Bucher in Kehrsi- ten umbenannte, sobald dort die Dampfschiffe mit Passagieren zum Bürgenstock anlegten und wie- der wendeten, also umkehrten.

181 Gaulis et al. 1976, 7. 182 Flückiger-Seiler 2001, 67 183 Flückiger-Seiler 2001, 67. 184 Schleifer 1998, 82. 55

Bucher zeigte als Bauherr und Architekt ein feines Gespür für die Ansprüche des elitären Aussichts- tourismus. So baute er 1888 eine Drahtseilbahn, um den Gästen eine angenehmere und schnellere Anreise als über die bisherige Fahrstrasse zu bieten. Um den Gästen die neuesten technischen Errun- genschaften eines Stadthotels wie zum Beispiel elektrische Beleuchtung und Hotellift bieten und die Drahtseilbahn betreiben zu können, nahm Bucher in Buochs ein eigenes Elektrizitätswerk in Betrieb. Den Glanzpunkt setzte er 1905 mit dem Bau des Felsenweges und des Hammetschwandliftes, mit denen er den Gästewünschen nach aussichtsreichen und spektakulären Promenaden entgegen kam.185 Die Nachfrage war von Beginn weg riesig: Manche ausländische Gäste warteten in Luzern zwei bis drei Wochen auf ein freies Zimmer im Grand Hotel Bürgenstock. Der Erfolg Buchers gründete nicht nur auf seiner Hartnäckigkeit und seinem Gespür für das Luxusge- schäft, sondern auch auf der aktiven Einbindung seiner Nachkommen in den Familienbetrieb. Schwiegersöhne mit fachlichen Kenntnissen als Arzt oder Kellner wurden von Bucher gezielt als Chef de service oder Kurarzt in die Verantwortung des Betriebs eingebunden.186 Nur dank dem Einbezug aller familiären Kräfte war es Bucher möglich, seine weiteren Pläne umzusetzen und sein Hotelimpe- rium aufzubauen. So waren es vornehmlich seine Kinder, welche den Betrieb auf dem Bürgenstock leiteten, während Bucher den Bau neuer Hotels auf dem Stanserhorn, in Luzern, Genua, Montreux, Basel und letztlich Kairo sowie seine diversen Standseilbahnprojekte in Lugano und Genua, auf den Bürgenstock und den Mont Pélérin oder nach Braunwald vorantreiben konnte. Bucher kombinierte beim Ausbau seines Hotelimperiums mit sicherem Gespür Stadthotels und ländliche Aussichtshotels und war damit perfekt auf die Reisebedürfnisse der Belle Epoque ausgerichtet, stiegen doch viele Reisende zwecks Akklimatisation zuerst in der Stadt ab, um dort auf ein freies Zimmer im Berghotel zu warten.187

Abb. 55 (links): Aussicht vom Bürgenstock auf Vierwaldstättersee und Berge. Ausschnitt aus dem Hotelprospekt des Hotels Honegg auf dem frühen 20. Jahrhundert. (StANW: PA 301: A16) Abb. 56 (rechts): Die zahlreichen Hotels Franz Josef Bucher auf einen Blick in einem Inserat im Luzerner Fremdenblatt von 1918. (StANW: P 16-2) Mit dem Bau der Stanserhornbahn reagierte Bucher erneut pionierhaft auf neueste Entwicklungen in der Fremdenindustrie, wo Ende des 19. Jahrhunderts eine Demokratisierung des Reisens von breiten Gesellschaftsschichten einsetzte. Die Bahnfahrt zum Aussichtsberg sollte seiner Meinung nach «mit

185 Flückiger-Seiler 2001, 72. 186 Cuonz et al. 1998, 68-69. 187 Flückiger-Seiler, 2001, 85. 56 einer billigen Fahrtaxe auch Unbemittelten *…+ ermöglichen, von erhabener Warte aus die Schönhei- ten der Thäler und Berge der Schweiz *…+ zu bewundern.»188

Abb. 57: Das Stanserhorn als Aussichtsberg. Hochalpenerlebnis für jede Frau und jeden Mann aus sicherer Entfer- nung mithilfe der neuesten Technik. (STANW: Fotoal- bum Bucher- Durrer; OD 3-5/5)

Während er offiziell den Bau der Bahn mit der Öffnung des Fremdenverkehrs für weniger vermögen- de Schichten zu begründen suchte, steckten dahinter knallharte geschäftliche Interessen und auch ein verletzter Unternehmergeist. Zweck der Bahn sei es, so schrieb Bucher im Konzessionsgesuch, «einen prachtvollen, dem Pilatus ebenbürtigen, ja diesen in vielen Beziehungen übertreffenden Aus- sichtspunkt inmitten einer lieblichen Alpenwelt dem Fremdenverkehr zugänglicher zu machen».189 Ihm, dem bisher alles gelungen war und dem alle Türen offen standen, hatte man das Verwaltungs- ratspräsidium der 1889 erbauten Pilatusbahn verweigert. Es lässt sich wohl nur mit dem verletzten Ego des einflussreichen Hotelunternehmers erklären, dass Bucher das Projekt einer Bahn und eines Aussichtshotels auf dem Stanserhorn gegen den Widerstand seiner Familie und Erben vorantrieb.190

Die Familie sollte mit ihrem Widerstand insofern Recht behalten, als die Stanserhorn-Betriebe bis zum Ende der Belle Epoque nie wirklich rentierten. Um die Rentabilität zu erhöhen und den Ausflugs- verkehr zum Stanserhorn anzukurbeln, griff Bucher zu neuen, damals eher zweifelhaften Werbeme- thoden. Wer als Gast in Buchers Hotel Bürgenstock oder im Hotel de l’Europe in Luzern weilte, wurde mit dem Angebot eines Gratis-Mittagessens für eine Fahrt zum Stanserhorn geködert.191 Ohne Hem- mungen suggerierte er auf einem Werbeplakat eine in Wirklichkeit nicht existente Aussicht auf die Berner Hochalpen, setzte eine Kolonie Murmeltiere aus, um damit die gängigen Vorstellungen der Touristen von einem Bergerlebnis in den Schweizer Alpen zu befriedigen oder liess Luftballons mit einem angehefteten Billet für eine Gratisfahrt und –übernachtung auf dem Stanserhorn steigen.192

188 Cuonz et al. 1998, 51. 189 Cuonz et al. 1998, 51. 190 Cuonz et al. 1998, 51-52. 191 Der Kurort Bürgenstock. In: Europäische Wanderbilder 1901, 24. 192 Cuonz et al. 1998, 60. 57

Abb. 58: Ansichtskarte vom Stanserhorn mit retou- Abb. 59: Franz Josef Bucher auf dem Felsenweg chierter Sicht auf die Berner Alpen. (StANW: Samm- beim Stanserhorn. (StANW: Fotoalbum Bucher- lung Goetz; O_39_97) Durrer; OD 3-5/5)

Abb. 60: Eine weitere Werbeaktion Franz Josef Buchers war die Installation eines Scheinwerfers, der die Blicke in einem grossen Umkreis auf das Stanserhorn lenkte. Ausschnitt aus einem Prospekt zum Stanserhorn von 1939. (StANW: Archiv der Stanserhornbahn, P16) Mit diesen Werbeballon-Aktionen provozierte Bucher übrigens einen Vorfall, der sich 1912 in Wol- fenschiessen abspielte: Ein Heissluftballon, der mit Passagieren von Luzern aus zu einer Fahrt Rich- tung Stanserhorn gestartet war, wurde von einheimischen Gewehrschützen unter Beschuss genom- men, in der irrigen Meinung, es handle sich um einen Werbeballon des Stanserhorns mit einer ange- hängten Freikarte. Obwohl zu dieser Zeit bereits zahlreiche Heissluftballone die Region überflogen, 58 waren die Werbeballone des Stanserhorns bei den Einheimischen also offensichtlich bekannter und die Freikarten derart begehrt, dass sich dafür auch ein gezielter Schuss und das Risiko einer Gerichts- vorladung (zu der es dann auch kam) lohnten.193 Am Stanserhornprojekt zeigen sich beispielhaft die wesentlichen Charakterzüge des Unternehmers Bucher wie Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit, Selbstvertrauen, Risikofreudigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Glaube an neue technische Errungenschaften, Innovationskraft und ein unbändiger Tatendrang. In ihrer Summe charakterisieren sie das Wesen eines jeden Pioniers und – ergänzt mit dem sicheren Gespür fürs Geschäft – den wirtschaftlich erfolgreichen Pionier. Für die weitere Entwicklung des Nidwaldner Tourismus waren die Leistungen Buchers «unverzichtba- re Meilensteine».194 Obwohl oder vielleicht gerade weil er für viele Nidwaldner den Fortschritt ver- körperte, genoss er in der breiten Bevölkerung und auch in der Politik weit weniger Goodwill als an- dere Hoteliers wie beispielsweise Kaspar Blättler.

4.1.2 WEITERE HOTELPIONIERE DER ZENTRALSCHWEIZ Ähnlich visionär und technikbegeistert wie Franz Josef Bucher war vor ihm mit Kaspar Blättler bereits ein anderer Unterwaldner Hotelpionier gewesen.195 Anders als Bucher prägte der 1791 geborene Blättler die Anfangsphase des Zentralschweizer Fremdenverkehrs. Seine Berufung zum Hotelier ent- deckte der Bauunternehmer, Papierfabrikant und freisinnige Kantonspolitiker erst spät. 1857 eröff- nete er im Rotzloch, wo er eine Papierfabrik betrieb, ein Hotel mit Badetrakt, um die dort sprudeln- den Schwefelquellen für Kurtouristen zu nutzen. Abb. 61: Ansichtskarte vom Hotel Rotzloch aus der Zeit nach Kaspar Blätt- ler (StANW: OD 1-10/7-9)

Um die schlechte Verkehrserschliessung durch die Dampfschiffbetriebe, die den Alpnachersee um- fuhren, zu verbessern, kaufte Blättler kurzerhand selber ein Dampfschiff, um die Gäste zum Hotel zu transportieren. Dabei spielte wohl nicht nur das Bewusstsein mit, dass zwischen Verkehrserschlies- sung und erfolgreicher Hotellerie ein enger Zusammenhang bestand, sondern auch seine Technikbe- geisterung. Eine Saison vorher hatte Blättler zusammen mit seinem Schwiegersohn mit der Erschlies- sung des Pilatus-Gipfels begonnen, wo er 1860 das Hotel Klimsenhorn eröffnen konnte.

193 Staatsarchiv Nidwalden, P 16: Archiv Stanserhorn-Bahngesellschaft. 194 Schleifer 1998, 82. 195 Nachfolgende Ausführungen zu Kaspar Blättler aus Schleifer 1998, 77-80. 59

Ebenso wie später Franz Josef Bucher charakterisierten Kaspar Blättler eine risikofreudige und zupa- ckende Art, eine breite Vernetzung in Wirtschaft und Politik sowie die Einbindung seiner Familie in seine Hotelprojekte. Anders als Bucher genoss Blättler aber auch den Ruf eines am Gemeinwohl und am Aufschwung der kantonalen Volkswirtschaft interessierten Mannes. Reiseführer beschrieben den Rotzloch-Hotelier nicht nur als «eben so unternehmenden, als beharrlichen» Mann, sondern auch als «gemeinnützig» und «anspruchslos».196 Anders als Bucher blieb Blättler trotz seines Erfolgs und wachsenden Reichtums bescheiden und genoss deshalb weitherum eine grosse Beliebtheit. In Seelisberg prägte Michael Truttmann den Fremdenverkehr wie die Gemeinde. 1833 als Bauernbub geboren, wurde er bereits mit 19 Jahren Mitbesitzer des Seelisberger Gasthauses Sonnenberg, das er sukzessive baulich erweiterte, so dass er Mitte der 1860er-Jahre bereits 200 Gäste beherbergen konnte. Aufschwung erhielt sein Betrieb auch dank des Dampfschiffs, das seit 1854 die neue Station Treib anlief. Truttmann erkannte bald die Zeichen der Zeit und die Chancen, die der neue Gesund- heitsdiskurs der Fremdenindustrie eröffnete. 1868 erwarb er die benachbarte Kuranstalt Schöneck und erweiterte rasch ihr Angebot, um aus ihr eine Wasserheilanstalt mit Renomée zu machen. Ab 1870 gehörten Duschanlagen, Schwitz- und Ba- dezimmer zur Ausstattung der Kuranstalt. Ihre drei Gebäude waren untereinander mit einem elektri- schen Läutwerk verbunden und verfügten über eine Telegrafenverbindung nach Seelisberg und Em- metten. Nicht nur die Telegrafenleitung, sondern auch die Strasse nach Emmetten hatte Truttmann auf eigene Kosten erstellt. 1875 eröffnete der umtriebige Truttmann, vom Erfolg seines Kurbetriebs in der Schöneck inspiriert, das Grand Hotel Sonnenberg, das mit seinen fünf Stockwerken und dem 40 Meter hohen Kuppelturm sofort zum Seelisberger Wahrzeichen wurde.

Abb. 62: Werbekarte zum Kurhotel Sonnenberg bei Seelisberg mit seiner eindrücklichen, gestuften Parkanlage im Zentrum der Karte. Darum gruppieren sich auf einen Blick Ansichten zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Datum unbekannt, vermutlich nach 1875. (ZHBLu: URa 18:3:3) Die Leitung des Kurbetriebs Schöneck übernahm fortan sein Schwager, so dass Truttmann davon entlastet war, aber indirekt doch noch immer die Kontrolle über den Betrieb behielt. Als Truttmann das Grand Hotel Sonnenberg auf 300 Gästezimmer ausbaute, war es ebenfalls ein Schwager, der als

196 Schleifer 1998, 78. 60

Architekt den Umbau leitete.197 Ähnlich wie Bucher und Blättler verteilte also auch Truttmann die wachsende Aufgabenlast der Hotelführung auf Angehörige der engeren Familie. Um die Erreichbarkeit seiner Betriebe möglichst optimal zu gewährleisten, war das Familienunter- nehmen der Hotelbetriebe Schöneck und Sonnenberg an gut ausgebauten Strassen und Dampfschiff- verbindungen interessiert. Truttmann und sein Schwager, Carl Bosinger, engagierten sich deshalb in der Gemeinde und im Kanton für Infrastrukturbelange und hatten nebst der Arbeit als Hotelbesitzer eine Unmenge politischer Ämter inne.198 Auch der Erbauer des Hotels Nünalphorn in Flüeli-Ranft, Franz Hess, erkannte die Wichtigkeit der Erschliessung seines Betriebes mit Fahrstrasse und Postbetrieb und baute kurzerhand gleich selber eine Brücke, um sein Hotel für Kutschen erreichbar zu machen. Auch er war bestrebt, seinen Gästen den neuesten Luxus zu bieten. Bereits bei der Eröffnung 1896 verfügte sein Hotel über elektrische Beleuchtung und vergleichsweise früh über eine Telefonverbindung. Über das übliche Angebot hin- aus bot Hess sehr früh Etagenbadezimmer, Diäten nach dem Vorbild von Dr. Bircher sowie eine ver- glaste Veranda für Spaziergänge bei Schlechtwetter an. Vom Netz der Wander- und Spazierwege, die u.a. zu der von Hess 1893 erbauten Brücke und zum Pilgerort Flüeli-Ranft führten, liess Hess für seine Gäste eigens eine Wanderkarte drucken. Zum Hotelangebot gehörten auch organisierte Ausflüge wie zum Beispiel mehrtägige Kutschenfahrten ins Berner Oberland oder – später – eine Carfahrt zum Rhonegletscher.199 Ein Weiher in der Umgebung lieferte Eis für die Hotelküche und diente den Gäs- ten als Eislauffläche. Mit seiner umtriebigen Art und dem Zukauf weiterer Gasthöfe und Hotelbetrie- be in der näheren Umgebung sowie einer Sägerei und eines Bauernhofs als Zulieferbetrieb für seinen Hotelbetrieb machte sich Hess in der einheimischen Bevölkerung offenbar nicht sehr beliebt. Sein grosser Besitz schürte nicht nur den Neid, sondern auch ein Misstrauen im Dorf, er könnte zuviel kontrollieren und bestimmen wollen.200 Abb. 63: Täglicher Milch- transport durch die Eselin Fanny für das Kurhotel Nü- nalphorn von der Alp direkt in die Hotelküche. Milch und Butter wurden stets kühl serviert. Das dazu nötige Eis wurde aus einem Weiher in Flüeli gebrochen und im Eiskeller des Hotels eingela- gert. (aus: Hirtler/Gasser 1999, 143)

Ein weiteres Beispiel eines hartnäckigen und letztlich erfolgreichen Hotelunternehmers war der Wirt des Gasthauses Rössli Fridolin Fassbind-Steinauer in Brunnen. Sein Gasthaus erlangte mit dem Auf- enthalt Ludwigs II von Bayern im Sommer 1865 Weltberühmtheit. Wohl nicht zuletzt dank dieser vorzüglichen Werbung für den Kurort Brunnen plante Fassbind die Eröffnung eines Grandhotels,

197 Zimmermann 1999, 19-26; Flückiger-Seiler 2001, 143. 198 Zimmermann 1999, 62ff. 199 Von Flüe 1996, 31. 200 Von Flüe/Cuonz 1996, 48. 61 musste das Projekt über Jahre hartnäckig gegen Widerstände und politische Ränkespiele verteidigen. 1870 konnte er trotz aller Widerstände mit dem Hotel Waldstätterhof das zweite Grandhotel in der Region eröffnen. Seine Nachfahren pflegten sein Erbe weiter und bauten sukzessive ein Hotelimperi- um im Familienbesitz auf, das Hotels in Engelberg, Rigi-Klösterli und Rigi-Kaltbad sowie in Lugano umfasste.201 Erstes Grandhotel in der Region Brunnen war jedoch das Hotel Axenstein in Morschach. Sein Besitzer Ambros Eberle verfügte als Kantonsrat über die nötigen politischen Netzwerke, um sein Projekt des ersten Grandhotels der Region rasch vorantreiben zu können. Zudem erkannte er wohl nicht zuletzt dank seiner Nähe zum politischen Diskurs schneller als andere die überregionale Bedeutung der Axenstrasse als Touristenmagnet, die 1865 eröffnet worden war. Ein Hotel in der Nähe dieser neuen Panoramastrasse musste in seinen Augen ganz einfach Erfolg haben. Zumal der Ort, wo es zu stehen kommen sollte, mit dem Besuch von Queen Victoria bereits höchstes königliches Lob und dadurch beste Werbung in ganz Europa erhalten hatte. 202 Der Erfolg all dieser Männer als Pioniere im Zentralschweizer Hotelwesen beruhte nicht zuletzt auch auf einem soliden familiären Umfeld und auf einer starken Frau im Hintergrund. Sämtliche der be- schriebenen Hoteliers hatten eine tatkräftige Frau zur Seite, die ihren Mann bei der Leitung des Ho- telbetriebs entscheidend entlastete und oftmals ganze Bereiche des Betriebs ohne Zutun des Ehe- manns kontrollierte und führte. Meist blieben die Leistungen dieser Hoteliersfrauen im Hintergrund. Eine Ausnahme ist die Hotelière Rosa Dahinden auf Rigi-Kaltbad. Sie gilt als Pionierin des Wintertou- rismus in der Zentralschweiz. In den späten 1870er-Jahren begannen mit Davos und St. Moritz die ersten Schweizer Kurorte, in der Wintersaison Hotels zu öffnen und Infrastrukturen wie Eis- und Bob- bahnen für sportbegeisterte Wintersportler anzubieten. Obwohl die Rigi dank ihrer Nähe zu den städtischen Zentren ein leicht erreichbarer und damit ein idealer Ort für Wintertouristen gewesen wäre, stellten die Rigi-Bahnen ihren Betrieb im Winter jeweils ein. Es ist der Hartnäckigkeit der enga- gierten Hoteliersgattin Rosa Dahinden zu verdanken, die in Kaltbad das Hotel Bellevue betrieb , das Potential des Wintertourismus erkannte und ihren Betrieb ab 1905 auch im Winter öffnete, dass die Rigi-Bahnen ab 1907 auch im Winter fuhren – wenn auch vorerst nur bei ausreichenden Reservatio- nen.203 Im Gegensatz zu ihren männlichen Berufskollegen Bucher, Blättler, Eberle, Truttmann und Co., die allesamt im Historischen Lexikon der Schweiz Erwähnung finden, ist die Leistung Rosa Dahin- dens und vieler weiterer Hoteliersfrauen für den Zentralschweizer Tourismus in der Literatur leider bisher noch kaum gewürdigt werden.

201 Flückiger-Seiler 2001, 79. 202 Flückger-Seiler 2001, 149. 203 Bänziger 1978, 64; Kälin 2012, 190ff. 62

Abb. 64: Werbegrafik für das Hotel Bellevue in Rigi-Kaltbad, wo Rosa Dahinden wirkte. Auf einen Blick vereint das Bild die wesentlichen Merkmale des damaligen Rigi-Wintertourismus: Zum Aussichtstourismus mit Sonnenaufgang, Nebelmeer und Sicht auf See und Hochalpen gesellt sich der Wintersportzug der Vitznau-Rigi-Bahn (ganz links im Bild) sowie alle möglichen Trend-Wintersportarten der damaligen Zeit – und mittendrin das Hotel von Rosa Dahinden. Autor: Art Institut Orell Füssli Zürich. Datum unbekannt. (StALU: FDC 50/304)

Abb. 65: Wintersportzug auf der Rigi mit Blick auf die Hochalpen und auf Rigi-Kaltbad, wo Rosa Dahinden wirkte. Abb. 66: Konsequenz des Winterbetriebs: Schneebrucharbeiten mit dem Schneepflug bei Staffel. Beide Fotos von J. Gaberell, unbekanntes Datum. (StALU: FDC 50/1 u. FDC 50/6)

63

4.2. GASTFREUNDSCHAFT Eine klare Einschätzung der Zentralschweizer Gastfreundschaft aufgrund der historischen Quellen ist kaum möglich. Die Aussagen der Reisenden zu diesem Thema sind ambivalent und zudem stark ge- prägt von ihrem sozialen Hintergrund und ihrer Erwartungshaltung. «It may be laid down as a general rule that the wants, taste and habits of the English are more care- fully and successfully studied in Swiss inns. *…+ Thus at most of the large inns there is a late table d'hôte dinner at 4 or 5 o'clock, expressly for the English; and the luxury of tea may always be had in perfection.» [ Zu Deutsch: «Es kann als allgemeine Regel festgehalten werden, dass die Geschmäcker und Gewohnheiten der Engländer in Schweizer Gasthäusern umsichtiger und erfolgreicher studiert werden. Die meisten bieten speziell für die englischen Gäste zwischen vier und fünf Uhr eine table d’hôte an, und der Teegenuss wird immer perfekt zelebriert.» ] Die Schweizer Hotels und Hoteliers erfüllten die hohen Ansprüche und ausgefallenen Wünsche der englischen Reisenden mit Professio- nalität und Perfektion, hebt Murray’s Handbook 1838 die Schweizer Gastlichkeit lobend hervor.204

Abb. 67: Inszenierte Gastfreundschaft. Für den Fotografen nachgestellter Umtrunk für erschöpfte Wanderer vor dem 1869 eröffneten Hotel Felsentor auf dem Weggiser Weg zur Rigi. Datum und Fotograf unbekannt. (StALU: FDC 50/308) Der Tenor der Reiseberichte ging eher in eine andere Richtung: die Schweizer seien ungastlich und primär nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. «Wo kein Geld, da ist kein Schweizer» machte als ge- flügeltes Wort Mitte des 19. Jahrhunderts die Runde unter den Reisenden.205 Reiseführer mit grosser Leserschaft wie derjenige von Karl Baedeker erwähnten ab den 1840er- Jahren die negativen Auswüchse des Schweizer Fremdenverkehrs wie bettelnde Kinder und alkoholi- sierte Träger und Führer. Andere führten gar «schwarze Seiten», auf welchen sie Schweizer Gasthäu- ser mit einem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis aufführten.206

204 Beattie 2006, 170. 205 Ott 1990, 28 und Cooper 1836, 213. 206 Wyler 2000, 23-24. 64

4.2.1 HOHE ERWARTUNGEN AN SCHWEIZER GASTFREUNDSCHAFT Wie lässt sich die ambivalente Beurteilung der Schweizer Gastfreundschaft erklären? Einerseits mit den unterschiedlichen Erwartungen der Reisenden, andererseits auch damit, dass nicht dasselbe bewertet wurde. Während man zur professionellen Gastfreundschaft der Schweiz, also zu den Hotels, den Hotelpatrons und ihrem Personal mehrheitlich lobende Töne hörte, waren die Mel- dungen zur Gastlichkeit der Schweizer Bevölkerung deutlich zwiespältiger bis negativ. Im Laufe des 18. Jahrhunderts hatte sich die Schweizer Bevölkerung in der bürgerlichen Öffentlichkeit Europas den Nimbus eines tugendhaften und bescheidenen Hirtenvolks erworben, das ohne finan- zielle Bedürfnisse lebe und einen fast naiven Umgang mit Geld pflege. Sie, die früher als rückständig und primitiv gegolten hatten, wurden nun als Vertreter eines einfachen und natürlichen Lebensstils hochstilisiert.207 Der Reisende des frühen 19. Jahrhunderts kam somit mit einer vorgefassten, von Bildern und Berichten geprägten Schablone in die Schweiz, und entsprechend hoch waren seine Er- wartungen. Dass sie enttäuscht werden mussten, war nur eine Frage der Zeit. Denn allein die zuneh- mende Zahl von Reisenden, welche die Alpenidylle erleben wollten, verhinderte das individuelle, einzigartige Erlebnis, das sich jeder Reisende in der Schweiz erhoffte. Es erstaunt denn auch nicht, dass sich die Misstöne zur Gastlichkeit der Schweizer verstärkten, als die Zahl der englischen Touris- ten auf dem Kontinent nach 1815 in die Höhe schnellte. In den britischen Medien machten Witze über die Schweizer, aber auch über Beschwerden über die Touristeninvasion die Runde.208 Zwischen 1830 und 1870 erreichte die Zahl der englischen Touristen in der Schweiz ihren Höchst- stand. Mit ihren Ansprüchen an Gastlichkeit, Luxus und Vergnügungsmöglichkeiten machten sie die touristischen Brennpunkte der Schweiz zum Playground of Europe. Die heutige Forschung sieht im fordernden und oft auch arroganten Auftreten der englischen und später der deutschen Touristen eine Form von Kulturimperialismus.209 Zahlreiche Beispiele belegen, dass es zwischen den elitären, luxusverwöhnten Reisenden und der einfachen, oft nur rudimentär gebildeten Bevölkerung zu einem eigentlichen clash of cultures kam. Die luxuriösen Hotelbauten mit den für die Gäste vorbehaltenen Sport- und Spazieranlagen, die man in der Belle Epoque für die grossbürgerlichen Touristen errichte- te, zementierten die Unterschiede noch zusätzlich. Mit den grosszügigen Grandhotels an bester Lage direkt am See und oft in reichlichem Abstand zum nächsten Dorf brachte man die soziale Trennung zwischen reichen Touristen und armen Einheimischen baulich offen zum Ausdruck. Dergestalt sepa- riert vom Alltag der Einheimischen, nahmen die Touristen das reale Leben ausserhalb der Hotelanla- gen kaum wahr. Die lokale Bevölkerung kannten sie nur als Bergführer, Träger oder Hotelangestell- te.210 Entsprechend wenig Verständnis hatten sie für deren alltägliche Lebenswelt. Gekoppelt mit einem oftmals fordernden und elitären Auftreten, lösten die fremden Gäste und der Luxus, den man für sie bereitstellte, bei der lokalen Bevölkerung Widerstände aus. Das Grandhotel Rigi-Kaltbad ver- suchte, diesem Umstand in seinem Hotelprospekt mit einer Art «Benimmregel für Gäste» entgegen- zuwirken: «Doch ist der Älpler des Rigi, wenn er vom Fremden nicht von oben herab behandelt wird, ein liebenswürdiger, entgegenkommender Mann, der gern alle Auskünfte giebt und auf dem Fuss von gleich zu gleich mit ihm plaudert.»211

207 Dirlinger 2000, 227-233. 208 Dirlinger 2000, 230. 209 Hanley/Walton 2010, 30. 210 Flückiger-Seiler 2001, 45. 211 Kälin 2012, 81. Das Datum des Prospekt ist leider unbekannt. 65

4.2.2 RESERVIERTHEIT UND GESCHÄFTSTÜCHTIGKEIT DER SCHWEIZER IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KRITIK Die Einheimischen begegneten den Fremden oft schon allein wegen ihrer fremdartigen Beschäfti- gungen mit Misstrauen. So sind aus der Zentralschweiz mehrere Fälle von Zeichnern und Panora- menmalern bekannt, die von den Bauern und Sennen argwöhnisch als verdächtigte Elemente behan- delt wurden. Der Reiseführer von Johann Gottfried Ebel empfahl den Reisenden denn auch, sofort mit dem Zeichnen aufzuhören, sobald sich Einheimische näherten, um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.212 Die Zentralschweizer Bevölkerung war kein Einzelfall. Auch in anderen Regionen der Schweiz reagierten viele Einheimische skeptisch auf die Fremden und auf die allmähliche Umnut- zung der Alpen zugunsten der Fremdenindustrie.213

Abb. 68 und 69: Zwei Karikaturen aus dem Nidwaldner Kalender mit den Titeln „Wallfahrten einst, jetzt und in Zukunft“ (1899, S. 48) und „Moderne Krankheiten: Das Bergfahrtfieber“ (1903, S. 52) bringen die Skepsis der einheimischen Bevölkerung gegenüber den neumodi- schen Sitten der fremden Gäste schön zum Ausdruck.

Neben dieser Reserviertheit gegenüber dem Fremden entwickelte sich in der Schweiz gleichzeitig auch rasch ein geschäftstüchtiger Sinn für den Profit, den man aus dem Fremdenverkehr ziehen konnte. Diese Geschäftstüchtigkeit war den Kritikern besonders ein Dorn im Auge. 1858 zählte der Reiseschriftsteller Gustav Rasch in einer Humoreske im Detail auf, wie den Reisenden in der Schweiz das Geld abgeknöpft werde. Vor Beginn der Sommersaison würden die Berggasthäuser notdürftig geflickt und mit «wackligen Tischen und ungepolsterten Sofas» aus den Dörfern im Tal bestückt, die «Hecken und Einfriedungen der Alpenwiesen und Alphütten beschaut, um zu sehen, ob es nicht mög- lich sei, noch einen neuen eintrittspflichtigen Durchgang anzubringen. Die festen Stege über die Bäche werden lose aufgelegt, um fortgezogen und für Trinkgelder benutzt werden zu können. *…+ Tausende

212 Kälin 2012, 52. 213 So zum Beispiel in Zermatt, wo man sich vor steigenden Lebenshaltungskosten fürchtete und eine Arbeit in der Fremdenindustrie ablehnte; mit Ausnahme des Bergführerberufs, der in der lokalen Bevölkerung ein hohes Presti- ge genoss. Antonietti 2000, 52ff. 66 von Schweizerbuben machen sich fertig, in allen Tälern, vor allen Wirtshäusern und auf allen Bergpäs- sen die Hände aufzuhalten, neben Saumtieren und Extraposten herzulaufen und ihre jährliche Som- mercentimes-Ernte zu beginnen. *…+ Das Landschaftsgeschäft beginnt und die viermonatige Volksko- mödie wird in allen Tälern und auf allen Berggipfeln der Alpen vorbereitet.»214 Auch der Maler Adol- phe Desbarolles beklagte sich 1861: «Die Sehenswürdigkeiten der Natur, die früher jedem Durchrei- senden zugänglich waren, sind heute hinter Schranken abgesperrt. *…+ zahlen für alles und jedes, und das zu willkürlichen Preisen. *…+ Mit allem wird in diesem Land ein Geschäft gemacht, sogar mit dem Liebreiz der Kinder.»215 Der bei den Touristen sehr beliebte Führer von Baedeker zementierte diese Sicht vollends mit der Bemerkung: «Unter allen Gestalten und Vorwänden werden Anläufe auf den Geldbeutel eines Reisenden genommen.»216 Die Kritik am Schweizer Tourismusgeschäft auf die Spitze trieb der französische Schriftsteller Alphon- se Daudet, dessen Romanfigur Tartarin de Tarascon Mitte der 1880er-Jahre auf einer Reise über den Vierwaldstättersee von seinem Landsmann Bompart erfährt: «Die Schweiz, Herr Tartarin, ist gegen- wärtig nur noch ein großer vom Juni bis zum Oktober geöffneter Kursaal, ein Casino-Panorama, wohin man aus allen vier Himmelsrichtungen zu seiner Zerstreuung sich begibt, und das von einer ungeheuer reichen Compagnie mit hundert Millionen Milliarden ausgebeutet wird, die ihren Sitz in Genf und Lon- don hat. Ein wahres Heidengeld hat es natürlich gebraucht, um dieses ganze Gebiet, Seen, Wälder, Berge und Wasserfälle zu pachten, sauber auszuputzen und zu schmücken, um ein ganzes Volk von Angestellten und Statisten zu besolden, und auf schwindelnder Höhe glänzende Hotels mit Gas, Tele- graph, Telephon zu erbauen.»217

4.2.3 BETTELEI ALS BEGLEITPHÄNOMEN DES REISENS Verständlicherweise störten sich die Reisenden besonders an offensichtlichem Bettel, der mit keiner Dienstleistung verbunden war. Wobei hier die Grenzen natürlich fliessend waren: Bettelei war und ist ein Begleitphänomen des Tourismus und des Reisens bis in die Gegenwart und erklärt sich oft allein aus dem Aufeinanderprallen der verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten: hier der (vermeint- lich?) reiche Tourist und da die einfache einheimische Bevölkerung. So waren denn die Klagen der Reisenden im 19. Jahrhundert nicht allein auf die Schweiz beschränkt, sondern gehörten zu jeder angesagten Tourismusdestination. Je mehr ein Tourismusziel im Trend war, desto mehr häuften sich auch die Klagen zur Bettelei. In der Zentralschweiz wurden erste vereinzelte Klagen zur Bettelei rund um das Pilgerziel Einsie- deln218 schon früh abgelöst von der Kritik an der Bettelei und an den Geschäftspraktiken der Einhei- mischen rund um die Rigi. Bereits 1817, also mit dem Einsetzen der ersten Reisewelle nach dem Wiener Kongress, beklagte sich der Reisende Ulrich Hegner über die Auswüchse auf der Rigi bei der Werbung um fremde Gäste der Pferdehalter, Träger und Schiffer: «Bald gesellte sich ein armer Alter zu uns, der schon frühmorgens den Frauen Blumen angetragen, und dafür etwas empfangen hatte; es zeigte sich jetzt, dass er Schiffmann von Wäggis sey, der uns ein Fahrzeug empfahl, und sich zum Wegweiser nach unten anboth. Da er unabtreiblich war, mussten wir ihn mitlaufen lassen. *…+ Beim Staffel stand schon wieder ein Schiffer bereit, der sich ungebeten uns anschloss, uns das beste Schiff

214 Wyler 2000, 108. 215 Ott 1990, 28. 216 Carl Baedeker, Die Schweiz, 1844, zitiert in: Flückiger-Seiler 2001, 45. 217 Daudet 1886, 102f. 218 1786/87 berichtete der Deutsche Christian Gottlieb Schmidt im Rahmen seiner Schweizerreise von der grossen Bettlerschar, welche die Pilger in Einsiedeln geradezu bedrängen: «Schon viele Schritte zuvor ehe man an sie an- kommt, schreien sie einen an, ja sie fallen sogar recht abgefeimt auf die Knie und beten.» Zitiert in: Wyler 2000, 90. 67 und die sicherste Fahrt versprach; man hatte uns aber gewarnt, keinen Vertrag solcher Art zu schlies- sen, bis wir unten im Wirthshause von Wäggis wären.»219 Und 1824 berichtete Wilhelm Gerhard, dass «an den Landungsplätzen des Vierwaldstätter Sees *…+ gewöhnlich ein paar Knaben mit Fahnen und Armbrüsten» standen und «eine wohl studirte Rede» deklamierten, in der Hoffnung, dafür etwas Trinkgeld zu kassieren.220 Ähnliche frühe Klagen sind nur aus dem Berner Oberland und von der Gemmi bekannt, wo sich Reisende über die zu teuren Tarife der Schiffs- und Trägerdienste beklag- ten.221 Allein der frühe Zeitpunkt dieser Kritiken – der Hauptharst der «Schweiz-Kritik» setzte erst nach 1830 ein – liefert uns einen weiteren Beweis für die Pionierrolle, die der Rigi in der gesamt- schweizerischen Fremdenverkehrsentwicklung zukam. Die Berichte über Bettelei sind grundsätzlich eher mit Vorsicht zu lesen. Oftmals bezeichneten die Reisenden bereits das aufdringliche Anbieten von Waren oder Dienstleistungen als Bettelei. Dass sie durchaus eine Gegenleistung für ihr Geld angeboten bekamen, war angesichts des Missbehagens, das sie gegenüber den aufdringlichen Verkaufspraktiken empfanden, unwichtig. Miss Jemina Morell, die Tagebuchschreiberin der ersten Cook-Rundreise, bringt dieses Unbehagen deutlich zum Aus- druck: «Again, we are reminded that tourists are the staple commodity in the twenty-two cantons of as another band of parasites would feed upon us, or rather feed us, as they dangled bunches of cherries in our faces with the cry ‘Vingt centimes, vingt centimes!’ These cherry vendors regard us as their legitimate prey – they industriously reap a good harvest in their Rigi farms as they try every art and device to make us purchasers. We flatter ourselves that we have checked their im- portunities, but that bold girl, the ring-leader of the craft still advances. ‘Vingt centimes, vingt cen- times!’, she exclaimed. Disgusted, we ask each other how we shall get rid of such a nuisance. » [Zu Deutsch: «Einmal mehr wurden wir an die Tatsache erinnert, dass Touristen in den zweiundzwanzig Schweizer Kantonen das Hauptnahrungsmittel sind, als sich ein weiterer Schwarm Parasiten auf uns stürzte. Diesmal liessen sie Kirschen vor unseren Nasen baumeln und schrien ‚Vingt centimes, vingt centimes!‘ Die Kirschenverkäuferinnen sahen uns als ihre legitime Beute an. Im industriellen Stil stei- gern sie auf den Bauernhöfen der Rigi ihre Ernten und müssen dann mit allen Mitteln Abnehmer fin- den. Wir beglückwünschten uns, der Versuchung widerstanden zu haben, als sich uns ein kühnes Mädchen, die Anführerin der Gruppe, näherte und erneut schrie ‚Vingt centimes, vingt centimes‘. Angeekelt fragten wir uns, wie wir uns von diesem Ärgernis befreien könnten.»222 Der Tagebucheintrag sagt ebenso viel über die tatsächlich leicht aggressive Art der Kundenwerbung durch die Rigi-Bewohner aus wie über die Haltung der englischen Touristen, welche die Einheimi- schen als profitgierige Parasiten ansahen und ihre eigene Rolle als Haupteinnahmequelle der Schweiz überschätzten. Dass mancher Schweizer auf die herablassenden Unterstellungen solcher Schilderun- gen mit einem ungastlichen und zurückhaltenden Verhalten antwortete, ist naheliegend. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Tatsache, dass man in den von den Reisenden in Scharen besuch- ten Regionen der Schweiz wie rund um den Vierwaldstättersee sehr rasch den Fremdenverkehr als ergiebige Geldquelle entdeckt hatte, was dazu beitragen sollte, dass der ursprüngliche Ruf der Schweizer als uneigennützige, hilfsbereite und ehrliche Zeitgenossen allmählich unter Druck geriet.223

219 Weber 1991, 25. 220 Hentschel 2002, 288. 221 Wyler 2000, 97. 222 Miss Jemima’s Swiss Journal, 1962, 79-80. 223 Hentschel 2002, 289. 68

4.2.4 REGLEMENTE ZUR VERBESSERUNG DER GASTLICHKEIT Die Grenzen zwischen blosser Bettelei und aggressiver Kundenwerbung waren offensichtlich flies- send. An der Rigi hatte der «Rigi-Dienst», also der Transport der Reisenden, bis in die 1830er-Jahre unkontrollierbare Ausmasse angenommen. Immer mehr Gepäckträger, Sesselträger, Führer, Pferde- halter und Hotelboten drängten an den Schiffstationen zu den ankommenden Fremden. Schiffleute stiegen bis zum Kaltbad hinauf, um Gäste anzuwerben.224 Öfters war die Rede von Handgemengen und von gegenseitigem Lohndumping. Mit der Gründung von Transportgenossenschaften und kom- munalen und kantonalen Reglementen versuchte man die Situation zu beruhigen. Die Genossen- schaften verpflichteten ihre Mitglieder zu Nüchternheit und Höflichkeit im Dienst sowie zur Einhal- tung von fixen Tarifen. Am umstrittensten war die Festlegung einer fixen Reihenfolge der Träger- dienste durch den Kanton Luzern, womit man die Aufträge gerecht unter den Trägern und Pferdehal- tern verteilen und damit die aggressive Kundenwerbung und Belästigung der Gäste unterbinden wollte. Der Protest dagegen kam insbesondere von den Wirten, die nicht zu den Genossenschaften zugelassen waren und sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit beriefen. 1858 verlangten sie von den Bundesbehörden die Aufhebung der kantonalen Reglemente, die eine Qualitätsminderung beim Trägerdienst bewirkt hätten: «Sicherheit, Sauberkeit und freundliche Umgangsformen» seien auf der Strecke geblieben.225 Doch bereits kurz nach Aufhebung der kantonalen Tourordnungen 1859 durch Bundesbeschluss wurden wieder Klagen zu «anarchischen Verhältnissen in Weggis und Vitznau» laut, so dass 1862 eine neue, etwas flexiblere Regelung der Transportdienste eingeführt werden musste.

Trotz der Reglementierung der Pferde- und Trägerdienste durch neu geschaf- fene Genossenschaften und die Gemeinden kam es auch später immer wie- der zu Klagen. Bekanntes Beispiel ist die Schilderung von Jemima Morell, die 1863 mit der ersten Cook’schen Reisegruppe die Rigi besuchte: «We landed at Weggis, and if each man, boy and mulekeeper who attacked us had been a wasp and each word a sting, Weggis had possessed our remains. We were literally infested by, dogged and danced around by these importunates. Our efforts and ruses to evade them were numerous and varied. The last hope of the applicants were only finally crushed by la plus jolie dame announcing we had been up Mont Blanc! That was too much for even a Rigi man to equal. Abb. 70: Die Rigiträger They fell back speechless before such climbers, and finally allowed la plus mochten zwar in den Augen mancher Reisender jolie dame and the mountain Amazons to pass unseized.» [Zu Deutsch: «Wir teuer und aufdringlich legten in Weggis an. Und wenn jeder Bergführer und Maultierführer, der auf sein, leisteten aber zwei- uns losstürmte, eine Wespe gewesen wäre und jedes Wort ein Stich, lägen felsohne auch Schwer- arbeit. unsere Gebeine jetzt in Weggis. Dieses aufdringliche Volk tanzte um uns her- um, hängte sich an uns und versperrte uns den Weg. Wir versuchten mit allen Mitteln, ihnen zu ent- kommen, und als wir schon fast resignierten, gelang das Wunder unserer plus jolie dame [= Miss Mary]. Sie erzählte den Belästigern ‚We've just been up the Mont Blanc!‘ Das war zu viel für die Rigi- männer. Sprachlos liessen sie uns, die Mont-Blanc-Amazonen, passieren.»]226 Dieses Gezerre um die Regelung des Transportgewerbes zeigt, wie hart umkämpft und lukrativ das Geschäft mit den Frem- den war. Bis zur Inbetriebnahme der Vitznau-Rigi-Bahn hatten denn auch zahlreiche Wirte dank der Transportdienste ein sehr gutes Geschäft gemacht.227

224 Kälin 2012, 100. 225 Kälin 2012, 105. 226 Miss Jemima’s Swiss Journal, 1962, 78-79. 227 Kälin 2012, 108. 69

Weil sie auf einen kleinen lokalen Radius beschränkt waren, herrschte zwischen den Transportanbie- tern oft eine Konkurrenz, die in den Reiseführern scharf kritisiert wurde. Besonders akzentuiert schien die Situation ausser bei der Rigi auch beim Gotthard zu sein, wo sich Reisende über lange Wartezeiten, hohe Preise und ungerechtfertigte Halte beschwerten. Allerdings gibt es auch Gegen- stimmen, die von einer zu hohen Erwartungshaltung der (englischen) Reisenden sprachen. Trotz die- ser Einwände führten die Beschwerden zu kantonalen Regelungen des Transportwesens, die man über die Times gezielt an die englischen Leserinnen und Leser kommunizierte, um so die Gemüter zu besänftigen.228 Konkurrenz war offenbar auch im Hotelgeschäft eher schädigend für die Gastfreundschaft. Dies erstaunt auf den ersten Blick, weil man aus heutiger Sicht erwartet, dass sich Konkurrenz förderlich auf das Preis-Leistungs- Verhältnis der Anbieter auswirkt. In der damaligen Zeit manifestierte sich die Konkurrenz allerdings primär in Werbeaktionen, die von den Gästen offenbar als äusserst lästig empfunden wurden. Ähnlich wie die Transporteure versuchten auch die Hotels, sich gegenseitig die Gäste abzuwerben und belästigten die Reisenden bereits bei ihrer Ankunft an der Schiffstation mit Werbezetteln und aufdringlichem Anpreisen ihrer Unterkünfte. Die Werbe- bemühungen akzentuierten sich mit dem Bau des Hotels Schreiber 1875 auf Rigi-Kulm, das mit dem ebenfalls neu sanierten Regina Montium auf Rigi-Kulm in eine unge- sunde Konkurrenz trat.229 An der Rigi zeigten sich in aller Deutlichkeit die negativen Auswirkungen des Touristenbooms auf die Gastfreund-

Abb. 71: Beispiel für die Festlegung der Transport- schaft. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erachteten die tarife auf die Rigi durch die Luzerner Regierung. Gäste die Preise auf der Rigi im Vergleich zu anderen Rei- Vom 21. August 1871. (ZHBLu: Rlb 2:4:1) sezielen noch als moderat. In der zweiten Jahrhundert- hälfte verkam die vorher friedliche Bergwelt der Rigi zum Rummelplatz und wurde von Mark Twain folgerichtig als «exhibition ground» bezeichnet.230 Mit der Eröffnung der Vitznau-Rigi-Zahnradbahn erlebten die Gästezahlen auf der Rigi nochmals einen Entwicklungsschub. Trotz einem stetigen Aus- bau der Hotels waren die Unterkünfte sehr beengt, so dass die Gäste in manchen Nächten zu fünft oder zu sechst in einem Zimmer schlafen mussten. Die Angestellten versuchten aus dieser Situation einen Nutzen zu ziehen, indem sie ihre Personalzimmer zu überhöhten Preisen an Gäste unterver- mieteten. Die grosse und anspruchsvolle Gästeschar –in der Sommersaison 1875 sollen allein in den Hotels auf Rigi-Kulm schätzungsweise 15‘000 Besucher übernachtet haben – führte vor allem punkto Verpflegung zu grossen logistischen Herausforderungen.231 Trotz früherer Regelungsbemühungen der Behörden erfolgte eine systematische Verbesserung der Gastfreundschaft und damit auch ein Rückgang der Kritik an der Ungastlichkeit der Schweiz erst ab den 1880er Jahren, was nach Meinung Laurent Tissots zu einem grossen Teil den Reiseagenturen wie derjenigen von Thomas Cook zu verdanken war, die mit ihrem Forderungskatalog und dem nötigen

228 Tissot 2000, 180. 229 Kälin 2012, 165. 230 Weber 1991, 130. 231 Weber 1991, 149. 70 finanziellen Druck die Hotels und Transportbetriebe zu einem Ausbau des Dienstleistungsangebots pushten und so dazu beitrugen, die Schweizer Hotellerie zu einem weltweiten Vorbild zu machen (vgl. dazu auch Kap. 2.4).232

4.2.5 SCHWEIZER HOTELLERIE IM 19. JAHRHUNDERT: FAKTOREN IHRES ERFOLGS Anders als die Gastfreundschaft der Schweizer Bevölkerung im Allgemeinen genoss die Gastfreund- schaft der professionellen Anbieter im Schweizer Gast- und Transportgewerbe bereits früh einen exzellenten Ruf. Geschätzt wurden nicht nur die bequeme bis luxuriöse Unterbringung in Hotelge- bäuden, die meist über die neuesten technischen Errungenschaften und Vergnügungsmöglichkeiten verfügten, sondern auch der familiäre Empfang und Umgang mit dem Gast, dem man alle Wünsche zu erfüllen versuchte.233 Schweizer Hotels des 19. Jahrhunderts der gehobenen Klasse boten der Kundschaft den neuesten technischen Standard. Sie gehörten zu den Pionieren bei der Einführung von technischen Neuerungen wie elektrisches Licht, Heizungen, Personenlifte, Badezimmern, Tele- graf- und Telefonverbindungen. Die Gesellschaftsräume, Sport- und Aussenanlagen versuchten sich stets den neuesten Moden und Trends der reisenden Elite anzupassen. Bibliothek, Musik-, Rauch- und Billardzimmer, eine grosszügige Gartenanlage mit Spazierwegen, romantischen Sitzecken, Was- serspielen und grandioser Aussicht, später dann auch Tennis- und Golfplätze, gehörten zum Standard des gehobenen Landhotels. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen andere Tourismusregionen das Schweizer Modell zu kopieren. Die Schweizer Leistungen in Gastfreundschaft, Unterbringung und Unterhaltung der Gäste wurden insbesondere auch für Wintersportorte anderer Länder zur primären Referenz. Das Angebot grosser Hotels wie denjenigen der Familie Schreiber auf der Rigi oder von Joseph Bucher-Durrer wurde zu einem internationalen Vorbild für hohe Gastroqualität und Hotelarchitektur. Nicht von ungefähr war die 1893 in Lausanne gegründete «Ecole Hôtelière de Lausanne» die erste Schule ihrer Art und wurde weltweit als «Swiss school» für Hotelmanagement wahrgenommen.234 In der Belle Epoque, wo viele Gäste während mehrerer Monate in der Schweiz im Sommerurlaub weilten, war das Grandhotel für viele wie ein zweiter Wohnsitz. Sie legten Wert darauf, den Besitzer persönlich zu kennen und mit dem Direktor täglich zu plaudern. Man sah sich als Vertrauter oder Freund des Hauses. Mit dem Ausbau des Fremdenverkehrs und der Hotellerie wurde die Personal- union von Hotelier und Hotelbesitzer gegen Ende der Belle Epoque immer seltener. Mit den einfa- chen Herbergen verschwand auch der Wirt, zu dem Gäste und Bedienstete in einem patriarchalen Verhältnis standen. Ab den 1870er-Jahren wird er mehr und mehr ersetzt durch den Hotelmanager, der das Hotel als Unternehmen einer Aktiengesellschaft führt.235 Vom Hotelier wie vom Hotelmanager wurden stets Präsenz und die Bereitschaft erwartet, auf jeden Wunsch des Gastes einzugehen. Herausragendes Beispiel für diese Gastgeberqualitäten in der Zent- ralschweiz ist César Ritz, der vom Besitzer des Grandhotels Schreiber auf Rigi-Kulm als Maître d’hotel engagiert wurde, um den Gästen einen erstklassigen Service zu bieten. Ritz beherrschte die Rolle des Gastgebers perfekt. Nach seinem Engagement auf der Rigi brachte er mit diesen Qualitäten das Hotel National in Luzern innert weniger Jahre zu Weltruhm. Zusammen mit dem französischen Spitzenkoch Auguste Escoffier, der von Ritz nach Luzern geholt worden war, gelang es ihm, den Gästen jegliche noch so ausgefallene Wünsche zu erfüllen.236 Gemäss Marie-Louise Ritz, seiner Gattin, waren bei

232 Tissot 2000, 184. 233 Gaulis 1976, 20. 234 Tissot 2011, 76-77. 235 Seger 2005, 82. 236 Weber 1991, 148; Ott 1990, 18, 81-82. 71

César Ritz im Hotel National «im Juli und August oft über ein Dutzend Monarchen und Monarchinnen zu Gast. Bälle, Regatten, Jagdausflüge, Konzerte und Feuerwerke lösten einander ab, und der wö- chentliche Tanzabend, den Ritz eingeführt hatte, wurde zum begehrtesten Anlass der Saison. Der Co- tillon des National war in den Gesellschaftskolumnen im In- und Ausland das Gesprächsthema Num- mer eins, und mit der Toilette der teilnehmenden Damen befassten sich die Klatschspalten von Boule- vardblättern wie dem Figaro und dem Gaulois.»237Während elf Jahren führte César Ritz jeweils im Sommer das Hotel National in Luzern, während er im Winter als Hotelmanager in einem Hotel an der französischen Côte d’Azur wirkte und so – wie viele andere Hotelangestellte auch – als Saisonnier zwischen zwei Tourismuswelten pendelte. Daneben reiste er durch ganz Europa, um sein Wissen als Lehrmeister der Hotellerie in diversen grossen Luxus-Hotels einzubringen. Die Krönung seines Le- benswerks folgte danach mit der Eröffnung des Hotels «Ritz» in Paris.238

Abb. 72: Dieses Picknick im Schnee auf der Rigi mit professionellem Koch für die vom Skifahren ermüdeten Hotelgäste hätte eine Idee von César Ritz sein können. Doch entstand die Foto zwischen 1900 und 1940, also erst nach der Rigi-Zeit von Ritz. Fotograf und Datum unbekannt. (StALU: FDC 50/102)

Nicht nur das Verhalten und die Qualitäten der Hotel-Führungskräfte, sondern auch des Personals im Allgemeinen waren für die Wahrnehmung der Gastfreundschaft durch die Gäste von grosser Bedeu- tung. In den grossen Hotels war ein Heer von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Wohlerge- hen der Gäste zuständig. Gesamtschweizerisch wurde der Fremdenverkehr ab Mitte der 1880er- Jahre zu einem wichtigen Wirtschaftszweig, der zur Umkehr der demografischen Entwicklung beitrug und die Schweiz vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland machte. Laut Ott steigerte sich die Zahl der Hotelangestellten in der Schweiz zwischen 1880 und 1910 von 16‘000 auf 43‘000.239 Gemäss Schätzungen stammten vor dem Ersten Weltkrieg 30 Prozent der Beschäftigten im Fremdenverkehr aus dem Ausland, vornehmlich aus Deutschland und Österreich. Auffallend ist dabei, dass der Aus- länderanteil beim männlichen Fachpersonal mit 42 Prozent überdurchschnittlich hoch war, während

237 Ritz 1948, 72-73. 238 Gaulis/Meier 1976, 70. 239 Ott 1990, 84. 72 sich das weibliche Personal fast ausschliesslich aus Schweizerinnen zusammensetzte. Der Anteil der männlichen Angestellten war bei den Luxushotels mit 50-65 Prozent am höchsten, während bei Mit- tel- und Unterklassehotels – wohl nicht zuletzt auch wegen tieferer Saläre – das weibliche Personal überwog.240

Abb. 73: Hotelpersonal, vermutlich des Stanser- horn-Hotels. Datum der Aufnahme unbekannt. (STANW: Fotoalbum Bucher-Durrer; OD 3-5/5)

In Luzern arbeitete bereits in den 1880er-Jahren ein Viertel aller Erwerbstätigen in der Hotellerie. Daneben fanden viele einen Erwerb in fremdenverkehrsnahen Nebengewerben wie Gastronomie, Transport und Hotelzulieferern. Spätestens um die Jahrhundertwende war der Tourismus in Luzern der wichtigste Devisenbringer mit grossem volkswirtschaftlichem Gewicht, da er zahlreichen Hand- werksbetrieben, Inneneinrichtungshäusern, Wäschereien, Kutschenbetrieben, Uhren- und Luxusver- kaufsläden Aufträge und Arbeit brachte.241 Der Fremdenverkehr führte zu Veränderungen in der Zentralschweizer Gesellschaft. Das Leben in den noblen Luxushotels der Belle Epoque spielte sich zwar in einem exklusiven Rahmen fern der alltäglichen Lebenswelt der Bevölkerung ab. Dennoch kam es über die Kontakte zu den einheimischen Angestellten zu einer gewissen Annäherung zwischen der Welt der Einheimischen und der Fremden. Nicht zuletzt trugen auch die vom Fremdenverkehr initi- ierten Infrastrukturneuerungen wie Transportbahnen, Elektrifizierung, Telegraf und Telefon zur bes- seren Erschliessung der ländlichen Gebiete rund um den Vierwaldstättersee und zu ihrem Anschluss an die moderne Welt bei.242 In der Zentralschweiz profitierte das Gastgewerbe wie in anderen Tourismusregionen vom Umstand, dass sich der Fremdenverkehr abseits der industriellen Zonen entwickelte, wo das Lohnniveau man- gels Alternativen für die Arbeitssuchenden tiefer war als im industrialisierten Mittelland.243 Mit Aus- nahme einiger weniger leitender Angestellter wurde das Personal nur während vier bis fünf Monaten beschäftigt und entlöhnt. Das tiefe Lohnniveau und die Saisonalität der Anstellung hatten zur Folge, dass das Personal existentiell auf Trinkgelder angewiesen war, die das Einkommen aufbessern hal- fen.244 Ein freundlicher und zuvorkommender Umgang mit dem Gast war somit vorprogrammiert. Trotz der schlechten Entlöhnung stellten die Hoteliers hohe Anforderungen an ihr Personal. Die Ar- beit in den weitläufigen Hotelfluchten war anstrengend. Mangels Zentralheizung und Trinkwasserlei-

240 König 2000, 17ff.; Ott 1990, 84; Eckert 1932, 62. 241 Bernegger, Schweizer Wirtschaft, 139. 242 Schleifer-Stöckli 1998, 130-132. 243 Humair 2011, 16. 244 Omachen 2010, 101. 73 tungen mussten Kamine eingefeuert und kannenweise Wasser auf langen Wegen von der Küche aufs Zimmer geliefert werden. Wie hart der Arbeitsalltag der einfachen Hotelangestellten war, lässt sich aus der Aussage von Marie Rohrer, einem ehemaligem Zimmermädchen des Hotels Nünalphorn in Flüeli-Ranft, erahnen: «Damals fragte uns Angestellte niemand, wer wir seien. Wir waren einfach für alles da. *…+ Freizeit hatten wir gar keine damals. Sonntags wurde gearbeitet. Morgens fingen wir um sechs an. Abends so lange es ging. Wir durften nichts sagen. Mussten froh sein, wenn wir Arbeit hat- ten. Aber, es gefiel uns doch.»245 Abb. 74: Lingerie des Hotels Nü- nalphorn in Flüeli mit Personal. (aus: Hirtler/Gasser 1999, 148)

Nebst Verschwiegenheit und Arbeitsdisziplin wurden auch für untergeordnete Stellen oft Fremdspra- chenkenntnisse verlangt, die sich die Angestellten mit Ausland- und Sprachaufenthalten aneigneten. Manche von ihnen holten sich das sprachliche Rüstzeug mit einer Anstellung während des Winter- halbjahres in einer Feriendestination an der Mittelmeerküste. Die gegen Ende der Belle Epoque einsetzende Demokratisierung des Reiseverkehrs und das Auf- kommen von pauschalen Gruppenreisen hatte für die Angestellten gravierende Folgen. Anders als ihre reichen Vorgänger, zahlte der durchschnittliche Reisende aus der bürgerlichen Mittelschicht weit weniger und seltener Trinkgelder.246 Zusammen mit den Lohneinsparungen, zu denen mancher Ho- telbesitzer bereits vor dem Ersten Weltkrieg mangels ausreichender Gästezahlen gezwungen war, dürfte dies die Gastfreundschaft des Personals nicht unbedingt gefördert haben. Letztlich können auch die Infrastrukturleistungen, die von den Städten und Dörfern und von Trans- portunternehmern erbracht wurden, um den Reisenden die Anreise und den Aufenthalt möglichst bequem und attraktiv zu gestalten, als wichtiger Teil einer funktionierenden Gastfreundschaft ange- sehen werden. In dieser Beziehung hat es die Zentralschweiz verstanden, vergleichsweise früh ein breites Angebot zu entwickeln. Der Einfluss dieser Infrastrukturleistungen auf die touristische Ent- wicklung in der Zentralschweiz wurde bereits in Kapitel 3.1.4 näher beleuchtet.

245 Von Flüe/Cuonz 1996, 51. 246 Omachen 2010, 101. 74

4.2.6 BERÜHMTE GÄSTE UND DIE ZENTRALSCHWEIZER GASTFREUNDSCHAFT Wie kaum eine andere Gegend der Schweiz gehörte die Zentralschweiz zum Reiseziel berühmter Künstler, Literaten, gekrönter Häupter und Politiker. Sie kamen wie alle andern, um die Landschaft und die Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, aber nicht zuletzt auch wegen der Diskretion und der Flexibilität der Schweizer Gastgeber, die selbst auf ausgefallenste Wünsche der noblen Gäste einzu- gehen wussten. Die Liste der Prominenten, welche im Laufe der Belle Epoque und darüber hinaus den Vierwaldstättersee besuchten, liest sich wie ein Who is who der künstlerischen und politischen Elite: Noch vor dem Schiller-Boom waren dies Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin, Ge- org Wilhelm Friedrich Hegel, Achim von Arnim, William Wordsworth, J.M.W. Turner. Danach folgten Mark Twain, James Fenimore Cooper, Alexandre Dumas, Mary Shelley, August Wilhelm von Schlegel, Madame de Stäel, Lord Byron, John Ruskin, Queen Victoria, Ludwig II von Bayern, Georg Herwegh, Franz Liszt, Richard Wagner, Felix Mendelssohn Bartholdy, Charles Dickens, George Eliot, François- René de Chateaubriand, Victor Hugo, Gustave Flaubert, Arthur Rimbaud, Honoré de Balzac, Johannes Brahms, Hans Christian Andersen, Leo Tolstoi, Elias Canetti, Franz Kafka. Später dann Winston Chur- chill, Sergei Rachmaninow, Wladimir Horowitz, Queen Elizabeth, Konrad Adenauer, Henry Kissinger, Golda Meir, Pandit Nehru und Indira Ghandi, Jimmy Carter, Charlie Chaplin, Yul Brynner, Audrey Hepburn, Sophia Loren, Shirley MacLaine, Sean Connery, Clara Haskil, Georges Simenon und viele mehr.247

Abb. 75: Queen Victoria mit ihrer Entourage beim Aufstieg zum Pilatus 1864. Ölbild von J. J. Zelger von 1868, das der Luzer- ner Landschaftsmaler als Auftragswerk für die Monarchin erstellte. Zelgers Bilder fanden dank der Queen europaweit Beach- tung. (aus: Arengo-Jones, 109) Hervorragendes Beispiel für den diskreten und umsichtigen Umgang der Schweizer Hoteliers mit berühmten Gästen ist der Besuch von Queen Victoria, den sie der Zentralschweiz 1868 inkognito abstattete. Ihre Reise war das Resultat jahrelanger Planungen und Sehnsüchte. Ihr verstorbener Mann, Prinz Albert, hatte die Schweiz 1837 besucht und ihr von dort begeisterte Berichte geschrie- ben, die sie zusammen mit einer getrockneten Alpenrose aufbewahrte, die er auf der Rigi gepflückt hatte. 1864 machte auch ihr Sohn Arthur eine Schweizerreise auf den Spuren seines Vaters. Kränklich

247 Piatti 2004, 177ff.; Cuonz et al. 1998, 73. 75 und ausgelaugt, suchte die 49-jährige Monarchin zudem einen klimatisch ausgeglichenen Ort mit warmer Sonne und frischer Luft zur körperlichen und geistigen Erholung. Damit bot sich der Vier- waldstättersee in geradezu idealer Weise an. Ihr Ziel, die Schweiz inkognito zu besuchen, war unmög- lich zu erreichen. Sie konnte zwar auf die Diskretion der Hoteliers und ihres Personals zählen. Die Bevölkerung jedoch, obwohl bereits an Besuche gekrönter Häupter gewöhnt, zeigte auch dank der Berichte in der Presse ein reges Interesse am Besuch der mächtigsten Frau der Welt.248 Der Werbeeffekt des Queen-Besuches für Luzern und die Region rund um den Vierwaldstättersee war immens. Am Tag ihrer Ankunft in der Schweiz erschien auf der Titelseite der Times eine veritable Hymne auf die Schweiz und ihre Sehenswürdigkeiten.249 Nicht nur England, sondern ganz Europa war nun informiert über den Aufenthalt der Queen in der Zentralschweiz. Angeleitet und geführt von einem Schweizer Führer besuchte die Queen die bereits klassischen Tourismusstationen am Vier- waldstättersee, aber auch abgelegene Orte wie Engelberg und den Furka-Pass, für die sich erst eine Minderheit von alpinsportbegeisterten, vorab englischen Touristen begeisterte. Gerade diese Orte dürften vom Aufenthalt der Queen eine spürbare Werbewirkung erfahren haben. Selbstverständlich genoss der prominente Gast bei Unterkunft und Transport eine exklusive Behand- lung. Auf dem Furka-Pass reservierte man das einzige Hotel während dreier Tage ausschliesslich für die Queen und ihre Entourage, was bei den anderen Reisenden offenbar für einige Aufregung sorgte. Die Fahrten zu den Sehenswürdigkeiten rund um den Vierwaldstättersee unternahm sie mit dem Dampfschiff Winkelried, das sie für die Dauer ihres Aufenthalts gemietet hatte. Ihrem Vorbild sollte später auch Ludwig II von Bayern folgen, der 1881 das Dampfschiff Waldstätter mietete, um damit die klassischen Orte von Schillers Drama «Wilhelm Tell» zu besuchen.250

Abb. 76: Wie anno dazumal Queen Victoria: Nachträgliche Inszenierung des Sänftentransports auf die Rigi, vermutlich an- lässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Vitznau-Rigi-Bahn 1973. (Foto: Photo-Bürgi, Vitznau; StALU: FDC 50/498) Die Fahrten über den Vierwaldstättersee schien die Queen ganz besonders zu geniessen, schrieb sie doch nach einem Besuch der Tellskapelle und der Axenstrasse in ihr Tagebuch: «nothing can exceed the beauty of the Lake in any direction *…+ the Lake itself, that wonderful colour – varying from saphi- re blue to emerald green – is too glorious.»251 Natürlich gehörte auch der Besuch der Rigi zum Pro- gramm: Der Aufstieg erfolgte ab Weggis mit Maultieren und vier Packpferden. In Rigi-Kaltbad be-

248 Arengo-Jones 1995, 20, 36-37, 47. 249 Arengo-Jones 1995, 56. 250 Waldis 1987, 63. 251 Arengo-Jones 1995, 73. 76 grüssten 200 bis 300 Leute und eine Musikkappelle die Monarchin mit «God save the queen» und Salutschüssen. Ihr Rigi-Besuch fand also alles andere als inkognito statt. Im Gegensatz dazu begegne- te die Queen bei ihrem Aufstieg zum Pilatus nur wenige Tage später kaum einem Wanderer.252 Wie damals unter den noblen Touristinnen üblich, meisterte die Queen diese Aufstiege nicht zu Fuss, sondern erklomm die Höhen entweder auf dem Rücken eines Maultiers oder mit einer Sänfte. Die Wirkung des Queen-Aufenthalts auf den Tourismus in der Zentralschweiz ist in vielerlei Hinsicht nicht zu unterschätzen. Die von ihr während ihres vierwöchigen Aufenthalts besuchten Orte erfuhren eine grosse mediale Aufmerksamkeit. Bisher eher noch abseits des Touristenstroms liegende Orte wie Brunnen waren plötzlich in ganz Europa bekannt. Dies setzte der Erbauer des Hotels Axenstein, Ambros Eberle, gezielt als Werbemittel für sein Hotel ein, hatte doch die Queen den Ort, wo später das Hotel zu stehen kommen sollte, besucht und als ihn einen der schönsten auf ihrer Schweizerreise gerühmt. An der Stelle, von wo aus Victoria die Aussicht auf den See genossen hatte, baute Eberle einen Pavillon, von wo aus seine Gäste das königliche Erlebnis nachempfinden konnten.253 Zahlreiche Hotel- und Gasthausbesitzer wollten ebenfalls vom Glanz des königlichen Besuchs profi- tieren und benannten ihren Betrieb nach der Regentin in Hotel oder Pension «Victoria» um. Ihr zu Ehren erhielt das neueste, 1871 in Betrieb genommene Dampfschiff auf dem Vierwaldstättersee den Namen «Victoria».254 Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass gerade die Schweiz, welche im aufgeklärten Bürgertum Europas, als freiheitliche Republik und antimonarchisches Modell Bewunderung genoss, ein beliebtes Reiseziel von Monarchen und Adeligen war. Queen Victoria war längst nicht die einzige Monarchin, welche die Zentralschweiz in der Belle Epoque besuchte. Vor ihr erwähnten die Gästelisten Luzerns, welche den Besuch prominenter Häupter gerne besonders heraushoben, allein aus dem Hochadel 1853 den Aufenthalt von Königin Sophie der Niederlande, 1854 König Leopold I. von Belgien, 1857 König Johann von Sachsen, 1860 Zarin Charlotte von Russland, 1863 König Ferdinand von Portugal. Allein 1865 besuchten Kaiser Napoleon III, König Willhelm III von Holland und König Ludwig II von Bayern die Zentralschweiz.255 Nach den 1870er-Jahren, als mehr und mehr deutsche Reisende die englischen Touristen ablösten, folgten auch mehrere ihrer Oberhäupter dem Trend: Nebst Kaiserin Elisabeth von Österreich, die sich 1892 während zweier Tagen inkognito auf der Rigi aufhielt, dem deutschen Kronprinzen, den das Hotel Bellevue in Rigi-Kaltbad 1902 ausnahmsweise bereits vor der Saisoneröffnung als Gast auf- nahm und dem deutschen Kaiserpaar, welches 1893 den Vierwaldstättersee auf seiner Rückkehr aus Italien nicht privat, sondern in offizieller Mission mit dem Dampfschiff von Flüelen nach Luzern über- querte, aber dadurch bei seinen Landsleuten nicht minder Werbung für die Region machte, war es vor allem Ludwig II von Bayern, dessen Besuche die Region Zentralschweiz ins Blickfeld des romanti- schen Europas rückte. Der bayrische Märchenkönig hatte – nach einem ersten Aufenthalt in der Re- gion 1865 – in den 1870er-Jahren in München den Rigi-Hotelier Friedrich Schreiber kennengelernt und war diesem freundschaftlich verbunden geblieben. Aus seiner Reise durch die Zentralschweiz 1881 besuchte er nicht nur Schreibers Grand-Hotel auf Rigi-Kulm, sondern auch die historischen Stät- ten von Schillers Wilhelm Tell. Diese Reise wurde zu einem medialen Ereignis, nicht zuletzt auch des- halb, weil Ludwig für diesen Zweck eigens den Dampfer Waldstätter angemietet hatte, mit dem er den Vierwaldstättersee kreuz und quer und manchmal auch nachts befuhr und mit inszenierten Aus- flügen die Stationen des Telldramas besuchte, begleitet von Alphornbläsern und einem Schauspieler,

252 Arengo-Jones 1995, 85ff. 253 Flückiger-Seiler 2001, 79, 149; Flückiger-Seiler 1998, 30; Arengo-Jones 1995, 150. 254 Arengo-Jones 1995, 151. 255 Omachen 2010, 118; Fries 1966. 77 der aus Schillers Drama deklamierte. Die Anlegestellen waren jeweils von Schaulustigen gesäumt, welche einen Blick auf den Märchenkönig erhaschen wollten.256 Die Liste könnte beliebig mit weiteren Namen aus der europäischen Adels- und Geldaristokratie ver- längert werden. Sie alle genossen nicht einfach nur die idyllische Berg- und Seenlandschaft, sondern besichtigten auch die historischen Stätten des Schweizer Freiheitskampfes, ohne darin ein antimo- narchisches Motiv zu sehen. Im Gegenteil – aufgeschreckt durch die gesellschaftlichen Erschütterun- gen der französischen Revolution, sahen viele Adelige die Alpenrepubliken als erfolgreiches Modell, wie das gemeine Volk in die politische Struktur eingebunden werden konnte, ohne gleichzeitig tradi- tionelle Dynastien zu gefährden.257 Die Schweizer Alpenwelt war derart fashionable geworden, dass sich diesem Trend auch die Adeligen nicht entziehen konnten. Die Schweizer Bergwelt, die während der Aufklärung klar republikanisch konnotiert war, erhielt mit den Scharen von adeligen Besuchern und Sommerfrischlern eine ungeahnte monarchistische Aufladung. Bemerkenswert ist auch die Bereitschaft der republikanischen Schweizer Gastgeber, die hohen An- sprüche der adeligen Gäste an die Gastfreundschaft trotz deren monarchistisch- antirepublikanischem Hintergrund umfassend befriedigen zu wollen. Sie zeugt doch von einem un- trüglichen Instinkt für die Werbewirkung, welche die adelige Prominenz auf das Reiseverhalten der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht ihrer jeweiligen Länder hatte.

4.2.7 VERÄNDERUNGEN IN DER GASTFREUNDSCHAFT AM ENDE DER BELLE EPOQUE

Abb. 77 und 78: Unterhaltungsabende in Beckenried (unbekanntes Datum) und in Luzern 1908. (StANW: P 47-1/5 und P16 ) Mit der Ausweitung der Sommerfrische auf breitere soziale Schichten gegen Ende des 19. Jahrhun- derts kamen vermehrt mittelständische Urlauber in die Zentralschweiz, welche nicht in den teuren Nobelherbergen auf dem Bürgenstock oder im Schöneck abstiegen, sondern in kleinen Pensionen und Gasthäusern in den Dörfern rund um den Vierwaldstättersee und auch im Entlebuch, das sich in dieser Zeit zu einem bevorzugten Feriengebiet der mittelständischen Schicht aus der Schweiz entwi-

256 Weber 1991, 146; Piatti 2004, 165ff. 257 Reichler 2005, 198. 78 ckelte.258 Die soziale und räumliche Distanz dieser neuen Gruppe von Sommerfrischlern zur einheimi- schen Bevölkerung war deutlich geringer als bei der reichen Klientel in den abseits der Dörfer gelege- nen Luxushotels. In stark frequentierten Ferienorten wie etwa Beckenried logierten ab der Jahrhun- dertwende mehr und mehr der mittelständischen Urlauber in Wohnungen und Häusern der Einhei- mischen, welche diese während der Sommermonate ihren Gästen überliessen, um sich damit ein Zubrot zu verdienen.259 Das familiäre Umfeld, das sich mit den neuen Beherbergungsarten ergab, führte zu einer stärkeren Identifikation der Gäste mit ihren Gastgebern. Diese neuen Touristen nah- men stärker Anteil am Leben der Einheimischen, was sich zum Beispiel auch in der Bereitschaft zeig- te, nach Extremereignissen wie Unwettern oder Hausbränden den Geschädigten eine Geldspende zukommen zu lassen. Nicht nur die Nobelherbergen, sondern auch viele kleine Gasthöfe und viele Privatpersonen hatten Stammgäste, die jeden Sommer wieder zum Urlaub am Vierwaldstättersee anreisten. In vielen Dörfern kam es in den Gaststuben zwischen einheimischen Beizenbesuchern und den fremden Gästen zum kulturellen Austausch. Dank der Hotels entstand in vielen Dörfern eine Infrastruktur, die den kulturellen Austausch im grösseren Stil ermöglichte: Viele Musikvereine und Trachtengruppen organisierten während der Saison in den Sälen der Hotels Unterhaltungsabende für die Gäste.

258 Dängeli 2011. 259 Schleifer 1998, 100-102. 79

5. TOURISMUS IN DER ZENTRALSCHWEIZ IM 20. JAHRHUNDERT

5.1. ZWISCHENKRIEGS- UND KRISENZEIT Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 kam die Reisetätigkeit in ganz Europa schlagartig zum Erliegen. Wie alle anderen Schweizer Tourismusregionen erlebte auch die Zentralschweiz einen mas- siven Einbruch der Gästezahlen. Die Hotelbranche erfuhr in wenigen Monaten eine umfassende Re- dimensionierung, insbesondere in Regionen, wo in den goldenen Jahren der Belle Epoque das Ange- bot an Gästebetten überproportional stark ausgebaut worden war. Dazu gehörte auch die Region rund um den Vierwaldstättersee. Die grossen Kurhotels in den peripheren Gebieten litten erheblich mehr unter dem Gästeschwund. Die wenigen Gäste, die noch in der Schweiz Urlaub machten, waren nicht mehr an der schönen Aussicht interessiert, sondern an möglichst aktuellen Informationen zum politischen Geschehen und zur globalen Entwicklung und bevorzugten deshalb Hotels in Städten wie Genf, Lausanne, Basel oder Zürich. In der Stadt Luzern sank die Zahl der Besucher nach Kriegsaus- bruch innert weniger Wochen von 50‘000 auf 3‘000. Die Zahl der Übernachtungen, die 1910 noch bei 575‘000 pro Jahr lag, halbierte sich bis 1920 und fiel auf einen Stand vor den goldenen 1890er-Jahren zurück. Entsprechend verringerte sich auch das Angebot an Hotelbetten zwischen 1914 und 1918 von 9‘400 auf 5‘400. Die Luzerner Hotelbranche erlebte innert weniger Jahre eine Restrukturierung, die nicht ohne Folgen auf den Arbeitsmarkt und die gesamte wirtschaftliche Entwicklung der Region blieb.260 Einige nun leerstehende Hotels nutzte man in der Kriegszeit zur Internierung von Kriegsge- fangenen. Ein Beispiel dafür ist das Hotel Sonnenberg oberhalb von Kriens, das nach der Einquartie- rung von französischen und belgischen Kriegsgefangenen zwischen 1916 und 1918 nie mehr zum alten Glanz zurückfand und nach einer kurzen und erfolglosen Phase als «Grandhotel zu Jeder- mannspreisen» für den Mittelstand kurz vor dem Zweiten Weltkrieg definitiv geschlossen werden musste.261 In den wilden 1920er-Jahren erlebte der Luxustourismus am Genfersee und in den neuen Win- tersportzentren in Graubünden und im Wallis eine kurze Renaissance, während die Region um den Vierwaldstättersee von dieser Entwicklung offenbar weniger profitieren konnte.262 Trotz einer Popu- larisierung des Reisens in der Zwischenkriegszeit, ausgelöst durch grosszügigere Ferienregelungen für Angestellte und Arbeiterinnen, stagnierte die touristische Entwicklung in der Zentralschweiz bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Insbesondere die gehobene Hotellerie profitierte kaum vom sogenannten Sozialtourismus, dessen Reisende nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger Zeit als die betuch- ten Reisenden der Belle Epoque hatten und deshalb oft nur Tagesausflüge machten. Einen längeren Aufenthalt in der Schweiz konnten sich nach wie vor nur die gehobenen Schichten leisten. Diese reis- ten mehr und mehr mit dem eigenen Automobil an. Bereits 1932 soll bereits rund die Hälfte der Gäs- te von Erstklass-Hotels in Zentralschweiz mit dem Automobil angereist sein. Die bereits eng bebauten Kurorte am Vierwaldstättersee stellte diese Entwicklung vor besondere Herausforderungen, galt es doch, für das neue Verkehrsmittel genügend breite Strassen und vor allem genügend Parkraum zu schaffen.263 Mit dem neuen Verkehrsmittel wurden bisher eher unbekannte, von den Bahnen nicht erschlossene Regionen in den Alpen für einen breiteren Tourismus erschlossen. Auch diese Entwick- lung dürfte für die bereits gut erschlossene und wohlbekannte Region um den Vierwaldstättersee nicht unbedingt förderlich gewesen sein.

260 Ott 1990, 104-111. 261 Stadler 2002, 39. 262 Ott 1990, 111. 263 Eckert 1932, 71. 80

Abb. 79: Wer über kein eigenes Automobil verfüg- te, konnte die Gegend rund um den Vierwaldstät- tersee auch mit einem Mietwagen erkunden. Foto aus Morschach. (Zur Verfügung gestellt von Beat Amstad, Schwyz).

Verändert hatte sich auch die Herkunft der Gäste. Anders als in der Belle Epoque kamen in der Zwi- schenkriegszeit mehr als die Hälfte der Touristen aus der Schweiz. Für die Stagnation der Gästezahlen aus dem Ausland sorgten in der Zwischenkriegszeit auch Währungsfragen wie die Abwertung des englischen Pfunds und die Devisenausfuhrbeschränkung Deutschlands 1931. Trotz der Abwertung des Frankens 1936 blieb die Währungsproblematik für die Tourismusbranche bis heute virulent be- stehen.264 Den Hotelschliessungen während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg folgte nach einer kurzen Erho- lungsphase in den 1920er-Jahren eine zweite Schliessungswelle in den krisengeschüttelten 1930er- Jahren. Zwischen 1931 und 1945 verschwanden allein in der Stadt Luzern 22 Hotels und Pensionen mit insgesamt 1500 Betten. Im Gegensatz zur ersten Schliessungswelle, der primär grosse Hotels zum Opfer gefallen waren, mussten jetzt mehrheitlich mittlere bis kleinere Betriebe schliessen.265 Das Hotelgewerbe versuchte der Krise in der Fremdenindustrie mit verschiedenen Massnahmen zu be- gegnen. Am erfolgreichsten, aber auch am umstrittensten war dabei sicher der «Hotelplan» des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler. Sein Rezept war simpel: Steigerung der Umsätze durch tiefere Preise. Ferien sollten zum Konsumgut für jedermann werden. Hotelplan startete 1935 ohne den Se- gen des Schweizerischen Hoteliervereins, der monierte: «Wer das Reisen nach amerikanischer Art standardisieren will und die Reisenden mit Waren vergleicht, hat das Wesen des Reisens nicht er- fasst.» Dennoch konnte Hotelplan einzelne Hoteliers für sich gewinnen, wie zum Beispiel in der Ge- meinde Weggis. Angeboten wurde ein Pauschalreiseangebot für eine Woche, verlängerbar auf zwei Wochen, das eine kollektive Anreise per Bahn und ein regionales Generalabonnement für die freie Benützung von Bergbahnen und Schiffen während des Aufenthalts vorsah. Dazu kamen freie Eintritte in Casinos, Kinos oder Folkloreabende. Dank des Hotelplans war das Hotel National in Weggis 1935 so voll wie seit Jahren nicht mehr. Gemäss Gästebuch profitierten vom Angebot vor allem Angestell- te, aber auch Arbeiter.266 Mit dem Hotelplan hatte man somit auch in der Zentralschweiz bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die ersten Erfahrungen mit dem später einsetzenden Massentourismus ge- sammelt.

264 König 2000, 144ff; Strobel 2006. 265 Kaufmann 1992, 16, 33. 266 Schumacher 1997, 120-127. 81

5.2. WINTERTOURISMUS Wesentliche Impulse für den touristischen Aufschwung in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg kamen aus dem Wintersport. Das Skifahren hatte sich seit der Jahrhundertwende gerade unter den ausländischen Gästen immer grösserer Beliebtheit erfreut.

Abb. 80: Ansturm der Skifahrer auf die Rigibahn bei der Talstation in Vitznau am 10. März 1940. Foto: K. Manz, Luzern. (StALU: FDC 50/493): Abb. 81 (unten): Skifahren oberhalb Engelbergs zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Datum der Aufnahme unbekannt. (STANW: Archiv des Bergführerverbands Unterwalden; PA 300 D 28/14) Viele Schweizer Luftkurorte setzten ab 1925 im Berg- bahnbau auf den Winterbetrieb und den Skisport und entwickelten sich in der Folge zu Sommer- und Winter- tourismusdestinationen, was zu einer Verlängerung der Hotelbetriebszeiten führte. An diversen Orten wurden nun für die Wintersportler Luftseilbahnen und Transportlifte gebaut. Obwohl der Anstoss zur Entwick- lung von Wintersportangeboten primär aus Kurorten im Berner Oberland und Graubünden kam,267 reagier- ten in der Zentralschweiz einige Kurorte sehr früh auf den neuen Trend. Pionierarbeit in technischer Hinsicht leistete dabei sicher Engelberg, das 1927 die erste Luftseilbahn auf Schweizer Boden und während des Zweiten Weltkriegs den ersten Sessellift der Schweiz in Betrieb nahm.268 Engelberg gewann insbesondere bei englischsprachigen Gästen in der Zwischenkriegszeit an Beliebtheit. Mit einem umfassenden Angebot von

267 Flückiger-Seiler 2001, 38-39. 268 König 2000, 144ff; Flückiger-Seiler 1997, 126ff; Heinemann 1920, 167. 82

Sportarten wie Eislauf, Hockey, Curling, Schlitteln, Bobsleigh, Skeleton, Skilaufen, Skijöring und sogar Skispringen auf der neu erbauten Titlis-Schanze pries sich Engelbert als «First Class Winter Resort» an. Hinter diesem Erfolg stand auch die Engelberger Hotelière Mary Hess-Payne, eine gebürtige länderin, die ab 1937 zusammen mit ihrem einheimischen Mann das Hotel Hess leitete und jährlich mehrmals nach England reiste, um neue englische Gäste zu gewinnen. Sie war massgeblich daran beteiligt, dass Englisch in Engelberg zur zweiten Landessprache wurde, was später auch die US-Army dazu brachte, ihre Soldaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Erholungsurlaub hierhin zu schicken.269 Auch auf der Rigi war mit der Hotelière Rosa Dahinden massgeblich eine Frau am Aufbau des Winter- tourismus beteiligt. Mit ihrer Nähe zu den Schweizer Städten drängte sich die Rigi als gut erreichba- rer Wintersportort geradezu auf. Bereits 1892 hatte die SAC-Sektion Pilatus auf Rigi-Kulm die ersten Ski-Probefahrten in der Zentralschweiz gemacht. 1905 hielt der Schweizerische Skiverband seine ersten Delegiertenversammlung im Hotel Bellevue in Rigi-Kaltbad ab, wo die Hotelière Rosa Dahin- den das Zukunftspotential des Wintertourismus für die Rigi entdeckte. Auf ihr Betreiben testete die Vitznau-Rigi-Bahn erstmals 1906 den Winterbetrieb und im selben Jahr fand auf der Rigi bereits ein erstes Skirennen statt. 1908 folgte die Gründung des Rigi-Skiclubs und kurz danach die Eröffnung einer Skischule. Neben Skirennen und Skisprungkonkurrenzen bot die Rigi aber auch weitere Win- tersportarten an wie Schlitteln, Skijöring, Bobfahren, Curling, Eishockey und Schlittschuhlaufen.270 Abb. 82: Gleichzeitig mit dem Winterbe- trieb der Vitznau- Rigi-Bahn feierte das erste Skirennen und der erste Bobsleigh auf der Rigi Premie- re. Fotografie vom 10. Dezember 1906 aus dem Winterwer- beprospekt für Rigi- Kaltbad von 1908/09, S. 26. (ZHBLu: Rla 3:1)

Abb. 83: Eine beson- dere Form des Eis- stockschlagens (mit Champagnerfla- schen!) auf der Rigi. Foto: Photo-Haus Deyhle, Rigi-Kaltbad. (StALU: FDC 50/100.2)

269 Hirtler et al. 1999, 131ff. 270 Weber 1991, 102; Kälin 2012, 190. 83

Abb. 84: Eine gesellige Variante des in den Anfangsjahren des Wintertourismus sehr beliebten Skijörings in Rigi-Kaltbad. Foto: Photo-Haus Deyhle, Rigi-Kaltbad. (StALU: FDC 50/100.2)

Abb. 85: Teilnehmerinnen eines (Damen?)-Skirennens auf der Rigi. Im Hintergrund: Rigi-Kulm. Fotograf und Datum unbe- kannt. Vermutlich zwischen 1900 und 1910. (StALU: FDC 50/101.1) 84

Anders als auf der Rigi, wo der Wintersport nur ein Angebot unter vielen war, entwickelte sich der Wintersport im peripheren Andermatt zum zentralen Faktor. Bereits mit der Eröffnung der Gott- hardbahn 1882 war Andermatt näher an die städtischen Zentren gerückt und damit für Touristen besser erreichbar geworden. In dieser Zeit entstanden mehrere Luxushotels mit grosszügigen Zim- mern und Parkanlagen, die ihre Gäste in der kurzen Sommersaison beherbergten. Der Tourismus wurde zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor des Urserentals. Vergleichsweise früh, nämlich schon 1882, öffnete der Besitzer des Grand Hotels Bellevue nach dem Vorbild von Davos seinen Be- trieb auch im Winter für lungenkranke Gäste. Obwohl er das Angebot nach zehn Jahren wieder ein- stellte, erwies es sich für Andermatt als richtungsweisend: 1907 führten alle Andermatter Hotels die Wintersaison ein. Seinen Höhepunkt erlebte der Luxustourismus in Andermatt vor dem Ersten Welt- krieg und in der Zwischenkriegszeit, wo sich Andermatt endgültig als Wintersportdestination mit einem breiten Angebot an Bobbahnen, Eisfeldern, Ski- und Schlittenrennen etablierte.271

Abb. 86: Mit dem Wintersporttourismus erhielten auch peripher gelegene Orte in den Bergtälern touristischen Aufwind wie zum Beispiel Andermatt, wo der 1903 gegründete Skiclub im Winter 1905/06 erstmals ein internationales Skirennen durch- führte. (Fryberg 1999, S. 126)

271 Scheuerer 2011, 300-304; Kunz 2008, 24-29. 85

5.3. TOURISMUSTRENDS NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierten die Schweizer Tourismusorte von der Tatsache, dass die Schweiz den Krieg unversehrt überstanden hatte. Im Rahmen der «Amerikanischen Urlauberaktion» strömten zwischen 1945 und 1949 Zehntausende von konsumfreudigen US-Militärs nach Luzern. Angeregt worden war die Aktion vom Schweizerischen Hotelierverein. In geführten Gruppen besuch- ten die insgesamt 300‘000 US-Army-Urlauber während sieben Tagen die Schweiz. Mehr als die Hälfte von ihnen machte dabei während einem bis drei Tagen Station in Luzern, das gut erreichbar war und vergleichsweise viele Vergnügungs- und Ausflugsmöglichkeiten bot. Diese Urlauberaktion trug viel zum Wiederaufschwung des Zentralschweizer Tourismus bis in die 1960er-Jahre bei, führte sie doch in den USA zu einem breiten Werbeeffekt zugunsten der Schweiz und zu einem steigenden Anteil amerikanischer Gäste in Luzern. 272 Abb. 87: US-Army-Urlauber bei der Besichtigung des Gletscher- gartens. Luzern war eine der Hauptdestinationen der Sol- daten auf ihren Kurzreisen durch die Schweiz Ende der 1940er-Jahre. (aus: Berthet 2010, 14)

Ab den 1950er-Jahren erlebte die Tourismusindustrie dank steigender Einkommen und einer Erhö- hung des Ferienanspruchs von Arbeitern und Angestellten von bisher wenigen Tagen auf mehrere Wochen eine radikale Veränderung hin zum Massentourismus. Mit dem Automobil, das ab den 1960er-Jahren für breite Schichten erschwinglich wurde, veränderte sich das Reise- und Urlaubsver- halten der grossen Masse radikal.273 Der Trend zu kürzeren Aufenthalten und häufigen Ortswechseln setzte sich mit dem Auto umfassend durch. Mehrwöchige oder gar mehrmonatige Sommeraufenthal- te wie in der Belle Epoque gehörten definitiv der Vergangenheit an. Das Auto förderte die individuel- le Entdeckungslust der Reisenden. Autotouristen aus allen Schichten amüsierten sich nicht nur auf Pässefahrten in den Alpen, sondern dehnten ihre Reisen bis ans Mittelmehr aus – fernab vom traditi-

272 Berthet 2010, 9-28. 273 Heiss 2004, 54-55. 86 onellen Sommerfrische-Urlaub am Vierwaldstättersee. Italien und Österreich lösten die Schweiz ab 1955 bei den deutschen Reisenden als bevorzugte Reisedestination ab274 Der hohe Anteil von Gästen aus Übersee machte den Zentralschweizer Fremdenverkehr in der Nach- kriegszeit abhängig von weltpolitischen Entwicklungen. So führten Kubakrise, Vietnamkrieg, Erdölkri- se und die mehrfache Abwertung des Dollars in den 1970er-Jahren zu einer Stagnation der Gästezah- len. In derselben Zeit wurden die von Reiseveranstaltern organisierten Carfahrten nach Luzern zum Inbegriff des billigen Massentourismus, welcher der Zentralschweizer Tourismusbranche nur eine geringe Wertschöpfung einbrachte. Anfangs der 1990er-Jahre suchte man deshalb nach einem Stra- tegiewechsel, indem man zusätzlich auf Kongress- und Kulturtourismus von Individualreisenden setz- te und neue Märkte in Russland, China und Indien zu erschliessen begann. In diesem Zusammenhang ist auch der Bau des Kultur- und Kongresszentrums Luzern KKL mit seiner weltweiten Ausstrahlung zu sehen. Mit dem Massentourismus einher ging die Entwicklung der Parahotellerie. Gemäss dem schweizeri- schen Trend entstanden nach einer anfänglich noch zögerlichen Entwicklung auch in den Feriendes- tinationen der Zentralschweiz immer mehr sogenannt «kalte Betten» in Ferienwohnungen und – häusern. Auf der Rigi setzte man bereits in den 1930er-Jahren angesichts der schlechten Rendite vieler Hotelbetriebe auf die Parahotellerie. Die stärkste Zunahme der Ferienwohnungen erfolgte allerdings zwischen 1950 und 1965. Bis 1975 kehrte sich das Verhältnis im Bettenangebot um: Wäh- rend sich die Zahl der Hotelbetten seit 1935 um mehr als die Hälfte auf 680 reduziert hatte, stieg die Zahl Betten in Ferienhäusern und –wohnungen von 12 auf 1538.275 Der Zeitgeist sprach nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die «alten Kästen» der Belle Epoque, von denen einige bereits während der Krisen- und Kriegsjahre verlottert waren. Sie wurden abgerissen und machten Platz für moderne Hotels, Büros oder Luxuswohnungen.276 Keine Wiedereröffnung er- lebten nach dem Ende des Krieges einstmals so bekannte und begehrte Luxushotels wie das Grand Hotel du Lac in Luzern oder das Hotel Axenfels in Morschach. Der Abbruch der Rigi-Kulm-Hotelhäuser in den 1950er Jahren sorgte gar für landesweites Aufsehen. Stellvertretend für alle anderen Ver- schandelungen der Berglandschaft durch mondäne Hotelbauten statuierte der Schweizer Heimat- schutz mit diesem Abbruch auch ein Exempel und eine Rückbesinnung auf traditionelle Schweizer Werte.277 1961 folgte nach einem Brand die Schliessung des Grandhotels Rigi Kaltbad, 1966 diejenige des Grand Hotel Axenstein in Morschach. 1970 ging das Grand Hotel Sonnenberg in Seelisberg in den Besitz der Maharishi European Research Unions über, die daraus ein Zentrum für transzendentale Meditation machte. 1972 schloss das Grand Hotel Brunnen, 1989 das Park Hotel Bürgenstock. Die Schliessungswelle der Belle Epoque-Hotels war in der Zentralschweiz drastischer als im schweizeri- schen Durchschnitt: Während 1990 gesamtschweizerisch noch 56 der 91 Grand Hotels der Belle Epo- que existierten, waren in der Zentralschweiz nur noch sieben der 19 Grand Hotels von 1914 in Be- trieb, nämlich die Hotels Schweizerhof, National und Palace in Luzern, der Waldstätterhof in Brun- nen, das Parkhotel in Vitznau sowie Park Hotel und Palace auf dem Bürgenstock.278 Zu einer Trendwende kam es erst nach 1990 mit der Renaissance der Belle Epoque als Marketingfak- tor, wo diverse Traditionshäuser den Ansprüchen der postmodernen Zeit gemäss renoviert wurden, ohne ihr historisches Flair zu verlieren.279

274 Heiss 2004, 55. 275 Bänziger 1978, 155; Kälin 2012, 207. 276 Horat Heinz 2007, 294. 277 Kälin 2012, 216. 278 Ott 2010, 30-31, 152-154. 279 Omachen 2010, 260ff. 87

6. DIE ZENTRALSCHWEIZER TOURISMUSGESCHICHTE AN AUSGEWÄHLTEN STATIONEN DES WALDSTÄTTERWEGS

Auf dem Waldstätterweg entlang seiner Ufer lassen sich die wichtigen Etappen der Tourismusge- schichte Zentralschweiz erzählen. Dabei lassen sich die zentralen Themen der Tourismusgeschichte Zentralschweiz durchaus an verschiedenen Orten und Brennpunkten erzählen, wie zum Beispiel die Bedeutung des Sees als wichtiges Raumelement in der Entwicklung eines gesundheits- und aus- sichtsorientierten Sommertourismus in der Belle Epoque. Die nachfolgende Auflistung der wichtigs- ten tourismusgeschichtlichen Elemente pro Wegetappe ist ein erster Input für die weitere Bearbei- tung des Kulturwegeprojekts «Waldstätterweg».  Der Vierwaldstättersee als Reiseziel der Romantik – Umsetzungsmöglichkeiten in verschiedenen Orten entlang des Sees:  Mehrfachfunktion des Vierwaldstättersees aus verkehrshistorischer Sicht als Handels- und Postweg und ab der Belle Epoque als Ort einer elitären Vergnügungsschifffahrt mit Vorbild- charakter für andere Reisedestinationen.  Seen als Erholungsraum für Kur- und Aussichtstourismus ab dem 19. Jahrhundert  Der Vierwaldstättersee mit seiner Verbindung von Wasser, Bergen und Hirtenidylle mit nati- onal bedeutenden historischen Stätten als Inbegriff einer romantischen Landschaft, weltweit bekannt gemacht durch Maler und Literaten wie Friedrich Schiller.  Brunnen – Vitznau:  Pilgergeschichte: Brunnen als Zwischenstation der Jakobspilger  Strassen als touristische Attraktionen: Brunnen als Ausgangspunkt zur Axenstrasse und zum Gotthard  Brunnen als Beispiel für die allmähliche Ausdehnung der erfolgreichen Belle-Epoque- Hotellerie entlang des Vierwaldstättersees dank der besseren Verkehrserschliessung (Dampf- schiff/Eisenbahn). Exemplarisch anhand von Hotelgeschichten wie Hotel Axenstein oder Ho- tel Waldstätterhof.  Vitznau – Weggis – Küssnacht: Im Banne der Rigi:  Naturforschung und Malerei als Auslöser einer europaweiten Begeisterung für die Bergwelt der (Zentral)schweiz am Beispiel Pilatus (Naturforscher) und Rigi (Panoramen)  Die Rigi als Leuchtturm für Schweizer Tourismus im Ausland. Anziehungspunkt, Vorbild, aber auch frühes Beispiel für Fehlentwicklungen eines Fremdenverkehrsbooms, der die Strukturen (Landschaftsbild, Transportmöglichkeiten, Gastlichkeit) überfordert. Sinnbild für Aussichts- tourismus bis heute; Sinnbild für Alpenbegeisterung einer intellektuellen europäischen Elite vor der sportlichen Eroberung der Hochalpen.  Wechselwirkung Transport-Fremdenverkehr in Vitznau und Weggis: Auswirkungen der Berg- bahnen auf das Reiseverhalten sowie das Gast- und Transportgewerbe vor Ort.  Wintertourismus auf der Rigi mit Rosa Dahinden als Pionierin.  Küsnacht – Luzern: Kultur- und Kongresstourismus:  Naturforschung und Malerei als Auslöser einer europaweiten Begeisterung für die Bergwelt der (Zentral)schweiz am Beispiel Pilatus (Naturforscher) und Rigi (Panoramen).  Einfluss von Eisenbahn und Dampfschiff auf die Entwicklung der Zentralschweiz als Touris- musdestination erster Güte der Belle Epoque am Beispiel von Bahnhof und Schiffstation bzw. Schiffswerft Luzern  Die Tourismusmeile als früher Vergnügungspark der Zentralschweiz mit verschiedenartigen Inszenierungen der symbolischen Schweiz.  Neue Formen des Tourismus in der Nachkriegszeit: Werbewirkung der Urlauber-Aktion nach dem Zweiten Weltkrieg; KKL und Verkehrshaus als Symbole des Kultur- und Kongresstouris- mus; Umnutzung früherer Hotelpaläste in Wohn- und Bürogebäude. 88

 Tribschen: Der Vierwaldstättersee als musikalische Inspiration am Beispiel Richard Wagners (und weiterer Komponisten wie Mendelson-Bartholdy, Rossini, Rachmaninow)  Von Luzern über Horw und Rotzloch nach Stansstad:  Pilatus-Erschliessung für den Fremdenverkehr: Von Stansstad-Lopper über den Nidwaldner- weg via Klimsenhorn und Chriesiloch als Werk des Pioniers Kaspar Blättler oder von Alpnach- stadt über den Obwaldnerweg und die Pilatusbahn. Thema Aussichtstourismus: Der wilde Pilatus als Gegenstück zur lieblichen Rigi.  Thema Gastfreundschaft: Das Rotzloch als Startpunkt der Karriere des Belle-Epoque-Hoteliers und Dampfschiffunternehmers Kaspar Blättler.  Werdegang und Charakterisierung des Hotelpioniers Franz Josef Buchers am Beispiel des Stanserhorns.  Stanserhornbahn und –hotel als Beispiel für Bergbahnboom der Belle Epoque, für neue Form des Tagesausflugstourismus, für neue Werbemethoden und für Demokratisierung des Rei- sens.  Wechselwirkung zwischen Transportinfrastruktur und Fremdenverkehr am Beispiel Stanser- hornbahn und Stansstad-Engelberg-Bahn.  Wintertourismus in der Zentralschweiz ab der Zwischenkriegszeit am Beispiel Engelberg: Auf- schwung des Wintersportortes dank Bahnerschliessung, ausgehend von Stansstad.  Von Stansstad über den Bürgenstock als idealer Ort der Gastfreundschaft bis nach Beckenried  Hotelkomplex Bürgenstock mit Grand Hotels, Felsenweg und Transportinfrastrukturen (Hammetschwandlift und Standseilbahn ab Kehrsiten) als Paradebeispiel für eine ideale Ho- tellandschaft für die Oberschicht der Belle Epoque.  Franz Josef Bucher als Inbegriff des innovativen, kompromisslosen und erfolgreichen Hotel- pioniers.  Zufahrtswege und Transportmittel auf dem neuesten technischen Stand als Wesensmerkmal einer erfolgreichen Hotellerie der Belle Epoque.  Aussichtstourismus mit spektakulären Panoramen und bequemen Zufahrten als wesentlicher Erfolgsfaktor der Region Vierwaldstättersee.  Der Vierwaldstättersee als einziges Strandbad in der Zwischenkriegszeit am Beispiel der Kur- hotel-Strandbad-Bahn-Geschichte Fürigen-Harissenbucht  Von Beckenried bis Seelisberg: Pilgern und Kurtourismus  Jakobsweg: Treib-Seelisberg als Schiffsstation für Jakobspilger auf dem Weg von Einsiedeln nach Flüeli-Ranft. Treib-Seelisberg-Bahn als Beispiel eines verspäteten und redimensionier- ten Belle-Epoque-Bahnprojekts.  Einfluss von Wallfahrtsorten (wie Sonnenberg) auf das Entstehen erster Beherbergungsstruk- turen (hier: vom Wirtshaus zum Grand Hotel Sonnenberg).  Rütli und Schillerstein: Der zentrale Einfluss von Schillers Drama «Wilhelm Tell» auf den Auf- schwung des Fremdenverkehrs im frühen 19. Jahrhundert. Verstärkung der Werbewirkung durch bewusste Inszenierungen (wie Schillerstein, Telldenkmal Altdorf, Telltheater, Rütliwie- se u.a.).  Der Vierwaldstättersee als Sanatorium des europäischen Grossbürgertums am Beispiel der Kuranstalt Schöneck-Seelisberg.  Leben und Wirken des Hoteliers Michael Truttmann als Beispiel für den erfolgreichen Schweizer Hotelpatron und Familienbetrieb der Belle Epoque.  Beckenried, eines der ersten Dörfer am See mit elektrischer Beleuchtung, als Beispiel für den Einfluss des Fremdenverkehrs auf die Lebenswelt der Einheimischen.

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7. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT

Der Fremdenverkehr in der Zentralschweiz entwickelte sich im schweizerischen und europäischen Vergleich bereits früh zu einem wichtigen Wirtschaftszweig. Landschaft und Gesellschaft der Zentral- schweiz wurden durch den Ausbau von Hotel- und Transportinfrastrukturen für den Fremdenverkehr früh und nachhaltig geprägt. In seinen Anfängen bis zu seiner Hochblüte während der Belle Epoque profitierte der Fremdenverkehr der Zentralschweiz von der Suche einer geschichts- und naturbegeis- terten Elite Europas nach der idealen Verbindung von Naturschönheit, Berg- und Hirtenidylle, Ge- schichte und freiheitlicher Gesellschaft sowie etwas später nach ingenieurtechnischen Errungen- schaften in Strassen- und Bahnbau. Eine besondere Rolle kam dabei Schillers Drama «Wilhelm Tell» zu, das die Kulturlandschaft des Vierwaldstättersees theatralisch inszenierte und damit eine unge- heure Wirkung auf die europäische Oberschicht ausübte, die eine erste grosse Reisewelle in die Zent- ralschweiz auslöste. Eine ähnliche Wirkung, wenn auch mit einem anderen Hintergrund, sollten spä- ter auch die Besuche prominenter Künstlerinnen und Künstlern sowie Monarchinnen und Monarchen auslösen, die den Blick der breiten Öffentlichkeit immer wieder aufs Neue auf die Attraktionen der Region rund um den Vierwaldstättersee lenkten und sie dadurch zu einem must auf der Liste der Reisedestinationen für die vermögenden Schichten Europas machten. Insbesondere der Rigi kam als europäisches Reiseziel ersten Ranges bei der Etablierung der Schweiz als Reisedestination im 19. Jahrhundert eine zentrale Bedeutung zu. Sie war eine Trendsetterin des Schweizer Fremdenverkehrs. Was die Reisenden auf der Rigi erlebten, prägte das touristische Bild der Schweiz und ihre Wahrnehmung von aussen bis heute. Die Rigi setzte im wahrsten Sinne Massstäbe. Im guten wie im schlechten Sinn. Sonnenaufgänge, Gastgeberqualitäten, Transportinfrastrukturen – alles, was die Attraktion der Schweiz als Reiseland in den Augen der urbanen Eliten Europas ausmachte, mass sich am Angebot auf der Rigi. Bedingt durch den Ansturm der Touristen, insbesondere nach dem Bau der Vitznau-Rigi-Bahn, wurde die Rigi aber auch zu einem Sinnbild der negativen Seiten des modernen Fremdenverkehrs wie die schnelle Mas- senabfertigung der Gäste, die Verschandelung der Landschaft mit überdimensionierten Hotelbauten oder die Geschäftstüchtigkeit der Schweizer im Umgang mit den Fremden, die von vielen Reisenden als fehlende Gastfreundschaft empfunden wurde. Kritische Bemerkungen zum geschäftstüchtigen, profitorientierten, wenn nicht gar abweisenden und ruppigen Umgang der Bevölkerung mit den Fremden finden sich für das 19. Jahrhundert zuhauf. Sie sind mit Vorsicht zu lesen, da ihre Autoren oft mit zu romantischen und anspruchsvollen Vorstellungen von idyllischen Aufenthalten in der Ruhe der Bergwelt in die Schweiz reisten, die allein angesichts der grossen Gästezahlen nicht erfüllt wer- den konnten. Zudem bezogen sich die Kritiken grösstenteils auf die kaum regulierbaren Seiten des Fremdenverkehrs wie die Bettelei oder die Marktschreierei von Transport- und Hotelanbietern. Weit positiver wurde dagegen das Angebot der professionellen Gastgeber insbesondere im oberen Hotel- segment der Grand- und Kurhotels beurteilt. Diese scheuten oft keine Mühen, um ihrer Kundschaft das Beste und Neueste an technischer Infrastruktur, Komfort und Vergnügungen zu bieten. Im Kur- tourismus zählte die Zentralschweiz zwar nicht zu den Pionieren, doch nahmen zahlreiche Anbieter entlang des Vierwaldstättersees den Trend rasch und in Perfektion auf und schufen Kurhotel- Angebote, die auf den neuesten medizinischen und technischen Erkenntnissen beruhten. Die touristische Entwicklung stand in der Zentralschweiz in einer besonders engen Wechselbeziehung zur infrastrukturellen Entwicklung. Die Erschliessung der Region im Allgemeinen und einzelner Aus- sichtspunkte und Hotelanlagen im Besonderen mit Fahrstrassen, Eisenbahn, Dampfschiff und Berg- bahnen war sowohl die notwendige Voraussetzung wie auch eine Folge des aufstrebenden Fremden- verkehrs. Mit der Rigi-, der Pilatus- und der Stanserhornbahn sowie später mit den Wintersportanla- 90 gen in Engelberg leisteten Zentralschweizer Unternehmer Pionierarbeit bei der bahntechnischen Eroberung der Schweizer Berge. Der Bergbahnboom in der Hochphase der Belle Epoque ging mass- geblich auf die Leistungen der Zentralschweizer Bahnpioniere zurück. Im 19. Jahrhundert zählten Hoteliers zu den grössten Förderern von technisch oft innovativen Infra- strukturprojekten. In der Zentralschweiz war die Zahl solcher Hoteliers bemerkenswert gross, die mit viel Tatkraft, Weitsicht und finanziellem Risiko Projekte zum Aufbau grosszügiger Hotel- und Trans- portinfrastrukturen in den Dörfern und auf diversen Aussichtsbergen rund um den Vierwaldstätter- see an die Hand nahmen. Diese Patrons alter Schule verkörperten – zusammen mit ihren Frauen und weiteren Familienangehörigen – in Perfektion die Gastfreundschaft, die von den vermögenden Rei- senden gesucht wurde. Der Höhenflug der Zentralschweiz als Reiseziel einer begüterten Elite Europas fand mit dem Ersten Weltkrieg ein abruptes Ende. Rasch kam es zu einer vergleichsweise starken Restrukturierung des Hotelangebots insbesondere an Orten wie Luzern, wo in den letzten Jahren der Belle Epoque ein Überangebot geschaffen worden war. Von der Popularisierung des Reisens in der Zwischenkriegszeit mit einer neuen Mittelschicht-Klientel profitierte die Zentralschweiz mit ihren vornehmlich für die Oberschicht geschaffenen Hotelstrukturen nur wenig. Weit wichtigere Impulse kamen für die Region dagegen aus dem Wintertourismus, wo Zentralschweizer Orte wie Engelberg, Andermatt oder die Rigi zu den Schweizer Pionieren gehörten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es nochmals zu einer radikalen Veränderung der Gästestruktur und des Reiseverhaltens. Die vermögenden Reisenden der Belle Epoque wurden abgelöst durch eine brei- te Schicht von Urlaubern, die mit dem Automobil weiter entfernte Reiseziele anpeilten. Kurzaufent- halte lösten die frühere Sommerfrische ab, und die Parahotellerie setzte sich auf breiter Front durch. Nicht zuletzt dank gezielten Werbeaktionen unter US-Army-Urlaubern konnte die Zentralschweiz besonders stark von einem neuen Massentourismus aus Übersee profitieren, der ab den 1950er- Jahren einsetzte. Eine Trendwende setzte in den 1990er-Jahren ein, mit der Rückbesinnung auf einen gehobenen Individualtourismus und der Wiederentdeckung der historischen Hotels der Belle Epo- que. Die touristische Entwicklung der Zentralschweiz ist bislang nur in Teilaspekten durch Einzelarbeiten zu diversen Bergbahnen, Kur- und Fremdenorten beleuchtet worden. Trotz der Bedeutung der Regi- on für die touristische Entwicklung der gesamten Schweiz steht eine umfassende Tourismusgeschich- te der Region Zentralschweiz bis heute aus, was sich teilweise auch damit erklären lässt, dass die Tourismusgeschichte in der Schweiz eine noch junge Disziplin ist. Die vorliegende Arbeit stellt die wichtigsten Erkenntnisse dieser Einzelarbeiten zu den Themenschwerpunkten «Gastfreundschaft» und «Wechselwirkung Verkehrs- und Tourismusgeschichte» zusammenzufassen und in einen grösse- ren Zusammenhang der nationalen und internationalen Tourismusentwicklung und -forschung. Eine weitergehende wissenschaftliche Aufarbeitung des Tourismus in der Zentralschweiz von seinen An- fängen bis in die Gegenwart ist nicht nur für die Region, sondern auch für die allgemeine Schweizer Tourismusgeschichte immer noch nötig und wünschenswert.

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8. LITERATURVERZEICHNIS

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