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Musikstunde mit Wolfgang Sandberger

„Verehrungsvoll zugeeignet“ Widmungen in der Musik

Donnerstag, 6. Oktober

Welche Musik, meine Damen und Herren, kann vor bestehen? Franz Schubert wird sich das immer mal wieder gefragt haben – und der junge Schubert hat die folgende Musik für würdig befunden, sie dem verehrten älteren Kollegen zu widmen: Ob er mit seinen Variationen über ein französisches Lied aber wirklich auch persönlich bei Beethoven gewesen ist und sich dort auch noch sehr verlegen benommen hat – wie gelegentlich bericht wird, dass wird wohl nie zu beweisen sein. Beethoven jedenfalls hat die Variationen von Schubert durchaus geschätzt und vielleicht hat ihm der kraftvoll-heroische Ton der Schlussvariation am besten gefallen: Tempo di Marcia

Musik 1 CD 1 Track 6 9.40-13.01’’ Franz Schubert Più mosso. Tempo di Marcia, Schlussvariation aus den 8 Variationen über ein französisches Lied, e-moll D 624 Yaara Tal und Andreas Groethuysen, Klavier S2K 66256

Yaara Tal und Andreas Groethuysen spielten die Schlussvariation aus den Variationen über ein französisches Lied D 624, Variationen die Franz Schubert dem bewunderten Ludwig van Beethoven zugeeignet hat. Um Widmungen an Musiker geht es heute in unserer Widmungs-Musikstunde, um Zueignungen also an Komponisten oder Interpreten und die vielleicht originellste Formulierung stammt da vom Grafen Waldstein, ja der hatte sogar Sinn für Worte von 3

Ewigkeitswert: „Mozarts Geist aus Haydns Händen“: Kaum ein anderer Satz hat jedenfalls so Musikgeschichte gemacht, wie diese Widmung oder Stammbucheintragung, die Graf Waldstein seinem Schützling Ludwig van Beethoven mit auf den weiten Weg nach Wien mitgegeben hat: „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart's Geist aus Haydens Händen.“

Der Unterricht bei Joseph Haydn hat gut ein Jahr gedauert, doch was der 22-jährige Beethoven bei seinem Lehrer tatsächlich gelernt hat, ist schwer zu sagen. „Mozarts Geist“ wird es - nüchtern betrachtet - kaum gewesen sein. Dass ein so eigenständiger Kopf wie Haydn den kompositorischen Geist Mozarts an einen Schüler vermitteln würde, das war denn doch mehr als eine gewagte Prognose. Immerhin: Beethoven hat Haydn seine ersten Klaviersonaten gewidmet und glauben wir einer Anekdote, dann hätte es Haydn doch ganz gerne gesehen, wenn Beethoven auf den Titel dieser ersten Klaviersonaten den Zusatz Schüler von Haydn gesetzt hätte. Beethoven aber hat sich nach einem durchaus glaubwürdigen Bericht gegen diesen Zusatz vehement gesträubt. Wie dem auch sei - im Kern enthält diese Geschichte sicher etwas Richtiges: Das kompositorische Selbstbewusstsein des jungen Beethoven ist damals nämlich bereits so ausgeprägt gewesen, daß er seine Klaviersonaten op. 2 dem renommierten, ja prominenten Joseph Haydn zwar gerne gewidmet hat, sie aber nicht mehr als Schülerarbeiten verstanden wissen wollte. Sind sie ja auch nicht mehr…

Musik 2 Ludwig van Beethoven Klaviersonate f-moll, op. 2 Nr. 1 1. Satz , Alfred Brendel M0054584 001 4’15

„Komponiert und dediziert an Joseph Haydn von Ludwig van Beethoven“ – so lesen wir auf dem originalen Titelblatt dieser Sonaten op. 2 in französischer Sprache – mit solchen Zueignungen an Komponisten- und Musikerkollegen ist Beethoven noch recht sparsam gewesen: die meisten seiner Werke gehen an adlige Damen und Herren, lediglich drei der Werke, die zu seinen Lebzeiten im Druck erschienen sind, tragen eine Widmung an Kollegen: 4

Wie gehört an Joseph Haydn, dann an Antonio Salieri und den Geiger Rodolphe Kreutzer, mit dessen Namen bis heute die A-dur Violinsonate op. 47 von Beethoven immer verbunden bleiben wird: die sogenannte Kreutzer-Sonate eben. Ironie der Musikgeschichte: Kreutzer hat diese Sonate trotz Widmung nie gespielt, ja er hat sie sogar für unspielbar erklärt. Eine Widmung an einen Interpreten ist also noch lange keine Garantie für dessen erfolgreiches Engagement… Ganz anders als bei Beethoven ist das Widmungsverhalten bei : auch wenn wir auf den Titelblättern des Freischütz-Komponisten durchaus klangvolle Namen finden wie die französische Königin oder den österreichischen Kaiser - so dominieren bei Weber doch bereits die bürgerlichen Namen und darunter gibt es dann auch erstaunlich viele Musiker: Komponisten wie Franz Danzi, Giacomo Meyerbeer, Abbé Vogler und Ludwig Berger oder Interpreten wie den Pianisten Franz Lauska und natürlich zahlreiche Sängerinnen und Sänger, denen Weber einzelne Lieder zugeeignet hat. Eine „höllische Lunge“ hat er aber nicht seinen Sängerinnen, sondern einem Instrumentalisten attestiert nämlich dem Klarinettisten Heinrich Baermann. „Eine höllische Lunge“ – Musikalisch gesehen ist Baermann in der Tat preußisches Gardemaß gewesen: Schon mit 14 hat der Potsdamer in der Preußischen Leibgarde gespielt. Später hat er mit seiner Klarinette München erobert - als Soloklarinettist in der Münchener Hofkapelle. Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Weber und Baermann hat an der Isar sogar eine kleine Hysterie ausgelöst. Der junge Weber berichtet jedenfalls nicht ohne Stolz: „Seit ich für Baermann das Concertino componiert habe, ist das ganze Orchester des Teufels und will Konzerte von mir haben.“ Tja, da wollen wir natürlich in der SWR 2 Musikstunde mal hören, mit welcher Musik Weber so Furore gemacht hat – das Concertino Es-dur, auf dessen Titelblatt der Komponist in italienischer Sprache den Widmungsträger vermerkt hat: „composto per uso dell Signore Enrico Baermann“, also „komponiert für den Gebrauch des Herrn Heinrich Baermann“. Carl Maria von Weber ist übrigens nicht nur von Baermanns Lunge begeistert gewesen, sondern vor allem natürlich von seinem feinsinnigen Spiel. Besonders hat Weber „die vollkommene Gleichheit des Tones in allen Lagen der Klarinette“ gerühmt und Baermanns „himmlich geschmackvollen Vortrag“ - und für den steht hier jetzt Sabine Meyer. Die Klarinettistin wird begleitet von der Staatskapelle Dresden unter Herbert Blomstedt; das Concertino Es dur von Carl Maria von Weber

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Musik 3 Track 1-3 9.13’’ Carl Maria von Weber Concertino Es-dur op. 26 Sabine Meyer, Klarinette Dresdner Staatskapelle Ltg. Herbert Blomstedt EMI CDZ 25 2335 2 LC 0233

Die Aufführung dieses Concertino durch Heinrich Baermann ist einst ein so toller Erfolg gewesen, dass der bayerische König bei Weber gleich zwei weitere Klarinettenkonzerte für Baermann in Auftrag geben hatte – exklusiv durfte der Widmungsträger diese beiden Konzerte übrigens 10 Jahre lang spielen, dann erst sind sie in einem Verlag veröffentlicht worden. Um Widmungen an Komponisten oder Musiker geht es heute in der SWR 2 Musikstunde – und ein besonders umschwärmter und hofierter istda Franz Liszt gewesen: Klar, der „wilde, himmelstürmende“ Liszt hat als Tastenvirtuose in ganz Europa Furore gemacht und manch ein Komponist hat wohl davon geträumt, seiner Klaviermusik unter den Fingern von Franz Liszt zu Ruhm und Ehre zu verhelfen: Robert Schumann hat ganz in diesem Sinne seine Fantasie op. 17 Franz Liszt gewidmet – und die Liste der Liszt-Widmungen ist lang. Frederic Chopin hat seinem Freund und Kollegen ausgerechnet Etüden zugeeignet: ein scheinbar prosaisches Geschenk, denn bei Etüden, da denken wir statt an Poesie eher an Einzelhaft am Klavier, an vertrackte Noten, die einen zur Verzweiflung bringen können, technische Formeln eben, die man sich in die Finger peitschen muss. So gesehen hätte Liszt über diese Widmung sogar etwas verschnupft sein können, nach dem Motto: brauche ich, der große Tastenlöwe von diesem smarten französischen Pianisten „mit Samtfingern“ noch Studierstücke?! Doch beim genaueren Durchsehen dieser Etüden dürfte Liszt sich angesichts so mancher Schwierigkeit doch verwundert die Augen gerieben haben, ja ein elfter oder 12 Finger wäre bei der einen oder anderen Stelle hier sicher nicht schlecht. In der dritten Etüde etwa, der berühmten E-Dur-Etüde, muss sich die rechte Hand zum Beispiel selbst begleiten, eine Zweistimmigkeit, die sich im Mittelteil zu üppigen Doppelgriffen verdichtet, so komplex, dass selbst ein Liszt so etwas nicht vom Blatt spielen konnte. Liszt hat sich ein paar Tage zurückgezogen, um die Stellen zu üben. Und später hat er erklärt, er wolle vier Jahre seines Lebens hergeben, wären ihm die ersten vier Seiten dieser Etüde selbst eingefallen: 6

Musik 4 Track 3 3.41’’ Frederic Chopin Etüde E-dur op. 10 Nr. 3 Maurizio Pollini, Klavier DGG 413 794-2

„Seinem Freund Franz Liszt gewidmet“ – so lesen wir in elegantem Französisch auf dem Titelblatt dieser Etüden op. 10 von Frederic Chopin – das war die Nummer 3 in Es-dur in einer Aufnahme mit Maurizio Pollini. Die spätere Etüdenserie mit der Opuszahl 25 hat Chopin dann der Freundin von Franz Liszt gewidmet, der Gräfin Marie d’Agout – und wer diesen aparten Namen damals auf dem Titelblatt gelesen hat, der wird Liszt gleich mitassoziiert haben. Überhaupt ist dies ein wichtiger Aspekt bei Widmungen: sie lenken die Wahrnehmung und Rezeption eines Werkes, es macht jedenfalls einen großen Unterschied, ob wir bei einer Klaviermusik lesen: „dem Freund Franz Liszt“ oder „Clara Schumann verehrungsvoll zugeeignet“ – in beiden Fällen sind große Interpreten aufgerufen, doch beide Namen stehen natürlich für ganz unterschiedliche künstlerisch-ästhetische Konzepte: Die zitierte Widmung an die Pianistin Clara Schumann stammt übrigens vom jungen Johannes Brahms, der seine Musik nie und nimmer mit Franz Liszt in Verbindung gebracht wissen wollte – anderes als Hector Berlioz, der bei der folgenden Widmung an Franz Liszt nicht den Klaviervirtuosen gemeint hat, sondern den Bruder im Geiste – beide nämlich Liszt und Berlioz, Berlioz und Liszt haben sich musikalisch, d.h. als Komponisten für große Literatur interessiert: Beispiel: Goethes Faust. Berlioz hat den Faust-Stoff schon mit 25 für sich entdeckt – in einer französischen Übersetzung natürlich. „Ich war vom ersten Augenblick an fasziniert von diesem wundervollen Buch“ – so Berlioz. „Ich legte es nicht mehr aus der Hand; ich las ständig darin, beim , im Theater, auf der Straße, überall“ – so die Leseratte Berlioz aus der Rückschau. Schon damals hat der junge französische Komponist mit Szenen aus dem Faust experimentiert, ja sogar eine Sinfonie zum Stoff ist entstanden, die aber leider nicht erhalten ist. Ein Exemplar dieser Sinfonie hat der stolze junge Franzose damals an den hochbetagten Goethe geschickt – der allerdings hat den Fehler gemacht, die Partitur seinem musikalischen Berater Zelter zur Begutachtung vorzulegen. Der etwas biedere Berater hatte für den innovativen Klangmagier Berlioz kaum Sinn: aus dieser Faust- Partitur sei nichts anderes 7 herauszuhören als „Husten, Schnauben, Krächzen und Ausspeien.“ Das also ist Berlioz Verdammnis gewesen. In Goethes Augen ist der Franzose damit jedenfalls gerichtet gewesen. Gerettet hat Berlioz immerhin seine Musik in dem monumentalen Werk „Faust Verdammnis“, das er wie Franz Liszt gewidmet hat. Ja, überhaupt hat Liszt den Faust-Stoff über Berlioz kennen gelernt – im französischen Gewande also zunächst und da klingt dann Gretchens Ballade vom König in Thule so:

Musik 5 CD 2 Track 5 5.23’’ Hector Berlioz Autrefois un roi de Thulé, aus: La Damnation de Faust Anne Sofie von Otter, Margarethe Philharmonia Orchestra Ltg. Myung-Whun Chung DG453 500-2

„Franz Liszt gewidmet“: Anne Sofie von Otter ist das gewesen als Margarete in Fausts Verdammnis von Hector Berlioz: das war das Lied „Es war in König in Thule“, das Gretchen beim Auskleiden in ihrem Zimmer singt: Es war ein König in Thule, Gar treu bis an das Grab“ – aus Goethes Faust, dessen Original übrigens die wohl berühmteste Widmung trägt: Die „Zueignung“, mit der diese Tragödie beginnt: „Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten…“ undsoweiter. Nun, seit Jahrhunderten begleitet sie nicht nur Werke der Weltliteratur, sondern auch Kompositionen: die Widmung. Speziell um Zueignungen an Komponisten und Musiker geht es heute in der SWR 2 Musikstunde. Auch der Name Johannes Brahms hat sich auf gedruckten Kompositionen gut gemacht – aus den unterschiedlichsten Gründen. Der eine oder andere hat wohl auf einen besseren Verkauf seiner Musik gehofft, die Liste jedenfalls ist lang mit Kompositionen wie „neuen ungarischen Tänzen“ oder Wiener Walzern, die Brahms gewidmet sind – in Anspielung natürlich auf dessen gehobene Unterhaltungsmusik. Für den Karlsruher Musikdirektor Otto Dessoff hat Brahms die Rolle eines „strengen Richters“ gespielt: bei der Beurteilung seines neuen Streichquartetts. Brahms hat das Quartett des Kollegen immerhin gelobt mit „ernstlicher Freude“ und „freundlichem Ernst“, wie er schreibt, und so hat Brahms es sich auch gefallen lassen, dass Dessoff sich bei der Drucklegung mit der Widmung des Werkes bedankt hat. Wenn Brahms eine solche Widmung 8 zugelassen hat, dann hat er damit eine Art geistige Patenschaft übernommen, soll heißen: eine gewisse Mitverantwortung für die Veröffentlichung des Werkes – im weitesten Sinne. „Du machst mir die größte Freude“, so Brahms etwas süffisant an Dessoff, „wenn Du meinen Namen mit auf den Quartett-Titel schreibst – die Schläge kriegen wir dann auch gemeinsam, wenn die Leute es zu kindlich finden…“

Musik 6 Track 7 3.44 Felix Otto Dessoff Streichquartett F-dur op. 7, daraus: Dritter Satz „Poco andantino“ Mandelring Quartett Lotus Records 9927 LC 03622

Johannes Brahms gewidmet: das war der dritte Satz aus dem Streichquartett F-dur op. 7 von Otto Dessoff, dem Brahms-Freund in Karlsruhe. Es spielte das Mandelring Quartett. Brahms selbst ist mit dem Klavier groß geworden und übrigens ein begeisterter Vierhändig- Spieler gewesen, ja er hat das partnerschaftliche Spiel am Klavier geliebt, das a quatre main- Spiel, das Brahms in seinem norddeutschen Französisch kurzerhand nur „kattermäng“ genannt hat. Die folgende Hamlet-Ouvertüre von dem Geiger und Komponisten hat Brahms selbst für Klavier zu vier Händen bearbeitet, ja Brahms fühlte sich von dieser Hamlet- Musik seines Freundes „durch und durch erwärmt“. Gewidmet aber ist diese Musik nun nicht Brahms, nein, auch keinem anderen Komponisten, sondern – gleich einem ganzen Orchester: Den „Mitgliedern der Weimarer Kapelle gewidmet“ – so steht über diesem fulminanten Frühwerk von Joseph Joachim, eine Musik, die noch ganz im Dunstkreis von Franz Liszt in Weimar entstanden ist, in Weimar, wo der fabelhafte Geiger Joachim in jungen Jahren ja Konzertmeister gewesen ist – und so ist die Widmung an die Liszt-Kapelle in Weimar zugleich auch ein ästhetisches Bekenntnis gewesen. Mit dem Klavierarrangement von Brahms lassen sich zwar Einzelheiten dieser Hamlet- Partitur sehr gut studieren, die Hamlet-Musik im Ganzen verliert auf den schwarz weißen Tasten aber doch von ihrer Farbigkeit, eine Farbigkeit, die diese Partitur besonders auszeichnet. Kaum zufällig hat Robert Schumann - neben „ganz ergreifenden Stellen“ - 9 gerade die „seltenen Licht- und Schatteneffekte“ gelobt und die „tiefklagenden Horntöne“ dieser Hamlet-Musik bewundert.

Musik 7 Track 5 2‘00 Joseph Joachim Ouvertüre zu Hamlet op. 4 Maastricht Philharmonic Orchestra Ltg. Roland Bader Koch classic 3 1514 2 LC 01083

Musik, die gleich einem ganzen Orchester gewidmet ist: Die Hamlet-Ouvertüre von Joseph Joachim, die der junge Konzertmeister „seinem“ Orchester in Weimar zugeeignet hat: „den Mitgliedern der Weimarer Kapelle“. Johannes Brahms hat von seinem Freund Joachim dann aber doch noch Musik gewidmet bekommen – nämlich das Violinkonzert in ungarischer Weise, ein Konzert, das genau vor 150 Jahren in Leipzig erschienen ist: 1861. Nun, mit so großen Orchesterwerken ist Brahms eher selten bedacht worden, unter den etwa 100 Kompositionen, die Brahms zu Lebzeiten gewidmet worden sind, finden wir vor allem Kammermusik, Klavierwerke oder Lieder – kein Wunder, Musik eben, die ja auch sein eigenes Metier gewesen ist. Dass Brahms zu Lebzeiten nur zwei Sinfonien gewidmet worden sind, mag uns heute auf den ersten Blick vielleicht etwas erstaunen – zwei sinfonische Werke übrigens von dem Jugendfreund Albert Dietrich und von , der seine Sinfonie op. 28 dem Kollegen „in Freundschaft zueignete“, wie es auf dem Titelblatt heißt - zu einer Zeit übrigens als Brahms von einer eigenen Sinfonie nur hat träumen können. Erst 1876 ist ja seine Erste in Karlsruhe herausgekommen, danach dann aber hat es dann auch niemand mehr gewagt, Brahms eine große Sinfonie zu widmen. Eine gewisse Scheu oder auch die Erkenntnis des eigenen Unvermögens dürften dabei eine Rolle gespielt haben, es war ja gar nicht so leicht, dem gefeierten Sinfoniker Brahms etwas auch nur annähernd Gleichrangiges vorzulegen. Umgekehrt lässt sich daran die enorme Bedeutung der Sinfonien von Brahms ablesen. Schon bei der ersten Sinfonie von Max Bruch hat der Maßstab Brahms eine große Rolle gespielt. Bruch hat sich nämlich aufrichtig gefreut, als der 5 Jahre ältere Brahms dieses Werk beim ersten Hören in Köln außerordentlich gelobt hat, und im Überschwang hat Bruch nun den Namen Brahms nachträglich auf den Titel 10 gesetzt. Und doch ist diese Widmung mehr als allein der Dank für eine freundschaftlich- kollegiale Äußerung, wie der Widmungsbrief von Bruch verrät:

„Es wäre begreiflich und verzeihlich, wenn Sie, der Sie so fest in sich ruhen und seit Jahren so energisch Ihren eigenen Weg verfolgen, für die Arbeiten Ihrer Kunstgenossen wenig Interesse hätten. Umso mehr freute es mich, daß Sie mir Pfingsten in Köln so deutlich das Gegenteil bewiesen; Ihr lebendiger Anteil, Ihr aufrichtiges, warm ausgesprochenes Wohlgefallen an meiner ‚Sinfonie’ haben mir eine ganz besondere Freunde gemacht und schon damals den Wunsch in mir erweckt, Ihren Namen mit diesem Werk dauernd zu verbinden.“

Der entscheidende Satz lautet: Brahms ruhe in sich und ginge seit Jahren energisch seinen eigenen Weg. Das sagt nicht nur viel über Brahms, sondern auch über den jüngeren Bruch aus: Ein komplexes Netz von Wünschen, Bedürfnissen, ja von Bewunderung und Identifikation mit dem Vorbild Brahms tut sich hier auf. Brahms hat übrigens besonders das g-Moll-Scherzo dieser Sinfonie von Max Bruch gefallen, das einen „ganz ungewöhnlichen Beifall hatte“, wie er über die Aufführung in Wien berichtet:

Musik 8 4.51’’ SWR M0052309 002 Max Bruch Scherzo aus der Sinfonie Nr. 1 Es-dur Gürzenich Orch. / Conlon