Verlagsbeilage Frankfurter Allgemeine Zeitung RICHARD LEIPZIG UND FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN

ORTSBESUCHE DER ERWÄHLTE BAYREUTH DES OSTENS WEITERE THEMEN Wo war Wagner? Ein Spaziergang Er gilt als einer der größten Wagner- Leipzig ist „Ring“-Stadt. Die Nachgefragt bei Stephan Balkenhol S. V3 durch Leipzig und Dresden auf den Dirigenten der Welt. Christian In szenierung von Joachim Herz Interview mit Ulf Schirmer S. V4 31. Januar 2013 | Nr. 26 Spuren des Komponisten. S. V2 Thielemann im Porträt. S. V6 gilt noch heute als Maßstab. S. V7 Wagner und die Wissenschaften S. V8

EDITORIAL Ein großer Sohn Mit verbindet man vor allem einen Ort: Bayreuth. Das Frankenstädtchen ist so recht bekannt eigentlich nur durch Wagners Entschluss, hier sein Festspielprojekt zu verwirklichen. Dabei hatte Wagner bis zu diesem Zeitpunkt gar keinen Bezug zu Bayreuth. Viel bedeutender für sein Leben waren zwei andere Städte: Leipzig und Dresden. Hier hat Wagner insgesamt 26 Jahre seines Lebens verbracht, ist er geboren, zur Schule gegangen, hat er seine musikalische Ausbildung erfahren und erste Gehversuche als Komponist gemacht. Wagner-Städte – wie Bayreuth oder Venedig es sind – waren Leipzig und Dresden bislang jedoch nicht. Wagner spielte, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle im Selbstverständnis dieser mit einem überaus reichhaltigen kulturellen Erbe gesegneten Sachsen-Metropolen. Das dürfte sich jetzt ändern. Denn 2013 ist Wagner-Jahr (am 22. Mai wäre der musikalisch Unsterbliche 200 Jahre alt geworden), und zu diesem Anlass haben Leipzig und Dresden ein Festpro- gramm entwickelt, welches geeignet ist, Wagner dauerhaft als Fixpunkt im Kulturleben der beiden Städte zu etablieren. Ob Leipzig und Dresden, wenn der Pulverdampf des Jubiläums- jahres verflogen ist, als fettgedruckte Orte auf der Wagner-Land- karte bestehen bleiben, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen dafür jedenfalls sind gut. Denn mehr Wagner, als 2013 in Leipzig und Dresden stattfindet, ist kaum möglich. Und angesichts der überwältigenden Wirkung seiner Musik (Stichwort „Droge Wagner“) womöglich auch gar nicht gesund. Michael Jakob

Visionär und Revolutionär: Richard Wagner (1813–1883) beeinflusste die Entwicklung der Musik bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Mein lieber Schwan! Wagners Wurzeln

Konzerte, Konzerte, Konzerte, dazu Ausstellungen und Der Schöpfer unvergleichlicher Musikdramen wie „Tristan“ und „“ Veranstaltungen sonder Zahl – 2013 dreht sich in Leipzig gehört zu den größten Genies des 19. Jahrhunderts. Die Grundlagen für und Dresden alles um Richard Wagner. die Entwicklung seiner Persönlichkeit wurden in Sachsen gelegt.

VON MICHAEL JAKOB. Was für ein Fest, was für ein Jahr: Ein der als einer der größten Wagner-Dirigenten der Welt gilt. VON HANS JOHN. Richard Wagner ist eine gesslichen Lebensabschnitt. Wagner erinnerte der Frauen- und in der städtischen Sophien- Mann hat Geburtstag, und zwei Städte wetteifern darum, Thielemann steht natürlich auch im Wonne- und Feiermo- der größten, aber auch widersprüchlichsten sich in „“ unter anderem an das kirche zu leiten. Wagner erinnerte sich noch welche von ihnen für den großen Sohn das meiste auf die nat Mai am Pult der „Wunderharfe“, wie Wagner die Dresd- Gestalten der Musikgeschichte des 19. Jahr- Musikkorps des in Eisleben stationierten im Alter bei der Komposition des „Parsifal“ an Beine stellt. Für das Jubiläumsjahr 2013, in dem Richard ner Staatskapelle nannte: zunächst in der Frauenkirche, um hunderts. Er verbrachte 26 Jahre seines Le- preußischen 12. Husarenregiments, das ihn den faszinierenden Effekt, den der Gesang der Wagners 200. Geburtstag begangen wird, haben Leipzig und am Ort seiner Uraufführung vor 170 Jahren Wagners einzi- bens in Sachsen, davon sieben in Leipzig und mit Piècen aus dem Repertoire der damals Kruzianer aus der inneren Kuppel der Dresd- Dresden ein reichhaltiges Festprogramm entwickelt, mit ges geistliches Chorwerk, „Das Liebesmahl der Apostel“, zu neunzehn in Dresden. Geboren wurde er am gängigen Militär- und Unterhaltungsmusik ner Frauenkirche bewirkte. Die „Gralsszenen“ Konzerten vor allem, aber auch mit zahlreichen flankieren- dirigieren. Dann, drei Tage später, am Vorabend von Wag- 22. Mai 1813 in Leipzig „auf dem Brühl im rot beeindruckte. sind hiervon beeinflusst, namentlich der Ge- den Ausstellungen und Veranstaltungen, die Leben und ners Geburtstag, in der . Hier dirigiert er die und weißen Löwen“. Sein Vater Friedrich sang der Knaben „aus der äußersten Höhe der Werk dieser in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Persön- Ouvertüren und großen Tenorszenen aus Wagners Urauf- Wagner war Polizeiaktuar. Ein halbes Jahr Der Kreuzschüler und die Musiké Kuppel“ im ersten Aufzug. Weitere Reminis- lichkeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. führungsopern – mit dem gefeierten Jonas Kaufmann als nach Richards Geburt verstarb Friedrich Im Sommer 1822 heiratete Karl Geyer und zenzen an die Frauenkirche finden sich im Solisten. Der „Fliegende Holländer“, „Tannhäuser“ und Wagner am „Lazarettfieber“, das er sich wäh- konnte den Knaben nicht länger bei sich be- „“, im „Liebesverbot“ und im „Parsifal“, „Tristan“ sind weitere Wagner-Opern, die in Dresden 2013 rend der Völkerschlacht zugezogen hatte. halten. So wurde Richard nach einigen Tagen wo Wagner an bestimmten Stellen eine liturgi- Dresden oder Leipzig? Die Frage stellt sich nicht. Dresden zu hören sind. Richards Mutter Johanna Rosine geb. Pätz Zwischenaufenthalts bei Adolf und Friederike sche Formel, das sogenannte Dresdner Amen, und Leipzig – erst dieser Zusammenklang ergibt in Bezug Nicht minder ambitioniert ist das Programm, das Leipzig heiratete am 28. August 1814 den Schauspie- Wagner in Leipzig nach Dresden zu seiner Fa- verwendet. auf Richard Wagner Sinn. Das große Doppelfest der beiden anlässlich Wagners 200. Geburtstag präsentiert. Mit dem ler, Lustspieldichter und Porträtmaler Ludwig milie zurückgeschickt. Dort wurde er am 2. Zu Weihnachten 1827 siedelte Wagner wie- Wagner-Städte ist dafür der beste Beweis. „Rheingold“ startet Ulf Schirmer, Intendant und General- Geyer und übersiedelte anschließend mit ih- Dezember 1822 unter dem Familiennamen der nach Leipzig über und trat am 21. Januar musikdirektor der Oper Leipzig, im Mai den ersten Teil der ren sieben Kindern zu ihm nach Dresden. In Geyer in die Matrikel der Dresdner Kreuz- 1828 in das Nikolaigymnasium ein. Dort stuf- „Ring“-Tetralogie, die so sehr mit Leipzig verbunden ist wie dessen gastlichem Hause verkehrte häufig schule eingetragen. Vermutlich bereits hier te man ihn auf die Tertia herunter, nachdem Leipzig und Dresden, das sind zwei Städte, die beide glei- mit keiner anderen ostdeutschen Stadt. Von Leipzig aus auch der im Dezember 1816 nach Dresden be- hat sich der an der griechischen Kulturge- er auf der Kreuzschule „schon in Sekunda chermaßen Wagner für sich beanspruchen: Leipzig die Ge- verbreitete sich durch die Inszenierung von Angelo Neu- rufene . Durch ihn wur- schichte sehr interessierte Richard Wagner gesessen“ hatte. Wagner fühlte sich ungerecht burtsstadt, Dresden die Stadt, in der er seine Kindheit und mann 1878 die „Ring“-Euphorie in Deutschland und Euro- de Richard, der bis zu seinem 14. Lebensjahr mit dem im klassischen Griechenland ge- behandelt und bekannte in seiner „Autobio- Jugend verbrachte und entscheidende Impulse für seine pa. Und knapp hundert Jahre später war es wieder Leipzig, den Familiennamen Geyer führte, inspiriert, bräuchlichen Begriff der „Musiké“ befasst. graphischen Skizze“, dass er „von da an alle Entwicklung erhielt. Das sind zwei unterschiedliche Stücke das „Ring“-Geschichte schrieb, als der Felsenstein-Schüler die Musikerlaufbahn einzuschlagen. Darunter wurde die Gesamtheit und Verflech- Liebe zu den philologischen Studien fahren vom ganzen Wagner-Kuchen, und entsprechend betont Joachim Herz seine vielbeachtete Inszenierung der Tetralo- Ab 1817 besuchte Richard in Dresden die tung der Künste verstanden. Ab dem Mittelal- ließ“. Großen Einfluss auf seine Interessen üb- jede Stadt einen anderen Aspekt. „Richard ist Leipziger“, gie auf die Bühne der Oper Leipzig brachte. Herz’ „Ring“, Schule des Vizehofkantors Carl Friedrich ter vollzog sich bekanntlich der Prozess des ten von nun an die Gewandhauskonzerte und proklamiert Leipzig und verweist damit auf die Tatsache, 1976 abgeschlossen, gilt vielen Liebhabern als der „wahre“ Schmidt. Ende September 1820 wurde er in Auseinanderdriftens und der Emanzipation die Schätze der Bibliothek seines Onkels Adolf dass Wagner in Leipzig geboren wurde. „Wo Wagner „Jahrhundert-Ring“, noch vor der legendären Bayreuther die pädagogische Obhut des Possendorfer der Einzelkünste. Er währte bis zum Auftakt Wagner aus. In den Gewandhauskonzerten WAGNER wurde“ kontert Dresden und postuliert mit der Inszenierung von Patrice Chéreau anlässlich des hundert- Pfarrers Christian Ephraim Wetzel gegeben, der romantischen Bewegung, als, beginnend begeisterte er sich für Kompositionen Beetho- Versalschreibung die „Markenwerdung“ Wagners in der jährigen Bestehens der Festspiele. Mit dem aktuellen der ihn für den Besuch der Dresdner Kreuz- mit Friedrich Hölderlin, die Wiederannähe- vens und Mozarts. Er kam sogar auf die kühne Elbmetropole. „Ring“-Projekt hat Leipzig wieder die Chance, mit einer schule vorbereiten sollte. Über die Bildung rung und gegenseitige Durchdringung der Idee, sein im Frühjahr 1826 beendetes Trauer- großen Inszenierung (Regie: Rosamund Gilmore) in die und Erziehung, die Richard in Possendorf Künste gefordert wurden. Entsprechende Syn- spiel „“ zu vertonen. Daher entschloss Mein Wagner, dein Wagner „Ring“-Annalen einzugehen. 2016 soll das Projekt mit dem (etwa 10 Kilometer südöstlich von Dresden ästhesie-Bestrebungen sind mit den Namen er sich, mangels vorhandener musiktheoreti- Man mag schmunzeln über die offenen und latenten Eifer- vierten Teil der Tetralogie, der „Götterdämmerung“, abge- gelegen) genoss, schreibt Wagner in seiner Novalis, Runge, E. T. A. Hoffmann, C. D. scher Vorkenntnisse die „Methode des Gene- süchteleien der beiden Sachsenstädte, man mag sich über schlossen sein. Autobiographie „Mein Leben“, er habe hier Friedrich, Schinkel, Beethoven, Weber und ralbasses“ von Logier zu studieren. Langsam das „Mein Wagner, dein Wagner“-Gezerre amüsieren – am Erwähnenswert ist auch die Aufführung der drei Früh- die Grundlagen des Klavierspiels und elemen- anderen verbunden. Sie lieferten das theoreti- wuchs in dem damals Sechzehnjährigen die Ende hat dieser sportliche Wettbewerb doch einen klaren werke „“ (Wagners erster vollständig erhaltener tare Kenntnisse auf dem Gebiete der Musik sche Rüstzeug, auf das sich Richard Wagner „heimliche Erkenntnis“ seiner Berufung zur Gewinner: die Musik. Den Wagner-Liebhaber jedenfalls Oper), „“ und „Rienzi“, die Wagner als Ju- vermittelt bekommen. später bei der schrittweisen Realisierung sei- Musik. Er komponierte drauflos und schuf kann es nur freuen, wenn sich Leipzig und Dresden derma- gendsünden ansah und die nun in Leipzig wieder erklingen Nach dem Tode seines Stiefvaters am 30. nes „Gesamtkunstwerkes“ berufen konnte. zwei Klaviersonaten, ein Streichquartett und ßen ins Zeug legen, sich als die Wagner-Stadt zu präsentie- – Fingerübungen eines Zwanzigjährigen, die gleichwohl September 1821 fand Richard Wagner von Auffällig ist, dass Wagner in seinen Auto- eine Arie, die allesamt verschollen sind. ren. Schließlich profitiert er doppelt davon. deutlich erkennen lassen, welches Talent sich hier entwi- Mitte Oktober 1821 bis September 1822 bei biographien weder den Dresdner Kreuzchor Zu Ostern des Jahres 1830 verließ Wagner Die ersten Töne der Wagner-Festspiele in Sachsen sind ckelt. Mit dem „Parsifal“ und der „Götterdämmerung“ ste- dessen jüngerem Bruder Karl Geyer in Eisle- noch dessen damaligen Kantor Friedrich Wil- die Nikolaischule und wechselte am 16. Juni in bereits gespielt. Dresden startete das Jubeljahr mit einem, hen zwei weitere wuchtige Wagner-Werke in Leipzig auf ben liebevolle Aufnahme. Hier besuchte er helm Agthe erwähnt. Dieser bekleidete von die damals weniger renommierte Thomas- nein, nicht Paukenschlag, sondern mit irisierendem dem Programm. zunächst die Parochialschule. Nach einem 1822 bis 1828 das Amt des Kreuzkantors. Ag- schule über. Aber auch dieses Kapitel der Streicherklang: Am 13. Januar fand in der Semperoper die Dresden oder Leipzig? Die Frage stellt sich nicht. Dres- halben Jahr wechselte er in die Privatschule the hatte als Director musices an hohen Fest- Leipziger Schulzeit gehört nicht zu den Ruh- Wiederaufnahme des „“ statt; die Staatskapelle den und Leipzig – erst dieser Zusammenklang ergibt in Be- des Pfarrers Dr. Alt über. Der knapp einjähri- und Feiertagen und auch an besonderen mesblättern in Wagners Vita. So klagte er in Dresden spielte unter ihrem Chef, dem von Publikum und zug auf Wagner Sinn. Das große Doppelfest der beiden ge Aufenthalt in der Lutherstadt wurde für Sonntagen zusätzlich zu seinen Verpflichtun- Kritik gleichermaßen umjubelten Christian Thielemann, Städte ist dafür der beste Beweis. den aufgeweckten Knaben zu einem unver- gen an der Kreuzkirche die Kirchenmusik in Fortsetzung auf Seite V2 RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V2 Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage

Fortsetzung von Seite V1 Nachdem die Pariser Juli-Revolution im wort sah Wagner die Bestätigung für seine folgten. In Magdeburg vollendete Wagner September und Oktober 1830 auch zu Unru- Auffassung, dass die Endzeit der instrumenta- 1836 seine „Große komische Oper in zwei Ak- hen in Leipzig geführt hatte, schloss sich Wag- len Sinfonik herangereift sei. Die weitere Ent- ten“ „Das Liebesverbot oder Die Novize von Wagners Wurzeln ner den Demonstranten an. Am 23. Februar wicklung der Musik könne nur in der engen Palermo“. Wegen beträchtlicher Schulden und 1831 ließ er sich ohne Schulabschluss an der Verflechtung von sinfonischer Musik mit des finanziellen Zusammenbruchs des Rigaer Leipziger Universität als „Student der Musik“ Schwesterkünsten als „“ ge- Theaters musste er 1839 aus Riga fliehen. Er „Mein Leben“, die Lehrer der Thomasschule immatrikulieren. Er verfiel dort dem turbu- deihen. Als „Kunstwerk der Zukunft“ schweb- begab sich über London nach Paris, wo er am seien nicht geneigt gewesen, „meinen Wün- lenten Treiben der Studenten und betrachtete te ihm das „“ vor. In ihm seien 17. September 1839 eintraf. Aufführungen des schen des Studentenwerdens so gutwillig zu die Philosophie- und Ästhetikvorlesungen le- Musik, Dichtung, szenische Gestaltung, Tanz, in Paris vollendeten „Rienzi“ und des „Flie- entsprechen; sie fanden am Schlusse des Halb- diglich als Nebensache. Sein Hauptinteresse Bühnenbild, Beleuchtung und Ausstattung genden Holländers“ vermochte er an der jahres, dass ich mich so gut wie gar nicht um galt in den Jahren 1828 bis 1832 musikali- quasi unter einem Dach vereint. Grand Opéra der Seine-Stadt nicht durchzu- ihre Lehranstalt bekümmert hatte, und waren schen Studien. setzen. Durch Vermittlung Giacomo Meyer- nicht davon zu überzeugen, dass ich ein An- Am 2. April 1829 erlebte er in einem Ge- Musikalische Ausbildung in Leipzig beers wurde die „Große tragische Oper“ „Ri- recht auf das akademische Bürgertum durch wandhauskonzert unter Christian August Aus der „Roten Brieftasche“ Wagners, einer enzi, der Letzte der Tribunen“ an dem im Zunahme an Gelehrsamkeit mir gewonnen Pohlenz die Aufführung der 9. Sinfonie von Kurzbiographie in Stichworten, die er ab Au- Jahre 1841 von errichteten hätte, [. . .] ohne um die Pedantereien auch der Beethoven. Das Konzert markiert den Anfang gust 1835 verfasste, geht hervor, dass er von Königlich-Sächsischen Hoftheater in Dresden Thomasschul-Monarchen mich zu kümmern, von Wagners Begeisterung für Beethoven. Die 1828 bis 1831 von dem Gewandhausmusiker zur Uraufführung angenommen. Die Premie- verließ ich daher trotzig diese von mir durch- lebenslange Auseinandersetzung mit Beetho- Gottlieb Müller Musiktheorie- und Komposi- re dieses Werks am 20. Oktober 1842 war ein aus unausgebeutet gelassene Lehranstalt, um vens Neunter ist für Wagners künftiges mu- tionsunterricht erhielt. Unter dessen Anlei- großer Erfolg. Bereits im April 1842 hatte sofort mich beim Rektor der Universität [. . . .] sikdramatisches Schaffen bedeutsam gewe- tung schuf der damals Siebzehnjährige erste Wagner mit seiner Frau Minna in der Elbe- zur Inskription als Student der Musik zu mel- sen. In der Verbindung von sinfonischer Werke, unter anderem „Sieben Kompositio- stadt seinen Wohnsitz aufgeschlagen, um die den.“ Gestaltungsweise und gesungenem Dichter- nen zu Goethes Faust“, entstanden am Jahres- Proben seines „Rienzi“ zu überwachen. Nach ende 1830. Ab dem Spätsommer 1831 emp- der sechsten Vorstellung trug man ihm die fing Wagner ein „knappes halbes Jahr lang“ Leitung der weiteren Aufführungen seines WORTE ZU WAGNER Unterricht auf dem Gebiet des Kontrapunkts Werks an. Auch als Dirigent vermochte Wag- bei dem Leipziger Thomaskantor Theodor ner zu überzeugen. Nach erfolgreichem Pro- „Wir werden uns weiter an ihm abarbeiten“ Weinlig und verfasste unter anderem eine Sin- bedirigat von Webers „Euryanthe“ wurde Am Anfang steht die oftmals berauschende, große Musik. Richard fonie, Ouvertüren und Klaviersonaten. Wag- Wagner am 2. Februar 1843 zum Königlich- Wagner war ein Abbild seiner Geburtsstadt und ihrer Entwicklung, ner schreibt: „Er [Weinlig] selbst entließ mich Sächsischen Hofkapellmeister auf Lebenszeit ein Kind seiner Zeit. Soziale Not am Beginn und Prägung durch aus der Lehre, nachdem er mich so weit ge- ernannt. Kurz zuvor, am 2. Januar 1843, hatte freien Bürgersinn, Unternehmergeist, revolutionäre Umtriebe, bracht, dass ich die schwierigsten Aufgaben er die Uraufführung seiner romantischen Selbstvermarktung, bis zum Starrsinn Verfolgen der eigenen des Kontrapunktes mit Leichtigkeit zu lösen Oper „Der fliegende Holländer“ am Dresdner Visionen und deren tatsächliche Umsetzung mit viel Egozentrik. im Stande war.“ Durch ihn hatte Wagner die Hoftheater geleitet. Dieses Werk ist in doppel- Von Wagner können wir lernen, dass man mit Konsequenz, sichere Beherrschung des kompositorischen ter Hinsicht bemerkenswert: Wagner betrach- Wo alles seinen Anfang nahm: Richard Wagners Geburtshaus am Brühl in Leipzig. Es wurde Energie und starkem Willen viel erreichen kann. An Wagner kann Handwerks und seine „Selbständigkeit“ er- tete sich nun nicht mehr als „Verfertiger von 1886 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Dieser musste 1914 einem Erweiterungs- man aber auch lernen, dass dies nicht um jeden Preis geschehen worben. Weinlig förderte auch die Auffüh- Operntexten“, sondern als „Dichter“. Zum an- bau des Kaufhauses Brühl weichen, das sich bereits seit 1908 im Nachbargebäude befand. darf. Seine antisemitischen Auslassungen gegenüber Kollegen rung von einigen Werken Wagners. deren erprobte er hier nach dem Vorbild von Heute befindet sich hier das Einkaufszentrum „Höfe am Brühl“, an dessen Südeingang und vermeintlichen Konkurrenten in einer Leipziger Musikzeitschrift standen zwar im Geist Wichtig für Wagners weitere geistige Ent- Webers „Euryanthe“ das Leitmotivverfahren. eine Bronzetafel angebracht ist, die darüber informiert, dass an dieser Stelle einst Wagners seiner Zeit, werfen aber doch schwere Schatten auf den Charakter des Genies. Wir werden wicklung wurde in Leipzig die Begegnung mit Geburtshaus stand. uns auch weiterhin an ihm abarbeiten. Zu unserem Nutzen. Denn Richard ist Leipziger und Heinrich Laube, dem Wortführer der literari- Vollgültige Meisterwerke die Faszination Wagner ein bedeutender Teil unserer Musikstadt. schen Bewegung des „Jungen Deutschland“. Unter Wagners Dirigat wurde am 19. Oktober Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig Auch die Leipziger Unruhen von 1830 hatten 1845 in Dresden seine „Große romantische generis. In Dresden brachte er mit dem „Lo- nationalen Einigung und zur Verteidigung der Auswirkungen auf die geistige und politische Oper“ „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf hengrin“ die Gattung der romantischen Oper Heimat aufzufassen sind. „Ein typischer Bürger unserer Stadt“ Bewusstseinsbildung des jungen Wagner. In Wartburg“ uraufgeführt. Den Höhepunkt von zum Abschluss. Motive wie zum Beispiel die Wie Martin Gregor-Dellin in seiner Wagner- Richard Wagner gehört ohne Frage zu den bedeutendsten seiner „Autobiographischen Skizze“ bekennt Wagners kompositorischer Tätigkeit in Dres- Verbindung von Menschen- und Geisterwelt, Biographie feststellte, hat Wagner alle großen Künstlern von Weltrang, die aus Dresden kommen. Mich verbindet er: „ . . . mit einem Schlage wurde ich Revolu- den bildete die „Lohen- die Idee des Liebestodes und die Sehnsucht Themen seines Lebens während seiner Dresdner aber noch viel mehr mit dieser vielseitigen Persönlichkeit. Wagner tionär und gelangte zu der Überzeugung, je- grin“, deren Partitur er am 28. April 1848 fer- nach Erlösung, die in späteren Musikdramen Zeit zum Abschluss gebracht oder in Angriff ge- musste nach der gescheiterten Revolution von 1849 seine der halbwegs strebsame Mensch dürfe sich tiggestellt hatte. immer wieder auftauchen, sind bereits in nommen. Im November 1848 beendete er in der Heimatstadt Dresden für lange Zeit verlassen – die Dresdnerinnen ausschließlich nur mit Politik beschäftigen. Wagner gehört fraglos zu den größten Ge- Dresdner Werken Wagners vorhanden. Ein- Elbresidenz die Erstschrift von „Siegfrieds Tod“, und Dresdner konnten 140 Jahre später in der friedlichen Mir war nur noch im Umgang mit politischen nies im neunzehnten Jahrhundert. Der Grund- flüsse der jungdeutschen Literatur mit ihrem der Keimzelle der späteren „Götterdämmerung“. Revolution von 1989 ihre Ideale verwirklichen. Er war also ein Literaten wohl: Ich begann auch eine Ouver- stock dafür wurde in Sachsen gelegt. Durch ausgeprägten Eudämonismusstreben finden Und bereits 1845 beschäftigte er sich während typischer Bürger unserer Stadt, der mutig für die Freiheit auf die türe, die ein politisches Thema behandelte.“ Wagner gingen von Leipzig und Dresden aus sich vor allem im „Tannhäuser“. Im „Lohen- eines Sommeraufenthaltes in Marienbad mit Straße gegangen ist. Mit seinen Werken hatte ich bisher wenig 1833 trat Wagner seine erste Stelle als Chor- entscheidende Impulse auf die weitere Ent- grin“ ist hinter dem mythologisch verkleideten dem „Parsifal“- und „Meistersinger“-Stoff. Berührungspunkte. So ein Jubiläum ist aber auf alle Fälle ein direktor am Würzburger Theater an, wo er wicklung der deutschen Oper und des Musik- Geschehen und der Einbettung der Handlung Grund, sich damit näher zu beschäftigen. Ich werde versuchen, ein oder zwei Aufführungen seine „Große romantische Oper“ „Die Feen“ dramas aus. Die in Sachsen entstandenen und in die deutsche Vergangenheit ein Aktualitäts- Prof. Dr. Hans John wirkte für mehr als 30 in Dresden zu besuchen. Die Dresdner Philharmonie erinnert zum Beispiel mit Gedenkkon- (1833–1834) komponierte. Den Text hatte er uraufgeführten Bühnenwerke Wagners waren bezug erkennbar. Hans Mayer wies darauf hin, Jahre an der Hochschule für Musik Carl Maria zerten an den großen Sohn unserer Stadt. vermutlich 1833 noch in Leipzig entworfen. nicht nur Präludien seines weiteren musikdra- dass vor dem Hintergrund der politischen von Weber Dresden. Von 1993 bis 2002 Helma Orosz, Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden Engagements als Kapellmeister in Magdeburg matischen Schaffens, wie es Wagner selbst dar- Ereignisse in den Jahren 1846 bis 1848 die leitete er das ebendort von ihm begründete (1834), Königsberg (1837) und Riga (1837) stellte, sondern vollgültige Meisterwerke sui Ansprachen König Heinrichs als Aufruf zur Institut für Musikwissenschaft.

sechs Jahre geworden, wegen seiner Beteili- gung am revolutionären Maiaufstand musste der steckbrieflich gesuchte Musiker am 9. Mai Ortsbesuche 1849 Hals über Kopf fliehen. Kurz zuvor stand er noch mit Michail Bakunin auf dem Turm der Kreuzkirche, um von dort aus die Trup- penbewegungen zu sondieren. Sechs Wochen Viele originäre Wagner-Stätten existieren nicht später wurde er seines Postens enthoben – we- gen unentschuldigten Fernbleibens vom mehr, andere sind noch erhalten. Wo findet man Dienst. Da hatte der verhinderte Revoluzzer längst ein sicheres Asyl in der Schweiz bezo- was? Ein Spaziergang durch Leipzig und Dresden gen und behielt den Kopf oben. Rehabilitiert wurden er und sein streitbarer auf den Spuren des großen Komponisten. Gefährte Gottfried Semper erst Jahre später. Dennoch konnte der geniale Architekt ab 1871 aus dem fernen Exil sein zweites Opern- haus in Dresden errichten. Sein Sohn Man- fred leitete den sieben Jahre später fertigge- VON MICHAEL ERNST. Wer das Geburtshaus und um Leipzig die Befreiungskriege gegen stellten Neubau, dessen Vorgänger 1869 von Richard Wagner sucht, hat keine Chance. Napoleons Truppen. Kein guter Zeitpunkt für abgebrannt war. Richard Wagner durfte ab Eine Bronzetafel am Leipziger Brühl infor- eine friedliche Taufe. Gut denkbar, dass die 1860 wieder in die Staaten des Deutschen miert darüber, dass es „An dieser Stelle“ und Familie des Königlichen Polizeiamtsaktuarius Bundes einreisen, nach Sachsen jedoch erst „bis zum Jahre 1886“ gestanden haben soll. sicherheitshalber rechtzeitig vor Rosinens zwei Jahre später. Die Semperoper wie auch Tatsächlich gilt der 1656 erstmals erwähnte Niederkunft in den – heute längst eingemein- In Dresden „schon in Sekunda gesessen“, in Leipzig „nach Tertia“ gesetzt: An der Alten Nikolaischule in Leipzig war Wagner nicht glücklich. die Frauenkirche hatte er mehrfach besucht, Gasthof „Zum Roten und Weißen Löwen“, der deten – Vorort Stötteritz ausquartiert wurde für Letztere 1843 auch sein gewaltiges Chor- drei Jahre nach Wagners Tod abgerissen wur- und erst nach der Rückkehr im Sommer die werk „Das Liebesmal der Apostel“ verfasst. de und wechselnden Handelshäusern Platz Kindstaufe vornehmen ließ. Richard Wagner, mals noch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wagner seine Bestimmung zum Musiker ge- Nach Umwegen via Würzburg, Bad Lauch- Nach „Rienzi“ und „Holländer“ wurde in machen musste, als der Ort, an dem das neun- ein Stötteritzer? Kreuzkirche befand. Ende 1827 lebte seine Fa- funden. Beethovens „Fidelio“ gab wohl den städt, Magdeburg, Königsberg, Riga und Paris Dresden 1845 noch „Tannhäuser und der Sän- te Kind von Johanna Rosine und Carl Frie- Richard wer? Jetzt muss erst einmal die milie wieder in Leipzig, dort besuchte der Ausschlag dafür. Autodidaktischen Studien traf Wagner, inzwischen mit der Schauspiele- gerkrieg auf der Wartburg“ uraufgeführt, vom drich Wilhelm Wagner zur Welt gekommen Rede von Richard Geyer sein, denn ein hal- kunstsinnige Filius zunächst die altehrwürdi- folgten Lehrstunden beim Gewandhausgeiger rin verehelicht, ein weiteres Mal hier entstandenen „Lohengrin“ erklangen nur sein soll. bes Jahr nach der Entbindung war die Mutter ge Nikolaischule. Diese auf eine Gründung Christian Gottlieb Müller und beim Thomas- in Leipzig ein und reiste von da aus per Eisen- Ausschnitte in Dresden, die Uraufführung verwitwet und zog 1814 mitsamt ihrer Kin- vom Ende des 12. Jahrhunderts zurückgehen- kantor Christian Theodor Weinlig, der auch bahn nach Dresden. Die erste deutsche Fern- übernahm der spätere Schwiegervater Franz In Kriegswirren geboren derschar nach Dresden. Dort war der neue de und 1512 als erste städtische Bürgerschule Clara Schumann unterwies, sowie – ohne vor- bahnstrecke war erst 1839 eröffnet worden. Er Liszt 1850 in Weimar. Doch die historischen Doch zur ewigen Frage, ob nicht vielleicht Ehemann, schon zuvor ein Freund der Fami- in Leipzig eingeweihte Einrichtung ist – nach herigen Schulabschluss – die Immatrikulation folgte einem Ruf der Dresdner Hofoper, die Stätten fielen dem Zweiten Weltkrieg zum doch der Schauspieler und Porträtist Ludwig lie, als Mime am Hoftheater engagiert. Lud- mehrfachem Umbau, langer Verwahrlosung als Student der Musik. Weder die alte Alma seinen „Rienzi“ herausbringen wollte. Die Ur- Opfer, die Semperoper von heute ist erst 1985 Geyer Richards leiblicher Vater gewesen sein wig Geyer soll sich rührend um Richard ge- und gleich 1990 in Gang gesetzter später Ret- Mater noch das damalige Gewandhaus, in aufführung dieser „Großen tragischen Oper“ wieder eingeweiht worden, die Frauenkirche könnte, gesellt sich inzwischen ein Zwist um kümmert und dessen musische Neigung tung – als „Alte Nikolaischule“ noch heute ei- dem 1832 Wagners Ouvertüre d-Moll aufge- im Oktober 1842 hatte so überzeugt, dass für blieb bis 1994 eine mahnende Ruine. Wer will, den wahren Geburtsort des Knaben. Denn im gefördert haben. nen Besuch wert. führt worden ist, haben die Zeiten überdauert, Januar 1843 die Uraufführung des „Fliegen- kann nun aber an beiden Orten wieder den Taufregister der Thomaskirche erscheint erst Auch von den Lebensstationen der frühen auch nicht die einstige Thomasschule, die den Holländers“ angesetzt und Wagner bald Wagnerschen Geist spüren. Sein Werk wird da am 16. August 1813 ein Eintrag, fast ein Vier- Patchwork-Familie findet sich kaum noch ein Bestimmung zum Musiker Wagner kurzzeitig besuchte. Doch stolz wie eh darauf zum Königlich-Sächsischen Hofkapell- wie dort sehr lebendig gehalten. teljahr nach der Geburt. Der mögliche Grund Zeugnis. Von 1822 an besuchte Richard fünf In Leipzig, das im 19. Jahrhundert als musika- ragt die Thomaskirche empor, in der er ge- meister auf Lebenszeit ernannt worden ist. dafür wird gleich nachgeliefert: 1813 tobten in Jahre lang das Kreuzgymnasium, das sich da- lische Hauptstadt der Romantik galt, hatte tauft worden ist. Bekanntlich sind daraus nicht viel mehr als Michael Ernst ist Autor und Maler aus Leipzig.

EIN SCHLOSS FÜR WAGNER ?GEWINNSPIEL Im Dörfchen Graupa bei Dresden bewahrt ein ehemaliges Bauernhaus, das „Schäfersche Machen Sie mit bei unserem Preisausschreiben, und gewinnen Sie ein Wochenende in der Gut“, bis heute an authentischem Ort die Erinnerung an eine schaffensreiche Zeit des Musikstadt Dresden. Hofkapellmeisters. Vom 15. Mai bis zum 20. Juli 1846 weilte Wagner hier und skizzierte den „Lohengrin“. Als „Lohengrin-Haus“ ist das bescheidene Anwesen bereits 1907 eröffnet • 2 Übernachtungen für 2 Personen mit Frühstück im ****Superior Hotel Innside worden, ein findiger Verein kümmerte sich auch in schwierigen Zeiten um den Erhalt. Dresden inklusive Nutzung des Wellness-Bereichs. Nach einer gründlichen Sanierung ist es 2009 wiedereröffnet worden. • 2 Karten für die Wagner-Oper „Der Fliegende Holländer“ Parallel dazu begannen bereits die umfangreichen Renovierungsarbeiten am nahe (Auswahltermine: 15. Juni (Premiere), 19. Juni, 28. Juni, 1. Juli, 7. Juli 2013). gelegenen Jagdschloss von Graupa (Foto). Dort wurde am 12. Januar pünktlich zum • 2 Dresden-City-Cards für 2 Tage, inklusive freie Nutzung der öffentlichen Verkehrs- Wagner-Jubiläumsjahr die Ausstellung „Wagner in Sachsen“ eröffnet. Beide Gebäude, das mittel, freier Eintritt in die Museen der Staatlichen Kunstsammlungen (ausgenommen Bauernhaus wie das Schloss aus dem 17. Jahrhundert, firmieren nun als Richard-Wagner- ist das Grüne Gewölbe) und viele Ermäßigungen. Gedenkstätten Graupa. Während es nebenan vorrangig um „Lohengrin“ geht, widmen sich die Räume im Jagdschloss dem Gesamtkosmos des Dichter-Komponisten. Wagners Zeit Und so lautet die Frage: Welche Wagner-Oper wurde vor 170 Jahren am Neuen Königlichen in Sachsen wird mit historischen Exponaten vermittelt. Multimedial geht es weiter in Hoftheater Dresden (heute Semperoper) unter Leitung des Komponisten uraufgeführt? Räumen, die mit „Dichtung“, „Komposition“ oder „Theater und Bühne“ überschrieben sind, um die Schaffensprozesse des Meisters und spätere Rezeption gut zu beleuchten. a. „Lohengrin“ b. „Der Fliegende Holländer“ c. „Tannhäuser“ Im Entstehen begriffen ist eine Mediathek, für Veranstaltungen genutzt wird ein Konzert- saal im Obergeschoss – und schon jetzt darf man sich auf entspannende Momente zur Senden Sie die Antwort mit dem Betreff „Dresden“ bis zum 28. Februar an wärmeren Jahreszeit freuen, denn zum kleinen Teich vor dem Jagdschloss gehört ein fast [email protected]. Unter allen Einsendungen wird der Gewinner „Wagnersches“ Schwanenpaar. Michael Ernst durch Los ermittelt. RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V3

INTERVIEW NACHGEFRAGT „Eine spannungsreiche Beziehung“ „Menschlicher“

Thomas Krakow, Vorsitzender des Richard-Wagner-Verban- nisse verdankte, fiel im Zweiten Weltkrieg Joachim Herz. Er kam 1959 als Direktor an Der Bildhauer Stephan Balkenhol über das von ihm den Bomben zum Opfer. die Leipziger Oper, deren Neubau er mit den des Leipzig, über das Verhältnis der Leipziger zu Wagner „Meistersingern“ eröffnete. Herz hat einen entworfene Wagner-Denkmal, das am 22. Mai 2013 in Welche originären Wagner-Stätten gibt ganz neuen Stil geprägt und Leipzig zu dem und die Entwicklung der Wagner-Rezeption in Leipzig. es heute noch in Leipzig? Wagner-Spielort in Ostdeutschland schlecht- Leipzig enthüllt werden wird. Anders als Dresden, das durch die Luftan- hin gemacht. Schon sein Einstand mit den griffe im Zweiten Weltkrieg seinen komplet- „Meistersingern“ hat aufhorchen lassen, mit ten Stadtkern verloren hat, hat sich in Leipzig seinem „Lohengrin“ von 1965 hat er weitere Leipzig feiert in Neumann, der von 1876 an Operndirektor noch einiges an originärer Substanz erhalten Maßstäbe gesetzt. Und endgültig in die Ge- Was hat Sie an der Wagner-Skulptur steht ganz konkret und diesem Jahr in Leipzig war und seine Intendanz gleich können. Dazu gehört die Alte Nikolaischule, schichtsbücher ging er ein mit seiner 1976 Aufgabe gereizt, baustatisch im Dialog mit diesem Sockel. Der seinen großen mit einer „Lohengrin“-Inszenierung be- die Wagner von 1828 bis 1830 besuchte und abgeschlossenen „Ring“-Inszenierung, die ein Denkmal für Block aus der Vergangenheit ist zugleich Basis Sohn „hoch und gann. Seine grandiose „Ring“-Inszenierung in der ab dem 21. Mai eine Dauerausstellung vielen noch heute in Abgrenzung zur Bay- einen Komponis- und Gegenpol zu dem, was ich entworfen habe. runter“. Dabei war aus dem Jahre 1878 markiert einen Meilen- zum „Jungen Wagner“ zu sehen sein wird. reuther Chéreau-Inszenierung als der „wahre ten zu entwerfen? das Verhältnis der stein in der Wagner-Rezeption: Mit ihr (Siehe Interview auf Seite 8.) Auch die Tho- Jahrhundert-Ring“ gilt. Ich finde den Spagat Was hat es mit der überlebensgroßen Leipziger zu nahm die „Ring“-Euphorie, die bald maskirche, in der Wagner getauft wurde, ist interessant: auf der Silhouette auf sich, die sich hinter der von Wagner nicht Deutschland und Europa erfasste, ihren An- noch erhalten – ebenso das Königshaus am Welche Rolle spielte Wagner in Leipzig einen Seite die Moti- Ihnen gestalteten Wagner-Skulptur erhebt? immer ungetrübt. fang. Ohne Widersprüche blieb das Verhält- Markt, in dem Wagners Onkel Adolf, in des- nach der Wende? ve des Auftraggebers Die Silhouette nimmt den Klingerschen Ent- Das Verhältnis Leipzig/Wagner ist in der Tat nis zwischen Leipzig und Wagner danach sen Obhut der junge Richard kurzzeitig Keine allzu große. Der Höhepunkt der Wag- zu verstehen und die historischen Hinter- wurf auf, wie wir ihn aus Skizzen kennen. Vor kein einfaches, sondern im Gegenteil ein aber trotzdem nicht. stand, wohnte. Hinzu kommen eine Reihe ner-Rezeption in Leipzig lag eindeutig in der gründe zu berücksichtigen, auf der anderen diesen überlebensgroßen Schatten stelle ich sehr spannungsreiches. Das hat damit zu tun, weiterer mehr oder weniger bedeutender Herz-Ära, danach flachte sie merklich ab. Seite das Werk als freie Kunst, als Großskulp- einen Richard Wagner in Lebensgröße und als dass Wagner in seiner Geburtsstadt anfangs Inwiefern? Stätten, die in irgendeiner Form eine Verbin- Nach der Wende hat Leipzig seine Rolle neu tur an einem öffentlichen Ort zu gestalten und jüngeren, unternehmungslustigen Mann, so kein großer Erfolg beschieden war. Sein Ver- Obwohl nach Wagners Tod 1883 in Leipzig dung zu Richard Wagner haben, etwa Kints- finden und definieren müssen und sich dabei es dort zu einer Art stillen, aber präsenten wie er es in seinen Leipziger Jahren ja auch such, seine erste Oper, „Die Feen“, am Leipzi- viele Stimmen laut wurden, man müsse nun chys Schweizerhäuschen im Rosental, das vor allem auf Bach konzentriert. Das hat dann Mitspieler zwischen den Gebäuden und dem war. Wagner ist später von seinen Verehrern ger Theater uraufzuführen, scheiterte ebenso unbedingt und sofort ein Denkmal für den seinerzeit ein beliebtes Ausflugziel war und allerdings dazu geführt, dass die zahlreichen Verkehr im Stadtraum zu machen. geradezu vergöttert und zu einem ehrfurcht- wie kurze Zeit später sein zweiter Anlauf mit großen Sohn errichten, hat es 100 Jahre ge- in dessen Musikpavillon die erste öffentliche anderen Komponisten, die die reiche Musik- gebietenden, irgendwie ältlichen „Meister“ er- dem „Liebesverbot“. Diese Misserfolge ha- dauert, bis dieses Vorhaben mit der Büste Aufführung eines Wagner-Werkes stattge- tradition Leipzigs geprägt haben – neben Was war die besondere Herausforderung starrt. Ich zeige ihn normaler, nahbarer, ben Wagners Verhältnis zu Leipzig nachhal- am Schwanenteich in die Tat umgesetzt funden haben soll. Wagner unter anderen Mendelssohn und bei dieser Arbeit? menschlicher. Wenn Wagner aus der flachen tig beeinflusst. Die Beziehung zu seiner wurde. Ein Ganzkörperdenkmal gibt es bis Schumann –, in den Hintergrund gerückt Der Bildhauer Max Klinger hatte bereits An- Überhöhung herausgeholt und plastisch wird, Geburtsstadt war seitdem nie ganz ohne Stö- heute nicht. Erst mit der Plastik von Ste- Wie hat sich die Wagner-Rezeption in sind. Bei Mendelssohn, Schumann, auch bei fang des vorigen Jahrhunderts mit einem Ent- kann man sich neu mit ihm befassen. nationalen Einigung und zur Verteidigung der rungen. Hinzu kommt, dass der seinerzeit phan Balkenhol, die an Wagners Geburtstag Leipzig nach seinem Tod entwickelt? Grieg, folgten bald sinnvolle und erfolgreiche wurf zu einem Wagner-Denkmal begonnen, Heimat aufzufassen sind. vorherrschende Musikgeschmack in Leipzig am 22. Mai eingeweiht werden wird, wird Leipzig war in der späten Kaiser- und der Initiativen bürgerschaftlichen Engagements. jedoch nur den Sockel fertiggestellt. Meine Das Gespräch führte Michael Jakob. Wie Martin Gregor-Dellin in seiner Wagner- stark vom Gewandhaus und deren Kapell- diese Leerstelle geschlossen. (Siehe Inter- Weimarer Zeit eine kulturell sehr experimen- Bei Wagner begann das erst Jahre später. Es ist Biographie feststellte, hat Wagner alle großen meistern geprägt war – allen voran Felix view und Kasten rechts.) Auch der Umgang tierfreudige und fortschrittliche Stadt. Die erst der großartigen „Notenspur“-Initiative Themen seines Lebens während seiner Dresdner Mendelssohn Bartholdy, der das Gewand- der Stadt mit historischen Wagner-Stätten Uraufführung der umstrittenen Weill/Brecht- von Werner Schneider zu verdanken, dass IRRUNGEN, WIRRUNGEN Zeit zum Abschluss gebracht oder in Angriff ge- hausorchester zwölf Jahre lang leitete. Und lässt nicht darauf schließen, dass es den Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagon- Leipzigs Musiktradition in ihrer ganzen Viel- nommen. Im November 1848 beendete er in der dessen Stil war das Gegenteil dessen, was Leipzigern mit „ihrem Richard“ immer so ny“ beispielsweise fand in Leipzig statt. Und falt wieder erlebbar gemacht wurde. Heute ist Bereits kurz nach Wagners Tod am 13. Februar 1883 wurde in Leipzig ein Komitee zur Elbresidenz die Erstschrift von „Siegfrieds Tod“, Wagner vorschwebte. wichtig war. Wagners Geburtshaus bei- so hat es hier auch zahlreiche modern und Wagner aus Leipzig nicht mehr wegzudenken, Errichtung eines Denkmals für den Komponisten gegründet, das jedoch aufgrund fehlender der Keimzelle der späteren „Götterdämmerung“. spielsweise wurde bereits drei Jahre nach hervorragend inszenierte Wagner-Auffüh- und er wird von den Leipzigern wie selbstver- Mittel nichts zuwege brachte. 1903 wurde in einem zweiten Anlauf der Bildhauer und Und bereits 1845 beschäftigte er sich während Wurde Wagner in Leipzig nicht gespielt? seinem Tod abgerissen und musste einem rungen gegeben. Das ist vor allem Gustav ständlich als unveräußerliches kulturelles Graphiker Max Klinger mit der Realisierung eines Denkmals beauftragt. Widrige Umstände eines Sommeraufenthaltes in Marienbad mit Doch, natürlich, aber in der ersten Zeit, in Neubau weichen – der allerdings auch nur Brecher zu verdanken, der ab 1914 General- Erbe betrachtet. Dazu hat nicht zuletzt die Ar- führten jedoch dazu, dass von seinem Entwurf nur der Sockel vollendet werden konnte. dem „Parsifal“- und „Meistersinger“-Stoff. den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, zwanzig Jahre Bestand hatte. Auch die alte musikdirektor an der Leipziger Oper war und beit des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig Auch der Entwurf des Bildhauers Emil Hipp von 1932 stand unter keinem guten Stern. Seine häufig nicht auf dem Niveau wie in anderen Thomasschule, die Wagner für mehrere Jah- das Musikleben der Stadt entscheidend prägte beigetragen, der durch zahlreiche Aktivitäten in den Folgejahren von den Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmte Denkmalanlage Prof. Dr. Hans John wirkte für mehr als 30 Städten. Diese etwas stiefmütterliche Wag- re besuchte, gibt es heute nicht mehr. Sie – bis die Nazis an die Macht kamen und den die Erinnerung an einen der größten Söhne wurde von den Stadtverantwortlichen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht fertiggestellt. Neuen Jahre an der Hochschule für Musik Carl Maria ner-Rezeption in Leipzig hat sich erst mit machte 1902 der noch heute an derselben Juden Brecher ins Exil trieben. In der Nach- der Stadt kontinuierlich und mit wachsender Aufwind bekam die Denkmalidee 2005 mit der Gründung des „Wagner Denkmal Vereins“. von Weber Dresden. Von 1993 bis 2002 dem Auftreten von Wagners altem Freund Stelle befindlichen Superintendantur Platz. kriegszeit ist es neben dem Gewandhaus- Wahrnehmung hochhält. Dieser führte gemeinsam mit dem „Freundeskreis Max Klinger“ und der Stadt Leipzig einen leitete er das ebendort von ihm begründete Heinrich Laube als Operndirektor ab 1869 Eine dritte wichtige Wagner-Stätte, das Alte kapellmeister vor allem Wettbewerb durch, aus dem der Bildhauer Stephan Balkenhol als Sieger hervorging. Institut für Musikwissenschaft. geändert. Den Durchbruch brachte Angelo Theater, dem Wagner viele prägende Erleb- ein Name, der für Leipzig und Wagner steht: Das Gespräch führte Michael Jakob. RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V4 Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage „Ich bin violett“

Wagners Musikdramen sind Gesamtkunstwerke, in denen die einzelnen Künste zu einem höheren Ganzen verschmelzen. Insbesondere Farben spielen in Wagners Werk eine herausragende Rolle.

VON ECKART KRÖPLIN. „Wagner komponiert die Farben und eigenständiges Ästhetikum abhoben. Berlioz suchte, seiner musikalischen Dramen.“ So beschreibt der Wagner- auch nach dem Vorbild Webers, nach jener „eigentümlichen Intimus eine wesentliche Komponente von Tonfarbe“, wie man sie analog beim „Colorit der Malerei“ be- Wagners synästhetischem Kunstkonzept. Wagners Partitu- obachten könne. Und Liszt, so berichtet zumindest eine ren leben in entscheidendem Maße von und mit der Farbig- Anekdote, forderte von seinen Orchestermusikern einmal: keit im Klanglichen und in der Szenerie. „O, bitte, meine Herren, ein bisschen blauer!“, oder: „Das ist Synästhesie war seit der Romantik das vorwärtstreibende ein tiefes Violett, ich bitte, sich darnach zu richten! Nicht so „Im Lohengrin gibt es viele blaue Musik.“ () Aufnahme der legendären blausilbernen „Lohengrin“- Movens neuer Kunstentwicklungen in Poesie, Malerei und rosa!“ Mit Weber, Berlioz und Liszt war die Emanzipation Inszenierung von bei den Bayreuther Festspielen 1958. Musik. Carl Maria von Weber äußerte beispielsweise über der Farbe in der Musik ostentativ auf die Tagesordnung der seinen „Freischütz“, es sei ihm wichtig gewesen, „die be- Kunstprogression gesetzt worden. Kein Wunder nun, dass zeichnendsten Ton- und Klangfarben“ für die „dunkle, düs- auch Wagner vergleichbaren Synästhesien nachhing. Beim also der dramatische Konflikt zwischen Venus und Tann- Nicht erstaunlich ist es daher auch, dass Wagner so ein- tere Hauptfarbe“ des Werkes hervorzuheben, und beschrieb „Fliegenden Holländer“ hatte es ihm, wie er sagte, insbeson- häuser in Wort und Ton ausgetragen wird, so ist ihm auch drucksvolle Wiedergänger in der Malerei und Dichtung, dies anhand der Klangfarbigkeit bestimmter Instrumente dere auch die „Farbe“ des Stoffes angetan. Und auch in allen der Farbkonflikt Rosa kontra Blau und Grün als Pendant etwa Delacroix, Redon, Fantin-Latour und Kandinsky, fand, und Instrumentenkombinationen. Und in den „Kreisleria- seinen späteren Werken bestimmten immer wieder spezielle beigegeben. Es ist Synästhesie pur. dass van Gogh und Gauguin, von Wagners Musik angeregt, na“ von E. T. A. Hoffmann, einem Lieblingsdichter Wag- Farbvorstellungen sein kompositorisches Vorgehen. Das Blau des Himmels wird dann im „Lohengrin“ zur zu einer „Musik der Farben“ strebten, dass Baudelaire, als ners, ist von einer „Übereinkunft der Farben, Töne und Grundfarbe des Vorspiels. Wagners poetische Beschrei- dieser „Tannhäuser“- und „Lohengrin“-Musik gehört hatte, Düfte“ die Rede – eine weitgreifende poetische Metapher Ineinanderwirken von Klang und Farbe bung von dessen Musik ist eine Bildgeschichte, ein lebendi- zu literarischen Farbphantasien und zu seinem berühmten für die Synästhesie der Künste. Bei Wagner kulminierte das Man mag sich einmal die Venusberg-Szenerie im „Tann- ger Vorgang: Eine Engelsschar geleitet den heiligen Gral zur Gedicht „Correspondances“ mit der „Zusammenkunft von alles im Konzept des „Gesamtkunstwerks“, in dem die ein- häuser“ vorstellen oder, synästhetisch besser gesagt, vor Erde und entfernt sich wieder. „Klarster blauer Himmels- Düften, Farben und Tönen“ verführt wurde, dass Hermann zelnen Künste, die „Schwesterkünste“, wie er sie nannte, Auge und Ohr führen. Hier ist ein besonders auffälliges äther“, so schrieb Wagner, rahmt diesen mirakulösen Vor- Hesse an seiner poetischen Figur Klingsor hervorhob: „Er verschmelzen sollten. Wagner sprach da dezidiert in Feuer- Beispiel für das Ineinanderwirken von Klang und Farbe ge- gang ein. Die Farbe Blau grundiert alles. Es ist ein einzigar- sah Töne und hörte Farben“, dass schließlich Theodor W. bachscher Manier von der „Erlösung des Egoismus“ der geben. Es ist ein Paradebeispiel für die Dreischichtigkeit tiges musikalisches Flair, das sich aus dem Mix hoher Adorno, der doch eigentlich ein Gegner der Wagnerschen Einzelkünste in den „Kommunismus“ der Künste im er- von Wagners künstlerischer Arbeitsweise: Zugleich mit der Holzbläser und lang gehaltener Flageolett-Töne der hohen Synästhesie war, nicht umhinkonnte, diesem zuzugestehen, träumten „Kunstwerk der Zukunft“. ersten Niederschrift des Textes entwirft er das musikalische Streicher als synästhetischer Gleichklang zum Azurblau des ein Meister der „Klangfarbenkomposition“ gewesen zu sein. Das musste den Zeitgenossen zunächst als blanke Utopie, Grundkonzept und findet eine dazugehörige unverwech- Himmels ergibt. Kein Wunder, dass der hellsichtige und Zu Recht konnte Wagner am Ende seines Lebens das Re- als künstlerische Hypertrophie, als ästhetische Blasphemie selbare Farbdramaturgie. Während ihm beim Prosaentwurf hellhörige Friedrich Nietzsche schrieb: „Im Lohengrin gibt sümee ziehen: „Es freut mich, dass ich in verschiedenen erscheinen. Doch hat sich in der Nachfolge über die Kunst zum „Tannhäuser“ gleich zu Beginn die Melodien und Har- es viele blaue Musik.“ Farben zu malen wusste.“ der frühen Moderne, etwa von Schönberg, Skrjabin, van monien mitklingen, setzt er beispielsweise auch für den Gogh, Kandinsky, Joyce und Thomas Mann, bis in die Mul- Farbcharakter der ersten Szene ein Signal: „Alles durch ro- Faszinierende Farbdramaturgien Prof. Dr. phil. habil. Eckart Kröplin, Musik- und Theater- timedialität im Kunstschaffen am Ausgang des 20. Jahrhun- siges Licht erleuchtet“, ein Signal, das später Venus mit der Es gibt zahlreiche weitere Beispiele von Wagners faszinieren- wissenschaftler, lehrte Dramaturgie und Geschichte des derts diese Zielsetzung in vielfältigster und faszinierender betörenden Klarinetten-Melodie „Geliebter, komm! Sieh den Farbdramaturgien in seiner Musik: etwa das wallende Musiktheaters an der Theaterhochschule Leipzig und war Weise realisiert. dort die Grotte von ros’gen Düften mild durchwallt! Aus Wasser-Grün im „Rheingold“, das flirrende Rot des „Feuer- seit der Wiedereröffnung der Semperoper Dresden 1985 So verwarf beispielsweise der Wagner-Gegner Eduard holder Ferne mahnen süße Klänge“ zum Höhepunkt führt, zaubers“ in der „Walküre“ oder das strahlende Sonnen-Gold dort auch etliche Jahre Chefdramaturg und Stellvertreter Hanslick in seiner Streitschrift „Vom Musikalisch-Schönen“ während Tannhäuser dem konträr andersfarbig seine im „“-Finale. Erinnert sei auch an Wagners bezeich- des Intendanten. 2011 erschien im Verlag Königshausen & jeglichen Gedanken an eine „Erhebung der Farbe zur Musik“ Fluchtvision entgegensetzt: „Doch ich aus diesen ros’gen nende Äußerung zum „Tristan“, den er als violett und lila be- Neumann sein Standardwerk „Richard Wagner. Musik aus als ästhetisch abwegig, während – neben Wagner – Berlioz Düften verlange nach des Waldes Lüften, nach unsres Him- zeichnete. Ja, er selbst identifizierte sich später mit dieser Licht. Synästhesien von der Romantik bis zur Moderne“, und Liszt gerade auf das Farbige in der Musik als besonderes mels klarem Blau, nach unsrem frischen Grün der Au’.“ Wie Farbe, indem er bekannte: „Ich bin violett.“ 4 Bände.

INTERVIEW „Wir setzen die ‚Ring‘-Tradition fort“ Keine feste Verbindung

Prof. Ulf Schirmer, Intendant und Generalmusikdirektor der Oper Leipzig, Wagner hat die längste Zeit seines Lebens in Dresden verbracht. über seinen Weg zu Wagner und die musikalischen Highlights in Leipzig im Dennoch sind andere Orte viel stärker im Geiste mit seinem Wagner-Jahr 2013. Namen verschweißt. Wie Dresden an Wagner gewachsen ist.

Für den einen ist Steht der „Parsifal“ auch im Jubiläums- Für viele Musikfreunde fängt Wagner VON MARTIN MORGENSTERN. „Denk ich an Jahre, in Dresden verbracht. Obgleich sein der als Erster versuchte, regel mäßige Abonnen- es das „Tristan“- jahr 2013 in Leipzig auf dem Programm? bestenfalls mit dem „Fliegenden Hollän- Dresden in der Nacht, so bin ich um den Schlaf Name im Geiste fester verschweißt ist mit Trib- tenreihen zu etablieren. Mehrere Anläufe star- Erlebnis, für den Aber selbstverständlich. Es wird im Februar, der“ an, während die Frühwerke, wenn gebracht“, paraphrasierte ein besorgter Kurt Ma- schen, Bayreuth, ja, auch Venedig – mit Dres- tete er, die Erfolge blieben aus; erst in den anderen der März und Mai jeweils eine Aufführung unter überhaupt, nur als Fingerübungen sur dem Autor kurz vor Weihnachten in den den, der Stadt, „wo ich sozusagen zu Hause bin, 1850er Jahren setzten sich Abonnentenreihen Mythenzauber meiner musikalischen Leitung geben. akzeptiert werden. Wagner selbst hatte Block. Die Gründe für die Schlaflosigkeit des überall sonst in der Fremde“ (Brief an Minna in Dresden durch. Und Wagner war es auch, des „Rings“, die die Aufführung seiner Frühwerke weltberühmten Dirigenten hätten einem Libret- Wagner, 1858), verbinden ihn zwar viele Dresd- der in Dresden die Werke des von ihm hoch- den Ausschlag Auf welche Aufführungen darf man sich verboten und nur die zehn Opern ab dem to Richard Wagners entnommen sein können: ner, Auswärtige aber wüssten wohl kaum viele verehrten Beethoven etablieren half; zu mehre- für die lebens- noch freuen in diesem Jahr? „Holländer“ für Bayreuth-würdig erklärt. Eine einsame Oberbürgermeisterin, die ein Jahr- Verbindungslinien zu ziehen. Das ist kein Wun- ren Sinfonien schrieb er Werkeinführungen, lange Beschäfti- Eine ganze Menge. Ein Highlight ist sicher Wie schätzen Sie die Qualität der hundertbauwerk errichten lassen will, kämpft der, denn Wagner und Dresden – das ist keine legendär ist die Palmsonntags-Aufführung der gung mit Wagner die Neuinszenierung des „Rings“, die wir Frühwerke ein? Hat die intensive Be- verzweifelt gegen ihre vermeintlichen Getreuen, wohlwollende, feste Verbindung, sondern ei- „Neunten“ von 1846. Und auch in den Sym- gaben. Wie war es bei Ihnen – was hat im Mai mit dem „Rheingold“ starten und schäftigung mit ihnen zu einem neuen die Dresdner Stadträte – wieder einmal drohte gentlich ein Sammelsurium an Fehlstellen, phoniekonzerten übers Jahr zeigte sich Wagner Sie zu Wagner geführt? 2016 mit der „Götterdämmerung“ abschlie- Verständnis geführt? zum Jahresende der Plan, Dresden einen Kon- Missverständnissen und Verzweiflungstaten. erstaunlich offen, was das aufgeführte Reper- Wir hatten in unserem Gymnasium in Bre- ßen – wir bringen also pro Jahr eine Oper Dazu möchte ich den Cellisten Siegfried Palm zertsaal zu schenken, an deren Negativ-Votum Mit Wagner im Fokus ist die Geschichte toire anging. Nicht nur pflegte er älteres und men ein Musikzimmer, in dem ein wun- der Tetralogie. Das ist für die Musikstadt zitieren. Der sagte: „Man kann ein Werk erst be- zu scheitern. Dresden ist dieser Tage schulden- rasch umrissen: Als Knabe besucht er ab 1822 zeitgenössisches Orchester-Repertoire in einer derbarer Ibach-Flügel stand. Auf dem habe Leipzig ein besonderes Ereignis, denn seit urteilen, wenn man es mindestens fünfmal auf- frei und will es unter allen Umständen bleiben. die Kreuzschule. Nach jahrelangen Irrungen ungewöhnlich breiten Vielfalt, dirigierte neben ich viel geübt und mich dafür systematisch geführt hat.“ Insofern kann ich mich nur zu den Schon von Richard Wagner ist uns ein flam- und Wirrungen wurde er 1843, nach einem Gluck und Weber auch Mendelssohn, Schütz, aus der reichhaltigen Notenbibliothek be- „Feen“ und zum „Liebesverbot“ äußern, denn mender Aufruf, „Die Königliche Kapelle be- Probedirigat der Weber-Oper „Euryanthe“, Palestrina, Bach, vor allem aber auch Dresdner dient, über die das Gymnasium verfügte. Ir- Leipzig ist eine Musikstadt, diese Werke habe ich, zumindest ausschnitts- treffend“, hinterlassen. Neben einer Orches- zum Hofkapellmeister ernannt; ein Amt, das er Namen, zum Beispiel Johann David Heinichen, gendwann kam ich zu Klavierauszügen von das merkt man auch am weise, bereits mehrfach dirigiert, während ich terschule zur Ausbildung des Nachwuchses bis in die Maiaufstände des Jahres 1849 hinein Johann Gottlieb Naumann und auch Werke Wagner-Opern – und war sofort fasziniert. um „Rienzi“ immer einen Bogen gemacht habe, hatte er in dem Schriftstück den Bau eines leidenschaftlich ausübte. Dann Exilierung: Der seines Amtsvorgängers Francesco Morlacchi. Solche Klänge – ich habe mit der „Walkü- Publikum. Die Menschen weil mir das Werk einfach nicht liegt. Bei den Konzerthauses gefordert – das es bekanntlich Komponist wird steckbrieflich gesucht und Auch eine Reihe von Uraufführungen eige- re“ begonnen – hatte ich nie zuvor gehört. honorieren musikalische „Feen“ und im „Liebesverbot“ ist bereits einiges bis heute in Dresden nicht gibt. muss Sachsen verlassen. Erst dreizehn Jahre ner Werke schenkte Wagner den Bürgern der Seitdem hat mich Wagner nicht mehr losge- Leistungen mit einer Be- vorgebildet, was man beim reifen Wagner findet, Wer in Dresden Wagner-Klängen nachspü- später, im Herbst 1862, darf Wagner wieder Elbestadt. Die „Faust-Ouvertüre“ WV 59 ge- lassen. geisterung, wie ich sie bislang etwa die Art, Motive zu gestalten, oder diese ren will, starte daher am besten – in der Sem- einreisen. Bei drei weiteren Besuchen in der hört dazu. Zum Jubiläumskonzert der damals nur in Wien erlebt habe. dräuenden Unisonogänge, die etwas Unheilvol- peroper. In der Zählung der Bürger ist es die Stadt in den Jahren 1871, 1873 und 1881 erlebt immerhin schon dreihundert Jahre alten Hof- Sie haben Wagner also nicht durch les ankündigen. Das ist schon faszinierend. „dritte“ Semperoper: Die erste, in der am 20. er Aufführungen seiner Werke mit „seiner“ kapelle führte Wagner 1848 den Schluss des externe Faktoren wie Unterricht oder die Oktober 1842 der „Rienzi“ zur Uraufführung Hofkapelle, der „Wunderharfe“, wie er das Or- Ersten Aktes seines „Lohengrin“ auf; die Pre- Prägung durch ein musikaffines Eltern- dem „Jahrhundert-Ring“ von Joachim Herz Die angesprochenen Aufführungen sind gelangte, fiel ein Vierteljahrhundert später ei- chester einmal nannte. mieren des „Holländer“ und des „Tannhäu- haus kennengelernt, sondern durch in den siebziger Jahren hat es in Leipzig über das Jahr 2013 verteilt. Wie begeht nem Brand zum Opfer. Der zweite Semper- ser“ fanden in Dresden statt. Nach dem Tod selbständiges Musizieren. keinen „Ring“ mehr gegeben. Dabei hat die Leipzig den Geburtstag selbst? Bau wurde 1878 fertig, Semper selbst war da Klangliche Traditionen des Komponisten behielt die Stadt – auch und Ja genau, die Faszination durch Aufführungen „Ring“-Euphorie mit der Inszenierung von Rund um den 22. Mai, den 200. Geburtstag in Sachsen immer noch Persona non grata Aber wie ist Dresden an Wagner gewachsen? natürlich dank der Kapelle – ihren Ruf als au- kam erst etwa ein Jahr später, als ich am Bre- Angelo Neumann 1878 ursprünglich von Wagners, bieten wir dem Publikum ein wahres und musste den Bau aus der Ferne verfolgen. Trug der Komponist zur Entwicklung der Mu- ßergewöhnlicher Wagner-Ort bei. Ernst von mer Theater die ersten Wagner-Inszenierun- Leipzig ihren Ausgang genommen. Mit der Feuerwerk an Wagner-Werken, darunter Schwer- 1945 wurde dieser Bau zerstört. Vierzig Jahre sikstadt bei? Und wo können wir heute noch Schuch schenkte der Stadt neben den Urauf- gen sah, den „Parsifal“ zuerst, später den Neuinszenierung des „Rings“ setzen wir gewichte wie die „Meistersinger“ und den „Par- sollte es noch dauern, bis die Dresdner das Spuren des großen Kompo nisten finden? Ge- führungen der Strauss-Opern „Feuersnot“, „Tristan“. Aber das „Ur-Erlebnis“ war die ei- die große Leipziger „Ring“-Tradition fort. sifal“ sowie das „Rheingold“, die drei Früh- wiedererstandene Gebäude begrüßen konn- lassen ziehen sich die klanglichen Traditionen „“, „Elektra“ und „Rosenkavalier“ auch genständige Entdeckung der musikalischen Dabei gibt es auch ein paar bemerkenswer- werke und den „Fliegenden Holländer“. Am ten. Erstaunlich: Der unstete Komponist hat die der Hofkapelle bis zum heutigen Tag. Einige ein echtes Wagner-Schmuckstückchen, näm- Textur, der einzigartigen Harmonik und der te persönliche Kontinuitäten. So war Carl Geburtstag selbst wird es im Opernhaus einen längste Zeit seines Lebens, nämlich neunzehn Aspekte gehen auf Wagner zurück: Er war es, lich die Dresdner Erstaufführung des „Parsi- kontrapunktischen Finessen, die sich mir Friedrich Oberle, der das Bühnenbild für Festakt mit vielen prominenten Gästen geben. fal“; 1914 war das Dresdner Theater eines der durch das Spielen und das Studium der Parti- die Neuinszenierung in Leipzig gestaltet, ersten Theater außerhalb Bayreuths, die das turen erschlossen. in den Siebzigern Bühnenbildassistent bei Sie standen schon in vielen Städten im Werk ins Programm nahmen. Carlos Kleibers Joachim Herz, ich selbst habe auch noch In- und Ausland am Pult und kennen legendäre „Tristan“-Aufnahme fand in Dres- Wie hat sich Ihre Wagner-Rezeption mit Herz zusammengearbeitet, das war An- Vorlieben und Eigenarten der Zuhörer. den statt; und ebenso Marek Janowskis Ge- entwickelt? Welches Werk steht in Ihrer fang der Neunziger an der Wiener Staats- Wie ist das Publikum in Leipzig? samteinspielung des „Rings“. persönlichen Rangliste ganz oben? oper. Leipzig ist eine Musikstadt, und das merkt man Und Kurt Masur? Der kann – wenigstens Ganz klar der „Parsifal“. Und nicht erst als auch am Publikum. Die Menschen honorieren die nächsten Monate – hoffentlich besser Spätentdeckung wie so häufig, sondern ge- Neben den „Klassikern“ liegt ein weiterer musikalische Leistungen mit einer Begeiste- schlafen. Denn die Stadtoberen haben Anfang wissermaßen von Anfang an. Ich habe bereits Schwerpunkt im Jubiläumsjahr auf den rung, wie ich sie bislang nur in Wien erlebt Januar – hundertfünfzig Jahre nachdem Wag- mit 18 Jahren Horst Stein beim „Parsifal“ in Frühwerken. Welche werden zu hören sein? habe. Die Leipziger mögen ihre Orchester und ners Steckbrief im Dresdner Stadtpolizeikolle- Bayreuth assistiert und sechs Jahre später Wir werden in Leipzig mit dem Gewand- die Werke, die sie aufführen. Nur mit dem mo- gium aushing – den Bau des allerersten städti- Franz-Paul Decker in Barcelona. Erstmals hausorchester drei Frühwerke aufführen, be- dernen Regie-Theater können sie nicht so viel schen Konzertsaals auf den Weg gebracht. selbst dirigiert habe ich den „Parsifal“ 1984 ginnend mit den „Feen“ Mitte Februar, die ich anfangen. Das hat erst jüngst eine große Publi- am Nationaltheater in Mannheim, da war selbst dirigieren werde. Anfang März folgt kumsbefragung ergeben. Provokationen, die Dr. Martin Morgenstern arbeitete unter anderem ich gerade 25. Das Bühnenweihfestspiel ist „Rienzi“ unter der Leitung von Matthias Fo- nicht dem Werk dienen, sondern vor allem der als Lehrbeauftragter für Musikjournalismus bis heute das Werk, das ich mit Abstand am remny, dem Ersten ständigen Gastdirigenten Selbstverwirklichung des Regisseurs, werden an den Universitäten von Bremen und Eichstätt. liebsten dirigiere und zu dem ich den natür- der Oper Leipzig. Und im Herbst feiert mit von den Leipzigern überhaupt nicht goutiert. Seit 2007 ist er Chefredakteur von „Musik in lichsten Zugang habe. Alle Werke Wagners dem „Liebesverbot“ ein weiteres selten gehör- Dresden“. münden letztlich in den „Parsifal“. tes Frühwerk in Leipzig Premiere. Das Gespräch führte Michael Jakob. Semperoper, die Erste: Hier fand am 20. Oktober 1842 die Uraufführung des „Rienzi“ statt. Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V6 Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage Der Erwählte

Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staats- kapelle Dresden, gilt als einer der bedeutendsten Wagner- Interpreten der Welt. Annäherung an einen Ausnahmemusiker.

VON MICHAEL JAKOB. Sie war da, schon immer: Die Musik dem Intendanten an der Hamburgischen Staatsoper – die Richard Wagners ist aus Christian Thielemanns Leben nicht Gelegenheit, den „Tristan“ zu dirigieren. „Ich wusste, dass wegzudenken. Von frühester Kindheit an gehörte klassische ich es konnte“, erinnert sich Thielemann, „aber ich wusste Musik, und hier nicht zuletzt das Opernschaffen Wagners, natürlich auch, dass es ein enormes Wagnis war. Wenn ich wie selbstverständlich zum natürlichen Umfeld im Hause in Hamburg scheiterte, würde ich meine Karriere als Wag- seiner Eltern in Berlin-Schlachtensee, wo der weltweit gefei- ner-Dirigent begraben können.“ Das Wagnis ging auf. Der erte Kapellmeister, seit vergangenem Jahr Chefdirigent der Hamburger „Tristan“ war ein voller Erfolg. Sächsischen Staatskapelle Dresden, aufgewachsen ist. Da er- Von da an folgten die Wagner-Debüts in immer kürzeren scheint es fast folgerichtig, zumindest nicht überraschend, Abständen, wurden die Engagements gewichtiger, gewann dass das musikalisch hochbegabte Kind früh den Wunsch Thielemann mehr und mehr an Statur und Format als einer entwickelte, Dirigent zu werden – um so seine Wagner-Liebe der führenden Wagner-Interpreten unserer Zeit. Nur die und Wagner-Lust nicht nur passiv auszuleben, sondern selbst Einladung auf den Grünen Hügel ließ irritierend lange auf aktiver und gestaltender Part in diesem Spiel zu sein. In sei- sich warten. Im Jahr 2000 feierte Thielemann dann endlich nem im vergangenen Jahr erschienenen, sehr lesenswerten auch in Bayreuth Premiere. Und was für eine! Seine und kurzweilig geschriebenen Buch „Mein Leben mit Wag- „Meistersinger“-Interpretation wurde frenetisch beklatscht, ner“, das auf Gesprächen mit der Musikjournalistin Christine von Joachim Kaiser wurde er in den Adelsstand erhoben: Liebt Wagner und Polohemden: Christian Thielemann, Kapellmeister. Lemke-Matwey beruht, gibt Thielemann beredt und an- Mit den „Meistersingern“, so der Großkritiker in der „Süd- schaulich hierüber Auskunft. deutschen Zeitung“, habe sich Thielemann endgültig als Ob zuerst der Gedanke an Wagner da war oder der ans Dirigent gezeigt, „dessen Können, Musikalität und Kunst Konzertmeister der ersten Violinen der Sächsischen Staats- Wagner mit ihm war auf seine Weise ein Erlebnis.“ Wol- Dirigieren, wisse er nicht mehr so genau, so Thielemann. wahrlich an größte Vorbilder anknüpfen“. Auch die folgen- kapelle und seit vielen Jahren auch in gleicher Position Mit- longs persönliches Highlight ist der Bayreuther „Siegfried“, „Das ist in meiner Erinnerung extrem stark miteinander ver- den Bayreuth-Stationen wurden von Presse und Publikum glied des Bayreuther Festspielorchesters. „Wie Christian den das Orchester unter Thielemann in einer Weise kam- quickt.“ Woran er sich erinnern kann, das sind die verschie- bejubelt, sein „Parsifal“ (2001 für den erkrankten Christoph Thielemann das Orchester dazu anleitet, auf die Sänger zu mermusikalisch, durchsichtig und flüssig realisierte, wie er denen Konzerterlebnisse und Aufnahmen, die seine Wagner- Eschenbach) ebenso wie sein „Tannhäuser“ (2002 bis 2005) hören, mit ihnen zu atmen und sie organisch zu begleiten, es nicht für möglich gehalten hätte. „Als ich aus der letzten Sucht begründen sollten: die „Walküre“ 1966 unter Karajan, und sein „Ring“ (2006 bis 2010 in der etwas unglücklichen das ist schon sehr beeindruckend“, so Wollong. „Thiele- ‚Siegfried‘-Aufführung rausgegangen bin, hatte ich das Ge- sein erster „Lohengrin“ an der Deutschen Oper und, natür- Inszenierung von Tankred Dorst). Damit war Thielemann, mann ist weder Konzertdirigent noch Operndirigent, son- fühl, dass ich dieses Werk als Mitspielender nie mehr werde lich, „Tristan“ und „Parsifal“, die er für seine Verhältnisse re- wie er schreibt, „am Ziel“. dern im besten Sinne beides.“ Viele große Wagner-Momen- besser erleben können, allenfalls anders“, erinnert sich Mat- lativ spät entdeckt hatte, mit 13, 14 Jahren, und die ihn daher te hat der Konzertmeister mit Thielemann erlebt und dabei thias Wollong. „Das war erfüllendes Musizieren, wie es ei- mit umso größerer Wucht getroffen hatten. Bis „ins Mark Erfüllendes Musizieren nie Ermüdung oder Routine feststellen können. „Jeder nem auch als Profimusiker nur selten widerfährt.“ erschüttert“ habe ihn das Erleben dieser Stücke – als „wäre Und heute? Dirigiert Thielemann natürlich immer noch ich in einem Vakuum groß geworden, einem wartenden Wagner – bis auf den „Tristan“, für den er sich nach seiner Nichts, das die Musik Richard Wagners nun sukzessive füll- letzten Aufführung 2002 eine Pause bis zu den Bayreuther te“. Spätestens da war klar, wo es hinsollte. In einem Ge- Festspielen 2015 verordnet hat – und festigt mit jeder neuen 500 ZEICHEN FÜR RICHARD WAGNER spräch, das Thielemann 2010 mit Springer-Chef Mathias Interpretation seinen Ruf. Von „A“ wie „atemberaubend“ Döpfner führte, heißt es über die Schlüsselszene für seine über „H“ wie „herausragend“ bis „Z“ wie „zeitlos“ reichen Nur 500 Zeichen? Der geniale Kapitalismuskritiker und Revolutionär brauchte für Berufswahl: „Eigentlich wollte ich Organist werden, wegen die Adjektive, mit denen die Feuilletons ihre Elogen auf sein unsterbliches Rheingold-Motiv neun Zeichen (Noten inklusive Violinschlüssel) der Bachschen Klangfülle [. . .]. Aber nach ‚Tristan‘ dachte Thielemanns Wagner-Dirigate würzen. und der sich stets erneuernde Künstler für seine Schlüsselzeilen der „Meistersinger“ ich: Ach, das ist noch besser. Und das macht ja der Dirigent.“ Was aber macht das Besondere, Einzigartige von Thiele- nur 80 (Walther: „Wie fang ich nach der Regel an?“ Sachs: „Ihr stellt sie selbst, Sein offizielles Wagner-Debüt hat Thielemann mit dem manns Wagner aus? Es sei – neben seinem Klangsinn, sei- und folgt ihr dann.“). Das ist Richard Wagner für mich: genialer Musiker, tiefsinniger „Siegfried-Idyll“ und der frühen C-Dur-Symphonie 1983 ner Fähigkeit, große Zusammenhänge zu gestalten, seinem Dichter, politischer Revo lutionär. Er passt gut in unsere revolutionären Zeiten. am Teatro La Fenice in Venedig gegeben. Zwei Jahre später Gespür für Melodik, Rhythmus und Artikulation – nicht leitete er eine konzertante Aufführung des „Rienzi“ am Nie- zuletzt sein außergewöhnliches Gefühl für die spezifischen Dr. Klaus von Dohnanyi war von 1981 bis 1988 dersächsischen Staatstheater in Hannover. Und 1988 ergab Notwendigkeiten, die sich im Zusammenspiel von Orches- Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. sich dann endlich auch – auf Einladung von Peter Ruzicka, ter und Sängern ergeben, sagt Matthias Wollong, Erster

INTERVIEW „Religiöse Wirksamkeit bis heute“

Dr. Ralf Ruhnau, Leiter des Konzertmanagements der in verbindet Wagner christliche Elemente mit mittelalterlicher Epik und keltischen Legenden, Stiftung Frauenkirche Dresden, über das „Liebesmahl bis hin zu fernöstlicher Exotik einschließlich buddhistischen Bezügen. Dennoch finden sich der Apostel“, das vor 170 Jahren in der Dresdner im „Parsifal“ Reminiszenzen an Dresden wie- der – zum Beispiel das „Dresdner Amen“, eine Frauenkirche uraufgeführt wurde – und anlässlich des bestimmte liturgische Formel, die in Messen der Katholischen Hofkirche in Dresden gesun- gen wurde. Und nicht wenige fühlen sich bei 200. Geburtstags Wagners im Mai an ebendiesem den Gralsburg-Chorszenen und Glockenklän- gen an das „Liebesmahl“ und die Dresdner Ort wieder erklingt. Frauenkirche erinnert. Sie muss auf Wagner bis zu seinem Lebensende einen unvergesslichen Eindruck gemacht haben. Als Auftragsar- scheinlich auch der Genre-Diskussion aus dem beit für die Feier Weg gehen – manches wurde in der Fachpresse Welche musikgeschichtliche Bedeutung des 100. überpenibel hinterfragt. Das Publikum hat das hat die Frauenkirche, insbesondere in Geburtstags der Werk begeistert aufgenommen – der Jubel nach Verbindung mit Richard Wagner? Dresdner der Uraufführung und am Folgetag war für Die Frauenkirche ist Originalschauplatz an Frauenkirche Wagner sicher eine große Freude. einem wichtigen Wendepunkt im Leben schrieb Richard Wagners. Denn mit seiner neuen Position Wagner ein Werk Wagner selbst soll das „Liebesmahl“ als Königlich-Sächsischer Kapellmeister für Männerchor später nicht mehr geschätzt haben. fand er endlich die öffentliche Anerken- und Orchester Ja und nein. Wir können uns den Standpunkt nung, die ihm seine großen Opernerfolge – „Das Liebesmahl der Apostel“ –, dessen Wagners aussuchen, der uns am besten gefällt. ermöglichte. In seiner Dresdner Zeit war Uraufführung am 6. Juli 1843 in der Seine Frau Cosima hat schriftlich zwei eher Wagners Hinwendung zum Christlichen so Frauenkirche er selbst leitete. Welche gegensätzliche Kommentare des Meisters über stark und ursprünglich wie nie zuvor oder Stellung nimmt das „Liebesmahl“ in dieses Werk hinterlassen: „Niemals und nir- danach in seinem Leben. „Das Liebesmahl Wagners Werk ein? gendwo hat in einer Kirche etwas Vergleich- der Apostel“ beweist das ebenso deutlich Wagner strebte, vom Vorbild er- bares stattgefunden“, soll er gesagt haben. Ein wie seine 1848 entstandene Bearbeitung von mutigt, mit diesem Werk im Grunde hin zu anderes Mal nannte er das „Liebesmahl“ eine Palestrinas „Stabat mater“. Noch kurz vor einer neuen Kirchenmusik – Kirchenmusik Art „Ammergauer Spiel“. seiner Flucht aus Dresden 1849 fertigte auf der Schwelle zum Theater, die vom gesam- Wagner Skizzen zu einer geplanten Verto- ten Raum, der Plastizität und der Figuren- Wie wirkt das „Liebesmahl“ in Wagners nung mit dem Titel „Jesus von Nazareth“ an. sprache innerhalb der Frauenkirche inspiriert Werk nach? Mir vorzustellen, was daraus geworden ist. Man kann hier durchaus – in Anlehnung Nach Dresden hatte Wagner mit Kirchenmusik wäre, bewegt mich sehr! an Wagners gleichnamige theoretische Schrift nicht mehr viel im Sinn. „Parsifal“ als „Büh- – von „Zukunftsmusik“ sprechen. nenweihfestspiel“ ist etwas völlig anderes: Dar- Das Gespräch führte Martin Morgenstern.

Wagner hat das „Liebesmahl“ explizit für die Architektur des Aufführungsortes geschrieben. Wie erlebt man das als Hörer? Wagner hat die räumlichen und akustischen Möglichkeiten der Frauenkirche perfekt ge- nutzt. In der Fernwirkung bestimmter Passa- gen wird der Kirchenraum in seiner spirituel- len Einheit auf beeindruckende Weise erfahrbar, vor allem bei der Ausgießung des Heiligen Geistes aus der Frauenkirchenkup- pel. Wagner eröffnet in seinem Liebesmahl wahrhaft Sinnhorizonte – das ist religiöse Wirksamkeit bis heute.

Wie wurde das „Liebesmahl“ von Publikum und Kritik aufgenommen? Wagner hatte das „Liebesmahl“ bewusst nicht als Oratorium betitelt. Damit wollte er wahr- Himmlische Töne: Die Frauenkirche ist auch ein grandioser Konzertsaal. RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V7 Bayreuth des Ostens

Von Angelo Neumann über Gustav Brecher und Walther Brüg- mann bis hin zu Joachim Herz – Leipzig hat „Ring“-Geschichte geschrieben. Der Herz-„Ring“ aus den siebziger Jahren gilt noch heute als Meilenstein, an dem sich zukünftige Inszenie- rungen zu messen haben.

VON WERNER WOLF. Richard Wagner musste die „Leubald“ sowie der Kompositionsunter- vens folgenden Sinfonie C-Dur errang der erst 63 Jahre alt werden und viele Enttäu- richt beim Gewandhausmusiker Christian 19- und 20-Jährige erste Erfolge in der von schungen erleiden, bevor seine Bühnenwerke Gottlieb Müller und beim Thomaskantor Christian Gottlieb Müller geleiteten Konzert- im Theater seiner Vaterstadt endlich den ih- Theodor Weinlig bildeten bei arger Vernach- gesellschaft Euterpe und im Gewandhaus. nen gebührenden Platz erhielten. Begonnen lässigung und schließlichem Abbruch des Mit seiner ersten vollendeten Oper „Die Die Tetralogie im Wandel der Zeit: Einhundert Jahre „Ring“-Inszenierungen an der Oper Leipzig. (Links: Otto Schelper als Wotan 1878; hatte seine Entwicklung in den fünfeinhalb Schulbesuches die Grundlage für Wagners Feen“ wollte sich der 20-Jährige nunmehr als rechts: András Faragó als Wotan 1974 in der legendären Joachim-Herz-Inszenierung (Szene: „Feuerzauber“ am Ende der „Walküre). Jahren, die er zwischen 1827 und 1834 in Entwicklung. Opernkomponist beweisen. Doch nach an- Leipzig verbrachte, durchaus verheißungsvoll. fänglichen Zusagen folgte die Ablehnung des Im Stadttheater und im Konzertsaal des Ge- Erste Erfolge musikalisch anspruchsvollen, von Beethoven, Hofoper erlebten Vorbild Wagners, den er als ten Gustav Brecher und des Regisseurs Wal- und Gegeneinander waren ganz aus der Musik wandhauses erlebte er die bedeutenden Werke Mit den Konzertouvertüren in d-Moll und Weber und Marschner beeinflussten, in wich- einzigartigen Regisseur betrachtete. Mit dem ther Brügmann. Ihr für 1933 vorbereiteter heraus gestaltet. Kaum je waren die große Sze- des Schauspiels, der Oper und Sinfonik. C-Dur, der Ouvertüre und Bühnenmusik zu tigen Szenen aber durchaus schon eigenstän- Leipziger Ensemble führte er den „Ring“ auch Zyklus, von dem Gustav Brecher nur noch ne Loges im zweiten „Rheingold“-Bild, die Diese Erlebnisse, dazu die vollständige Aus- Benjamin Ernst Salomo Raupachs Tragödie digen Werkes. Nach dieser ersten großen Ent- in Berlin auf und erhielt von Wagner für sechs „Rienzi“ dirigieren durfte (bei der nächsten große Auseinandersetzung zwischen Wotan arbeitung der Shakespeare folgenden Tragö- „König Enzio“ und der dem Vorbild Beetho- täuschung, die ihm das Theater seiner Jahre das alleinige Aufführungsrecht des Wer- Aufführung wurde er von SA-Banditen aus und Fricka im zweiten Aufzug der „Walküre“, Vaterstadt bereitete, ging es beim Versuch mit kes für Europa und Amerika. Von London bis dem Haus vertrieben), bildete auch die die Wissenswette Wotans mit Mime im ersten der 1836 in Magdeburg uraufgeführten zwei- Petersburg und Moskau feierten 1882 bis 1883 Grundlage für die beiden Zyklen 1938. „Siegfried“-Aufzug, die Manipulationen Ha- ten Oper „Das Liebesverbot“ nicht besser. die Theaterbesucher Wagners „Ring“ und die Wolfram Humperdinck und Hans Schüler gens im ersten und zweiten Aufzug der „Göt- Auch der triumphale Erfolg des 1842 am Inszenierung Angelo Neumanns. werden nicht als Regisseure bezeichnet, son- terdämmerung“ so spannend und erregend Dresdener Hoftheater uraufgeführten „Rien- dern als Bühnenleiter. wie in den Aufführungen dieser Inszenierung GEWINNSPIEL zi“ brachte keinen Durchbruch. Bis zur ersten Wegweisende Inszenierungen Beim Neuanfang nach dem Zweiten Welt- zu erleben. Es bleibt nur zu bedauern, dass da- ? Aufführung einer Oper von Wagner in Leip- Mit der Erstaufführung des „Tristan“ und der krieg im Interimshaus Dreilinden bestimmten von keine Aufnahmen erfolgten, sonst würde Machen Sie mit bei unserem Preisausschreiben und gewinnen Sie ein Wochenende in der zig, dem „Tannhäuser“, mussten noch elf Jahre ersten vollständigen zyklischen Aufführung die kleine Bühne und das Fehlen von Material man auch heute nicht nur vom Bayreuther, Musikstadt Leipzig. vergehen, ein weiteres bis zum „Lohengrin“. der Opern Wagners von „Rienzi“ bis zur „Göt- für neue Bühnenbilder weitgehend die Büh- sondern auch vom Leipziger „Jahrhundert- Dann dauerte es acht Jahre, bis man sich end- terdämmerung“ verabschiedete sich Angelo nengestaltung. Doch es war beeindruckend, Ring“ reden. • 2 Übernachtungen für 2 Personen mit Frühstück im Superior Hotel Fürstenhof, lich zur Aufführung des „Fliegenden Hollän- Neumann 1882 aus Leipzig. 1933 wurde der was der Bühnenbildner Max Elten und die Nach leeren Ankündigungen seiner drei Leipzig. ders“ aufraffte. „Rienzi“ musste noch bis 1869 Zyklus um „Parsifal“ und „Das Liebesverbot“ Kostümbildner aus wenig Material mit viel Vorgänger beginnt der jetzige Intendant Ulf • 1 Leipzig Card (3-Tages-Gruppenkarte), beinhaltet freie Fahrt mit dem öffentlichen warten. Da war inzwischen das Neue Theater erweitert. 1938, zum 125. Geburtstag Wag- Phantasie auf die Bühne zauberten. Schirmer, der als Generalmusikdirektor diese Personennahverkehr sowie Rabatte unter anderem für Museen, Veranstaltungen und am Augustusplatz gebaut, in dem 1870 die ners, wurden erstmals auch das Fragment Mit der Anwendung der von Walter Felsen- Position erst in der zweiten Spielzeit innehat, Stadtführungen. „Meistersinger“ folgten. „“ und die „Feen“ aufgeführt. stein entwickelten Methode des Musiktheaters während der Leipziger Richard-Wagner-Fest- • 2 Eintrittskarten nach Wahl für eine Wagner-Oper in der Oper Leipzig (nach Verfüg- Doch ihren festen Platz im Repertoire der Seit Angelo Neumanns Wirken, das auch durch Joachim Herz wurde der Gedanken- tage zum 200. Geburtstag im Mai mit „Rhein- barkeit, bis Ende der Saison 2012/2013). Leipziger Oper erhielten die Werke Wagners Zyklen von Mozart, Verdi, Gluck und einen und Ausdrucksreichtum der Werke Wagners gold“ einen neuen, bis 2016 zu erarbeitenden erst ab 1876, als August Förster die Direktion, insgesamt reichen Spielplan bot, konnte sich viel weitgehender erschlossen als bisher. Den „Ring“. Dieser wird sich an dem von Joachim Und so lautet die Frage: Wie lautet der Name von Wagners erster vollendeter Oper? Angelo Neumann die Operndirektion und Jo- Leipzig neben Bayreuth als die Wagner-Stadt Höhepunkt erreichte der Künstler 1973 bis Herz inszenierten messen lassen müssen. seph Sucher die musikalische Leitung übernah- verstehen. Die nach Wagners Vorbild geschaf- 1976 mit seiner tiefgründigen Inszenierung a. „Rienzi“ b. „Die Feen“ c. „Das Liebesverbot“ men. Die herausragendste Tat war 1878, zwei fenen Inszenierungen Neumanns bestimmten des „Rings“. Herz zeigte das Werk als Parabel, Prof. Dr. Werner Wolf, Ehrenvorsitzender Jahre nach den ersten Bayreuther Festspielen, bei mancherlei Modifikationen die Auffüh- die im Sinne Wagners Gegenwärtiges der Ent- des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig, war Senden Sie die Antwort mit dem Betreff „Leipzig“ bis zum 28. Februar an die erst nach komplizierten Verhandlungen rungen bis 1924. stehungszeit wie auch der Gegenwart ohne von 1981 bis zu seiner Emeritierung im Jahr [email protected]. Unter allen Einsendungen wird der Gewinner möglich gewordene Einstudierung des Büh- Das galt bis zu einem gewissen Grade oberflächliche, billige Akzentuierungen asso- 1990 außerordentlicher Professor für Musik- durch Los ermittelt. nenfestspiels „“. Neu- auch ab Mitte der 1920er Jahre für die Stili- ziiert. Deklamation, Gesang, Mimik und Ges- geschichte am Institut für Musikwissenschaft mann folgte dem bei Proben in der Wiener sierungen und Erneuerungen des Dirigen- tik eines jeden Sängerdarstellers, deren Mit- der Universität Leipzig.

INTERVIEW „Mitternächte der Seele“

Josef Lienhart, von 1988 bis 2008 Präsident und taren menschlichen Gefühle an, es geht um Grundsätzliches wie Liebe und Hass, Sieg und seitdem Ehrenpräsident des Richard Wagner Niederlage, Leidenschaft und Kampf – das ver- steht man überall auf der Welt. Wagner bringt, Verbandes International, über die Arbeit der welt- um mit Nietzsche zu sprechen, die „geheimnis- vollen Mitternächte der Seele“ zum Klingen. weiten Wagner-Verbände, die Internationalität Natürlich geht es auch bei Bach, Mozart oder Beethoven um menschliche Gefühle, aber nie so Grenzen überschreitend, nie so sehr das Un- von Wagners Tonsprache und sein distanziertes terbewusste aussprechend wie etwa im „Tristan“, in der „Götterdämmerung“ oder im „Parsifal“ Verhältnis zu Wagnerianern. mit den oftmals erschreckenden Abgründen dieser Tonsprache. Dies blieb dem 19. Jahrhun- dert vorbehalten – das Formgefühl von Barock Der Richard vergangenen Jahren die Ausrichtung eines und Rokoko zog hier noch Schranken. Wagner Verband internationalen Wettbewerbs für Wagner- International hat Stimmen sowie die eines Wettbewerbs für Wie kamen Sie selbst zu Wagner? eine lange Regie und Bühnenbild. Mein Vater hatte zahlreiche Schellack-Platten, Vorgeschichte. die ich schon als kleiner Junge hoch und run- Wie kam es zur Wie muss man sich ein typisches Mitglied ter gehört habe, darunter auch eine Aufnahme Gründung dieses eines Wagner-Verbandes vorstellen? Ich des „Lohengrin“ mit Franz Völker und Maria Vereins, der heute wage anzunehmen, dass das Durch- Müller aus dem Jahre 1936 in Bayreuth. Das Ableger auf allen schnittsalter relativ hoch ist. war mein „erster Wagner“, und seitdem hat Kontinenten hat? Da haben Sie recht, aber das ist nichts Wag- mich der Zauber seiner Musik nicht mehr los- Richard Wagner hatte kurz vor seinem Tod ner-Spezifisches. Man wird einfach in jun- gelassen. Mit neun Jahren hatte ich dann das die Stipendienstiftung Bayreuth ins Leben gen Jahren nicht Mitglied eines Kulturver- Glück, meine erste Wagner-Oper live zu erle- gerufen, die unbemittelten jungen Künstlern eins, da hat man andere Prioritäten. Das ben – die „Walküre“ in einer Inszenierung von das unentgeltliche Erlebnis Bayreuth mög- durchschnittliche Eintrittsalter liegt bei uns Paul Hieber am Theater Freiburg. Diese Auf- lich machen sollte. Diese Stiftung litt nach bei etwas über fünfzig Jahren – das ist für führung hat mich so fasziniert, dass ich sie zu Wagners Tod an chronischer Unterfinanzie- gewöhnlich die Zeit, wenn die Kinder aus Hause mit meiner älteren Schwester gleich rung und krebste mehr als zwanzig Jahre fast nachgespielt habe. unbemerkt vor sich hin. Es war der Initiative einer jungen Lehrerin aus Leipzig, Anna Schätzen Sie neben Wagner auch andere Held, zu verdanken, dass die Stiftung aus Wagners Musik ist Nerven- Komponisten? ihrem Dornröschenschlaf befreit wurde. Sie musik, die ans Innerste geht, sie Natürlich. Das ist mir auch ganz wichtig, gründete den Richard Wagner Verband deut- spricht unmittelbar die dass ich für anderes offen bin und bleibe scher Frauen mit dem Zweck, Geld einzu- und keine Scheuklappenmentalität pflege. sammeln und die ursprüngliche Stipendien- elementaren menschlichen Deshalb mag ich auch den Begriff „Wagne- idee wiederaufleben zu lassen. Das war 1909. Gefühle an. Das versteht rianer“ nicht, denn dahinter verbirgt sich Dieses Datum gilt als die Geburtsstunde man überall auf der Welt. eine ausgrenzende Form des Kunstgenus- unseres Verbandes. ses – nach dem Motto: Neben Wagner darf es keine anderen Götter geben. Als Vor- Was ist die Aufgabe der Wagner-Verbände dem Haus sind und man wieder mehr Zeit sitzender des Richard Wagner Verbandes heute? und Muße hat, seine kulturellen Interessen International habe ich immer Wert darauf Damals wie heute ist eine zentrale Aufgabe zu pflegen. Neuerdings gibt es jedoch ver- gelegt, den Verband auch für Musik anderer der Verbände, die Richard-Wagner-Stipen- stärkt Bestrebungen, Verbände an Universi- Komponisten offen zu halten. Wagner selbst dienstiftung zu unterstützen, was letztlich täten zu gründen, um gezielt die Jugend an- war sehr interessiert an den verschiedens- nichts anderes bedeutet, als ausgewählten zuziehen. Meine Nachfolgerin im Amt, ten geistigen Strömungen – seine 2500 Bän- jungen Künstlern Freikarten für die Festspie- Professor Eva Märtson, ist hier sehr aktiv de umfassende Bibliothek in Bayreuth gibt le zukommen zu lassen. Daneben machen und erfolgreich unterwegs. hierüber beeindruckend Auskunft – und die Verbände das, was auch andere Verbände hat sich selbstverständlich mit der gesamten tun, die sich berühmten Menschen widmen: Was macht das Besondere, das Univer- abendländischen Musiktradition auseinan- deren Andenken wachzuhalten und das Ver- sal-Faszinierende an Wagner aus, dass dergesetzt. Eine „Heiligenverehrung“, die ständnis für deren Werk zu vertiefen, zum es Wagner-Verbände auf der ganzen Welt nur Wagner sieht und sonst nichts, würde Beispiel durch Liederabende, Konzertbesu- gibt, in Bangkok ebenso wie in Abu der Person des Komponisten nicht gerecht che und Fahrten zu interessanten Auffüh- Dhabi, Peking oder Caracas? werden. rungen – übrigens nicht nur von Wagner- Wagners Musik ist Nervenmusik, die ans In- Werken. Neu hinzugekommen sind in den nerste geht, sie spricht unmittelbar die elemen- Das Gespräch führte Michael Jakob. RICHARD WAGNER – LEIPZIG UND DRESDEN FEIERN DEN GROSSEN KOMPONISTEN Donnerstag, 31. Januar 2013 | Nr. 26 | Seite V8 Frankfurter Allgemeine Zeitung | VerlagsbeilageFrankfurter Allgemeine Zeitung | Verlagsbeilage

mitunter auch kurios. Die meisten Frauen mit der „Tristan“-Dichtung. Mathilde las DREI FRAGEN AN: hatten keinen nachhaltigen Einfluss auf sein täglich, was Wagner schrieb. Am 18. Sep- Leben und sein Werk – bis auf zwei: Cosi- tember war er am Schluss angelangt: König Dr. Wolfgang Hocquél Ödipus’ Rache ma, ursprünglich mit Wagners Freund und Marke verzeiht, will die Liebenden verei- Geschäftsführer der Kulturstiftung Leipzig Bewunderer Hans von Bülow verheiratet, nen, doch Tristan, vom Verräter Melot ver- wurde seine zweite Ehefrau, Mutter seiner letzt, stirbt in Isoldes Armen, und sie sinkt Kinder, wichtigste Mitarbeiterin und nach sterbend über ihn. Richard Wagner war nicht nur ein genialer Komponist, sondern auch seinem Tod die „Herrin von Bayreuth“. Ihre Am selben Abend noch überreichte er Mat- Tagebücher sind von zeitgeschichtlichem hilde die Urschrift: „Da zum ersten Mal wurde ein begnadeter Schürzenjäger. Die Liste seiner Eroberungen ist lang, Wert. Und dann , ver- sie machtlos und erklärte mir, nun sterben zu heiratet mit einem steinreichen Seidenhänd- müssen“, so Wagner in einem Brief an seine seine Neigung, in fremden Revieren zu wildern, hätte er fast mit dem ler. Aus der über Jahre gereiften Liebe zu ihr Schwester Klara. Die Liebe brach sich Bahn. schöpfte Wagner die kreativen Kräfte für ein Eine verbotene Liebe, skandalös und schuld- Leben bezahlt. Stationen einer lebenslangen Tour d’amour. Werk von epochaler Bedeutung: „Tristan und beladen, eine Liebe voller Sehnsucht und ohne Isolde“. Hoffnung. Am 21. Mai wird in der Alten Aufgewühlt von dieser Passion, begann Nikolaischule, die Wagner von 1828 Kein Happy End für Tristan Wagner, „“ zu komponie- bis 1830 besucht hatte, die Dauer- VON WALTER HANSEN. Wagners Frauen – da offizielle Liebhaber zum Tanz aufspielte, uns Mit Erfolg, wie seine lebenslange Tour Wagner lernte Mathilde Wesendonck 1852 ren. Er fand zum „Geheimnis meiner musi- ausstellung „Der junge Richard sprudeln nur so die Namen: Cosima, Minna willkürlich herzten und küssten. Dass der d’amour bewies: Minna Planer beispielsweise, während seines schweizerischen Exils in kalischen Form, von der ich kühn behaupte, Wagner, 1813 bis 1834“ eröffnet. Planer, Mathilde Wesendonck, Jessie Laus- Bräutigam beim Gewahrwerden der zärtli- Tochter eines Dresdner Stabstrompeters, war Zürich kennen. Sie war 23 Jahre alt, eine dass sie in solcher Übereinstimmung und Welches Konzept steht dahinter? sot, Friederike Meyer, Judith Gautier und so chen Unbefangenheit, welche Friederike mir mit Alexander von Otterstedt verlobt – bis zierliche vielgerühmte Schönheit. Mit ihrem jedes Detail umfassenden Ausdehnung noch Die Ausstellung konzentriert sich ganz auf weiter. Doch kein Wagner-Lexikon nennt zuwendete, sich traurig, aber nicht eigentlich sie Wagner im Juli 1834 kennenlernte. Der 13 Jahre älteren Mann und der zweijährigen nicht auch nur geahnt worden ist“, wie Wag- den jungen Wagner, seine Jugend in Dres- Friederike Galvani, die Schlüsselfigur seines verhindernd in sein Los fügte, weckte zum verführte und heiratete sie. Nun betrog Min- Tochter Myrrha wohnte sie in einer Suite ner in einer Notiz an Mathilde schrieb. Was den und Leipzig, die prägenden Bildungs- Liebeslebens, eine Sängerin italienischer Ab- ersten Male in meinem Leben ein schmei- na ihn und er sie. Einer seiner Seitensprünge des Luxushotels „Baur au Lac“. Otto Wesen- er andeutete, war eine bisher noch unerhör- einflüsse, die er hier erfahren hat, sowie stammung am Würzburger Stadttheater, wo chelhaftes Selbstgefühl.“ führte ihn nach Bordeaux zu Jessie Laussot, donck, ein blonder Hüne vom Niederrhein, te Tonsprache: Am Anfang der Tristan-Ak- seine musikalische Ausbildung. Es ist das Richard Wagner ab Februar 1833, zwanzig Psychologen sehen in diesen Zeilen eine mit der er „die gänzliche Flucht aus der Welt“ erwies sich als Bewunderer und spendabler kord, mystisch, dämonisch, ein Spannungs- erste Mal, dass im Rahmen einer Ausstel- Jahre alt, als Chordirektor arbeitete. später nie wieder eingestandene Bizarrerie („Mein Leben“) plante. Was immer er damit Mäzen des von Geldsorgen zerschabten Ri- Akkord, in dem sich Liebessehnsucht und lung Leben und Werk des jungen Wagner Wagners: dass es ihm nicht nur um die Er- meinte – es bleibt uns ein Rätsel. Denn der chard Wagner, was den nicht hinderte, mit Verdammnis programmatisch mischen. umfassend dargestellt und musikwissen- Schmeichelhaftes Selbstgefühl oberung einer Frau ging, sondern – und viel- betrogene Ehemann, ein pomadisierter Wein- der Gattin des Gönners eine Liebesbezie- Dann die durch das ganze Werk strömende schaftlich bewertet werden. Friederike war mit dem ersten Oboisten des leicht vor allem – um den Sieg über einen händler, vereitelte den Plan, indem er Wagner hung anzufangen – heimlich und vorerst unendliche Melodie mit subtil verwebten Orchesters verlobt. Anlässlich einer ländli- Nebenbuhler. Grund dafür sei eine seit der erst zu erschießen drohte, dann samt Jessie auf Distanz. Leitmotiven, die nuancierte Tonfärbung, der Welche Erkenntnisse kann der chen Hochzeit tanzte Wagner mit ihr, wie er Kindheit nicht bewältigte Ödipus-Konstella- mit unbekanntem Ziel verreiste und schließ- 1854 fiel Wagner „Die Welt als Wille und ekstatisch überwölbte Orchesterklang, die Besucher gewinnen? in seiner Autobiographie „Mein Leben“ tion: libidinöse Mutterbindung, Rivalitäts- lich – sicher ist sicher – Wagner auch noch die Vorstellung“ von Arthur Schopenhauer in die musikalische Ausleuchtung seelischer Zer- Wir zeigen, dass Wagner, als er als schreibt, „toll durch die Reihen der Bauern, verhalten gegenüber dem Stiefvater. Als sol- Polizei auf den Hals hetzte. Der kühlte ab und Hände. Fasziniert von dessen Erlösungsethik reißproben. 21-Jähriger Leipzig verließ, bereits ein bis die Gelegenheit es fügte, dass die allge- chermaßen „geschädigter Dritter“ neige kehrte heim zu seiner Minna. und Todessehnsucht, kam ihm ein Epos in weitgehend ausgebildeter Komponist und meine Erhitzung alle persönlichen Rücksich- Wagner notorisch dazu, anderen Männern Diese Episode zeigt beispielhaft: Wagners den Sinn, das er vor Jahren schon einmal in Erste und einzige Liebe Dirigent war. Er hatte zu dieser Zeit be- ten auch für uns löste und wir, während der die Frauen wegzunehmen. Liebesleben war überwiegend chaotisch, Dresden gelesen hatte: Gottfried von Straß- Während der Orchestrierung des zweiten Ak- reits eine erstaunliche Zahl an Werken burgs „Tristan und Isolde“, verfasst um 1210, tes, am 7. April 1858, flog die Beziehung auf. komponiert, die zum Teil auch schon in die Geschichte von Tristan, der König Marke Minna zog nach Dresden, Otto Wesendonck Leipzig aufgeführt wurden. zur Treue verpflichtet ist, aber dessen Gemah- verzieh seiner Frau. Wagner reiste nach Vene- lin Isolde liebt – die Geschichte von Wagner dig, komponierte dort weiter an seinem „Tris- Welche Exponate werden zu sehen und Mathilde! tan“, in Gedanken immer bei Mathilde. „Sie ist sein? und bleibt meine erste und einzige Liebe“ Es wird reichhaltiges Bildmaterial ge- Gelegenheit durch Nähe schrieb er Eliza Wille, einer Freundin aus Zür- ben, das unter anderem auf rund 70 1857 bezogen Wesendoncks und Wagner mit cher Tagen. Leucht tafeln und Touchscreens prä- Minna zwei benachbarte Häuser auf dem „Tristan und Isolde“ wurde am Königlichen sentiert wird, dazu gibt es zahlreiche Grünen Hügel von Zürich. Nun mussten sich Hof- und Nationaltheater zu München urauf- Hörstationen, an denen sich der Besu- Liebe und Gewissenskonflikte zuspitzen, ein- geführt, protegiert und finanziert von König cher einen Eindruck von Wagners Früh- fach dadurch, dass Wagner Mathilde täglich Ludwig II., dirigiert von Hans von Bülow, be- werken verschaffen kann. Abschluss besuchen konnte, begünstigt durch die häufi- jubelt und verrissen von den Kritikern. Das und Höhepunkt der Ausstellung bilden gen Geschäftsreisen des nach wie vor arglosen Datum der Uraufführung – 10. Juni 1865 – gilt Filmsequenzen zur Wagner-Rezeption und höchst spendablen Ehemannes. als Beginn der „musikalischen Moderne“. in Leipzig, unter anderem von der aktu- Tristan und Isolde auf dem Grünen Hü- ellen „Feen“-Inszenierung von Barbe & gel! Das Thema, aktuell geworden, drängte Walter Hansen ist Schriftsteller und lebt in Doucet. Wagner zur Umsetzung als Musikdrama. Er München. Er ist Autor von „Richard Wagner. Die Frauen seines Lebens (Auswahl): Mit Minna Planer, Mathilde Wesendonck und Cosima Bülow (von links) unterhielt Richard Wagner mehr oder brach die Kompositionsarbeit am „Ring des Sein Leben in Bildern“ sowie „Richard Wagner. Die Fragen stellte Michael Jakob. weniger intensive und lange Beziehungen. Der Komponist schien Freude daran zu haben, Nebenbuhlern Hörner aufzusetzen. Nibelungen“ ab und begann am 20. August Biographie“ (beide dtv).

Trompeten für den „Lohengrin“ Hinterfragen statt glauben

Richard Wagner hat zur Entwicklung und zum An der Pariser Opéra traf er auf den be- Im Jubiläumsjahr laufen auch die Wissenschaften auf ter einer eigenen Kunstreligion avancieren rühmten Adolphe Sax, den Erfinder des Sa- konnte, deren Geschichtsnotwendigkeit allzu oft Bau zahl reicher neuer Instrumente beigetragen. xophons und Inhaber einer riesigen Blasin- Hochtouren. Es ist zu hoffen, dass sie sich nicht vom wissenschaftlich zu begründen versucht wurde strumentenfabrik. Wagner bezeichnete ihn und mehr oder weniger verdeckt viele wissen- Denn für die Realisierung seiner klar definierten schlicht als „schrecklichen Menschen“, ver- Wagner-Hype infizieren lassen, sondern ihrer Aufgabe schaftliche Arbeiten determiniert hat. dankte ihm aber wichtige Impulse für spätere Wissenschaft aber, will sie mehr sein als die klanglichen Vorstellungen reichte das Instrumentarium Sonderanfertigungen wie die Basstrompete gerecht werden: sich differenziert und distanziert mit Glaubenskongregation Wagnerscher Kunstreli- oder die Kontrabass-Posaune. Von entschei- gion, erfordert die Hinterfragung der Prämissen dender Bedeutung wurden außerdem im und die Analyse der Wirkungszusammenhän- seiner Zeit nicht aus. Jahre 1862 die wenigen in Wiesbaden ver- einem komplexen Thema auseinanderzusetzen. ge, die derartigen Kunstphilosophien zugrunde brachten Monate: Aus seinen Besuchen in der liegen. Der Blick von außen kann sehr hilfreich Werkstatt der Familie Heckel ergab sich eine sein, und so zeigt gerade die Rezeption Wagners VON BIRGIT HEISE. Zeit seines Lebens trug sich tailfragen. So vermittelte er den Herstellern jahrelange Kooperation, die in der Kreation VON HELMUT LOOS. Es ist schon ein richtiger Dresden – Wagner-Interpretation heute“. in Mittel- und Osteuropa, wie stark sein Werk Wagner mit Ideen zu neuartigen musikalischen seine ungefähren klanglichen Vorstellungen zahlreicher Modelle, vom Kontrafagott bis Hype, der sich zum Jubiläumsjahr 2013 um Ri- Zum großen Kongress der Wagner-Verbände als Höhepunkt menschlicher Evolution angese- Effekten oder Instrumenten mit größerem Ton- mit der Bitte, sich um deren Verwirklichung zu zum Heckelphon und zur Tristan-Schalmei, chard Wagner ankündigt. Dass Künstler und im Mai veranstaltet die Universität Leipzig hen und zum Maßstab des kulturellen Entwick- umfang und mehr Klangfülle. Aus dem Bay- bemühen. Ganz ähnlich einem Alphorn müsse gipfelte. Wagners Neugier auch am handwerk- Kultureinrichtungen die öffentliche Aufmerk- eine sechstätige Konferenz „Richard Wag- lungsstands verschiedener Nationalkulturen reuther Orchestergraben, jenem „mystischen das Instrument des Hirten im „Tristan“ klingen, lichen Entstehungsprozess schien geweckt: So samkeit nutzen, die runde Gedenkjahre mit ner. Persönlichkeit, Werk und Wirkung“. Die genommen wurde. Entsprechende kulturdar- Abgrund“, hört man immer wieder überra- schrieb Wagner in der Partitur. Das Glocken- soll er, wenngleich mit geringem Erfolg, das sich bringen, ist legitim und nur zu gut ver- Thematik ist breit gefächert, es geht um das winistische Vorstellungen prägten einen Welt- schende tonmalerische Akzente und Geräusche. spiel für die „Meistersinger“ sollte mit „richti- Drechseln selbst ausprobiert haben. ständlich, strahlt doch ein Stück des Glanzes kompositorische und das literarische Werk krieg der Nationalkulturen, der gerade auch in So dürfte dem Wagner-Kenner neben der weit- gen Glocken“, das heißt mit Schalen anstelle von Im benachbarten Mainz wurde der Kompo- vom gefeierten Jubilar auch auf seine berufenen Wagners sowie in besonderem Maße um die musikwissenschaftlicher Literatur ausgetragen verbreiteten Horntube („Wagnertuba“) das ein- Stäben, ausgestattet sein, so eine weitere Anga- nist bei den Gebrüdern Alexander vorstellig. oder unberufenen Diener ab. Auch die Wissen- Rezeptionsgeschichte, wobei ein besonderer wurde. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Wis- drucksvolle Hämmern von 18 Ambossen im be des Komponisten. Als Zupfinstrument zur Die erfahrenen Meister für den Bau hochwer- schaft lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa ge- senschaft im Jubiläumsjahr alten Denkmustern „Rheingold“ ebenso geläufig sein wie das spezi- Begleitung von Beckmesser („Meistersinger“) tiger Hörner und Trompeten entwickelten mit sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden, legt wird. Mit teilweise schlagkräftigen Titeln, verhaftet bleibt oder den Weg einer differen- fische Timbre der „Beckmesser-Harfe“. ließ Wagner eine „kleine Stahlharfe nach mei- Wagner erste Ideen für die spätere „Wagner- und wartet mit großangelegten Projekten auf. eigenem Logo und spektakulär aufgepeppten zierteren, distanzierten Aufbereitung des viel- Doch reichten Wagners Intentionen weiter. ner Erfindung“ anfertigen, so dass der Opern- tuba“. Interessant, was man innerhalb dieser Nachdem die Gesamtausgabe der Komposi- Ankündigungstexten reihen sich die Konferen- schichtigen Komplexes Richard Wagner und Bei näherem Hinsehen erweist sich sein phanta- sänger auf einer Lautenattrappe „spielte“, wäh- Familie mündlich übermittelte: Wagner habe tionen Richard Wagners nahezu abgeschlossen zen in den Wagner-Hype ein, so dass sich die seine Rezeption weiterzugehen bereit ist. sievoller Umgang mit dem Instrumentarium rend aus dem Orchestergraben die kräftige, mit immer bereits konkrete Klangfarben „im ist und die Edition seiner sämtlichen Briefe be- Frage aufdrängt, welche Rolle die Wissenschaft seiner Zeit als besonders kreativ. Nach seinen Stahlsaiten bespannte Harfe ertönte. Ohr“ gehabt und fieberhaft nach Möglichkei- reits mehr als die Hälfte des projektierten Um- eigentlich in diesem Zusammenhang spielt. Prof. Dr. Helmut Loos ist Inhaber des Lehr- Plänen entstanden zum Beispiel die Altoboe und Für die Realisierung seiner klar definierten ten für deren Umsetzung gesucht. fangs geschafft hat, ist pünktlich zum Jubilä- Es käme sicher einer Bankrotterklärung stuhls für Historische Musikwissenschaft an das Gralsglocken-Klavier, baute man - und akustischen Vorstellungen, aber auch für die Bis in die späten Schaffensjahre zeigte sich umsjahr ein neues Großprojekt in Angriff gleich, schlösse sich die Wissenschaft distanz- der Universität Leipzig. Lohengrintrompeten, und selbst der Gebrauch Anschaffung qualitätvoller Musikinstrumente Wagner an Neuerungen und Experimenten in- genommen worden, die historisch-kritische los unkritischer Kulturbegeisterung an und des einzelnen, angehängten Beckens ging maß- war der Komponist auf den Austausch mit den teressiert und schuf mit den Bayreuther Instru- Neuausgabe von Wagners gesammelten Schrif- böte kein eigenes Profil in ihrer Beschäftigung geblich auf Wagners Anregungen zurück: Mit Instrumentenbauern angewiesen. An Gelegen- mentenbauern Steingraeber und Stengel exklu- ten. Bei diesen Langzeitprojekten handelt es mit Richard Wagner. Kritische Distanz reicht Paukenschlägeln bedient, illustriert es im „Ring heiten für Begegnungen mangelte es bei seinem sive Klanggeräte. Doch bekam es Wagner sich um Grundlagenforschung, die jeder weite- dafür nicht aus. Längst hat sich die kritische IMPRESSUM des Nibelungen“ das glitzernde Gold und flim- abenteuerlichen Leben mit vielen Ortswech- zuletzt nochmals mit Werkstätten aus seiner ren Beschäftigung mit Wagner eine verlässli- Wagner-Interpretation in der künstlerischen Richard Wagner mernde Licht auf eine raffinierte, bis dahin nicht seln nicht. Schon in seiner Geburtsstadt Leipzig Geburtsstadt Leipzig zu tun: Aus der sächsi- chere Basis bietet, als sie bislang gegeben ist. Auseinandersetzung mit seinen Werken eta- Leipzig und Dresden feiern bekannte Weise. Dabei trieb ihn nicht die Sucht musste Wagner beim Durchqueren der Innen- schen Metropole ließ er besondere Hebelpau- Die Reflexion der Ergebnisse und die Samm- bliert, im Feuilleton ist Wagners Antisemitis- den großen Komponisten nach immer neuen Effekten, wie er selbst beton- stadt zwangsläufig einige der etwa 35 Werkstät- ken für sein Festspielorchester anliefern, und lung der zahllosen Einzelforschungen, die ab- mus ein Dauerbrenner. Verlagsbeilage te, sondern das Streben nach besonderen, dem ten passieren. Sein erster eigener Konzertflügel für den Parsifal forderte er den vom Gewand- seits der Großprojekte allerorten betrieben Frankfurter Allgemeine Zeitung jeweiligen dramatischen Geschehen seiner stammte dann auch von dem Leipziger Unter- hausbassisten Carl Otho entwickelten Kontra- werden, ist die Aufgabe internationaler Konfe- Hilfreicher Blick von außen © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH Opern angepassten Klangfarben. nehmen Breitkopf & Härtel. Modernste Blasin- bass mit zusätzlicher fünfter C-Saite. renzen, die wiederum im Jubiläumsjahr Hoch- Grundsätzlich ist zunächst zu klären, inwie- Hellerhofstraße 2 – 4 Mit Orchesterinstrumenten kannte sich strumente bot Christian F. Sattler in der Quer- konjunktur haben. Bereits in Vorbereitung des weit die Wissenschaft dazu berufen ist, dieser 60327 Frankfurt am Main, 2013 Wagner aus. Seine Erfahrungen bezogen sich straße. Es ist sicher kein Zufall, dass Wagner Dr. Birgit Heise ist Kustodin des Ereignisses haben sich die Universitäten von aktuellen Auseinandersetzung rezeptionsäs- Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: dabei hauptsächlich auf spieltechnische Mög- später für die Dresdner Hofkapelle einen gan- Grassimuseums für Musikinstrumente der Bayreuth, South Carolina und Basel zu einem thetisch begründete Richtungen vorzugeben Michael Jakob lichkeiten, nicht unbedingt auf bauliche De- zen Satz Posaunen ausgerechnet dort bestellte. Universität Leipzig. Projekt „WagnerWorldWide 2013“ zusammen- beziehungsweise vorliegende Zeugnisse nach [email protected] geschlossen, das eine online verbreitete „Ring“- ihren Maßstäben zu bewerten. Eine Wissen- F.A.Z.-Institut für Management-, Vorlesung und mehrere Konferenzen enthält: schaft von der Kunst im emphatischen Sinne, Markt- und Medieninformationen GmbH VON KUHGLOCKEN UND BECKMESSER-HARFEN im Juni 2012 am Shanghai Conservatory of kurz genannt auch Kunstwissenschaft in em- Mainzer Landstraße 199 60326 Frankfurt am Main Music, im November 2012 an der Universität phatischem Sinne, hat sich nichts weniger als Verantwortlich für Anzeigen: In einer Sonderausstellung im Leipziger Grassimuseum, das Deutschlands größte und Bern, Anfang Februar 2013 an der University genau diese Aufgabe auf ihre Fahnen geschrie- Andreas Formen (Verlagsgeschäftsführer); reichste Musikinstrumentensammlung beherbergt, finden sich erstmals alle Musikinstru- of South Carolina und im Dezember 2013 an ben. Das Beispiel Wagner eignet sich sehr gut für Anzeigenproduktion: Stephan Puls mententypen vereint, die mit Wagners Œuvre in direkter Verbindung stehen. Dazu zählen der Universität Bayreuth (Schloss Thurnau). dazu, die Abhängigkeiten aufzuzeigen, in die Layout: die originalen Pauken des Bayreuther Festspielhauses, ein Ibach-Flügel Modell Wagner, ein Erklärtes Ziel ist es, „der Aktualität Wagners sich diese Wissenschaftssparte begibt. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Gralsglocken-Klavier und weitere Fertigungsteile des Bayreuther Klavierbauers Stein- auf die Spur“ zu kommen. In Wagner kulminiert die romantische Mu- Creative Solutions, Frankfurt am Main graeber, eine Altoboe sowie Blasinstrumente, die zu Uraufführungen der Opern erklungen Unabhängig davon fand im Juli 2012 in sikauffassung, er hat alle ihre Elemente begierig Weitere Detailangaben siehe Politik, Seite 4 waren. Die Ausstellung mit dem Titel „Goldene Klänge im mystischen Grund – Musikinstru- Bayreuth eine Konferenz über „Verstummte aufgegriffen und in einzigartiger Weise in seiner Verwendete Fotos: mente für Richard Wagner“ hält auch eine Reihe besonders ausgefallener Exponate bereit Stimmen. Die Bayreuther Festspiele und die Person und seinem Werk überhöhend konzen- S. 1: Bianchetti/Leemage; S. 2: Stadtgeschicht- wie zum Beispiel Windmaschinen und Kuhglocken (Wagner schwärmte in einem Brief aus Juden 1876 bis 1945“ im Zusammenhang mit triert. Dies beginnt mit seiner Beethoven-Auf- liches Museum Leipzig (2), Jens Dauterstedt; Luzern für deren Klang) sowie eine Drehorgel mit dem „Tannhäuser“-Marsch. Eine solche der gleichnamigen Ausstellung bei den Fest- fassung und führt über den Kult des Originalge- S. 4: Bildarchiv Bayreuther Festspiele, Bayerischer hatte Wagner voller Rührung in Wien spielen hören. spielen statt. Im Jubiläumsjahr selbst werden nies und die Sakralisierung der Tonkunst zur Rundfunk/Marek Vogel, Staatliche Kunstsammlun- „Goldene Klänge im mystischen Grund – Musikinstrumente für Richard Wagner“, zwei internationale Konferenzen in Sachsen Perfektionierung der Musik als Kunstreligion. gen Dresden/Deutsche Fotothek, S. 6: Matthias Creutziger, Stiftung Frauenkirche Dresden; Sonderausstellung im Grassimuseum für Musikinstrumente der Universität Leipzig, veranstaltet. Im Januar startet die Technische Das Säkularisierungstheorem ungebrochenen S. 7: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, 17. Mai 2013 bis 31. Januar 2014. Universität Dresden mit klar ortsbezogener Fortschrittsglaubens findet in Wagner einen so Helga Wallmüller; S. 8: akg-images, Marion Wenzel. Thematik „Wagner in Dresden – Wagner und wirkungsmächtigen Vertreter, dass er zum Stif-