Celine Kasper

Eine Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz

Betreuer: A.o. Univ. Prof. Bernhard Ungericht

Institut: Institut für Unternehmensrechnung und Reporting

Graz, den 18. Januar 2020

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei meinem betreuenden Professor, Herrn Dr. Bernhard Ungericht, für seine konstruktive Kritik und Unterstützung während des gesamten Entstehungsprozesses dieser Masterarbeit, herzlich bedanken.

Einen besonderen Dank möchte ich an meine beiden Interviewpartner Herrn Paul Mackay und Herrn Johannes Prahl richten, für die sehr angenehmen und informativen Gespräche.

Nicht zuletzt gebührt meiner Familie ein außerordentlicher Dank, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand, die mich stets unterstützte, motivierte und mit mir Stunden über das Thema debattierte.

Inhalt Abbildungsverzeichnis ...... III Tabellenverzeichnis ...... III Abkürzungsverzeichnis ...... III 1. Einleitung ...... 1 1.1. Zielsetzung und Motivation ...... 3 1.2. Methodik, Forschungsstand und Aufbau ...... 3 2. Der Begriff der Unternehmensführung ...... 6 2.1. Das Unternehmensleitbild ...... 7 2.2. Die Personalführung ...... 8 2.3. Die Produktion ...... 9 3. und seine Anthroposophie ...... 9 3.1. Rudolf Steiner Kurzportrait ...... 10 3.2. Die Anthroposophie ...... 12 3.2.1. Der Begriff Anthroposophie ...... 12 3.2.2. Die Anthroposophie, eine Geistes- und Erkenntniswissenschaft ...... 13 3.2.3. Menschenbild und Freiheit in der Anthroposophie ...... 14 3.2.4. Anthroposophische Impulse für die Entwicklung kultureller, gesellschaftlicher Bereiche . 16 4. Anthroposophische Unternehmensführung in der Literatur ...... 16 4.1. Die Dreigliederung des sozialen Organismus ...... 17 4.1.1. Hintergründe und Entwicklung ...... 17 4.1.2. Die Dreigliederung des Menschen und der Gesellschaft ...... 19 4.1.2.1. Kultur- und Geistesleben ...... 20 4.1.2.2. Staats- und Rechtsleben ...... 21 4.1.2.3. Wirtschaftsleben ...... 22 4.1.2.3.1. Von Werten und Waren in der Gesellschaft zum Unternehmenszweck und -leitbild ...... 23 4.1.2.3.2. Von Eigentum und Führung zur Personalführung ...... 25 4.1.2.3.3. Von Menschen und Natur zur Produktion ...... 28 4.1.2.3.3.1. Anthroposophische Medizin ...... 28 4.1.2.3.3.2. Biologisch-dynamische Landwirtschaft ...... 29 4.2. Das Geldsystem nach Rudolf Steiner ...... 30 4.3. Grundsätze und Merkmale anthroposophischer Unternehmensführung ...... 32 5. Anthroposophisch motivierte Unternehmensführung in der Praxis ...... 34 5.1. Die Weleda AG ...... 34 5.1.1. Die Wurzeln der Weleda - Der Kommende Tag AG und Futurum AG ...... 34 5.1.2. Die Weleda von 1924 bis heute ...... 37 I

5.1.2.1. Das Unternehmensleitbild ...... 38 5.1.2.1.1. Management und Finanzen ...... 45 5.1.2.2. Die Personalführung ...... 46 5.1.2.2.1. Sinnvolles und gutes Arbeiten ...... 46 5.1.2.2.2. Kulturelle und gesellschaftliche Beziehungen und Entwicklung ...... 47 5.1.2.3. Die Produktion ...... 48 5.1.2.3.1. Produktentwicklung und Produkte ...... 48 5.1.2.3.2. Regenerative Landwirtschaft und Biodiversität ...... 50 5.1.2.3.3. Respektvolle Lieferkette ...... 51 5.1.2.3.4. Nachhaltige Standorte, Produktion und Logistik ...... 52 5.2. Grundsätze und Merkmale anthroposophisch motivierter Unternehmensführung ...... 53 5.3. GLS Bank ...... 55 5.3.1. Die Wurzeln der GLS Bank - Gemeinnützige Treuhandstelle e.V...... 55 5.3.2. Die GLS Bank von 1974 bis heute ...... 56 5.3.2.1. Das Unternehmensleitbild ...... 58 5.3.2.2. Die Personalführung ...... 61 5.3.2.3. Die Produktion ...... 65 5.4. Grundsätze und Merkmale anthroposophisch motivierter Unternehmensführung ...... 68 6. Systematische Zusammenführung der Ergebnisse ...... 71 7. Conclusio ...... 81 8. Quellenverzeichnis ...... 83 8.1. Literaturverzeichnis ...... 83 8.2. Onlinequellen ...... 89 9. Anhang ...... 91 9.1. Interview 1 ...... 91 9.2. Interview 2 ...... 112

II

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Zeichnung 3 - Steiners Nationalökonomischer Kurs ...... 24 Abbildung 2: Dreigliederung des Geldsystems ...... 30 Abbildung 3: Die sieben Handlungsfelder der Nachhaltigkeit...... 45 Abbildung 4: Die drei Säulen der Nachhaltigkeit, modif...... 78 Abbildung 5: Drei Säulen anthroposophisch motivierter Unternehmensführung ...... 79 Abbildung 6: Drei Säulen anthroposophisch motivierter Unternehmensführung ...... 80

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Checkliste der Grundsätze für die anthroposophische Unternehmensführung ...... 72 Tabelle 2: Checkliste der Grundsätze anthroposophischer Unternehmensführung mit Anwendungsbeispielen ...... 73

Abkürzungsverzeichnis AG Aktiengesellschaft bzw. Beziehungsweise dm Drogerie Markt etc. Et cetera e.G. Eingetragene Genossenschaft e.V. Eingetragener Verein

GLS Gesellschaftsbank für Leihen und Schenken

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GTS Gemeinnützige Treuhandstelle

SDGs Sustainable Development Goals

UN United Nations

VW Volkswagen z.B. Zum Beispiel

III

1. Einleitung Führung ist und war schon immer ein ubiquitäres Thema jeder Gesellschaft, denn Führung gibt es laut Grundwald überall dort, „wo zwei oder mehr Menschen interagieren […]“.1 Somit findet Führung in sozialen Beziehungen, wie auch in Organisationen aller Art statt und betrifft jedes Individuum. Führung ist daher ein allzeit relevantes Thema, das vor dem historischen Kontext immer neu und unterschiedlich intensiv diskutiert wird.2 Angekommen im 21. Jahrhundert und mit Bezug zu verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen, wird insbesondere die Führung von und in Unternehmen derzeit stark thematisiert. Ein sich abzeichnender Wertewandel, welcher sich insbesondere in kapitalistisch geprägten Gesellschaften vollzieht und sich aus verschiedenen ökologischen (z.B. Klimawandel und Ressourcenverfügbarkeit), sozialen (z.B. gesellschaftliche Ungleichheit und horrende Managementvergütung) und wirtschaftlichen (z.B. Ausbeutung, Outsourcing und Gewinnmaximierung) Entwicklungen bedingt, hat dazu beigetragen, dass sich das öffentliche Interesse an der Unternehmensführung spürbar gesteigert hat. Es werfen sich Fragen zu Verantwortung, Nachhaltigkeit, solidarischem Handeln und hierarchischen Führungsstrukturen auf, was alternative Führungs- und Wirtschaftskonzepte in den Fokus öffentlicher Debatten rückt.

Viele Unternehmungen des Wirtschaftslebens haben sich bereits mit diesen Fragen und einem Wandel in der Unternehmensführung befasst, um aktuellen Herausforderungen zu begegnen und auch zukünftigen gerecht zu werden. Zu solchen Unternehmensführungskonzepten, die ihre Ziele vorrangig an ökonomischen Größen wie der Gewinnmaximierung orientieren und deren Führungsstrukturen in der Regel pyramidal hierarchisch aufgebaut sind, gibt es gegenwärtig einige Alternativen. Das „Nachhaltige Management“ (siehe z.B. Englert & Ternès 2019) vereint beispielsweise ökologische, soziale und ökonomische Ziele analog und versucht damit die Verhältnisse der drei Bereiche anzugleichen. Die „Integre Unternehmensführung“ (Ulrich 1997) besinnt sich ebenfalls auf die ökologische und soziale Komponente, wobei insbesondere der Mensch selbst wieder in den Mittelpunkt wirtschaftlicher Organisationen gerückt werden soll. Agile Organisationsformen wie die „Kollegiale Führung“ (Oestereich & Schöder 2016) zeigen, dass die Natur uns bereits Vorbilder für die Unternehmensführung gegeben hat. Eine weitere Konzeption, die den Anforderungen des Wertewandels zu entsprechen scheint, Merkmale aller drei Alternativkonzepte beinhaltet und darüber hinausgeht, jedoch kaum in Wissenschaft und Öffentlichkeit Beachtung findet, ist die Anthroposophie.

1 Grunwald (1998), S. 85. 2 Vgl. Werner (2013), S. 94. 1

Die Anthroposophie ist eine Erkenntnis- und Geisteswissenschaft, als deren Begründer Rudolf Steiner (*1861, †1925) bezeichnet werden kann. Sie fungiert als Weltanschauung und Wegweiser für viele verschiedene Bereiche unseres gesellschaftlichen sowie täglichen Lebens. Während die Ideen und Konzepte Steiners zu dessen Lebzeiten visionär waren und vielfach mit den Vorstellungen der Zeit aneckten, so sind sie heute von großer Relevanz und können als brandaktuell deklariert werden. Es mag sein, dass einige der Vorstellungen Steiners auch heute auf Unverständnis stoßen, jedoch ist der Kern der Anthroposophie - den Menschen als ganzheitliches Wesen (Körper, Geist, Seele) in Verbindung mit seinem Kontext, der Natur und sozialen Beziehungen, zu begreifen - im 21. Jahrhundert Sinnbild für eine moderne Gesellschaft, die sich so stark auf Individualität ausgerichtet hat und es auch weiterhin tut.

Obgleich aus der Anthroposophie kein explizit formulierter Ansatz der Unternehmensführung hervorgeht, so gibt es doch zahlreiche Konzepte, die mehr als nur eine Verknüpfung zwischen Anthroposophie und Unternehmensführung zulassen. Denn ausgehend von Steiners Vorstellungen über das Zusammenspiel von Geist, Mensch und Natur, begründete er verschiedene anthroposophische Konzepte, die bis heute in unserer Gesellschaft bestehen und zunehmend an Bedeutung gewinnen. Am bekanntesten ist wohl die in den Waldorfschulen (synonym auch Rudolf-Steiner-Schulen) angewandte Pädagogik sowie das Konzept der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, welches vom Demeter-Bund vertreten wird. Diese sowie die Anthroposophische Medizin und die Dreigliederung des sozialen Organismus bilden eine direkte Basis für verschiedene Unternehmenskonzepte und innerbetriebliche Abläufe. Weleda, Wala, dm (drogerie markt), die GLS Bank (Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken) und Huober-Brezel sind einige bekannte Unternehmensbeispiele für die Umsetzung anthroposophisch motivierter Unternehmensführung.3

Allerdings ist die Anthroposophie als Impulsgeberin und Ausgangspunkt der Unternehmens- führung in der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt, obwohl sie bereits seit einem knappen Jahrhundert in unsere Gesellschaft besteht und einen aktiven Beitrag zu ihrer Gestaltung geleistet hat und auch weiterhin leistet.4 Ziel dieser Masterarbeit ist es, durch „eine Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung“ den Einfluss der Anthroposophie auf diesen Lebensbereich aufzuzeigen.

3 Vgl. Uhlenhoff (2011), S. 9f. 4 Vgl. Heusser & Weinzirl (2014), S. VIIf.; Vgl. Zajonc in: Heusser & Weinzirl (2014), S. Vf. 2

1.1. Zielsetzung und Motivation Ausgehend von dem dargelegten Kontext verschiedener Entwicklungen, die einen Wertewandel und Paradigmenwechsel begünstigen und ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Unternehmensführung bewirken, wird in dieser Masterarbeit die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung analysiert. Es wird die Frage erörtert, welche Merkmale und Grundsätze aus der anthroposophischen Literatur sowie den existierenden, anthroposophisch motivierten Unternehmen für die Unternehmensführung abgeleitet werden können. Als Forschungsfrage für diese Arbeit formuliert, lautet diese:

„Welche Merkmale und Grundsätze können aus der anthroposophischen Literatur sowie anthroposophisch motivierten Unternehmen für die Unternehmensführung abgeleitet werden?“

Es ist fraglich, warum „[…] der Geist der Anthroposophie […] in die allgemeine Gesellschaft ausgegossen […].“5 wurde und doch von ihr bisher nicht wirklich erkannt und akzeptiert wurde. Immer wieder haben sich solch motivierte Unternehmen besonders hervorgehoben, wie beispielsweise die Weleda AG und die GLS Bank. Beide anthroposophisch motivierten Unternehmen präsentieren sich als zukunftsfähige Organisationen, die neben ihrer ökonomischen Beständigkeit vor allen Dingen einen ökologischen und sozialen Beitrag leisten. Somit scheint die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung ein zeitgemäßes und auch zukunftsfähiges Konzept zu sein, welches insbesondere im Vergleich zu klassisch geführten, profitorientierten Unternehmen eine womöglich bessere Alternative zur Bewältigung derzeitiger und zukünftiger Bedürfnisse sowie Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellt.

Obwohl sich beide Unternehmungen zur Anthroposophie mehr oder weniger offensichtlich bekennen, wird der Anthroposophie als Basis alternativer Unternehmensführung bisher kaum Aufmerksamkeit zuteil. Diesem Defizit möchte diese Masterarbeit entgegenwirken und aus abgeleiteten Grundsätzen und Merkmalen erste Ansätze eines Konzeptes anthroposophisch motivierter Unternehmensführung aufzeigen.

1.2. Methodik, Forschungsstand und Aufbau Diese Masterarbeit basiert vorwiegend auf einer systematischen Literaturrecherche, wobei der Inhalt des zweiten Hauptteils, in dem zwei anthroposophisch motivierte Unternehmungen analysiert werden, durch die Forschungsmethode des Interviews ergänzt wird. Als adäquate Interviewpartner wurden hierfür Paul Mackay, der derzeitige Vorstandspräsident der Weleda AG

5 Uhlenhoff (2011), S. 12. 3 und ehemaliges Vorstandsmitglied der GLS Bank sowie Johannes Prahl, gegenwärtiger Leiter der Personalentwicklung der GLS Bank, ausgewählt.

Zum Stand der Forschung bezüglich der Anthroposophie lässt sich sagen, dass dieser „[…] bis heute [als] unübersichtlich und unzulänglich“6 beschrieben werden kann, was auf den Facettenreichtum und die Art und Weise wie Steiner seine Gedanken niederschrieb zurückzuführen ist.7 Nichtsdestotrotz gibt es eine Vielzahl verschiedenster Literaturwerke, die sich mit Rudolf Steiner und seiner Anthroposophie auseinandersetzen. So zum Beispiel Heusser und Weinzirl, die gemeinsam mit weiteren Autoren 2014 ein Sammelwerk über „Rudolf Steiner – Seine Bedeutung für Wissenschaft und Leben heute“ erstellt haben. Es gibt jedoch auch solche Literatur, die zwiespältig diskutiert wird und daher in dieser Masterarbeit keine Verwendung findet. So beispielsweise auch das bekannte, zweibändige Werk von Helmut Zander „Die Anthroposophie in Deutschland“, da dieses den tatsächlichen Kern der steinerschen Anthroposophie fehlerhaft, gezielt verfälscht und polemisch verfremdet darzustellen scheint.8

Des Weiteren soll darauf verwiesen werden, dass es das Ziel dieser Arbeit ist, einen weitestgehend unvoreingenommenen Blick auf Steiner und sein Lebenswerk zu werfen. Aus diesem Grund wird primär direkt auf die Werke, Schriften und Vorträge Steiners zurückgegriffen, die von der freien Rudolf Steiner Nachlassverwaltung öffentlich zugänglich gemacht werden. Durch die Primärforschung ist es möglich, ein ganz eigens Verständnis zu entwickeln und eigene Schlüsse für die Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung zu ziehen.

Auch für die Analyse der beiden Praxisbeispiele Weleda AG und GLS Bank wird dieses Vorgehen beibehalten und primär auf die Geschäftsberichte, veröffentlichten Geschäftsunterlagen sowie die Interviews zurückgegriffen. Um jedoch nicht durch eventuelle Schönungen der Unternehmungen geblendet zu werden, wird, wenn vorhanden, auch Sekundärliteratur herangezogen. So soll ein gewisser Abstand bewahrt werden und eine schlussendlich eigene Urteilsbildung gelingen.

Um die Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung systematisch zu strukturieren, wird der Begriff der Unternehmensführung zu Beginn dieser Masterabriet erläutert und anschließend in die Bereiche des Unternehmensleitbildes, der Personalführung und der Produktion bzw. des Produktes untergliedert. Alle drei Analysebereiche werden dabei als wesentliche Grundbestandteile der Unternehmensführung verstanden, deren Ausführung als zwingend notwendig erachtet wird.

6 Ullrich (2011), S. 173. 7 Vgl. Ullrich (2011), S. 173. 8 Vgl. Heusser & Weinzirl (2014), S. 1. 4

Als Grundlage für das Verständnis wird die Masterarbeit in Kapitel 3 durch eine Auseinandersetzung mit dem Begründer Rudolf Steiner und seinem Lebenswerk, der Anthroposophie, eingeleitet. Ziel dieses Kapitels ist es, die wesentlichen Merkmale und Grundsätze der Anthroposophie zu vermitteln und Aufschluss darüber zu geben, wie diese in der späteren Analyse anthroposophischer bzw. anthroposophisch motivierter Unternehmensführung zur Anwendung kommen.

Das darauffolgende Kapitel 4 widmet sich vollständig den für diese Arbeit relevanten anthroposophischen Theoriesträngen. Abgeleitet aus dem Ziel, welches mit dieser Arbeit verfolgt wird, sind dies allen voran die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Anthroposophische Medizin sowie die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Alle drei Konzeptionen lassen sich mit der Führung eines Unternehmens verbinden und finden in verschiedenen Bereichen des Unternehmens ihre Anwendung.

Somit schließt der erste Hauptabschnitt, bestehend aus Kapitel 3 und 4, mit einer Klassifikation von Merkmalen anthroposophischer Unternehmensführung, die den drei Analysebereichen zugeordnet werden.

An dieser Stelle wird explizit darauf hingewiesen, dass in diesem ersten Hauptteil die Sichtweisen und Äußerungen Steiners behandelt werden, die sich auf dessen Lebzeiten beziehen. Es kann also ausgehend von diesen Inhalten noch nicht auf heutige Verhältnisse geschlossen werden, auch wenn sich bereits gewisse Verknüpfungen abzeichnen.

Im zweiten Hauptteil wird gemäß der Fragestellung dieser Masterarbeit analysiert, ob es anthroposophische Unternehmensführung in der heutigen Praxis des 21. Jahrhunderts gibt und wie stark sich diese mit dem Ideal der anthroposophischen Grundidee deckt, welche in der Literatur zum Ausdruck kommt. Dafür werden die beiden Unternehmungen Weleda AG und GLS Bank eingehend anhand verschiedener aktueller Geschäftsquellen sowie den Interviews untersucht. Die Analyse orientiert sich dabei ebenfalls an den drei Bereichen Unternehmensleitbild, Personalführung und dem Produkt bzw. der Produktion. Somit zeichnet Kapitel 5 zwei umfassende Unternehmensportraits ab.

An die praktische Analyse anknüpfend schließt der zweite Hauptabschnitt mit Kapitel 6, in dem die Erkenntnisse aus den vorherigen Kapiteln zusammengefasst und systematisch analysiert werden.

In der Conclusio wird ein abschließendes Statement aus persönlicher Sicht über die Erkenntnisse aus dieser Masterarbeit gegeben. 5

2. Der Begriff der Unternehmensführung Ansätze, Konzepte und Literatur über die Führung von Organisationen, Institutionen und Menschen gibt es viele und somit auch diverse Definitionen und Auffassungen der Unternehmensführung. Durch den Zusatz Unternehmen lässt sich die in diesem Sinne auf das Unternehmen beschränkte Führung jedoch auf zweierlei Ausprägungen konkretisieren. Sie kann einerseits institutionell begriffen werden und damit die Personengruppe betreffen, die über Weisungsbefugnisse innerhalb der Unternehmung verfügt – sprich die Führungskräfte. Die zweite Ausprägung ergibt sich aus einer funktionellen Auffassung, dass Führung mit einem Geflecht komplexer, zielorientierter Aufgaben der Steuerung, Entwicklung und Interaktion mit der Umwelt des Unternehmens verbunden ist.9 Wenn beide Ausprägungen zusammenfallen – was in der Regel zutrifft – kann auch von strategischer Unternehmensführung oder strategischem Management gesprochen werden.10

Aufbauend auf diesem Verständnis wird die Definition der Unternehmensführung von Elisabeth Göbel als Grundlage für diese Arbeit verwendet. Göbel definiert:

„Führung im weiteren Sinne ist Unternehmensführung und meint die Gestaltung des institutionellen Gerüstes, in welchem der Aufgabenvollzug stattfindet, die laufende Steuerung und Kontrolle der Aktivitäten und die permanente Weiterentwicklung des Unternehmens entsprechend den Erfordernissen aus der Umwelt. Führung im engeren Sinne meint nur die Personal- oder Mitarbeiterführung.“11

Aus dieser Definition kann abgeleitet werden, dass die mit der Unternehmensführung betrauten Personen dafür verantwortlich sind, dass die Unternehmensziele in Abstimmung mit der Unternehmensumwelt definiert und erfüllt werden. Anders als der Unternehmenszweck werden die Unternehmensziele von innen heraus formuliert und betreffen „[…] erwünschte organisatorische Zustände oder Verhaltensweisen“.12 Diese ergeben sich aus ökonomischen Interessen sowie den Interessen der Stakeholder (ökonomisch, sozial und ökologisch), die dem Unternehmen seine Existenzberechtigung erteilt haben.13 Die Ziele der Unternehmung spiegeln also die Haltung der Unternehmensführung wider, die in der Regel im Unternehmensleitbild schriftlich festgehalten werden.

9 Vgl. Göbel (2010), S. 191. 10 Vgl. Poeschl (2013), S. 41. 11 Göbel (2010), S. 191. 12 Staehle (1999), S. 438. 13 Vgl. Ulrich & Fluri (1995), S. 97. 6

2.1. Das Unternehmensleitbild Das Leitbild entsteht grundsätzlich aus dem Zusammenspiel des extern legitimierten Unternehmenszwecks und der intern entwickelten Unternehmensvision.

Der Zweck einer Unternehmung ist der Ausgangspunkt und die Begründung der Existenz eines Unternehmens. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieser Zweck gegeben, wenn das Unternehmen Waren und/oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet, die von der Gesellschaft nachgefragt werden. Dies bedeutet wiederum, dass die Gesellschaft das Unternehmen legitimiert, indem sie das Angebot akzeptiert und durch den Erwerb der Waren bzw. Dienstleistungen das Unternehmen am Leben erhält. Durch diese Angebot- und Nachfragebeziehung wird deutlich, dass das Unternehmen in die Gesellschaft eingebettet ist und dadurch einer gewissen Verantwortung unterliegt.14 Als gesellschaftlicher Akteur kommen dem Unternehmen neben seinen wirtschaftlichen Funktionen also auch soziale und ökologische Aufgaben zu, die ihm eine gewisse Verantwortung für Mitmenschen und Natur übertragen.15 Allerdings wird diese Verantwortung immer wieder missachtet, indem erwerbswirtschaftliche Ziele wie die Maximierung der Gewinne oder der Marktmacht als oberste Unternehmensziele gesteckt werden und sich dabei nicht an sozialen oder ökologischen Belangen, sondern strikt nach der Rentabilität und Rationalität ausrichten.16 Welchen Zweck eine Unternehmung also erfüllen soll, hängt also maßgeblich von der Unternehmensumwelt ab und zieht eine ethische Verantwortung nach sich. Er kann auch als „Mission Statement“ bezeichnet werden und macht deutlich, wofür das Unternehmen steht.17

Die zweite wichtige Grundlage des Unternehmensleitbildes, ist die Vision, welche aus dem Inneren einer Unternehmung heraus begründet wird. Denn sie ist ein konkretes Zukunftsbild, welches entweder von den Führungspersonen allein oder in Zusammenarbeit mit den Beschäftigten entwickelt wird.18 Dabei ist es wichtig, dass die Vision mit dem Unternehmenszweck in enger Verbindung steht und gleichzeitig realisierbar, wie inspirierend wirkt.19 Das heißt, die Vision soll die Beschäftigten zu Höherem anregen, darf aber nicht utopisch sein, damit die Begeisterung auf dem Weg dorthin nicht verloren geht.

Zusammengefasst im Unternehmensleitbild, bildet dieses die richtungsweisende Grundlage der Zielsetzung und ist eine selbst auferlegte Verpflichtung des Unternehmens „[…] bestimmte

14 Vgl. Poeschl (2013), S. 32.; Vgl. Staehle (1999), S. 438.; Vgl. Wheelen & Hunger (1995), S. 57. 15 Vgl. Poeschl (2013), S. 32.; Vgl. Ulrich & Fluri (1995), S. 94, 60. 16 Vgl. Poeschl (2013), S. 35.; Vgl. Spranger (1914), S. 148ff. 17 Vgl. Maak & Ulrich (2007), S. 246. 18 Vgl. Maak & Ulrich (2007), S. 243. 19 Vgl. Dillerup (2016), S. 111. 7 moralische Werte und Verhaltensweisen […]“20 sowie gesetzliche Vorschriften einzuhalten.21 Damit übernimmt das Leitbild eine auf ethischen Prinzipien basierende Orientierungsfunktion für das Verhalten aller Beschäftigten sowie des gesamten Unternehmens gegenüber allen Stakeholdern.22 In Zusammenhang mit der Unternehmensführung ist es wichtig, dass die Führungspersönlichkeiten ihrer Vorbildfunktion nachkommen und nach dem Leitbild handeln.23

2.2. Die Personalführung Wie aus der Definition der Unternehmensführung bereits hervorgegangen ist, kann sie im engeren Sinne als die Personal- oder Mitarbeiterführung verstanden werden, wenn sie sich auf die innerbetriebliche Führung der Beschäftigten bezieht. Weiterführend kann die Personalführung dann als primärer Teilaspekt des Personalmanagements aufgefasst werden, welches „[…] die Gesamtheit der mitarbeiterbezogenen Gestaltungs- und Verwaltungsaufgaben im Unternehmen […]“24, wie beispielsweise die Personalentwicklung, Personalselektion oder Personalbeurteilung umfasst.25 Dabei nehmen diese Aufgaben je nach Orientierung des Unternehmensleitbildes verschiedene Ausrichtungen an und befinden sich im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit.26

Begreift die Unternehmensführung die Beschäftigten als Mittel zur Zielerreichung, nimmt sie eine ressourcenorientierte Perspektive ein und priorisiert ökonomische Ziele bzw. Unternehmens- bedürfnisse wie die Gewinnmaximierung oder Kostenreduktion. In diesem Sinne sind Menschen eine Human-Ressource und das primäre Ziel der Führungskräfte sollte es sein, den effizienten, kostengünstigen und optimalen Einsatz des Personals zu garantieren.27

Wird der Mensch nicht als Mittel zum Zweck für das Unternehmen verstanden, sondern als Mensch mit Würde, Bedürfnissen und Rechten wahrgenommen, so spricht man von einer beziehungsorientierten Perspektive.28 Grundlegend für diese Perspektive, die dem Human- Relations-Ansatz zugeordnet werden kann, ist das veränderte Menschenbild, welches den Menschen mehr ganzheitlich auffasst, wodurch der Menschlichkeit mehr Raum gegeben wird.29

20 Göbel (2010), S. 214. 21 Vgl. Göbel (2010), S. 214. 22 Vgl. Göbel (2010), S. 214.; Vgl. Wühle (2019), S. 69. 23 Vgl. Wühle (2019), S. 69. 24 Olfert (2015), S. 31. 25 Vgl. Olfert (2015), S. 31. 26 Vgl. Olfert (2015), S. 31. 27 Vgl. Ortlieb (2010), S. 10. 28 Vgl. Rosenberger (2014), S. 9.; Vgl. Maak & Ulrich (2007), S. 405. 29 Vgl. Höflich (2016), S. 224f.; Vgl. Dietrich (2001), S. 16f. 8

2.3. Die Produktion Das Produkt ist das Aushängeschild von dessen Verkauf das Überleben der Unternehmung abhängt. Denn nur das richtige Produkt mit der richtigen Qualität und dem richtigen Preis erfüllt die Bedürfnisse der Gesellschaft und wird dementsprechend nachgefragt. Somit stellt die Produktwahl und damit einhergehend die Produktion ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensführung dar, welcher sich nach der Ausführung des Unternehmensleitbildes richtet.30 Dabei ist die Ausgestaltung der Produktion eine Gradwanderung ähnlich der Personalführung und befindet sich in einem dreidimensionalen Spannungsraum zwischen Wirtschaftlichkeit, Menschlichkeit und Nachhaltigkeit. Stellvertretend für dieses Spannungsfeld widersprüchlicher Entscheidungen hat sich mittlerweile der Begriff der Nachhaltigkeit herauskristallisiert und fungiert als eine Art „omnipräsente[s] Qualitätssiegel“31, welches den Konsum, unabhängig der tatsächlichen Nachhaltigkeit oder Menschlichkeit des Produktes oder der Produktion, legitimiert und die Kunden von ihren Schuldgefühlen befreit.32 Entscheidet sich die Unternehmensführung beispielsweise dafür ökologische und soziale Aspekte entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette zu berücksichtigen, so hat dies einen grundlegenden Einfluss auf das Produktionsverfahren, die eingesetzten Rohstoffe, selbstverständlich auch darauf welches Produkt überhaupt hergestellt wird, welchen Preis dieses am Ende haben wird und schlussendlich, ob die Unternehmung so ihre Ziele erfüllen und „überleben“ kann.33

3. Rudolf Steiner und seine Anthroposophie

„Um das Werk gerecht zu beurteilen, muss man es von seinem Schöpfer loslösen, man darf es jedoch erst tun, wenn man sicher ist, aus der Erkenntnis der Natur des Erzeugers den Geist des Erzeugnisses begriffen zu haben.“34

Bevor sich diese Arbeit der nähren Auseinandersetzung mit den Inhalten des „Erzeugnisses“, der Anthroposophie sowie im Speziellen mit dem aus ihr hervorgehenden Konzept der sozialen Dreigliederung widmet, ist es notwendig, zuerst einen Blick auf ihren „Erzeuger“ Rudolf Steiner zu werfen, um die Anthroposophie und die aus ihr entstandenen Intentionen und Erkenntnisse in vollem Umfang zu verstehen.

30 Vgl. Poeschl (2013), S. 21, 32.; Vgl. Stapleton (2003b), S. 8.; Vgl. Ulrich & Fluri (1995), S. 94, 97. 31 Fox (2019), S. 23. 32 Vgl. Fox (2019), S. 23. 33 Vgl. Fox (2019), S. 36ff., 41.; Vgl. Porter (2013), S. 59f. 34 Vögele (2005), S. 265. 9

3.1. Rudolf Steiner Kurzportrait Der Lebensweg Rudolf Steiners (*27.02.1861 Kraljevec, österreichisches Kaisertum, †30.03.1925 Dornach, Schweiz) war bereits seit seiner Kindheit und Jugend durch ein tiefes Interesse an naturwissenschaftlichen Vorgängen sowie an geisteswissenschaftlichen Disziplinen, wie Philosophie und Psychologie, geprägt. Dieses Interesse führte Steiner zu einer dauerhaften Suche nach Erkenntnissen und mündete in der Begründung der Anthroposophie als Erkenntnis- und Geisteswissenschaft.35 So las sich Steiner neben seinem Realschulunterricht in philosophische Literatur ein und besuchte beispielsweise neben seinem naturwissenschaftlichen Studium an der Technischen Hochschule Wien Vorlesungen über deutsche Literatur und Vorlesungen der Philosophie an der Universität Wien.36 Dadurch kamen die Kontakte zu den Professoren Robert Zimmermann (Philosophie) und Karl-Julius Schröer (Germanistik) zustande, die für Steiners späteren Lebensweg richtungsweisend wurden.37 Denn Schröer brachte Steiner dazu, sich mit Goethe auseinanderzusetzen. Davon ausgehend publizierte Steiner nicht nur diverse literarische Abhandlungen der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes, sondern kam - vorerst für sich selbst - zu dem Schluss, dass eine übergeordnete Wissenschaft der Erkenntnis notwendig wäre, um Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft miteinander zu vereinen. Diese Wissenschaft sollte die Anthroposophie werden.

Beginnend mit dieser Studienzeit in Wien lässt sich die Biographie Steiners im weiteren Verlauf anhand unterschiedlicher Städte aufzeigen, die jeweils für eine Station in seinem Lebensweg und -werk stehen. So führten ihn die genannten Germanistikvorlesungen zu seiner Tätigkeit als Goetheforscher und Schriftsteller 1890 nach Weimar. Auf die Empfehlung Schröers übernahm er dort die Publikation von sechs naturwissenschaftlichen Schriften Goethes am Goethe-Schiller Archiv.38 Mit dem Ziel eine Professur an der Universität Jena oder Wien zu übernehmen, promovierte Steiner 1891 in Rostock zum Doktor der Philosophie mit seiner „Abhandlung über den Versuch einer << Verständigung des menschlichen Bewusstseins mit sich selbst >>„39, obwohl er sein Studium an der Technischen Hochschule nie beendet hatte.40 Seine Bestrebungen missglückten jedoch und so führte ihn sein Weg nach .

In Berlin wurde Steiner zunächst Mitglied und 1902 Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft.41 Dabei lag diese Mitgliedschaft eigentlich nicht in seinem Interesse, da er, wie

35 Steiner (2009), S. 7ff. 36 Steiner (2009), S. 53f. 37 Steiner (2009), S. 56f, 123, 38 Vgl. Selg (2014), S. 12f. 39 Steiner (2009), S. 198. 40 Vgl. Steiner (2009), S. 198. 41 Selg (2014), S. 17. 10 bereits erwähnt, eine eigene Erkenntniswissenschaft begründen wollte, die „[…] etwas ganz Neues, ohne Anlehnung an Bestehendes […]“42 sein sollte und damit eben auch ohne theosophischen Hintergrund. Dennoch und trotz des gesellschaftlich negativen Rufes der Gesellschaft nahm Steiner das Angebot an.43 Allerdings führten seine Ansichten und Bemühungen für seine Wissenschaft zu einem Bruch mit der Theosophischen Gesellschaft, wodurch gegen Ende 1912 eine neue Bewegung mit vielen ehemaligen Mitgliedern entstand. Aus dieser Bewegung begründete sich die Anthroposophische Gesellschaft, weswegen Vorurteile, die gegenüber der Theosophie und ihrer Gesellschaft gehegt wurden, nun auf die Anthroposophie und ihre Gesellschaft übertragen wurden. Trotz mehrfacher Abgrenzung und Differenzierung durch Steiner gelang es nicht, die Vorurteile abzuschütteln, weder in der breiten Öffentlichkeit noch in akademischen Fachkreisen. 44

Der Erste Weltkrieg beendete Steiners Zeit in Berlin, führte ihn nach Dornach in die Schweiz und brachte auch eine Wende in seinen Lebens- und Schaffensweg. Angetrieben von den Kriegs- und Nachkriegsbedingungen begann er sich intensiv für neue gesellschaftliche Strukturen zu engagieren.45 Lag das Hauptaugenmerk seiner Bemühungen bis zu diesem Zeitpunkt auf der Begründung und Etablierung der Anthroposophie als Erkenntnis- und Geisteswissenschaft, so erweiterte sich ab circa 1917 sein Wirken auf weitere Kulturbereiche und es entstanden praxisnahe und -relevante Konzepte, die auf der Anthroposophie fußten. Insbesondere in Stuttgart, der heutigen Landeshauptstadt von Baden-Württemberg, entfalteten Steiners Impulse eine starke Wirkung. Denn in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde Steiner der Mittelpunkt der sogenannten Dreigliederung des sozialen Organismus, ein Konzept und eine Volksbewegung, die auf den Inhalten seiner anthroposophischen Forschung entstanden war. Auf Bitten des Grafen Otto Lerchenfeld schrieb er seine Ideen einer Reform für die deutsche Bevölkerung nieder, die er auch als ein Friedensprogramm für ganz Europa auffasste.46 Die Bevölkerung schien nach dem Krieg bereit für die Beschreitung „[…] neuer Wege gesellschaftlicher Mitverantwortung und autonomer Gestaltung […]“47. Trotz prominenter Unterstützung und anfänglich großem Zuspruch in der Bevölkerung, blieben auch diese Bemühungen erfolglos im großen, gesellschaftsübergreifenden Sinne. Denn es gab zu viele Kritiker und Andersdenkende, die die fragile Nachkriegssituation dazu nutzten, Steiner und seine Ideen zu verunglimpfen und so heftig zu kritisieren wie noch nie zuvor. Es kam sogar 1922 zu einem versuchten Mordanschlag in München, nach welchem sich der nun

42 Steiner (1995), S. 269. 43 Vgl. Selg (2014), S. 21. 44 Vgl. Selg (2014), S. 21ff. 45 Vgl. Selg (2014), S. 21ff. 46 Vgl. Selg (2014), S. 22f. 47 Vgl. Selg (2014), S. 26. 11

61-jährige Steiner aus der Öffentlichkeit zurückzog.48 Im Kleinen wurden die Ideen der Anthroposophie und der Dreigliederungsbewegung jedoch fruchtbar und spiegeln sich in verschiedenen Geschäftsmodellen sowie Strategien von Unternehmungen des 20. Jahrhunderts wider.49

Abrunden lässt sich der Lebensweg Steiners durch seine lehrende Tätigkeit, die einen letzten Höhepunkt bis zu seinem Tod in Dornach erreichte. Die Mitgliederanzahl der neu begründeten Anthroposophischen Gesellschaft war schnell gewachsen und so hatte er bereits 1913 vorgeschlagen, ein Theater- und Verwaltungsgebäude zu errichten, in dem sich die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft jährlich treffen konnten, um ihre Gedanken und ihr Wissen auszutauschen.50 Des Weiteren sollte dieses sogenannte ein Zeichen dauerhaften „Protestes“51 sein, in dem Sinne, dass von diesem Ort stetig konstruktive Impulse in die Welt getragen werden, die zu einer menschenwürdigen und menschengerechten Gesellschaft beitragen sollten. Zudem wurde das Goetheanum ab 1920 auch als Hochschule bzw. Lehrstätte genutzt.52

In der Silvesternacht 1922/1923 kam es jedoch zum Höhepunkt der Kritik gegen die Person Steiner und seine Anthroposophie, die sich in einem Brandanschlag auf das Goetheanum niederschlug.53 Mit der völligen Zerstörung des ersten Goetheanums hatten viele Kritiker wohl geglaubt das Ende der Anthroposophie einzuläuten, was sich sogleich als Irrtum belegen lässt. Denn bis zum 1. Januar 1924 reformierte Steiner die Anthroposophische Gesellschaft und begründete diese sowie die „Freie Hochschule für Geisteswissenschaft“ neu. Auch ein neues Goetheanum wurde an diesem Tag beschlossen, welches bis zum heutigen Tage in Dornach steht und als Hochschule, Veranstaltungsstätte und Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft genutzt wird.54

3.2. Die Anthroposophie 3.2.1. Der Begriff Anthroposophie Etymologisch aus dem Griechischen hergeleitet, bedeutet Anthroposophie in etwa die Weisheit vom Menschen. Das Wort setzt sich aus den Teilen „Anthropos“ (Mensch) und „Sophia“ (Weisheit) zusammen.55 Abgesehen von der Tatsache, dass Steiner den Begriff der Anthroposophie mehr frei als „Bewusstsein des Menschentums“ übersetzte, existierte dieser Begriff bereits im Jahr 1575. Und obgleich die Inhalte der Anthroposophie von ihm selbst

48 Vgl. Selg (2014), S. 31f. 49 Vgl. Zajonc (2014), S. Vf. 50 Vgl. Selg (2014), S. 33ff. 51 Vgl. Steiner (2004), S. 87. 52 Vgl. Selg (2014), S. 35. 53 Vgl. Selg (2014), S. 33ff. 54 Vgl. Selg (2014), S. 35f.; Vgl. Goetheanum (2019). 55 Vgl. Anthrowiki (2019). 12 begründet wurden56, so lässt sich eine erste Erwähnung des Begriffes auf eine Schrift, die von Agrippa von Nettesheim verfasst worden sein soll, zurückführen. In dieser Schrift zählt die Anthroposophie zur „Wissenschaft des Guten“ gemeinsam mit der Theosophie.57 Klar von der Theosophie distanzierend – spätestens seit dem Bruch Steiners mit der Theosophischen Gesellschaft - offenbarte Steiner, dass er den Namen nicht etwa wegen seiner früheren Verwendung oder der griechischen Übersetzung gewählt hatte, sondern, dass er ihn von einem Werk Robert Zimmermanns übernommen hatte, weil er ihm schlicht gefallen hatte.58

3.2.2. Die Anthroposophie, eine Geistes- und Erkenntniswissenschaft Unter Anthroposophie ist im engeren Sinne eine „empirische Geisteswissenschaft“59 zu verstehen, welche die geistige Welt erforscht und dabei nicht einseitig auf einer „Natur-Erkenntnis“60 oder der „gewöhnlichen Mystik“61 beruht. Vielmehr griff Steiner naturwissenschaftliche Forschungsmethoden auf, um das Geistige zu untersuchen, wodurch die anthroposophische Geisteswissenschaft nicht greifbare, geistige Erkenntnisse (Mystik) mit den materiellen, greifbaren Erkenntnissen (Natur-Erkenntnis) verbindet.62 Fundamentale Voraussetzung dafür sind erkenntnismethodische Grundlagen, ohne die kein Erkennen möglich wäre. Wird die anthroposophische Geisteswissenschaft also im engeren Sinne aufgefasst, so ist sie eine Fachdisziplin, die sich mit der empirischen Erforschung des Geistigen befasst und auf dieselben erkenntnistheoretischen Grundlagen wie die Naturwissenschaften zurückgeführt werden kann. Damit haben beide Wissenschaften dasselbe erkenntniswissenschaftliche Fundament63 und sind sich ebenbürtig.64 Aus einer umfassenden Betrachtung heraus ist jedoch zu erkennen, dass Steiners Anthroposophie selbst eine Erkenntniswissenschaft und damit ihr eigenes Fundament darstellt. In diesem Sinne umfasst die Anthroposophie alle Fachwissenschaften und „[…] bildet das erkenntnisstrukturelle und methodische Band, das alle Wissenschaften als Fachdisziplinen verbindet, […] [und] den Versuch darstellt diese Fachdisziplinen auch inhaltlich zu einer Synthese zu bringen.“65 Die Anthroposophie ist also als harmonisierendes Element zwischen den reinen Natur- und Geisteswissenschaften zu verstehen und führt aus ihrer verbindenden Stellung heraus zu einer umfassenden Erkenntnis. In seinen eigenen Worten sagte Steiner:

56 Vgl. Kugler (2011), S.15f. 57 Vgl. Steiner (1910), S. 23. 58 Steiner (1923), GA258 S. 49. 59 Steiner (1908), GA35, S.66. 60 Steiner (1908), GA35, S.66. 61 Steiner (1908), GA35, S.66. 62 Vgl. Heusser (2014), S. 102. 63 Vgl. Ziegler (2014), S. 54ff, 71ff. 64 Vgl. Heusser (2014), S. 103. 65 Ziegler (2014), S. 73. 13

„Wer mit der Naturerkenntnis und der Mystik die rechten Erfahrungen gemacht hat, der sagt sich: zu diesen beiden hinzu muß eine andere Erkenntnis gesucht werden, welche die materielle Außenwelt näher heranrückt an das menschliche Innenleben, als dies durch die Naturerkenntnis geschieht, und die zugleich das Innenleben in die wirkliche Welt tiefer hineinversenkt, als es durch bloße Mystik geschehen kann. Eine solche Erkenntnisart kann eine anthroposophische genannt werden und das durch sie erlangte Wissen von der Wirklichkeit Anthroposophie.“66

3.2.3. Menschenbild und Freiheit in der Anthroposophie Als Grundlage der Anthroposophie sieht Steiner das Zusammenspiel von Bewusstsein (auch als seelisches Leben bezeichnet)67, welches den Menschen zur Erkenntnis befähigt68, und dem „Geist“ (geistiges Leben), der das „Ich“ des Menschen determiniert.69 Dabei lenkt die übergeordnete geistige Individualität das Seelenleben, weil es den Menschen zum Fühlen, zur Willensbildung und zum Denken befähigt, was ihn auch vom Tier unterscheidet.70 Damit ist der Mensch in seinem Bewusstsein frei und in der Lage aus denkerischer Einsicht zu entscheiden, ohne von natürlichen Instinkten, moralischen71 oder gesetzlichen Zwängen in seinem Handeln bestimmt zu werden. Die Konzeption dieser ideellen Freiheit, welche sich im menschlichen Bewusstsein, in der menschlichen „Wesenheit“72 realisiert73, beschrieb Steiner in seinem 1884 veröffentlichten Werk „Die Philosophie der Freiheit - Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode“.74

Aus dieser erkenntnis-methodologischen Schrift lassen sich nicht nur verschiedene Grundlagen der Anthroposophie ableiten75, sondern auch ein völlig anderes Menschenbild. Das zu Zeiten Steiners vorherrschende reduktionistisch-naturwissenschaftliche Menschenbild erklärt seit dem 18. und 19. Jahrhundert die Prozesse des menschlichen Organismus, einschließlich geistiger und seelischer, als materielle Abläufe.76 Nach dieser Auffassung sind physikalische und chemische Kräfte im Organismus wirksam77, der „Geist“ ein Produkt des menschlichen Gehirns und die

66 Steiner (1908), GA35, S.71f. 67 Vgl. Heusser (2014), S. 111. 68 Vgl. Steiner (1908), GA35, S.71.; Vgl. Sijmons (2014), S. 76, 79. 69 Vgl. Heusser (2014), S. 113. 70 Vgl. Heusser (2014), S. 114. 71 Hier wird auf den kategorischen Imperativ Kants verwiesen, der den Menschen durch die Moral zu einem bestimmten Handeln „zwingt“. Vgl. Heusser (2014), S. 114. 72 Steiner (1918), GA4, S. 168. 73 Vgl. Sijmons (2014), S. 93f. 74 Vgl. Sijmons (2014), S. 76f. 75 Vgl. Sijmons (2014), S. 76.; Vgl. Selg (2014), S. 38. 76 Vgl. Heusser (2014), S. 100. 77 Vgl. Du Bois-Reymond (1918), S. 108.; Vgl. Heusser (2014), S. 100. 14

Freiheit eine Illusion78. Konträr hierzu ist das Menschenbild Steiners als eine Weiterführung wesentlicher „[…] geistiger Entwicklungsimpulse des Abendlandes […]“79 zu verstehen. In diesem Zusammenhang können beispielsweise Plato, Goethe oder Schelling aufgeführt werden.80

Bei Steiner sind die zentralen Aspekte geistige Prinzipien, die in den Menschen, der Natur sowie dem gesamten Kosmos existieren und wirksam werden, deren Zusammenspiel, Entwicklungsfähigkeit sowie die Autonomie81 des Menschen. Somit beschränkte sich Steiner nicht auf das rein Biologische, wie bei den (Sozial-)Darwinisten, sondern spricht eben auch von einer Entwicklung des psychischen, des Bewusstseins, hin zu einem Erkenntnisvermögen aus dem Bereich des geistigen Seins.82 Dieser Zugang erklärt auch die weitere Bezeichnung der Anthroposophie als das „Bewusstsein des Menschentums“83. Dies bedeutet in anderen Worten, dass die Anthroposophie jenen „Bewusstseinsinhalt“84 umfasst, der es dem Menschen klar werden lässt, in welchem Zusammenhang er mit Natur und Kosmos steht. Laut Steiner wird der Mensch dadurch zu einem „vollen Menschen“85, der in seiner Ganzheit mit all seinen Verbindungen über den Geist wahrgenommen wird und sich somit nicht mehr nur auf materialistisch- naturwissenschaftlichen Zusammenhängen reduzieren lässt.86

„Die Natur macht aus dem Menschen bloß ein Naturwesen; die Gesellschaft ein gesetzmäßig handelndes; ein freies Wesen kann er nur selbst aus sich machen. Die Natur lässt den Menschen in einem gewissen Stadium seiner Entwicklung aus ihren Fesseln los; die Gesellschaft führt diese Entwicklung bis zu einem weiteren Punkt; den letzten Schliff kann nur der Mensch selbst sich geben.“87

Zusammengefasst sind die Kernaspekte des anthroposophischen Menschenbildes die Autonomie (Freiheit) des Menschen, seine Entwicklungsfähigkeit und die Verbindungen zu seiner Umwelt. Dies sind auch wichtige Merkmale bzw. Grundsätze des anthroposophischen Weltbildes.

78 Vgl. Heusser (2014), S. 100. 79 Heusser (2014), S. 102. 80 Vgl. Heusser (2014), S. 102. 81 Um einen Menschen in seiner Entwicklung zu einem autonomen (oder auch freien), geistigen Wesen zu fördern bzw. ihn dazu zu befähigen, ist das pädagogische Konzept der Waldorfschulen auf die „Erziehung zur Freiheit“ ausgerichtet. Vgl. Gabriel (2014), S. 236f. 82 Vgl. Heusser (2014), S. 102f. 83 Steiner (1923), GA 257, S. 76. 84 Steiner (1923), GA 257, S. 76. 85 Steiner (1923), GA 257, S. 76. 86 Vgl. Selg (2014), S. 19. 87 Steiner (1987), S. 170. 15

3.2.4. Anthroposophische Impulse für die Entwicklung kultureller, gesellschaftlicher Bereiche Durch die Teilnahme Steiners an verschiedensten gesellschaftlichen Diskursen konnte sich die Anthroposophie in zahlreichen Bereichen fruchtbringend entfalten.88 Beginnend bei der persönlichen Lebensführung erstreckt sich ihr Wirkungskreis von der Philosophie, Esoterik und Ästhetik über die Naturwissenschaft, bis hin zur Pädagogik, Rhythmik und Grundfragen der Sozialgestaltung.89

Insbesondere Steiners Konzeptionen der Sozialgestaltung, welche in der Dreigliederung des sozialen Organismus zum Ausdruck kommen, sind für den weiteren Verlauf dieser Masterarbeit von besonderer Bedeutung. Denn in dieser Dreigliederung konzentrieren sich die meisten für die Unternehmensführung maßgebenden Grundlagen, welche aus der Anthroposophie als Wissenschaft abgeleitet wurden. Weitere Konzepte, die für die Unternehmensführung von Bedeutung sind, können als eine Ergänzung oder Erweiterung angesehen werden. So beispielsweise die biologisch-dynamische Landwirtschaft oder die Anthroposophische Medizin, welche nicht explizit auf die Unternehmensführung Einfluss nehmen. Das landwirtschaftliche und das medizinische Konzept Steiners wirken viel mehr implizit, da sie mit der Produktion bzw. den Produkten eines Unternehmens verbunden werden und somit auf diese Art der Unternehmensführung wirken. Entscheidend ist jedoch das Leitbild oder die Mission, die für ein Unternehmen richtungsweisend ist. Ausgehend von dem Unternehmensleitbild werden alle weiteren Entscheidungen getroffen, wie auch die Wahl des Produktes oder der Produktionsmethode. All diese Aspekte werden in Kapitel 3 dieser Masterarbeit eingehender analysiert. Vorerst wird jedoch die Dreigliederung des sozialen Organismus ausführlich erläutert und auf verschiedene, ergänzende Konzepte verwiesen, da diese als Grundlage für das weitere Verständnis essenziell sind.

4. Anthroposophische Unternehmensführung in der Literatur Nach der Erläuterung der Anthroposophie erfolgt nun eine Einführung in die für die Unternehmensführung relevanten anthroposophischen Konzepte. Dabei fokussiert sich dieses Kapitel darauf all jene Merkmale herauszuarbeiten, die in der anthroposophischen Literatur auf die Unternehmensführung eingehen. Das bedeutet, es werden Vorträge und Schriften von Steiner sowie Werke anderer Autoren herangezogen, die sich mit anthroposophisch motivierter Unternehmensführung im Sinne Steiners auseinandersetzen. Um eine Klassifizierung wichtiger

88 Vgl. Heusser (2014), S. 103.; Vgl. Ravagli (2011), S.337f. 89 Vgl. Heusser & Weinzirl (2014) S.VIIf.; Vgl. Uhlenhoff (2011), S.9ff. 16

Merkmale vornehmen zu können, anhand derer sich eine anthroposophisch motivierte Unternehmensführung erkennen lässt, konzentriert sich die Analyse auf die drei als grundlegend erachteten Bereiche: Unternehmensleitbild, die Personalführung und die Produktion (bzw. das Produkt). Diese Klassifizierung wird anschließend in Kapitel 5 als Grundlage für die Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung in der Praxis herangezogen, damit ein Vergleich der Merkmale bzw. Grundsätze aus Literatur und Realisierung in der Praxis möglich wird. In Kapitel 6 werden die gefundenen Ergebnisse dann systematische zusammengeführt.

4.1. Die Dreigliederung des sozialen Organismus 4.1.1. Hintergründe und Entwicklung Im Europa des 18. Jahrhunderts waren die gesellschaftlichen Strukturen durch die Fürsten- und Königshäuser bzw. Kaiser geprägt. Doch mit dem Ende des 18. Jahrhunderts und der Wende zum neuen Jahrhundert, fand auch eine Veränderung in der Bevölkerung statt. Es entwickelte sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein entgegen der vorherrschenden Paradigmen, welches in einem ersten Höhepunkt, der französischen Revolution 1789, durch die Forderungen: Liberté (Freiheit), Egalité (Gleichheit) und Franternité (Brüderlichkeit), zum Ausdruck kam.90

Da die Gesellschaft jedoch nicht bereit war, diese drei Prinzipien mit Blick auf die gesellschaftlichen Strukturen zur Gänze zu erfassen, mündete die Revolution im Chaos und die bisherigen alten, royalen Strukturen konnten durch Napoleon erneut gefestigt werden. Allerdings waren die kritischen Stimmen und das Bewusstsein damit nicht verstummt oder erloschen. Mit dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) kamen sie erneut zum Ausdruck und führten zum Ende der großen Monarchien Europas sowie der Etablierung neuer gesellschaftlicher Strukturen.91

Als sich das Ende dieses Ersten Weltkrieges abzeichnete, versuchte Rudolf Steiner durch seine Idee der „Dreigliederung des sozialen Organismus“ oder kurz der „sozialen Dreigliederung“ eine völlig neue Ordnung anzuregen.92 Zusammengefasst lassen sich die Bemühungen Steiners sowie die Geschehnisse um die soziale Dreigliederung herum in drei Phasen unterteilen. Die erste Phase kennzeichnet sich dadurch, dass Steiner seine Ideen hochrangigen Politikern der Zeit, wie beispielsweise Otto Graf Lerchenfeld (Reichsrat der bayrischen Krone) oder Prinz Max von Baden (Reichskanzler Oktober – November 1918), überzeugend vortrug. Trotz Zustimmung führten jedoch verschiedene Umstände dazu, dass die Ideen Steiners auf politischer Ebene keine

90 Vgl. Rohen (2014), S. 212. 91 Vgl. Rohen (2014), S. 212. 92 Vgl. Rohen (2014), S. 212f. 17

Umsetzung fanden und diese Phase spätestens mit der Begründung der Weimarer Verfassung erfolglos endete.93

Die zweite Phase findet ihren Ursprung in der Bevölkerung und konzentrierte sich vorwiegend auf Stuttgart. Dort hatten Steiners Ideen Anklang gefunden und führten ab 1919 zu der Entwicklung einer ersten „revolutionären Welle“.94 Im Zuge dieser wurden tausende Unterschriften zur Unterstützung gesammelt und die Gedanken der sozialen Dreigliederung von einer gesamtgesellschaftlichen Idee auf eine betriebliche Ebene heruntergebrochen. Steiner hielt Vorträge vor den Belegschaften vieler Firmen in Stuttgart und Württemberg, darunter auch Daimler-Benz und Bosch.95 Es kam sogar so weit, dass mehrere tausend Menschen die württembergische Regierung dazu aufforderten, dass „[…] Dr. Rudolf Steiner unverzüglich berufen wird, damit die Dreigliederung des sozialen Organismus, welche als die einzige Rettung aus dem drohenden Untergange erscheint, sofort in Angriff genommen werde!“96 Die Forderung blieb unerfüllt, jedoch begründete sich aus dieser Bewegung der „Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus“ der über die Grenzen Deutschlands hinweg aktiv wurde.97 Bis heute gibt es verschiedene Bewegungen der sozialen Dreigliederung und sogar ein eigenes Institut in Berlin.98

In dieser zweiten Phase ging es mehr um betriebliche Veränderungen als um die Gesamtheit der gesellschaftlichen Strukturen. Beispielsweise um die Etablierung von Betriebsräten in den verschiedenen Firmen.99 Außerdem ging aus dieser zweiten Phase die Waldorfschule hervor.100

Die dritte und letzte Phase der Geschehnisse lässt sich mit dem Wort „Widerstand“ beschreiben, da sich bereits während dem Höhepunkt der Bewegung eine Gegenbewegung formierte, die von verschieden orientierten Parteien und Politikern ausging. Aber auch Gewerkschaften übten Kritik an der sozialen Dreigliederung, da Steiner eine Neuordnung von Eigentumsrechten und Mitarbeiterrechten anstrebte.101 Denn wie Karl Marx in seiner Mehrwerttheorie beschrieben hatte, war auch Steiner der Meinung, dass die menschliche Arbeit als lebendig anzusehen sei und daher nicht wie eine Ware im Wirtschaftsleben behandelt werden dürfte. Die Idee der Befreiung „[…] menschlicher Arbeitskraft von dem Warencharakter […]“102 berücksichtigte Steiner bei seiner

93 Vgl. Rohen (2014), S. 212f.; Vgl. Ullrich (2011), S. 80. 94 Rohen (2014), S. 213. 95 Vgl. Rohen (2014), S. 213f.; Vgl. Ullrich (2011), S. 80. 96 Rohen (2014), S. 214. 97 Vgl. Rohen (2014), S. 214. 98 Vgl. Institut für soziale Dreigliederung Berlin (2019). 99 Vgl. Rohen (2014), S. 214f. 100 Vgl. Ullrich (2011), S. 80. 101 Vgl. Rohen (2014), S. 214f. 102 Steiner (1919), GA329, S. 61. 18

Konzeption für die Dreigliederung des sozialen Organismus, verwies jedoch darauf, dass die Ideen von Marx bisweilen in die falsche Richtung interpretiert wurden, diese aber auch zu einseitig und nicht weit genug gedacht waren.103 Damit meinte Steiner das Gesamtbild der Gesellschaft, welchem er durch die soziale Dreigliederung ein neues Gesicht geben wollte, eine neue Struktur, in der jeder Bereich nach einem eigenen Prinzip gestaltet wird. Dies bedeutet, dass er wie Marx von der Befreiung der Arbeit von einem Warencharakter überzeugt war und diesen umsetzen wollte, gleichzeitig aber die Arbeit in einem anderen Bereich verortete wie das Wirtschaftsgeschehen. Dass Steiner die Gleichheit der Beschäftigten, neue Eigentumsformen und gleichzeitig ein freies Wirtschaften anstrebte, lässt sich nicht mit dem Sozialismus und späteren Kommunismus vereinen, in denen die Marktprozesse planwirtschaftlich gestaltet werden.104 Insofern lässt sich Steiner von Marx, dem Sozialismus sowie Kommunismus distanzieren.

4.1.2. Die Dreigliederung des Menschen und der Gesellschaft Lange bevor Steiner sich mit der Dreigliederung des sozialen Organismus beschäftigte, setzte er sich mit der Dreigliederung des menschlichen Organismus auseinander.105 Ergebnis dieser Auseinandersetzung war eine neue Konzeption und Auffassung des seelischen Erlebens eines Menschen und wo im menschlichen Organismus dieses Erleben stattfindet. Denn entgegen der bestehenden Auffassung, dass sich das seelische Erleben einzig und allein auf das menschliche Nervensystem und die Sinnesorgane beschränkt, vertrat Steiner die Ansicht, dass der menschliche Organismus in drei interagierende Systeme gegliedert werden muss (Nervensystem, Stoffwechselsystem sowie das Rhythmische System), die wiederum alle mit dem geistig- seelischen des Menschen auf unterschiedliche Weise in Zusammenhang stehen.106

Ausgehend von dieser dreigliedrigen Konzeption, die Steiner in seinem Buch „Von Seelenrätseln“ 1917 veröffentlichte, befasste er sich mit der Dreigliederung der Gesellschaft, die er als sozialen Organismus beschrieb. Dabei ist zu beachten, dass zwischen diesen beiden Dreigliederungskonzepten lediglich Parallelen in abstrahierter Form gezogen werden können. Obwohl naheliegend, wäre eine bloße Übertragung ein Irrtum, auf den bereits Steiner persönlich immer wieder hingewiesen hatte und der dennoch immer wieder zu finden ist.107 So sagte er beispielsweise, „[…] dass man an einer gesunden Betrachtung des menschlichen Organismus sein Denken so erziehen kann, wie man es braucht für eine wirklichkeitsgemäße Auffassung des

103 Vgl. Steiner (1919), GA329, S. 7, 59. 104 Vgl. Rohen (2014), S. 218f. 105 Vgl. Rohen (2014), S. 225. 106 Vgl. Rohen (2014), S. 217f. 107 Vgl. Rohen (2014), S. 225. 19 sozialen Lebens.“108 In anderen Worten soll der menschliche Organismus nur als eine Grundlage dienen, ein Schema sein, an dem man sich für die Dreigliederung des sozialen Lebens orientiert.

Denn intuitiv würde eine einfache Übertragung zu fatalen Irrtümern führen. Intuitiv könnte man nämlich annehmen, dass das Nervensystem, welches sich vor allem auf den Kopfbereich des Menschen konzentriert und für das Denken und Vorstellen zuständig ist, die Regierung einer Gesellschaft sein müsste, da diese mit der Führung betraut ist. In Wahrheit ist dieser Bereich aber eher dem sogenannten Wirtschaftsleben zuzuordnen.109

Nach Steiner lassen sich also in jeder Gesellschaft drei Funktionsbereiche finden, die verschiedene Funktionen einer Gesellschaf übernehmen, sich analog zueinander verhalten und harmonisch miteinander interagieren müssen, damit sich die Gesellschaft als Ganzes „gesund“ entwickeln kann. Der soziale Organismus besteht also: Erstens aus dem Kultur- und Geistesleben, in dem das Prinzip der (geistigen) Freiheit gelten muss, zweitens aus dem Staats- und Rechtsleben, in welchem das Prinzip der Gleichheit gelten muss und drittens aus dem Wirtschaftsleben, in dem das Prinzip der Kooperation oder Solidarität gelten muss. Dabei sind diese Prinzipien von den Idealen der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit abgeleitet worden.110

Das Konzept der sozialen Dreigliederung verhält sich jedoch so zu der Führung eines Unternehmens, wie sich das Konzept der Dreigliederung des menschlichen Organismus zum sozialen Organismus verhält. Es ist ein makroökonomisches Konzept, welches lediglich als Grundlage der Urteils- und Meinungsbildung dienen kann und nicht eins zu eins auf die mikroökonomische Unternehmensebene projiziert werden kann. Daher wird zwar das Konzept der sozialen Dreigliederung in weiterer Folge näher erläutert, diese Erläuterung jedoch nicht bis ins Detail ausgeführt.

4.1.2.1. Kultur- und Geistesleben Das Kultur- und Geistesleben, hat in gewisser Weise zum Ziel, die Evolution der Gesellschaft zu garantieren. Daher beinhaltet dieses Funktionselement auch eine weitere Differenzierung in Forschungsinstitute, die möglichst frei von Beschränkungen sein sollen, damit sich „[…] das schöpferische Potential der Wissenschaftler optimal […]“111 entfalten kann. Weiter werden Schulen, medizinische Einrichtungen und Kunst als ein Element des Kultur- und Geisteslebens zusammengefasst, in dem ebenfalls die freie Entfaltung zum Tragen kommt. Allerdings ist es hier

108 Steiner (1921), GA24, S. 99f. 109 Vgl. Rohen (2014), S. 225f. 110 Vgl. Rohen (2014), S. 216f. 111 Rohen (2014), S. 224. 20 auch von Bedeutung zu erwähnen, dass die Gleichheit im Geiste relevant ist, in dem Sinne, dass sich jedes Individuum auf seine Weise mit der gesamten Welt weiterentwickeln möchte. Das letzte Element umfasst Religion, Technik sowie Großprojekte in denen es einerseits um die freie Entfaltung und andererseits um die Kooperation geht, die dazu beitragen soll, dass sich die Gemeinschaft harmonisch und besser entwickeln kann.112

Zum Erhalt und zur Förderung des Geisteslebens, steht dieses in austauschender Beziehung zum Wirtschaftsleben. Das heißt, dass das geistige Kapital einer Gesellschaft im Geistesleben angesiedelt wird und von dort in das Wirtschaftsleben einfließt. Aus dem Wirtschaftssystem heraus strömen dafür Gelder, die das Geistesleben finanzieren sollen, wobei eigene Verwaltungsgremien des Geisteslebens frei über die zugeführten Mittel entscheiden dürfen. Denn nur, wenn frei über die Mittel verfügt werden kann, ist das Kultur- und Geistesleben unabhängig und kann so die individuelle Freiheit der Gesellschaftsmitglieder in ihrer Entwicklung und als Gemeinschaft gewährleisten.113 In der Praxis äußert sich die beschriebene Beziehung heutzutage so, dass Unternehmen Bildungs- und Forschungsreinrichtungen unterstützen, dabei allerdings in der Regel solche Abhängigkeiten entstehen, die den freien Entwicklungsgedanken gefährden oder gar unmöglich machen.

4.1.2.2. Staats- und Rechtsleben So wie das Herz-Kreislaufsystem und Atmungssystem das harmonisierende Element zwischen Nervensystem und rhythmischem System ist, so ist das Staats- und Rechtsleben als das harmonisierende Element im sozialen Organismus zu verstehen. Anders wie es also die vorher angesprochene Intention - der Staat wäre das Kopfelement des Organismus und würde die Führung des Ganzen übernehmen - sieht Steiner die Aufgabe des Staates darin, nur das Recht zu begründen, zu pflegen und für dessen Einhaltung zu sorgen. Er nimmt also eine regulierende anstelle einer lenkenden Funktion ein. Dabei ist zu beachten, dass das Funktionsprinzip der Gleichheit hier einen besonderen Stellenwert einnimmt und durch die drei Teilbereiche des Rechtslebens (Judikative, Legislative und Exekutive) wiedergegeben werden muss. Denn Ungleichheit in der Rechtsprechung würde das Gleichgewicht des sozialen Organismus stören und ihn erkranken lassen.114

Mit der Rechtsprechung und seiner regulierenden Funktion durchdringt das Rechtsleben die beiden anderen Funktionssysteme und ist dafür verantwortlich, die Gesetze so zu entwerfen, dass

112 Vgl. Rohen (2014), S. 223ff. 113 Vgl. Rohen (2014), S. 223ff.; Vgl. Schmelzer (1991), S. 76. 114 Vgl. Rohen (2014), S. 222f.; Vgl. Schmelzer (1991), S. 83. 21 sie beispielsweise die Freiheit des Kultur- und Geisteslebens garantieren und die Kooperation im Wirtschaftsleben unterstützen.115 Damit kann auch die Arbeit bzw. das Arbeitsrecht im Rechtsleben verortet werden, welches mit dem Wirtschaftssystem interagiert. Realisiert finden wir dies heutzutage beispielsweise in solchen Gesetzgebungen wie den Menschenrechten, die neben Rechten, die Leib und Leben betreffen, auch solche über Gleichbehandlung und Arbeit umfassen. So beispielsweise die Artikel 23 und 24, die sich auf das Recht zu Arbeiten, die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sowie die Gleichberechtigung beziehen.116

4.1.2.3. Wirtschaftsleben Das dritte und letzte Funktionssystem ist das Wirtschaftsleben, in dem die Wirtschaft als gesellschaftliches System eingebettet ist. Dieses Funktionssystem bzw. die Wirtschaft selbst ist durch einen evolutionären Prozess entstanden und hat sich von einer Hauswirtschaft zu einer Weltwirtschaft entwickelt. Kennzeichnend für die Wirtschaftsentwicklung sind dabei die immer dichter und komplexer werdenden, internationalen Handelsbeziehungen sowie die Ausrichtung an sozialdarwinistischen und (neoklassisch-) ökonomischen Prämissen. Denn das Wirtschaftsleben ist geprägt von Machtverhältnissen, Wettbewerbsdruck sowie Opportunismus und Überproduktion, die bis ins heutige 21. Jahrhundert anhalten und sich noch verschärft haben. Dieses Verhalten sowie die mit ihm einhergehende Verwendung von Geld und dessen Vermehrung, hatte Steiner als einen Prozess beschrieben, welcher wie die Bildung von Krebs im menschlichen Körper von statten geht und den Organismus krank macht oder erkranken lässt.117 Dieser „Wirtschaftskrebs“118 befällt, ausgehend von der Wirtschaft, den gesamten Organismus und führt so schrittweise zum Zerfall sozialer Strukturen und schlussendlich durch den unachtsamen sowie übermäßigen Ressourcenverbrauch zur Zerstörung der Natur.119 Dies ist das Resultat eines isoliert behandelten Funktionssystems, welches auf Prämissen basiert, die weder das Mit- und Füreinander fördern, noch die Übernahme von Verantwortung durch den Menschen.

Um diesem Schicksal zu entgehen, sollte das Wirtschafsleben laut Steiner als Gesamtheit von Brüderlichkeit geprägt sein, welche sich durch die Akteure reproduziert. Damit schlägt Steiner ein revolutionäres Wirtschaftskonzept vor, welches nicht von Wettbewerb und Egoismus geprägt ist, sondern entgegengesetzt auf Kooperation und Gemeinschaft beruht.120 Ein solches assoziatives Wirtschaftssystem auf makroökonomischer Ebene würde eine Veränderung auf der

115 Vgl. Rohen (2014), S. 222f.; Vgl. Schmelzer (1991), S. 83. 116 Vgl. United Nations Human Right (2019). 117 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 58f, 71 118 Rohen (2014), S. 218. 119 Vgl. Rohen (2014), S. 218. 120 Vgl. Rohen (2014), S. 217ff. 22 mikroökonomischen Ebene, sprich im Inneren der am Markt agierenden Unternehmen, zur Folge haben. Es würde dazu führen, dass die Unternehmen neue Ziele stecken, die sich nicht auf die Gewinnmaximierung oder deren Macht (z.B. durch mehr Marktanteile) fokussieren, sondern auf das Wohl der Gemeinschaft.

Der Grundgedanke hinter dieser Neuregelung der Unternehmensformen ist Steiners Verständnis zur Produktion von Waren und der Entstehung von volkswirtschaftlichen Werten in einer Gesellschaft.

4.1.2.3.1. Von Werten und Waren in der Gesellschaft zum Unternehmenszweck und -leitbild Obwohl die soziale Dreigliederung bereits gegen Ende des Jahres 1919 politisch wie auch öffentlich-gesellschaftlich ihren Ausgang fand, lebte die Idee der Dreigliederung weiter. Allerdings konzentrierte sie sich nun auf die Anthroposophische Gesellschaft und all jene aufgeschlossenen Geister, die den damaligen politischen, wie wirtschaftlichen Entwicklungen kritisch gegenüberstanden. In einem mehrtägigen Kurs fasste Rudolf Steiner 1922 noch einmal die gesamte soziale Dreigliederung zusammen, um wiederholt darüber zu sprechen, wie die Dreigliederung im Detail zu verstehen sei, sodass auch eine bessere Gestaltung der gesamten Nationalökonomie ermöglicht werden könne.121 Dabei bildet der volkswirtschaftliche Prozess der Wert- und Warenschaffung nach Steiner die Grundlage für dessen Verständnis über das Zusammenspiel von Natur, menschlicher Arbeit und Kapital.122 Ausgehend von dieser Grundlage ist es möglich, den Zweck einer wirtschaftlichen Unternehmung abzuleiten, welcher sich wiederum im Unternehmensleitbild und damit in der Unternehmensführung niederschlägt.

In aller Kürze zusammengefasst und um den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren, ist der Prozess, den Steiner beschreibt als ein organischer Kreislauf zu verstehen, dessen Stationen: Natur, Arbeit und Kapital, ineinander übergehen und miteinander interagieren. Außerdem gibt es zweierlei Parteien, die es einerseits ermöglichen, dass es zu einem Kreislauf der Wertentstehung und Entwertung (bzw. Produktion und Konsumtion) kommt und andererseits ein Gleichgewicht geschaffen wird. Aus Sicht eines Produzenten beginnt also der Prozess mit der Natur, aus der Rohstoffe entnommen werden. Durch menschliche Arbeit verändert, wird dem anfänglich wertlosen Naturprodukt (wertlos aus volkswirtschaftlicher Sicht, da der unbearbeitete Rohstoff nicht in die Zirkulation der Gesellschaft eingebracht werden kann) ein Wert aufgeprägt.123 Dies ist der erste Schritt der Wertentstehung.

121 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 7. 122 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 17. 123 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 20, 51ff. 23

Der zweite Schritt erfolgt, indem die menschliche Arbeit organisiert wird, die wohlbemerkt nur dann Arbeit im volkswirtschaftlichen Sinne ist, wenn sie der Gemeinschaft dienlich ist.124 Die Organisation der Arbeit ist dabei notwendig, da es in einer Volkswirtschaft zur Arbeitsteilung kommt und die einzelnen Schritte der Koordination und Zielführung bedürfen, was durch den menschlichen Geist geschieht. So entsteht Kapital im Sinne Steiners, welches als Synonym des Geistigen gesehen werden kann. Dieses Geistige hat, in diesem Stadium angekommen, noch nichts mit Geld zu tun, sondern eben nur mit dem, was den Menschen zur Entwicklung und Evolution befähigt. Erst wenn der Geist sich in den volkswirtschaftlichen Prozess ergießt, das heißt, dass er genutzt wird, um neue Werte in der Gesellschaft zu erschaffen, dann realisiert sich der Geist als Geld und das Kapital kann als solches nun bezeichnet werden. An einem Beispiel illustriert würde dies also bedeuten, dass wenn jemand etwas erfunden hat und seine Idee an jemanden gegen Geld verkauft, der wiederum etwas Wertbringendes aus diesem geistigen Kapitel erschafft.125 Das heißt, „[…] wenn der Geist [das Geld] erfasst und auf das oder jenes anwendet. Und indem der Geist dieses tut, bestimmt der Geist als solcher den Wert des Geldes.“126

Damit der Kreislauf jedoch nicht an dieser Stelle zum Stehen kommt, indem das Kapital oder das Geld sich anhäufen und nicht wieder in die Natur bzw. durch die Natur direkt in die Arbeit zurücküberführt werden, tritt der Konsument hinein. Und indem der Konsument eintritt und all jene geschaffenen Werte (bzw. Waren) aufbraucht, setzt der Prozess der Entwertung ein, welchen Steiner auch als „wertbildende Spannung“127 bezeichnet.128 Auch wenn sich der volkswirtschaftliche Prozess auf einer tieferen Ebene fortsetzt, so kann aus diesem ersten, makroökonomisch einzuordnenden Kreislauf, der in Abbildung 1 graphisch dargestellt ist, der Zweck einer Unternehmung abgeleitet werden.

Abbildung 1: Zeichnung 3 - Steiners Nationalökonomischer Kurs129

124 Vgl. Steiner (1919), GA332a, S. 54f. 125 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 22, 43f. 126 Steiner (1922), GA340, S. 48. 127 Steiner (1922), GA340, S. 53. 128 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 52f. 129 Steiner (1922), GA340, S. 52. 24

Obgleich Steiner mit seiner Beschreibung nicht direkt auf Unternehmungen verweist und alle Ausführungen in seiner speziellen Ausdrucksweise verpackt, so kann es doch als eine Begründung des Zusammenspiels von Gesellschaft und Unternehmung verstanden werden und dadurch auch als Zweck einer Unternehmung. Dieser Zweck, ist der Ausgangspunkt und die Begründung der Existenz eines Unternehmens, welches bei Steiner als wertschaffender Produzent auftritt. Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist dieser Zweck gegeben, wenn das Unternehmen solche Waren und/oder Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet, die von der Gesellschaft nachgefragt werden. Dies entspricht der wertbildenden Spannung Steiners, der Rolle des Konsumenten, der im Gesamten auch als Gesellschaft aufgefasst werden kann und eben den Unternehmen gegenübertritt. So ergibt es sich, dass die Gesellschaft das Unternehmen legitimiert und gesellschaftlich einbettet, indem es das Angebot akzeptiert und durch den Erwerb der Waren bzw. Dienstleistungen das Unternehmen am Leben erhält. Das heißt, es sollte zu einem konstruktiven Austausch beider Parteien kommen, damit das, was eine Unternehmung produziert, durch die Gesellschaft legitimiert wird, dadurch dass es die Bedürfnisse dieser befriedigt und im Einklang mit Mensch und Natur handelt.130 Angebot und Nachfrage begegnen sich also nicht aus einer Profitorientierung heraus, die zur Maximierung der Gewinne im nationalökonomischen Sinne führen soll, sondern aus der Verantwortungsübernahme der Unternehmung als gesellschaftlich-wohlwollender Akteur.131 Der Unternehmenszweck ist also von der Außenwelt der Unternehmung abhängig und hat eine unbestreitbare Wirkung auf die Unternehmensführung, welche wiederum die internen Unternehmensziele bestimmt und durchsetzt. Diese Ziele spiegeln demnach die ethische Haltung der Unternehmensführung wider, die in der Regel zuerst zu einer Vision geformt und anschließend im Unternehmensleitbild schriftlich festgehalten wird. Im Kontext der Anthroposophie und dem Konzept der sozialen Dreigliederung ist das Leitbild einer anthroposophischen Unternehmens- führung aus der anthroposophisch orientierten Weltanschauung abzuleiten, welche sich in den Zielen sowie den Handlungen der Unternehmung wiederspiegeln.

4.1.2.3.2. Von Eigentum und Führung zur Personalführung Wie bereits erwähnt setzt sich der volkswirtschaftliche Prozess auf einer tieferen Ebene fort. Das bedeutet, dass zwar nun oberflächlich geklärt wurde, dass es Produzenten (Unternehmungen) und Konsumenten (Gesellschaft) gibt, nicht aber, wie sich diese beiden Gruppierungen zusammen- setzten. Die Zusammensetzung ist insofern von Bedeutung, da hiermit klar wird, wie Wirtschaftsleben, Rechtsleben und Geistesleben interagieren.

130 Vgl. Poeschl (2010), S. 32. 131 Vgl. Steiner (1919), GA332a, S. 56f.; Vgl. Ulrich & Fluri (1995), S. 94, 60. 25

Erneut aus der Sicht der produzierenden Einheit, also eines Unternehmens, stellt sich unweigerlich die Eigentumsfrage an den Werten bzw. Waren, die entstanden sind. Da diese im ersten Schritt durch menschliche Arbeit und im zweiten durch die Anwendung des menschlichen Geistes entstehen, ist es im Sinne Steiners eindeutig, dass die Menschen, sprich die Mitglieder einer Unternehmung, selbst die Produzenten sind – durch Arbeitsteilung vereint im Zusammenschluss zu einer Unternehmung. Die Macht- bzw. Eigentumsverhältnisse stellen sich demnach so dar, dass die Mitglieder wie Teilunternehmer fungieren, da sie durch ihre eingebrachte „Betätigung“132 ein anteiliges Eigentum an den produzierten Waren, den sogenannten Produktionsmitteln haben. Dies führt auf die Neutralisierung des Kapitals hinaus, die in engem Zusammenhang mit dem Funktionsprinzip der Brüderlichkeit steht. Steiner schlug eine Umgestaltung der rechtlich begründeten Eigentumsverhältnisse an Unternehmen vor, die zu neuen, assoziativen Unternehmensformen führen sollten. Das Ziel dieser Unternehmungen sollte es sein, die Gemeinschaft und das Kapital einer Gesellschaft zu fördern, welches, wie erwähnt, dem Geistesleben angehört. Konkret sollten Unternehmern des Wirtschaftslebens nur mehr ein befristetes Führungs- und Kapitalverfügungsrecht zugesprochen werden. Das bedeutet, dass Gründer bzw. Eigentümer eines Unternehmens nicht mehr uneingeschränkt über das Kapital im geistigen wie monetären Sinne des Unternehmens verfügen dürfen und somit das Unternehmen unverkäuflich wird.133 In anderen Worten kommt es zu einer „Neutralisierung des Kapitals“134 und sollte der befristeter Eigentümer (auch Arbeitsleiter genannt) nicht mehr in der Lage sein das Unternehmen zu führen, so fällt das Unternehmen an eine Verwaltungsinstitution des Geisteslebens, welche eine neue Führung erwählt.135 Einhergehend mit der Kapitalneutralität ist ein ausgeweitetes Mitbestimmungsrecht der Beschäftigten, welches ihnen gleichzeitig ein größeres Maß an Verantwortung zukommen lässt.136 Dabei sollten die Stimmen der Beschäftigten durch Betriebsräte Gehör finden und sich „[…] der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aufheben.“137 Die Idee der Kapitalneutralisation stieß jedoch auf wenig Befürwortung, weder von Seiten der Gewerkschaften, die einen Kontrollverlust über die Betriebsräte befürchteten, noch von Seiten der Unternehmer, die verständlicherweise ihr Kapital nicht vergesellschaften und auch ihren betrieblichen Führungsanspruch nicht auf den eines Arbeitsleiters beschränken lassen wollten.138

132 Steiner (1922), GA340, S. 67. 133 Vgl. Rohen (2014), S. 219f.; Vgl. Schmelzer (1991), S. 78ff. 134 Vgl. Anthrowiki (2019). 135 Vgl. Anthrowiki (2019). 136 Vgl. Rohen (2014), S. 219f. 137 Ullrich (2011), S. 78. 138 Vgl. Ullrich (2011), S. 78. 26

Als weitere Folge der veränderten Eigentumsrechte ergibt sich eine neue Auffassung des Arbeitslohns. Denn wie Steiner es beschrieb, gibt es nur einen Lohn, weil es durch täuschende Machtverhältnisse dazu kommt, dass die erwirtschafteten Erlöse ungleich verteilt werden. Würde verstanden werden, dass eine gleichwertige Zusammenarbeit zwischen einem sogenannten Lohnarbeiter und einem Arbeitsleiter stattfindet, so würde es keinen Arbeitslohn geben.

„Wenn man paradox sprechen wollte, so könnte man sagen: Lohn gibt es ja gar nicht, sondern Verteilung des Erlöses gibt es, nur daß in der Regel derjenige heute, der der wirtschaftlich Schwache ist, sich bei der Teilung übers Ohr gehauen findet.“139

Des Weiteren ist Steiner der Meinung, dass Lohn nicht die richtige Bezeichnung ist, weil die Arbeit so den Charakter einer Ware erhält, die wie eine solche behandelt und gekauft werden kann. Dies widerspricht nicht nur dem anthroposophischen Menschenbild, indem der Mensch als entwicklungsfähiges Wesen mit Würde zur Mündigkeit heranwächst, es führt auch dazu, dass die Arbeit an ihrer Fähigkeit zur Gewinnmaximierung bemessen wird und nicht an ihrem Beitrag für die Gesellschaft. Dies führt dazu, dass Menschen, die solche Waren produzieren können oder Fähigkeiten besitzen, die gewinnbringend auf dem Markt angeboten werden können, als höherwertig erachtet werden und es zu einer Verteuerung der Waren kommt. Um dies zu verhindern, gehört die Arbeit im Sinne der Dreigliederung nicht zum Wirtschaftsleben, sondern zum Rechtsleben und wirkt von dort auf dieses ein.140 Die Arbeit „[…] muß Hegen auf dem Rechtsboden, auf dem Boden, […] wo jeder mündig gewordene Mensch als ein Gleicher zu urteilen hat jedem mündig gewordenen Menschen gegenüber. Art und Zeit, Charakter der Arbeit wird bestimmt durch die Rechtsverhältnisse des Menschen untereinander.“ 141 Die Beteiligung an den Erlösen einer Unternehmung ist daher eine Alternative, um die Arbeitsleistung als solche nicht wie eine Ware zu bewerten und zu behandeln. All diese Äußerungen Steiners, die in Bezug auf die Umgestaltung der gesamten Gesellschaft nach dem Konzept der sozialen Dreigliederung entstanden sind, ergeben ein neues Bild der Unternehmensführung und im speziellen der Personalführung. Einen konkreten, finalisierten Ansatz, ein Führungsmodell für Unternehmungen und Beschäftigte, hat Steiner jedoch nie verfasst. Den einzigen Ansatz, den er dahingehend skizzierte ist die kollegiale Selbstverwaltung. Sie ist eines der konstitutiven Merkmale freier Waldorfschulen (synonym zu Rudolf-Steiner- Schulen verwendet), welche im Zuge der Dreigliederungsbewegung 1919 in Stuttgart ihren Ursprung fanden und dem Geistesleben zuzuordnen sind. Die kollegiale Selbstverwaltung steht

139 Steiner (1921), GA337b, S. 155. 140 Vgl. Steiner (1919), GA332a, S. 54f. 141 Vgl. Steiner (1919), GA332a, S. 54f. 27 kontrastierend zu der Auffassung, dass es hinsichtlich zwischenmenschlicher, sozialer Wirkungsprozesse immer eine Führung geben muss142 und verkörpert dabei die Mündigkeit des Menschen.143 Das bedeutet, dass die klassisch starr hierarchisch gegliederte Mitarbeiterführung im Kontext der sozialen Selbstverwaltung negiert wird. Vielmehr wird jedes Individuum dazu aufgefordert frei zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Dabei tritt immer wieder jemand aus dem Kollegium hervor und übernimmt gewissermaßen die Führung für eine bestimmte Zeit.144

Obgleich die kollegiale Selbstverwaltung in den Waldorfschulen praktiziert wird, kann dies in gewissem Umfang nur auf Basis freier Interpretation geschehen, da Steiner das Konzept nie als ausgearbeitetes Führungsmodell konzipiert hat. Diese Art kollegialer Führung lässt also Fragen offen, deren Beantwortung einer eigenen Arbeit bedürfen. Es soll nur so viel gesagt werden, dass Steiner dieses Arbeitskonzept, wie auch die gesamte Anthroposophie als offen, veränderbar und entwicklungsfähig angesehen hat, da er nichts von einer „Universalarznei“145 hielt.146 Dies bedeutet, dass die kollegiale Selbstverwaltung, wie auch die Anthroposophie, sich ständig in Bewegung befinden und nicht einfach stupide gelehrt und erlernt werden können. Viel wichtiger ist es zu partizipieren und einen Beitrag zur Weiterentwicklung und Umsetzung im Sinne der Grundprinzipien zu leisten.147

4.1.2.3.3. Von Menschen und Natur zur Produktion Der letzte noch zu bearbeitende Bereich ist der Produktionsprozess mit seinem Endergebnis, dem Produkt. Da dieser Prozess die direkte Verbindung einer Unternehmung zur Natur darstellt, ist auch dieser für eine anthroposophische Unternehmensführung von großer Relevanz. Maßgebende Konzeptionen Steiners, die sich direkt auf die Produktwahl und den Herstellungsprozess beziehen, sind die Anthroposophische Medizin und die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die im Folgenden näher erläutert werden.

4.1.2.3.3.1. Anthroposophische Medizin In seiner Schaffenskraft der Nachkriegszeit des Ersten Weltkrieges befasste sich Steiner auch mit der Medizin und Heilkunst. Obgleich er über keinerlei fundierte Fachkenntnisse verfügte, hielt Steiner ab 1920 mehrere Vorträge vor fachkundigem Publikum (z.B. Ärzten). Hieraus entwickelte er die anthroposophische oder geisteswissenschaftlich erweiterte Medizin, deren Grundlagen er gemeinsam mit seiner Leibärztin (1876-1943) in dem Buch „Grundlegendes zu einer

142 Vgl. Enderle (2019), S. 1.; Vgl. Grunwald (1998), S. 85. 143 Vgl. Enderle (2019), S. 2. 144 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 100f. 145 Steiner (1919) GA23, S 9. 146 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 91f. 147 Vgl. Enderle (2019), S. 4.; Vgl. Hoffmann (2010), S. 7f.; Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 91f. 28

Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“ festhielt.148 Sein Konzept ist damit eine Erweiterung der klassischen naturwissenschaftlichen Lehre durch geisteswissenschaftliche Erkenntnisse. Fundamental ist dabei die Dreigliederung des menschlichen Organismus in Körper, Seele und Geist, die wiederum in drei Körpersystemen angesiedelt sind.149

Parallel zur anthroposophischen Medizin arbeitete Steiner auch an dazu passenden Heilmitteln bzw. Pharmazeutika. Diese sind auf die ganzheitliche Betrachtung des Menschen abgestimmt und greifen auf pharmazeutische Alternativen wie die Homöopathie Samuel Hahnemanns (1755-1843) zurück.150 Verbunden wird alles über das anthroposophische Menschenbild.151 Steiners Ansätze fanden, anders wie die soziale Dreigliederung, schnell positive Resonanz und so wurde bereits 1921 das Klinisch-Therapeutisches Institut in Stuttgart gegründet und nach Abschluss eines weiteren erfolgreichen Vortrages in der Schweiz das Klinisch-Therapeutische Institut Arlesheim in Arlesheim nahe Dornach.152 Diese beiden Gründungen legten später das Fundament der heutigen Weleda AG.153

4.1.2.3.3.2. Biologisch-dynamische Landwirtschaft Die biologisch-dynamische Landwirtschaft ist ein anthroposophisches, agrarwissenschaftliches Konzept, welches Steiner 1924 als Reformkonzept für die Landwirtschaft entwickelt hatte. Auffällig bei diesem Konzept ist eine erneute Dreigliederung, die, ähnlich wie bei der sozialen Dreigliederung, nun Parallelen zwischen menschlichem Körper und der Natur herstellen lässt. Bezogen auf die landwirtschaftlichen Höfe und Betriebe, welche als eigenständige, individuelle Organismen agieren, besteht dieser Körper aus dem Zusammenspiel von Prozessen über und unter der Erde.154 Dabei ist für die Landwirtschaft der in sich geschlossene Wirtschaftskreislauf bestehend aus Boden, Pflanzen und Tieren maßgeblich. Wie bei der Dreigliederung des sozialen Organismus, so müssen auch beim landwirtschaftlichen Organismus diese drei Teile analog und harmonisch interagieren, damit sich dieser gesund entwickeln kann. Der Kreislauf des Organismus beginnt dabei mit einem gesunden Boden, welcher laut Steiner nicht mit „toten“, chemisch erzeugten Düngemitteln behandelt werden darf, sondern ausschließlich mit natürlichen, organischen Mitteln. Das heißt, die natürlichen Überreste, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb anfallen, wie etwa Pflanzenreste und Ausscheidungen der gehaltenen Tiere, sollten als eine

148 Vgl. Steiner (1991), GA27 / Steiner & Wegman (1925). 149 Vgl. Ullrich (2011), S. 87f.; Vgl. Rohen (2014), S. 214ff.; Vgl. Steiner (1925), GA27. 150 Vgl. Ullrich (2011), S. 90. 151 Vgl. Ullrich (2011), S. 90. 152 Vgl. Ullrich (2011), S. 87f.; Vgl. Schmidt (2011), S. 361. 153 Vgl. Schmidt (2011), S. 361.; Vgl. Weiland & Bay (2019), S. 5. 154 Steiner (1924), GA327, S. 43. 29

Art „lebendige“ Form der Düngung dem Boden zugeführt werden. Auf diesen geschlossenen Kreislauf wirken des Weiteren „[…] kosmische und rhythmische Lebensprozesse […]“155 ein, sowie der Mensch, welcher durch seine Bewirtschaftung als eine Art Vermittler fungiert. Fremdstoffe, die nicht von der Natur selbst in den Kreislauf eindringen, sondern von außerhalb „mechanisch“ beigefügt werden, sollten vermieden oder nur in minimaler Form Verwendung finden.156

Der Kern der biologisch-dynamischen Landwirtschaft ist also eine Kritik an all jenen landwirtschaftlichen Konzepten, welche die Dynamik und das Zusammenspiel zwischen Kosmischem und Irdischem missachten. Zeichen dafür sind unverhältnismäßig viele Monokulturen sowie die industrielle Überdüngung der Agrarflächen und die fortschreitende Technisierung der Landwirtschaft.157 Diese von Steiner ausgehenden kritischen Impulse führten zur Entwicklung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft sowie der Begründung des Demeter- Bundes im Jahr 1924, welcher knapp 100 Jahre später allein in Deutschland 1.600 Betriebe umfasst.158 Ähnliche zeitgenössische Entwicklungen sind beispielsweise die Grünlandbewegung oder die Bewegung der Bodenreform.159

4.2. Das Geldsystem nach Rudolf Steiner Ein weiteres wichtiges, gesellschaftliches System, welches Rudolf Steiner beleuchtet hat und das insbesondere für diese Masterarbeit von Relevanz ist, ist das Geldsystem. Obgleich das Geld bereits im Wirtschaftsleben angesprochen wurde, ist es für das Verständnis sinnvoll das Geldsystem isoliert davon zu betrachten. Das im Sinne der sozialen Dreigliederung gestaltete System setzt sich, wie in Abbildung 2 dargestellt, aus den Komponenten Zahlen, Leihen und Schenken zusammen.

Abbildung 2: Dreigliederung des Geldsystems160

155 Demeter (2019). 156 Vgl. Steiner (1924), GA327, S. 43.; Vgl. Ullrich (2011), S. 93. 157 Vgl. Ullrich (2011), S. 93. 158 Vgl. Demeter (2019). 159 Vgl. Ullrich (2011), S. 94. 160 Steiner (1922), GA340, S. 68. 30

Die Trinität des Geldes ist laut Steiner eine „[…] volkswirtschaftliche Notwendigkeit […]“161, ohne die der volkswirtschaftliche Prozess der Waren- und Wertbildung nicht ablaufen könnte. Denn jede Geldform stellt ein Verbindungselement zwischen zwei Stationen des organischen Kreislaufs aus Abbildung 1 dar.

Beginnend mit dem Kaufgeld, markiert dieses den direkten Kaufakt, dadurch dass eine Ware in dem Moment bezahlt wird, indem sie den Besitzer wechselt. Wie in Abbildung 2 mit dem Begriff „Zahlen“ dargestellt und von Steiner beschrieben, spielt das Kaufgeld eine wesentliche Rolle für „[…] Waren, die bearbeitete Natur sind.“162 Das heißt, das Zahlen verbindet die Natur mit der Arbeit und gilt daher für all jene Güter, die dadurch entstanden sind, dass menschliche Arbeit auf natürliche Rohstoffe angewandt wurde.

Die zweite Geldform ist das Leihgeld. Anders als beim Kaufgeld, steht das Leihgeld nicht mit einer materiellen Ware in Verbindung, sondern bezieht sich auf den Geist, den der Schuldner „[…] auf dieses geliehene Kapital“163 anwenden kann. Das bedeutet, dass es in einer Volkswirtschaft möglich sein muss Geld zu leihen, damit Innovationen entstehen können und sich der Geist in der Gesellschaft entfalten kann und neue Produkte entstehen. Aus diesem Grund ist das „Leihen“ auch die Verbindung zwischen Arbeit und Geist bzw. Kapital.

Die letzte Geldform ist das Schenkgeld, welches in Abbildung 2 mit dem Wort „Schenken“ illustriert ist. Dabei verbindet das Schenkgeld den Geist bzw. das Kapital mit der Natur, schließt so den Kreislauf und vollendet die „[…] Trinität von Begriffen, die in eine gesunde Volkswirtschaft hineingehört.“164 Schenken steht hierbei beispielsweise für die Zeit, die eine Mutter für die Erziehung ihrer Kinder aufbringt165 oder die gesellschaftsverändernde Wirkung einer Erfindung wie dem Röntgen.166 Der Wert dieser Zeit oder dieser Erfindung kann nie durch einen tatsächlich wahren Preis ausgedrückt werden und dementsprechend auch nicht mit Geld bezahlt werden. Zusätzlich zu dieser Bedeutung, fallen unter den Begriff des Schenkgeldes auch all jene Gelder, die vom Wirtschaftsleben in das Kulturleben fließen, wodurch Geistesarbeit bezahlt und gefördert wird und schlussendlich auch Produkte entstehen können.167

161 Steiner (1922), GA340, S. 69. 162 Steiner (1922), GA340, S. 69. 163 Steiner (1922), GA340, S. 69. 164 Steiner (1922), GA340, S. 70. 165 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 70. 166 Vgl. Rohen (2014), S. 221. 167 Vgl. Rohen (2014), S. 221. 31

4.3. Grundsätze und Merkmale anthroposophischer Unternehmensführung Für die Klassifikation anthroposophischer Unternehmensführung kristallisieren sich aus den Konzepten die folgenden Grundsätze und Merkmale der drei Bereiche Unternehmensleitbild, Personalführung und Produktion heraus:

Unternehmensleitbild: Nachdem der Unternehmenszweck durch die Gesellschaft legitimiert wurde, ergibt sich eine Vision, die wiederum im Unternehmensleitbild konkretisiert wird und in Form von Zielsetzungen der Unternehmensführung ausformuliert werden. Diese intern verfassten Ziele müssen dabei auf dem anthroposophischen Weltbild basieren und dessen Grundsätze in den vom Unternehmen ausgeführten Handlungen zur Geltung kommen. Ein Leitbild, welches im Einklang mit der Anthroposophie steht, zeigt sich in einer Zielsetzung, die soziale, ökologische und ökonomische Belange miteinander vereint und einen klaren Bezug zwischen Mensch, Natur und Kosmos herstellt. Dabei ist hervorzuheben, dass die ökonomische Komponente ein notwendiges Kriterium ist, welches erfüllt werden muss, um die Unternehmung am Leben zu erhalten und die Verantwortung für die Aufgaben der anderen beiden Bereiche zu übernehmen. Der Profit oder Gewinn stellt demnach nie das oberste Ziel einer Unternehmung dar. Hieraus ergeben sich die folgenden Grundsätze:

 Der von der Gesellschaft legitimierte Unternehmenszweck bildet gemeinsam mit der Vision die Grundlage unternehmerischen Handelns und basieren auf einem anthroposophischen Weltbild.  Das anthroposophische Weltbild richtet sich nach den Bedürfnissen der Menschen, welche ganzheitlich im Kontext von Natur und Kosmos gesehen werden.  Zielsetzung und Handlungen verbinden ökonomische, soziale und ökologische Belange miteinander, wobei sie sich vorrangig an den ökologischen und sozialen Belangen orientieren und die ökonomische Komponente nur als notwendiges Kriterium der Finanzierung verstanden wird.  Profit- oder Gewinnmaximierung sind niemals oberstes Ziel einer Unternehmung.

Personalführung: Ein Bereich, indem sich die Wirkung des Leitbildes realisiert, ist die Personalführung, welche die Beschäftigten als mündige Menschen erkennt und ihnen als solche das freie Denken und die Übernahme von Verantwortung zugesteht. Die Beschäftigten sind am Erlös ihrer produzierten Werte zu beteiligen und beziehen somit ein Einkommen, welches ihnen ermöglicht, die eigenen sowie die Bedürfnisse der Angehörigen zu befriedigen, so lange, bis zum Erhalt des nächsten Einkommens. Des Weiteren sollen die Beschäftigten ein Recht auf Mitbestimmung haben, welches durch einen durch Abstimmung gewählten Betriebsrat oder ein

32 vergleichbares Gremium vertreten werden kann. Die Unternehmensleitung hat kein alleiniges Verfügungsrecht über geistiges, wie monetäres Kapital, da sie nur mehr einen beschränkten Führungsanspruch hat. Außerdem ist die Entwicklung des Menschen ein zentrales Element, welches in der Personalpolitik berücksichtigt werden muss. Hieraus ergeben sich die folgenden Grundsätze:

 Die Beschäftigten werden als mündige Menschen verstanden, die in der Lage sind, frei zu denken und Verantwortung zu übernehmen.  Aus diesem Grund steht ihnen auch ein umfassendes Recht auf Mitbestimmung zu.  Des Weiteren sind die Beschäftigten keine Ware, weswegen sie nicht wie eine Ressource behandelt werden dürfen und sie daher entsprechend ihrer eingebrachten Arbeitsleistung am Gesamterlös beteiligt werden sollen. Außerdem ist das Kapital zu neutralisieren.  Da der Mensch ganzheitlich betrachtet wird, das heißt, es werden Körper, Geist und Seele sowie der Kontext bestehend aus Natur und Kosmos berücksichtigt, werden seine Bedürfnisse geachtet und insbesondere seine Entwicklung explizit und umfassend gefördert.

Produktion: Als direkte Verbindung zur Natur muss sich auch der Produktionsprozess und die Wahl des Produktes an dem anthroposophischen Leitbild ausrichten. Dies bedeutet, dass das Produkt auf die menschlichen Bedürfnisse abgestimmt ist und die Natur weder durch das Produkt noch durch dessen Produktionsprozess ausgebeutet oder gar geschädigt wird. Vielmehr soll die der Natur und auch der Gesellschaft durch die Arbeit der Unternehmung etwas zugeführt werden, was für sie von Bedeutung ist und zu ihrer Entwicklung beiträgt. Die Beigabe biologischer Präparate in den Erdboden soll beispielsweise dazu führen, dass die Erde sich erholt und aufblüht, sowie die anthroposophische Medizin die Gesundheit des Menschen fördern soll. Hieraus ergeben sich die folgenden Grundsätze:

 Weder der Produktionsprozess noch das Produkt dürfen die Natur oder die Menschen ausbeuten oder gar schädigen.  Produktionsprozess und Produkt müssen auf die menschlichen Bedürfnisse abgestimmt werden, damit sie für die Gesellschaft von Bedeutung sind und im besten Falle zu derer Entwicklung beitragen.

Zusammengefasst ist eine anthroposophische Unternehmensführung daran zu erkennen, dass die Zielesetzung und Handlungen im Einklang mit Mensch und Natur nach den Grundsätzen der Anthroposophie vollzogen werden. Dies bedeutet, dass die Unternehmen nicht einseitig nach

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Profit und Gewinnmaximierung streben dürfen, sondern sich in die Gesellschaft und Umwelt einfügen, indem sie zu der gesunden Entwicklung der Gesellschaft (Kulturleben) beitragen und einen bewussten Umgang mit der Umwelt pflegen. Wobei hier bereits darauf hingewiesen werden muss, dass von einer echten anthroposophischen Unternehmensführung nur dann gesprochen werden kann, wenn die Unternehmung nicht nur im Sinne der Anthroposophie (z.B. Menschenbild), sondern eben auch in einen dreigliedrigen Organismus eingebettet ist, der den Vorstellungen Steiners entspricht. Ist diese Grundvoraussetzung nicht gegeben, so kann nur mehr von einer anthroposophisch motivierten oder auch inspirierten Unternehmensführung gesprochen werden.

5. Anthroposophisch motivierte Unternehmensführung in der Praxis In diesem Kapitel werden die Weleda AG sowie die GLS Bank als Praxisbeispiele anthroposophisch motivierter Unternehmensführung untersucht. Hierzu werden die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte beider Unternehmen herangezogen und analysiert, sowie das Interviewmaterial und, wenn passend, auch weitere Sekundärliteratur. An jedes Praxisbeispiel anschließend, erfolgt eine Zusammenfassung gesammelter anthroposophischer Merkmale und Grundsätze, welche das Unternehmen aufweist.

5.1. Die Weleda AG 5.1.1. Die Wurzeln der Weleda - Der Kommende Tag AG und Futurum AG Mit dem Ziel finanzielle Mittel für die Förderung und Entwicklung anthroposophischer Werte, die insbesondere durch die Freie Waldorfschule in Stuttgart sowie das im Bau befindliche Goetheanum in Dornach erfolgen sollten, gründete Steiner 1920 die ersten beiden und im Sinne der Anthroposophie gestalteten Gesellschaften.168

Die am 13. März 1920 begründete „[…] Aktiengesellschaft <> […]“169 mit dem Namen „Der Kommende Tag AG“, war ein assoziatives Wirtschaftsunternehmen nach den Vorstellungen der Dreigliederung des sozialen Organismus. Das bedeutete, dass das Unternehmen aus einem Verbund verschiedener, kooperierender Wirtschaftsunternehmen und Institutionen des Kulturlebens bestand. Neben der ersten Waldorfschule war auch das Klinisch-therapeutische Institut Stuttgart in den Verbund eingeschlossen, welches sich mit der Erforschung und Entwicklung anthroposophischer Heilmittel

168 Vgl. Steiner (1921), GA337b, S. 155. 169 Steiner (1920), GA337a, S. 313. 34 befasste.170 Das Konzept war so ausgestaltet, dass sich der Verbund, durch die in den Forschungsinstituten entwickelten Produkte, selbst finanziell erhalten konnte und so die Marktfähigkeit bestehen sollte.171 Steiner selbst beschrieb die Gründung der AG als eine Notlösung dafür, dass sich das „gewöhnliche Bankenwesen“172 eher zu einem schädlichen als fördernden Element des Wirtschaftslebens entwickelt hat.173

„[…] es besteht die Notwendigkeit, etwas zu begründen, was zusammenfaßt wirklich konkretes Wirtschaften und die Organisation dieser Wirtschaftszweige, so wie sonst in einer Bank das Wirtschaftsleben zusammengefaßt wird, aber ohne auf wirtschaftliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, nur in abstrakter Weise. Das heißt, es wird hier im Kommenden Tag praktisch versucht, zu überwinden die Schäden des Geldwesens.“174

Die zweite Gesellschaft war die „Futurum AG“, die Steiner gemeinsam mit Dr. Ita Wegman am 16. Juni 1920 in Dornach begründete.175 Diese „Ökonomische Gesellschaft“176 mit internationaler Ausrichtung, in dem Sinne, dass ein Verbund international agierender anthroposophischer Unternehmen begründet wurde, sollte die „[…] <> […]“177 auf internationale Ebene heben. Die Konzeption war dabei analog zu der Der Kommende Tag AG nach den Prinzipien der sozialen Dreigliederung ausgerichtet, wobei die beiden Unternehmungen vollständig unabhängig voneinander agierten.178 Die Futurum AG sollte also auch assoziativ arbeiten und international mit anthroposophischen Unternehmen kooperieren. Zu solch einer Assoziative kam es jedoch nicht. Seit ihrer Gründung war die Finanzierung der AG eine Herausforderung. Dennoch übernahm sie im Februar 1921 das Goetheanum-Labor unter der Leitung des Chemikers , um dieses zu fördern.179 Im selben Jahr wurde nach dem erfolgreichen Ärztekurs über die neu konzeptualisierte Anthroposophische Medizin - gehalten von Dr. Ita Wegman - das Klinisch-Therapeutische Institut Arlesheim als selbstständige Unternehmung der Futurum AG begründet.180 Aufgrund der sich weiter verschlechternden Lage der Futurum AG wurden die Laboratorien im Goetheanum 1922 aus der AG herausgegliedert und mit dem Klinisch-Therapeutischen Institut zusammengelegt. Aus dieser Fusion entstand die

170 Vgl. Weleda (2019). 171 Vgl. Strawe (1998), S. 8. 172 Steiner (1920), GA337a, S. 190. 173 Vgl. Steiner (1920), GA337a, S. 190. 174 Steiner (1920), GA337a, S. 190. 175 Steiner (1920), GA337a, S. 189. 176 Steiner (1920), GA337a, S. 312. 177 Steiner (1920), GA337a, S. 312. 178 Steiner (1920), GA337a, S. 312f.; Vgl. Anthrowiki (2019). 179 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 723. 180 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 723. 35

Gesellschaft mit dem Namen „Internationale Laboratorien und Klinisch-Therapeutisches Institut Arlesheim A.G. in Arlesheim“181, wodurch es zu einer Vermischung geistiger und kommerzieller Interessen kam. Diese waren allerdings weder im Sinne Steiners noch mit der sozialen Dreigliederung vereinbar, weswegen zum Jahreswechsel 1923/1924 eine scharfe Trennung beschlossen und im Juni 1924 vollzogen wurde. Das Klinisch-Therapeutische Institut Arlesheim wurde an den Verein des Goetheanums verkauft und die „Internationale Laboratorien Arlesheim A.G. in Arlesheim“ als unabhängiges, gewinnbringendes und gesundes Wirtschaftsunternehmen neu etabliert.182 Verwaltungsratsmitglieder wurden Herr Geering-Christ, Herr Emanuel Joseph van Leer und Herr Edgar Dürler. Rudolf Steiner übernahm gemeinsam mit Dr. Ita Wegman das Amt der Kontrollstelle. Kurz vor der Trennung (März 1924) wurde die Futurum AG vollständig liquidiert und der „Internationale Laboratorien und Klinisch-Therapeutisches Institut Arlesheim A.G. in Arlesheim“ zugeführt.183

Im Jahr 1924 kam es in Deutschland zu einer Währungsreform, was für die Gesellschaft Der kommende Tag zu einer Wirtschaftskrise führte. Denn die Gesellschaft verfügte über keinerlei finanzielle Reserven, da durch die assoziative Gestaltung alle erwirtschafteten Gelder, die nach Abgang der Mittel für die Erhaltung des Betriebes übriggeblieben waren, in die angeschlossenen Forschungsinstitute flossen. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Waldorfschule, das Klinisch-Therapeutische Institut Stuttgart, das Forschungsinstitut Stuttgart sowie einen Verlag.184 Um diese Institute zu retten, wurde der Beschluss gefasst, die Waldorfschule durch Verzicht der Aktionäre auf ihre Anteile auf sich allein zu stellen,185 den Verlag umzustrukturieren und in Teilen dem Philosophisch-Anthroposophischen Verlag zuzuführen,186 das Forschungsinstitut restlos aufzulösen und aus dem Klinisch-Therapeutischen Institut Stuttgart einen eigenen Betrieb zu machen187, welcher von der Internationale Laboratorien A.G. Arlesheim aufgekauft werden sollte.188 So wurden, dem Vorschlag Steiners folgend, im August 1924, als erster Schritt der Internationalisierung des Vertriebes und der Produktion von anthroposophischen Heilmitteln, die Chemischen Werke in Schwäbisch-Gmünd bei Stuttgart und die Stuttgarter Laboratorien (beide ergaben das Klinisch-Therapeutische Institut Stuttgart) als Zweigniederlassungen eingegliedert.189

181 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 724. 182 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 476, 724. 183 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 476. 184 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 515-526. 185 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 525. 186 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 526. 187 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 525. 188 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 515-526. 189 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 724. 36

So ergab es sich, dass die beiden Gesellschaften, die auf der anthroposophischen Weltanschauung beruhten und im Sinne der sozialen Dreigliederung gestaltet waren, durch ihre Zusammenführung die Wurzeln der Weleda AG begründeten. Aus der Internationale Laboratorien A.G. Arlesheim, die 1924 in Weleda AG umgetauft wurde, ist also die erste große anthroposophisch motivierte Unternehmung entstanden, die bis heute besteht und sich erfolgreich auf dem internationalen Markt etabliert hat.190 Aus diesem Grund wurde die im Folgenden erörtere Weleda AG auch als ein geeignetes Beispiel für die Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung in der Praxis identifiziert.

5.1.2. Die Weleda von 1924 bis heute Seit der Namensgebung 1924 hat sich die Weleda AG laut ihrem Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht von 2018 „[…] zur weltweit führenden Herstellerin zertifizierter Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln“191 entwickelt. Beginnend mit der Erforschung und Produktion eines Mistelpräparates für die Behandlung von Krebs192, hat sich das Produktportfolio der Weleda auf über 1000 Arzneimittel und 120 Naturkosmetika erweitert. Mit einem ganzheitlichen Blick auf den Menschen und die Natur, ist es dabei das Ziel der Weleda, einen Beitrag zu der Gesundheit, der Schönheit und dem Wohlbefinden der Menschen zu leisten. Dafür hat das Unternehmen in 20 verschiedenen Ländern Niederlassungen und vertreibt ihre Produkte in über 50 Ländern weltweit. Der Hauptsitz befindet sich dabei noch immer in Arlesheim und die Zweigniederlassung in Schwäbisch Gmünd hat sich zur größten Niederlassung entwickelt. Hauptsitz und Niederlassungen werden unter der Weleda Gruppe zusammengefasst und insgesamt beschäftigt die Weleda international 2.535 MitarbeiterInnen.193

Die Konzernstruktur gestaltet sich heutzutage so, dass sich 33,7 Prozent des Kapitals und 76,7 Prozent der Stimmrechte im Besitz zweier Hauptaktionäre befinden - der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (AAG, Dornach) und der Klinik Arlesheim. Die restlichen Aktien befinden sich im Streubesitz, dürfen jedoch nur von Mitgliedern der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft Dornach erworben werden und die Übertragungen müssen im Aktienbuch der AG eingetragen werden, um wirksam zu sein. Damit ist die Weleda formell eine Stiftung, ähnlich der Robert-Bosch-Stiftung oder der Mahle-Stiftung,194 was wiederum der

190 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 550, 724.; Vgl. Weleda AG (2019). 191 Weleda AG (2018), S. 1. 192 Vgl. Steiner (1925), GA260a, S. 717. 193 Vgl. Weleda AG (2018), S. 1, 46. 194 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 95. 37

Organisationsstruktur im Sinne von Steiner näher kommt als andere Organisationsformen, da Stiftungsunternehmen niemandem persönlich gehören und das Kapital somit neutralisiert ist.195

5.1.2.1. Das Unternehmensleitbild Die Weleda AG wurde nicht nur von Vertretern der Anthroposophie und Pionieren ihrer Zeit begründet, sie gibt sich auch deutlich als anthroposophisch motiviertes Unternehmen zu erkennen. Von Beginn an leitet sich die Vision der Weleda „[…] einen Beitrag zu leisten für eine Welt, in der Gesundheit und Schönheit von Mensch und Natur immer wieder neu entstehen“196 von dem Menschenbild und den Grundsätzen der Anthroposophie ab. Dementsprechend ist auch die oberste Zielsetzung der Unternehmung, die im Leitbild festgehalten und durch Strategien in die Tat umgesetzt werden, anthroposophisch motiviert. Dabei legt die Weleda großen Wert darauf, dass dieses Leitbild eben nicht bloß eine Worthülse ist, sondern eine Haltung und Einstellung, die das Unternehmen seit der Gründung in sich trägt.197

Paul Mackay, der amtierende Vorstandspräsident der Weleda, welcher im Rahmen dieser Masterarbeit interviewt wurde, beschreibt die Vision der Weleda als eine Art „Leitstern“198, der auch ohne die Unternehmung selbst existiert. Sprich, die Vorstellung der Anthroposophie über eine Welt, in der die „[…] Gesundheit oder die Entwicklung von Natur und Menschen optimal gefördert wird […]“199 ist der Leitstern für die Weleda, nach dem das Leitbild und damit die Zielsetzung, wie diese Vision verwirklicht werden kann, ausgerichtet wird. Daran anknüpfend werden spezifische strategische Handlungsfelder und strategische Schritte festgelegt.200

Ein entscheidender strategischer Schritt, den die Weleda 2018 gegangen ist und der einen grundlegenden Einfluss auf alle Unternehmensbereiche sowie Handlungsfelder und strategische Schritte hat, ist die Etablierung einer neuen Organisationsform, der kollegialen Führung. Die freie Entfaltung des Menschen ist einer der anthroposophischen Grundsätze, welches die Weleda als besonders wichtig erachtet. Denn seit je her versteht sich die Weleda als einen „[…] Ort menschlicher Entwicklung […]“201, weswegen bis vor kurzem auf das Führungsprinzip der dialogischen Führung gesetzt wurde.202 Die „Dialogische Führung“ ist laut Dietz und Kracht (2002/2016) ein situativer Ansatz und ist nach Götz Werner darauf ausgerichtet, es allen Beteiligten (Beschäftigten) zu ermöglichen, sich als eigene UnternehmerInnen zu verstehen und

195 Vgl. Anthrowiki (2019). 196 Weleda AG (2018), S. 1, 46. 197 Vgl. Weleda (2019). 198 Mackay (2019), Anhang S. 93. 199 Mackay (2019), Anhang S. 93. 200 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 93. 201 Heidinger et al. (2019), S. 741.; Weleda AG (2018), S. 26. 202 Vgl. Heidinger et al. (2019), S. 741. 38 als solche in das Unternehmensgeschehen einzubringen. Er definiert: „[…] Mit dialogischer Führung [ist] eine Art der Führung intendiert, bei der, der Sinn durchgeht, also bei der jeder Beteiligte individuell die Möglichkeit hat, sich den Sinn seiner Tätigkeit zu erschließen.“203 Maßgeblich dabei ist es, dass dieser Sinn sich in einer Unternehmung aus einem Konsens ergibt oder zu solch einem führt, damit eine zielgerichtete Zusammenarbeit aller Beschäftigten überhaupt ermöglich wird. Die Konsensbildung, die durch eine klare, in die Zukunft gerichtete Vision, ein Zweck, welcher im Leitbild konkretisiert wird, angeregt und geleitet werden soll, sollte daher eines der wesentlichen Ziele der Unternehmensführung sein. Durch den gemeinsamen Konsens werden schließlich die Ideen und Ziele jedes Einzelnen zusammengeführt und ergeben ein nachvollziehbares Gesamtbild, mit dem sich im Idealfall alle Beschäftigten identifizieren können. Neben einem richtungsweisenden Konsens soll die Dialogische Führung aber auch dazu führen, dass die Beschäftigten eine Gemeinschaft bilden, in der die Leistungsbeiträge und Entscheidungen des einzelnen von der gesamten Gemeinschaft mitgetragen werden. Dadurch sollen die Eigenverantwortung und Urteilsfähigkeit aller angeregt werden, wodurch sich jeder für sich und die Gemeinschaft als Ganzes weiterentwickeln sollen.204

Neben der alltäglichen Kommunikation mit dem Kollegium hat die Weleda für den direkten Dialog mit der Geschäftsführung die sogenannte Dialog-Werkstätte gegründet. Dort haben die Beschäftigten die Möglichkeit sich direkt mit der Geschäftsführung auseinanderzusetzen, kritische Themen und Probleme anzusprechen und aus dem Dialog gemeinsame Lösungsvorschläge zu entwickeln.205 Mit welcher Unbefangenheit und in welchem Ausmaß dieser Ort des Dialoges genutzt wird, ist jedoch durchaus kritisch zu hinterfragten.

Zu betonen ist jedoch noch einmal, dass der Dialog dieses Führungsprinzips nicht auf die reine Kommunikationsform beschränkt ist, sondern sich viel mehr auf einen Prozess der Reflexion und des Austausches mit sich selbst und anderen bezieht, ohne dabei die Führungspositionen selbst in Frage zu stellen.

Nun aber schlägt die Weleda einen neuen Weg ein. Es soll die Dialogische Führung durch die Kollegiale Führung ersetzt werden, ein Prinzip, welches noch mehr Freiräume bietet und noch mehr Eigenverantwortung von den Beschäftigten einfordert. Denn anders als bei der dialogischen Führung werden in der kollegialen Führung traditionelle hierarchische Strukturen stark reflektiert und wenn bis zu Ende gedacht wird, eine Auflösung dieser angestrebt, damit die Beschäftigten tatsächlich die ausreichende Freiheit zur Verantwortungsübernahme haben, die von ihnen bereits

203 Werner (2013), S. 100. 204 Vgl. Eberle (2019), S. 99ff. 205 Vgl. Heidinger et al. (2019), S. 741ff. 39 verlangt wird. Dieses Führungskonzept orientiert sich demnach mehr an natürlichen, organischen Organisationsstrukturen anstelle von starren Hierarchieebenen, die klassisch pyramidal angeordnet werden.206 Darunter sind solche Strukturen, wie die eines Bienenschwarms zu verstehen, in dem jedes einzelne Mitglied wie ein Zahnrad in das nächste eingreift und so ein gemeinschaftliches Wirken ermöglicht wird. In der Umsetzung bei Weleda bedeutet dies allerdings nicht, dass alle Führungspositionen aufgelöst werden, sondern, dass es weiterhin eine Geschäftsführung gibt, diese aber als Teil der Belegschaft verstanden wird. Des Weiteren ist zwar fixiert, wer in der Geschäftsführung platznimmt, wer aber die endgültige Führung einer Aufgabe übernimmt, wird je nach Aufgabenstellung und Kontext entschieden. Dabei behält diese Person, die sich als fähig erweist und bereit ist die Verantwortung für getroffene Entscheidungen vollkommen zu tragen, solang die Führungsposition, bis die Aufgabe beendet oder auch nur eine Entscheidung getroffen und vollzogen wurde.207 Damit löst sich die pyramidale Führungsstruktur gewissermaßen auf und die Führungskräfte sind situativ. Wie Oestereich und Schröder, zwei Vorreiter der kollegialen Führung, beschreiben, ist „[…] jeder Kollege […] mehr oder weniger auch „Führungskraft“ – als selbstverständlicher Teil seiner Arbeit.“208

Dies entspricht auch dem, was die Weleda umsetzten möchte und spiegelt das anthroposophische Verständnis wider. Die etablierten schwarmähnlichen Strukturen konkretisieren also die Vorstellungen freier Entwicklung der Kollegschaft, ihre Selbstorganisation und Eigenverantwortung. Der gemeinsame Konsens, ein Leitbild oder Zweck, mit dem sich die Beschäftigten identifizieren können und der zur Verbundenheit untereinander führt, ist für dieses Führungskonzept von weitaus größerer Bedeutung als bei der dialogischen Führung, da sich die Führungspersonen eben situativ ergeben.

Die Weleda selbst beschreibt in ihrem Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht ihre Motivation für den Umbruch als Zielsetzung, dass die Beschäftigten „[…] die Orientierung für [ihr] Handeln in sich selbst finden“209 sollten. Jeder Mitarbeitende sollte also den Sinn seiner Arbeit und den Zweck der Weleda verinnerlichen und daraus die nötige Motivation schöpfen, Hand in Hand mit der Kollegschaft die gemeinsamen Ziele der Weleda zu verwirklichen – „[…] wie in einem Bienenstock.“210 Insgesamt soll die Kollegiale Führung darin resultieren, dass die Beschäftigten zufriedener sind, was sich in einer gesteigerten Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Weleda

206 Vgl. Oestereich & Schröder (2016). 207 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 94f. 208 Oestereich & Schröder (2016), S. VII. 209 Vgl. Weleda AG (2018), S. 5. 210 Vgl. Weleda AG (2018), S. 5. 40 niederschlagen soll.211 Der verbindende Konsens soll dabei über den neu formulierten und von den Mitarbeitenden erarbeitete, zweiteilige Zweck der Weleda gefunden werden. Dieser lautet: „We dare to care“212, was so viel bedeuten soll wie „Wir wagen es, uns zu kümmern“213 und auf die Verantwortungsübernahme für Gesellschaft und Natur abzielt und „Inspired by we dare to make a difference“214, was eine Besinnung auf die Wurzeln der Anthroposophie und deren Grundwerte bewirken soll.

Das Ziel der Umstrukturierung zur kollegialen Führung ist es, „[…] gruppenweit eine zukunftsfähige Form der Zusammenarbeit zu etablieren und Führungsaufgaben sinnvoll zu verteilen.“215 Dabei soll sich die Etablierung an den fünf Leitprinzipien: „Am Sinn orientiert, Verteilte Verantwortung, Entwicklungsorientiertes Lernen, Selbstbestimmte Zusammenarbeit und Transparenz“216, orientieren. Wie genau die einzelnen Prinzipien dabei ausgestaltet werden sollen, ist aus dem Bericht nicht zu entnehmen. Es wird nur darauf verwiesen, dass die Implementierung sozusagen noch in den Kinderschuhen steckt und die Leitprinzipien durch verschiedene Experimente in der Praxis erprobt werden.217 Aus der bisherigen Analyse der Weleda lassen sich jedoch bereits verschiedene Äußerungen zu den einzelnen Prinzipien machen, denen laut Paul Mackay, die folgende Bedeutung zu kommt:

(1) Am Sinn orientiert: Wie bereits ausführlich dargelegt, ist der Sinn, den die Unternehmung gibt und den die Beschäftigten in ihren Aufgaben erkennen, maßgeblich für deren Zusammenarbeit und Zufriedenheit. Als Ganzes steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten, zwischenmenschlichen Beziehungen sowie seine Verbindung zur Natur im Mittelpunkt. Wie Herr Mackay es in eigenen Worten umschreibt, zeigten sich in diesem ersten Grundsatz die drei Punkte „People, Planet, Purpose“218, abgeleitet von dem Ursprungskonzept, das Triple-Bottom-Line- Prinzip (oder auch die drei Säulen der Nachhaltigkeit genannt), mit den Bereichen: People, Planet, Profit219 oder eben Sozial, Ökologisch, Ökonomisch. Während bei diesem Dreisäulenkonzept jedoch alle drei Bereiche in gleichem Maße Berücksichtigung finden sollen220, betont Herr Mackay mit seiner Auffassung, dass für ihn und die Weleda der Profit lediglich eine „[…]

211 Vgl. Weleda AG (2018), S. 5. 212 Weleda AG (2018), S. 6. 213 Weleda AG (2018), S. 6. 214 Weleda AG (2018), S. 5. 215 Weleda AG (2018), S. 29. 216 Weleda AG (2018), S. 29. 217 Vgl. Weleda AG (2018), S. 29. 218 Mackay (2019), Anhang, S. 102. 219 Vgl. Mackay (2019), Anhang, S. 101f. 220 Vgl. Wühle (2019), S. 61ff. 41 notwendige Voraussetzung, aber […] kein Zweck […]“221 ist und nur dazu erwirtschaftet werden sollte, um das Unternehmen zu erhalten und die Aufgabenstellungen zur Erfüllung von People, Planet, Purpose zu garantieren.222 Mackay fasst zusammen:

„Purpose ist der Sinn, warum machen wir denn das? Was ist unser Beitrag? Unser gesellschaftlicher Beitrag? So, das ist der Purpose. Und People ist, wie machen wir das für unsere Kunden, für unsere Stakeholder, für ALLE involvierten Menschen und natürlich, selbstverständlich auch die Mitarbeiter, aber eben nicht allein. Und das dritte ist Planet natürlich, wir können das nicht auf Kosten unseres Planeten tun. Grade in solchen Unternehmen wie die Weleda, sind wir eh, (...) abhängig von der Erde, deswegen müssen wir der Erde was zurückgeben auch (...) also das ist für mich sehr selbstverständlich. Das ist diese Sinnorientierung: People, Planet, Purpose.“223

Durch die Kollegiale Führung und unterstützende Abteilungen, wie beispielsweise die Abteilung „Kultur & Identität“, sollen die bestmöglichen Entscheidungen für die Beschäftigten und die Weleda getroffen werden.224

(2) Verteilte Verantwortung: Dieses Prinzip geht Hand in Hand mit der Sinnorientierung und zielt darauf ab, dass die Beschäftigten als mündige Erwachsene selbst denken können und demnach auch in der Lage sind Verantwortung zu übernehmen. Dennoch kann nicht einfach davon ausgegangen werden, dass alle MitarbeiterInnen sofort dafür bereit sind, die volle Verantwortung zu übernehmen, wenn diese an sie erteilt wird. Deswegen beinhaltet dieses Leitprinzip, welches für die Kollegiale Führung maßgeblich ist, da diese nicht ohne die Bereitschaft und Fähigkeit der Beschäftigten Verantwortung zu übernehmen etabliert und umgesetzt werden kann, einen Entwicklungsweg der Verantwortungsübernahme, der von dem Unternehmen schrittweise gegangen werden muss. Sollten MitarbeiterInnen nicht dafür bereit sein, so ist laut Paul Mackay, die einzig richtige Konsequenz, das offene Gespräch mit den Beschäftigten zu suchen und auf Grundlage stichhaltiger Argumente, gemeinsam eine Lösung zu finden. 225

(3) Entwicklungsorientiertes Lernen: Dieses Leitprinzip spricht explizit die Entwicklungsfähigkeit des Menschen an, die bereits Rudolf Steiner tief in der Anthroposophie verwurzelt hat. Die Weleda versteht sich, wie bereits erwähnt, als einen Ort der Entwicklung, weswegen diese nicht nur in dem Leitbild der Unternehmung verankert ist. Beginnend mit einem zweitägigen Einführungs-

221 Mackay (2019), Anhang, S. 102. 222 Vgl. Mackay (2019), Anhang, S. 102. 223 Mackay (2019), Anhang, S. 102. 224 Vgl. Heidinger et al. (2019), S. 742. 225 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 100ff. 42 programm, bei dem das Unternehmen und seine Philosophie den Beschäftigten nähergebracht wird, bietet die Weleda weitere Angebote in Bezug auf die Unternehmensidentität (z.B. eine Identitätswerkstatt) sowie ein breitangelegtes Angebot an Weiterentwicklungsmaßnahmen. Von fachspezifischen Seminaren bis hin zu persönlichkeitsbildenden und anthroposophischen Kursen, soll den Beschäftigten die Möglichkeit gegeben werden, sich weiterzubilden und zu entfalten. Auch dem Thema Ausbildung kommt eine besondere Beachtung zu. Sie ist dabei nicht nur für die Fachkräftesicherung relevant, sondern auch dafür, die Beschäftigten von Beginn an für die Anthroposophie und das Leitbild der Weleda zu begeistern. So besuchen die Lernenden während ihrer Ausbildung unter anderem eine Waldorfschule oder ein anthroposophisches Klinikum.226

(4) Selbstbestimmte Zusammenarbeit: Dieser vierte Punkt ist im Grunde der Kern des Prinzips der kollegialen Führung. Es betont noch einmal die Mündigkeit der Beschäftigten und das Ziel des neuen Führungsprinzips, dass jedes Mitglied der Kollegschaft einbezogen wird und sich frei für die Zusammenarbeit entscheidet. Selbstbestimmte Zusammenarbeit heißt also, „[…] dass man wirklich nicht zusammen arbeitet, weil man das gesagt bekommt, sondern weil man das will.“227 Denn hinter diesem aktiven „Wollen“ steht eine ganz andere Motivation als hinter dem „Sollen“ oder gar „Müssen“, wodurch „mehr Energie“228 entsteht und eine besser Zusammenarbeit möglich wird. Außerdem referenziert dieser Punkt auf die Ansichten Steiners, dass jedes Individuum für sich selbst und seine Entwicklung steht, sich dabei aber in die Gemeinschaft einfügt und zu dieser seinen Beitrag leistet.

(5) Transparenz: Dieses letzte Prinzip behandelt den Umgang mit Informationen jeglicher Art, wobei Herr Mackay explizit auf die Relevanz und den Umgang mit internen, insbesondere die Mitarbeitenden betreffenden, Informationen hingewiesen hat. So fallen in dieses Prinzip beispielsweise die Mitarbeitervertretungen, die Herr Mackay als „Vertrauenskreise“ beschreibt. Diese sind für ein gutes Betriebsklima notwendig, da die Beschäftigten dort mit ihren Sorgen oder Problemen hingehen können und diese Informationen dann nicht transparent für alle Mitglieder des Unternehmens ersichtlich gemacht werden. Vielmehr geht es bei diesen Vertrauenskreisen darum, eine Möglichkeit der Transparenz zu schaffen – wenn diese gewünscht wird – und somit ein besseres Betriebsklima zu erhalten, dadurch dass die Beschäftigten ihre Probleme und die Verantwortung dafür teilen können und sich damit im Unternehmen freier fühlen.229

226 Vgl. Weleda AG (2019).; Vgl. Heidinger et al. (2019), S. 741ff. 227 Mackay (2019), Anhang S. 104. 228 Mackay (2019), Anhang S. 104. 229 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 105. 43

Des Weiteren hat Herr Mackay hier die Mitarbeiterversammlungen hervorgehoben, die seiner Meinung nach regelmäßig und je nach Unternehmensgröße in kurzen oder längeren Abständen stattfinden müssen. Diese Versammlungen sind notwendig, um die Beschäftigten mitzunehmen und ein „Summen“230 im Unternehmen zu vermeiden, bei dem die Führungspersonen gar nicht mehr wissen, was die Beschäftigten besprechen und wie es ihnen eigentlich geht. Es ist also immer wichtig einen Ort für den Dialog zu schaffen, bei dem Fragen gestellt, Probleme erkannt und Anregungen geäußert werden können.231

Einige Aspekte, die anhand dieser fünf Prinzipien beschrieben wurde, zählen bereits zur Personalführung und den dazu passenden strategischen Handlungsfeldern. Seit 2017 gibt es bei der Weleda „[…] sieben Handlungsfelder der Nachhaltigkeit […]“232, die als die neuen strategischen Handlungsfelder vorgestellt und 2018 mit klaren Leitzielen fixiert wurden. Jedes dieser analog behandelten Felder steht dabei für ein die Nachhaltigkeit betreffendes Aufgabengebiet, welches mit „[…] konkreten qualitativen und quantitativen Leistungen, also verbindlichen Versprechen und Selbstverpflichtungen“233 gefüllt wurde. Analog bedeutet dabei, dass alle Felder gleichermaßen berücksichtigt werden. Anhand eines Schemas wird der Erfüllungsgrad der Versprechungen bewertet, wodurch dieser für alle Stakeholder, einschließlich der Gesellschaft, ersichtlich gemacht werden soll.234 Wie in dem Bericht beschrieben, sollen alle Handlungsfelder von den drei Dimensionen: sozial, ökologisch und ökonomisch, durchdrungen sein und sich um den Kern, das Leitbild, herum anordnen. Die Handlungsfelder sowie der Zweck der Weleda stellen dabei eine Ergänzung zu dem bisherigen Leitbild dar.235 Unter diesem Zweck ist laut Mackay zu verstehen, dass die Weleda eine gewisse Verantwortung übernimmt und den dazu nötigen Mut hat, diese auch entgegen jeglicher Kritik und „[…] aus der Sache heraus und nicht weil das andere auch machen“236 umzusetzen. Darunter versteht die Weleda ihren „Purpose“237, woran sie ihre Aufgabenstellung „Inspired by Anthroposophy we dare to make a difference“238 orientiert. Sie will also einen Unterschied machen, indem sie zu ihrer anthroposophischen Haltung steht und dementsprechend ihren Beitrag leistet, was anhand der sieben in Abbildung 3 illustrierten Handlungsfelder in die Praxis umgesetzt werden soll.

230 Mackay (2019), Anhang S. 106. 231 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 105f. 232 Weleda AG (2018), S. 6. 233 Weleda AG (2018), S. 6. 234 Vgl. Weleda AG (2018), S. 6ff. 235 Vgl. Weleda AG (2018), S. 6. 236 Mackay (2019), Anhang S. 93. 237 Mackay (2019), Anhang S. 93.; Weleda AG (2018), S. 5. 238 Mackay (2019), Anhang S. 93.; Weleda AG (2018), S. 5. 44

Abbildung 3: Die sieben Handlungsfelder der Nachhaltigkeit239

Im Folgenden werden die Handlungsfelder genauer vorgestellt, erörtert und den Analysebereichen Unternehmensleitbild, Personalführung und Produktion zugeordnet, sofern dies als sinnvoll erscheint.

5.1.2.1.1. Management und Finanzen Das Handlungsfeld Management und Finanzen ist dem Bereich des Unternehmensleitbildes zuzuordnen. Es umfasst alle Versprechen und Zielsetzungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit, ökonomischer Resilienz und übergeordneter Strategien. Dabei werden insbesondere die Kundenorientierung sowie die Nachhaltigkeit im Sinne einer neuen Zertifizierung als B-Corp angesprochen, welche die Weleda bis spätestens 2022 erhalten möchte. B-Corp steht für B- Corporation, eine international anerkannte Nachhaltigkeitszertifizierung, die auf der übergeordneten Unternehmensebene vergeben wird und somit für die gesamte Weleda Gruppe angestrebt wird. Derzeit prüft die Weleda, welche Kriterien für eine Zertifizierung zu erfüllen sind, um „[…] die höchsten Sozial- und Umweltstandards […]“ zu erfüllen, „[…] um Gewinn und Sinnhaftigkeit in Einklang zu bringen.“240 Weltweit sind über 3.000 Unternehmen in 64

239 Weleda AG (2018), S. 7. 240 Weleda AG (2018), S. 37. 45 verschiedenen Ländern zertifiziert, darunter beispielsweise auch Sympatex Technologies (Unterföhring, Deutschland) und Esterhazy Wein GmbH (Trausdorf an der Wulka, Österreich).241

Um die Wirtschaftlichkeit und Resilienz zu erhalten bzw. auszubauen setzt die Weleda auf die sogenannte Wertschöpfungsrechnung. Diese Rechnung zeigt laut dem Geschäftsbericht, „[…] wie das wirtschaftliche Handeln [der Weleda] einen Wert für die Gesellschaft generiert.“242 Anders als bei der gängigen Kapitalerfolgsrechnung, liegt der Wertschöpfungsrechnung nicht eine gewinnorientierte Shareholder-Perspektive, sondern eine gemeinwohlorientierte Stakeholder- Perspektive zugrunde. Das heißt, „in der Wertschöpfungsrechnung wird dargestellt, mit welchem Aufwand eine Unternehmensleistung erbracht und wie die erzielte Wertschöpfung ‚an die Mitarbeitenden (Einkommen), an Kapitalgeber (Dividenden, Zinsen), und gemeinnützige Institutionen (Spenden) sowie an die Öffentlichkeit (Steuern) verteilt werden kann‘ bzw. verteilt wurde.“243

5.1.2.2. Die Personalführung 5.1.2.2.1. Sinnvolles und gutes Arbeiten Unter dem Handlungsfeld Sinnvolles und gutes Arbeiten werden, ergänzend zu den bereits in den fünf Prinzipien genannten Maßnahmen, weitere wichtige Personalführungsmaßnahmen aufgeführt. Dazu gehört die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Work-Life-Balance bzw. die Berücksichtigung gesundheitlicher Bedürfnisse sowie die Berücksichtigung der individuellen Lebenszyklen, welche sich vorwiegend am Alter der Beschäftigten ausrichten.244

Die Weleda versteht sich als „Ort der menschlichen Entwicklung an gemeinsamen Aufgaben“245 und so heißt auch das Leitziel, welches bis 2022 erfüllt werden soll. Dazu gehören beispielsweise die „Weltweite Weiterentwicklung der Weleda Kultur und Identität“246 mit Hilfe des international durchgeführten Projekts: „Weleda Identity and Core Values“247 oder das Talent-Management- Programm, in dem die „Selbstverwaltung und Selbstorganisation in der Leistungs- gemeinschaft“248 gestärkt werden soll.249 Bereits erfolgreich etabliert sind solche Maßnahmen wie das Programm „WE CARE – Beruf und Angehörigenbetreuung vereinbaren“250, bei dem

241 Vgl. B Lab (2019). 242 Weleda AG (2018), S. 37. 243 Weleda AG (2018), S. 37. 244 Vgl. Weleda AG (2018), S. 30. 245 Weleda AG (2018), S. 26. 246 Weleda AG (2018), S. 26. 247 Weleda AG (2018), S. 26. 248 Weleda AG (2018), S. 26. 249 Weleda AG (2018), S. 26. 250 Weleda AG (2018), S. 26. 46 insbesondere auf die Lebenszyklen der Beschäftigten Rücksicht genommen wird. Neben sozialen, kulturellen und wissensfördernden Angeboten, bietet die Weleda unter anderem auch Yogakurse (nur in der Schweiz und Deutschland) an, welche die Resilienz der Beschäftigten stärken sollen.251

In Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf können solche Maßnahmen wie etwa die flexible Arbeitszeitgestaltung, Elternzeit oder Kinderbetreuungsangebote aufgezählt werden. Die Weleda Deutschland wird seit 2012 durch die berufundfamilie Service GmbH für ihren Einsatz in Bezug auf eine familiengerechte und lebensbewusste Gestaltung der Personalpolitik zertifiziert.252

5.1.2.2.2. Kulturelle und gesellschaftliche Beziehungen und Entwicklung Die Weleda ist seit ihrer Gründung international tätig. Darum setzt sich das Unternehmen seit Beginn mit dem Thema kultureller Vielfalt auseinander und verpflichtet sich seit 2011 zu der Charta der Vielfalt, eine Arbeitgeberinitiative zur Förderung der „Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland.“253 Derzeit haben mehr als 3.000 deutsche Unternehmen die Charta unterzeichnet.254 Als weiteres Engagement verweist die Weleda im aktuellen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht (2018) auf die Mitgliedschaft am Runden Tisch der Charta der Vielfalt zur Flüchtlingshilfe255 und auf das Programm „Vielfalt gewinnt!“256, welches neben der allgemeinen Diversität insbesondere die Förderung von Menschen mit Fluchterfahrung aufgreift.257

Viele der Versprechungen, die Weleda in Zusammenhang mit Kultur und Gesellschaft gemacht hat, werden in dem Geschäftsbericht bereits als erfüllt ausgewiesen. So zum Beispiel die interne „Gründung eines Kompetenzzentrums für Anthroposophische Pharmazie“258 oder die Erweiterung des Wirkungskreises der Weleda, die das Unternehmen beispielsweise anhand der Besucheranzahl in Schwäbisch Gmünd (25.000) bewertet oder Publikationen wie die Weleda-Nachrichten mit einer Auflage von 780.000 Exemplaren im Jahr 2018.259

Der Fokus des Leitziels „Nachhaltige und gesunde Lebensgestaltung“260 liegt auf dem neu entwickelten „Goodprint“261. Dieser Ausdruck steht in Anlehnung an den ökologischen

251 Vgl. Weleda AG (2018), S. 26.; Vgl. Heidinger et al (2019), S. 741ff. 252 Vgl. Weleda AG (2018), S. 88.; Vgl. Heidinger et al (2019), S. 741ff. 253 Vgl. Charta der Vielfalt e. V. (2019). 254 Vgl. Heidinger et al (2019), S. 741ff.; Vgl. Charta der Vielfalt e. V. (2019). 255 Weleda (2018), S. 91. 256 Weleda (2018), S. 30. 257 Vgl. Weleda (2018), S. 30, 87. 258 Vgl. Weleda AG (2018), S. 13, 30. 259 Weleda AG (2018), S. 30. 260 Weleda AG (2018), S. 6, 30. 261 Weleda AG (2018), S. 7. 47

Fußabdruck (Footprint) für Mitarbeitende und Menschen, die mit der Weleda in Verbindung stehen und „[…] durch ihr Handeln die Welt zu einem besseren Ort machen: sei es durch ihr berufliches Wirken oder durch ihr Engagement in der Freizeit.“262 Um auf diese guten Taten aufmerksam zu machen und die Mitarbeitenden oder Verbundenen weiterhin „[…] zu einem nachhaltigen Leben […]“263 zu inspirieren, ist es das Ziel der Weleda mindestens 777 „Goodsprints“264 bis 2022 zu kommunizieren.265

5.1.2.3. Die Produktion Wie bereits aus dem Firmenportrait und der Beschreibung des Leitbildes hervorgegangen ist, stellt die Weleda Naturkosmetika und anthroposophische Arzneimittel her. Hierbei legt das Unternehmen größten Wert darauf, die Rohstoffe der Produkte im Einklang mit der Natur zu gewinnen und weiter zu verarbeiten. Weleda beruft sich auf die Anwendung biologischer sowie biologisch-dynamischer Anbaumethoden, wodurch den Prinzipien der Anthroposophie genüge getan wird. Dass diese genannten Maßnahmen auch tatsächlich ihre Anwendung finden, wird nicht nur durch Auditoren überprüft und zertifiziert, sondern die Endverbraucher können sich sogar im Erlebniszentrum Schwäbisch-Gmünd einen eigenen Eindruck davon machen. Direkt neben dem Firmengebäude der Weleda können Besucher sehen wie die Rohstoffe angebaut und weiterverarbeitet werden oder Tinkturen gemischt und sich so ein eigenes Bild von Produkten und Produktion machen. Die Besucher sollen dabei nicht nur das Unternehmen besser kennen lernen, sondern auch Einblicke in die Unternehmensphilosophie und somit in die Anthroposophie erhalten.266

Wie wichtig der Weleda AG ihre Verbindung zur Natur ist, kann auch aus dem jährlich veröffentlichten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht entnommen werden. Dabei spiegeln sich in den folgenden Handlungsfeldern die für die Umwelt relevanten Unternehmensprozesse der Weleda von der Rohstoffbeschaffung bis zum Vertrieb wider.

5.1.2.3.1. Produktentwicklung und Produkte Dieses erste Handlungsfeld, das der Produktion bzw. den Produkten zugeordnet werden kann, beruht laut der Weleda auf ihrem besonderen Qualitätsversprechen, welches sich einerseits aus der 100 Prozentigen Naturzertifizierung aller Kosmetikprodukte und andererseits aus der hohen vertikalen Integration (Duftentwicklung, Qualitätskontrolle und Tinkturherstellung)

262 Vgl. Weleda AG (2018), S. 7. 263 Weleda AG (2018), S. 30. 264 Weleda AG (2018), S. 7. 265 Vgl. Weleda AG (2018), S. 30. 266 Vgl. Weleda AG (2019). 48 zusammensetzt. Beide diese Versprechen - Qualität und hohe vertikale Integration - wurden im Geschäftsbericht als erfüllt ausgewiesen. Das neue Leitziel dieses Handlungsfeldes ist die „Ansprechende und nachhaltige Verpackung“267. Hierbei sucht die Weleda gemeinsam mit ihren Marktpartnern „[…] nach besseren ökologischen Lösungen: für die Primärverpackungen (direkte Produktverpackung) […] [und] Sekundärverpackungen (Umkartons, Beipackzettel).“268 Wobei die Verpackung in Gewicht, Faltschachteln und Beipackzettel sowie die Transportverpackungen unterteilt wird. Der Schwerpunkt dieser Zielsetzung liegt auf der Erhöhung des Recyclinganteils der Verpackung und der Entwicklung neuer ökologischer Verpackungslösungen. Abgesehen von einem einzigen Ziel werden alle anderen mit dem Status guter Erreichbarkeit gekennzeichnet. Der einzige Ausreißer, einen mindestens 65 Prozentigen Anteil an Recyclingmaterial oder Biokunststoffen in Bezug auf das Gewicht zu erreichen, ist mit dem Status sehr schwerer Erreichbarkeit ausgezeichnet.269

Mit mehr als 1000 Arzneimitteln ist die Arzneimittelsparte das erste Standbein der Weleda. Jedoch ist das pharmazeutische Geschäftsfeld komplex und befindet sich - speziell für die Weleda - im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Verantwortung für die Anthroposophische Medizin. Diese beiden Pole in Einklang zu bringen ist eine der herausfordernden und dauerhaften Aufgaben der Weleda, bei deren Umsetzung die Kollegiale Führung in der Praxis erprobt wird. So wurde ein Team mit „erweiterte[n] Entscheidungsbefugnisse[n] und Gestaltungsspielräume[n] […]“270 gegründet, das sich dieser Problematik annimmt.271 Bisherige Erkenntnisse des Pilotprojekts in Bezug auf die Kollegiale Führung sind, dass dieses zwar zeitintensiv ist, jedoch insbesondere der Teamgeist, die Motivation und Arbeitsbereitschaft der Teammitglieder maßgeblich gesteigert werden konnten.272

Als letzter wichtiger Punkt dieses Handlungsfeldes ist die Ideenwerkstatt anzuführen. Diese wurde 2018 ins Leben gerufen, um einen Ort zu schaffen, an dem Innovationen entstehen und gezielt weiterentwickelt werden können. Im Interview mit Sabine Sassine (Natural Beauty des globalen Marketings) und Bernhard Irrgang (Leiter Forschung und Entwicklung der Naturkosmetik) werden die Ziele der Ideenwerkstatt oder auch „Idea Factory“ im Geschäftsbericht vorgestellt.273 Dabei wird deutlich, dass die Weleda bisher nicht genügend in die Entwicklung neuer Produktideen investiert hat bzw. die Ideenfindung eher unstrukturiert abgelaufen ist, obwohl diese

267 Weleda AG (2018), S. 6. 268 Weleda AG (2018), S. 6. 269 Vgl. Weleda AG (2018), S. 8. 270 Weleda AG (2018), S. 9. 271 Vgl. Weleda AG (2018), S. 9f. 272 Vgl. Weleda AG (2018), S. 9ff. 273 Vgl. Weleda AG (2018), S. 12. 49 ein „[…] zentraler Pfeiler der Wachstumsstrategie“274 ist. Auch wurden die realen Kundenbedürfnisse nicht ausreichend in den Prozess miteinbezogen, was ebenfalls durch die Ideenwerkstatt verbessert werden soll. Frau Sassine und Herr Irrgang resümieren nach einem Jahr, dass noch ein weiter Weg vor ihnen liegt, sie jedoch den richtigen Weg gewählt haben.

5.1.2.3.2. Regenerative Landwirtschaft und Biodiversität Das Qualitätsversprechen der Weleda beruht jedoch nicht nur auf den Verpackungsmöglichkeiten und Innovationen, sondern hauptsächlich auf der regenerativen Landwirtschaft und Biodiversität, die das Fundament der Naturkosmetika und Arzneimittel darstellen. Obwohl der Anteil zertifizierbarer biologischer Rohstoffe, die die Weleda verwendet, bereits einen Anteil von 81 Prozent ausmacht, besinnt sich das Unternehmen mit dem neuen Leitziel „gesunde Böden“275 wieder auf seine Wurzeln der Anthroposophie. Denn eine intakte Bodenkultur hat Rudolf Steiner bereits in seinen Vorträgen über die biologisch-dynamische Landwirtschaft als wichtiges Kriterium des Naturkreislaufs beschrieben.276 Für die Weleda sind gesunde Böden als Basis aller Produkte die unabdingbare Voraussetzung und essenziell für den Wirkungsgrad und die Qualität dieser. Substanziell ist dafür auch die biologische Vielfalt, für deren Erhalt sich die Weleda aktiv einsetzt.277

Das Leitziel konkretisiert sich unteranderem darin, dass die Weleda gemeinsam mit dem Demeter- Bund versucht, den Anteil der Rohstoffe mit Demeter-Qualität auf 30 Prozent zu erhöhen, wobei dies auf die Rohstoffe „Rohr- und Rübenzucker, Olivenöl, Sonnenblumenöl [und] Jojobaöl“278 beschränkt wird. Unter Demeter-Qualität sind all jene Rohstoffe zu verstehen, die nach dem anthroposophischen Konzept biologisch-dynamischer Landwirtschaft angebaut werden und somit nicht mit Bio-Rohstoffen gleichzusetzen sind. Dieses Ziel ist allerdings als schwer erreichbar deklariert, was darauf zurückzuführen ist, dass es eine vergleichsweise geringe Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben gibt, die nach diesem Konzept produzieren. Aus diesem Grund setzt sich die Weleda auch aktiv für die Förderung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft sowie der Biodiversität ein. Neben der Kooperation mit dem Demeter-Bund setzt die Weleda auf langfristige und nachhaltige Beziehungen zu all ihren Rohstofflieferanten.279

Ein besonderes Augenmerk legt die Weleda in diesem Geschäftsbericht auf die Bienenvölker, die für die Biodiversität unabdingbar sind, und vor allem unter dem vorwiegenden Anbau von

274 Weleda AG (2018), S. 12. 275 Weleda AG (2018), S. 6. 276 Vgl. Steiner (1924), GA327, S. 43. 277 Weleda AG (2018), S. 6, 16f. 278 Weleda AG (2018), S. 14. 279 Vgl. Weleda AG (2018), S. 14. 50

Monokulturen und dem Einsatz von Pestiziden sowie chemischen Düngemitteln leiden. Dem wirkt die Förderung biologisch-dynamischer und auch rein biologischer Landwirtschaft entgegen. Des Weiteren unterstützt die Weleda mit ihrem Magazin „Werde“ seit 2017 das Freie Institut für ökologische Bienenhaltung „ProBiene“ in Stuttgart.280

5.1.2.3.3. Respektvolle Lieferkette Hand in Hand mit dem Bestreben, die regenerative Landwirtschaft und Biodiversität zu fördern, geht die Auswahl passender Lieferanten, die die benötigten Rohstoffe nach biologischen bzw. biologisch-dynamischen Kriterien anbauen. Hierzu kooperiert die Weleda mit mehr als 50 Partnern weltweit und legt großen Wert darauf mehr Transparenz bezüglich externer Kosten entlang der Lieferkette zu schaffen, um so die wahren Kosten der Produkte besser offen zu legen und für die Verbraucher nachvollziehbar zu machen. Denn vergleichbare Produkte, die zu günstigeren Preisen angeboten werden, rechnen oft die negativen externen Effekte nicht ein und nehmen schlechte Arbeitsbedingungen, unfaire Löhne oder auch die Zerstörung der Umwelt in Kauf. Um die Transparenz zu gewährleisten und soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, ist Weleda unteranderem seit 2011 Mitglied der der Union for Ethical Bio Trade (UEBT), ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, dass Rohstoffe in ethischer Art und Weise gehandelt werden. Konkret unterstützt der „[…] UEBT•Standard Unternehmen dabei, ihre Prozesse zur Rohstoffgewinnung so zu gestalten, dass sie zum Wohl der beteiligten Menschen und ihrer Umwelt beitragen.“281 Für die Verbraucher ersichtlich werden die Bemühungen der Weleda einerseits aus dem Geschäftsbericht und andererseits durch den Aufdruck des UEBT-Siegels, welches die Weleda seit 2018 auf allen Produktverpackungen abbilden darf. Denn seit dieser Zeit wird das Unternehmen als „[…] erstes europäisches Unternehmen […]“282 von der UEBT zertifiziert.283 Des Weiteren ist Weleda Mitglied am Roundtable on Sustainable Palmoil (RSPO) und beim Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP). Beide Organisationen setzten sich für eine nachhaltige Palmölgewinnung ein.

Zusätzlich dazu ist die generelle Klimabelastung durch den internationalen Handel ein Thema, dem sich die Weleda in Bezug auf ihr verabschiedetes Leitziel „Transparenz zu wahren Kosten“284 widmet. Denn laut dem Geschäftsbericht liegt darin „ein Großteil unseres ökologischen Fussabdrucks […].“285 Neben 50 weltweiten Anbauprojekten, wie beispielsweise

280 Vgl. Weleda AG (2018), S. 15. 281 Weleda AG (2018), S. 21. 282 Weleda AG (2018), S. 20. 283 Vgl. Weleda AG (2018), S. 18f. 284 Weleda AG (2018), S. 18. 285 Weleda AG (2018), S. 6. 51 der Umstellung der Energieversorgung des Jojoba-Anbaus in Ägypten auf Sonnenergie, wurden 2018 zwei weitere Pilotprojekte im Anbau von Calendula und Granatapfel gestartet. Beide werden im Geschäftsbericht mit dem Status guter Erreichbarkeit bewertet. Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Biodiversität und zur Sicherstellung besserer Arbeitsbedingungen zählen beispiels- weise der gleichzeitige Schutz von bedrohten Skorpionarten und den Erntehelfern durch ein Notfallserum auf Sesamplantagen in Mexiko oder eine Versicherung bei schlechtwetterbedingten Ernteausfällen auf den Lavendelfeldern in Moldawien.286

Seit 2019 arbeitet die Weleda außerdem mit der Stiftung „Borneo Orangutan Survival“ (BOS) zusammen „[…] und finanzier[t] die Wiederaufforstung eines Orang•Utan•Habitats im indonesischen Teil der Insel Borneo.“287

5.1.2.3.4. Nachhaltige Standorte, Produktion und Logistik Dieses Handlungsfeld ist das letzte, welches dem übergeordneten Bereich der Produktion zugeordnet werden kann. Es befasst sich konkret mit der Verbesserung der Ökobilanz der Produktionsstandorte und der gesamten Logistik von Weleda. Aus diesem Grund ist das Leitziel auch auf die „Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks“288 gerichtet, um die Umwelt zu entlasten und gleichzeitig Kosten zu reduzieren.289 Das Leitziel konkretisiert sich in acht Zielsetzungen wie beispielsweise der Reduktion der Energie-, Trinkwasser- und Abfallintensität, die um jährlich 2,5 Prozentpunkte gesenkt werden sollen. Diese drei Bereiche markieren für die Weleda wesentliche Umweltkennzahlen. Sie werden „[…] im Verhältnis zur Herstellungsmenge von Fertigprodukten bzw. Produktinhalt[en]“290 gemessen. Des Weiteren soll der Anteil erneuerbarer Energiequellen in allen Verbundunternehmen, Packmittelherstellern und Lohnerstellern auf 100 Prozent erhöht werden. Allerdings werden 75 Prozent der Zielsetzungen als schwer oder sehr schwer erreichbar deklariert und somit erscheinen nur zwei Ziele als gut erreichbar. Dass sich die Weleda dennoch auf einem guten Weg befindet markieren solche

Meilensteine wie die Klimaneutralität von Weleda Benelux, wo 2018 mehr als 350 Tonnen CO2 kompensiert werden konnten.291

286 Vgl. Weleda AG (2018), S. 20. 287 Weleda AG (2018), S. 21 288 Weleda AG (2018), S. 22. 289 Vgl. Weleda AG (2018), S. 22ff. 290 Weleda AG (2018), S. 25. 291 Vgl. Weleda AG (2018), S. 22ff. 52

5.2. Grundsätze und Merkmale anthroposophisch motivierter Unternehmensführung Ausgehend von der Analyse des Unternehmensleitbildes, der Personalführung und der Produktion der Weleda AG, können die folgenden anthroposophischen Grundsätze und Merkmale identifiziert werden, die das Unternehmen berücksichtigt und umsetzt.

Unternehmensleitbild: Zweck und Vision fügen sich in dem Unternehmensleitbild der Weleda zusammen und basieren klar auf einer anthroposophischen Weltanschauung. Das Leitbild richtet sich auf eine ganzheitliche Betrachtung von Mensch und Natur, die als Einheit und Teil eines großen Ganzen verstanden werden. Die Zielsetzungen werden dementsprechend an sozialen und ökologischen Aspekten ausgerichtet. Entsprechend den drei Säulen der Nachhaltigkeit wird jedoch dem Profit und damit der ökonomischen Komponente noch immer eine hohe Bedeutung zugemessen. Obgleich Herr Mackay und auch der Geschäftsbericht die neue Ausrichtung auf den Zweck bzw. Purpose hervorheben, wird der Profit noch nicht als bloße Notwendigkeit gesehen. Aus diesem Grund erfüllt die Weleda nicht alle aus der Literatur klassifizierten Grundsätze anthroposophisch motivierter Unternehmensführung. Es werden hinsichtlich der anthroposophischen Grundsätze und Merkmale in Bezug auf das Unternehmensleitbild die folgenden Punkte erfüllt:

 Der Unternehmenszweck der Weleda bildet gemeinsam mit der Vision die Grundlage unternehmerischen Handelns und basieren auf einem anthroposophischen Weltbild. Das Unternehmen kann als von der Gesellschaft legitimiert angesehen werden.  Der Mensch wird ganzheitlich und in seinem Kontext eingebettet verstanden, wodurch die Bedürfnisse der Beschäftigten sowie der Gesellschaft berücksichtigt werden.

Bisher nur teilweise wird die im Sinne der Anthroposophie gestaltete Verbindung ökologischer, sozialer und ökonomischer Belange erfüllt, da dem Profit keine nachgelagerte Stellung beigemessen wird.

Personalführung: Im Bereich der Personalführung bzw. aller personalpolitischen Maßnahmen vermittelt die Weleda den Eindruck, dass die Beschäftigten als mündige Menschen behandelt werden und ihnen ausgesprochen viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung und –bildung gegeben werden. Außerdem werden durch die Implementierung der kollegialen Führung die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen Verantwortung zu übernehmen sowie sich dabei freier zu entfalten und zu entwickeln, explizit gefördert. Die Vorstellungen Steiners über die Vergütung werden allerdings nicht realisiert. Aufgrund mangelnder Informationen über die tatsächliche Entlohnungsstruktur, kann jedoch nur geschlussfolgert werden, dass eine Vergütung im Sinne Steiners nie möglich ist, sobald die Unternehmung nicht vollständig genossenschaftlich geführt 53 wird. Das heißt, solang die Beschäftigten nicht, wie von Steiner vorgesehen, ihrer eingebrachten Arbeit entsprechend am erwirtschafteten Erlös beteiligt werden, findet keine Vergütung im strikten anthroposophischen Sinne statt. Allerdings wird die Bedingung der Kapitalneutralisation im Großen und Ganzen erfüllt, da die Weleda ein Stiftungsbetrieb ist.

Die Weleda erfüllt hinsichtlich der Personalführung die folgenden anthroposophischen Grundsätze:

 Die Beschäftigten werden als mündige Menschen verstanden, die in der Lage sind, frei zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Dies wird insbesondere durch die Kollegiale Führung betont und gelebt.  Mit der kollegialen Führung einher, geht auch die Erfüllung eines umfassenden Rechtes auf Mitbestimmung.  Da der Mensch ganzheitlich betrachtet wird, das heißt, es werden Körper, Geist und Seele sowie der Kontext bestehend aus Natur und Kosmos berücksichtigt, werden seine Bedürfnisse geachtet und insbesondere seine Entwicklung explizit und umfassend gefördert.  Die Beschäftigten werden nicht als Ware oder Ressource behandelt und das Kapital wird durch die Stiftungsform der Weleda neutralisiert.

Nicht anthroposophisch, aber dennoch am Menschen orientiert, gestaltet sich das Vergütungssystem der Weleda AG, welches laut Paul Mackay dem der GLS Bank sehr ähnlich ist und daher aus der Analyse der GLS Bank Rückschlüsse auf die Weleda möglich sind.

Produktion: Die Produktion und alle entstehenden Produkte der Weleda könnten aufgrund ihrer Beschaffenheit ein Musterbeispiel für die Umsetzung anthroposophischer Grundsätze sein. Denn für kaum eine andere Branche gibt es solch klare Konzepte wie für den landwirtschaftlichen Anbau. Und dennoch produziert die Weleda nicht all ihre Rohstoffe nach dem Konzept biologisch- dynamischer Landwirtschaft und strebt derzeit auch nicht das Ziel einer 100 Prozentigen Rohstoffherstellung an. Trotzdem setzt sich die Weleda für die biologisch-dynamische Landwirtschaft ein und auch die Förderung biologischer Landwirtschaft ist im Gegensatz zu der Nutzung oder gar Unterstützung nicht-biologischer Methoden positiv zu bewerten. Die klassifizierten Grundsätze anthroposophischer Unternehmensführung werden als erfüllt angesehen, da eine Produktion frei von jeglichen negativen externen Effekten kaum möglich ist:

54

 Weder der Produktionsprozess noch die Produkte der Weleda sind ausbeuterisch gestaltet und es wird großen Wert daraufgelegt, dass keine schädigende Wirkung auf Mensch und Umwelt entfaltet wird.  Produktionsprozess und Produkt werden auf die menschlichen Bedürfnisse abgestimmt und stetig weiterentwickelt, sodass sie auch in Zukunft der Gesellschaft dienlich sind und zu ihrer Entwicklung beitragen.

5.3. GLS Bank 5.3.1. Die Wurzeln der GLS Bank - Gemeinnützige Treuhandstelle e.V. Anders als die Weleda AG wurde die „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“ nicht zu Lebzeiten Steiners begründet, sondern findet ihren Ursprung erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1958. Zu dieser Zeit wurde in Langendreer (Nordrhein Westphalen, Deutschland) die erste Rudolf-Steiner-Schule eröffnet und entsprechend dem anthroposophischen Gedanken der Solidarität finanziert. Denn durch den Umstand, dass keine öffentlichen oder auch privaten Investoren gefunden werden konnten, beschlossen die Begründer um den Anthroposophen Wilhelm Ernst Barkhoff, die Schule gemeinschaftlich zu finanzieren.292 Ausgehend von diesen finanziellen Startschwierigkeiten entwickelte sich zunächst die Idee „[…] eine Brücke zu bauen zwischen der Geldanlage auf der einen und der gesellschaftsgestaltenden Geldverwendung auf der anderen Seite“293 und daran anknüpfend ein Modell der Leih- und Schenkgemeinschaft.294

Idee und Modell wurden Mitte 1961 mit der Begründung des Vereins „Gemeinnützige Treuhandstelle e.V.“, kurz GTS, realisiert. Ziel der Treuhandstelle war es, gemeinnützige Projekte und Initiativen wie Rudolf-Steiner-Schulen (gleichbedeutend mit Waldorfschulen) oder bestimmte landwirtschaftliche Betriebe zu unterstützen und zu deren Verwirklichung beizutragen. Dazu trat die GTS als Vermittlerin zwischen die Menschen, die Geld gemeinnützig einsetzen wollten (also schenken) und die Projekte, die finanzieller Unterstützung bedurften.295 Allerdings wuchs nicht nur die Nachfrage nach Möglichkeiten der Schenkung bzw. Spende stetig, sondern auch die nach Krediten, wodurch es 1968 zur Bildung der Gemeinnützigen Kredit-Garantiegenossenschaft (GKG) und am 12. August 1974 schließlich zur Gründung der GLS Gemeinschaftsbank e.G. in Bochum kam.296

292 Vgl. GLS Bank (2019). 293 Neukirch (2012) in Lenz (2019), S. 32f. 294 Vgl. GLS Bank (2019). 295 Vgl. GLS Treuhand (2019).; Vgl. Lenz (2019), S. 33. 296 Vgl. GLS Treuhand Chronologie (2019), S. 1.; GLS Bank (2018), S. 16. 55

Die 2005 in GLS Treuhand e.V. umbenannte GTS besteht bis heute und ist „[…] als enge Kooperationspartnerin der GLS Bank im Stiftungs- und Schenkungssegment tätig.“297 Dabei ist sie keine Tochtergesellschaft der GLS Bank, sondern rechtlich wie organisatorisch von ihr unabhängig.298 Zu den Tätigkeiten der GLS Treuhand e.V. gehören unter anderem die Beratung und Betreuung von Stiftungsgründern und Stiftungen.299

5.3.2. Die GLS Bank von 1974 bis heute Die GLS Gemeinschaftsbank e.G., kurz GLS Bank, ist ein genossenschaftlich geführtes Kreditinstitut. Dies bedeutet, dass die Mitglieder der Bank Anteile erwerben und diese wiederum das Fundament des Bankgeschäfts bilden. Zum Ende des Geschäftsjahres 2018 zählte die Bank 52.222 Mitglieder, deren Anteile „[…] den überwiegenden Teil des Eigenkapitals […]“300 darstellen.301

Das Kerngeschäft der GLS Bank besteht, wie bei anderen klassischen Banken auch, in der Vergabe von Leih- oder Kreditgeld. Dabei fungiert sie für ihre privaten oder firmen Mitglieder und KundInnen wie eine Hausbank und bietet alle Leistungen von Girokonten über Wertpapierdepots und Beratungen an. Besonders hingegen ist die Genossenschaftsform und wie die GLS Bank mit dem eingebrachten Geld umgeht, das heißt, in welche Projekte, Institutionen und Unternehmungen das Geld der Mitglieder investiert bzw. angelegt wird. 302

Als Genossenschaftsbank ist jedes Mitglied auch gleichzeitig Miteigentümer der Bank und hat gewisse Mitspracherechte. Selbst versteht sich die GLS Bank als „[…] von Menschen gestaltet und getragen“303, was wiederum auf die anthroposophischen Gründungsimpulse zurückgeführt werden kann.

Geprägt durch ihre anthroposophische Motivation und die Umsetzung in verschiedenste ökologische und soziale Unternehmungen, zählt die GLS Bank zu den ethischen Geldinstituten, die unter den Begrifflichkeiten Ethical Banking oder Socially Responsible Investment (SRI)304 zusammengefasst werden. Ethische Bankinstitute verzeichnen insbesondere seit der Finanzkrise (2007/2008) einen regen Zuwachs an Kunden, da der Wunsch der Bevölkerung, negative Effekte

297 Vgl. GLS Treuhand Chronologie (2019), S. 2.; Vgl. GLS Bank (2018), S. 10. 298 Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 113ff..; Vgl. GLS Bank (2018), S. 28. 299 Vgl. GLS Bank (2018), S. 10. 300 GLS Bank (2018), S. 9. 301 Vgl. GLS Bank (2018), S. 9f. 302 GLS Bank (2018), S. 9. 303 GLS Bank (2018), S. 16. 304 Vgl. Lenz (2019), S. 9. 56 der Geschäftspraxis von Banken zu begrenzen, kontinuierlich steigt.305 Auch die GLS Bank erfreut sich seitdem über eine stetig zunehmendem Mitglieder- und Kundenzahl.306 Mit rund 582 Beschäftigten, über 52.000 Mitgliedern, 4.668 Mio. Euro Kundeneinlagen und 3.353 Mio. Euro Kundenkrediten ist sie derzeit Deutschlands größte ethische Bank.307

Im Gegensatz zu klassischen Banken kennzeichnen sich ethische Banken durch die explizit nicht rein ökonomische Ausrichtung, sondern die Integration sozialer und ökologischer Belange. Dabei unterscheiden sich die ethischen Banken selbst wiederum dadurch, welche Stellung die drei Aspekte ökonomisch, ökologisch und sozial einnehmen. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass sie mindestens gleichgestellt sein müssen und das Ökonomische niemals vorrangig behandelt werden darf.308 Die GLS Bank legt den Fokus ihres Bankgeschäfts klar auf das soziale, ökologische und kulturelle Engagement.309 Obgleich sie alle drei Aspekte (sozial, ökologisch und ökonomisch) darin integriert, wird insbesondere die Verneinung eines „[…] ökonomische[n] Maximierungsprinzips […]“310 betont.

So engagiert sich die GLS Bank für anthroposophisch motivierte Unternehmungen wie etwa die Weleda AG, welche als „langjährige Kundin“311 unter anderem durch die Weleda Fonds I (Emissionsjahr 1998) und II (2005/6)312 finanziell unterstützt wurde und weiterhin wird. Des Weiteren investiert und fördert die GLS Bank viele weitere Projekte, Unternehmen und Institutionen aller Art, deren Aktivitäten und Zielsetzungen mit ihren eigenen Werten übereinstimmen und „[…] dem Anspruch gerecht werden, kreative Lösungen zu entwickeln, um dadurch gesellschaftlichen Wandel nachhaltig zu verändern.“313 Weitere Beispiele hierfür sind die Förderung regenerativer Energien, wodurch eine Kooperation zwischen der GLS Bank und der Bosch Solar Energy AG entstanden ist und im Jahr 2009 Solarparks gebaut wurden314 oder die Landwirtschaftsfonds I (1992) und II (1995), aus denen später die BioBoden Genossenschaft hervor ging.315 Nach eigenen Angaben ist die GLS Bank die „[…] erste sozial ökologische Universalbank der Welt“.316

305 Vgl. Lenz (2019), S. 1.; Vgl. Forum Nachhaltige Geldanlagen (2018), S. 15. 306 Vgl. Strawe (2011), S. 682. 307 Vgl. GLS Bank (2018), S. 10ff.; Vgl. GLS Bank (2019). 308 Vgl. Lenz (2019), S. 2f. 309 Vgl. GLS Bank (2018), S. 16. 310 Vgl. GLS Bank (2018), S. 16. 311 GLS Bank (2019). 312 Vgl. GLS Weleda Fonds (2019). 313 Lenz (2019), S. 34.; GLS Bank (2018), S. 9. 314 Vgl. Lenz (2019), S. 33. 315 Vgl. GLS Treuhand Chronologie (2019) S. 2.; Vgl. BioBoden Genossenschaft (2019). 316 GLS Bank (2018), S. 16. 57

Gemeinsam mit anderen Gesellschaften bildet die GLS Bank den GLS Konzern und erweitert so ihr Handlungsfeld und Produkt- bzw. Dienstleistungsportfolio. Hierzu gehören die GLS Treuhand e.V., die GLS Bank Stiftung, die GLS Beteiligungs AG und die GLS ImmoWert GmbH.317 Im Vergleich zu den anderen Gesellschaften prägt die GLS Bank jedoch aufgrund der Höhe ihrer Bilanzsumme und Mitarbeitendenzahl den Konzern am deutlichsten.318

Wie bereits beschrieben, kooperiert die GLS Treuhand e.V. mit der GLS Bank und bildet die zweite tragende Säule des Konzerns. Gemeinsam haben sie die Initiative GLS Bank Stiftung ins Leben gerufen, die sich dafür engagiert, ein Bewusstsein in der Bevölkerung dafür zu schaffen, „[…] dass Geld ein soziales und gesellschaftliches Gestaltungsmittel ist“319 und sich unter der Berücksichtigung ökologischer Rahmenbedingungen am Menschen orientieren sollte.320

Die GLS Beteiligungs AG ist eine Tochtergesellschaft der GLS Bank, welche dem Beteiligungsgeschäft zuzuordnen ist und somit, neben dem Bankgeschäft sowie dem Stiftungs- und Schenkgeschäft, die dritte und letzte Säule des Konzerns. Die Entwicklung „[…] individuelle[r] Eigenkapitallösungen für sinnvolle Unternehmen und Projekte aus den Branchen erneuerbare Energien, ökologische Ernährung sowie nachhaltige Wirtschaft“321 gehört zu ihren Aufgaben.

Ebenfalls eine Tochtergesellschaft der GLS Bank, welche jedoch nicht von solch tragender Bedeutung für den Konzern ist, ist die GLS ImmoWert GmbH. Sie erweitert das Portfolio um die Bewertung von Immobilien.322

Die Geschäftstätigkeiten der GLS Bank sowie des gesamten Konzerns beschränken sich unter Berücksichtigung von Ausnahmen auf Deutschland. Neben dem Hauptsitz in Bochum gibt es Filialen in München, Stuttgart, Freiburg, Hamburg und Berlin.323

5.3.2.1. Das Unternehmensleitbild Die Kurzschreibweise GLS steht für Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, wobei die Bezeichnung als Gemeinschaftsbank das tiefliegende und anthroposophisch begründete Selbstverständnis der GLS Bank symbolisiert. Es bedeutet, „[…] dass die menschliche Gemeinschaft und gegenseitige Solidarität ein wesentliches Fundament […]“324 der Bank und

317 GLS Bank (2018), S. 9. 318 GLS Bank (2018), S. 9ff. 319 GLS Bank (2018), S. 9. 320 GLS Bank (2018), S. 9.; Vgl. GLS Bank Stiftung (2019). 321 GLS Bank (2018), S. 9. 322 GLS Bank (2018), S. 9. 323 Vgl. GLS Bank (2018), S. 10f. 324 GLS Bank (2018), S. 9. 58 ihrer Geschäftstätigkeit sind. Auf diesem Fundament stehen die genannten Säulen bzw. Tätigkeitsfelder, die unter den Begriffen Leihen und Schenken zusammengefasst werden. Das Leihen steht hierbei für Leih- und Kreditgeld, womit auf das Bank- und Beteiligungsgeschäft verwiesen wird. Unter dem Schenken sind verschiedene Formen unentgeltlicher Überlassungen zu verstehen. Hierzu zählen beispielsweise das Stiften oder Vererben von Geld. Somit steht der Begriff des Schenkens für das Stiftungs- und Schenkungsgeschäft325, welches eine „[…] wesentliche Ergänzung […]“326 zu den klassischen Geschäftsbereichen darstellt und von der GLS Treuhand e.V. durchgeführt wird.

Die Zusammensetzung des Namens (Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken) deutet jedoch nicht nur auf die Tätigkeiten der Bank hin, sondern auch auf deren anthroposophische Wurzeln. Denn nicht nur das Fundament bestehend aus Gemeinschaft und Solidarität, sondern auch die Begriffe Leihen und Schenken lassen sich auf die soziale Dreigliederung und die Dreigliederung des Geldwesens nach Rudolf Steiner zurückführen. Wie aus seinem Nationalökonomischen Kurs zu entnehmen, muss es die drei Formen: Kaufgeld, Leihgeld und Schenkgeld geben, damit das Geldsystem nicht außer Kontrolle gerät und den sozialen Organismus wie ein Krebsgeschwür befällt (siehe Kapitel 4.2).327 Demzufolge erfüllt das Geld also eine weitaus größere und gesellschaftsgestaltende Aufgabe als den bloßen Tausch von Geld gegen Ware, worauf insbesondere die GLS Bank Stiftung durch ihr Engagement aufmerksam macht.328

Diese Grundeinstellung der GLS Bank, in der sich ihr Unternehmenszweck und ihre Vision widerspiegeln, konkretisiert sich im Unternehmensleitbild, welches die Führungskräfte gemeinsam mit den Beschäftigten erarbeitet haben:

„Es betont, dass die Achtung von dem Leben und die friedliche Koexistenz aller Kulturen, die auf individueller Freiheit und Verantwortung gegründet sind, die Grundlage unserer Arbeit bilden. Alles Handeln soll die Lebenschancen heutiger und zukünftiger Generationen bewahren und ihre Weiterentwicklung fördern. Ökologie verstehen wir ganzheitlich, im Sinne einer das Leben fördernden Einheit von Mensch und Natur.“329

Aus dem Leitbild ist das Selbstverständnis der GLS Bank zu entnehmen und klar zu erkennen, welche Werte und Prinzipien diesem zugrunde liegen. Neben dem anthroposophisch geprägten Menschenbild, welches insbesondere die individuelle Freiheit, Verantwortung und die Einheit von

325 Vgl. GLS Bank (2018), S. 9, 74. 326 GLS Bank (2018), S. 9. 327 Vgl. Steiner (1922), GA340, S. 69f.; Vgl. Rohen (2014), S. 220f. 328 Vgl. GLS Bank Stiftung (2019). 329 GLS Bank (2018), S. 17. 59

Mensch und Natur hervorhebt und den Menschen ganzheitlich erfasst330, orientiert sich die GLS Bank einerseits am Lebenswert und andererseits an grundlegenden menschlichen Bedürfnissen. Damit ist gemeint, dass sie ihr Handeln nachhaltig ausrichtet, um das Leben heutiger und zukünftiger Generationen lebenswert zu machen bzw. zu erhalten. Außerdem bezieht es sich darauf, dass der Mensch in den Mittelpunkt gestellt wird und stets danach gefragt wird: „Dient es dem Menschen?“331. Dabei gilt diese Frage nach innen wie außen, wodurch neben den Mitarbeitenden auch die Gesellschaft mit einbezogen wird. Diese Haltung ist auch anhand der Tätigkeitsfelder der GLS Bank zu erkennen, da sie sich primär auf die Förderung und Unterstützung solcher Bereiche konzentriert, welche die menschlichen Grundbedürfnisse wie die Ernährung, Gesundheit oder Bildung befriedigen. Kurz gesagt, versteht sich die GLS Bank als sinnorientiert und bringt dies in ihrem prägnanten Slogan zum Ausdruck: „GLS Bank – das macht Sinn.“332

Dabei konkretisiert sich diese Sinnorientierung nicht nur im Leitbild, sondern insbesondere in der Umsetzung durch die Führungskräfte, Mitarbeitende und etablierte Regelwerke und Maßnahmen. Insbesondere den Führungskräften kommt dabei die Aufgabe zu, als moralisches Vorbild zu fungieren sowie sich und die gesamte Organisation im anhaltenden Dialog mit den Mitarbeitenden stetig weiterzuentwickeln. So soll sich die GLS Bank als lernende Organisation entwickeln und dem Leitbild gerecht werden.333

Alle Handlungen, die die Geschäftstätigkeit der GLS Bank betreffen, werden durch die Anlage- und Finanzierungsgrundsätze angeleitet, wodurch deren Übereinstimmung mit dem Leitbild und dadurch mit den Werten und Grundsätzen der GLS Bank sichergestellt wird.334

Des Weiteren werden auch die Genossenschaftsmitglieder, KundInnen und die Öffentlichkeit im Sinne des Leitbildes in die Geschäftstätigkeit der GLS Bank mit einbezogen. Denn „[…] für einen bewussten Umgang mit Geld […] ist Transparenz eine unverzichtbare Voraussetzung.“335 Dazu verfolgt die Bank eine umfassende Offenlegungspolitik, wodurch sie es ermöglicht nachzuverfolgen, wo und wie das eingebrachte Geld eingesetzt wird. Seit 2017 entwickelt die GLS Bank auch ein Projekt mit dem Namen „Wirkungstransparenz“, welches 2019 in die Pilotphase gestartet ist und darüber Auskunft geben soll, welche sozialen und ökologischen Beiträge die GLS

330 Vgl. GLS Bank (2018), S. 18. 331 Prahl (2019), Anhang, S. 115. 332 Vgl. GLS Bank (2018), S. 18f.; Vgl. Lenz (2019), S. 34f. 333 Vgl. GLS Bank (2018), S. 10, 18. 334 Vgl. GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017); Vgl. GLS Bank Erläuterungen zu den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen (2019), S. 1. 335 Vgl. GLS Bank Erläuterungen zu den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen (2019), S. 1. 60

Bank in einem Geschäftsjahr leistet. Das heißt, es soll offengelegt werden, welche Wirkung durch die eingebrachten Gelder in der Gesellschaft erzeugt wurde.336

5.3.2.2. Die Personalführung Bei der GLS Bank nehmen die Mitarbeitenden, wie auch bei der Weleda AG, eine besondere Stellung ein, indem sie als mündige Erwachsene verstanden werden, deren Bedürfnisse zu berücksichtigen sind und denen ein erhebliches Mitspracherecht eingeräumt wird.

So besetzen Mitarbeitende drei von neun Aufsichtsratspositionen, dem höchsten Aufsichtsorgan der GLS Bank und besetzen verschiedene Funktionen der Geschäftsleitung in den verbundenen Konzerngesellschaften.337 Hiermit, sowie durch die Möglichkeit des direkten Dialogs mit dem Vorstand, wird eine unmittelbare, hierarchieübergreifende Kommunikation ermöglicht, wobei die gesammelten Interessen der Mitarbeitenden durch den sogenannten Vertrauenskreis vertreten werden. Der Vertrauenskreis wird alle drei Jahre von den Beschäftigten gewählt und besteht aus 11 Mitarbeitenden, wobei jeder Standort durch mindestens einen Mitarbeitenden repräsentiert werden muss. Da dieses Gremium im Namen der Mitarbeiterschaft an diese betreffenden Planungen mitwirkt, steht der Vertrauenskreis in ständigem Austausch mit dem Vorstand, den Führungskräften und der Stababteilung Mitarbeiterentwicklung. Dabei wird der Vertrauenskreis als eine „erweiterte Mitarbeitendenvertretung“338 verstanden, die auf Vertrauen basiert und durch die die Mitarbeitenden einen Dialog mit der Unternehmensleitung auf Augenhöhe führen können. Auch bietet diese Art der Mitarbeitendenvertretung mehr Gestaltungs- und Handlungsspielräume weswegen sie laut Herrn Prahl besser zur der Kultur der GLS Bank passt, als ein gesetzlich geregelter Betriebsrat.339 Auch die Weleda hat einen solchen Vertrauenskreis anstelle eines Betriebsrates.340

Eine Unterabteilung des Vertrauenskreises, bestehend aus fünf der 11 Mitglieder, ist der Einkommensausschuss. Dieser kümmert sich nur um die Vergütung betreffende Anliegen und berät sich dabei mit dem Vorstand und der Stababteilung „Mitarbeiterentwicklung“.341

Die GLS Bank sieht ihren Zweck darin begründet, einen Beitrag für Gesellschaft und Umwelt zu leisten, wobei sie ihre Befähigung hierzu, als von ihren MitarbeiterInnen abhängig sieht. Mit Blick auf das Leitbild bedeutet dies, dass bereits bei der Mitarbeiterauswahl auf deren Motivation und

336 Vgl. GLS Bank (2018), S. 90.; Vgl. GLS Bank Erläuterungen zu den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen (2019), S. 1.; Vgl. Lenz (2019), S. 34f. 337 Vgl. GLS Bank (2018), S. 20ff. 338 Prahl (2019), Anhang, S. 126. 339 Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 126. 340 Vgl. Mackay (2019), Anhang, S. 104, 106f. 341 Vgl. Gls Bank (2018), S. 20f., 29, 55. 61 eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen den individuellen Werten und Grundsätzen, mit denen der GLS Bank geachtet wird. Hierdurch kann gewährleistet werden, dass das Leitbild nicht nur kommuniziert, sondern auch tatsächlich gelebt wird. Denn „wer im Unternehmen GLS Bank mitarbeitet, hat sich eine besondere Aufgabe ausgesucht.“342

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, hat die GLS Bank verschiedenste personalpolitische Maßnahmen etabliert, welche die MitarbeiterInnen zusätzlich zu deren persönlichen Wertvorstellungen und Fähigkeiten dabei unterstützen, ihrer besonderen Aufgabe gerecht zu werden. Ein umfassender Onboarding-Prozess mit Veranstaltungen und Workshops bezüglich des Leitbildes der GLS Bank343 sowie eine umfassend angelegte Personalentwicklung, bilden Teile eines Rahmenwerkes, welches die Mitarbeitenden optimal unterstützen und gleichzeitig zu optimaler Leistung motivieren soll. 344

Die Mitarbeiterentwicklung, welche bei der GLS Bank die Position einer Stabstelle einnimmt, und bewusst nicht als Personalabteilung bezeichnet wird, deckt alle personalpolitischen Bereiche ab. Sie setzt sich aus dem Personalmanagement (z.B. Datenpflege zur Mitarbeiterbetreuung), der Rekrutierung (z.B. Bewerbermanagement), den Personalinformationssystemen (z.B. Kapazitätsplanungen) und der Entwicklung selbst (z.B. Aus- und Weiterbildung) zusammen. Letztere wird als für die Zielerreichung wesentlich angesehen. Dabei muss in Bezug auf Personalfragen und -handlungen sichergestellt werden, dass diese in „[…] menschlich[er], zukunftsweisend[er] und ökonomisch[er]“345 Hinsicht harmonisiert sind.346 Des Weiteren sind diese drei Aspekte, auch der Kern des Nachhaltigkeitsverständnisses der GLS Bank und stehen dann für die soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit.347

Menschlich bedeutet, dass der biographische Hintergrund der Mitarbeitenden berücksichtigt wird. Das heißt, der Fokus liegt nicht nur auf der Berufsausbildung, sondern auch auf der persönlichen Entwicklung der Beschäftigten. Dies geschieht beispielsweise durch das Programm „Mitarbeiter*innen vor Ort“348, bei dem die MitarbeiterInnen zwischen zwei bis fünf Tagen bei einem Projekt oder Betrieb mitarbeiten, den die GLS Bank unterstützt. Dieser Perspektivwechsel soll motivierend wirken, indem sich die MitarbeiterInnen darüber bewusst

342 GLS Bank (2018), S. 52. 343 Vgl. GLS Bank (2018), S. 18. 344 Vgl. GLS Bank (2018), 52f. 345 Prahl (2019), S. 6. 346 Vgl. GLS Bank (2018), 52f.; Vgl. Prahl (2019), S. 6. 347 Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 121. 348 GLS Bank (2018), S. 52. 62 werden, wofür sie arbeiten und dadurch besser bzw. mehr mit der GLS Bank und ihren Aufgaben identifizieren können.349

Zukunftsweisend steht in diesem Zusammenhang dafür, dass die GLS Bank ihr Angebot an Entwicklungschancen stets verbessert und an neue gesellschaftliche wie auch unternehmerische Bedingungen anpasst. In Bezug auf die Unternehmensleistung gibt es beispielsweise drei strategische Weiterentwicklungsziele, die sicherstellen sollen, dass die Ziele der GLS Bank auch in Zukunft erreicht werden und die MitarbeiterInnen sowie Führungskräfte auf Veränderungen vorbereitet sind bzw. wenn nötig weitergebildet werden. Das erste Ziel umfasst die fachliche Qualifikation der MitarbeiterInnen. Das zweite Ziel betrifft die Fähigkeiten der Führungskräfte, die Belange der MitarbeiterInnen sowie die Herausforderungen des sich wandelnden Bankgeschäfts wahrzunehmen und damit umgehen zu können. Das dritte und letzte Ziel bezieht sich auf die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen sich an verändernde Umgebungen und Anforderungen anpassen und im besten Fall diese proaktiv mitgestalten zu können.350

Ökonomisch konzentrieren sich die Bemühungen primär auf das Vergütungssystem und alle weiteren Kosten, die mit dem Personaleinsatz in Zusammenhang stehen.351

Die GLS Bank erläutert ihr Vergütungssystem in ihrem Nachhaltigkeitsbericht ausführlich. Ähnlich wie bei der Weleda AG wird das Gehalt bei der GLS Bank anhand eines dreiteiligen Stufenmodells ermittelt, wobei sich die Stufen aus einem Basisanteil, einem Sozialanteil und einem Funktionsanteil zusammensetzen.352 Der Basisanteil bzw. auch als Grundeinkommen bezeichnet, ist für alle Vollzeitbeschäftigten gleich. Im Gegensatz dazu richtet sich der Sozialanteil nach der persönlichen Situation der Beschäftigten und den sich daraus ergebenden individuellen Bedürfnissen. Sie beinhalten einen Kinder- und Ortszuschlag sowie einen Fahrtkostenzuschuss. Außerdem gibt es weitere Zusatzleistungen und einen Solidaritätsfond, den die Mitarbeitenden für in Not geratene KollegInnen eingerichtet haben. Der Funktionsanteil bzw. die Funktionsgruppe orientiert sich an den Tätigkeiten, welche die Mitarbeitenden ausüben sowie an ihrem Handlungsspielraum und ihrer unternehmerischen Verantwortung. Es gibt insgesamt acht Funktionsgruppen, in die die Mitarbeitenden in Absprache mit der Führungskraft, der Mitarbeiterentwicklung und dem Vertrauenskreis eingestuft werden. Demnach setzt sich die niedrigste Entlohnungsstufe aus der untersten Einkommensordnung und der Funktionsgruppe 1 zusammen, welche sich nach der Leistung eines typischen

349 Vgl. GLS Bank (2018), S. 52, 59, 61. 350 Vgl. GLS Bank (2018), 52, 60. 351 Vgl. GLS Bank (2018), 52f.; Vgl. Prahl (2019), S. 6. 352 Vgl. Mackay (2019), S. 105. 63

Bankangestellten mit einer kaufmännischen Ausbildung richtet. Abgesehen von den Vorstandsmitgliedern gilt die Einkommensordnung für alle Beschäftigten und wird jährlich von dem Vertrauenskreis in Zusammenarbeit mit der Stababteilung Mitarbeiterentwicklung überarbeitet. Inhaltliche Änderungen werden durch Abstimmung von allen Mitarbeitenden beschlossen. 353

Mit Bezug auf eine faire Ausgestaltung der Entlohnungsstufen wird die Spanne zwischen der niedrigsten und der höchsten Vergütung ermittelt. Diese beträgt bei der GLS Bank 8,4 für das Jahr 2018, was bedeutet, dass in diesem Jahr die höchste Vergütung 8,4-mal so hoch war wie die niedrigste. Der Anstieg zum Vorjahr mit einem Wert von 7,4 wird auf eine Veränderung der Funktionsgruppen zurückgeführt.354 Im Vergleich mit anderen ethischen Banken oder auch klassischen Banken ist diese Spanne trotz Anstieg weiterhin gering. Während beispielsweise die als alternatives Kreditinstitut in ihrem Geschäftsbericht von 2018 einen der GLS Bank ähnlichen Wert von 9,9 für das Jahr 2017 ausweist355, liegt die Spanne bei klassischen, profitorientierten Unternehmen wie auch Banken deutlich darüber. Wie groß die Gehaltsspanne zwischen dem am besten Verdienenden und dem am geringsten Verdienenden dabei ausfallen kann, hat die Gehaltsoffenlegung von Martin Winterkorn, Ex-CEO des VW Konzern gezeigt. Im Jahr 2014 verdiente er im Vergleich zu einem Bandarbeiter des Konzerns 350-mal so viel.356

Das Stufenmodell offenbart außerdem, dass die GLS Bank bzw. der gesamte GLS Konzern bewusst auf Leistung basierende Entlohnungsmodelle (z.B. Akkordlöhne) verzichtet und auch die Beteiligung am Erfolg der GLS Bank ausschließt. Einzig der Anspruch auf eine Woche Sabbatical (Freistellung) pro Jahr, welcher jedem Mitarbeitenden ab der Funktionsgruppe fünf und einer gewissen Dauer der Unternehmenszugehörigkeit zusteht, ist an ein positives Betriebsergebnis gekoppelt.357

Neben solchen Bedürfnissen, die die Entwicklung oder Vergütung betreffen, gibt es bei der GLS Bank ein Gesundheitsmanagement, welches sich um die „[…] körperliche, psychische und soziale Gesundheit der MitarbeiterInnen […]“358 kümmert. Damit wird auch hier die ganzheitliche Auffassung des Menschen aufgegriffen und dies durch ein breitgefächertes Angebot erlebbar gemacht. Dabei gewährleisten diverse Gesundheits- und Sportkurse (z.B.

353 Vgl. GLS Bank (2018), S. 24ff., 56f. 354 Vgl. GLS Bank (2018), S. 24ff., 56f. 355 Vgl. Triodos Bank (2018), S. 43. 356 Vgl. Lange (2014) in Spiegel-Online. 357 Vgl. GLS Bank (2018), S. 24. 358 GLS Bank (2018), S. 58. 64

Yoga) nicht nur, dass die Beschäftigten einen Ausgleich zu ihrer Tätigkeit haben und sich ihre Arbeit nicht negativ auf ihre gesundheitliche Entwicklung auswirkt, sie sollen auch präventiv wirken und nicht erst, wenn bereits Probleme aufgetreten sind.359 Zusätzlich zu diesem permanenten Angebot gibt es seit 2018 mehrere, jährlich stattfindende Workshopreihen, welche auf die Verbesserung der Vitalität der Beschäftigten und Führungskräfte ausgerichtet sind. Diese Workshops stehen mit dem Unternehmensleitbild und der Anthroposophie in enger Verbindung und wurden gemeinsam mit einem anthroposophischen Arzt konzipiert.360

Als letzten Punkt der Personalführung kann angeführt werden, dass sich auch die GLS Bank über eine Veränderung der Zusammenarbeit im Unternehmen Gedanken macht. Anders als die Weleda, die sich bereits mitten im Wandel befindet und für die Kollegiale Führung entschieden hat, hat sich die GLS Bank noch nicht auf ein bestimmtes Modell festgelegt, sondern befindet sich sozusagen noch in der Findungsphase. Es scheint jedoch festzustehen, dass eine Veränderung kommen wird, um einerseits den Herausforderungen der Branche besser entgegentreten zu können und andererseits dem zugrunde gelegten Menschenbild noch mehr entsprechen zu können.361

5.3.2.3. Die Produktion Als Universalbank bietet die GLS Bank ihren Mitgliedern und KundInnen ein breitgefächertes Angebot an Finanzdienstleistungen. Hierzu zählen unter anderem Girokonten, Bankeinlagen oder auch Vorsorgeleistungen. Die Vergabe von Leih- oder Kreditgeld markiert jedoch das Kerngeschäft.362

Zusätzlich zu dem klassischen Einlagen- und Kreditgeschäft ist die GLS Bank im Fondgeschäft tätig und bietet ihren Mitgliedern und KundInnen seit 1986 die Möglichkeit in sozial oder ökologisch motivierte Fonds wie beispielsweise Klimafonds oder AI – Mikrofinanzfonds anzulegen.363 Aber auch die Investition in Aktienfonds ist möglich. Entscheidendes Kriterium für die Anlage oder die Finanzierung von Unternehmungen sowie Institutionen und somit für das gesamte Repertoire der Bankgeschäfte, ist die Erfüllung der Anlage- und Finanzierungsgrundsätze der GLS Bank.364

359 Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 121f. 360 Vgl. GLS Bank (2018), S. 58. 361 Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 123f. 362 Vgl. GLS Bank (2018), S. 9.; Vgl. Lenz (2019), S. 36f. 363 Vgl. GLS Bank (2018), S. 16.; GLS Bank (2019).; Vgl. Lenz (2019), S. 37. 364 Vgl. GLS Bank (2018), S. 76. 65

Diese Grundsätze beinhalten einerseits allgemeingültige Handlungsrichtlinien wie beispielsweise die Achtung der Biodiversität, kultureller Vielfalt und der Gesamtheit des Menschen (Körper, Seele und Geist). Andererseits beinhalten sie spezifische Leitlinien für das Bankgeschäft, welche sich explizit auf ökologische und soziale Kriterien berufen. Dabei bewertet die GLS Bank jedes mögliche Bankgeschäft und auch die Eigenanlagen anhand von Ausschluss- und Positivkriterien, die durch einen vielschichtigen Prozess erhoben werden.365

Die Ausschlusskriterien beziehen sich dabei entweder kontroverse Geschäftsfelder und -praktiken oder auf Wertpapiere verschiedener Länder, in die die GLS Bank nicht investiert, wenn das Land eines der nachfolgend genannten Kriterien erfüllt. Zu den Länderkriterien zählen unter anderem die „[…] systematische Verletzung der Menschenrechte“366 oder die „Nichtunterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags oder der Genfer Kriegsrechtskonvention […].“367 Ebenfalls in den Länderkriterien berücksichtigt, werden die UN Sustainable Development Goals (SDG). Dies sind 17 Zielsetzungen, die von der UN verabschiedet wurden, globale Herausforderungen adressieren, wie etwa das Klima, Ungleichheit und Frieden und bis 2030 erfüllt werden sollten. Die Aufnahme dieser Ziele in die Unternehmensplanung ist in der Regel freiwillig und basiert somit auf einer Selbstverpflichtung der Unternehmensführung, stellvertretend für die gesamte Unternehmung.368 Auch die Weleda AG bekennt sich zu diesen 17 SDGs.369

Zu den Geschäftsfeldern und -praktiken, in welche die GLS Bank nicht investiert, gehören zum Beispiel die Kohleenergie, Biozide, Pestizide, Suchtmittel, die Verletzung von Menschenrechten oder Tierversuche.370

Unter den Positivkriterien versteht die GLS Bank all jene Aktivitäten, „[…] die nachhaltig menschliche und zukunftsweisende Ziele verfolgen.“371 Dabei können diese Ziele von Projekten, Unternehmen oder auch einzelnen Menschen verfolgt werden, in die die GLS Bank dann investiert bzw. diese finanziert. Konkret sollen diese Ziele „[…] eine nachhaltige Entwicklung vorantreiben [und die Akteure] umwelt- und sozialverträglich wirtschaften und ihren ökonomischen Erfolg unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Aspekte in der gesamten Wertschöpfungskette erreichen.“372 Zu den Kriterien zählen „Zukunftsweisende sozial-ökologische Geschäftsfelder“373,

365 Vgl. GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 3.; Vgl. GLS Bank (2019).; Vgl. Lenz (2019), S. 37. 366 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 3.; GLS Bank (2018), S. 66. 367 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 3.; GLS Bank (2018), S. 66. 368 Vgl. United Nations Sustainable Development Goals (2019). 369 Vgl. Weleda AG (2018), S. 87. 370 Vgl. GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 4f. 371 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 3. 372 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 5. 373 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 5. 66 worunter erneuerbare Energien oder Bildung und Gesundheit fallen und die „Nachhaltige Unternehmensführung“374, wobei die GLS Bank die Unternehmenspolitik, Produktverantwortung, soziale Verantwortung, Entwicklungspolitische Ziele und schlussendlich die ressourcenschonende Betriebsführung versteht.375

Um zu gewährleisten, dass die Investitionen der GLS Bank auch tatsächlich in Einklang mit den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen Anwendung finden, überprüft ein interdisziplinäres Gremium alle Investitionsvorschläge und Titel mehrmals jährlich. Dieses Gremium, auch GLS Anlageausschuss bezeichnet, setzt sich aus internen wie externen Personen verschiedener Bereiche zusammen, wodurch die Unabhängigkeit des Gremiums gewährleistet werden soll. Des Weiteren basiert die Beurteilung auf Daten, welche von dem eigens dazu gegründeten GLS Researchteam erarbeitet werden. Dabei werden die Daten nicht nur von intern, sondern auch von extern gesammelt. Insbesondere greift das Researchteam auf Informationen von professionellen Ratingagenturen wie der oekom research AG oder von Non-Governmental Organisations (NGOs) zurück. Sollten umstrittene Informationen zu einem Unternehmen, welches in das sogenannte „GLS Anlageuniversum“376 aufgenommen wurde, an die GLS Bank herangetragen werden, so sucht die Bank den direkten und aktiven Dialog zu diesem. Je nachdem, ob diese Informationen verifiziert oder negiert werden können, bleibt das Unternehmen Teil des GLS Anlageuniversums oder nicht.377

Zusätzlich zu diesem aufwendigen und mehrteiligen Bewertungsprozess werden auch bereits getroffene Entscheidungen nach einer gewissen Zeit erneut evaluiert. Die Beurteilung von Ländern in Bezug auf Staatsanleihen gestaltet sich analog zu der von Unternehmungen.378

Weitere Leistungen der GLS Bank liegen im Bereich der Altersvorsorge oder im Stiftungs- und Schenkgeschäft, was in Zusammenarbeit mit der GLS Treuhand e.V. angeboten wird.379

Neben dem Angebot verschiedener Bankleistungen zählt die GLS Bank auch die Betreuung ihrer Kunden sowie das Beschwerdemanagement zu dem Bereich der Produktverantwortung. Denn, einem ganzheitlichen Ansatz folgend, ist es für die GLS Bank wichtig das zu ihren Produkten

374 GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 7. 375 Vgl. GLS Bank Anlage- und Finanzierungsleitsätze (2017), S. 5ff. 376 GLS Bank (2018), S. 78. 377 Vgl. GLS Bank (2018), S. 78.; Vgl. GLS Bank (2019). 378 Vgl. GLS Bank (2018), S. 77.; Vgl. Lenz (2019), S. 29. 379 Vgl. GLS Bank (2018), S. 16. 67 erhaltene Feedback zu dokumentieren und in der weiteren Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.380

Da die GLS Bank als Dienstleistungsunternehmen keine materiellen Güter und Waren produziert und anbietet, ist der Verbrauch an Rohstoffen und diesbezüglich auch die Nutzung von Lieferketten von geringerem Ausmaß wie bei einem Produktionsunternehmen. Im Nachhaltigkeitsbericht aus dem Jahr 2018 wird in Bezug auf die Lieferkette aufgeführt, dass die Bank darauf achtet, ausnahmslos in Deutschland angesiedelte Vertragspartner zu wählen. Dabei wird weiterführend auf die Regionalität zu der belieferten Filiale geachtet. Von den Vertragspartnern selbst erwartet die GLS Bank ebenfalls, dass ihre Geschäftspraktiken den ökologischen, sozialen und auch ökonomischen Ansprüchen genügen und diese nachvollziehbar für die Bank offengelegt werden.381

Trotz fehlendem Produktionsprozess verbraucht auch die GLS Bank Rohstoffe. Dabei spielt insbesondere der Papierverbrauch eine große Rolle, weswegen im Geschäftsbericht auch nur auf diesen Rohstoff verwiesen wird. Um den Einsatz von Papier zu reduzieren, wurde vieles auf die E-Papier-Version umgestellt. Für eine bessere Umweltverträglichkeit beträgt der Anteil an verwendetem Recyclingpapier circa 77 Prozent.382

Weitere Kennzahlen über die berichtet wird, sind der Wasser- und Energieverbrauch sowie der Emissionsausstoß.383

5.4. Grundsätze und Merkmale anthroposophisch motivierter Unternehmensführung Die folgenden Grundsätze und Merkmale anthroposophischer Unternehmensführung wurden in der Analyse der GLS Bank in Bezug auf die drei Bereiche Unternehmensleitbild, Personalführung und Produktion identifiziert und spiegeln die Geschäftspraxis der Unternehmung wider.

Unternehmensleitbild: Der Unternehmenszweck und die Vision der GLS Bank vereinen sich im Unternehmensleitbild und basieren auf einer anthroposophischen Weltanschauung. Historisch geprägt von dem anthroposophischen Gedankengut, richtet sich das Leitbild explizit auf die ganzheitliche Betrachtung von Mensch und Natur, die als Einheit und Teil eines großen Ganzen verstanden werden. Die Zielsetzungen werden dementsprechend an sozialen und ökologischen Aspekten ausgerichtet, wobei diese gegenüber ökonomischen Aspekten präferiert werden. Entgegen der Analogie der drei Säulen der Nachhaltigkeit, scheint die GLS Bank den Profit als

380 Vgl. GLS Bank (2018), S. 77. 381 Vgl. GLS Bank (2018), S. 14. 382 Vgl. GLS Bank (2018), S. 40f. 383 Vgl. GLS Bank (2018), S. 42ff. 68

Notwendigkeit zu sehen und daher nicht in die Zielsetzung mitaufzunehmen. Das bedeutet nicht, dass die GLS Bank ihre Wirtschaftlichkeit vernachlässigt, sondern, dass sie sich als ethisches Bankinstitut auf ökologische und soziale Belange fokussiert und das ökonomische als untergeordnete Basis betrachtet wird. Damit wird dem allgemein gesellschaftlichen Zweck der GLS Bank eine übergeordnete Stellung zugesprochen und alles andere untergeordnet. Die GLS Bank erfüllt als anthroposophisch motiviertes Unternehmen die folgenden aus der Literatur klassifizierten Grundsätze:  Der Unternehmenszweck bildet gemeinsam mit der Vision die Grundlage unternehmerischen Handelns und basieren auf einem anthroposophischen Weltbild. Das Unternehmen kann als von der Gesellschaft legitimiert angesehen werden.  Der Mensch wird ganzheitlich und in seinem Kontext eingebettet verstanden, wodurch die Bedürfnisse der Beschäftigten sowie der Gesellschaft berücksichtigt werden.  Die Zielsetzungen und Handlungen verbinden ökonomische, soziale und ökologische Belange miteinander, wobei sie sich vorrangig an den ökologischen und sozialen orientieren und die ökonomische Komponente nur als notwendiges Kriterium der Finanzierung verstanden wird.  Profit- oder Gewinnmaximierung sind nicht oberstes Ziel der GLS Bank.

Zusätzlich zu diesen Punkten greift die GLS Bank auch die Überlegungen Steiners zur Gestaltung des dreigliedrigen Geldwesens auf. So bietet sie nicht nur alle drei Geldformen (Kaufgeld, Leihgeld und Schenkgeld) an, sondern bemüht sich auch darum, das anthroposophische Verständnis von Geld als gesellschaftliches Gestaltungsmittel in der Gesellschaft kundzutun und zu verbreiten.

Personalführung: Anders als üblicherweise, übernimmt bei der GLS Bank nicht das Human Resource Management oder die Personalabteilung alle personalpolitischen Aufgaben, sondern die Stabstelle Mitarbeiterentwicklung. Bereits durch diese Bezeichnung wird signalisiert, wie wichtig die Entwicklung der Beschäftigten für die GLS Bank ist. Auch, dass dieser Bereich eine Stabstelle ist, die im ständigen Austausch mit dem Vorstand und der Mitarbeitervertretung steht, vermittelt den Eindruck, dass der Mensch im Mittelbpunkt steht. So wie die Mitarbeiterentwicklung mit der Anthroposophie im Einklang steht, gestaltet sich auch das Vergütungssystem. Obgleich dieses nicht vollständig nach anthroposophischer Vorstellung gestaltet ist, gibt es diverse Übereinstimmungen. Es kann geschlussfolgert werden, dass die GLS Bank die folgenden anthroposophischen Grundsätze erfüllt:

 Die Beschäftigten werden als mündige Menschen verstanden, die in der Lage sind, frei zu denken und Verantwortung zu übernehmen. 69

 Dies wird insbesondere durch die Mitbestimmungsmöglichkeiten und den offenen Dialog betont und gelebt.  Es wird explizit auf die ganzheitliche Betrachtung der Mitarbeitenden (Körper, Geist, Seele) verwiesen und dass diese als in einen Kontext (Natur und Gesellschaft) eingebettet verstanden werden. Neben der Berücksichtigung verschiedenster Bedürfnisse, wird der Fokus auf Entwicklung der Mitarbeitenden gelegt.  Des Weiteren wird betont, dass die Beschäftigten keine Ware sind, was durch den Verzicht jeglicher Objektivierung durch den Begriff der Humanressource verdeutlicht wird. Die GLS Bank ist eine Genossenschaftsbank, wodurch das eingebrachte Kapital größtenteils als neutralisiert aufzufassen ist. Trotzdem richtet sich die Entlohnung der Beschäftigten nicht nach resultierenden Erlösen. Außerdem müssen die Beschäftigten nicht gleichzeitig Genossen sein, wodurch sie nicht zwingend als eine Art Teilunternehmer fungieren.

Produktion: Bei der GLS Bank handelt es sich nicht um ein Produzierendes Unternehmen. Die GLS Bank bietet Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen an, die eben nicht aus einem klassischen Produktionsprozess resultieren. Daher ergibt sich der Ressourcenverbrauch primär nicht aus der täglichen Geschäftstätigkeit, sondern bezieht sich unter anderem auf den Verbrauch von Energie, Wasser, Büromaterialien. Viel wichtiger ist daher welche soziale und ökologische Wirkung die Projekte oder Unternehmungen entfalten, die die GLS Bank finanziert und unterstützt. Ausgehend von den Anlage- und Finanzierungsgrundsätzen kann geschlussfolgert werden, dass sich die GLS Bank sehr darum bemüht, den anthroposophischen Grundwerten zu entsprechen und auch die als allgemein ethisch verstandenen Normen und Werte einzuhalten bzw. deren Einhaltung zu fördern. Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung der Dienstleistungen und des Ressourcenverbrauchs der GLS Bank, können beide identifizierten anthroposophischen Grundsätze als erfüllt bezeichnet werden:

 Weder die tägliche Geschäftstätigkeit noch die von der GLS Bank angebotenen oder finanzierten Produkte und Unternehmungen aller Art sind ausbeuterisch gestaltet und es wird großen Wert daraufgelegt, dass keine schädigende Wirkung auf Mensch und Umwelt entfaltet wird.  Es wird insbesondere auf eine Passung zwischen angebotenen Leistungen bzw. erbrachten Finanzierungsmaßnahmen und sozialen, wie ökologischen Bedürfnisse geachtet. Eine stetige Prüfung und Anpassung der Leistungen sind darauf ausgerichtet, eine positive Wirkung für Gesellschaft und Natur zu entfalten und auch zukünftigen Generationen dienlich zu sein.

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6. Systematische Zusammenführung der Ergebnisse Die Analyse anthroposophisch motivierter Unternehmensführung abschließend, werden in diesem Kapitel die gesammelten Ergebnisse zusammengefasst und systematisch aufbereitet. In Tabelle 1 werden alle aus der Literatur entnommenen Grundsätze und Merkmale anthroposophischer Unternehmensführung aufgelistet und diesen entsprechend die Ergebnisse aus den Kapiteln 5.2 und 5.4 zugeordnet. In der Tabelle wird jedes Ergebnis nur mehr mit „Ja“, „Nein“ oder „Teilweise“ repräsentiert, da eine genauere Erläuterung bereits in den angegebenen Kapiteln stattgefunden hat. Demnach fasst diese Tabelle die Ergebnisse zusammen und gibt einen Überblick bzw. eine Art Checkliste der Grundsätze und Merkmale für die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung. Dabei soll noch einmal darauf verwiesen werden, dass eine rein anthroposophische Unternehmensführung nicht möglich ist, da die Unternehmen umgebenen und derzeit gegebenen wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Strukturen, nicht denen der sozialen Dreigliederung entsprechen. Nichtsdestotrotz bedeutet dieser Umstand nicht das Ende anthroposophischer Unternehmensführung. Denn wie durch die Analyse gezeigt, gibt es sehr wohl Unternehmen wie die Weleda AG und die GLS Bank, die beinahe alle Kriterien erfüllen und dabei eine gute Leistung sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich erbringen. Demzufolge muss eine Abstufung des Ausmaßes anthroposophischer Unternehmensführung stattfinden.

Ausgehend von dem Ideal reiner anthroposophischer Unternehmensführung, welche alle Grundsätze erfüllt und in einen Kontext der sozialen Dreigliederung eingebettet ist, ist die erste Abstufung davon die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung. Denn wie bereits Rudolf Steiner gesagt hat, ist seine Anthroposophie nicht in Stein gemeißelt, sondern in gewissem Maße dynamisch und lässt Raum für eigene Interpretationen und Anpassungen. Auch Paul Mackay vertritt diese Ansicht und ist der Meinung, dass schlicht das menschliche Maß entscheidend ist. Solange sich die Unternehmensführung in diesem Maße bewegt und sich dieses Maß an der Anthroposophie orientiert, kann jedes Unternehmen anthroposophisch motiviert geführt werden, ohne direkt in der Anthroposophie zu wurzeln. Maßgeblich für dieses menschliche Maß ist dabei einerseits das anthroposophische Verständnis des „werdenden“ Menschen. Dies bedeutet, dass der Mensch auf einem dauerhaften Entwicklungsweg ist, welcher von der Unternehmung unterstützt werden muss und andererseits das anthroposophische Verständnis über den Sinn, welcher sich nicht nur auf jeden einzelnen Menschen bezieht, sondern auf das große Ganze. Damit ist gemeint, dass jedes Individuum einen Sinn in sich selbst finden kann, aber eben auch in seinen Handlungen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Natur oder gar den

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Kosmos. Es ist nicht definiert wann und wo die Sinnsuche aufhört, weswegen die Anthroposophie eine ganzheitliche Wissenschaft, Weltanschauung und Lebensphilosophie ist. 384

Anthroposophisch motivierte Unternehmensführung ist also eine realistische Abstufung des Ideals, die, wie in der Tabelle 1 zu sehen, so gut wie alle Grundsätze erfüllt.

Tabelle 1: Checkliste der Grundsätze für die anthroposophische Unternehmensführung

Anthroposophische Grundsätze Weleda AG GLS Bank

Unternehmensleitbild Anthroposophisches Weltbild als Grundlage für den Ja Ja Unternehmenszweck und die Vision. Zweck und Vision konkretisieren sich im Unternehmensleitbild. Ja Ja Das Leitbild orientiert sich entsprechend der anthroposophischen Weltanschauung am Menschen, der ganzheitlich und in seinen Ja Ja Kontext bestehend aus Natur und Kosmos eingebettet aufgefasst wird. Zielsetzung und Handlungen vereinen ökologische, ökonomische und Ja Ja soziale Belange. Die Erfüllung der ökonomischen Dimension wird als notwendige Teilweise Ja Grundlage verstanden. Profit- und Gewinnmaximierung sind nicht das oberste Ziel der Ja Ja Unternehmung. Personalführung

Beschäftigte sind mündige Menschen. Ja Ja

Die Beschäftigten sollen frei denken und Verantwortung übernehmen. Ja Ja

Den Beschäftigten muss ein Recht auf Mitbestimmung gewährt werden, wobei ein Vertretungsorgan wie der Betriebsrat akzeptiert Ja Ja wird. Die Beschäftigten sind keine Ware oder Ressource. Ja Ja Deswegen kann die menschliche Arbeitskraft nicht gekauft werden und die Beschäftigten sollten anteilig am Gesamterlös entlohnt Nein Nein werden.

Das Kapital einer Unternehmung sollte neutralisiert werden. Ja Teilweise Die Entwicklung der Beschäftigten in Bezug auf die Arbeit und ihre Ja Ja Persönlichkeit ist von besonders großer Relevanz.

384 Vgl. Mackay (2019), Anhang, S. 93. 72

Allgemein steht der Mensch samt seinen Bedürfnissen inklusive der Ja Ja Natur im Mittelpunkt. Produktion Produktionsprozess und Produkte dürfen weder Natur noch Menschen Ja Ja ausbeuten oder schaden. Produktionsprozess und Produkte müssen auf die gesellschaftlichen Ja Ja Bedürfnisse abgestimmt werden.

Die Weleda AG und die GSL Bank fungieren als Musterbeispiele oder Leuchttürme im Feld der Unternehmensführung. Sie handeln sinnorientiert, sind dabei sozial und ökologisch aufgestellt und nicht zu Letzt auch aus wirtschaftlicher Sicht erfolgreich. An ihnen können sich all jene Unternehmen ausrichten, die einen Kurs einschlagen wollen, der sich mehr an menschlichen sowie natürlichen Belangen ausrichtet und eben im besten Fall die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung etablieren wollen.

Um einen ersten Anhaltspunkt für solche Unternehmen zu geben, zeigt die Tabelle 2 eine noch unausgefüllte Checkliste der Grundsätze anthroposophischer Unternehmensführung. Des Weiteren wurde jeder der 16 Grundsätze um verschiedene mögliche Handlungsalternativen erweitert, was eine bessere Identifikation und Umsetzung ermöglichen soll. Sprich die Liste soll wie ein Analyseinstrument verwendet werden und anzeigen, welche Grundsätze das Unternehmen bereits erfüllt und welche es noch erfüllen möchte. Dabei sollte die Liste von Führungskräften wie auch unterschiedlichen Beschäftigten ausgefüllt werden, damit ein umfassendes und unverfälschtes Ergebnis erzielt werden kann. Darauf aufbauend können dann Entscheidungen getroffen und Handlungen vollzogen werden.

Tabelle 2: Checkliste der Grundsätze anthroposophischer Unternehmensführung mit Anwendungsbeispielen

Anthroposophische Grundsätze Unternehmen X

Unternehmensleitbild Anthroposophisches Weltbild als Grundlage für den Unternehmenszweck und die Vision:  das Unternehmen wurzelt in der Anthroposophischen Gesellschaft oder wurde von Anthroposophen gegründet, die sich an dem anthroposophischen Weltbild orientieren  das Unternehmen entscheidet sich aktiv für das anthroposophische Weltbild, welches die Autonomie (Freiheit) des Menschen, seine Entwicklungsfähigkeit und die Verbindungen zu seiner Umwelt hervorhebt. Damit orientiert sich das Unternehmen am menschlichen

73

Maß, indem es unter anderem abwägt, wie viel Freiheit die MitarbeiterInnen haben, welche Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden und, ob die menschliche Verbindung zur Umwelt berücksichtigt wird  das Unternehmen wählt ein Weltbild, welches sich an diesem menschlichen Maß ausrichtet und dadurch dem der Anthroposophie sehr ähnlich ist Zweck und Vision konkretisieren sich im Unternehmensleitbild:  Zweck und Vision werden bei der Formulierung des Leitbildes berücksichtigt  das Unternehmen wird sich klar über seinen Zweck, beispielsweise indem darüber gesprochen wird, wieso das Unternehmen existiert und welchen konstruktiven Beitrag es für die Gesellschaft leistet  die Unternehmensführung erarbeitet gemeinsam mit den Beschäftigten eine klare, zukunftsfähige Vision … Das Leitbild orientiert sich entsprechend der anthroposophischen Weltanschauung am Menschen, der ganzheitlich und in seinen Kontext bestehend aus Natur und Kosmos eingebettet aufgefasst wird:  das Unternehmen betrachtet die Natur als lebendigen Organismus, welcher nicht geschädigt werden darf  das Unternehmen berücksichtigt menschliche Bedürfnisse, beispielsweise durch ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze und angepasste Arbeitszeiten.  Weitere Beispiele finden sich unter den Punkten Personalführung und Produktion … Zielsetzung und Handlungen vereinen ökologische, ökonomische und soziale Belange:  das Unternehmen fokussiert sich auf die Erfüllung sozialer und ökologischer Ziele, vernachlässigt jedoch nicht die ökonomische Dimension in dem Sinne, dass sich das Unternehmen nicht finanziell in den Ruin treibt … Die Erfüllung der ökonomischen Dimension wird als notwendige Grundlage verstanden. Profit- und Gewinnmaximierung sind nicht das oberste Ziel der

Unternehmung.

Personalführung

Beschäftigte sind mündige Menschen:  die Beschäftigten werden mit Würde und Respekt behandelt

 die physische und psychische Unantastbarkeit der Beschäftigten wird geachtet 74

 es wird anerkannt, dass die Beschäftigten in der Lage sind Verantwortung zu übernehmen … Die Beschäftigten sollen frei denken und Verantwortung übernehmen:  den Beschäftigten wird genügend Freiraum zum Denken gegeben und sie werden dazu angeregt ihr Handeln und ihre Aufgaben zu reflektieren  den Beschäftigten wird genügen Freiraum gegeben, um die zugetraute Verantwortung tatsächlich zu übernehmen, indem sie beispielsweise kleinere Projekte selbst leiten  die Arbeitsverhältnisse basieren mehr auf Vertrauen als auf Macht und Kontrolle  es gibt eine Fehler- und Toleranzkultur … Den Beschäftigten muss ein Recht auf Mitbestimmung gewährt werden, wobei ein Vertretungsorgan wie der Betriebsrat akzeptiert wird:  es gibt eine Mitarbeitervertretung  es gibt eine Dialogstelle  es gibt wöchentliche oder monatliche Versammlungen aller Arbeitseinheiten samt Führungskräften  es gibt mindestens einmal pro Jahr eine Betriebsversammlung  es wird eine offene Kultur gelebt und den Beschäftigten tatsächlich

zugehört und ihre konstruktiven Vorschläge berücksichtigt  die Mitarbeitervertretung steht in engem Kontakt zu und ist in regem Austausch mit dem Vorstand  die Beschäftigten werden bei der Bildung einer Vision beteiligt und dazu ermutigt sich mit dem Leitbild auseinanderzusetzen. Zur Unterstützung gib es beispielsweise eine Identitätswerkstatt oder ähnliches … Die Entwicklung der Beschäftigten in Bezug auf die Arbeit und ihre Persönlichkeit ist von besonders großer Relevanz:  es gibt ein auf die Beschäftigten abgestimmtes Angebot von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen  es gibt Gesundheitsangebote (Sport, Werksarzt etc.)  es gibt persönlichkeitsbildende Angebote (Verhandlungstraining

etc.)  die Beschäftigten erhalten Feedback über ihre Arbeitsleistungen und Verbesserungsvorschläge  die Kreativität der Beschäftigten wird aktiv unterstützt (Kreativwerkstatt, Ideenschmiede etc.) …

75

Deswegen kann die menschliche Arbeitskraft nicht gekauft werden und die Beschäftigten sollten anteilig am Gesamterlös entlohnt werden. Da diese Form der Beteiligung nur dann möglich ist, wenn die Unternehmung ihren Mitgliedern gehört, wird in anthroposophisch orientierten Unternehmungen mit einer anderen Unternehmensform eine soziale Lohngestaltung angestrebt. Das heißt:  es gibt keine Leistungslöhne wie beispielsweise Akkordlöhne  die Beschäftigten werden dreigliedrig entlohnt (Basisanteil, Sozialanteil, Funktionsanteil)  es wird auf variable, gewinnbezogene Entlohnung verzichtet oder diese Entlohnungsform macht nur einen kleinen Teil des Gesamtlohns aus … Das Kapital einer Unternehmung sollte neutralisiert werden. Diesem Ziel kommen die folgenden Unternehmensformen am nächsten:

 die Unternehmensform ist eine Stiftung  die Unternehmensform ist eine Genossenschaft Die Beschäftigten sind keine Ware oder Ressource. Allgemein steht der Mensch samt seinen Bedürfnissen inklusive der Natur im Mittelpunkt.

Produktion

Produktionsprozess und Produkte dürfen weder Natur noch Menschen ausbeuten oder schaden:  es wird mindestens auf ökologische Standards bei der Rohstoffgewinnung und -verarbeitung geachtet  es wird auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette geachtet  das Unternehmen verpflichtet sich zu anerkannten Standards wie den Menschenrechten oder den UN SDGs  die Produkte des Unternehmens erfüllen und erhalten anerkannte Zertifikate wie Utz oder Fairtrade  das Unternehmen, die Produktion und die Produkte werden von unabhängigen Auditoren überprüft … Produktionsprozess und Produkte müssen auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse abgestimmt werden:  das Produkt bringt der Gesellschaft einen Mehrwert oder erfüllt einen gesellschaftlichen Nutzen wie beispielsweise Brot,

Arzneimittel, Kredite, etc.  das Produkt ist ein Substitut für ein anderes Produkt, welches zwar ein gesellschaftliches Bedürfnis erfüllt, jedoch auf Kosten der Natur. Einkaufstüten aus Plastik könnten beispielsweise durch Stofftaschen

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substituiert werden, wodurch das gesellschaftliche Bedürfnis Einkäufe zu transportieren weiterhin befriedigt wäre und die Natur gleichzeitig geschont werden würde. …

Ausgehend von der anthroposophisch motivierten Unternehmensführung umfasst die zweite Abstufung alternative Unternehmensführungskonzepte wie die ethische, integre Unternehmens- führung oder das Nachhaltige Management. Demonstriert am Beispiel nachhaltiger Unternehmensführung, welche sich am Triple-Bottom-Line Prinzip ausrichtet und demnach die Dimensionen ökologisch, ökonomisch und sozial vereint, kann gezeigt werden, dass trotz gravierender Ähnlichkeiten auch entscheidende Unterschiede zwischen den Ansätzen bestehen.

Die Idee der Nachhaltigkeit ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Die Grundlage des modernen Verständnisses sowie der Begriff „Nachhaltigkeit“ wurden jedoch erst durch Johann „Hannß“ Carl von Carlowitz (*1645, †1714), einem Forstbeamten aus Sachsen (Deutschland), etabliert und geprägt. In seinem 1713 erschienenen Buch „Sylvicultura Oeconomica“ (zu Deutsch: Anweisung zur Wilde Baumzucht), schrieb er über das Ziel einer nachhaltigen Forstwirtschaft, welche für das Überleben zukünftiger Generationen notwendig sei.385

Seitdem hat sich der Begriff weiterentwickelt und ist zu einem Synonym jegliches ökologischen und sozialen Handelns avanciert. Dabei hat insbesondere der Bericht „Our Common Future“ der Brundtland-Kommission (kurz: Brundtland-Bericht) zu dieser Entwicklung beigetragen. Dieser 1987 verfasste Bericht ist zum Dreh- und Angelpunkt in der weltweiten Nachhaltigkeitsdebatte geworden und von der darin enthaltenen Definition der Nachhaltigkeit bis heute maßgebend geprägt, wobei sich diese auf die menschliche Entwicklung und deren Limitationen konzertiert.386

„Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.”387

Demnach ist die nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development) ein anthropozentrisches Anliegen, was bedeutet, dass die nachhaltige Befriedigung menschlicher Bedürfnisse im Mittelpunkt allen Handelns steht. Dabei richtet sich der Aspekt der Nachhaltigkeit auf die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und dass diese in einer Art und Weise genutzt werden sollen, sodass auch zukünftige Generationen ein gutes Leben führen können. Demzufolge umfasst die

385 Vgl. Raith (2018), S. 235. 386 Vgl. Raith (2018), S. 236f. 387 World Commission on Environment and Development (1987), S. 41. 77 menschliche Bedürfniserfüllung drei relevante Dimensionen: Ökonomische Bedürfnisse, soziale Bedürfnisse und ökologische Bedürfnisse.388

Entsprechend dem ökonomischen Pareto-Optimum setzt sich die nachhaltige Entwicklung im Idealfall aus allen drei Dimensionen gleichermaßen zusammen, sodass keine der Dimensionen zum Nachteil der anderen bessergestellt wird. Dies bedeutet, dass die drei Dimensionen analog zueinanderstehen. Sie sind also voneinander verschieden, nicht ersetzbar und in der Tat unverzichtbar, als Teilaspekte eines gemeinsamen, übergeordneten Prinzips oder Ideals. Übertragen auf Unternehmen, wird Nachhaltigkeit oft im Sinne des Business Case Ansatzes benutzt, wodurch das wirtschaftliche Interesse in den Vordergrund rückt. Nachhaltiges Handeln passiert also nicht aus moralischen Gründen und somit aus Überzeugung, sondern weil es wirtschaftlich rentabel ist.389

Die drei Bedürfnisdimensionen werden oft als Säulen oder Tempel der Nachhaltigkeit dargestellt, wie in Abbildung 4 zu sehen. Diese Darstellung suggeriert, dass ohne die gleichwertig gebündelte Ausrichtung der drei Säulen, diese ihre Wirkung nicht entfalten können und durch das resultierende Ungleichgewicht der Tempel zusammenbrechen würde.390

Abbildung 4: Die drei Säulen der Nachhaltigkeit, modifiziert391

Im Gegensatz dazu basiert die anthroposophische Unternehmensführung zwar auch auf diesen drei Dimensionen, behandelt diese aber nicht analog und sieht auch den Unternehmenszweck und den damit verbundenen Sinn als zusätzlich wichtige Dimensionen. Des Weiteren werden die Dimensionen nicht als gleichwertig angesehen, was auch Paul Mackay und Johannes Prahl betont haben, da ökonomische Aspekte nicht zum Ziel gemacht werden sollen, sondern als notwendiges

388 Vgl. Raith (2018), S. 237ff. 389 Vgl. Raith (2018), S. 29f., 248.; Vgl. Wühle (2019), S. 61ff. 390 Wühle (2019), S. 62ff. 391 Vgl. Wühle (2019), S. 62. 78

Kriterium den Entscheidungen unterliegen sollen.392 Dieser Logik folgend rückt die ökonomische Dimension entweder in den Hintergrund und wird somit nicht mehr als Säule abgebildet oder sie wird verschmälert.

Dass die Dimension in den Hintergrund rückt und dafür eine neue Säule basierend auf dem Zweck der Unternehmung entstehen soll, ist die Ansicht der Weleda. Wie Paul Mackay in englischer Sprache ausgeführt hat, basiert der neue Ansatz der Weleda auf den Säulen „People, Planet, Purpose“.393 Diese neue Säulenordnung soll dazu führen, dass sich die Weleda im Sinne der Anthroposophie stabiler sowie wirtschaftlicher aufstellt, indem sie sich auf ihre Wurzeln zurückbesinnt. Durch diese Neugestaltung wird verhindert, dass beispielsweise der Gewinn oder das Streben nach Marktmacht in die Zielsetzung mit einfließen kann, da die ökonomische Dimension nicht mehr Teil der Zielsetzung ist. Nichtsdestotrotz findet sie als finanzielle Grundlage bei der Zielplanung basierend auf dem Zweck, sozialen und ökologischen Aspekten Berücksichtigung. Somit wird einer Vernachlässigung der ökonomischen Dimension vorgebeugt, da ansonsten die Gefahr bestehen würde, dass sich das Unternehmen an ökologischen und/oder sozialen Projekten übernimmt und daran scheitert. Verbildlicht könnte dieses Konzept wie in Abbildung 5 dargestellt aussehen.

Abbildung 5: Drei Säulen anthroposophisch motivierter Unternehmensführung, eigene Darstellung

Geht man davon aus, dass die ökonomische Dimension zwar in den Hintergrund treten soll, jedoch aufgrund ihrer Relevanz für die Zielerfüllung weiterhin sichtbarer Bestandteil des Zielsetzungsprozesses sein soll, so zeichnet sich ein verändertes Bild, wie in Abbildung 6 zu sehen, ab. In dieser Graphik sind die soziale und die ökologische Dimension deutlich größer als die ökologische Dimension, was dem sozial-ökologischen Fokus der GLS Bank entspricht.

392 Vgl. Mackay (2019), Anhang S. 102.; Vgl. Prahl (2019), Anhang, S. 118f. 393 Mackay (2019), Anhang, S. 102. 79

Abbildung 6: Drei Säulen anthroposophisch motivierter Unternehmensführung, eigene Darstellung

Denn wie Johannes Prahl berichtet, hat die GLS Bank für sich entschieden, das standardisierte Bild der drei Säulen zu verändern und die soziale Nachhaltigkeit zu betonen, wobei diese mit der ökologischen Nachhaltigkeit Hand in Hand geht. Denn ökologisch nachhaltiges Handeln ist gleichzeitig sozial. Johannes Prahl beschriebt, dass sie stets danach fragen: „[…] ist das was wir tun ein Gewinn für die Gesellschaft, erhöht das die […] Zukunftschancen der Gesellschaft? […] und das kann man nur tun, wenn man dabei ökologisch nachhaltig handelt.“394

Aus diesem Grund können die soziale und die ökologische Säule entweder gleichwertig hervorgehoben werden oder sogar als eine besonders breite Säule dargestellt werden. Des Weiteren verweist die GLS Bank darauf, dass der Gewinn und damit die ökonomische Komponente nicht das oberste Ziel markiert. Dabei darf sie jedoch trotzdem nicht in den Hintergrund treten und muss als dritte Dimensionen bestehen bleiben. Denn „[…] bei allem, was da im Vordergrund steht, sind wir ein Unternehmen, was schlicht […] für seine Leistungen auch einen Ertrag braucht oder Einnahmen braucht, um das finanzieren zu können, was wir leisten.“395 Wobei Herr Prahl mit dieser Aussage noch einmal betont, dass die ökonomische Dimension dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die sozial-ökologischen Ziele der GLS Bank umgesetzt werden können. Damit schwingen der Sinn und Zweck der Unternehmung bei allen Entscheidungen mit.

Egal wie die Dimensionen illustriert werden, entscheidend ist, dass die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung sich von der nachhaltigen Unternehmensführung abgrenzt, indem sie sich klar auf eine andere Gewichtung sowie die Berücksichtigung des Unternehmenszwecks stützt.

394 Prahl (2019), Anhang, S. 119. 395 Prahl (2019), Anhang, S. 119. 80

Weder anthroposophisch motiviert noch nachhaltig, sind all jene Unternehmensführungskonzepte, die sich klar auf die ökonomische Dimension fokussieren, wobei sie sich nur wenig oder gar nicht um soziale und ökologische Belange kümmern.

7. Conclusio Nach eingehendem Studium der Anthroposophie Rudolf Steiners und deren Umsetzung in der Geschäftspraxis zweier Unternehmungen, kann der zu untersuchenden Forschungsfrage dieser Masterarbeit: „Welche Merkmale und Grundsätze können aus der anthroposophischen Literatur sowie anthroposophisch motivierten Unternehmen für die Unternehmensführung abgeleitet werden?“, eine Antwort zugeführt werden.

Es wurde gezeigt, dass aus der Anthroposophie selbst, insbesondere aber aus dem Konzept der Dreigliederung des sozialen Organismus, verschiedene Grundsätze entnommen werden können, die als Fundament für eine menschliche, sozial-ökologisch orientierte und zukunftsweisende Unternehmensführung dienen können. Dabei hat sich insbesondere der Fokus auf die Entwicklung des Menschen und die Berücksichtigung natürlicher und sozialer Bedürfnisse herauskristallisiert. Hierdurch wird nicht nur ermöglicht, dass sich die Unternehmungen selbst gesund und zukunftsfähig entwickeln, sondern auch die gesamte Gesellschaft einschließlich des Wirtschaftssystems und der Natur davon profitieren, indem sie unter anderem ressourcenschonend und gesellschaftsfördernd Wirtschaften, ihre MitarbeiterInnen durch eine sinnorientierte Arbeit motivieren und weniger anfällig sind für Schäden durch die Verfolgung risikobehafteter Strategien oder den Verlust der Reputation durch unethisches Handeln.

Da die soziale Dreigliederung darauf ausgerichtet war als ganzheitliches Gesellschaftskonzept zu funktionieren, dieses jedoch nie etabliert wurde, sondern als Konzept innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft verblieb, konnten nur wenige Unternehmungen daraus hervorgehen, obgleich auch diese nicht vollkommen im Sinne der sozialen Dreigliederung gestaltet werden konnten. Auch nicht „[…] solche Unternehmungen wie Futurum oder Der Kommende Tag [konnten] gleich in allen Stücken gewissermaßen nach den «Kernpunkten» errichtet werden […].“396 Daher müssen alle Unternehmungen, die die Impulse der Anthroposophie und der sozialen Dreigliederung aufgreifen wollen, damit umgehen, dass das vorhandene Wirtschaftssystem kein förderliches Fundament dafür darstellt. Im Gegenteil ist das aktuelle Wirtschaftssystem und im Grunde auch die gesamte Gesellschaft auf ökonomischen

396 Steiner (1921), GA337b, S. 155f. 81

Prämissen aufgebaut, weswegen die Entfaltung des anthroposophischen Gedankengutes gehemmt wird. Nichtsdestotrotz sah Steiner bereits zu seiner Zeit jedes anthroposophisch motivierte Unternehmen als eine Bereicherung für die Gesellschaft und einen weiteren Schritt in Richtung eines assoziativen Wirtschaftslebens, einer Gesellschaft im Sinne der sozialen Dreigliederung.397

Auch ich bin davon überzeugt, dass anthroposophisch motivierte Unternehmen eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sind, weswegen ich jedes Unternehmen, welches einen Schritt in Richtung anthroposophisch motivierter Unternehmensführung macht, befürworte. Ich bin sogar der Meinung, dass sich alle Unternehmen an dem menschlichen Maß inklusive des menschlichen Kontextes, welcher die gesamte Umgebung des Menschen umfasst, orientieren sollten.

Die Weleda AG und die GLS Bank haben sich als Leuchttürme der alternativen Unternehmensführung erwiesen. Sie haben sich als wirtschaftlich gut aufgestellte, zukunftsfähige Unternehmen gezeigt, die ihren Zweck kennen und ihr Handeln danach ausrichten. Dabei verfolgen sie sinnorientierte, soziale und ökologische Ziele, ohne dabei die ökonomische Dimension aus den Augen zu verlieren.

Des Weiteren kann geschlussfolgert werden, dass jedes Unternehmen seine Unternehmensführung nach anthroposophischen Grundsätzen ausrichten kann, wodurch die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung als Ansatz für alle zugänglich ist. Einzig und allein ein vollständig ausformuliertes Konzept zur Implementierung und Umsetzung der anthroposophischen Grundsätze ist ausstehend, wobei die in Tabelle 1 gezeigte Zusammenfassung und die in Tabelle 2 enthaltene Auflistung inklusive verschiedener Vorschläge ein wichtiger Schritt in diese Richtung darstellen. Diese Checkliste mit verschiedenen Handlungsvorschlägen soll eine Handreichung für all jene Unternehmen sein, die ihren Wirkungskreis auf positive Weise erweitern wollen. Zudem ist zu empfehlen die Darstellungen der drei Säulen anthroposophisch motivierter Unternehmensführung als Richtungsweiser heranzuziehen, um die Unternehmensstrategie visuell darzulegen und für alle im Unternehmen sichtbar zu machen.

397 Steiner (1921), GA337b, S. 155f. 82

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8.2. Onlinequellen Anthrowiki – Enzyklopädie der Anthroposophie [Zugriff 29.07.2019] https://anthrowiki.at/Anthroposophie https://anthrowiki.at/Der_Kommende_Tag_AG https://anthrowiki.at/Kapitalneutralisierung 89

BioBoden Genossenschaft – Homepage [Zugriff 20.10.2019]: https://bioboden.de/startseite/

B Lab – Homepage [Zugriff 17.10.2019]: https://bcorporation.net/directory

Charta der Vielfalt e. V. – Homepage [Zugriff 17.10.2019]: https://www.charta-der-vielfalt.de/impressum/

Demeter – Homepage [Zugriff 04.08.2019]: https://www.demeter.de/biodynamische-landwirtschaft

Gemeinnützige Treuhandstelle e.V. / GLS Treuhand – Homepage [Zugriff 18.08.2019]: https://www.gls-treuhand.de/besucherinnen/ueber-uns/geschichte/wie-alles-begann/

Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken – Homepage [Zugriff 17.09.2019]: https://www.gls.de/privatkunden/GLS Bank/ueber-uns/ https://www.gls.de/privatkunden/GLS Bank/gls-nachhaltigkeit/ https://www.gls.de/privatkunden/gls-bank/zahlen-fakten/ https://www.gls-fonds.de/ https://www.gls-fonds.de/gls-nachhaltigkeitsresearch.html https://www.gls.de/privatkunden/faq/angebote/was-ist-der-gls-anlageausschuss/

GLS Bank Stiftung – Homepage [Zugriff 19.10.2019]: https://www.glsbankstiftung.de/besucherinnen/idee-und-vision/ https://www.glsbankstiftung.de/besucherinnen/

GLS Beteiligungs AG – Homepage [Zugriff 19.10.2019]: https://www.gls.de/privatkunden/gls-bank/gls-gruppe/gls-beteiligungs-ag/

GLS ImmoWert GmbH – Homepage [Zugriff 19.10.2019]: https://www.gls-immowert.de/

GLS Weleda Fonds – Homepage [Zugriff 19.08.2019]: Weleda Fond I: https://www.gls.de/privatkunden/GLS Bank/gls-gruppe/gls-beteiligungs- ag/gls-weleda-fonds-i-g/ Weleda Fond II: https://www.gls.de/privatkunden/GLS Bank/gls-gruppe/gls-beteiligungs- ag/gls-weleda-fonds-ii-g/

Goetheanum – Hompage [Zugriff 17.08.2019]: https://www.goetheanum.org/

Institut für soziale Dreigliederung Berlin – Homepage [Zugriff 17.10.2019]: https://www.dreigliederung.de/kontakt 90

Lange, K. (10.10.2014): Spitzengehälter: Was Chefs verdienen – und was wir ihnen gönnen. In: Spiegel-Online, Karriere Spiegel. https://www.spiegel.de/karriere/gehalt-von-chef- und-angestellten-im-vergleich-a-995520.html

United Nations Human Right – Homepage [Zugriff 17.10.2019]: https://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/

United Nations Sustainable Development Goals – Homepage [Zugriff 20.10.2019]: https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/

Weleda AG – Homepage [Zugriff 17.10.2019]: https://www.weleda.de/weleda/identitaet https://www.weleda.at/weleda/presse/presseberichte https://www.weleda.de/weleda/erlebniszentrum /

9. Anhang

9.1. Interview 1

Interview vom 28. August 2019 zwischen Celine Kasper und Paul Mackay, amtierender Verwaltungspräsident der Weleda AG.

K: steht für Kasper M: steht für Mackay

K: Ich denke / also generell ist meine Forschungsfrage heraus zu arbeiten, welche Merkmale und Grundsätze es gibt - das habe ich nämlich hier auf den Fragenkatalog nicht mehr drauf geschrieben - in der anthroposophischen Literatur und was man so aus der Praxis herausarbeiten kann, also wie jetzt anthroposophisch motivierte Unternehmen arbeiten und was man daraus ableiten kann für die Unternehmensführung. Deshalb habe ich diese drei Klassifikationen gemacht: Unternehmensleitbild, Personalführung und Produktion, weil es die Bereiche sind, die ich untersuchen möchte. Genau. Und ja, da war jetzt meine erste Frage / also ich habe verschiedene (...), Merkmale herausgearbeitet aus Vorträgen von Steiner / #00:00:49-0#

M: Ist das hier das? Wollen Sie das nicht besprechen? #00:00:54-2#

K: Doch genau! Das ist genau das, was ich rausgearbeitet habe und ehm, es ist mir zuerst wichtig zu hören, was sie dazu sagen, was Ihre Meinung dazu ist. Also welche Merkmale oder Grundsätze sie als wichtig erachten würden, herauskristallisieren würden, die eben wichtig sind für das Unternehmensleitbild, die Personalführung und die Produktion oder die Wahl vom Produkt (...), ja in denen die Anthroposophie eben durchscheinen sollte, was da in der Literatur gesagt wird oder eben von Steiner und was dann tatsächlich umgesetzt wird (...) in der Praxis. #00:01:28-5#

M: (Such den Geschäftsbericht der Weleda heraus). Den Geschäftsbericht haben sie nicht dabei? #00:02:15-5#

K: Auf dem Laptop hätte ich ihn dabei. #00:02:23-6# 91

M: Hier habe ichs! Voila. (...) Das ist einfach nochmal (...), die haben das ja hier genau differenziert. Ähm (...). Also wir haben ja eine Vision und eine Mission und dann sozusagen ehm, ja eine Strategie sage ich jetzt mal und die Vision der Weleda / jetzt muss ich mal gucken, ob ich das so schnell finde. Die müsste hier eigentlich auch nochmal drinstehen. (...) #00:03:19-7#

K: Ich glaube gleich auf der ersten Seite im Vorwort. #00:03:33-8#

M: Ne, das ist einfach (...). Ich schau nochmal hier nach und dann bin ich gleich dabei. (Blättert durch den Geschäftsbericht) (60) Ne die ist hier nicht mehr drin soweit ich das sehen kann. Also dann mach ich es einfach so. (...) eigentlich müsste es hier noch drinstehen, aber tut es auch nicht. Also eine Vision (...) ist meiner Auffassung nach etwas, das es gibt, ohne dass es das Unternehmen selber genannt wird. Also wenn sie einfach mal ins Internet gehen und Vision nachschauen / Es fängt sozusagen immer damit an, welche Vision hat man, einer Welt in der z.B. die Gesundheit oder die Entwicklung von Natur und Menschen optimal gefördert wird oder so etwas. Also das ist sozusagen eine Art Leitstern. Das ist noch nicht Leitbild, sondern Leitstern, den man so vor sich hat und das ist unabhängig vom Unternehmen. Aber das ist sozusagen natürlich etwas in dem Bereich, in dem das Unternehmen stattfindet (tätig ist sage ich jetzt mal aber eben noch relativ unabhängig vom Unternehmen. Und dann ist die Mission: So und jetzt haben wir diesen Leitstern und welche Aufgaben setzten wir uns? Welche Mission haben wir in Bezug auf diesen Leitstern? Wollen wir da hin? Und WIE wollen wir da hin gewisser maßen? Und da kommt die Mission zum Tragen. Das ist sozusagen was unser Beitrag ist, um diese Vision zu verwirklichen. Das ist die Mission und dann kommen sozusagen strategische Schritte, wie man diesen Weg geht. Das ist der sozusagen der Dreischritt oder die drei Etappen, die wir als Weleda auch gemacht haben. Die kann ich ihnen schicken. Und dann haben die Mitarbeiter sich das einfach zu eigen gemacht und gesagt: Ja, das ist irgendwie so weit weg. Können wir das nicht irgendwie in einem Onliner fassen? Und das steht ja hier auf der Seite fünf im Bericht in Punkt eins und Punkt zwei. Ehm sozusagen, aus welcher Gestik heraus wollen wir eigentlich diesen Weg gehen? Was ist unsere Haltung diesbezüglich? Und dann haben wir das hier so schön auf Englisch: We dare to care. Ja (...) to care (...) also ich kümmere mich oder ich übernehme eine gewisse Verantwortung. Und ja, wir haben den Mut: we dare. Verantwortung zu übernehmen IN unserer Aufgabenstellung. Also, dass wir für die Natur Verantwortung übernehmen, für die Gesundheit des Menschen Verantwortung übernehmen und dazu verpflichten wir uns und das sehen wir als unser. Und das braucht einen gewissen Mut, weil man dann sozusagen Sachen macht, aus der Sache heraus und nicht weil das andere auch machen. Also man geht nicht einfach Mainstream, sondern das haben wir uns selbst als Aufgabe gestellt und daran halten wir uns. Daran können wir auch abgerechnet werden, um es mal so zu sagen. Das ist unser Purpose, unsere Aufgabenstellung. So (...) und dann kommt der zweite Satz: Inspired by Anthroposophy we dare to make a difference. To make a difference ist im Englischen also nicht so sehr: Wir sind anders. Sondern unseren spezifischen Beitrag zu geben. Also das ist unser spezifischer Beitrag und dazu stehen wir (...) und das versuchen wir aus der Anthroposophie heraus zu machen. Jetzt ganz große Augen. Ja was heißt denn das, aus der Anthroposophie heraus, Entschuldigung? Das heißt für mich (...), dass man immer versucht, dem menschlichen Maß auf die Spur zu kommen. Sozusagen was ist zu viel, was ist zu wenig des menschlichen Maß. Dass es nicht überbordet einerseits aber auch nicht zu wenig. Dass man sich immer anstrengt, diesen Einsatz, den man hat, die Einmaligkeit, die man hat, sozusagen im Sinne des menschlichen Maßes zu vertreten. Also diese Produktion so zu machen wie sie ist. Das ist 92 sozusagen, was die Mitarbeiter herausgenommen haben. Ich bin eigentlich sehr dankbar dafür. Sie haben das jetzt hier im Englischen verfasst, was leichter ist als in der deutschen Sprache, muss ich sagen. Und das haben sie rausgeholt und da hab ich gesagt: Donnerwetter! Das ist toll und nehmen wir mit rein und eh, dass ist sozusagen ein Response aus unserer Arbeit um die Vision und Mission und Strategie, die wir als Verwaltungsrat formuliert haben, zusammen mit der Geschäftsleitung. Da haben die Mitarbeiter das aufgearbeitet und dann gesagt so: Das geben wir euch jetzt zurück, das ist unsere Response dazu. Und für mich ist das eh (...), das passt genau! Da war ich sehr glücklich drüber. Ich schicke ihnen den Bericht noch, oder sie können eine Kopie davon machen (...) obwohl, haben sie bestimmt schon? #00:09:46-6#

K: Im Internet konnte man ihn runterladen, genau. #00:09:49-9#

M: Ich glaube unsere Vision, Mission, kann man aus dem letzten Geschäftsbericht herauslesen. #00:09:55-2#

K: Genau. Ja. Aber dieses im Maße des Menschen bzw. im menschlichen Maß. (...) Ehm, heißt das dann theoretisch, das könnte ich auf alle Führungsstile betragen, die dieses Maß (...) haben? #00:10:11-7#

M: auf jeden Fall. #00:10:14-2#

K: Und die müssten jetzt auch gar nicht wie die Weleda direkt aus der Anthroposophie gegründet werden oder eine direkte Verbindung haben, sondern solang sie sich in diesem Maß bewegen kann man sagen, sie handeln anthroposophisch motiviert oder inspiriert? #00:10:29-1#

M: Ja. Es ist natürlich sehr damit verbunden, wie man Anthroposophie auffasst. #00:10:36-8#

K: Mhm. #00:10:38-6#

M: Also man kann Anthroposophie auffassen als eine (...) Wissenschaft (...) was sie ja auch ist, also Geisteswissenschaft, sie sozusagen versucht nicht bei der Sinneswelt stehen so bleiben, sondern in der Welt des Sinns. Was macht Sinn? Zu gucken und von da aus die Sinneswelt neu zu ergreifen sozusagen immer mit dem Sinn orientiert zu arbeiten. Das ist eigentlich die Aufgabe der Anthroposophie. Das ist das Eine und das Andere ist, wenn man sagt ja: das geht doch auch jeden an, jeder sucht nach Sinn? Sag ich ja stimmt! Deswegen ist die Anthroposophie nicht irgendwas Weltfremdes, sondern es ist eigentlich das Potential des Menschen. Darum geht es. Also jeder Mensch hat in sich sein Potential oder sozusagen / er ist nicht fertig, er ist ein, ein Mensch in Werdung sage ich mal. Und darum / das ist genau was die Anthroposophie ist. Dass der Mensch nicht fertig ist, sondern auf einem Entwicklungsweg ist. Und wohin das führt, das hängt ja von diesem menschlichen Maß ab, sage ich jetzt mal. Dass der Mensch sich immer mehr findet. Darum geht es in der Anthroposophie. #00:11:48-8#

K: Und woran orientiert sich dieses Maß? Oder woran orientiert sich / #00:11:51-9#

M: An dem Menschen. #00:11:53-8#

K: Und da gibts jetzt nichts was dann weiter geht? Also der Mensch orientiert sich an sich selbst? Und findet dann ins Ganze? #00:12:01-1#

93

M: Naja, sie können ja fragen: was ist sich selbst? Und da kann man sozusagen (...) also sich selbst, ist das isoliert von der Welt? Oder bin ich selbst auch im Kontakt mit der Welt? (...) #00:12:15- 0#

K: Ja (...). #00:12:15-2#

M: Oder wo ist mein Kontext? Hört das auf in diesem Zimmer? Hört das auf in diesem Dorf? Hört das auf in der Schweiz? Hört das auf in Österreich? Hört das auf, auf die Erde? Hört das auf in den Sternen? Also das ist der Mensch. #00:12:34-2#

K: Ok. Weit gefasst <>. #00:12:37-6#

M: Sehr weit gefasst. Sehr weit (...) und evolutionär auch gefasst. Der Mensch ist ja sozusagen, das ist sozusagen einer der Gesichtspunkt der Anthroposophie womit man leben kann als Hypothese: der Mensch ist nicht einmalig hier auf der Erde und dann irgendwie stirbt er und après moi le déluge (Nach mit die Sintflut) und dann wars das. Sondern nein! Er ist auch (...) auch die Entwicklung des Menschen geht durch Inkarnationen hindurch. Der hat sozusagen auch einen geistigen Kern und wenn er stirbt, legt er seinen Körper ab, aber er selber ist nicht weg. Der geht ja weiter. Und hat neue Lust zu inkarnieren in Zukunft, um neu zu lernen auch, um sein Potential wieder neu anzusprechen. #00:13:23-1#

K: Und wie fördert jetzt zum Beispiel die Weleda diese Weiterentwicklung vom Menschen? Gibts da irgendwas, was sie / #00:13:31-1#

M: Das finde ich sehr schön beschrieben von ihnen hier. Da kann ich mich sehr gut eh (...) mit verbinden. Sie haben da irgendwie geschrieben, dass eh sozusagen, dass der Mitarbeiter sozusagen auf Augenhöhe / als mündiger Mensch. Hier haben sie es geschrieben. Genau das! Das ist meine Auffassung. Also das, das / ich bin ja nicht nur bei der Weleda, sondern habe zwei Banken auch geleitet und immer in Bewerbungsgesprächen habe ich gesagt: Ja, sie sollten wissen. Ich hab nicht gesagt: Diese Bank ist eine anthroposophische Bank, sondern ich leite diese Bank und ich fühle mich mit der Anthroposophie verbunden und das heißt für mich eh, dass hier eine Kultur in der Bank leben sollte, dass jeder Mitarbeiter, ob er mehr oder weniger von der Anthroposophie weiß oder nicht, darum gehts nicht, sondern, dass er sozusagen sich verbindet mit der Arbeit, in so einer Weise, dass er eine kritisch-liebevolle Einstellung zu seiner Arbeit hat und Fragen stellt. Macht das überhaupt Sinn was ich hier mache? Ist vollkommener Quatsch, dann sag es! Aber sag dabei wie man es besser machen kann. Also nicht einfach Nein sagen, das (...) kann jeder sagen. Aber wenn man Nein sagt auch direkt sich auch überlegen / gibt man einen besseren Vorschlag. So ne (...), dass man immer sozusagen nach dem Sinn der Dinge fragt. Das ist für mich gelebte Anthroposophie. Und das habe ich bei Bewerbern immer gesagt und ehm (...) jeder Mitarbeiter / Mitarbeiter sind unterschiedlich. Der eine sagt: bitte sag mit was ich zu tun hab und dann ist Schluss. An bestimmten Stellen kann man das so machen, finde ich. An anderer Stelle / nein, das geht überhaupt nicht und ich brauche deinen Input (...) ich brauch dein Mitdenken, dein Mittun, deine Mitüberlegungen in gewisser maßen, weil sonst komme ich nicht zurecht (...). Also das ist meine Haltung. Ob ich die immer gelebte habe, das kann man (...)<>. Aber das ist sozusagen grundsätzlich und dass / Wir haben jetzt bei der Weleda auch / Wir hatten ja, sozusagen die Figur, als es der Weleda so schlecht ging, dass wir gesagt haben, die Weleda muss saniert werden, wir holen jemanden rein, der CEO wird und ich wurde dann Präsidentverwaltungsrat (...)

94 und in der Schweiz hat man dann sozusagen ein Organ. Nicht, nicht Vorstand und Aufsichtsrat, sondern Verwaltungsrat, aber der kann die Geschäftsleitung einsetzen. So (...) und dann ist es das CEO-Modell gewesen und die anderen Geschäftsleiter sind dem CEO rechenschaftspflichtig und er mir. #00:16:07-5#

K: Mhm. #00:16:09-4#

M: Und dann haben wir vor circa zwei Jahren gesagt: So jetzt sind wir aus der Unternehmung raus und (...) wenn das nur über einen Tisch geht wird das ein bisschen eng, das wird etwas Bottle-like- artig. Also seid ihr bereit kollegiale Führung zu übernehmen? Dass ihr für euer Ressort zuständig seid, aber gleichzeitig das Ganze mit (...) eh, im Bewusstsein habt. Also auch die Ressorts ihrer Kollegen und so und dass wir gemeinsam eine Verantwortung haben. Ja! #00:16:39-6#

K: Heißt das dann im Endeffekt (...) ich habe da ja reingelesen. Ehm jetzt bei dem Anfangskonzept haben sie ja das Unternehmen am Ende an die Mitarbeiter übergeben oder ja, verkauft. Ist das dann auch das Ziel jetzt hier, dass die Mitarbeiter nachher / #00:16:55-4#

M: Das kommt ja auf die Struktur des Unternehmens an. Es gibt ja Unternehmen, wie z.B. in England, da gibt es Louis, da haben die Mitarbeiter Eigentum. Bei der Weleda haben wir eine Stiftung oder sozusagen zwei Hauptaktionäre, die sozusagen die Aktien halten für das Wohl des Unternehmens. Und das gibt auch / Robert-Bosch-Stiftung ist so, Mahle-Stiftung ist so. Es gibt ja / wir haben diese Struktur gewissermaßen. Hauptzweck ist, dass das Unternehmen seine Aufgaben erfüllt, weil das Unternehmen Weleda hat nicht nur die Aufgabe irgendwie seine Produkte wirtschaftlich irgendwie sinnvoll zu verkaufen, sondern sie ist ja mitverantwortlich für das anthroposophisch-medizinische System und sie übernimmt eine Verantwortung, was über eine normale wirtschaftliche Verantwortung hinaus geht gewissermaßen. Und das ist schon eine ziemliche Aufgabe. Weil sie auch Produkte produziert, Arzneimittel, die in sich manchmal gar nicht gewinnbringend sind, aber trotzdem diesen Vorrat an Arzneimitteln oder diese Spannbreite zur Verfügung stellt, damit Ärzte ihre Arbeit leisten können. #00:18:08-2#

K: Mhm. #00:18:10-4#

M: Und das ist immer so auch wiederum da. Was ist noch vertretbar und was ist nicht mehr vertretbar. Letztendlich muss das Ganze wirtschaftlich vernünftig sein. (...) Aber da kann man viel machen. Als ich die Triodos Bank gegründet habe, haben die Leute gesagt: das hat doch überhaupt keinen Zweck noch eine Bank zu gründen. Und noch mehr Transparenz und so weiter, die Leute gucken doch nur auf die Zinsen, die sie kriegen. Ach ja, wart mal ab, vielleicht gibt es auch noch andere Leute, wer weiß <>. #00:18:42-1#

K: Ist die Triodos Bank sehr ähnlich zur GLS Bank? #00:18:43-8#

M: Ja. Ja. Nur die Triodos Bank ist in so einer Stiftungsform auch und die GLS Bank ist eine Genossenschaft. Da gibt es nicht nur Mitarbeiter, da sind auch viele Genossen. Wie der Volks- und Raiffeisenbankverband ist sie ja auch so. Das ging in Holland nicht, weil die Rabobank, die war viel mehr bestimmend für die Volks- und Raiffeisenbanken im Lande und wir wollten / da hatten wir nicht genügend Spielraum und dann haben wir gesagt: gut, dann machen wir eine Stiftung. #00:19:21-0#

95

K: Mhm. Und jetzt hier bei der Weleda, wenn jetzt kollegiale Führung eingeführt wird, ehm, das war ja vorher dialogische Führung hatte ich gelesen, was ja als Führungskonzept quasi gelebt wurde. Oder was war vorher dann das Personalführungskonzept? #00:19:37-9#

M: Ja das war natürlich immer sozusagen ein Versuch, dass die Mitarbeiter involviert und engagiert waren, das ist klar. Aber sozusagen in der / auf der Leitungsebene, in der Geschäftsleitung, hatten wir ein CEO-Modell. (...) Und ehm, natürlich hat der CEO, das war der Raif Heinrich, der hat nicht seine (klopft auf den Tisch) Kompetenz so und so. Der hat immer seine Kollegen angesprochen, also insofern. Aber wenn es dann sozusagen formell auch (...) von einem CEO-Modell in die Kollegiale Führung überführt wird, dann ist das doch ein Schritt. Man kann das natürlich hier so sagen: wir machen das schon alles, aber letztlich habe ich doch das letzte Wort. Aber nein! Jetzt ist wirklich die Verantwortung, die Entscheidungsbefugnis auch, an die Geschäftsleitung als Ganzes übertragen, nicht nur an eine Person. Das macht was aus. #00:20:36-0#

K: Aber diese Geschäftsleitungsstruktur bleibt erhalten? Die wird jetzt nicht auch irgendwann aufgelöst?

M: Nein, das hat doch überhaupt keinen Sinn. Kollegiale Führung heißt nicht eh Basisdemokratie. Kollegiale Führung heißt / (...) Ich würde sagen kollegiale Führung heißt, wenn es gut geht, funktionale Führung. Das heißt je nach Thema , was zu bearbeiten ist, machen wir Arbeitsgruppen und so weiter und die Leute, die damit was zu tun haben und mit dem Thema was zu tun haben / oder es muss sozusagen aus der Funktion heraus eine Entscheidung getroffen werden und die Geschäftsleitung macht da mit und die respektiert, dass jemand in bestimmten Kompetenzen mehr weiß als die Geschäftsleitung. geht ja auch gar nicht anders. Und dass dieser aus seiner Kompetenz heraus Vorschläge macht und auch Entscheidungen trifft und so weiter. #00:21:29-7#

K: Also ein bisschen Schwarmmäßig, oder? Also, dass diese einzelnen Gruppen entstehen, die aber doch zum Ganzen gehören / #00:21:38-7#

M: Also wir haben jetzt zum Beispiel / haben wir eingeführt, eine Konsententscheidungsfindung. (...) Und Konsent heißt nicht Konsens, dass alle einverstanden sein müssen, sondern Konsent heißt einfach, dass man in der Arbeitsgruppe sagt / da sind dann auch Leute von der Geschäftsleitung dabei und so weiter. Jemand macht einen Vorschlag und sagt: Das ist mein Vorschlag für die Entscheidung. Und dann geht man in die Runde und fragt jeden: bist du einverstanden? Sagt er so (Gestikuliert mit den Armen). Kannst dus mittragen? (Gestikuliert wieder mit den Armen). Hast du was dagegen? (Gestikuliert wieder mit den Armen). Wenn man aber so macht (Gestikuliert ein Nein), dann kann man nicht nur so machen, sondern dann muss man sagen: so und das ist mein Vorschlag zur Verbesserung. Und dann geht dieser nochmal genauso in die Runde. #00:22:27-4#

K: Macht es das lang? Also dauert dieser Prozess lang? #00:22:30-7#

M: Nein, das geht recht schnell, sogar sehr schnell. Und dann nimmt man jeden einzelnen aus der Runde mit, unabhängig von der Funktion bzw. der hierarchischen Funktion. Nimmt man ernst. (...) Die Frage ist aber natürlich dabei immer sozusagen die Konsequenz einer Entscheidung (...) hat man das genügend im Bewusstsein? (...) also, wenn man zum Beispiel sagt in einer Entscheidung: Wir schließen jetzt den Standort Arlesheim. (...) Wir nehmen Gruppen zusammen und entscheiden, ja das ist zu teuer. Aber Moment! Sind denn die Leute auch wirklich vertreten in diesen Gruppen, 96 die diese Konsequenz auch tragen? Das muss man dann sehen. Sehen wie ist die Zusammensetzung der Gruppe, um diese Konsequenz auch tragen zu können. Und dann haben wir hier natürlich, wir leben hier in der Schweiz. Die Schweiz hat Aktienrecht und aktienrechtliche Bestimmungen und die müssen wir auch respektieren. Und so bewegt man sich immer in einem Rahmen und den muss man auch akzeptieren und respektieren. #00:23:40-0#

K: Wissen sie wie das bei der GLS Bank ist? Wie da die Personalführung strukturiert ist? Wie die mit den Mitarbeitern umgehen? #00:23:47-2#

M: Also ich bin jetzt sieben Jahre raus, eh (...) aber die ist relativ ähnlich, würde ich sagen. (...) Ja wir sind natürlich / die Weleda ist natürlich ein ganzes Stückchen größer. Wir haben ja 2.500 Mitarbeiter über die ganze Welt verteilt (...) und das ist bei uns natürlich auch unterschiedlich je nach Land, wie die Handhabung der Dinge ist. Aber der Grundsatz, also des mündigen Menschen, das ist für mich weltweit auch Thema. (...) Aber bei der GLS würde ich sagen (...) würde ich das ähnlich sehen (...) ja. Aber da sollten Sie den Personalmann oder Frau bei der GLS fragen. #00:24:30-6#

K: Ja wenn sie Kontakte haben nehme ich die gern! #00:24:33-1#

M: Das ist Herr Prahl. Sein Vorname fällt mir gerade nicht ein, aber er steht hier im Geschäftsbericht (Sucht im Geschäftsbericht). (12) Hier das ist er! #00:25:26-6#

K: Vielen Dank! Dann schreibe ich da mal eine E-Mail hin. (Notiere die Mail-Adresse). #00:26:14-1#

M: Also noch kurz zur Produktion, bevor wir dann ihre Fragen durchgehen. (Liest über den vorgelegten Text drüber). (10) Ehm, das haben Sie (...) ganz gut gefasst denke ich. Ja ich würde sagen, in der biologisch-dynamischer Landwirtschaft versuchen wir die Natur wieder lebendig zu machen. Sie also nicht nur zu lassen wie sie ist, wie in der ökologischen Landwirtschaft, sondern wirklich sie zu kräftigen auch. Wenn man das richtig macht, dann ist das wirklich eine Freude, (...) dass die Natur sich sozusagen freut darüber, dass sie entsprechend ihrem Wesen behandelt wird. So wie beim Menschen. Wenn Menschen sich gesehen fühlen, blühen sie plötzlich auf. Ja, oder? #00:27:07-1#

K: Ja! Wenns alle so machen würden. #00:27:11-1#

M: Ja, dann würden wir wohl anders leben. Sollen wir Ihre Fragen durchgehen? #00:27:16-8#

K: Ja, wenn Sie möchten. (...) Also die Erste haben Sie eigentlich ja schon beantwortet. #00:27:22-4#

M: Ich glaube auch, oder? #00:27:27-8#

K: Ja #00:27:29-5#

M: Eh (...) die Zweite hab ich auch schon beantwortet? #00:27:35-0#

K: Ehm, ja.

97

M: (Liest die dritte Frage: Wie lässt sich ein anthroposophisch motiviert geführtes Unternehmen von einem ethischen oder anderen alternativ geführten Unternehmen unterscheiden?) (5). Ja wissen Sie, als ich die Bank gründete, die Triodos Bank. (...) Ich gründe jetzt, ich bin Mitbegründer dieser Bank, wir waren zu viert (...) eigentlich in der Absicht, dass sich die Bank irgendwann erübrigt. #00:27:58-5#

K: Wie erübrigt? #00:28:00-3#

M: Sich auflöst. Weil sie ihre Aufgabe erfüllt hat. (...) Weil, die anderen Banken das genauso machen wie wir. (...) Das ist meine große Hoffnung. (...) Und dann / Oh, das dauert ein bisschen länger und dann hab ich (...) mit dem CEO von der Rabobank gesprochen (...) damals. Weil ich habe gesagt: Ja, ich möchte eigentlich auch Verbindungen zu Großbanken haben. Weil ich komm ja ursprünglich aus einer Großbank. (...) Also ja / und ich würde die eigentlich partizipieren lassen an unserer Bank, weil dann können wir so eine Art Labor sein, auch für die Großbanken und das fand er eigentlich richtig und sagte: Pass auf. Lass uns für die Großbanken und Versicherungsgesellschaften einen eh, Stake nehmen in der Triodos Bank, aber nicht mehr als fünf Prozent, (...) weil sonst seid ihr ja nicht mehr unabhängig. Und bleibt bitte unabhängig, weil ihr könnt Sachen machen als kleine Bank, die wir als Großbank gar nicht so sehr schnell mehr umsetzen können. Ihr seid sozusagen ein Speedboat und dann könnt ihr da so durch und wir sind Tanker, die so unglaublich lange brauchen bis wir ein bisschen Kursänderung machen können und so. (...) Und das fand ich eigentlich ein schönes Bild, dass wir bestimmte Sachen machen können, die die Großbanken nicht so agil machen können, sage ich jetzt mal. Und ein Beispiel davon war, dass ich durch Umweltverbände von den Niederlanden gefragt wurde: Kannst du uns nicht mal helfen, (...) eine Gesetzesänderung durch das Parlament zu bringen, wodurch die Finanzierung von umweltfreundlichen Projekten auch eh, wirtschaftlich interessanter wird. Hab ich dann gesagt: Ja schön, machen wir. (...) Habe ich eine Gruppe zusammengestellt, der alte Landschaftsminister war dabei und so ein paar Profis, ich habe ja mit dem Finanzministerium zusammengearbeitet. Der Finanz eh (...) Staatssekretär hat gesagt, ja was eh, was kostet mich das? Weil ich hab gesagt / immer wenn man sozusagen ein eh, ein Taxe / ein Steuerargument hat, dann ist das interessant für, für Investoren. Und ich hatte gesagt, also wenn man investiert in umweltfreundliche Projekte, dann ist dieses Return on Investment, das ich kriege, ist nicht belastbar für die eh, Einkommenssteuer. Und in Holland sind die Investoren meisten 50 Prozent, das heißt, dass ein Prozentsatz von zwei Prozent kompatibel ist mit einem Prozentsatz von vier Prozent und das macht einen Unterschied (...) für Privatpersonen. Und dann habe ich mit allen Parteien gesprochen und die haben gesagt: joa, geht, ja prima. Dann haben wir das als Gesetz angenommen / wurde es angenommen (...) und dann haben die Großbanken gesagt: wir bieten es unseren Kunden an. Und dann war plötzlich viel zu viel Geld da. Vorher war überhaupt kein Geld da. (...) Aber die Projekte, die Umweltprojekte mussten einen Stempel kriegen, dass es wirklich Umweltprojekte vom Umweltministerium waren, also das war ja Vorbedingung, sonst wäre es ja alles für die Katz. Und dann hab ich zum Umweltminister gesagt: Ihr müsst streng sein! (...) richtig Dunkelgrün und nicht mal so bisschen Graugrün. Richtig Dunkelgrün. Und dann hatten die Großbanken natürlich ein Problem. Weil die hatten viel zu viel Geld (...) und viel zu wenig Projekte, die richtig dieses Stempel verdient haben gewissermaßen. Und dann hat natürlich das Finanzministerium gesagt: Ja Momentmal! Wenn ihr nicht mindestens 70 Prozent eures Vermögens umsetzt in wirklichen Projekten, dann kann ich dieses Zugeständnis nicht gewähren, weil dann bleibt es einfach bei euch und wird es nicht allokiert in den Projekten, in die es eigentlich gehen soll. Und deswegen müssen sie sich richtig 98 anstrengen, um solche Art von Projekten auch eh, mitzuhelfen entwickeln. Das war wirklich eine schöne Sache, muss ich sagen. (...) Und dann hat das Ministerium gesagt: so! Auch an den Bankenverein gesagt: Wer vertritt eigentlich? Wer ist unser Gesprächspartner? Um sozusagen, nicht nur einmal das per Gesetzt festzusetzen, weil das Gesetz muss sich ja auch weiterentwickeln. Da haben alle Großbanken gesagt: das muss die Triodos Bank für uns machen. Wenn eine Großbank das macht, dann ist immer (...) joa, das stehen wir uns gegenseitig nicht zu, aber die Triodos Bank kann das machen. (...) Das war unglaublich schön. Das ist die Einmaligkeit, die man als kleine Bank dann hat und wo man etwas in die Wege leiten kann, was die Großen nicht so machen können. Das war ein schönes Beispiel dazu. (...) Und jeder war zufrieden so. Und wir waren sehr, sehr streng. Und dann haben wir das noch erweitert. Also wir haben gesagt: machen wir das nur für Holland oder machen wir das auch für Entwicklungsländer? Und dann sind wir wirklich auch in Entwicklungsländer gegangen. Das war eine schöne Sache damals. Also nur um ein Beispiel zu zeigen, das sozusagen diesen Unterschied, wenn man / in Größe (...). aber von der Haltung her würde ich sagen: um so besser! Also da hab ich / Ich habe keine Competition-Angst oder so etwas. #00:33:54-0#

K: (...) Und wenn sie aber diese eh, Anthroposophie jetzt so als ehm Konzept sage ich jetzt mal, wenn man die Unternehmensführung danach ausrichtet, ehm, wird ja zumindest habe ich es so in den Büchern gefunden, dass die Unternehmen, wie die Weleda z.B. zum Nachhaltigen Management gezählt und die GLS Bank wird zum ethischen Bankenwesen gezählt (...) das ist in Ordnung, also dass man da sagt, das kann man unterordnen oder dort einfügen, weil es deckt sich und wenn es sich deckt im Kern, dann ist es ok? #00:34:30-2#

M: Ja prima, dann ist das ok. Man muss natürlich sehen, allmählich gibt es viele Unternehmen, die sich sozusagen schmücken mit: Ah ja, wir sind auch noch nachhaltig und wir machen was Schönes. Bis zur Deutschen Bank hin. Da müssen wir sozusagen schauen was ist echt nachhaltig und was ist schön draufgeschrieben. Aber dahinter ist es ein Geschäftsmodell (...) so. Und dass ist natürlich die, die Frage (...) sind die Kunden wach genug, Transparenz, dass die auch wirklich unterscheiden können, welche Message ist wirklich essenziell und welche Message ist ein Werbeslogan. Das gibt es heute ja natürlich auch (...) auch im Kosmetikbereich. Aber wir haben gesagt: unsere Kosmetik soll funktionelle Kosmetik sein. Das heißt, nicht einfach schön drauf und so weiter, sondern immer eine dermatologische Heilungsfunktion auch haben (...) und daran halten wir uns sage ich jetzt mal und das ist teuer, auch von den Substanzen her sage ich jetzt mal und da ist natürlich die Frage: Gelingt es uns das auch entsprechend zu kommunizieren? Mit den Kunden. Weil es wird ja so viel gerade verkauft (...) an Unsinn, gerade im Kosmetikbereich. (...) Naja so. Aber da sind wir sehr streng und das ist natürlich auch was ich zurück höre aus dem Markt: Ja, wenn Weleda (Gestikuliert, dass die ein positives Feedback aus dem Markt kommt) ist eine Vertrauensmarke dann auch und damit muss man sehr vorsichtig umgehen oder sehr sorgfältig umgehen sage ich jetzt mal (...) die kann schnell kaputt gehen. (...) Ja haben wir dann damit ihre Frage drei einiger maßen gut behandelt? #00:36:24-7#

K: Ja, doch denke schon. #00:36:28-6#

M: Ja, dann kommen wir zum Geschäftsbericht. (Liest die Frage leise vor sich hin) (8). #00:36:37-1#

K: Genau, da haben wir ja schon am Anfang ein bisschen drüber gesprochen. #00:36:38-8# 99

M: Ja. (...) wir stoßen an Grenzen (6), weil wir einfach (...) merken, dass wir in einem komplexen System drin sind und die Komplexität geht über einen Menschen hinaus und deswegen ist die Zusammenarbeit in der Geschäftsführung so wichtig und auch bei uns im Verwaltungsrat. Also ich hab jetzt Kollegen, die wissen in bestimmten Bereichen / Ich hab ja einen Professor an der Uni in Berlin, an der Charité, der weiß von Medizin viel, viel mehr als ich das weiß, überhaupt keine Frage. Oder jetzt kommt der Ueli Hurter, der weiß von Erdsubstanzen alles und ich bin so ein komischer Bänker, der mal was gehört hat so. Oder jetzt kommt die Monique Bourquin, die kommt von Unilever, die weiß unglaublich viel von Consumergoods. (…) Ich hab da keine große Ahnung. Also man muss sozusagen die Kompetenz sehr gut sehen, was brauchen wir an Bord, um die Komplexität des Feldes auch an Bord zu haben, sodass man wirklich auch Bescheid weiß und zu vernünftigen Entscheidungen kommt. (...) Ich glaube das ist es. (...) Und ähnlich in der Geschäftsleitung (...) also nicht einer soll das bestimmen, sondern sozusagen schauen: was kommt aus der Produktion, was kommt aus dem Markt, was kommt aus Forschung und Entwicklung, weil sozusagen auch, auch welche Produkte wir verkaufen kann nicht nur vom Markt abhängig sein sondern soll auch von Forschung und Entwicklung initiiert werden können. Sozusagen: Jetzt haben wir was! Donnerwetter, das ist doch interessant für die Kunden! Das ist was Neues! Und das fängt jetzt an, weil wir lange Jahre nicht genügend gemacht haben in Bezug auf Forschung und Entwicklung. #00:38:47-5#

K: Ok. #00:38:44-8#

M: Also das wäre ihre Frage vier. #00:38:50-1#

K: Mhm. #00:38:52-0#

M: Weiter mit der nächsten. (Liest die Frage fünf) (15). Also ich verstehe die kollegiale Selbstverwaltung so, dass die (...), dass Rudolf Steiner den Lehrern gesagt hat: Wenn ihr nicht eine gewisse Mitverantwortung, für das Wohl und Wehe dieser Schule übernehmt, dann seid ihr nicht glaubwürdig den Schülern gegenüber. Weil dann kommt ihr eh, habt sozusagen (...) frachtet eure Ladung auf, auf die Schüler ab und verschwindet wieder und was die Schüler machen geht niemanden was an. Solche Lehrer gibt es nicht? Ich hab mein Wissen und (...) es fängt an, ich geh und die Tür geht hinter mir zu und das wars. Und das kanns nicht sein, weil die Schüler einfach merken, da ist überhaupt kein Dialog. Und wenn ein Lehrer nicht einigermaßen mit dem Wohl und Wehe der Schule verbunden ist, dann / also dieses Engagement ich stehe für diese Schule, ich bin mitverantwortlich für die Schule. Natürlich kann man dann Aufgaben verteilen, damit nicht alle das gleiche machen und so weiter und ich denke, dass das sehr vernünftig ist, dass man bei Waldorfschulen sagt: So / wie man das bei Rechtsanwaltspraxen auch hat / wir sind eine professionelle Unternehmung, eine Wissensunternehmung, was die Schule ja ist, aber einige von uns müssen den Verzicht leisten, dass sie für eine Anzahl von Jahren die Schulleitung auf sich nehmen oder die Rechtsanwaltspraxisleitung übernehmen, weil die muss ja irgendwie geführt werden. (Gestikuliert, als würde er die Führung jemandem Übergeben) Bitte mach das. Ja, ich kann das nicht. Ja umso besser mach das! Hier du hast Kollegen und kannst ein bisschen was lernen und vielleicht kannst du nachdem du da gemacht hast deinen Kunden nochmal ganz anders gegenüberstehen. Und ich glaube, dass das bei Waldorfschulen eben auch so ähnlich ist, dass bestimmte Lehrer für eine gewisse Zeit diese Leitungsfunktion zu übernehmen, um den anderen zu dienen, um die anderen zu entlasten, sage ich einmal. Und das ist eigentlich die Gestik, die hier drin ist. Und grundsätzlich ist das bei einer Unternehmensführung auch nicht anders. Also ich 100 möchte nicht jemanden in der Geschäftsleitung haben der sagt: Endlich bin ich oben! Jetzt hab ich das Sagen! Nein! Das wäre nicht richtig. Ich denke da zum Beispiel an unseren Finanzer, das ist Michael Brenner (...) ja der ist Wirtschaftsprüfer, aber sein Herz (...) eh, nicht Agrarwirt, , ah Waldwirtschaft hat er studiert und daran hängt sein Herz eigentlich. Und deswegen hat er gesagt: Weleda ist ein ganz wunderbares Unternehmen und ich mache diese Wirtschaftsprüfung jetzt, weil ich das einfach drauf habe, aber mein Herz liegt da. Und bei der Weleda hat er jetzt nun auch die ganze Sustainability unter sich. Und (...) und das finde ich gute Elemente.

Oder Andreas Sommer, der hat ja Chemie studiert und ist jetzt zuständig für den Verkauf und das finde ich gut! Also ich war an einer Business School in .... ein Jahr, vielleicht kennen sie das (...) das ist in Südfrankreich, Fontaine Bleau, da sind die Elitenschulen, wenn man richtig hoch hinauf will und ehm, die Studenten da kommen aus allen Landen, aus USA, England, Deutschland usw. und dann haben die ein Jahr um wirklich zu lernen, was ist Business, wie lernt man ein Unternehmen zu führen. Das lernt man dann da. (...) Und die besten Studenten waren nicht die, die Leute, die Betriebswirtschaft studiert haben (...). Nein die haben Sprachen studiert oder Philosophie studiert und haben gesagt: Ja jetzt weiß ich wie ich denken muss, wie ich argumentieren muss und jetzt will ich nochmal lernen, wie man ein Unternehmen führt. Und das ist glaube ich / es kommt darauf an, sozusagen hat man einen größeren Kontext in seinem Kopf und dadurch kann man ein Unternehmen leiten. Wenn man ohne Kontext (...) wenn man einfach mit Scheuklappen läuft, dann kann man kein Unternehmen leiten. Denn es geht immer darum, sozusagen immer das Unternehmen im Kontext (...) sozusagen in den verschiedenen Kräften wirksam zu sein und darauf adäquat zu reagieren und dazu braucht es ein gewisses Maß an Geistessegen und Vernunft. Das kriegt man nicht, wenn man nur Betriebswirtschaft studieren würde. #00:43:55-8#

K: Mein Armer Studiengang #00:43:58-2#

M: Nein, so nicht, ich habe ja auch Betriebswirtschaft studiert und Volkswirtschaft und das war auch schön, aber ich hab einfach gemerkt das reicht nicht, um den Kontext zu schaffen und das ist so hier (...) insofern denke ich ja, eine Schule ist etwas anderes als ein Produktionsunternehmen (...) insofern ist die Führung anders eh, weil einfach andere Funktionen verlangt werden und wir sind nicht alle gleich wie die Lehrer in gewissermaßen professionell gleich sind, nur in verschiedenen Klassen, aber sie sind alles Wissensträger oder sage ich mal im Geiste tätig und die anderen sind in Substanzen tätig und das ist etwas anderes. Aber es braucht immer einen Kontext und die Haltung, die ist nicht grundsätzlich anders für mein Empfinden. #00:44:59-2#

K: Ok, also das heißt grundsätzlich anders und die Haltung / #00:45:06-1#

M: Ja also die Organisation ist eine andere, aber die Haltung ist für mich nicht anders. #00:45:11-8#

K: Ja. #00:45:13-3#

M: (...) Aus dem Geschäftsbericht gehen fünf Schritte hervor (...) Ja das sind die hier (Liest die nächste Frage für sich). Am Sinn orientiert, ja das ist dieser Purpose (...) sie hatten doch da was geschrieben von diesem People, Planet, Profit, diese Triple P. #00:45:33-9#

101

K: Ja, das war ganz vorn in der Beschreibung. #00:45:38-9#

M: Genau! Und ich würde gerne (...) People, Planet, Profit ersetzen durch People, Planet, Purpose. #00:45:47-8#

K: Mhm. #00:45:49-6#

M: Und Profit ist eine notwendige Voraussetzung, aber es ist kein / für mich kein Zweck, sondern das muss sein, um diese People, Planet, Purpose erfüllen zu können. Also wenn man keinen Profit hat kann man das vergessen, dann ist das Unternehmen bankrott. Also man braucht, man braucht Gewinn, um auch in die Zukunft zu investieren (...) also das Unternehmen muss wirtschaftlich tragfähig sein, aber es ist für mich kein / das ist kein Objektive, es ist eine notwendige Voraussetzung, aber was People, Planet, Purpose anbelangt, das sind wichtige Aufgabenstellung. Purpose ist der Sinn, warum machen wir denn das? Was ist unser Beitrag? Unser gesellschaftlicher Beitrag? So, das ist der Purpose. Und People ist, wie machen wir das für unsere Kunden, für unsere Stakeholder, für ALLE involvierten Menschen und natürlich, selbstverständlich auch die Mitarbeiter, aber eben nicht allein. Und das dritte ist Planet natürlich, wir können das nicht auf Kosten unseres Planeten tun. Grade in solchen Unternehmen wie die Weleda, sind wir eh, (...) abhängig von der Erde, deswegen müssen wir der Erde was zurückgeben auch (...) also das ist für mich sehr selbstverständlich. also das ist diese Sinnorientierung: People, Planet, Purpose. Dann kommt verteilte Verantwortung: Wie entscheiden wir? Das ist natürlich eh (...) im Englischen sagt man delegated autority or distributed autority. Die Unterscheidung wird da gemacht. Delegated ist: Gut ich gebe dir die Verantwortung, bis ich merke, dass es nicht geht und dann nehme ich sie wieder zurück. Oder aber es heißt nein: für diese Aufgabe übertrage ich die Verantwortung und lebe mit den Konsequenzen. Und das ist natürlich für denjenigen, auf den die Verantwortung übertragen wurde ein größeres Gewicht auch. Donnerwetter, jetzt habe ich die Entscheidungsbefugnis und muss dann dafür auch geradestehen und darauf werde ich auch angesprochen, sage ich jetzt mal. Und dann ist natürlich die Frage: Sind die Mitarbeiter dafür bereit? Weil das natürlich eben ein mehr an Verantwortung bedeutet. Und das sind Schritte denke ich (...) also ist es delegated oder distributed, also (...) das ist ein Entwicklungsweg, um Verantwortung zu verteilen. #00:48:27-7#

K: Und wenn jemand die Verantwortung übernehmen soll, aber nicht bereit dafür ist? #00:48:32-1#

M: (...) Ja dann muss er sagen / oder ich frage wieso nicht? Was stört dich? Oder woran liegt es? Und dann brauche ich Argumente, die stichhaltig sind. Und dann sage ich ja: vielen Dank, wie wäre es so? Ist es dann besser? Ja (...) wenn wirklich stichhaltige Argumente da sind, dann muss man sich die anhören, finde ich, weil es immer um Menschen geht und eine Lösung finden.

Ja dann ist drei: Entwicklungsorientiertes Lernen. Ich finde immer ein Mensch in einem Unternehmen hat zwei Beine. Ein Bein, auf dem er steht, heißt „das kann ich“ (...) und das andere Bein „das möchte ich lernen“. Und diese Balance zwischen was ich kann und was ich lernen möchte, die muss sehr gut ausgewogen sein. Wenn man zu viel auf dem Bein steht „das möchte ich lernen“, kann es auch sein, dass man sich unsicher fühlt. Wenn man zu viel auf dem Bein steht „das kann ich“, dann kann es sein, dass man sag: Hey, eh, wirds nicht mal Zeit (...) was anderes zu machen, gewissermaßen. Das ist immer dieses Dynamische, dass man immer in Entwicklung

102 ist und immer sozusagen lernfähig und lernwillig auch ist, sage ich jetzt mal und wenn das nicht mehr der Fall ist, dann, ja gut, ok (...) wenn du das nicht willst, habe ich dann noch einen Platz irgendwie für dich? Oder verabschieden wir uns auch? (…)

Ich finde die Verabschiedung sollte eh viel leichter gemacht werden, dass man nicht ein so riesen Theater draus macht. Aber das bedingt natürlich auch, dass der Mensch, wenn er sich verabschieden, auch eine Möglichkeit hat, irgendwo anders einzusteigen. Ich finde diese (...) diese /dass man 40 Jahre bei einem Unternehmen ist und so weiter, das ist heute (...) überhaupt nicht mehr möglich. Sondern wir müssen es viel mehr so sehen: Für wie lange ist es sinnvoll, dass ich mich mit diesem Unternehmen verbinde? (...) Also ich weiß ja nicht, ich bin jetzt schon 20 Jahre mit diesem Haus verbunden und irgendwann ist auch mal genug. Ist schon ziemlich lange nicht? (...) also insofern (...) und dann muss man sich fragen: hast du überhaupt was gemacht? Hast du was bewogen? und so weiter (...) also ich finde, dass man das immer unter der Entwicklungsperspektive betrachtet werden. Und wenn die Mitarbeiter das mögen, dann resoniert auch etwas. #00:51:13-1#

Ich hatte gestern Abend ein Gespräch mit jemandem, die 20 Jahre bei der UBS, das ist eine Bank in der Schweiz, eine Großbank, gearbeitet hat und sich jetzt ein bisschen umguckt, ob sie nicht etwas anderes machen möchte. Aber wenn man diesen Curriculum dieser Dame anschaut (...) sie ist immer drei Jahre da, ein Jahr da, zwei Jahre da und dann da und da, einfach ständig in Bewegung, bei einer Bank in diesem Fall. (...) spricht nichts dagegen, oder? #00:51:48-4#

K: #00:51:49-9#

M: Ja genau. Das war bei ihr auch der Fall . Aber jetzt wollte sie mal außerhalb Bank. #00:51:55-8#

K: Aber bei dieser Entwicklung, damit ist ja auch mit gemeint, dass das Unternehmen die Entwicklung unterstützt. Gibt es dazu konkrete Maßnahmen bei der Weleda? #00:52:03-9#

M: Ja, ja, natürlich. Wir haben ständig Schulungen (...) die sind auch sehr gefragt. Also wir haben da ein großes Angebot sowohl Sachbezogen oder auch Haltungsbezogen, auch in Bezug auf die Anthroposophie. Und das machen wir natürlich weltweit! Die Leute kommen aus Australien oder Brasilien und so weiter (...) und die freuen sich immer sehr darauf. Das wird gut gepflegt finde ich. (....)

Selbstbestimmte Zusammenarbeit (Geht auf den nächsten Punkt der Frage ein) ehm, das ist ehm (...) wie sagt man das? Auf Englisch hat das einen schönen Namen (...) ich schaue kurz nach, Moment. (10) Autonomous collaboration, dass man / dass man wirklich nicht zusammen arbeitet, weil man das gesagt bekommt, sondern weil man das will. Also wir haben jetzt diese Aufgabe und ich möchte diese Aufgabe zusammen mit dir ergreifen. (...) Das hat ja natürlich eine ganz andere Motivation, als wenn man sag: Mein Boss hat gesagt ich soll mit dir zusammen arbeiten (...) Ok, wann hört das auf? Also das ist / da kommt viel mehr Energie dann zusammen, nicht? Wenn die Menschen dann selber sagen: Ich sehe, das Problem ist, ohne dich gar nicht zu lösen. (6) Und je nach Fragestellung sich dann die Gruppe zusammenstellt. Das ist ein Versuch wert würde ich sagen. #00:54:17-9#

103

K: Das funktioniert aber ja auch nur, wenn die Leute bereit dafür sind, oder? Ich mein, wenn da Leute sind, die das alles konsequent ablehnen, würde das ja nicht funktionieren. #00:54:27-6#

M: Ja, aber dann habe ich ein Problem und dann muss man das ansprechen. (...) Also, wenn / wenn ständig Neinsager dabei sind. (...) Ich hab einmal die Ökobank übernommen (...) Also in Frankfurt ging die pleite und dann haben sie gefragt: Könnt ihr uns übernehmen? Wie gehen pleite? (...) Dann hab ich das gemacht und dann kam die Gewerkschaft rein und die hat gesagt: Alles / Arbeit niederlegen, Bremse anziehen und Nein sagen! Das ist die beste Haltung, um hier etwas rauszukriegen. Lasst die Bank doch Pleite gehen. Also das war so eine Haltung (...) ich bin fast gestorben. Ich hab immer mit Mitarbeitern gearbeitet bei Triodos Bank, bei GLS Bank, die immer was wollten nicht? Und dann haben wir versucht die Ökobank zu übernehmen und die Mitarbeitervertretung / es war nur die Mitarbeitervertretung / die Mitarbeiter selbst waren schon daran interessiert, dass es weiter ging, aber die Vertretung war voll von der Gewerkschaft infiltriert und die hat gesagt: Ne, niederlegen, nichts geht mehr. (...) Das war eine schöne Lehrschule. Ja was machen wir denn, wenn Leute einfach nicht wollen? Und ich hab dann gesagt: Entschuldigung, aber wenn ihr eine Abfindung wollt, dann geht halt wieder, weil mit euch kann man ja sowieso nicht. Also, dann muss man auch Mitarbeitern sagen: Wenn ihr nicht wollt, dann gibt es hier irgendwo auch eine Grenze. Ich finde das ist auch in der Verantwortung den anderen Mitarbeitern gegenüber (...), wenn die sich alle abmühen und dann sitzt da einer, der nicht will (...) ja dann wir die ganze Kultur damit infiltriert.

(Geht zum nächsten Stichpunkt über) Transparenz (...) schönes Thema. (...) Wir gehen wir mit Informationen um? Ja, heute wird natürlich viel über Transparenz geredet, was ich verstehen kann und einfach grundsätzlich gut finde, aber ich finde, wenn man immer nur Transparenz sagt, dass die auch sehr einseitig ist. Es gibt ja auch Gespräche mit Mitarbeitenden, wo die einfach das Bedürfnis haben sich auszusprechen und dann soll dieser Inhalt danach nicht für die ganze Welt bekannt werden. Nein, ich bitte dich, das für dich zu behalten. Ich finde das berechtigt. (...) Wenn man wirklich eine gewisse Sorge hat oder wenn man ein Problem mit jemandem hat (...) wir haben das auch hier im Goetheanum, eine Mitarbeitervertretung als Vertrauenskreis (...) haben wir bei der GLS Bank auch. Und dann können die Mitarbeiter eben die drei ansprechen und dann habe ich einen Jour-fix mit denen und dann sagen die: Es war ein Mitarbeiter bei uns. Eh, will der Mitarbeiter, dass das mit mir besprochen wird? (...) und wenn ja, eh, soll ich das für mich behalten oder soll ich mit seinem Vorgesetzten sprechen? Soll ich das jetzt in die Wege leiten, dass da ein Problem ist? (...) Und manchmal ist das dann schon genug, (...) einfach / ich möchte, dass ihr das wisst oder dass sie das wissen. Und schon dadurch, dass der Mitarbeiter das gesagt hat und weiß, dass jemand anderes die Verantwortung mitträgt, dass auch weiß (...) reicht das manchmal (...) ändert sich die Kultur auch schon, auch ohne, dass der sogenannte Vorgesetzte das weiß. Weil er sich dann einfach freier fühlt und ein anderes Verhältnis auch eingehen kann, weil er weiß, wenn das hier schief geht, dann habe ich eine Rückfallmöglichkeit, sage ich jetzt mal. #00:58:15-9#

K: Wird das genutzt? Viel? #00:58:18-3#

M: Ja (...) naja viel (...) #00:58:21-3#

K: Also halt wenn es notwendig ist. #00:58:23-3#

104

M: Ja, wenns notwendig ist. Also das finde ich (...) Bei Transparenz muss man immer sagen, sozusagen: worum geht es genau? Und natürlich müssen / für mich ist es unglaublich wichtig, dass die Mitarbeiter eine „notion“ (...) eine, eine, wie sagt man das gut auf Deutsch? Eh, (...) Eine Idee haben (...) wo die Reise hin geht (...) und WIE wir die Reise machen. Also deswegen habe ich sowohl hier wie auch in den Banken, die ich geleitet habe, einmal in der Woche eine Mitarbeiterversammlung gemacht. In der Triodos Bank habe ich das immer Montagvormittag gemacht (...) immer am Anfang der Woche: So, liebe Leute, das steht an. Das kommt auf uns zu in dieser Woche und so wollen wir uns gerne aufstellen gewissermaßen. (...) Und hier habe ich das in den 22 Jahren, in denen ich hier bin (Goetheanum), habe ich eine kleine Mitarbeitervertretung, mit denen ich zusammen, immer einmal Dienstagmorgen, eine Dreiviertelstunde (...) immer sage, sozusagen: Was ist jetzt an der Zeit? Was wollen wir jetzt besprechen? Einfach, dass die Mitarbeiter das mitvollziehen können. Ansonsten fängt es an zu Summen und man weiß gar nicht mehr was da alles gesagt wird. (...) Einfach gleich die Sachen, die anstehen ansprechen und dann können auch Fragen gestellt werden. Und das muss regelmäßig gepflegt werden. (...) Und bei Weleda, die sind zu groß für das. Da machen wir das auch regelmäßig, aber eben in größeren Abständen dann. #01:00:05-2#

K: Mhm. Interessant. #01:00:08-1#

M: Soweit? #01:00:07-7#

K: Ja! #01:00:08-6#

M: Dann weiter. (Liest die nächste Frage) (10). #01:00:24-0#

K: Das spielt mit dem zusammen, was wir in der vorherigen Frage besprochen haben. #01:00:28-4#

M: Ah, ja. Also eine Entlohnung, ich würde sagen (...) Entlohnung finde ich eigentlich nicht den richtigen Ausdruck. Für mich ist ein Einkommen (...) ein Möglichmacher und nicht eine Belohnung. Sozusagen (...) wir erarbeiten etwas aus dem Markt und wir verteilen das entsprechend einer Gehaltsordnung, einer Einkommensordnung und diese Einkommen sollen den Mitarbeitern ermöglichen ihren Beitrag zu leisten. Natürlich heißt das dann nicht / Wir sind jetzt bei der Mitarbeit können wir irgendwie etwas entwickeln, dass wir über diese Ermöglichung auch noch eine Teilung des Jahresergebnisses machen können (...) das untersuchen wir jetzt bei der Weleda. Aber sozusagen bei einer Ermöglichung (...) also ermöglicht dieses Einkommen dem Mitarbeiter seinen Einsatz zu bringen?

Ich hab ja dreimal eine Einkommensordnung gemacht. Einmal bei der Triodos Bank, dann bei der GLS Bank und dann hier (Goetheanum). Also dreimal. Und ich habe gesagt: eine Einkommensordnung hat eigentlich drei Komponenten. (...) Die erste ist, dass für alle Mitarbeiter ein Basiseinkommen da ist und dieses ist unabhängig von der Funktion (...) ist für alle gleich. Das Zweite ist (...) vor allem auch hier in der Schweiz, dass ein Sozialanteil angeschaut werden soll. Das heißt, hat der Mitarbeiter eine Mitverantwortung für seine Familie? Hat er Kinder? Gehen die zur Schule? Vor allem hier in der Schweiz werden die Steiner-Schulen nicht subventioniert. (...) Das heißt wir haben dann hier am Goetheanum gesagt: gut, der Mitarbeiter hat Familie, hat Kinder, die gehen zur Schule, dann gibt es einen Sozialanteil für Familie und Kinder. Die Beträge sind auch gleich (...) unabhängig von der Funktion. Und dann haben wir einen Funktionsanteil. (...) 105

Wer ist im Vorstand, wer macht die Türe auf, wer macht in welcher Abteilung was und so weiter. Und da haben wir fünf Kategorien von Funktionen. Und bei Funktionsanteilen ist es immer interessant, was ist die Spanne zwischen dem Wenigstmöglichem und dem Höchstmöglichen. Das ist ja interessant, weil ist das 40 oder ist das 30 (...) und das ist hier 2,75. #01:03:32-0#

K: Prozent? #01:03:33-4#

M: Nein, der Multiplier. #01:03:35-1#

K: Achso, ja! #01:03:36-7#

M: Also, wenn man den wenigsten Lohn hat, weil man gar keinen Funktionsanteil hat sagen wir mal und den maximalen Funktionsanteil (...) wie viel hier der Unterschied ist, also Basiseinkommen oder Basiseinkommen plus maximalen Funktionsanteil, was ist da der Unterschied, (...) wie viel Mal ist das. #01:03:53-3#

K: Ok. #01:03:57-9#

M: Und das ist 2,75-mal (...) und das ist unglaublich wenig. #01:04:07-6#

K: Ja. #01:04:09-4#

M: Das macht uns kein Unternehmen nach. (...) Und dann kann man ja sagen: Moment, ihr seid ja so heilig und so verzichtvoll als Vorstände (...) natürlich sind die Vorstände da mit drin. Sage ich: Ja, gut! Das machen wir auch. Wir machen das hier nicht, um Geld zu verdienen, sondern um Arbeit zu leisten und wir leben alle (...) unsere Kinder gehen alle zur Schule, sogar zu Universitäten und so weiter und wenn dann Mitarbeiter kommen und sagen: Ich komme von der Basler-Industrie und ich hab große Fähigkeiten, das sind meine Gehaltsvorstellungen. (...) Dann sage ich: Ja (zuckt mit den Schultern) das geht nicht. (...) Und dann können sie wählen, entweder sie machen da Abstriche und machen fröhlich mit in unserer schönen Kultur oder sie gehen wo anders hin. #01:04:57-5#

K: Und das ist jetzt bei der Triodos, bei der GLS, bei der Weleda oder hier im Goetheanum? #01:05:03-5#

M: (...) Das was sie jetzt gehört haben, habe ich fürs Goetheanum ausgearbeitet. Bei Weleda haben wir entsprechendes, da sind aber die Unterschiede größer. (...) Ich weiß den Multiplier allerdings jetzt nicht. (...) Bei GLS- und Triodos Bank ist das ähnlich (...) Ich weiß auch nicht, aber ich denke wenn jemand in der Geschäftsleitung bei Weleda, der verdient gut, aber auch nicht wo man sagt (Gestikuliert eine Menge), wie im Vergleich mit Roche oder Novartis, das kann man natürlich auch nicht sagen. Ist ja auch gut und auch kleiner und so weiter. #01:05:38-0#

K: Mhm. #01:05:39-7#

M: Aber da muss man / Ich denke / Wiederum das menschliche Maß. (...) Und dass für die Mitarbeiter. Und ich / ich hab dann immer gesagt (...) wir waren mal Gehalt nach Bedürfnis und dann dachte ich: Nein, das machen wir nicht, sondern wir machen eine Struktur in der irgendwie jeder leben kann und die Gehaltsord / die Einkommensordnung ist transparent, die ist für jeden einsehbar, aber die individuellen Gehälter der Mitarbeiter, die gehen niemanden was an. Und dann ist der Vertrauenskreis dafür da, der kriegt einmal ohne die Namen, eh sozusagen eine Liste von 106 der Personalabteilung (...) / Wir haben die Möglichkeit Ausnahmen zu machen (...) und sozusagen, wenn wir wirklich jemanden brauchen, der gewisse Kenntnisse mitbringt oder der passt nicht rein (...) zur Not müssen wir dann eine Ausnahme machen. Und dann schaut immer sozusagen der Vertrauenskreis, ob in diesem Jahr schon Ausnahmen gemacht wurden. (6) Und zum Glück ist es so, dass das Schicksal hier so ist, dass es keine neuen Ausnahmen gibt. Am Anfang, als wir das eingeführt haben, dann waren drei Ausnahmen da, weil es musste ja irgendwie passen dann und die sind immer geblieben. Weil bei den Ausnahmen haben wir natürlich nicht gesagt: hey runter da. Das käme ja einer Änderungskündigung gleich. (...) So wo eh, sind wir denn jetzt? #01:07:14-3#

K: Mhm, wir sind bei Frage sieben mit der Entlohnung. #01:07:17-8#

M: Entlohnung genau (...) haben wir das genügend besprochen? #01:07:19-8#

K: Ja ich denke, das war erstmal sehr aufschlussreich. #01:07:22-5#

M: Gut dann weiter (Liest die Frage weiter). Also (...) #01:07:28-7#

K: Ja eigentlich haben sie die schon ausgeführt. #01:07:31-0#

M: Genau (Liest die letzte Frage). Meine abschließende Frage ist Doppelpunkt (...). Jetzt kommts (Liest die Frage weiter) (25) Ja, das ist natürlich (...) probieren wir das mal. Rudolf Steiner hat ja seine Kernpunkte geschrieben (...) und dann, eh (...) das war 1919 (...) und dann eh, ein bisschen später 1923, hat er gesagt: Ja die Leute haben‘s einfach nicht verstanden, weil die Beispiele, die ich genannt habe, haben sie für das Wesen der Sache genommen und nicht als Beispiel. Insofern eh (...) geht es bei / in meinem Verständnis bei Rudolf Steiner darum: Es gibt ja (...) diese intrinsische Dreigliederung des sozialen Organismus, (...) wie es auch eine Dreigliederung des menschlichen Organismus gibt. Also es gibt ein Sinnessystem, es gibt ein Herzens-Lungen-System und es gibt ein Stoffwechsel-Gliedmaßen-System und die sind grundsätzlich unterschiedlich (...) und wenn man das nicht versteht, versteht man den Menschen nicht, weil der Mensch als Kopfmensch ist einfach anders als der Mensch als Gliedmaßenmensch. (...) Und so ist es auch in der menschlichen Gesellschaft. Es gibt ein Kultursystem, ein kulturelles System, in dem Ausbildung und Religion und Kunst und so weiter, also Geist drin ist und dann gibt es ein Rechtssystem und dann gibts ein Wirtschaftssystem. Und das sind drei und wenn man die nicht unterscheidet, das heißt nicht TRENNT, sondern unterschiedet, das ist sehr wichtig. Manche sagen ja die sollten getrennt sein. NEIN, die haben / jeder hat seinen eigenen Leitstern sage ich jetzt mal, was Rudolf Steiner da ausführt in Anlehnung an die französische Revolution. Freiheit im Geistesleben, also kulturell, wo der Mensch sich frei entwickeln kann. Gleichheit im Rechtsleben, gleich vorm Gesetz (...) gibt keine Ausnahmen, auch wenn ich viel Geld habe, kann ich die Rechte nicht umkaufen, sage ich jetzt mal und die ganze Rechtsstaatlichkeit, die da dazu gehört. Und siehe da Brüderlichkeit (...) fürs Wirtschaftsleben, was sehr arbeitsteilig ist und Arbeitsteilung heißt ja nichts anderes wie, dass ich nicht mehr für mich selber arbeite (...) von der Sache her schonmal nicht mehr ja. Und aber, dass, sozusagen, dass dann auch wirklich nicht nur intellektuell zu sehen, sondern auch das anfange, wie schwierig das auch immer sein mag, zu leben. So (...) und das sind sozusagen Prinzipien, die man verinnerlichen kann und die einem dann sozusagen ermöglichen auf der Makroebene, auf der Mesoebene, auf der Mikroebene des sozialen immer mal mehr dementsprechend zu handeln. Was wir ja grade über diese Mesoebene, die

107 institutionelle Ebene nicht (Rhetorische Frage) im Betrieb zum Beispiel, Organisationen, dass man den Mitarbeiter nämlich als mündigen Menschen begreift (...) das ist ein riesiger Schritt. (...) Das ist nicht ein Erfüllungsgehilfe, von dem man Arbeit kauft und der hat zu tun was ich sage, weil er ist mein Eigentum. (...) also Arbeit kann man nicht kaufen, sondern man bitte jemanden mitzumachen, um gemeinsam eine Leistung zu erbringen. Das ist doch eine völlig andere Haltung! Aber wir haben einen Arbeitsmarkt und Arbeit kann man kaufen. #01:11:47-9#

K: Mhm. #01:11:49-7#

M: Ja und dann stehen manchmal / also es geht um den Höchstverdienenden, das ist dann ein teurer / wie bei Fußballern, die, die, wie war das, der Neymar, der jetzt von Paris zurück nach Barcelona geht. Wie viel kostete der? 170 Millionen! #01:12:05-7#

K: Puh. #01:12:08-0#

M: Ja da kann man ganze Menschen hin und her kaufen. Das ist ein veredelter Sklavenmarkt. Entschuldigung, wenn ich das so drastisch ausdrücke. #01:12:18-4#

K: Mhm. #01:12:22-3#

M: Aber früher hat man auch einen ganzen Menschen gekauft, da gab es das Lehensystem und heute kauft und verkauft man Arbeit von Menschen (...) irgendwann erledigt sich das, weil irgendwann kann der Mensch das nicht mehr ertragen und sagt: nein, ich möchte hier Mitarbeitern, ich möchte kein Lohnempfänger sein. (...) So in diesem Sinne. Und dann natürlich Unternehmen, hat man Eigentum an Unternehmen? Ist das mein Eigentum? (Rhetorische Frage) Oder kriege ich die Verfügungsgewalt, um das Unternehmen zu leiten, wie zum Beispiel in meinem Fall, für eine gewisse Zeit und dann ist es übertragbar, weil das Unternehmen muss ja weitergehen. Also das sind so, das sind so Ideen, die eigentlich an der Sache, sachorientiert sind. (...) und eh, Rudolf Steiner hat nichts anderes gesagt: guckt doch auf die Sache. Und diese menschliche Maß, ist das eigentlich menschlich vertretbar was ihr da macht. Und insofern würde ich einfach sagen eh, Rudolf Steiner hat es einfach angeregt, diese neue Perspektive, diese Dreigliedrigkeit. Ja das ist unterschiedlich aufzufassen und wenn man jetzt zum Beispiel ins Geistesleben geht und schaut. An der Uni zum Beispiel, ich hab das mit meinem Sohn erlebt, der hat letztes Jahr promoviert, an der Uni und der Professor hat gesagt: du musst das machen. Du musst mir zuarbeiten. Weil ich hab ja eine gewisse Aufgabe und ich verlange von meinen Promovendi, dass die mir zuarbeiten. Und dann hat mein Sohn gesagt: das mach ich nicht, ich hab eigen Ideen. (...) Das war schwierig für ihn. (...) Und dann hat er einfach nach einem anderen Professor gesucht, mit denen er kann und dann hat er jemanden gefunden, der gesagt hat: das ist doch interessant was er da macht. Und so hat er sich durchgeboxt. (...) Aber ich finde das schrecklich, dass die Professoren da einfach eh (...) für sich die Promovendi holen, um ihre Sache da zu specken. Das ist keine Freiheit im Geistesleben. Da kommt immer das gleiche heraus, was der Professor immer schon gedacht hat. (...) Also insofern ist diese Freiheit ganz, ganz wichtig, dass die Welt immer wieder neue Ideen hat und open endet ist, sage ich jetzt mal. Und die Gleichheit ist ebenso wichtig. Und die (...) sagen wir mal Brüderlichkeit oder die Solidarität, die leben wir überhaupt noch nicht. Es gibt ja etwa 7 Milliarden Menschen auf der Welt und wir können leicht mit der Produktionskapazität, die wir haben / und davon haben 2 Milliarden nichts zu essen / wir sind so ineffizient! (...) Die, die / einfach die normalen Bedürfnisse der Weltbevölkerung, die könnten wir im, in ein Handumdrehen

108 könnten wir die befriedigen, wenn wir einfach nicht gewinnorientiert wären, nur. Wir sind einfach eingestuft: nur Gewinnorientierung, das macht Sinn. Aber das ist doch vollkommener Quatsch! (10) Wenn wir richtig mal (...) eh, sozialorientiert wirtschaftlich arbeiten würden, dann hätten wir eh, die sozial Kriminalität würden runtergehen, die sozial Krawallen würden runter gehen, wie die in Hongkong. Das würde alles anders aussehen. (...) Naja (...) ist meine Idee.

Also das sind sozusagen Gesichtspunkte, die Rudolf Steiner gegeben hat, die eigentlich / ich hab ja wie ich es gesagt habe in Rotterdam studiert und da hatte ich ein Nebenfach. Das war Unternehmensentwicklung und das war damals neu, so. (...) und meine Kommilitonen haben gesagt: das ist doch typisch was für dich, du bist ja so philosophisch angehaucht, geh da mal hin. Und dann bin ich dahin gegangen. (...) Und der Professor hatte ein Buch geschrieben (...) über Unternehmensentwicklung und hatte da ein Konzept ausgearbeitet und da war ein Anhang dabei. Und in dem Anhang war eine Sicht der Gesellschaft dargestellt und da war die Dreigliedrigkeit der Gesellschaft angesprochen und auch stand da der Name Rudolf Steiner, vollkommen überlesen . Aber diese Dreigliederung hat mich sofort angesprochen. Damals wusste ich ja überhaupt noch nichts von Anthroposophie, nix! Aber ich war schon auch ein Mensch (...) mit Idealen. Und dann habe ich bei dem Professor auch Examen gemacht (...) ja, ging einigermaßen. Aber sozusagen diesen Anhang, das hat mich immer befeuert. Mensch wie verstehe ich die Gesellschaft? Wie bekomme ich Zugang? Und dann hatte ich diese Idee und dann habe ich gemerkt, wenn ich diese Idee in mir verarbeite, dann kriege ich plötzlich eine andere Sicht auf die Vielschichtigkeit der Gesellschaft (...) fange ich an, die Gesellschaft besser zu verstehen. Also das war mein Erlebnis. Ich hatte ja noch gar keine Ahnung von Rudolf Steiner und (...) aber ich war so, so angesprochen davon. Ich war ja in einem eh, (...) sozusagen einem Kreis von ehm, (...) Menschen, die mit Religiosität zu tun haben, sage ich jetzt mal, freie Religiosität. Und da war der, der (...) wie nennt man das? (...) Pastor (...) der gesagt hat: Donnerwetter, das ist ja eine schöne Idee, die du da hast. Ich lade dich ein am Sonntag drüber zu sprechen (...) für meine Kirchengemeinde. Und dann habe ich darüber geredet, in der Kirche, über soziale Dreigliederung, ohne dass ich wusste, dass es von Rudolf Steiner kam. (...) Es machte einfach Sinn für mich. (10) #01:18:36-7#

K: Also sie würden auch sagen, dass es gar nicht so fest ist, was Steiner gedacht hat und dass man es genauso umsetzten, wie er es gesagt hat? #01:18:48-4#

M: Nein überhaupt nicht. #01:18:49-4#

K: Sondern schon die Kerngedanken für sich so verarbeiten und dann / #01:18:52-5#

M: Ja und dann spüren, macht das Sinn? Ehm, wie verhalte ich mich dazu nicht? (...) Einfach ein lebendiges Verhältnis dazu zu haben (...) und dann fängt man auch an Sachen zu sehen (...) mit der ganzen Bankgestaltung auch (...) ich hab nie gesagt: Ich implementiere das jetzt (...) das ist Quatsch, man kann das gar nicht. Der Mensch ist dreigliedrig (...) man kann nur sozusagen (...) oder die Gesellschaft ist dreigliedrig und man muss nur das sozusagen so gestalten, dass die Freiheitskräfte, die Gerechtigkeitskräfte und die (...) die Care-Kräfte (...) die Mitverantwortungskräfte gestärkt werden. #01:19:31-9#

K: Mhm. #01:19:33-2#

109

M: Und dann kommt das immer mehr zum Tragen, denke ich. (...) Und die / dass sie sich gegenseitig bedingen. Normalerweise denkt man ja Freiheit und Gleichheit geht doch gar nicht zusammen (10) Nein, wenn man es abstrakt denkt nicht, aber wenn man es gegliedert denkt, dann (...) dann unterstützen sie sich gegenseitig. (15) Das ist das spannende und man merkt, jetzt kommt man in eine andere Art zu Denken rein. Das Denken ist einfach nicht nur linear (...) sondern ist auch in Umstülpungen. (...) also, dass man irgendwie merkt, das eine hat mit dem anderen zu tun, ist anders, aber trägt das andere gewissermaßen (...) und das ist dann eine andere Art von Denken. #01:20:25-3#

K: Ich hätte dann noch eine weitere Frage. #01:20:27-2#

M: Bitte! #01:20:28-0#

K: Ist dann die Anthroposophische Gesellschaft dafür zuständig, sage ich jetzt mal, oder sieht sie es als Aufgabe dieses Denken oder die Anthroposophie weiter zu verbreiten und weiter bekannt zu machen? Auch jetzt im Sinne zur Unternehmensführung, dass sie Unternehmensgründungen unterstützen oder Unternehmen unterstützen oder einfach / Weil ich muss ehrlich sagen, bevor ich jetzt ehm, nicht von meinem Professor auf das Thema aufmerksam gemacht wurde kannte ich zwar Weleda und ich kannte Demeter, aber ich wusste jetzt nichts von Anthroposophie / #01:21:00-1#

M: Ja. #01:21:01-1#

K: Oder von irgendwas in der Richtung, aber ja, was macht da die Anthroposophische Gesellschaft? #01:21:07-5#

M: Die Anthroposophische Gesellschaft eh, die Hauptaufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft ist es sozusagen, die Anthroposophie zugänglich zu machen (...) aber die Anthroposophie ist ja schon längst zugänglich. Insofern ist diese Aufgabe schon erfüllt, sozusagen. Früher war das so, dass sozusagen / man konnte Mitglied werden, um die Anthroposophie kennenzulernen, aber das ist ja schon längst in der ganzen Welt. Man kann einfach in die Buchhandlung gehen und so weiter. Aber die Aufgabe ist jetzt, die Trägerschaft zu bilden für diese Hochschule. Und die Hochschule hat die Aufgabe (...) diese Wissenschaft, diese Geisteswissenschaft, die sich manifestiert in den verschiedenen Bereichen: im medizinischen Bereich, im pädagogischen Bereich, im Landwirtschaftlichen Bereich, im naturwissenschaftlichen Bereich, im sozialen Bereich, im künstlerischen Bereich weiter zu entwickeln, weil die Anthroposophie ist eine unvollendete. Also sie ist von Rudolf Steiner in Ansätzen gegeben (...) aber die muss jetzt weiterentwickelt werden und das ist die Aufgabe dieser Hochschule. Und das ist immer mit Praxisforschung verbunden. Also das heißt, man kann ja sagen: hier ist die Hochschule. (...) Das ist aber nur ein Teil, weil wir arbeiten mit Firmen wie Weleda, mit Schulen zusammen und da findet die Forschung statt. Also ich hab auch gesagt: Ich gründe diese Bank, aber die ist eigentlich am Labor am Goetheanum. Ein, sozusagen, eine Praxisstelle für die anthroposophische Sozialwissenschaft, die sich mit dem Geldwesen auseinandersetzt und so weiter. Das ist ein Kapitel für sich. Also auch da ein Dreigliedriges Geldwesen. #01:22:48-3#

K: Mhm. #01:22:49-2#

M: I beg your pardon? Wieso? Eh, Kaufgeld, Leihgeld, Schenkungsgeld! Wie ist das denn schon wieder zu verstehen? Das ist nicht so einfach. #01:23:00-4#

110

K: Ja war kompliziert . #01:23:03-1#

M: Ja hm, kompliziert, komplex würde ich sagen. Also es ist differenziert und dann muss man abwägen (...). Ich hab jetzt gerade am Wochenende in Brüssel darüber gesprochen. (...) eh, wenn wir nicht wirklich in diesen drei Kategorien das Geldwesen denken, dann kommen wir nie aus der Patsche raus. Weil dann bleiben wir (...) die Zentralbanken, die geben das Geld raus bis zum geht nicht mehr und sagen dann: eh es gibt keine Inflation. Sage ich: Das ist vollkommener Quatsch! Nicht im Konsumbereich, aber im Vermögensbereich. Natürlich gibts die da. Hier die Immobilien und so weiter (...) das ist doch auch Inflation. Insofern brauchen wir ein vollkommen neues Geldsystem, sonst läuft das vollkommen aus dem Ruder. Und auch da, diese Ideen, Donnerwetter, da ist ein Zusammenhang! (...) Das müssen wir einfach noch richtig verstehen! #01:24:07-4#

K: Aber das ist doch das was die GLS Bank aufgegriffen hat, oder? Diese Dreigliedrigkeit vom Geld hat sie doch aufgegriffen? #01:24:14-8#

M: Ja sozusagen / sozusagen auf der Mesoebene, aber das trifft auch zu auf der Makroebene (...) sozusagen Zentralbankebene sage ich jetzt mal. Wenn es da nicht gelöst wird, kann man hier bisschen was machen aber (...) ich will nicht sagen geschenkt, natürlich ist es wichtig, aber es ist (...) es ergreift eigentlich das ganze Geldsystem (...) Also insofern ist es die anthroposophische Geisteswissenschaft, die sich wirklich anstrengen muss, um zu Einsichten zu kommen, die gesellschaftlich von Nutzen sind oder wie zum Beispiel in der Medizin, da bin ich natürlich mit der Weleda auch wieder drin. Sozusagen (...) was ist der Gesichtspunkt für Medizin? Ist es sozusagen ein Wegdrücken von Symptomen? Dann hat mans los gewissermaßen. Oder ist es (...) ist die Medizin dazu da die Selbstgenerierungskräfte, die Selbstheilungskräfte (...) anzusprechen. Und das geht dann sozusagen, dass man nicht Symptome wegdrückt, sondern wirklich sozusagen das ganze Immunsystem stärkt und so weiter. Das ist meine Meinung. Zwar dauert das länger, aber ist dadurch auch gesünder. (10). Zum Beispiel haben wir Antibiotika und jetzt aber die Frage: Kann man das nicht genauso gut mit Probiotika oder Prebiotika machen? Da sind wir auch dabei das zu erforschen (...). Insofern haben wir eine riesen Aufgabe hier (...) Ja, mit unglaublich vielen Forschungsaufgaben und Marktinduktion. Das geht nicht von heut auf morgen. #01:26:07-8#

K: Mhm, sehr spannend. #01:26:13-3#

M: Insofern ist das sozusagen / die anthroposophische Gesellschaft ist die Trägerschaft dieser Hochschule und die Mitglieder, die tragen mit, dass diese Hochschule existieren kann und die Weleda trägt auch mit, dass diese Hochschule existieren kann. Und die Hochschule ist hier ja dann für alle Bereiche zustände mit den Sektionen, die es da so hat. Und in meinem Bereich zum Beispiel in der Landwirtschaft (...) ist es ganz merkwürdig. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft in Frankreich bei den Weinbauern / WOW / Wir haben das Non-plus-Ultra gefunden. Und dann kommen Events zustande und da freut man sich, dass auch eine gewisse Anerkennung zustande kommt. Oder auch die ganze Klimadebatte (...) da haben wir noch eine große Aufgabe. Ja! Soweit? #01:27:05-1#

K: Ja. Wenn ich noch weitere Fragen habe würde ich denn per Mail schreiben? #01:27:17-0#

M: Gerne, wir haben ja auch schon uh, (...) (Aufnahme gestoppt) #01:27:17-9#

111

9.2. Interview 2

Interview vom 19. November 2019 zwischen Celine Kasper und Johannes Prahl, aktueller Leiter der Mitarbeiterentwicklung der GLS Bank.

K: steht für Kasper P: steht für Prahl

Bis zum Beginn der Transkription wurde nur über die vorher eingereichten Fragen gesprochen und dieser Teil daher nicht transkribiert.

P: Gut, wollen wir anfangen? #00:06:02-6#

K: Ja, sehr gerne! #00:06:08-1#

P: Ja wir müssen mal schauen, die Fragen sind schon nicht so einfach, finde ich. (...) Ich gebe mir mühe sie gut zu beantworten und ehm, sie müssen dann selbst auch mal ein bisschen gucken (...) ich rede manchmal etwas viel und ehm (...) dann ist aber hoffentlich genug Substanzielles dabei. Ich bin da einfach ganz offen zu ihnen, vielleicht muss ich mich auch in die Frage erst ein bisschen eindenken und dass ich dann ein bisschen laut denke. Vielleicht können sie das dann herausfiltern, aber ich gebe mein Bestes. #00:07:08-4#

K: Alles klar, dass bekommen wir schon hin. Es ist mir sowieso lieber, wenn sie sich nicht zu sehr an die Fragen halten und mehr frei reden und ich dann die wichtigen Sachen herausfiltern kann. Ich mein, wir können doch einfach mal mit der Frage anfangen, dass sie mir erzählen, welche Verbindung sie zur Anthroposophie haben, das würde mich auch interessieren und dann auf die GLS Bank und deren Verbindung eingehen. #00:07:32-9#

P: Ja. Sie sind ja sehr motivierend. (...) Ehm, also ich persönlich habe eine Verbindung zur Anthroposophie, weil ich in einen Haushalt oder eine Familie geboren wurde, die eh (...) also meine Eltern haben sich einfach strak mit der Anthroposophie beschäftigt. Mein Vater hat die Waldorfschule in Kiel mitgegründet und da bin ich auch zur Schule gegangen. By the way ist das die größte Waldorfschule der Welt (...) habe ich vor Kurzem erfahren (...) #00:08:01-5#

K: Ok. #00:08:02-3#

P: Ja, also eine wirklich große Schule mit über 1000 Schülern und ehm, ja dadurch, dass ich da eben 13 Jahre zur Schule gegangen bin und ehm eben aus einem Elternhaus kam, wo der Vater Waldorflehrer war und die Schule gegründet hat, war das natürlich schon ein sehr starkes Thema, wobei man wirklich auch sagen muss, dass die Waldorfschule und die Anthroposophie jetzt ehm (...) nicht das gleiche sind, ne. Also die Waldorfschule kommt aus dem Gedanken der Anthroposophie, ist daraus entwickelt worden, aber wenn sie da als Schüler zur Schule gehen, ist es nicht so, dass sie da Anthroposophie lernen. #00:08:36-0#

K: Nicht? #00:08:38-0#

P: Sie sind natürlich, wenn sie auch interessiert sind, damit konfrontiert, aber es ist jetzt nicht so, dass man viel über die Anthroposophie lernt bzw. Anthroposophie lernt. Und insofern würde ich auch sagen, ich habe so eine Gefühlsebene zur Anthroposophie, ja, weil ich viel damit zu tun hatte,

112

Hatte auch Phasen gehabt, wo ich das echt (...) ehm sehr kritisch gesehen habe oder abgelehnt habe. Das sind auch glaube ich so natürliche Phasen, wo man ein gewisses Alter erreicht hat und sich kritisch mit seiner Familie und seiner Umgebung auseinandersetzt. Und habe jetzt ehm (4) eigentlich auch über die GLS Bank einen sehr schönen Zugang zu anthroposophischen Themen gefunden. Für mich ist es einfach eine Bereicherung sich den verschiedenen Gedankenansätzen mal hinzugeben, sie zu verstehen. Ich mag überhaupt keinen Dogmatismus. Ich mag gar nicht, wenn es sozusagen nur um die Interpretation dessen geht, was Rudolf Steiner gesagt hat. #00:09:28-7#

K: Mhm. #00:09:29-9#

P: Aber wenns darum geht, dass man sich mit sehr aktuellen Menschenfragen und ganz eigenen Biographiefragen oder auch Fragen der Gesellschaft ehm (...) einfach in einem philosophischen Rahmen beschäftigt, finde ich stecken da (...) / höre ich sehr gerne Menschen zu, die viel Ahnung von Anthroposophie haben und die das schön ausdrücken können und nicht so dogmatisch wie, wie früher. #00:09:51-2#

K: Mhm. #00:09:52-0#

P: Also, dass (4). Ich (4). Ich habe da so gefühlsmäßig also einen sehr guten Zugang zu, kenn natürlich auch die ein oder anderen Ansätze und finde es sehr spannend, wie viel da (...) auch bereicherndes drinsteckt, wenn man sich mit essenziellen Menschheitsfragen beschäftigt. #00:10:06-4#

K: Mhm #00:10:08-0#

P: Ja, die Bank (...). Also eh, sie haben ja jetzt hier gefragt, wie die Anthroposophie im Unternehmen thematisiert werden. #00:10:15-0#

K: Ja. #00:10:15-9#

P: Ehm, dass eh, ist schon ein Thema, klar. Also das wissen eigentlich auch alle Menschen hier, dass die GLS Bank was mit Anthroposophie zu tun hat, aber sehr, sehr viele Menschen hier haben keinen anthroposophischen Hintergrund und wir sind jetzt als Unternehmen auch nicht bestrebt, den ehm, sozusagen, sehr aktiv herbeizuführen. Was wir aber tun ist, zum Beispiel bei der Lernwerkstatt für neue Mitarbeiter. Jeder neue Mitarbeiter hat hier, bevor er mit seiner Arbeit richtig startet ehm erstmal so eineinhalb Wochen, 10 Tage eine Lernwerkstatt, wo alle neuen Mitarbeiter zusammen das Unternehmen kennenlernen, die Historie kennenlernen, den besonderen Hintergrund der Bank kennenlernen, auch mal zu Kunden fahren, auch mal in die Kanzlei fahren, wo die Bank gegründet wurde. #00:11:02-3#

K: Mhm. #00:11:03-2#

P: Und da ist natürlich dann schon, wenn man sich mit den Wurzeln beschäftigt, auch ganz klar, eh, dass es mit Anthroposophie zu tun hat, weil die Menschen, die die Bank letztlich gegründet haben, sehr stark ihre Impulse aus der Anthroposophie hatten. #00:11:16-1#

K: Ok. #00:11:15-7#

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P: Und ehm, ja. (...) Wenn man dann auf Suche geht, so (...) wie werden bestimmte Dinge gehandhabt oder ehm (5). Ja wenn man der Unternehmenskultur hier nachspürt, dann findet man (...) eh immer mehr so, meist auch im verborgenen auch Verbindungen zu anthroposophischen Sichtweisen. #00:11:36-0#

K: Zum Beispiel? #00:11:37-0#

P: Ja zum Beispiel der Geldbegriff, also dass wir ehm (...) ehm, drei Geldqualitäten unterschieden: Schenkgeld, Leihgeld und eh Investitionsgeld (...) #00:11:49-9#

K: Ja oder auch Kaufgeld. #00:11:53-8#

P: Ja oder Kaufgeld, genau. Also diese drei Geldqualitäten, das ist schon auch in unserer Kommunikation verankert. Etwas was wir immer sagen. Geld kann einfach verschiedene Qualitäten haben und die GLS Bank hat da einen ganzheitlichen Ansatz. Sagt, dass die Bank eben für die Bankdienstleistungen zuständig ist, aber die GLS Treuhand, die ja hier mit im Haus sitzt, ist ein eigenständiger Gemeinnütziger Verein und die kümmert sich einfach auch schon länger als die GLS Bank um die Fragen des Schenkens. Also wenn mein Geld wirklich eine hohe Wirksamkeit haben soll, dann kann ich das eigentlich nur indem ich das stifte über Stiftungen oder eben eh, schenke, direkt schenke. #00:12:34-0#

K: Ok. #00:12:35-1#

P: Und ehm, genauso gibt es ja auch die GLS Beteiligungs AG, die eben Menschen ermöglicht ihr Geld als Eigenkapital für sinnvolle Initiativen zur Verfügung zu stellen. Also das ist so ein Beispiel, dass man so Geld, wo sonst keiner drüber nachdenkt eh (...) dass das unterschiedliche Qualitäten haben kann, auch bisschen ins Wording übernimmt, wo es klar einen Bezug zum anthroposophischen Hintergrund hat. Ja. Aber natürlich auch, finde ich schon, das Menschenbild auch. Ne, also, dass man als Unternehmen eine solche gesellschaftliche Verantwortung hat eh (...) das ist auch was, was im weitesten denke ich eh, anthroposophischen Ideen entspringt bzw. sehr gut damit vereinbar ist. #00:13:19-0#

K: Mhm. Und sie haben es ja auch schon angesprochen, dieses Schenkgeld, so habe ich es zumindest im Geschäftsbericht gelesen, wo immer auf diese GLS Treuhand e.V. verwiesen wird, ist doch ein eigenständiger Teil und gehört nicht zu GLS Bank direkt (...) #00:13:37-5#

P: Also wir bezeichnen uns als GLS Gruppe #00:13:38-9#

K: Ja. #00:13:41-7#

P: Da gehört die Treuhand dazu. Ehm, wir sind rechtlich getrennt. Das hat aber auch juristische Gründe. Wir arbeiten im gleichen Haus und wir pflegen eine sehr enge Verbindung, sowohl was die menschliche Ebene angeht, die Kollegen sind hier im Haus genauso unterwegs wir wir als Bänker, ehm und auch unsere Kunden haben oft eine Verbindung zur GLS Treuhand und zur Bank und sehen und eben eher sozusagen als GLS Gruppe und machen da gar nicht so die Unterschiede. #00:14:11-1#

K: Aber heißt das dann, dass sich die GLS Bank wirklich auch mit Schenken und Stiften beschäftigt und nicht nur die Treuhand? Also es machen beide? #00:14:22-0#

114

P: Also es ist zum Beispiel so, wenn sie ehm, wenn sie Menschen finden, die zu uns kommen und die einfach den Anspruch haben und sagen: sie brauchen mal einen Gesprächspartner, wie man mit den finanziellen Möglichkeiten, die man hat ehm, gesellschaftlich sinnvolle Dinge tun kann. Das ist ja das Motiv unserer Kunden, die sagen bzw. sie haben schon die Erwartungen auch an gewisse Bankdienstleistungen, aber sie wollen (5) ehm, dass ihr Geld eben auch sinnvolles bewirkt und nicht irgendwie wie bei so eine Black-Box-Bank eben, nicht sichtbar ist. Wenn man mit solchen Menschen ins Gespräch geht, dann erkennt man eben ein vielschichtiges Bedürfnis aktiv zu sein. Es kann sein, dass Menschen mit einem Kleinvermögen sagen: ich will / ich brauch das Geld und ich will es einfach nur sicher anlegen und könnt ihr das tun und könnt ihr gewährleisten, dass dann mit dem Geld etwas sinnvolles passiert, aber wenn ichs zurück brauche, dann kriege ich es auch zurück. Bis hin dazu, dass wir auch Menschen mit großen Geldvermögen haben, die sagen: ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben oder mir liegen bestimmte Themen am Herzen und da möchte ich das Geld möglichst wirksam einsetzen. Da sind natürlich (...) wenn sie Geld stiften, in eine Stiftung geben oder selbst eine Stiftung gründen oder eh, Geld Schenken zum Beispiel an Weisenkinder in Afrika, dann hat das Geld natürlich eine große Wirkung oder sie bewirken mit dem Geld richtig viel und dafür hat die GLS Treuhand Angebote, die wir dann auch ganz aktiv empfehlen. #00:15:50-1#

K: Ok. #00:15:51-9#

P: Also die GLS Treuhand ist immer sehr präsent in den Gesprächen, wo Menschen noch mehr wollen, als nur mit einer sozial-ökologischen Bank zusammenzuarbeiten. Die Kunden erleben uns eben oft als GLS Gruppe. #00:16:05-7#

K: Als Ganzes. #00:16:07-0#

P: Genau, ja. #00:16:09-9#

K: Ok. Es war mit nur / Als ich durch den Geschäftsbericht gegangen bin, wurde immer nur auf die GLS Treuhand verwiesen und dass sie zur Gruppe gehört, aber rechtlich getrennt ist und ich war mir jetzt unsicher, ob sich die GLS Bank dann eben gar nicht mehr mit Schenkgeld an sich beschäftigt oder doch noch irgendwie (...). Das war nicht richtig zu entnehmen. #00:16:30-5#

P: Also wir beschäftigen uns damit, aber wir machen es nicht, sondern nur die Kolleginnen und Kollegen.

K: Genau #00:16:35-7#

P: Die bewegen sich hier im Haus genauso wie wir, dass sie mal ein ganz praktisches Bild davon haben. Also das ist noch nicht mal eine räumliche Trennung. #00:16:47-5#

K: Ok, dann hat sich das ja geklärt. Ehm (6), ja, das Thema geht ja in die zweite Frage über, wie sie anthroposophische anthroposophisch motivierte Unternehmensführung in eigenen Worten beschreiben würden. Also ich hab unterschieden in meiner Analyse, es gibt anthroposophische Unternehmensführung, das wäre, wenn man das Unternehmen genauso, führen würde, wie Rudolf Steiner es sich gedacht hat, vorgeschlagen hat. Als anthroposophisch motiviert habe ich eben zum Beispiel die GLS Bank eingeordnet, da sie dorthin verschiedene Verbindungen hat und dass sie da Inspirationen hernimmt, Motivation und danach dann führt. Und dann gibt es nantürlich noch solche Firmen, die sich gar nicht damit beschäftigen. Genau, und wie würden sie die 115

Unternehmensführung von der GLS Bank beschreiben, wenn sie anthroposophisch motiviert geführt ist. #00:17:45-2#

P: Ja (4). Also ich glaube ehm, das markanteste Beispiel, wenn sie danach fragen, was anthroposophisch motivierte Unternehmensführung in unserem Unternehmen ist, dann ist das, dass wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Also sowohl für unser unternehmerischen Handeln (...) das heißt von der Produktseite her, also was ist eigentlich die Aufgabe von uns als Unternehmen in der Gesellschaft und was ist eigentlich verantwortungsvolles Unternehmertum. Das nimmt ja immer die eh (...) eigentlich den Menschen und seine ureigenen Grundbedürfnisse in den Mittelpunkt. #00:18:21-2#

K: Mhm. #00:18:22-5#

P: Und nicht ehm, (...) ja was wir jetzt im Banken- und Finanzsektor eh, auch in Krisenzeiten als krasse Fehlentwicklung entwickelt / eh erlebt haben. Das wäre bei uns gar nicht möglich, ja. Weil wir fragen immer: Dient das dem Menschen, wenn wir diese Praktik unterstützen, wenn wir in diese Branche investieren, wenn wir Bankdienstleistungen anbieten. Und dieses Element „Dient es dem Menschen?“, ehm, professionell auch in einem Unternehmenskontext in den Mittelpunkt zu stellen, das gilt auch genauso nach Innen. #00:18:52-1#

K: Mhm #00:18:53-2#

P: Also auch hier, wir sprechen nicht von Human Resource, wir sprechen nicht von Personal, sondern hier arbeiten Menschen für Menschen. (...) Und auch wenn man das professionell aufzieht unter ökonomischen Gesichtspunkten, das ist immer eine Herausforderung, so ist doch unser Blick auf die Mitarbeitenden immer ganzheitlich. (...) Ganzheitlich ist auch, finde ich für mich persönlich so ein anthroposophisch motiviertes Element. #00:19:18-6#

K: Ja. #00:19:19-7#

P: Also nicht nur einzelne Aspekte eh, in den Blick zu nehmen, sondern gerade auch den Menschen mit all seine Stärken und Schwächen, mit all seinen Fähigkeiten, die manchmal offensichtlich sind, manchmal im Verborgenen liegen, aber auch mit dem darüber hinausgehenden Blick den Menschen als Ganzheit zu sehen. Das ist für mich sozusagen das nach innen wahrnehmbare Element warum wir ein anthroposophisch motiviertes Unternehmen sind, anthroposophisch motivierte Unternehmensführung haben. #00:19:49-0#

K: Mhm. Und wie würden sie das Unterschieden? Also ich hab gesehen, dass die GLS Bank an verschiedenen Stellen als ethische Bank beschrieben wird. Es gibt nachhaltige Banken, ethische Banken, also verschiedene Richtungen und wenn man die jetzt vergleichen würde, ehm gäbe es dann da einen Unterschied oder würden sie sagen anthroposophisch motiviert kann man auch als nachhaltig sehen oder als ethisch und somit eigentlich egal. #00:20:22-1#

P: Also ich glaube nicht jedes nachhaltige Unternehmen, konsequent nachhaltige Unternehmen ist anthroposophisch aber jedes konsequent anthroposophische Unternehmen ist nachhaltig. #00:20:30-6#

K: Genau. #00:20:31-9#

116

P: So würde ich es mal sagen. Weil wenn sie (4) / ich sage das jetzt mal ganz in meinen Worten. Das sind keine von anthroposophischen Menschen oder großen Vordenkern vorformulierte Sätze, ne <> eh, wenn sie die, also wenn sie es wirklich ernsthaft machen, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht den Verbraucher, nicht den Bürger, nicht nur den Konsumenten oder was auch immer. Sondern versuchen in so einem Kontext das wirklich so zu sehen, dass es um den Menschen geht oder um die Menschheit geht, dann können sie nicht sinnvollerweise wirtschaften, ohne nachhaltig zu wirtschaften, das geht gar nicht, ne. Also ich glaube man kann nur dann nicht nachhaltig wirtschaften, wenn man bestimmte Dinge ausblendet. #00:21:19-5#

K: Ok. #00:21:20-4#

P: Also kein vernünftig wirtschaftender Mensch kann, so professionell er auch auftritt, vollen guten Gewissens wirtschaften, ohne an die zukünftigen Generationen zu denken. (...) das ist ja auch etwas Absurdes. Wenn sie mit, mit Unternehmenslenkerinnen und -Lenkern von großen Unternehmen sprechen, denen man allgemein auch zusagt, dass sie einen ziemlich schlechten eh (...) Ökologischen Fußabdruck haben oder sogar auch schlechte sozialen Auswirkungen haben. Wenn sie die als Menschen erreichen, ganz persönlich (...) ne, wenn sie mit denen über ihre Kinder reden und was die Chancen der Kinder in 20, 30 Jahren angeht oder über ihre Enkel reden, dann erleben sie da ganz andere Menschen in der Regel. #00:22:02-7#

K: Mhm. #00:22:04-2#

P: Ja, weil denen ist das total wichtig, denen ist Familie oft sehr wichtig. Familie ist aber ökonomischen total blödsinnig, <> es sei denn man sagt: ok, da habe ich dann irgendwie eine Pflege im Alter oder so, nicht. Also dieses Reproduzieren ehm, (...) dass wir, eh dass wir Kinder bekommen, Familien gründen, uns an Enkeln erfreuen, das bringt uns eigentlich immer dahin, dass wir weit über die Konsequenzen unseres Tuns nachdenken müssen, weit über den Zeitpunkt eh, des hier und jetzt hinaus. Und das sind grade ja sehr intelligente Menschen, die so große Unternehmen leiten und eh, die sind in einer gewissen Weise dann ja fast schizophren. Die sind persönlich durchaus in der Lage auch ganz persönlich zu denken und auch oft zu wissen, dass das was sie tun gar nicht gut ist (...) für die Gesellschaft oder so. Aber die sagen dann auch oft, sie haben gar keine Chance das zu ändern, sie sind den Aktionären verpflichtet und der öffentliche Druck und die Gesellschaft und so weiter, die finden dann da viele Ausflüchte. Also das nur mal so al kleinen Exkurs, das finde ich immer spannend. Nicht dass ich das jetzt immer tue <>, aber ich hab da zum Beispiel auch schon etliche Interviews gelesen, wo man das so ausführt, wo man so merkt, wenn man dann plötzlich bei so einem Konzernlenker an die menschliche Seite kommt, dann hat der, eh / dann hat der / dann sieht man da etwas aufblitzen, wo man denkt, das ist doch schizophren, wie der eigentlich als Verantwortlicher für diesen großen Konzern handelt. (5) Ne, und auch der RWE-Chef, der da den Hambacher Forts hier bei uns um die Ecke abholzen lässt, (...) ja, also ich glaube, wenn man den als Menschen so erreicht (6) wird der auch / wird der irgendwie nicht erklären können was daran nachhaltig ist #00:23:44-9#

K: Mhm #00:23:46-1#

P: Ja aber er wird ihnen auch erzählen, dass er nicht anders kann. #00:23:50-8#

K: Ja. <> #00:23:51-7#

117

P: Meine These, ne. <> #00:23:53-9#

K: Ja. #00:23:54-3#

P: Und zurück ehm, zu der anthroposophisch motivierten Unternehmensführung. Ich glaube, wenn man das konsequent tut, dann ist das ehm / kann man das gar nicht / ob man das jetzt anthroposophisch nennt oder nicht ist völlig egal, aber wer sich und wenn ich das heutige Handeln an dem Wohl der Menschheit orientiert. Also nicht nur des einzelnen Menschen, sondern der Menschheit insgesamt. Der ist da auf jeden Fall (...) in irgendeiner Form anthroposophisch unterwegs, ob er das will oder weiß oder nicht #00:24:24-4#

K: Ok #00:24:25-4#

P: Können wir ganz kurz eine Pause machen, da klopft jemand an der Tür. #00:24:26-5#

K: Ja klar. #00:24:30-1#

Herr Prahl muss einen Termin wahrnehmen und das Interview wird für 30 Minuten unterbrochen.

P: So, lassen sie uns weiter machen. #00:01:32-6#

K: Gerne! Ich hätte auch gleich nochmal eine Frage zu der Nachhaltigkeit. Es gibt ja diese drei Säulen der Nachhaltigkeit: ökonomisch, ökologisch und sozial und ich habe jetzt den Eindruck von der GLS Bank bekommen, dass sie nicht Profitorientiert ist. #00:01:54-2#

P: Ja. #00:01:55-6#

K: Und würde das bedeutet, dass diese ökonomische Säule, wenn man sich das jetzt im Kopf verdeutlicht ehm, dass die einfach weggelassen wird oder rückt sie in den Hintergrund, wird sie, wenn man es bildlich darstellt, schmäler? Oder ehm, wie ist das zu verstehen? Wie ist das überhaupt mit dem Ökonomischen? Also heißt das dann auch, die GLS Bank will nicht wachsen oder nur Null-zu-Null anstreben? Wie ist das zu verstehen? #00:02:27-9#

P: Also erstmal danke ich ihnen für die Frage <> die ist perfekt. #00:02:30-0#

K: Ja? Schön. <> #00:02:31-5#

P: Es ist tatsächlich so und wir haben das auch teilweise in unserer Außendarstellung so gemacht oder in der Unternehmenspräsentation, dass wir gesagt haben, dass diese Triple-Bottom-Line, ehm, das ist ja das, was sie gerade beschrieben haben. Das kommt ja aus der Brundtland- Kommission. #00:02:48-5#

K: Genau. #00:02:50-0#

P: Diese / Diese Gleichberechtigung zwischen ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit, das war so lange Zeit das klassische Nachhaltigkeitsverständnis. Ich bin ja schon mal froh, wenn Menschen die drei Säulen kennen, weil ganz ehrlich, die meisten (...) verbinden immer noch Nachhaltigkeit mit ökologischer, eh, also mit Umweltschutz und Ressourcenschonung. Und ehm, ich gebe selber ein Seminar an der Hochschule Bochum eh, zum Thema Existenzgründung und mache das natürlich immer auch mit nachhaltigen Aspekten, weil mir die einfach auch persönlich sehr wichtig sind und ich merke dass da in der Diskussion mit den 118

Studierenden, dass das echt immer so ein Thema ist. Also was heißt eigentlich Nachhaltigkeit und warum sollte man überhaupt nachhaltig leben. Das sind so die Einstiegsfrage und (...) das ist bei den aller meisten ist es ausschließlich ökologische Nachhaltigkeit #00:03:44-4#

K: Mhm #00:03:45-3#

P: Manche sagen auch nur, das ist ein Trend aber wissen gar nicht genau was es ist. Das ist leider auch oft der Fall. (...) Also wir haben gesagt: wir verändern dieses Bild tatsächlich und sagen für uns ist die wichtigste Säule die soziale Nachhaltigkeit. Also macht das was wir tun bzw. ist das was wir tun ein Gewinn für die Gesellschaft, erhöht das die eh (...) Zukunftschancen der Gesellschaft? (...) #00:04:10-2#

K: Mhm. #00:04:11-6#

P: Ist das ein sinnvoller Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung. #00:04:15-5#

K: Ok. #00:04:16-3#

P: Und das kann man nur tun, wenn man dabei ökologisch nachhaltig handelt. Weil es würde keinen Sinn machen. Sie können nicht ernsthaft sagen: wir leisten einen positiven Beitrag für eine zukunftsfähige Gesellschaft, wenn wir dabei nicht ökologisch nachhaltig handeln. (...) Und wir sind ein Unternehmen. Das heißt, wir müssen aus der eh, aus unserer Aufgabe heraus ökonomisch sinnvolles tun. Wir sind ja bei allem eh, was da im Vordergrund steht, sind wir ein Unternehmen, was schlicht ehm (...) für seine Leistungen auch einen Ertrag braucht oder Einnahmen braucht, um das finanzieren zu können, was wir leisten. (...) Und ehm, es gibt ja Unternehmen die sterben in Schönheit, also da sagt jeder, das sei ein tolles Unternehmen, aber die Leistung, die braucht man nicht und sie verkauft sich dann auch nicht. die Gefahr ist bei uns auch, ne. Also dass wir immer den Weg finden (...). Wir haben ein sehr, sehr positives Bild in der Gesellschaft, also die Menschen, die uns kennen, schreiben uns eh, (...) viele gute Dinge zu. Unsere Kernfrage als Unternehmen ist aber, bieten wir eine Leistung, für die, die Menschen bereit sind etwas zu zahlen (5) also das eh, das müssen sie als Wirtschaftsunternehmen ja immer tun. Und wir sagen ganz platt: Wenn wir die richtigen Dinge richtig tun, dann springt dabei eigentlich auch noch ein gewinn raus. Also für uns steht das richtige zu tun im Vordergrund und wenn man das gut macht, Handwerklich, aber auch Kundenorientiert und effizient, dann bekommt man auch das Kundenfeedback über die ehm (...) über die, ja wie soll ich sagen (4) über die Einnahmen. #00:06:03-3#

K: Ok, Ja. #00:06:04-5#

P: Also wen die Leistung, die wir erbringen den Kunden was wert ist, dann sind sie ja auch bereit etwas zu zahlen und dann ist es auch völlig ok, wenn man Gewinn macht. Aber! Man sollte nie wegen des Gewinnes wegen Dinge tun. Sondern wir tun die Dinge, weil wir überzeugt sind, dass sie richtig sind und versuchen sie möglichst gut zu tun. #00:06:24-6#

K: Mhm. Ich habe da, also ich habe da ja die drei Säulen der Nachhaltigkeit gezeichnet, habe mir selbst ein Bild gemacht, wie diese Säulen für die GLS Bank aussehen könnten und für die anthroposophisch motivierte Unternehmensführung. Ich zeige ihnen das mal. <> (1min) #00:07:41-6#

119

P: Ja (5). Spannend! Finde ich gut. Also trifft sich genau mit dem, wie wir auch gemacht haben. Sie haben zwar jetzt ökologisch und sozial sehr groß gemacht und ökonomisch sehr klein. #00:07:50-7#

K: Gleich groß. #00:07:53-1#

P: Ach das ist gleichgroß, ja. Also wir haben ganz bewusst gesagt, für uns steht die soziale Dimension sogar im Vordergrund, aber das passt zu dieser Darstellung. Das muss man jetzt auch nicht auf die Goldwaage legen. Also ich glaube die ehm, die Kernaussage ist bei uns, dass es da keine Gleichberechtigung gibt, sondern dass wir schon, und das ist anthroposophisch orientiert, dass schon die soziale Komponente überwiegt. Also der Sinn warum wir hier auf der Erde sind, egal welche Religion oder Weltanschauung sie da sehen da hernehmen.

K: Mhm, ja. #00:09:11-6#

P: Also, wenn wir nicht / Es trifft ja immer die Ärmsten zuerst, wenn wir an den natürlichen Ressourcen Raubbau betreiben und ehm, (...). Im Grunde genommen jetzt auch bei dem anstehenden Klimawandel, egal wie stark er ausfällt, es wird die Ärmsten am härtesten treffen. Und insofern, kann man das schon allein daraus auch ohne Pathos erzählen, ist finde ich ökologisch auch sozial. #00:09:41-7#

K: Ja. Man könnte theoretisch auch eine Säule machen. Eine ökologisch-soziale oder sozial- ökologische Säule. #00:09:46-6#

P: Stimmt! #00:09:48-2#

K: Ich habe diese Säulen nochmal aufgegriffen, weil sie auch im Gespräch mit Herrn Mackay aufgetaucht sind, wenn ich das richtig ausspreche. #00:09:57-2#

P: Also ich kenne ihn unter Mackay <>. Der war übrigens Vorstand hier bei der GLS Bank als ich Azubi war. #00:10:08-0#

K: Interessant! (...) Auf jedenfalls hat er diese drei Säulen angesprochen und gemeint, er würde die ökonomische Säule durch den Unternehmenszweck ersetzen und dann würde das ja ein ganz anderes Bild ergeben, weswegen ich mir dann Gedanken über die GLS Bank gemacht habe. #00:10:28-6#

P: Mhm, also geht in die Richtung. Aber er ist da radikaler als wir.

#00:10:36-0#

K: Ja, ich denke da ist aber ja auch ein anderer Hintergrund #00:10:40-3#

P: Das stimmt. #00:10:45-8#

K: Aber war auch sehr interessant das Gespräch. #00:10:47-2#

P: Ja glaube ich. #00:10:50-6#

120

K: Und ich hatte dann noch gelesen, dass es bei der GLS Bank dieses menschlich, zukunftsweisend und ökonomisch gibt. Ist das dann dieses Zukunftsweisend das gleiche wie ökologisch? Oder ist das nochmal was anderes? #00:11:03-2#

P: Nein, das ist tatsächlich relativ deckungsgleich. Also das menschliche ist mit dem sozialen vergleichbar und das zukunftsweisende dann mit dem ökologischen. (5) #00:11:15-8#

K: Ok. (19) Und ehm, sie sind ja jetzt Leiter der Mitarbeiterentwicklung und (...) würden sie sagen, sie verfolgen einen Personalführungsansatz? also gibt es da einen Ansatz, an dem sie sich orientieren, eben einen Ansatz, der sich eigentlich nicht an der Anthroposophie orientiert? Wie läuft das ab? #00:11:52-0#

P: Also ich hab jetzt keinen wissenschaftlich fundierten Ansatz, der einen bestimmten Begriff hat. <> Das vielleicht vorweg zu dieser Frage. (5) Also zunächst mal stimmt, ich leite die Mitarbeiterentwicklung, das ist bei uns das, was sie sonst als Personalabteilung und Personalentwicklung kennen und ehm, der Name ist nicht so ganz klar, weil es ja eigentlich vordergründig die Mitarbeiterabteilung und nicht die Mitarbeiterentwicklung ist, ehm (...) aber es sind natürlich zwei wesentliche Punkte, um die Art und Weise der Zusammenarbeit zu gestalten. Also die Personalabteilung im klassischen Sinne, die viele Rahmenbedingungen schafft, die auch das Recruiting verantwortet, welche Menschen kommen überhaupt zu uns, wie werden sie hier abgeholt, wie, eh, gehen wir mit Konflikten um, wie gestalten wir die Arbeitsverhältnisse und so weiter und da können sie auch von der Haltung her vieles anders machen. #00:12:41-5#

K: Mhm. #00:12:42-6#

P: Und der andere Punkt ist Personalentwicklung. Da haben sie natürlich auch einen großen Hebel, wie hier im Hause miteinander umgegangen wird oder wie man überhaupt das Thema Entwicklung sieht. Und ehm, bei beiden Themen gilt das, was ich auch eingangs gesagt habe, der Mensch steht im Mittelpunkt. Das ist eigentlich so das Motto. (5) Das klingt plakativ, aber dahinter steht dann so die Frage, was muss man eigentlich tun (4) auch im Rahmen professioneller Personalarbeit, wenn erkennbar sein soll, dass es nicht um egoistische Interessen der einen Seite oder der anderen Seite geht, sondern wenn man anerkennt und sagt: Hier arbeiten Menschen für Menschen. Und das wollen wir durchaus sehr professionell aufziehen. Das müssen wir auch. Auch effizient. Also es ist nicht lieb und kuschelig hier, sondern es ist eher fair und transparent. Also das ist so mein Leitmotiv, dass ich hier eh, nicht soziales Miteinander verstanden wissen will, als wir sind alle lieb zueinander und ehm keiner tut dem anderen weh und dann geht es allen gut. Ich überspitze das jetzt bewusst. Es gibt Menschen, die denken das sowas, ne, die glauben, dass es darum geht, dass man nett und lieb miteinander umgeht. Und ehm, das hab ich für mich irgendwann mal klargekriegt und gesagt: Mein Leitmotiv ist fair und transparent, das halte ich für menschlich und das versuche ich eben in der Personalarbeit sichtbar werden zu lassen. In der Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren, wie wir mit Problemfällen umgehen, bis hin wie wir mit Trennungssituationen umgehen. Also selbst in schwierigen Situationen (...) ehm, zu versuchen, diese Werte erlebbar zu machen und zu sagen: wie gehen Menschen mit Menschen um. #00:14:33- 1#

K: Ok. #00:14:33-4#

121

P: Und das ist der eine Aspekt. Kurz zusammengefasst also menschliche Werte in jedem Handeln erkennbar werden zu lassen und bei der Entwicklung würde ich sagen ist es auch ein erweiterter Menschenbegriff, ja, also kann ich den Menschen als ganzheitliches Wesen sehen und was heißt das überhaupt. (...) Das heißt mehr als nur zu sagen: Ok wir brauchen mal ne Bio-Pause oder wir machen mal irgendwie gemeinsam Yoga zwischendrin oder so. Das ist nicht das Ganzheitlich was ich meine. Sondern wirklich anzuerkennen, dass / und das kann dann auch wirklich ins Anthroposophische gehen, dass man sagt: ok (5) das ist jetzt hier / (5) Wenn man jetzt eine geistige Welt in irgendeiner Form anerkennt oder andere auch persönliche Dinge im Hintergrund, wenn man ganzheitlich auf das Menschsein guckt (4) keine Ahnung, das kann sehr unterschiedlich sein. Aber das anzuerkennen fordert schon einen ganz anderen Umgang mit Entwicklungsfragen. #00:15:36-5#

K: Mhm. Definitiv. (...) Und so an einem konkreten Beispiel festgemacht? Wie eine Entwicklungsmaßnahme aussieht, abgesehen von Yoga. #00:15:51-0#

P: <> Also es gibt tatsächlich diese Yoga-Gruppe hier im Haus und ich habe sie auch selbst organisiert <>. Ehm (...) ja, also ein konkretes Beispiel ist unser Gesundheitsmanagement. Also das ist ja auch eine gesetzliche Vorgabe, dass ein Unternehmen ab einer bestimmten Größe auch ein betriebliches Gesundheitsmanagement (...) ehm, aufsetzen muss eh, gerade im Hinblick zum Beispiel auch auf das betriebliche Eingliederungsmanagement, wenn man längere Krankheitszeiten hat und ehm, das haben wir genutzt, um das betriebliche Gesundheitsmanagement, das ja sehr sperrig vom Begriff daherkommt, zu sagen: wie können wir es da erlebbar machen, dass wir den Menschen als ganzheitliches Wesen sehen. (10) Und haben den Gesundheitsbegriff zum Beispiel auch unter Mitwirkung von vielen Mitarbeitenden in einem großen Workshop viel weiter gegriffen. Also Gesundheit ist nicht nur wen ich gerade am Tisch sitze und keine Rückenschmerzen habe oder wenn ich eine Erkältung vermeide. Das ist tatsächlich die Art und Weise wie viele Krankenkassen auf die Gesundheit schauen. Die unterstützen Unternehmen ja immer gerne beim Gesundheitsmanagement, sondern eben auch die psychische Gesundheit und / und ehm, den Vitalitätsbegriff, ja (4). Also wie (...) wie entwickle ich als ganzer Mensch, der im Privaten seine Herausforderungen hat, im Persönlichen seine Herausforderungen hat, im Berufsalltag seine Herausforderungen hat (...) wie kann ich sozusagen die ganzen Ebenen des Menschseins, die man ja auch im Büro hat eh, (...) in einem Gesundheitsmanagement mit in den Blick nehmen. #00:17:27-5#

K: Mhm. #00:17:28-5#

P: Also nicht nur Stress mit in den Blick nehmen, sondern auch wie werde ich informiert, mit welcher Haltung gehen wir miteinander um (...) eh so, dass sind so ganz konkrete Punkte wo man eben merkt, da steht ein anderes Menschenbild dahinter, als wenn ich das so technisch sehe wie eine Krankenkasse. Wissen sie die Krankenkasse kommt vorbei und sagt: wir würden gerne mit ihnen zusammenarbeiten. Und dann kommen die und sagen: wir haben sogar eine Fehlzeitenstatistik. Das bieten wir ihnen mal so an fürs Erstgespräch. Für ihr Haus optimiert. Also nach den Daten der Versicherten aus ihrem Haus, anonymisiert. Und dann zeigen die einem wie viele Menschen fehlen aufgrund von Muskelskeletterkrankungen, wie viele Menschen sind langzeitkrank oder haben psychische Beschwerden oder so. Und dann sagen die so: na gut, jetzt könnten wir natürlich gemeinsam überlegen, wie können wir die psychischen Beschwerden lindern, wenn viele bei ihnen im Haus daran erkranken, ne. Also das ist so ein klassischer Ansatz, 122 irgendwie, da ist ein Problem, erkannt, analysiert und dann schauen wir im Werkzeugkasten was haben wir dagegen. #00:18:33-8#

K: Mhm. #00:18:34-1#

P: Und das ist selten ein ganzheitlicher Blick. #00:18:37-0#

K: Ja, stimme ich zu. #00:18:39-0#

P: Daran kann man es vielleicht etwas konkreter machen. #00:18:43-1#

K: Mhm. Und diese Workshops, gibt es die jedes Jahr oder wie sind die organisiert? #00:18:52- 0#

P: Naja wir haben ja gesagt, wir wollen ein Gesundheitsmanagement, das natürlich immer da ist. #00:18:55-1#

K: Immer etabliert. #00:18:57-2#

P: Genau und da haben wir einen Steuerungskreis ehm, gegründet (5) da sitzt natürlich die Mitarbeiterentwicklung mit drin, da sitzen die Mitarbeitervertreter drin, die ja bei uns kein Betriebsrat sind sondern ein Vertrauenskreis sind ehm, und da sitzen freiwillige Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen drin, sodass wir da ein buntes Potpourri an Menschen haben und das wurde gut moderiert, von einem Externen und da hatten wir uns auch Unterstützung geholt, ehm fachliche Unterstützung, sodass wir das dann gut aufgezogen haben. Und dann haben wir ehm, gesagt, zum Beispiel: Information hat etwas mit Gesundheit zu tun. Weil wenn ich nicht gut informiert bin, dann kann ich mich nicht so gut mit dem Unternehmen verbinden, ja. Und dann erlebe ich das als ausgegrenzt oder als Degradierung oder so was. (...) Ja, also Information ist eigentlich / Darauf muss man erstmal kommen, dass Information was mit Gesundheit zu tun hat. #00:19:54-9#

K: Ja, daran habe ich jetzt auch noch nicht gedacht. #00:19:56-2#

P: Aber wenn man sich da reindenkt, dann merkt man schnell: stimmt, ich muss mich wohlfühlen auf der Arbeit. Da bin ich als Mensch und nicht als Ressource und da habe ich unterschiedlichste Bedürfnisse. #00:20:11-6#

K: Mhm (4). Das ist gut <> #00:20:14-9#

P: Ja <>. #00:20:16-6#

K: Aber das heißt ja / Also es gibt ja / es gäbe ja zum Beispiel noch den Human-Relations-Ansatz, falls der ihnen was sagt, das ist ja auch auf den Menschen ausgerichtet und bei der Weleda gibt es ja jetzt die Kollegiale Führung wie sie bestimmt mitbekommen haben und das wäre jetzt kein Modell für die GLS Bank (5) Also es gibt keine Gedanken über solche Modelle und Ansätze? #00:20:44-4#

P: (5) Doch, also (...) wir sind auch (...) #00:20:48-9#

K: Eine Genossenschaft? #00:20:52-5#

123

P: Ne, ehm, wir sind auch am überlegen. #00:20:54-5#

K: Achso. #00:20:55-6#

P: Ja und beschäftigen uns ganz intensiv damit, wie wir die Art und Weise der Zusammenarbeit im Unternehmen verändern wollen. Also wir legen uns da jetzt nicht so fest, auf ein bestimmtes Modell oder einen Ansatz. Wir haben einfach gesagt erstens vor dem Hintergrund der Herausforderungen unserer Branche und zweitens vor dem Hintergrund unseres besonderen Menschenbildes, müssen wir uns, wollen wir uns, dürfen wir uns wirklich mal intensiv Gedanken darüber machen wie wollen wir eigentlich in Zukunft zusammenarbeiten. Und da sind wir gar nicht festgelegt auf kollegiale Führung (...) wir haben sogar mal von Subsidiärer Führung gesprochen, also (...) wie könnten wir uns vielleicht auch so organisieren, dass möglichst jeder Mitarbeitende ein möglichst großes, eigenes Entscheidungsfeld hat (...) das ist ja so ein bisschen was subsidiäre Führung suggeriert. Aber das war mehr ein Arbeitstitel. (...) und wir sind jetzt seit gut einem Jahr dabei das auch richtig zu ermitteln. Auch der Vorstand hat ganz klar gesagt: wir können nicht so weiter machen wie bis her. Ehm, sondern wir müssen uns grundlegend überdenken wie wir zusammenarbeiten und das fängt im Vorstand an. (5) Und ob wir am Ende noch Führungskräfte haben werden oder, wie zum Beispiel Laloux auch in seinem Buch beschreibt, mit dem wir auch zum Beispiel einen Workshop gemacht haben schon, (...) ob wir dann am Ende gar keine Führungskräfte mehr haben, dass ehm, kann man jetzt noch nicht sagen. Da wollen wir uns auch bewusst offenhalten. (5) Aber die Frage nochmal, ne (...) vor dem Hintergrund unseres Menschenbildes und vor dem Hintergrund der Anforderungen der Branche, also viel Veränderungen, schnelle Veränderungen, die Kunden erwarten gute Lösungen, schnelle Lösungen ehm, wie müssen wir uns dafür eigentlich intern aufstellen (...) da ist ein strikt hierarchischer Laden, wie das früher Banken waren und wir das jetzt im Moment auch noch immer ein bisschen sind total hinderlich. #00:22:58-9#

K: Ok. #00:22:59-6#

P: (...) Aber ob am Ende gar keine Führungskräfte oder nur eine ganz andere Führungskultur steht oder so (...) da sind wir ganz offen. Und ich habe mit Weleda viel Kontakt ehm (...) und finde es sehr spannend was die da machen. Die sind halt auch in einer ganz anderen Branche (...) ich liebe die Produkte bei denen <> es gibt immer ein kleines Duschgeld oder so wenn ich dort zu Besuch bin #00:23:29-8#

K: Auch nicht schlecht <> #00:23:32-8#

P: Ja das ist toll, sowas haben wir nicht, aber bei uns machen die tollen Sachen ja die Kundinnen und Kunden, als wir haben nicht so ein Produkt (...). Also die haben ganz andere Herausforderungen, auch weil die viel Produktion haben und Logistik haben, das sind ja alles Felder, die wir gar nicht haben und da braucht man einfach ganz andere Antworten (...) die sind auch ein internationaler Konzern, das sind wir nicht, wir sind ja nur eigentlich in Deutschland tätig, ne (5) #00:23:58-5#

K: Ja #00:24:00-6#

P: Mhm. #00:24:01-1#

124

K: Doch eine ganz andere Struktur, das stimmt! Aber jetzt haben sie gerade gesagt, sie haben einen Workshop gemacht mit einem Buch von Laloux, ist ehm, wissen sie ob sich die Weleda auch darauf bezieht? Ich kenne da nämlich noch die Kollegiale Führung von Oestereich und Schröder, kennen sie das? #00:24:18-7#

P: Ich kenne Oestereich und Schröder, aber das Modell von den beiden kenne ich nicht. #00:24:24-4#

K: das heißt nämlich auch kollegiale Führung und deckt sich auch relativ mit dem von Laloux. Deswegen dachte ich sie hätten vielleicht auch darauf zurückgegriffen. #00:24:34-8#

P: Ne, also wir haben uns auch dafür entschieden, das möglichst im Hause zu machen, also uns gar nicht so ausgeprägt Unterstützung von außen zu holen (...) ob wir das so beibehalten weiß wir noch gar nicht, aber (...) wir versuchen es erst mal als internes Projekt. Wir wollen die Mitarbeiter einfach mitnehmen. Wir wollen einfach das was auch an Initiativen im Haus so da ist mitnehmen. Dann ist da mal ein Team, das sagt: hey, wir könnten uns da doch mal ganz anders organisieren und dann ist da ein Teamleiter, der sagt: hey ich möchte am liebsten gar kein Teamleiter mehr sein, sondern dass wir ein selbstorganisiertes Team sind. (...) Also wir versuchen jetzt nicht ein Konzept über das ganze Haus auszurollen, sondern das auch wirklich als Kulturarbeit zu verstehen, also Räume auch zu schaffen, dass jeder sich auch mit der Frage zunächst mal selbst beschäftigen kann. Warum will ich überhaupt das ändern oder was habe ich für Sorgen, wenn ich was ändere, ja. Oder was, warum gucke ich positiv in die Zukunft, wenn wir was ändern würden. Also wirklich diese persönliche Warum-Frage klären und dann sehr coole, auch einzelne Sachen ausprobieren. (5) Also, wenn so ein Team ganz erfolgreich mit Unterstützung von uns aus der Mitarbeiterentwicklung oder vielleicht auch mit einem Trainer von außen (...) so einen Weg gegangen ist, mal etwas neues auszuprobieren. Das erzeugt ja auch einen Sog. Das spricht sich rum im Haus, dann kommen plötzlich andere und sagen: das würden wir auch gerne mal ausprobieren. (...) Das ist viel toller, als wenn der Vorstand irgendwie sagt: so, und jetzt machen wir alle kollegiale Führung. #00:26:04-4#

K: Ja, das kann ich mir vorstellen. #00:26:06-0#

P: Also überhaupt keine Kritik an Weleda, aber ehm, das ist / ehm, da haben wir bewusst auch einen bisschen anderen Weg eingeschlagen und gesagt: wir wollen das MIT den Menschen zusammen entwickeln. #00:26:19-5#

K: Mhm. Abholen und so. #00:26:22-6#

P: Ja, genau. Wir sind gespannt was da raus kommt. Wir arbeiten auch mit Bettina Rollo zusammen und die sagt: Your work needs inner work. #00:26:34-7#

K: Mhm. #00:26:34-9#

P: Also die sagt ja, man muss sich eigentlich mit sich selbst beschäftigen und seinen eigenen Sorgen und Ängsten und einfach innere Arbeit leisten, wenn man an den Strukturen und der Zusammenarbeit etwas ändern möchte. #00:26:45-5#

K: Mhm. (6) Und sie haben vorhin gesagt, dass es einen Vertrauenskreis gibt, aber das ist nicht das gleiche wie ein Betriebsrat. Was ist der Unterschied? #00:26:53-3# 125

P: Der Unterschied ist, dass es tatsächlich eine Mitarbeitervertretung ist, die sich aber nicht diesem doch ziemlich klassischen Joch eines Betriebsverfassungsgesetzes unterwirft #00:27:06-1#

K: Mhm. #00:27:07-3#

P: Und das Betriebsverfassungsgesetz zementiert so ziemlich stark ehm, dieses Über- Unterordnungsverhältnis. Also da ist immer der starke Unternehmer oder das starke Unternehmen, also der Arbeitgeber und der kleine Mitarbeiter, der sozusagen geschützt werden muss und einseitige Sonderrechte bekommt und so. So ist das Betriebsverfassungsgesetz aufgebaut. Das ist natürlich auch für viele ein guter Schutz und ich bin überhaupt nicht gegen das Betriebsverfassungsgesetzt, ich finde das super (...), aber wenn es gelingt eh, auch so gerade im Hinblick auf, wir wollen etwas anderes machen, wir wollen etwas besser machen, (...) dann ist das ehm, eigentlich eine schöne Chance zu sagen: wir wollen eigentlich eine erweiterte Mitarbeitendenvertretung (...) auf Augenhöhe haben. Und (...) wir können ja jeder Zeit einen Betriebsrat gründen, die Gesetze sind ja klar, aber bisher haben wir uns immer entschieden (...) also die Mitarbeitenden haben sich dafür entschieden, die wählen das ja, ehm, dass wir so einen Vertrauenskreis wollen, der anders ist als der Betriebsrat. (...) Es ist einfach so, eh, wenn Betriebsrat und Unternehmensleitung zusammensitzen und da kommt irgendetwas, dann guckt der Betriebsrat immer zuerst mal ins Gesetz. Das ist so ganz klassisch, so: ich guck erstmal was meine Rechte sind. Muss ich da zustimmen oder darf ich das / ist das nur zur Kenntnis zu nehmen (...) das ist so reflexartig, so wie der Personaler immer gleich zum Arbeitsrecht greift, wenn irgendwas ist, greift der Betriebsrat immer gleich zum Betriebsverfassungsgesetz. Das sieht man schon am Büro eines Betriebsrates, wenn sie mal da reingehen, dann liegt da immer auf dem Tisch oder einer Seitenablage immer das Betriebsverfassungsgesetz und das ist so richtig, wie nennt man das (...) man sieht einfach, das wird richtig oft genutzt <>. Ich habe es jetzt völlig überspitzt, ne. Aber wenn es kein gutes Klima und kein Vertrauen zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitendenvertretung gibt, dann ist das Betriebsverfassungsgesetzt total richtig und wichtig (...) gar keine Frage! Also wir sind voll für Vertretung und Mitbestimmung (...). Aber wenn mans im Sinne eines Vertrauens gestalten kann, dann finde ich das wesentlich besser. Und wir haben zum Beispiel gesagt wir regeln ganz wenig, ne (...) also wir fangen jetzt nicht an für alles eine Regelung zu finden. Die Wirklichkeit ist eh ganz bunt, aber wir vereinbaren was passiert, wenn wir nicht zueinander finden. #00:29:34-8#

K: Ok. (...) Ja ist auch ein Ansatz. #00:29:38-8#

P: Läuft total gut! By the way, bevor ich jetzt hier Leiter der Mitarbeiterentwicklung geworden bin, war ich auch eh, in der Mitarbeitendenvertretung und war auch eh, freigestellter Sprecher. <> Also ich kann das auch wirklich aus Betroffenheit und Überzeugung sagen. #00:30:01-9#

K: Sie kennen sich aus! Sehr gut. (...) Noch eine weitere Frage, und zwar habe ich diese Checkliste erstellt, in der ich alle Grundsätze oder Merkmale anthroposophischer Unternehmensführung inklusive Handlungsmöglichkeiten zusammengetragen habe und die würde ich ihnen gerne mal zeigen. Es würde mich nämlich interessieren was sie dazu sagen und wie sie die GLS Bank bewerten würden und ob das mit meiner Bewertung übereinstimmt. #00:30:45-4#

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P: Ok, dann lassen sie mal sehen. <> Oh das sind ja ganz schön viele. #00:33:03-0#

K: Ja <>. Eigentlich sind es nur 16 Stück, aber die Handlungsmöglichkeiten lassen es so viel wirken. Also die habe ich dazugeschrieben, damit sich die Unternehmen besser damit identifizieren können und sich eben besser einordnen können. #00:33:17-9#

P: Mhm. <> #00:33:30-0#

K: Das ist auch meine letzte Frage. #00:33:33-8#

P: Echt? (...) Ach ja, es sind ja schon einige Minuten <>. Hat es ihnen denn etwas gebracht? #00:33:37-4#

K: Auf jeden Fall! Es war sehr interessant und ihre Aussagen haben vieles von dem Bestätigt was ich herausgefunden habe, aber auch meine Gedanken. #00:33:52-6#

P: Ja wunderbar. Ich schaue mir das dann eben mal an, aber soll ich zu jedem Punkt was sagen? #00:34:05-1#

K: Vielleicht gehen sie einfach grob drüber, wie sie die GLS Bank grob einschätzen. #00:34:18-2#

P: Mhm. Genau, Punkt eins ist ja schon zu bejahen. Die Menschen, die die Bank gegründet haben, wollten übrigens keine Bank gründen. #00:34:32-4#

K: Eine Schule finanzieren (...) #00:34:36-3#

P: Ja, aber es ging ihnen im Kern auch darum die Gesellschaft positiv zu verändern und waren ja auch gar keine Unternehmer, sondern Anwälte und sonst was und haben einfach gesagt: da muss was passieren. Und dann ist so zufällig die Bank gegründet worden. (...) Heute wäre das gar nicht mehr möglich, man muss ja so viele besondere Anforderungen erfüllen, (...) aber damals was das noch / damals heißt ja Anfang der siebziger Jahre, da war das noch ganz easy. <> Ja also da kann ich nur zustimmen, auch der Freiheitsgedanke ist so wichtig für das anthroposophische Menschenbild, das habe ich jetzt eben gar nicht mehr so betont, aber das stimmt. Sie kennen unser Leitbild, oder? #00:36:00-2#

K: Ja ich habe eins gefunden, das war relativ lang. Ist es das? <> #00:36:37-1#

P: Das ist richtig, aber ist das zu lang? #00:36:43-9#

K: Achso, nein, es ist nur länger als das von der Weleda. <> #00:36:45-7#

P: Achso, manche schaffen es einfach kürzer <>. Das haben wir übrigens auch mit den Mitarbeitenden zusammen entwickelt. <> #00:37:13-6# Ja ich mein, das ist natürlich eine ganz besondere Herausforderung alles auf so Grundsätze herunter zu brechen, aber ich kann das sehr gut nachvollziehen, sowie sie das hier geschrieben haben, auch die Unterpunkte. Wo haben sie denn ein Nein eingetragen? #00:40:45-7#

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K: Bei der Entlohnungsstruktur, weil sie eben nicht dem entspricht, was Steiner sich vorgestellt hat, dass die Mitarbeitenden anteilig entlohnt werden (...) dafür hat die GLS Bank aber ja eine sehr sozial gestaltete Entlohnungsstruktur. #00:40:49-5#

P: Ja, ja. (5). Also das ist auch so eine / das haben die Menschen früher ausprobiert und das ist krachend gescheitert. Also hier in der Bank und da gabs mal so eine Geschichte mit einem Pelzmantel, wo in der Wirtschaftsgemeinschaft dann aufkam, warum denn jetzt jemand einen Pelzmantel braucht <>. Das fand ich immer so eine nette Geschichte, wenn da jemand bekannt gib er braucht einen Pelzmantel. #00:42:05-9#

K: Ja <> #00:42:13-4#

P: Ja toll! Sieht gut aus finde ich. #00:42:15-0#

K: Dankeschön! Das freut mich sehr. #00:42:23-1#

P: Und sie hatten vorher keinen Bezug zur Anthroposophie? #00:42:35-9#

K: Nein. #00:42:33-0#

P: Und das denken sie jetzt darüber? #00:42:39-4#

K: Also ich fand es sehr interessant überhaupt das ganze Thema, aber ich habe jetzt ja auch viel von Steiners Schriften gelesen und ich finde sein Gesamtkonzept, das wäre nicht umsetzbar. Aber wenn man die Grundsätze herauslöst und sich zum Beispiel am Menschen orientiert und ihn so versteht, dass eben die Natur auch dazugehört, dann finde ich das eine sehr gute Sache. Also ich würde mir mehr Unternehmen wünschen, die wie auch die GLS Bank oder die Weleda, sich so menschlich, aber auch ökologisch aufstellen und danach handeln. Aber man muss sich eben nicht eins zu eins nach Steiners Schriften richten. #00:43:36-3#

P: Ne, also das ist auch so der Tenor vieler Unternehmen. Ich war jetzt neulich sogar auf dem World Goetheanum Forum, das ist so ein Zusammenschluss verschiedener anthroposophischer Unternehmen, die Weleda ist da auch immer ganz groß dabei und das ist echt spannend. Also das ist wie sie gesagt haben nicht die reine Lehre, sondern das sind ganz bodenständige Menschen und ich sage es jetzt mal so in meinen Worten, die eben kritisch, also konstruktiv kritisch, aber denen allen gemein ist, dass sie auf die Anthroposophie gucken und da gibt es tolle Anregungen und ich kann das auch echt gut nachvollziehen. Wie auch bei Waldorfschulen, wenn man da mal reinschaut und sieht, dass das Kind oder die Heranwachsenden in den Mittelpunkt gestellt wird und nicht nur die Wissensvermittlung oder die Skills und was muss man können (...). Sondern einfach den Menschen der sich in seiner Entwicklung findet. Und dieser schöne Gedanke ist einfach überall zu finden (...). Naja. #00:45:30-8#

K: Ja. #00:45:26-3#

P: Kann ich sonst noch was für sie tun? #00:45:27-5#

K: Ne, eigentlich war das schon sehr hilfreich und, ja vielen Dank! #00:45:31-5#

P: Super, gerne. #00:45:33-2# <> 128