Stadt – 2030 – Integrative Stadtentwicklung am Beispiel Graz

Magisterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Naturwissenschaften

an der Karl - Franzens - Universität Graz

vorgelegt von

Oliver KONRAD

am Institut für Geographie und Raumforschung

Begutachter Ass.-Prof. Dr. phil. Franz Brunner Co – Betreuer: Mag. Dr. Clemens Mader

Graz, 13. März 2011

1

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.

______Datum Unterschrift

2 Vorwort

Bereits während meiner Schulzeit an der HTBLA Ortwein (Bautechnik) haben mich Städte, und vor allem meine Heimatstadt Graz, fasziniert. Waren es damals in erster Linie neue Gebäude oder Straßen, die Graz ein neues Bild verliehen, so erweckte sich durch mein Studium der Umweltsystemwissenschaften ein neues Gedankengut im Bereich der Stadtentwicklung. Visionäre Stadtentwicklungskonzepte, die eine nachhaltige, soziale, ökologische und gerechte Stadt fördern, waren und sind mein Interesse im Bereich der Stadt.

Im Zuge meines Studiums und der Vertiefung im Bereich der nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung kamen mir immer wieder Beiträge des Deutschen Instituts für Urbanistik, (Difu) auf dem Gebiet der Stadtentwicklung, unter. Unter anderem die Beiträge vom Forschungsverbund „Stadt 2030“, die mich auch zu dieser Magisterarbeit inspirierten.

Bedanken möchte ich mich besonders bei meinem beiden Magisterarbeitsbetreuern Dr. Franz Brunner vom Institut für Geographie und Raumforschung und Dr. Clemens Mader vom RCE Graz (Regional Center of Expertise) an der Universität Graz, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen InterviewpartnerInnen, allen voran DI Eva Maria Benedikt vom Stadtplanungsamt, DI Gerhard Ablasser und Mag. Christian Nußmüller vom Referat für EU Programme und Internationale Kooperation, die mir bei meinen Fragen und Problemen hilfreich zur Seite standen. Ein besonderer Dank gebührt Herrn Peter Hagenauer von der Partei Die Grünen, der mir den Zugang zum Vorentwurf des neuen Grazer Stadtentwicklungskonzeptes (STEK 4.0) ermöglichte. Ebenfalls ein besonderer Dank gebührt Herrn DI. Arch. Heinz Schöttli, Abteilungsvorstand der Stadtplanung Graz, der mir wichtige Informationen zur Stadtentwicklung in Graz gegeben hat.

Mein besonderer Dank gilt meiner ganzen Familie, allen voran meiner Freundin Daniela, meinen Eltern Franz und Christine Konrad und meinen Freunden und meinem Studienkollegen Fabio Jarz, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen und mich während meiner ganzen Studienzeit begleitet haben.

3 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit, mit dem Titel „Stadt – 2030 – Graz; Integrative Stadtentwicklung am Beispiel Graz“, beschäftigt sich mit einer zukünftigen nachhaltigen Stadtentwicklung in der Stadt Graz. Städte müssen in Zukunft enormen Herausforderungen, wie waschsenden Disparitäten, sozialen Ungleichheiten, inneren Differenzierungen, Finanzknappheit und dem Klimawandel gewachsen sein. Dabei werden vor allem drei Themenfelder der Stadt im Jahr 2030 von Bedeutung sein; Integration der Stadtbevölkerung, Regionalisierung und die Identität einer Stadt.

Zunächst werden an Hand der Erkenntnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“, der in 21 deutschen Städten, unter der wissenschaftlichen Begleitung des Deutschen Institutes für Urbanistik, durchgeführt wurde, die wichtigsten Inhalte und theoretischen Aspekte der drei Themenfelder erläutert. Auch zukünftige Maßnahmen und Strategien in den Bereichen der Integration, Regionalsierung und Identifikation werden aufgezeigt.

Des Weiteren wird auf ein Praxisbeispiel aus dem Forschungsverbund, die Stadt Mönchengladbach, und dessen Themenfeld der Identifikation, genauer eingegangen.

Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit widmet sich der Frage, wie die drei Themenfelder in der Stadtentwicklung Graz integriert sind. Der Schwerpunkt der Analyse liegt dabei beim Stadtentwicklungskonzept der Stadt Graz (STEK 4.0). Aus den Erkenntnissen des Stadtentwicklungskonzeptes und zahlreichen ExpertenInnterviews werden die Themenfelder Integration, Regionalsierung und Identität an Hand des Grazer Modells für Integrative Entwicklungsprozesse analysiert und positive wie negative Ergebnisse festgehalten.

Alle drei Themenfelder schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind eng mit einander verknüpft und wichtige Themen integrativer Stadtentwicklungskonzepte. In einigen Bereichen sind noch wenige Erkenntnisse, und daher entsprechende Maßnahmen und Entwicklungsprozesse nötig. Die Bedeutung einer weiteren Forschung in den drei Bereichen, allen voran der Integration der Stadtbevölkerung, wird in der Conclusio geschildert.

4 Abstract

This thesis, "City - 2030- Graz; Integrated urban development using the example of the city Graz", is dealing with the prospective, sustainable urban development of Graz. Cities will be confronted with different enormous challenges in their future, as for instance growing disparities, social inequalities, insight differentiation, financial shortages or climate changes. By the year 2030 integration of the urban population, regionalization and the identity of a city will be very important.

In the beginning the most important aspects and theories about these three topics, which are based on findings of the research association "Stadt 2030" and their research of 21 German cities in scientific cooperation with the German institute of urbanistics, will be explained. In addition also possible measures and strategies for the future to support integration, regionalization and identification will be demonstrated.

Furthermore the thesis enlarges on a practical example from the research association about the city Moenchengladbach with an emphasis on the field identification.

The empirical chapter of this thesis is focusing on the question of how all three of these topics are integrated in the urban development in the city of Graz. The focal point of the analysis can be seen in the concept of urban development of the city Graz (STEK 4.0). The thesis explores the topics of integration, regionalization and identity by examining the model of Graz for integrative process of development in use of the gained findings and numerous interviews of experts.

All three topics are not mutually exclusive, but intimately connected with each other and play an important role of integrated concepts of urban development. Some fields are not well researched yet and therefore only a few processes and measures are elaborated. Finally the conclusion describes the importance of future research of those three topics, especially integration of the urban population.

5 Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Wirkung der drei Themenfelder; eigene Darstellung………………………………... 10 Abbildung 2: Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse……………………………….. 11 Abbildung 3: Übersicht der Rhein – Ruhr Region…………………………………………………. 52 Abbildung 4: Darstellung der Verbundenheit der EinwohnerInnen mit der Gesamtstadt und den Stadtbezirken………………………………………………………………………………………..53 Abbildung 5: Vergleich der Verbundenheit zur Gesamtstadt und Stadtteil der beiden Städte Mönchengladbach und Krefeld……………………………………………………………………..54 Abbildung 6: Arbeitsschritte des Projekts „Mönchegladbach 2030“………………………………. 57 Abbildung 7: Übersichtskarte Österreich mit Nachbarländern mit der Lage der Stadt Graz und der Eisenbahnanbindung………………………………………………………………………………...61 Abbildung 8: Übersicht der Europa Regionen in Österreich………………………………………..61 Abbildung 9: Übersicht der Bevölkerungsentwicklung seit 1945…………………………………..62 Abbildung 10: Bevölkerungstrend der Stadt Graz bis ins Jahr 2031………………………………. 63 Abbildung 11: Anteil der ÖsterreicherInnen, EU BürgerInnen und Nicht EU – BürgerInnen in der Stadt Graz…………………………………………………………………………………………... 63 Abbildung 12: Übersicht Betriebe und Beschäftigte gewerbliche Wirtschaft der Stadt Graz………64 Abbildung 13: Übersicht der Beschäftigten im Technologiebereich der Stadt Graz………………..65 Abbildung 14: Übersicht des 3 Säulen Modells der Stadtentwicklung Graz………………………. 67 Abbildung 15: Übersicht der 17 Grazer Bezirke…………………………………………………… 69 Abbildung 16: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Prozentanteilen der Befragung „wie gerne lebe Sie in ihrem Stadtteil…………………………………………………………………………...69 Abbildung 17: Übersicht der 17 Grazer Bezirke beim Vergleich der Lebensqualität ihres eigenen Bezirkes im Vergleich zu einem anderen Bezirk…………………………………………………… 70 Abbildung 18: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Aufenthaltsjahren der Wohnbevölkerung. 71 Abbildung 19: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit der erwarteten Situation von 2008 – 2013….. 72 Abbildung 20: EinwohnerInnen bis 15 Jahre/ha Grazer Stadtgebiet………………………………. 74 Abbildung 21: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse……………………………………………………………………………… 77 Abbildung 22: Übersicht der Grazer Stadtregion (Grazer Feld) mit der Ausbreitung in Richtung Süden……………………………………………………………………………………………….. 81 Abbildung 23: Übersicht URBAN Link – Graz – West (rote Umrahmung)……………………….. 84 Abbildung 24: Übersicht der Stadt Graz, rote Umrahmung Reininghausgründe…………………... 85 Abbildung 25: Übersicht der Planungsregion Graz und Graz – Umgebung……………………….. 86

6 Abbildung 26: Übersicht des Projektgebietes URBANplus………………………………………... 87 Abbildung 27: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse……………………………………………………………………………… 91 Abbildung 28: Übersicht der Übernächtigungen Winter und Sommerhalbjahr von 2003 bis 2008.. 94 Abbildung 29: Übersicht der LQI Bevölkerungsbefragung „Wie gerne leben Sie in Ihrem Stadtteil“……………………………………………………………………………………………. 95 Abbildung 30: Luftbild Bezirk …………………………………………………………….. 96 Abbildung 31: Übersicht der vier Sozialräume…………………………………………………….. 97 Abbildung 32: Fotos der Murinsel…………………………………………………………………. 98 Abbildung 33: Rote Laufbahn Jakominigasse………………………………………………………99 Abbildung 34: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse…………………………………………………………………………….. 100

Tabellenverzeichnis:

Tabelle 1: Übersicht der teilnehmenden Städte am Forschungsverbund „Stadt 2030“…………….. 16 Tabelle 2: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Prozentanteilen an ÖsterreicherInnen, EU – BürgerInnen und Nicht – EU BürgerInnen………………………………………………………….68 Tabelle 3 : Top Zuwächse der Bevölkerung nach Gemeinden……………………………………… 81 Tabelle 4: Übersicht der zehn reichsten Gemeinden der Steiermark………………………………..82 Tabelle 5: Übersicht der Einzelprojekte zu den vier Inhaltsschwerpunkten von URBANplus…….. 88

7 Inhaltsverzeichnis

VORWORT ...... 3 ZUSAMMENFASSUNG ...... 4 ABSTRACT ...... 5 1 EINLEITUNG ...... 9

1.1 METHODIK DER ARBEIT ...... 10 1.2 DAS GRAZER MODELL FÜR INTEGRATIVE ENTWICKLUNGSPROZESSE ...... 10 1.3 FORSCHUNGSFRAGEN ...... 13 2 FORSCHUNGSVERBUND „STADT 2030“ ...... 14

2.1 THEMENFELD INTEGRATION DER STADTBEVÖLKERUNG ...... 17 2.1.1 Urbane Integration ...... 19 2.1.2 Desintegration ...... 21 2.1.3 Exklusion ...... 27 2.1.4 Doppelwertige Bedeutung der Segregation für Integration ...... 28 2.1.5 Fazit Themenfeld Integration der Stadtbevölkerung ...... 30 2.2 THEMENFELD REGIONALISIERUNG ...... 33 2.2.1 Regionalisierung zur (De)Konstruktion stadtregionaler Bilder ...... 35 2.2.2 Regionalisierung zur Organisation von Stadtregionen ...... 38 2.2.3 Fazit Themenfeld Regionalisierung ...... 43 2.3 THEMENFELD IDENTITÄT EINER STADT ...... 44 2.3.1 Identität ...... 45 2.3.2 Kommunale Identitätspolitik ...... 45 2.3.3 Planbarkeit städtischer Identität ...... 50 2.3.4 Chancen einer Stadt in der Zukunft ...... 50 2.3.5 Praxisbeispiel Mönchengladbach ...... 51 2.3.6 Fazit ...... 58 3 GRAZ ...... 60

3.1 GRAZ – DATEN /F AKTEN UND PARAMETER ...... 60 3.2 STADTENTWICKLUNGSKONZEPT 4.0 (STEK 4.0) ...... 65 3.3 THEMENFELD INTEGRATION IN DER STADT GRAZ ...... 68 3.3.1 STEK 4.0 und Integration ...... 73 3.3.2 Projekte im Bereich der Integration ...... 75 3.3.3 Bewertung Themenfeld Integration in Graz ...... 75 3.3.4 Fazit Themenfeld Integration in Graz ...... 77 3.4 THEMENFELD REGIONALISIERUNG IN DER STADT GRAZ ...... 80 3.4.1 STEK 4.0 und Regionalisierung ...... 83 3.4.2 Projekte im Bereich der Regionalsierung ...... 83 3.4.3 Bewertung Regionalisierung in Graz ...... 88 3.4.4 Fazit Themenfeld Regionalisierung in Graz ...... 91 3.5 THEMENFELD DER IDENTITÄT DER STADT IN GRAZ ...... 93 3.5.1 STEK 4.0 und Identität ...... 96 3.5.2 Projekte im Bereich der Identität ...... 97 3.5.3 Bewertung der Identität der Stadtbevölkerung in Graz ...... 99 3.5.4 Fazit Themenfeld Identität der Stadtbevölkerung in Graz ...... 101 4 ZUSAMMENSCHAU/AUSBLICK ...... 103 LITERATURVERZEICHNIS ...... 106

8 1 Einleitung

„73 % der Menschen in Europa leben in Städten!“ (Ferstl, URBAN Tagung 14-15 Oktober 2010, Graz)

Im Zeitraum von 1950 - 2005 betrug das jährliche Wachstum der städtischen Bevölkerung in Europa 1,17 %. Dies verdeutlicht ein kontinuierliches Wachsen der Städte (Homepage UNITED NATIONS, Stand November 2010). Bis ins Jahr 2030 werden 78% der Menschen in Europa in Städten leben (Homepage Bundeszentrale für politische Bildung, Stand November 2010).

Durch diese statistischen Zahlen wird die Bedeutung der Stadt in den kommenden Jahrzehnten unterstrichen. Die europäische Stadt steht enormen zukünftigen Herausforderungen gegenüber: wachsende Disparitäten, soziale Polarisierung, innere Differenzierung, Klimawandel, demographischer Wandel, Energieverbrauch und MigrantInnenintegration. Die problematische finanzielle Lage von Städten, die durch die Wirtschaftskrise und Stadt – Umland Konkurrenzen verschärft werden, sind zusätzliche negative Faktoren. Gleichzeitig haben Städte die Chance diese Aufgaben durch visionäre und gut durchdachte Konzepte zu bewältigen.

Am 22. Juni 2010 wurde durch die Mitglieder der Europäischen Union in Toledo eine gemeinsame Erklärung für eine nachhaltige Strategie für Städte bis ins Jahr 2020 unterzeichnet. Durch die gemeinsame Vorgehensweise sollen Instrumente zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, ein nachhaltiges und soziales Wachstum gefördert, Energieeffizienz geschaffen, benachteiligte Stadtquartiere aufgewertet und Städtekooperationen (Städte Netzwerke) verbessert werden (Erklärung von Toledo, 2010; Homepage Presidencia Española, Stand November 2010).

Damit wird der Stadt eine wichtige Aufgabenstellung der nächsten Jahrzehnte, hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und sozialer Entwicklung, erteilt, das vor allem bei den verantwortlichen EntscheidungsträgerInnen nachhaltiges und innovatives Handeln erfordert.

Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, die Stadtentwicklung in Graz, und dessen aktuelles Stadtentwicklungskonzept (STEK 4.0), hinsichtlich drei Themenschwerpunkten zu untersuchen. Die Schwerpunkte sind Integration der Stadtbevölkerung , Regionalisierung und Identität einer Stadt , die vom deutschen Forschungsverbund „Stadt 2030“ in einem bundesweiten Wettbewerb behandelt wurden (siehe Kapitel 2). Die Ergebnisse und Erkenntnisse daraus dienen als theoretische Basis dieser Arbeit. Alle drei Themenfelder sind eng miteinander verknüpft und schließen sich nicht

9 gegenseitig aus (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Wirkung der drei Themenfelder; eigene Darstellung

In dieser Arbeit werden auf Grund des Zeitaufwandes Aspekte der Stadtentwicklung im Bereich Umwelt, Bebauungsdichte/plan, Verkehr oder technischer Infrastruktur nicht berücksichtigt.

1.1 Methodik der Arbeit

Als Methodik w urden in dieser Arbeit ExpertenIn nterviews geführt, die wichtige Erkenntnisse und Einblicke in die Grazer Stadtentwicklung brachten. Dadurch war auch eine Analyse an Hand des Grazer Modells für Integrative Entwicklungsprozesse möglich (siehe Kapitel 3).

1.2 Das Grazer Modell für Integrative Entwicklungsprozesse

Das Modell zur Untersuchung für integrative Entwicklungsprozesse verfolgt das Ziel, Nachhaltigkeitsprozesse zu evaluieren. Es wurde im Rahmen der Erlangung des Doktorats von Dr. Clemens Mader an der Universität Graz am Institut für Geographie und Raumforsc hung erstellt.

10 Durch diese Bewertung wird eine holistische Sichtweise angestrebt, die Mensch, Umwelt und Wirtschaft verbindet.

Insgesamt besteht das Modell aus fünf Aktionsfeldern, die jeweils durch drei Ebenen gekennzeichnet sind. Die fünf Felder sind: Leadership & Vision, Social Network, Participation, Education & Learning, Research Integration . Die jeweils drei Ebenen werden durch unterschiedliche Vertiefungen des zu untersuchenden Entwicklungsprozesses geschildert. Je weiter in der Mitte die Aktivitäten in den fünf Kreissegmenten sind, desto intensiver und auch erfolgreicher ist der Entwicklungsprozess (Integrative Practice) (siehe Abbildung 2) (Mader, 2010).

Abbildung 2: Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse; Quelle: Mader, S.116, 2009

Unter Leadership & Vision werden in erster Linie Charaktereigenschaften wie die gemeinsame Vision, Motivation, kognitive Fähigkeiten und Fachkenntnisse verstanden. Die drei Ebene bestehen aus Administration, Transactional Leadership und Transformative Leadership/Sustainable Entrepreneurship. Wie das Wort Administration schon vermuten lässt, wird auf dieser Ebene eine gemeinsame Vision (z.B.: Stadtentwicklung einer Stadt) verwaltet und nach „außen“ getragen. Eine Ebene darunter wird bereits ein pro aktives Handeln festgestellt und eine gemeinsame Idee

11 entwickelt (Transactional Leadership). Bei Transformative Leadership/Sustainable Entrepreneurship werden bereits neue Innovationen (z.B.: in der Stadtentwicklung) erschaffen (Mader, 2010).

Soziale Netzwerke in einem Entwicklungsprozess stellen wichtige Faktoren dar, die durch Vertrauen zu anderen Projektpartnern oder Kooperationen gestärkt werden. Die erste Ebene bezeichnet die Form einer allgemeinen Zusammenarbeit, die aber noch ohne neue Entwicklungen erfolgt. In vielen Fällen basiert diese Zusammenarbeit noch auf „berechnetem“ Vertrauen. Wenn gemeinsame Ziele bestehen und Erfahrungswerte des Handlungspartners mit einfließen wird von Collaboration (zweite Ebene) gesprochen. Ein gemeinsames „Schaffen“ ohne Konkurrenzdenken und eine Ebene, in der alle beteiligten Institutionen dasselbe Ziel verfolgen, ist die Höchste im sozialen Netzwerk (Co-Creation) (Mader, 2010).

Bei der Partizipation wird die Einbindung aller Beteiligten an einem Entwicklungsprozess analysiert. Auf der Ebene der Information werden alle mitwirkenden Institutionen, Einrichtungen und Beteiligten über den Prozess informiert ohne aktiv eingreifen zu können. Unter der zweiten Ebene der Konsultation erfolgt eine Schein – Beteiligung, wo aktive Beteiligung zwar stattfindet, aber die Ergebnisse nicht bindend umgesetzt werden. Entscheidungseinbindung erfolgt auf der dritten Ebene (Decision Influencing), wo tatsächlich alle Beteiligten aktiv den Prozess mitbestimmen und weiterentwickeln (Mader, 2010).

Das vierte Kreissegment beschreibt die Lern- und Bildungsfähigkeiten des Prozesses. Auf der ersten Ebene (Single – Loop – Learning) werden Ziele und Aktionen verfolgt, die ein entsprechendes Resultat liefern. Korrekturen zur Verbesserung der Ergebnisse werden in den Aktionen gesetzt. Somit bleibt das Ziel gleich. Wenn aber auch Korrekturen in der Zielsetzung durchgeführt werden, befindet sich der Prozess auf der zweiten Ebene (Doubel – Loop – Learning). Wird der gesamte Prozess reflektiert und entsteht daraus ein Systemverständnis ist die dritte Ebene (Deutero Learning) erreicht (Mader, 2010).

Das letzte Aktionsfeld widmet sich dem Themenfeld der Forschungsintegration . Im Wesentlichen werden die drei Ebenen durch die Disziplinäre Forschung (erste Ebene), Interdisziplinäre Forschung (zweite Ebene) und der transdisziplinären Forschung (dritte Ebene) beschrieben. Auf der dritten Ebene werden gesellschaftsorientierte Problemstellungen durch transdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft erarbeitet. Ein gemeinsamer Lernprozess findet statt (Mader, 2010).

12 Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Beurteilungen in den Kapiteln 3.3.3, 3.4.3 und 3.5.3, auf Grund meiner persönlichen Wahrnehmungen, Einschätzungen und Erfahrungen aus den Interviews und dem STEK 4.0 basieren.

1.3 Forschungsfragen

Eine langfristige Stadtentwicklung braucht klare Visionen und Ziele, um die Lebensqualität und das Miteinander in Städten zu verbessern bzw. zu erhalten. Auch die Stadt Graz muss sich mit den Fragen der zukünftigen Stadtplanung beschäftigen, und daher kommen die drei zu untersuchenden Themenfelder Integration der Stadtbevölkerung, Regionalisierung und Identität der Stadt ins Blickfeld. Durch die Beantwortung der nachgenannten Fragestellungen, soll ein Mehrwert für die Stadt Graz in den drei Bereichen geschaffen werden. Die Forschungsfragen lauten wie folgt:

• Wie versucht die Stadt Graz eine nachhaltige Vision (im Grazer Stadtentwicklungskonzept STEK 4.0) der drei Themenfelder bis ins Jahr 2030 zu verankern? • Welche Maßnahmen gibt es in Graz im Bereich der Integration der Stadtbevölkerung, der Regionalisierung und der Identifikation der Stadt um das Miteinander zu fördern? • Sind Gemeinsamkeiten bzw. gemeinsame Parameter im Forschungsverbund „Stadt 2030“ und in der Stadt Graz, bezüglich der drei Themenfelder, sichtbar?

Die Forschungsfelder werden hinsichtlich aktueller oder zukünftiger Projekte und an Hand der Einbindung der Themenbereiche im Stadtentwicklungskonzept (STEK 4.0) in der Stadt Graz analysiert. Dadurch soll aufgezeigt werden, in wie weit die Stadt Graz die drei Themenfelder umsetzt bzw. wo es noch Möglichkeiten zur Verbesserung gibt.

13 2 Forschungsverbund „Stadt 2030“

Im Jahr 2000 beschloss das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Deutschland, nach einigen ExpertenInnworkshops im Vorfeld, einen bundesweiten Wettbewerb für die Zukunft von Städten auszuschreiben. Dabei sollte dem Widerspruch zwischen „Notwendigkeit“ und „Uneinlösbarkeit“ von langfristiger Stadtentwicklung entgegen gesprochen werden. Es wurde vielmehr der zukunftsorientierte Forschungsbedarf zur Planung der städtischen und regionalen Zukunft in den Mittelpunkt gerückt. Auch die „Zukunft der Stadt- und Regionalplanung“ spielte in den Überlegungen des Bundesministeriums für die Durchführung des Wettbewerbes eine Rolle (Difu, 2005, Band I, S.10).

Bei diesem bundesweiten Wettbewerb konnten Projektgruppen aus Wissenschaft und kommunaler Planungspraxis teilnehmen bzw. wurden aufgefordert, Skizzen zur Zukunft ihrer Stadt oder Region für die kommenden 30 Jahre (bis zum Jahr 2030) vorzulegen. Insgesamt nahmen 110 TeilnehmerInnen am Wettbewerb teil, wobei schlussendlich 21 Projekte/Städte für den geförderten Forschungsverbund „Stadt 2030“ ausgewählt wurden. Die wissenschaftliche Begleitung sowie die Beratung und öffentliche Präsentation der Ergebnisse übernahm das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin (Difu, 2005, Band I, S.10). Für die Teilnahme am Wettbewerb mussten folgende Kriterien berücksichtigt werden: • Ganzheitlichkeit des Ansatzes; ein Zukunftskonzept das sich auf das gesamte Stadtgebiet bezieht • Visionscharakter des Ansatzes; eine Zukunftsperspektive, die keine strengen Realisierungsbedingungen aufweisen musste – Entwicklung von Visionen unabhängig von Tagesanforderungen und Zwängen der regionalen Politik • Partnerschaftliche Kooperation zwischen Wissenschaft und Verwaltung/Politik in allen Projekten ohne Weisungsbefugnis eines Partners gegenüber einem anderen • Beteiligung der lokalen und regionalen Öffentlichkeit an der Entwicklung der Stadtentwicklungskonzepte

Einige Kriterien mussten nicht berücksichtigt werden bzw. waren nicht gefordert: • Zukunftskonzepte auf empirisch gesicherte Prognostik; z.B.: Demographie, Migration oder Wirtschaftsentwicklung • Keine exakte Einhaltung der Konzepte genau bis ins Jahr 2030 (auch darüber hinaus möglich)

14 Eingegangene Stadtentwicklungskonzepte, die nicht von wissenschaftlichen Teams oder von der Verwaltung/Politik kamen, wurden unabhängig von der Qualität des Antrages, von der Teilnahme am Forschungsverbund ausgeschlossen. Ebenso wurden Projekte, die keine öffentliche Beteiligung beinhalteten vom Forschungsverbund nicht zugelassen (Difu, 2005, Band I, S.11).

Alle teilnehmenden Teams/Institutionen, die die zuvor genannten Kriterien erfüllten, hatten in den inhaltlichen Anforderungen ihres Konzeptes flexible Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür gab es aus der Sicht des Difu´s mehrere Gründe. Zum einem sollten alle „zurzeit und vermutlich in den kommenden Jahren“ relevanten Problemstellungen in den deutschen Städten repräsentiert werden. Die Forderung der „Ganzheitlichkeit“ konnte von fast keinem Projektteam erfüllt werden. Dies ist, aber hinsichtlich der Komplexitäts- und Verflechtungsgrade, die Städte mittlerweile erreicht haben, nicht weiter verwunderlich und wurde vom Difu auch nicht als Verdacht eines unangemessenen Konzeptes gesehen. Vertiefend sei an dieser Stelle festgehalten, dass alle Projekte/Entwicklungskonzepte bestimmte Perspektiven, wie sozialpolitische, kulturelle oder institutionelle Sichtweisen beinhaltet haben. Die Betrachtung der „Ganzheitlichkeit“ wurde in vielen Fällen so ausgewählt, dass alle Projekte Ansätze wählten, die bei einer entsprechenden zukünftigen Änderung der jeweiligen Stadt, Auswirkungen für die Stadt oder Region berücksichtigten (Difu, 2005, Band I, S.11).

Die drei Themenfelder

Bei der Durchsicht aller eingelangten Entwicklungskonzepte der 21 Projektstädte zeigten sich dem Difu immer wieder drei Problemfelder ab und waren somit auch gleichzeitig die wichtigsten Säulen für Stadtentwicklungskonzepte im Forschungsverbund. Diese waren zum ersten die Identität einer Stadt , zum zweiten die Integration der Stadtbevölkerung und als dritter Punkt der Begriff der Regionalsierung . Was unter den einzelnen Problemfeldern genau verstanden wird bzw. welche Bereiche damit zusammenhängen werden in den nachfolgenden Kapiteln (siehe Kapitel 2.1,2.2) spezifisch pro Themenfeld betrachtet. Kurz zusammenfassend sei erwähnt, dass sich diese drei Kategorien nicht ausschließen, sondern ganz im Gegenteil, in enger Verbindung miteinander stehen und sich auch wechselseitig beeinflussen, aber auch dennoch eigenständig und kategorial unterscheidbare Dimensionen aufweisen. So ist zum Beispiel der Begriff Regionalsierung auch an kulturelle Gegebenheiten, wie „Identitäten“, gebunden. Auch die Zusammenhänge zwischen Identität und Integration, spielen in einer Stadt eine Rolle (z.B.: Umverteilungen zwischen Bevölkerungsgruppen bzw. Ungleichheiten) (Difu, 2005, Band I, S.12).

15 Alle 21 teilnehmenden Städte setzten ihren Schwerpunkt in einer der drei zuvor erwähnten Kategorien mit Auswirkungen des gewählten Schwerpunktes auf die beiden anderen Kriterien - Felder. Auch dadurch ist der Anspruch der „Ganzheitlichkeit“ zumindest in kleinen Teilen gewährleistet. Bei der Auswahl der 21 teilnehmenden Städte wurde darauf geachtet, dass unterschiedliche Größenklassen von Klein-, Mittel- und Großstädten eingebunden waren. Ebenfalls bestand der Verbund zur Hälfte aus schrumpfenden/stark schrumpfenden Städten und wachsenden/stabilen Städten (Difu, 2005, Band I, S.13).

In Tabelle 1 sind alle 21 Projektstädte aufgelistet, wobei wachsende oder stabile Städte keine Einfärbung aufweisen und schrumpfende und im Strukturwandel befindliche Städte eine farbliche Unterlegung aufweisen. Integration Identität Regionalisierung Stuttgart Karlsruhe Großstädte München >250.000 Einwohner Bremen Braunschweig Mönchengladbach Leipzig Städteregion Ruhr Mittelstädte Esslingen Erlangen 50.000 bis 250.000 Görlitz/Zgorzelec Saarbrücken Kiel Einwohner Gießen - Wetzlar Dietzenbach Günzberg Schkeuditz Kleinstädte Guben/Gubin Schwalm – Eder - <50.000 Einwohner Eisenhüttenstadt West Beeskow Tabelle 1: Übersicht der teilnehmenden Städte am Forschungsverbund „Stadt 2030“; Quelle: Difu, Band I, 2005; eigene Darstellung

Über den gesamten Ablauf des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ wurden fünf Publikationsreihen erstellt, wobei in den Bänden eins bis vier alle 21 Projektergebnisse dokumentiert sind. Im fünften Band ist die Gesamtauswertung des Forschungsverbundes enthalten. Die ersten drei Bände folgten der Gliederung die bereits zuvor erwähnt wurde; Integration der Stadtbevölkerung (Band I), Regionalisierung (Band II), Identität einer Stadt (Band III). Der vierte Band, der sich dem Themenfeld Lokale Demokratie widmet, wurde zusätzlich nötig, weil mehrere Projekte auch Konzepte zur Zukunft lokaler Demokratie entwickelten.

16 2.1 Themenfeld Integration der Stadtbevölkerung

Bei diesem Problemfeld wurden Leitbilder und Zukunftskonzepte erarbeitet, die eine Antwort auf künftig wachsende Integrationsprobleme der modernen Stadt und Stadtgesellschaft finden sollten. Vor allem soziale Ungleichheiten und eine wachsende Heterogenität (siehe Kapitel 2.1.1) der Stadtgesellschaft und die damit in Zusammenhang auftretenden Probleme einer segregierten, unsozialen, unsolidarischen oder ungerechten Stadt rückten bei den Projektstädten dieses Themenfeldes in den Vordergrund. Die Hauptfragestellung mit der sich die Kommunen beschäftigten lautete: „Auf welcher Ebene müssen Städte ansetzten, um die Integrationsleistung bestmöglich entfalten zu können?“ In den ausgewählten Konzepten wurde besonderes Augenmerk auf benachteiligte Gruppen gelegt. Sie sollten hinsichtlich ihrer Rechte, im Sinne einer sozialstaatlichen Verteilungsgerechtigkeit, unterstützt werden und die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements war ebenfalls in den ausgewählten Konzepten ein wichtiger Bestandteil. Dadurch soll das Integrations- und Solidaritätsdefizit in Städten durch den Einsatz von sozialen Ressourcen ausgeglichen werden (Difu, 2005, Band I, S.15).

Um sich der Problematik der Integration in urbanen Räumen anzunehmen, muss zunächst der Begriff Integration genauer betrachtet werden. In den meisten Fällen wird Integration in der Stadtpolitik mit der Zuwanderung von ausländischen Gruppen bzw. Personen und deren Integrierung in die deutsche oder österreichische Gesellschaft gesehen. Obwohl es sich um einen zentralen Begriff in der Sozialwissenschaft handelt, weist der Begriff Integration doch unterschiedliche Komplexitäten und unterschiedliche Sachverhalte auf (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.19).

Nach Lockwood wird Integration in zwei unterschiedliche Dimensionen getrennt, einerseits zwischen Integration „der Gesellschaft“ und auf der anderen Seite in Integration „in die Gesellschaft“. Dies sind zwar verschiedene Prozesse, schließen sich aber nicht gegenseitig aus. Lockwood bezeichnet die beiden Dimensionen in weiterer Folge als „Systemintegration“ und „Sozialintegration“ (Lockwood, 1969, S.125).

Unter der Integration „der Gesellschaft“ versteht Häußermann die Stabilität der Gesellschaft allgemein, wobei bei der Integration „in die Gesellschaft“ zwischen einem „Drinnen“ und „Draußen“ unterschieden wird (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.19). Durkheim fasste die Integration der Gesellschaft wie folgt zusammen: „Eine Gesellschaft gilt dann als hinreichend integriert, wenn sie funktioniert, das heißt

17 wenn sich die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder loyal verhält.“ (Durkheim, 1992, S. 32)

Die Frage der Integration „in die Gesellschaft“ richtet sich auf die gelungene oder misslungene Integration von Individuen oder Personengruppen in eine Gesellschaft. Dabei spielen das Ausmaß der Gleichberechtigung, Teilhabe oder die Abwesenheit von Diskriminierungen eine enorme Rolle. Die Gesellschaft wird auf der einen Seite und die „Neulinge“ auf der anderen Seite gesehen, zwischen „Wir“ und „Sie“ (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.23).

In den verschiedensten Systemen, zum Beispiel Arbeitsmarkt oder Politik, kann ein Individuum oder eine Gruppe unterschiedlich weit integriert sein, weil diese Systeme lose miteinander verknüpft sind. Über Erziehung, Bildung, Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Teilnahme an kulturellen- oder Freizeitaktivitäten werden „außenstehende“ Personen nach und nach integriert. Für Zuwanderer stellt sich das Integrationsproblem mit dem Zeitpunkt des Eintrittes in die neue Gesellschaft, für Binnenwanderer wie für Zuwanderer aus dem Ausland in derselben Weise (Simmel, 1992, in Rammstedt, Band 11, S. 764-765).

An Orten mit hoher Arbeitsnachfrage ist auch die Migration hoch. Dadurch spielt die Situation am Arbeitsmarkt für die Migration eine wichtige Rolle. In der Regel sind dies Großstadtregionen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch Zuwanderungen entstanden sind. In Europa entstanden solche Großstadtregionen in bereits vorherrschenden Zentren im Zuge der Binnenwanderung, in den USA hingegen entstanden, in nicht urbanisierten Gebieten, neue Großstadtregionen durch Einwanderungen aus Europa. Daher richteten sich auch die ersten soziologischen Forschungen der Städte auf die Integration von StadtbewohnerInnen aus unterschiedlichen Herkunftsländern (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.24).

Gesellschaften im Allgemeinen zeichnen sich durch Heterogenität aus. Lokale oder regionale Traditionen ebenso wie religiöse Differenzen spielen eine wichtige Rolle. Die unterschiedliche Verteilung von Macht, Besitz oder Privilegien stellen darüber hinaus noch gesellschaftliche Probleme dar (Kronauer, 2002, S.14).

18 2.1.1 Urbane Integration

In diesem Kapitel soll eine theoretische Einführung über die Entwicklung der Integration von Zuwanderer in das städtische Leben erfolgen. In weitere Folge werden auch zwei unterschiedliche urbane Integrationssichtweisen, der amerikanische Zugang und der europäische Zugang, erläutert.

Zunächst muss jedoch auf die generelle Entwicklung von Städten und ihre StadtbewohnerInnen eingegangen werden. Dafür werden drei Merkmale definiert: • Größe • Dichte • Heterogenität

Große Städte gab es bereits auch vor der Industrialisierung, aber mit der fortschreitenden Modernisierung wurden städtische Flächen intensiver genutzt und durch die Zuwanderung von Arbeitskräften, vom Land/Umland, wuchs die Bevölkerungsdichte stark an. Damit wuchs auch die Heterogenität der neu entststandenen Stadtbevölkerung, so wandelte sich die Bevölkerungszusammensetzung rasch und die Umzugsaktivitäten innerhalb der Stadt waren hoch (Simmel, 1995, in Rammstedt, Band 7, S.116-118).

Simmel bezeichnet mit Dichte die soziale Tatsache, dass sich StadtbewohnerInnen nicht in eine „überschaubare“ Welt zurückziehen konnten, somit sei es nicht möglich, sich von „Fremden“ abzuschotten. Dieses Merkmal ergab sich zufällig oder zwangsläufig, weil Räume gleichzeitig von sehr vielen unterschiedlichen Leuten genutzt wurden. Diese Beobachtung ist auch noch in der heutigen Zeit ein zentraler Bestandteil von Großstadterfahrungen. Dies spiegelt sich vor allem darin wider, dass Menschen sozial und kulturell unterschiedlich sind. Ein weiteres Merkmal nach Simmel ist das Zusammenleben von GroßstadtbewohnerInnen, die demnach auf einer fatalen Balance basiert, die durch innere Distanz ermöglicht und erhalten wird. Unter innerer Distanz wird die Möglichkeit anonym und nach eigenen Abschätzungen zu leben verstanden. Dadurch ist es einem Individuum möglich, seinen persönlichen Freiraum zu schaffen und die Anpassung in die Gesellschaft wird nicht erzwungen. Dieser Aspekt erleichtert auch die Integration von Fremden, da dadurch ein sozialer Raum geschaffen wird, der das Nebeneinander des Heterogenen ermöglicht. Unerwünschte räumliche Nähe zu Fremden wird durch die innere Distanz vermindert („Selbstpanzerung“). In diesem Zusammenhang wird auch oft die „großstädtische Toleranz“ gegenüber Fremden genannt, die sich aus diesem Selbstschutz ergibt (Simmel, 1995, in Rammstedt, Band 7, S.117-120). Häußermann spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip der

19 Gleichgültigkeit im doppelten Sinne; „man kümmert sich wenig um andere, aber man respektiert sie als andere auch“ (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.26).

Im Gegensatz zu der eben erwähnten Simmel´schen Theorie muss entgegen gehalten werden, dass gerade im frühen 20. Jahrhundert in den entstehenden Arbeitervierteln in Städten Begriffe, wie Solidarität und kollektives Bewusstsein eine zentrale Rolle spielten. Zuwanderer lebten in einer „sozialen Wirklichkeit“, in der Individualisierung auf Grund ökonomischer Bedingungen nicht möglich war. Vor allem für ZuwanderInnen aus ländlichen Gebieten war das großstädtische Leben extrem hart, gekennzeichnet von kurzfristiger Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Not, Unterkunft- Problemen und im Krankheitsfall waren sie auf andere angewiesen (Niethammer, 1979, S.6-7).

In den Großstädten des 19. Jahrhunderts erfolgte die Integration über gemeinschaftliche Institutionen wie Arbeiterbewegungen, Kirchengemeinden und sozial segregierte Nachbarschaften. Die zuvor genannten Theorien von Simmel und Niethammer beziehen sich auf Merkmale europäischer Städte und Vorstellungen von Urbanität. Es existiert eine fragile Koexistenz von heterogenen Individuen, welche auf Verhaltensregeln beruhen und somit soziale Distanz auf engen Raum ermöglichen. Personen begegnen sich höflich, aber distanziert, zu den Nachbarn wird keine persönliche Zuwendung gefordert oder erwartet (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.28).

Amerikanische Stadtsoziologen stellten am Beginn des 20. Jahrhunderts das Zusammenleben kulturell homogener Gemeinschaften in das Zentrum von urbaner Integration („Chicago – Schule“). Die amerikanischen Städte waren nach der Herkunft der Zuwanderer segregiert und waren kulturell homogene Gemeinschaften („Communities“) in Quartieren oder Vierteln (z.B.: „Little Germany“, „Little Italy“, usw.). An diesen Orten gab es die Sprache, das Essen und die Kirche, so wie es die Zuwanderer von ihrer Heimat kannten. Auch die notwendigsten Informationen der Stadt als Neuzuwanderer, konnten hier in Erfahrung gebracht werden. Viele wissenschaftliche VetreterInnnen, die sich mit der Integration im urbanen Umfeld amerikanischer Städte beschäftigten, bezeichneten diese Einwanderviertel als notwendig, um Desintegration und Entfremdung mit der Folge steigender Kriminalität, zu mindern. Damit wurden den „Communities“ wichtige Aufgaben übertragen, wie zum Beispiel die Integration der Stadtgesellschaft und die Integration der Zuwanderer (Park, 1974, S. 105).

Nach dieser Theorie gewährleistet die segregierte Stadt Integration und somit die Einbettung in kulturelle (ethnische) Gemeinschaften. Dem gegenüber steht die „Nicht – Thematisierung“ von Differenzen (im ärgsten Fall die Abwendung von Menschen, mit denen man in Kontakt kommt) die

20 den europäischen Integrationstypus verkörpert (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S. 28)

Abschließend zusammengefasst ist Segregation nicht eindeutig Integration zuzuschreiben oder macht diese gar unmöglich, sondern die Tatsache wie und warum diese zustande kommt ist ausschlaggebend. Häußermann stellte in diesem Zusammenhang die Frage: „Handelt es sich um die räumliche Konzentration von Menschen, die individuell oder als Gruppe diskriminiert und ausgegrenzt sind, oder handelt es sich um eine Art Aufnahmelager, das vorübergehend Funktionen der Identitätsstabilisierung und Orientierungshilfe in einer fremden Umgebung übernimmt?“ (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S. 28).

2.1.2 Desintegration

Es gibt zwei Arten von Desintegration der städtischen Bevölkerung, zum einem wenn der Bestand der Gesellschaft allgemein gefährdet wird, zum Beispiel durch Revolutionen, Bürgerkriege oder Straßenkämpfe, und zum anderem, wenn Teilgruppen in der Gesellschaft durch Diskriminierung, Ausgrenzung oder Fremdenfeindlichkeit „an den Rand“ der Gesellschaft gedrängt werden. Integration ist ein Prozess und in diesem Prozess kann eine Bevölkerungsgruppe nur als „mehr“ oder „weniger“ integriert eingestuft werden. Somit kann für Desintegration kein absolutes Kriterium gebildet werden, da Kennzahlen vom Arbeitsmarkt oder die Anzahl von Wohnungsversorgungen keine Auskunft über Desintegration liefern. Nach Häußermann hängt das Misslingen bzw. das Gelingen von Integration entscheidend davon ab, welche Richtung der Prozess einnimmt, eher „in die Mitte“ einer Gesellschaft oder in Richtung „Rand“ einer Gesellschaft (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S. 29).

Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben wurde, ist das Problem der Integration „in die Gesellschaft“ mit dem Problem der Integration „der Gesellschaft“ verbunden. Je größer oder kleiner die Probleme der Stadtbevölkerung mit sich selbst sind, desto größer oder kleiner sind die Integrationsprobleme einer Minderheit. Eine integrierte und liberale Gesellschaft ist somit eher fähig Zuwanderer zu integrieren, als labile Gesellschaften, denn diese neigen eher zur Exklusion von Minderheiten um damit die eigene Stabilität wieder zu erlangen (Elias/Scotson, 1999, S.32-33,).

Moderne Gemeinschaften sind oft nur schwach integriert, da diese im modernen Zeitalter nur mehr selten auf gemeinsame Religion oder auf verbindliche Vorstellungen einer gemeinsamen Kultur setzten. Dafür sind zwei Gründe wesentlich, zum einen Gruppen, die zugleich integriert und nicht

21 integriert sind , und zum anderen, Teile von Gesellschaften die funktional angepasst sind. Beide Merkmale werden über sogenannte Subsysteme verbunden. Unter Subsystemen werden in den meisten Fällen Betriebe, Gemeinden oder kulturelle Verbände verstanden die Leistungen für die Gesellschaft einbringen, handelt es sich dabei um die Gruppe der Gesellschaft die funktional angepasst ist. Der Begriff „Fremdheit“ wird in diesem Zusammenhang ebenfalls genannt, wobei unter diesem Synonym verstanden wird, dass Personen im Alltag andere Personen nur jeweils in einem Ausschnitt wahrnehmen, in dem sie über Subsysteme in Kontakt kommen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.30).

Ein weiteres Merkmal für moderne Gesellschaften ist die strukturell vorhandene Offenheit, die aber wiederum keineswegs eine Entwicklung zu mehr Offenheit sichert. So ist Fremdenfeindlichkeit, je nach der Konkurrenzsituation am Arbeits- oder Wohnmarkt, zyklisch verstärkt oder abgeschwächt und gibt damit Auskunft über den Zustand der Integration der Gesellschaft insgesamt. Dies stellt nicht unmittelbar ein Problem zwischen Einheimischen und Zuwanderern an deren Schnittstelle dar. Eine „Drinnen – Draußen Topologie“ ist beim Zuwanderungsproblem nicht zu erfassen, denn diese würde die Sichtweise der Problematik verengen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.31).

Im nun folgenden Abschnitt soll die Desintegration noch in zwei Teilbereiche, Individualisierung – Entsolidarisierung und Suburbanisierung – Selektive Wanderung („Fahrstuhl nach unten“), genauer betrachtet werden.

Individualisierung – Entsolidarisierung

Die häufigsten Desintegrationserscheinungen sind Gewalt, ethnische Konflikte, politische Apathie und Entsolidarisierung mit der Folge sozialer Ausgrenzung. Einige „Gefährdungspotenziale“ werden zu hochrangigen politischen Themen, wie beispielsweise die Situation am Arbeitsmarkt oder die soziale Lage der Zuwanderer. Gegenwärtige negative Erscheinungen für eine Integration werden im allgemeinem Wertewandel, dem Wandel der Lebensformen, der Globalisierung und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik gesehen. Der Tendenz der Individualisierung werden Wertewandel und die veränderten Lebensformen zugeschrieben. Dies wird im städtischen Kontext als Herauslösen des Einzelnen aus traditionellen Einbindungen bezeichnet. Viele Menschen sind immer weniger in sozialer Kontrolle, Fürsorge von Verwandten oder Gemeinschaften (z.B. Arbeiterbewegungen, Kirche, usw.) eingebettet. Um bestimmte Lebensstile oder kulturelle Praktiken bilden sich kleinere differenziertere „Milieus“ mit rasch ändernden Zuständen. Im Laufe eines Lebens werden Zugehörigkeiten häufiger gewechselt. Eine Folge dieser Erscheinung kann der Verlust der Stabilität der Lebensläufe sein. Viele wissenschaftliche Beiträge sehen darin sogar den

22 Verlust der erfolgreichen Integration der Gesellschaft bzw. die Integration gestaltet sich dadurch wesentlich schwieriger (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.31-32).

Suburbanisierung – Selektive Wanderungen („Fahrstuhl nach unten“)

Zunächst sollte an dieser Stelle noch einmal kurz auf die Unterschiede in der europäischen und amerikanischen Sichtweise der Integration eingegangen werden (siehe auch Kapitel 2.1.1), um in weiterer Folge einen besseren Überblick zu bekommen. Aus europäischer Sicht gelten sozial gemischte Stadtvierteln als Anzeichen von gelungener Integration, während Segregation (oft Kennzeichen amerikanischer Stadtvierteln) als Ausdruck von Desintegration gesehen wird (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.33). Eine Verknüpfung der beiden Sichtweisen (siehe dazu auch Theorie von Simmel und Park in Kapitel 2.1.1) ist nicht zwingend. Dazu finden sich in der wissenschaftlichen Theorie keine eindeutigen Beweise. Ob Arme oder kulturell Diskriminierte Vorteile haben, wenn sie in einem Quartier leben, in dem nur wenige Menschen wohnen, die sich in einer gleichen sozialen Lage befinden ist nicht geklärt. Die Formen der Segregation, erzwungene oder freiwillige Segregation , sind zu unterscheiden. Wenn die Wahl des Wohnortes durch Beschränkungen nicht mehr freiwillig auffindbar wird, wird von erzwungener Segregation gesprochen. Im Gegensatz dazu steht die freiwillige Segregation, bei der alleine durch die Präferenzen der BewohnerInnen Wohnorte aufgesucht werden (Buck, 2001, S.2.251-2.253).

Wie bereits im Kapitel 2.1.2 geschildert wurde, zeichnen sich moderne Gesellschaften durch Differenzierung aus und werden nicht unterstützt, wenn sich heterogene Gruppen in ihren jeweiligen Lebensraum zurückziehen, und dadurch weitgehend auf sich selbst bezogen existieren. Erzwungene Segregation, aber auch privilegierte Exklusivität, können solche Erscheinungsformen sein. Diese sozial geteilten Lebensräume vermitteln symbolische Zugehörigkeit, dürfen aber aus der Sicht der Stadtverwaltung nicht unbeachtet bleiben. In der Literatur findet sich dazu der Begriff „gated communities“, der den Rückzug von verschiedenen sozialen oder ethnischen Gruppen in eigene abgegrenzte Bereiche beschreibt. Dieser Effekt konnte auch beim Forschungsverbund „Stadt 2030“ in einigen deutschen Projektstädten beobachtet werden, die eine Auflösung gemeinsamer Erfahrungsräume bedeuten können (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S. 34).

Einer der wichtigsten Effekte der urbanen Lebensweise, die „großstädtische Toleranz“, wie sie in Kapitel 2.1.1 beschrieben wurde, kann enormer „Gefahr“ ausgesetzt werden, wenn sich die Grundlagen der städtischen Existenz wandeln. Die enge Verbindung von physischem und sozialem Raum, die sich in der Verbindung von Heterogenität und Dichte ergibt, wird durch Ausdehnung der Städte durch moderne Verkehrs- und Kommunikationstechniken, durch gestiegenes Einkommen der

23 Privathaushalte und das erweiterte Wohnungsangebot ausgelöst. Dieser Effekt war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in Städten feststellbar, wo sich „Reiche“ aus der sozial heterogenen und dicht bebauten Stadt zurückgezogen und in neu entstandenen Vororten, die sich durch sozial homogene Quartiere auszeichneten, niederließen (Siebel, 2004, S.25).

In den 60er- und 70er Jahren setzte sich durch die Wohneigentumsbildung und einer weiterhin zunehmenden Mobilität (durch enormen Anstieg der Autos) dieser Trend fort. Grundvoraussetzung für eine Umsiedelung an den Stadtrand war jedoch ein entsprechendes Einkommen. Auch in der heutigen Stadtentwicklung ist diese Tendenz noch erkennbar, wobei jedoch in den letzten Jahren eine kleine Minderheit entstanden ist, die sich auf Dauer in dem innerstädtischen Wohnraum einquartieren. Durch eine starke Flexibilisierung der Erwerbstätigkeit verfügt diese wachsende Minderheit nicht mehr über die notwendige Planungssicherheit, um die Realisierung des Wechsels des Wohnortes an den Stadtrand zu erfüllen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.35).

Durch die zuvor genannten Gründe und der damit verbundenen räumlichen Differenzierung von Einkommens-, Lebensstil- und ethnischen Gruppen und einem stark erweiterten Möglichkeitsraum, werden Folgen für die Stadtkultur sichtbar. So erfolgt eine Umwandlung von sozialen Distanzen hin zu räumlichen Distanzen, wenn zunehmend mehr Haushalte zwischen immer mehr Standortoptionen wählen können. Je heterogener die Stadtbevölkerung wird, desto rascher und deutlicher erfolgt die Umwandlung. Statt Heterogenität und Dichte entspricht der Großstadtraum dann immer stärker dem Bild von Homogenität und Auflockerung. In der amerikanischen Stadtsoziologie wird in diesem Zusammenhang vom „Mosaik von kleinen Welten“ gesprochen, die in sich homogen ist und ein Zusammenspiel einer kulturellen, ökonomischen und ethnischen differenzierten „Stadtwelt“ vorweisen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.35).

Die Koexistenz heterogener Identitäten und sozialer Lagen in mitteleuropäischen Städten ist bzw. war dadurch möglich, weil sozialstaatliche Sicherungen eine ökonomische Marginalisierung verhinderte. Durch den Aufbau sozialer Wohnbestände (Gemeindebauten) wurde weitgehend die Ausbildung von ausgegrenzten Wohnungsgebieten verhindert, weil der Zusammenhang zwischen Wohnqualität oder Wohnstandort und Erwerbseinkommen entkoppelt wurde. Diese Wohnungspolitik und der Sozialstaat trugen dazu bei, Segregation zu verhindern und lieferten somit einen wichtigen Beitrag zur Integration in den Städten. Dieses Integrationsmodell sieht sich allerdings in der heutigen Zeit zwei Entwicklungen gegenüber: (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.36).

24 • Heterogenität und Ungleichheit in den Städten nehmen zu ; Zunahme der ethnischen Heterogenität, die Altersstruktur führt zu einer Zunahme des Anteils der Bevölkerung die kulturell einer ethischen Minderheit zuzuordnen sind • Soziale Wohnbau verliert quantitativ an Bedeutung ; öffentliche Hand nimmt ab, Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften an private Träger

Der Marktwert einer Wohnung oder eines Hauses wird in großem Maße nach der Lage des bewohnten Viertels oder der Straße und den sozialen Merkmalen der Nachbarschaft bestimmt. Diese Entwicklung ist im modernen Zeitalter zu einem gewohnten städtischen Phänomen geworden und führt zu der zuvor genannten stärkeren Segregation von Einkommen, Lebensstilen und ethnischen Zugehörigkeiten. Vor allem bei Eigentumswohnungen und eigenen Häusern ist dies erkennbar und spiegelt sich auch durch die laufende Erhöhung der Eigentumsquote wider (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.37).

Bei Mietwohnungen sei, laut dem Forschungsverbund „Stadt 2030“ und dessen Untersuchungen, eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. Durch stagnierende oder rückläufige Bevölkerungsentwicklungen und dem weiteren Wachstum des Wohnungsangebotes resultiert eine „Entspannung“ auf dem Wohnungsmarktsektor. Somit nimmt auch auf dem Mietermarkt die Segregation nach Einkommen und Lebensstilen durch die Wahlfreiheit bei der Wohnstandortwahl zu. Die Wohnumgebung wird dabei zu einem Argument bei der Beschreibung der Attraktivität einer Wohnung. Angesichts wachsender Ungleichheiten und des Überangebotes am Wohnmarkt wird, um das ökonomische Risiko zu minimieren, bei großen Wohnbaugenossenschaften durchaus zwischen „schlechten“ und „guten“ Mietern unterschieden. Diese Feststellung war ebenfalls ein Resultat des Forschungsverbundes „Stadt 2030“. Daher sind auch laut dieser Studie Veränderungen in zwei Quartierstypen zu erwarten. Einerseits in den sozial bisher noch vergleichsweise stark gemischten Altbauwohnungen und andererseits in bereits stark segregierten Vierteln, die überwiegend von gering qualifizierten Arbeitskräften bewohnt werden (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.37).

Vom Abbau von Sozialleistungen und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit ist vor allem jene Stadtbevölkerung betroffen, die bereist vorwiegend in segregierten Stadtteilen lebt. Die Verarmung dieser Gesellschaft ist Ergebnis einer sozialen Abwärtsmobilität der ansässigen Bevölkerung („Fahrstuhl nach unten“). Solange die BewohnerInnen einen gesicherten Arbeitsplatz hatten, waren auch die sozialen Probleme in den „Arbeitervierteln“ eher erträglich. Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde darüber hinaus festgestellt, dass die zunehmende Arbeitslosigkeit in erster Linie unqualifizierte ArbeiterInnen trifft, dass aus einstigen „Arbeitervierteln“ „Arbeitslosenvierteln“

25 wurden („Fahrstuhleffekt“). Einheimische, vom sozialen Abstieg betroffene, BürgerInnen wohnen häufig in Stadtbezirken, in denen die Zahl der MigrantInnen laufend zunimmt. Die dadurch entstehende Krise der eigenen Identität ist somit eine äußerst schlechte Voraussetzung für eine räumliche Koexistenz mit „Fremden“. Bei hoher Arbeitslosigkeit verbringen immer mehr Menschen den gesamten Tag im Viertel und dies führt dadurch zwangsläufig zu häufigeren Konflikten in den Nachbarschaften. Dramatisch sind auf dieser Ebene Auseinandersetzungen zwischen Jugendgruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Für die Stadtpolitik ist der „Fahrstuhleffekt“ aus zwei Gründen besonders problematisch: • Die Entwicklung, die diese zuvor genannten Effekte bewirken, können lokal kaum beeinflusst werden • Durch den „Fahrstuhleffekt“ können die sozialen Folgen, die von bestimmten sozialräumlichen Gegebenheiten ausgehen, ins Gegenteil geführt werden.

Vor allem der zweite Punkt ist aus stadtpolitischer Sicht besonders wichtig zu beachten. Durch den Wegfall der Arbeit kann die räumlich segregierte ethnische Gemeinschaft zu einer Falle werden, denn die räumliche Isolation kann in eine soziale Isolation umschlagen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.38).

Aber nicht nur in bereits segregierten Vierteln hat der Wegfall des Arbeitsplatzes Auswirkungen. So konnte der Forschungsverbund „Stadt 2030“ feststellen, dass sich auch sozial gemischte Quartiere durch das Eintreten von Arbeitslosigkeit und Armut sichtbar verändern. Das damit verbundene „Wohlfühlen“ in einem Viertel wird verändert. Die Umzugsbewegungen in gemischten Vierteln werden dadurch sozial selektiver, das heißt für einen weggezogenen Haushalt mit Erwerbseinkommen, zieht ein Haushalt ohne Einkommen nach. Dies ist laut Forschungsverbund vor allem bei jungen Familien erkennbar, die in Gebieten mit zunehmenden Migranten - Haushalten keine Zukunftschancen ihrer Kinder sehen (selektive Wanderungen). Wenn hoch segregierte Gebiete entstehen, in denen Perspektivlosigkeit und Benachteiligung herrscht, ist der soziale Abstieg in den meisten Fällen vorprogrammiert. Roberto Saviano beschrieb in seinem Buch über die italienische Mafia, dass viele Jugendliche aus dem Vorort Neapels, Secondigliano der Mafia Hochburg, nur zwei Möglichkeiten einer zukünftigen Arbeitswelt vorfanden. Der eine Weg führte direkt in die Kriminalität der Mafia, der andere in den Wegzug in ein anderes Land oder Bundesland (Saviano, 2010, S. 140-141). Dieses Beispiel soll als „Worst Case“ – Fall eines Viertels dienen. Damit in Verbindung stehen auch in drastischen Fällen die Verwahrlosung von öffentlichen Orten, wie Straßen oder Jugendeinrichtungen, oder die soziale Verwahrlosung, die sich in Aggressivität und alkoholbedingten Belästigungen widerspiegelt. Aufgrund der damit verbundenen sinkenden

26 Kaufkraft verändern sich auch die Angebote von Läden und Dienstleistungsbetrieben im Preis- und Qualitätsniveau „nach unten“. Bestimmte Angebote, wie Blumenläden, Büchereien oder teurere Geschäfte, fallen gänzlich weg, und alle anderen verbliebenen Betriebe passen sich dem Durchschnittseinkommen der dort lebenden Bevölkerung an (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.39).

War zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Nachkriegszeit noch der soziale Aufstieg von BewohnerInnen der Grund für das Verlassen eines Wohngebietes, ist es nunmehr der soziale Abstieg in den Wohngebieten selbst, der den Wegzug verursacht. Zu einer stärkeren räumlichen Segregation von sozial und ökonomisch diskriminierten Haushalten trägt zum einem der kollektive Abstieg von Vierteln und zum anderen die freiwillige selektive Wanderung bei. Je länger und stärker dies dauert, desto eher wird dies zu einer Ursache von Ausgrenzung. Integrationsprozesse sind somit schwer steuerbar, insbesondere die sozialen und kulturellen Dimensionen der Integration sind von „oben“ schwer zu beeinflussen. Die Integration hängt somit im Wesentlichen vom alltäglichen Zusammenleben in einer Gesellschaft ab (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.40-41).

2.1.3 Exklusion

Das Verbindungsglied zwischen Makro- und Mikroebene der Gesellschaft (Arbeitsmarkt und individuelle soziale Lage) ist der soziale Raum. Dieser Bereich hat im Kontext des ökonomischen und sozialen Wandels eine selbständige Rolle, im Gegensatz zur Marginalisierung, die eine verstärkende Rolle einnimmt. In großen deutschen Städten konnte der Forschungsverbund „Stadt 2030“ die räumliche Konzentration von marginalisierten Gruppen als neues zunehmendes Phänomen beobachten (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.41).

Auch bei diesem Themenfeld sei noch einmal die unterschiedliche Auffassung der europäischen und amerikanischen Konzepte erwähnt. Soziale Exklusion ist aus der europäischen Entwicklung entstanden und zielt eher auf soziale Prozesse ab, im Gegensatz dazu, ist aus den amerikanischen Vorstellungen eher der Begriff „Underclass“ verbreitet. Im „Underclass“ Diskurs werden marginalisierte Gruppen mit der Position der Mittelklasse als Bezugspunkt konfrontiert. Mittels Integration, die über ökonomische, soziale und politische Dimensionen erfolgt, wird im europäischen Prozess versucht marginalisierte Gruppen zu konfrontieren. Dabei entscheidet die Einbindung in das Beschäftigungssystem, die familiären Sozialbeziehungen sowie soziale und politische BürgerInnenrechte über Integration oder Exklusion. Unter sozialer Exklusion werden neue soziale Spaltungen verstanden, deren Ursachen in der insgesamt abnehmenden

27 Integrationskapazität ökonomischer und politischer Systeme zu suchen sind (Dubet/Lapeyronnie, 1994, in Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.41-42).

Durch die in Kapitel 2.1.2 („Fahrstuhl nach unten“) aufgezählten Effekte können sich räumliche Konzentrationen von Haushalten mit materiellen und sozialen Problemen herausbilden. Diese Ungleichheiten in der Stadt sind seit je her einer ungleichen Verteilung der Stadtbevölkerung und unterschiedliche Lebens- und Wohnqualitäten in Vierteln zuzuschreiben. Vielfache Bezeichnungen dafür sind Sammlungsräume der Diskriminierten oder „Armutsviertel“.

2.1.4 Doppelwertige Bedeutung der Segregation für Integration

Wie bereits zuvor erwähnt, kann an einigen genannten Phänomenen Segregation sehr unterschiedliche Effekte für die Integration von StadtbewohnerInnen haben (siehe Kapitel 2.1.2). Einerseits dient es zur Einbettung und der Eingewöhnung von neu Zugewanderten und andererseits kann es zur Mobilitätsfalle werden, wenn MigrantenInnen in der „ethnischen Kolonie“ gefangen bleiben. An dieser Stelle muss noch einmal erwähnt werden, dass Segregation an sich, nicht unbedingt ein Integrationshindernis darstellt, solange die Arbeitsmarkintegration nicht gefährdet ist (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.42).

In diesem Kapitel soll das segregierte Viertel aus zwei Positionen betrachtet werden. Zunächst aus der Sichtweise des segregierten Stadtteils als Schutzraum und danach als Sichtweise des segregierten Viertels als Barriere gegen Integration.

Das segregierte Viertel als Schutzraum

Segregation an sich kann nach Häußermann weder positiv noch negativ bewertet werden. Ein zentraler Unterschied zwischen stark segregierten Vierteln besteht darin, ob es sich um Stadtteile handelt, die auf Grund freiwilliger Wohnortwahl entstanden sind oder ob es sich um unfreiwillige/ erzwungene Segregation handelt. Auch der Standpunkt des Beobachters spielt bei der Bewertung solcher Viertel eine wichtige Rolle. Viertel, die von „außen“ als problematisch beurteilt werden, können von den Bewohnern häufig akzeptiert und als Ort der Zugehörigkeit angesehen werden. Dadurch ist die Identifikation mit einem Stadtteil oder Viertel durchaus gegeben und kann somit als „Ressource der Lebensbewältigung“ dienen (Herlyn/Lakermann/Lettko, 1991, in Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.43). Kapphan sieht dagegen eine Beschränkung der Lebenschancen (Kapphan, 2002, S. 42). Damit wird noch einmal deutlich, dass segregierte Viertel sowohl als Schutzraum, als auch als Barriere für Integration gesehen werden können. Darüber hinaus gibt es

28 keine wissenschaftlichen Beweise für eine eindeutige Tendenz. So wurden in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts „zurückgebliebene“ Viertel einerseits als Schutzräume für Arme und Ältere betrachtet und andererseits als Orte mit gesellschaftlicher Benachteiligung gesehen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.43).

Das segregierte Viertel als Barriere gegen Integration

In diesem Kapitel werden sechs Argumente aufgelistet (vom Forschungsverbund „Stadt 2030“), die Segregation als Hindernis für eine erfolgreiche Integration darstellen. Allgemein festgehalten werden kann, dass ein Milieu benachteiligend ist, wenn es aus Benachteiligten gebildet wurde. 1. Durch Modernisierungsverlierer, sozial Auffällige und sozial diskriminierte BewohnerInnen in einer Nachbarschaft, wird ein internes Feedback, durch Normen und Verhaltensweisen oder deren immer weniger werdende Präsenz, erzeugt. Dies führt zu einer Dominanz abweichender Normen und von dieser geht ein Anpassungsdruck aus. Die soziale Isolation von der „Außenwelt“ betrifft vor allem Kinder und Jugendliche, die dadurch keine Möglichkeit haben, Erfahrungen mit einem geordneten Leben zu machen. Selektive Migrationsprozesse, insbesondere bei Familien mit Kindern, werden durch diese Isolation beschleunigt, wenn Normen und Verhaltensweisen, die im Viertel Dominanz erlangen, nicht mit den Werten der Familien übereinstimmen. Die Möglichkeit positiver Vorbilder wird geringer, je mehr Haushalte aus diesem Grund mit Wegzug reagieren. Drastische Auswirkungen hat dies vor allem dann, wenn Kinder oder Jugendliche niemanden kennen, der einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Dadurch entwickeln sie keine Vorstellung von einem geregelten Alltag mit Selbstdisziplin (z.B.: pünktliches Aufstehen). In vielen städtischen Vierteln führt dies Jugendliche zu kleinkriminellen Aktivitäten (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.43). 2. Nicht nur bei Jugendlichen spielt der Anpassungsdruck eine relevante Rolle, sondern auch bei Erwachsenen. Durch die soziale Umwelt werden Selbstachtung und Selbstbild beeinflusst. Durch eventuelle Entwertung der eigenen Aspiration und Normen durch das Umfeld (z.B.: lächerlich gemacht werden, durch den Verlust des Arbeitsplatzes) ist es möglich, dass eine Anpassung an diese Umwelt erfolgt. Vor allem dann, wenn ein Wegzug aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Dadurch sinken die Chancen auf Wiederherstellung der zuvor gewollten Umstände. Nach Friedrichs (in Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.43) gelten diese Argumente nur dann, wenn sich die Erfahrungsräume und Kontaktnetze tatsächlich nur auf das Viertel beschränken. In weiterer Folge stellte Friedrichs fest, dass im Allgemeinen die Nachbarschaft keine besonderen Einflüsse auf Reichweite und Zusammensetzung der Interaktionskreise hat, weil Status wichtiger als räumliche Nähe ist.

29 In der Regel sind diese Netze bei „höheren“ gesellschaftlichen Schichten größer als bei „unteren“ Schichten, die sich eher lokal (Viertel) eingrenzen. Durch Arbeitslosigkeit verkleinern sich die Interaktionskreise, es kommt zum Rückzug ins Private auf Grund von Selbstzweifeln und Resignation (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.43). 3. Nicht nur die enger werdenden sozialen Netzwerke verändern die Qualität in Vierteln, sondern auch die Homogenisierung dieser Interaktionskreise. Nach Wegener sind lose sozial geknüpfte Netzwerke (heterogene Zusammensetzung) weit produktiver als eng verknüpfte soziale Netze, die (gerade deswegen) homogen sind (Wegener, 1997, S. 427). „Soziale Mischung“ in einem Stadtviertel garantiert aber noch nicht, dass zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Kontakte und Interaktionen erfolgen. Dennoch stellt das Vorhandensein von anderen Lebensweisen und Stilen Voraussetzungen dar, um unterschiedliche Interaktionskreise zu erfahren (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.46). 4. Ein anderer Effekt der räumlichen Segregation ist, dass mit Zunahme der Probleme die politische Repräsentanz schwächer wird. Soziale Kompetenz geht durch den Wegzug von qualifizierten und integrierten Bewohnern verloren, die aber notwendig wäre, um Probleme zu analysieren, Forderungen zu formulieren und wirksame politische Instanzen zu erreichen. Dadurch verlieren solche städtischen Viertel an Gewicht, auch weil in der Regel der Anteil von Nicht – Wahlberechtigten (AusländerInnen) und Nicht – Wählern besonders hoch ist (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.47). 5. Die soziale Stabilität verringert sich durch den Verlust von integrierten Gruppen (Familien, Erwerbstätigen, usw.), weil es keine viertelsbezogenen Institutionen, Vereine oder Initiativen mehr gibt. Insbesondere die Bereiche Sport, Freizeit und Jugendarbeit, die ein konfliktmoderierendes Potenzial haben, gehen verloren (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.47). 6. Die Abhängigkeit von internen Eliten oder Leadern bei schwindenden Außenkontakten stellt ein weiteres Problem dar. Vor allem in ethnisch stark segregierten Stadtteilen kann es zu negativen Effekten kommen, in dem ethnische Leader die erzwungene Segregation ausnutzen, um politische oder religiöse Abhängigkeiten zu schaffen (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.47).

2.1.5 Fazit Themenfeld Integration der Stadtbevölkerung

Zusammengefasst kann Integration der Stadtbevölkerung in einer modernen Gesellschaft nicht als Prozess von „draußen“ nach „drinnen“ gesehen werden. Durch viele unterschiedliche Subsysteme (Betrieb, Gemeinde, kulturelle Gemeinschaften, usw.) und deren Leistungen und Aktivitäten zeigt

30 sich Integration als multidimensionaler Prozess.

Im europäischen Kontext dominieren eher Leitbilder einer sozialen Mischung mit der Annahme dadurch die Integration zu erleichtern, wo hingegen die amerikanische Tradition einer Einwanderungsgesellschaft, eher die Bildung von ethnisch segregierten Vierteln als selbstverständlich erachtet. Urbane Integration setzt eine soziale und kulturelle Identität voraus, die aber in Zeiten schlechter werdender materieller Sicherung und Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt, selbst bei einheimischen „Modernisierungsverlierern“, nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Dichte und heterogene Räume, in denen städtische Integration gefördert werden könnte, lösen sich immer mehr zu homogenen und kleinen Lebenswelten auf (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.48). Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde zum Thema Integration für AusländerInnen folgender Standpunkt vertreten: „Eine gruppenbezogene Integrationspolitik (für Ausländer) ist immer ambivalent: Durch sie wird einerseits etwas getan, um die Exklusion zu verringern, andererseits werden dabei zugleich Fremdheit und Differenz konstruiert und verfestigt.“ (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.47).

Fein gesponnene Strukturen können durch eine Politik „von oben“ zerstört werden, wenn die Anpassungen erzwungen werden. Um die zentralen Dimensionen von Integration, Bildung und Erwerbstätigkeit, zu erfassen, sind mehrere Institutionen und AkteureInnen nötig, für ZuwandererInnen ebenso wie für einheimische BürgerInnen, die Verlierer des ökonomischen Strukturwandels sind (Häußermann, 2005, in Difu, Band I, S.48).

Das Leitbild der modernen sozialen Stadt wird in vielen Beispielen, auch im Forschungsverbund „Stadt 2030“, als Ausgleich der sozialräumlichen Ungleichheiten und Ausgrenzungen gesehen. Für die Beteiligung der sozialen Differenzen werden in vielen Städten Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und europäischer Ebene (URBAN I und II, URBAN +) entwickelt und eingesetzt (Reimann, 2005, in Difu, Band I, S.280).

Welche umfassende Bedeutungsvielfalt die Dimensionen von Integration in städtischen Vierteln haben, sei an dieser Stelle kurz zusammengefasst: strukturelle oder systemische Integration (Bereiche Arbeitsmarkt und Bildung), politisch – rechtliche Integration (Wahl der Partizipation), kulturelle Integration (Bereiche Sprache, Werte, Einstellungen, Lebensstil) und soziale Integration (Netzwerke, Beziehungen, Beteiligung am gesellschaftlichen Leben). Ersichtlich im

31 Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde, dass sich moderne städtische Gesellschaften alleine über systemische Integration nicht zusammenhalten lassen, da gerade die Problematik des Verlustes eines Arbeitsplatzes ständig als begleitendes Phänomen auftritt (Reimann, 2005, in Difu, Band I, S.281).

Bei der Betrachtung der teilnehmenden Städte am Forschungsverbund „Stadt 2030“ beim Themenschwerpunktfeld Integration lässt sich Integration in zweierlei Hinsicht bzw. Fragen sehen.  Der Blick auf die Integration der Gesellschaft und was Gesellschaften zusammen- oder stabil hält und die Frage, wie sich Zusammenhalt, in einer von Einzelinteressen geprägten Stadtgesellschaft, fördern lässt? (siehe dazu auch Kapitel 2.3)  Der zweite Aspekt ist jener der sozialen Integration und der Frage, wie lassen sich bestimmte sozial und ökonomisch benachteiligte Gruppen in die Gesellschaft integrieren.

Einbeziehung und Beteiligung von BürgerInnen war in allen Projekten, beim Themenfeld Integration des Forschungsverbundes, eine wichtige und entscheidende Methodik. Dadurch wurden aber keinesfalls bedeutende Felder wie Bildung, Arbeitsmarkt oder Sozialpolitik vergessen. Bei den Leitbildentwicklungen der einzelnen Städte spielten die Kommunikation und Interaktion für die Zukunftsbetrachtung eine relevante Rolle. Gesellschaftliche Partizipation wird weitestgehend mit sozialer Integration im Zusammenhang gesehen. Die Frage der Zugehörigkeit (Inklusion) wird mit die Frage der Mitentscheidung (Partizipation) verknüpft und als ein Prozess diskutiert. Damit soll durch Öffentlichkeits- und BürgerInnenbeteiligung eine Hilfestellung und ein besseres Verständnis für soziale Integration geschaffen werden. Klar festgehalten muss an dieser Stelle werden, dies zeigte auch der Forschungsverbund, dass, gerade auf artikulationsschwächere BügerInnen, vermehrt Rücksicht genommen werden muss. Wird dies nicht berücksichtigt, werden bestimmte Gruppen vom Beteiligungsprozess ausgeschlossen und dies kann unter Umständen zu einer Segregation (oder im schlimmsten Fall zu Exklusion) während des Prozesses führen. Die Städte im Forschungsverbund setzten daher gezielt auf benachteiligte Gruppen (z.B.: MigrantInnen, Jugendliche und SeniorInnen, sozial benachteiligte BewohnerInnen eines Stadtviertels). In der Regel verfolgten die Städte durch Beteiligung und Partizipation bestimmte Ziele und Zwecke: • Beschäftigung mit einem Thema und damit soziale Integrationsprozesse initiieren • Wissen zu vermitteln und • damit eine Sensibilisierung für schwierige Themen schaffen.

Im Idealfall lernen dadurch Planende und Beteiligte voneinander und verantwortliche politische Träger erhalten relevante Informationen über die Bedürfnisse der Bevölkerung (Reimann, 2005, in Difu, Band I, S.297-298).

32

Alle Kommunen im Forschungsverbund „Stadt 2030“, mit dem Hintergrund des Integrationsfeldes, stellten darüber hinaus fest, dass eine gesamtstädtische Perspektive zur Lösung von Integrationsproblemen nicht ausreicht. Diese muss durch lokale Ansätze (Stadtviertel, Stadtteile) ergänzt und abgestimmt werden. Die Entwicklung von Stadtleitbildern oder Stadtkonzepten war für die weitere Orientierung und positiven Zukunftsperspektiven notwendig. Festgehalten wurde ebenfalls, dass die moderne solidarische Stadt des 21. Jahrhunderts kein eindeutiges soziales Gefüge aufweist. Offene Diskussionen über positive und negative Effekte ethnischer Segregation und der „richtigen“ Bevölkerungsmischung sind in der Gemeindepolitik erstrebenswert. Dabei muss auf verschiedene räumliche Ebenen (Stadtteile, Stadt und Region) eingegangen werden. Viele Städte weisen in ihren Schlussberichten darauf hin, dass eine sozial integrierte Stadt sich nicht nur an der Sozialstruktur messen lässt, sondern auch an den Werten wie Toleranz und Akzeptanz sowie der Bereitschaft fremden Kulturen Raum zuzugestehen. Auch die Ausgeglichenheit von Bildungs- und Arbeitsmarktchancen muss sozial gerecht verteilt sein (Reimann, 2005, in Difu, Band I, S.299).

2.2 Themenfeld Regionalisierung

Beim zweiten Themenfeld, mit dem sich der Forschungsverbund „Stadt 2030“ beschäftigte, wurden unabhängig von der Größe der beteiligten Städte, Überlegungen hinsichtlich der zukünftigen Stadtgestalt, Stadtorganisation und Stadtpolitik einer kommunalen und regionalen Dimension angestellt. Ein besonders wichtiger Bezug war die zukünftige politische Einheit, wobei unter dieser die planungs- und politikfähige Gebietskörperschaft als Voraussetzung jeder Stadtpolitik gesehen wurde. Damit sollten auch die Spannungsverhältnisse zwischen Stadt und Umlandregionen/Gemeinden und Umgangsweisen für ein miteinander geschaffen werden. In allen Projekten des Themenfeldes Regionalisierung wurden spannende und nicht konfliktfreie Diskussionen und Beiträge behandelt. Dadurch war eine gewisse Brisanz dieses Themenfeldes vorhanden (Difu, 2005, Band II, S.15-16).

In der Stadtforschung herrscht weitgehend die Einigkeit, dass Regionalisierungsprozesse ein zentrales Thema der Stadtentwicklung der kommenden Jahrzehnte sein werden. So ist im „Leitbild für Stadt der Zukunft“ des Deutschen Städtetages im Jahr 2005 die stärkere Notwendigkeit einer Verankerung von Stadtregionen hervorgehoben worden. In einem übereinstimmenden Statement ist zu lesen:

„Über die Zukunft von Städten kann nur dann sinnvoll nachgedacht werden, wenn die

33 Region als eine Perspektive mit einbezogen wird.“ (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.215)

Die Diskussionen beschäftigen sich dabei mit einer Vergrößerung der Handlungsebene; von der einzelnen Stadt zur Region. Durch fortschreitende Globalisierung, neue Technologien und den Verlust von staatlicher Autonomie werden nicht mehr Städte alleine als wichtige Zentren gesehen, sondern auch Regionen als neue technische, ökonomische und kulturelle Innovationen wahrgenommen. Diese Effekte sind in vielen deutschen, aber auch mitteleuropäischen Städten zu verspüren. Städtische Bevölkerungsgruppen sehen sich in ihrem alltäglichen Leben nicht mehr an den einzelnen Stadtgrenzen, sondern orientieren sich je nach deren Bedürfnissen an der besten Mischung regional verfügbarer Angebote. Dadurch ergeben sich auch für die städtischen und regionalen Orte neue Synergie – Effekte, wie zum Beispiel die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs, der Wasserversorgung oder der Abfallentsorgung. Durch diese Verflechtungen öffnen sich aber andere Problemfelder, die sich in den administrativen und demokratischen Entscheidungsmöglichkeiten widerspiegeln und an den jeweiligen Grenzen oft abrupt enden (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.216).

Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ wurde auch der Aspekt des Verlustes der Urbanität diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der „Zwischenstadt“ von Sieverts (1998) betrachtet, der ein willkürliches Wachsen von Einfamilienhäusern, Industriegebieten, usw. erfasst. Im Gegensatz dazu stehen die Bilder der klassischen „alten“ europäischen Stadt, in der die Elemente Dichte, Urbanität, Gemeinschaft und ökologische Nachhaltigkeit wiederbelebt werden. Ein wiederum anderer Zugang mit den Kategorien Marginalität und Zentralität, Zentrum und Peripherie steht dem zuvor genannten gegenüber. Auch die klassische Kern – Rand – Differenzierung und dessen Diskussion (ob dies überhaupt noch zeitgemäß ist?) spielt in den vielen aktuellen Diskursen im Bereich der Stadtforschung eine Rolle (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.217).

Auf Grund der teilnehmenden Projektstädte konnte der Forschungsverbund zwei unterschiedliche Interpretationen von Regionalsierung feststellen. Zum einem die Regionalisierung zur (De)Konstruktion stadtregionaler Bilder und zum anderen die Regionalisierung zur Organisation stadtregionaler Räume. Bevor auf diese beiden Begrifflichkeiten in einem jeweils eigenen Kapitel eingegangen wird, sei an dieser Stelle eine kurze Aufklärung der zwei Sichtweisen festgehalten (Bock, 2005, in Difu, Band II).

Durch Leitbilder und Visionen wird Bildung einer Region unterstützt, da mit diesen Traditionen aufgegriffen oder neue Perspektiven und Möglichkeiten einer stadtregionalen Zukunft entworfen

34 werden. Die Verschiebung oder eine veränderte Interpretation von Grenzen, Strukturen und Symbolen regionaler Räume sind ebenso wichtige Erscheinungen im Kontext der Regionalisierung zu (De)Konstruktion stadtregionaler Bilder. Verfechter der europäischen Stadt mit dem Potential einer sozialkompakten Stadt mit kurzen Wegen, stehen Verfechtern von fragmentierten Visionen (neu zu gestaltende Möglichkeiten bisher unbeschriebener/unbenützter Räume) gegenüber. Auch diese kontroversen Leitbilder bzw. Zielrichtungen sind Diskussionspunkte dieser Regionalisierungsinterpretation.

Bei der Regionalsierung zur Organisation stadtregionaler Räume wird zwischen funktionalen und territorial begründeten Kooperationen, zwischen regionsintegrierten und fragmentierten Organisationsmodellen unterschieden. Dabei werden Strategien regionaler Entwicklungspolitiken, die nicht nur auf einen Wandel der Organisationsform, sondern auf ökonomische, soziale, ökologische und kulturelle Entwicklungen zwischen Städten und Regionen eingehen, berücksichtigt (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.219). Der Begriff „regional governance“ (regionale Selbststeuerung) mit einer flexiblen regionalen Kooperation (Aufgaben, Themen und Problemstellungen) ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung (Castells, 2002, in Bock, 2005, in Difu, Band II, S.219). Welche Rolle dabei die Partizipation spielt, und welche AkteureInnen in den Prozess mit eingebunden werden, kann ebenfalls bei dieser Thematik betrachtet werden (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.219).

2.2.1 Regionalisierung zur (De)Konstruktion stadtregionaler Bilder

Alle Projektteilnehmerstädte entwickelten während des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ Leitbilder und Visionen für ihre Städte und Regionen. Auffallend war bei fast allen Konzepten, dass die regionalen Bilder in einem Spannungsverhältnis zwischen den realen Raumstrukturen und symbolischen Bedeutungen eines Raumes stehen. Begriffe wie wachsende Verflechtungen, polyzentrische, vernetzte Strukturen, Zersiedelung und Auflösung bisher eindeutiger Grenzen waren wichtige Schlagwörter bei den beteiligten Projektstädten (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.220).

In vielen Städten überlagern sich Stadtgrenzen mit anderen Naturräumen oder Gemeindegrenzen. Regionalisierung setzt aber eine Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg voraus und bedarf daher neuer stadtregionaler Bilder. Dadurch werden gleichzeitig neue Blicke und Bewertungen auf Grenzen gerichtet. In diesem Fall bilden sich regionale Identitäten heraus, die für eine Stadtentwicklung durchaus wichtige Impulse sein können. Die Verschiebung der Grenzen war in vielen Projekten durch unterschiedliche Auswirkungen erkennbar. Bei einigen Städten wurde dies

35 als Voraussetzung für eine Entwicklung gesehen, bei anderen wiederum als statische Barriere für eine innovative Entwicklung wahrgenommen und infolge dessen aufgelöst (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.221).

Konstruktion von Ordnung in urbanen Stadtregionen

Regionalsierung wurde in den Partnerstädten mit zwei unterschiedlichen Zielen verbunden. Ein Teil der Städte stellte die Ausdehnung der Kernstadt und die Ausbreitung von Urbanität in das Umland in den Mittelpunkt. Der andere Teil der Städte äußerte die Befürchtung, dass in einer „Zwischenstadt“ ohne Landschaftsbezug, ohne erkennbare Ordnung, die einzelne Stadt verschwindet (siehe Aufwertung von Unordnung).

Bei der Ausdehnung der Kernstadt, konzipiert als europäische Stadt, wird ein suburbaner Raum gegenübergestellt, dessen ungesteuertes Wachstum die weitere Entwicklung der Kernstadt zu bedrohen scheint. Regionalisierung soll diesem Phänomen entgegenwirken und dabei steht die Suche nach Ordnung bzw. Ordnungsmustern für vernetzte Raumstrukturen im Vordergrund. Wenn einzelne Städte durch Zwischenstädte ohne erkennbare Ordnung verschwinden (wie ein Teil der Projektstädte befürchtet), dann ist auch die Bedrohung des Verlustes von sozialer Integration (wie in Kapitel 2.1 beschrieben wurde), ökologischer Tragfähigkeit und politischer Steuerung vorhanden. Dieser Entwicklung wurde nicht ein neues Konzept entgegengesetzt, sondern als Suburbanisierungs- und Dezentralisierungsprozesse (klassische Vergrößerung urbaner Räume) interpretiert. Die Stadtregion wird zu einer erweiterten Stadt, der urbanen Regionalstadt wie dies einige Projektstädte nannten. Die Kernstadt und der suburbane Raum werden dabei aber nicht als sich ausschließende Gegensätze aufgefasst. Durch Übernahme von Lebensstilen und Kultur in der „neuen urbanen Regionalstadt“ können die negativ beurteilten Auswirkungen von Suburbanisierung laut dem Forschungsverbund „Stadt 2030“ überwunden werden (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.222-223).

Des Weiteren stellten die Projektstädte fest, dass solange „Stadt“ und „Umland“ entlang einer scheinbar eindeutigen Grenzlinie unterschieden werden, eine innere Differenzierung zwischen Kernstädten und suburbanen Räumen unsichtbar bleibt. Durch Steuerung und Ordnung können Qualitäten der kompakten Stadt in die Regionen übertragen werden. In vielen Leitbildern tauchten daher Konzepte von engen Vernetzungen und kurzen räumlichen Bezügen auf, in denen Nähe und Dichte im suburbanen Raum neue Eigenschaften schaffen. Die „Zwischenstadt“ wird, so die Annahme der beteiligten Städte, durch Regionalisierung geordnet und an das jeweilige Stadtbild

36 angepasst (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.223).

Bei der Konstruktion von Ordnung in der urbanen Stadt stellen Stadtlandschaften eine wichtige Rolle dar und werden folgend genauer betrachtet.

Ordnungsmuster Stadtlandschaft

Ein Großteil der Projekte des Themenfeldes Regionalisierung bezieht sich auf Landschaften, im speziellen auf Stadtlandschaften bzw. urbane Kulturlandschaften. Durch Gestaltung von Stadtlandschaften werden neue regionale Identifikationspotenziale und symbolische Grundlagen für die Konstruktion einer Region geschaffen. Bei der Betrachtung der Projektstädte ist durchwegs auffallend, dass es sich beim Versuch neue regionale Verbindungen sichtbar zu machen, ausschließlich um Pläne handelt. Ob eine tatsächliche Verflechtung dadurch gewährleistet ist, ist mit Vorsicht zu betrachten. Es wurden überwiegend Flächen aufgegriffen, die als ungeordnet und isoliert im Stadtbild galten. Somit lagen in fast allen Projekten die neu zu gestaltenden Räume in „Zwischenstädten“ oder der Peripherie. Eine weitere Auffälligkeit bestand darin, dass sich viele Konzepte auf Landschaftsparks und Regionalparks als urbane Entwicklungsstrategien konzentrierten. In öffentlich zugänglichen Landschaften werden Chancen gesehen, eine identifizierbare räumliche Ausdehnung zu entwickeln. Dazu passt die These von Wolfrum: „Die großen architektonischen Projekte schaffen Nicht – Orte, die Siedlungsgebiete werden austauschbar; nur die Landschaft hat das Potential Ort zu sein.“ (Wolfrum, 1999, S.10)

Als regionales Symbol wird Landschaft somit auch zu einem wichtigen Baustein in der Entwicklung beim Zusammenspiel zwischen regionalen AkteurInnen und der Bildung von regionalen Identitäten. Zudem weist die Gestaltung von Landschaften ein geringeres politisches Konfliktpotential bei der Kooperation von Städten und Umlandgemeinden auf, als beispielsweise Gewerbeansiedelungen. Eine gemeinsame Entwicklung von Stadtlandschaften zwischen Städten und Umlandgemeinden kann als erster Schritt einer Kooperation dienen (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.226).

Aufwertung von Unordnung

Bei diesem Ansatz begreifen die teilnehmenden Städte die „Zwischenstadt“ mit offenen und fragmentierten Strukturen als besonderes Potential und definieren das Fehlen von Ordnung nicht als Mangel, sondern als Grundlage zukunftsweisender Entwicklungen. Vorstellungen der Projektstädte

37 wurden mit neuen Begriffen wie Zwischenregion, Möglichkeitsräume oder „fuzzy sets“ bezeichnet. Die Aufmerksamkeit, im Unterschied zu traditionellen Theorien und Konzepten (Kernstadt), richtete sich auf Peripherien, fragmentierte Strukturen und räumliche Disparitäten. Begriffe in diesem Zusammenhang bei den teilnehmenden Städten waren „Edge City“, „Generic City“. Um dies besser zu verstehen dient eine Erklärung von Davy: „Es sind ungeordnete, schwer lesbare, unbedeutende, unaussprechliche, unterbrochene, unfertige, nicht definierte Orte.“ (Davy, 2002, S.531) Diesen neuen Orten wird aber eine eigene Funktionalität zugesprochen.

Ein Netz fragmentierter Raumstrukturen bilden zum Beispiel industrielle oder agrarische Brachflächen, regional bedeutsame Verkehrswege, grenzüberschreitende Gewässer und Wasserwege. Häufig, vor allem in der englischen Literatur, werden im Zusammenhang mit fragmentierten Strukturen Begriffe wie „brownfields“, „greenfields“, „redfields“ oder „bluefields“ der Städteregionen genannt. Symbole und Potentiale räumlicher Disparitäten werden mit den Konzepten der eigenständigen Zwischenregion entwickelt. Diese Raumbilder greifen das Neben-, Unter- und Übereinander höchst unterschiedlich entwickelter Orte und „Nicht – Orte“ auf. Offen blieb bei diesen Ansätzen in den Projektstädten jedoch, ob und wie es gelingen soll, Regionen als gemeinsamen Raum (auch im Verständnis der „Zwischenstadt“) zu „fassen“, ohne die Vielfalt und Differenzen auszublenden (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.228).

2.2.2 Regionalisierung zur Organisation von Stadtregionen

Unter diesem Zugang zur Regionalisierung verstanden die Projekte des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ übereinstimmend eine Strategie zur interkommunalen Kooperation, die territoriale Zuschnitte und Grenzziehungen infrage stellt. Die nicht Übereinstimmung von politisch – administrativen Zuständigkeitsbereichen und Funktionsräumen spielt bei diesem Kontext ebenfalls eine Rolle. Hierbei soll den Gemeinden und Städten ein Bottom Up Prozess die Möglichkeit der regionalen Selbstorganisation und der regionalen Handlungsfelder bieten. Viele Städte stellten dabei fest, dass Fragmentierung, Differenzierung und Verflechtungen nicht mehr ausschließlich als Nachteile, Defizite oder Mängel gesehen werden, sondern auch neue Handlungsspielräume dadurch neue Chancen zur Entwicklung beinhalten. Die Projektstädte gingen bei diesem Ansatz der Frage nach, wie das zukünftige Verhältnis der Städte zu den Stadtregionen und zukünftige Formen der Arbeitsteilung ausschauen könnten (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.230-231).

Bei der Neugestaltung und Organisation von Stadtregionen gibt es eine Vielzahl von noch kaum

38 überschaubaren regionalen und interkommunalen Kooperationen, die sich aber auch in einigen Fällen als Konkurrenzsituationen gegenübersehen. Der Forschungsverbund konnte in einigen Städten Interessenskonflikte, Verteilungs- und Ansiedelungskonkurrenzen feststellen, die eine mögliche Kooperation erschwerten und teilweise auch in einem inhaltsleeren Unterfangen endeten. Eine weitere Problematik liegt auch an den wenigen bisher erfolgten praktischen Umsetzungen, sodass eventuelle Erfahrungswerte aus bereits erfolgreichen Projekten fehlen. Viele Umsetzungen scheiterten an gemeinde- und steuerrechtlichen Regularien, Macht- und Kompetenzverlusten und an kontraproduktiven Eingaben - Ausgabendiskrepanzen. Dies spiegelt sich auch in den neuen Konzepten der teilnehmenden Städte wider, wo die Ergebnisse von gescheiterten Projekten mit einflossen (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.231).

Regional Governance wurde als schillernder Begriff für eine neue Form von regionaler Selbstorganisation bei fast allen Projektstädten genannt. Durch gemeinsame Steuerung und Entwicklung von Regionen durch die Politik/Verwaltung und Zivilgesellschaft sollen neue Ansätze zur Bewältigung von regionalen Problemen geschaffen werden (Homepage ÖROK, Stand September 2010). Bei den Ergebnissen der Städte konnte jedoch Regional Governance auch keine Antworten auf die vorhandenen Konflikte und immer wieder auftretenden Schwierigkeiten interkommunaler Aushandlungsprozesse bieten. Dadurch stellten viele Projekte die Frage, ob es nicht neuer Problembearbeitungen bedarf, um nachhaltige Regionalentwicklung, regionale Organisation und Steuerung zu gewährleisten. Der Forschungsverbund stellte unter diesem Aspekt folgendes fest: „Ob integrierte regionale Handlungssysteme dabei erfolgreicher abschneiden werden als fragmentierte Handlungsstrukturen, Territorial Governance Regional Governance vorzuziehen sein wird, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob die Regionen als gesellschaftliche Handlungsarena insgesamt steuerungsmächtiger geworden ist.“ (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.232)

Im nun folgenden Kapitel sollen die Funktionalität, Territorialität und Kooperation im Zusammenhang mit Regionalisierung und deren eventuelles, konträres Verhalten betrachtet werden.

Funktionalität, Territorialität und Kooperation

Über diese Begriffe und deren Bedeutung für die Regionalisierung zur Organisation von Stadtregionen wurde im Forschungsverbund „Stadt 2030“ kontrovers diskutiert. Somit wird auch die Frage nach einer territorial definierten Region als Voraussetzung für Regional Governance nicht

39 genau beantwortet. In vielen Projekten wurden die Blicke auf neue Organisationsformen gerichtet, aber auch der jeweilige Zusammenhang von politischem und territorialem Raum diskutiert.

Bei den Kooperationsformen stimmten alle Projektstädte über zwei unterschiedliche Formen der Kooperation überein. So wurden „harte“ und „weiche“ Kooperationsformen gewählt. Unter der „harten“ Zusammenarbeit werden im Kontext des Forschungsverbundes Formen verstanden, die als Ergebnis kommunaler Gebietsreformen neue Verwaltungen von der Eingemeindung bis zur Zusammenlegung von Städten und Gemeinden aufweisen, oder die Gründung von sogenannten Regionalkreisen (mehrere Städte und Gemeinden) bzw. Gründung einer Regionalstadt umfassen. Es wurde aber bereits in den ersten Versuchen der Projektstädte klar, dass dieses Modell der „harten“ Kooperation keine zukunftsweisende Perspektive bietet, da die Befürchtung des Machtverlustes durch die Auflösung kommunaler Entscheidungsstrukturen zu groß ist (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.233).

Zukunftsfähiger und attraktiver für Städte und Gemeinden sind „weiche“ Kooperationsformen, die alle interkommunalen Zusammenarbeiten umfassen, die nicht zum Regelungsbereich des Öffentlichen Rechts gehören und keine planungsrechtlichen verbindlichen Festlegungen beinhalten. Der Radius dieser Kooperationsform reicht von informellen Gesprächskreisen, über Regionalkonferenzen und Städtenetze zu Regionalbüros und regionalen Entwicklungsagenturen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass der Forschungsverbund sowie die Projektstädte eine Thematik kaum behandelten und auch nicht empirisch untersuchten. Dabei handelt es sich um die Frage, inwieweit die von Gemeinden und Städten ausgehenden neuen Governance – Formen zu einer Reduzierung des Einflusses der (regionalen) Politik führen und die Vorbereitungen für Entscheidungen in Gesprächsrunden verlagern (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.233).

Bei der Entwicklung von Regional Governance beschränkte sich ein Großteil der Regionalisierungsprojekte auf die Beteiligung ausgewählter AkteureInnen an informellen Kooperationsrunden. Dadurch wurde die Teilhabe der allgemeinen Bevölkerung ausgeschlossen. Gründe, für das Fernhalten einer breiten Partizipation, lagen in einer möglichen „diskursiven Demokratie“ durch das Fehlen von institutionellen Strukturen, aber auch in den nicht vorhandenen direkten Einflussmöglichkeiten auf regionale Entscheidungen. Der Forschungsverbund konnte nur in zwei Projekten eine unmittelbare direkte Beteiligung (ohne Anspruch einer breiten Partizipation) der Bevölkerung aufweisen. Eines sei an dieser Stelle angeführt. Das Projekt „Schwalm – Eder – West“ versuchte durch einen zweistufigen Beteiligungsprozess die Zukunft der Region zu gestalten.

40 Zunächst wurde die Bevölkerung über eine breite Öffentlichkeitsarbeit informiert und anschließend zur Teilnahme an themenbezogenen Foren eingeladen. Was in ersten Ansätzen als beispielhafte Partizipation galt, barg aber durchaus andere Problematiken. So befanden sich die TeilnehmerInnen in einer Art „Doppelcharakter“, als BügerIn und als AkteurIn mit all den unterschiedlichen komplexen Handlungen des eigenen Lebens. Es wurde zwar eine Aktivierung und Einbindung von Wissenspotentialen erreicht, aber die Angebote zur Beteiligung wurden in den meisten Fällen nur von RepräsentantInnen- und Interessenbeteiligten angenommen, sodass nicht von einer breiten Partizipation gesprochen werden kann. „Schwalm – Eder – West“ steht hier als exemplarisches Beispiel für viele Städte mit ähnlichen Partizipationsproblemen und zeigt auch deutlich auf, wie schwierig die Aktivierung von BürgerInnen in einem Beteiligungsprozess ist. Mögliche Vorschläge zu einer besseren aktiven Mitarbeit der Bevölkerung konnte auch der Forschungsverbund „Stadt 2030“ nicht liefern (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.237-239).

Drei Projektstädte wählten noch einen anderen Zugang der Zusammenarbeit. Diese setzten auf eine freiwillige flexible Kooperation und stellten ihrerseits fest, dass kommunale Egoismen und Konkurrenzen nicht von „oben“ verordnet werden sollten, sondern es müssten entsprechende Anreize vorhanden sein, die eine Kooperation erstrebenswert machen. Es wurden unter diesem Aspekt themenorientierte interkommunale Arbeitsgruppen und regionale Akteursnetze erschaffen. Mit diesen Organisationsformen sollten Lösungsansätze entwickelt werden, die einerseits vorhandene Konkurrenzsituationen zwischen Städten und Umlandgemeinden berücksichtigten und bei der kommunalen Kooperation größtmögliche Spielräume zuließen. Auf der anderen Seite sollten durch die freiwillige Zusammenarbeit der Aufbau von Vertrauen und sozialen Normen zur Verlässlichkeit gestärkt werden. Ein regionales Regulativ wurde dabei als notwendig erachtet, da dieses zu einer Regulierung des Gleichgewichtes zwischen Eigeninteressen und regionalen Interessen (z.B.: gemeinsame Aktivitäten) führte. Damit wird klar, dass für eine neue räumliche Ordnung in einer Region eine übergeordnete „Hand“ benötigt wird. Diese Feststellung stellt aber einen Widerspruch zwischen einer möglichst geringen Einwirkung auf kommunale Autonomie und der Steuerung schwieriger Kooperationen „von oben“ dar (Ganser, 2005, in Difu, Band II, S.25).

Die Steuerung und Kontrolle wurde bei den freiwilligen Kooperationen außerhalb der genannten Organisationsformen (Arbeitsgruppen und Akteursnetze) angesiedelt. So wurde die Vergabe von Regionalbudgets oder die besondere Rolle der Regionalplanung hervorgehoben. Vor allem die zuletzt genannte Regulierung wird als möglicher organisatorischer Kern identifiziert, welcher in der Lage ist, dem regionalen Findungs- und Suchprozess einen Rahmen zu bieten. Eine eindeutige

41 „Bejahung“, ob kommunale Eigeninteressen ein unlösbares Problem der Kooperation darstellen und somit von einer fehlgeschlagenen Regionsbildung ausgegangen werden kann, wird vom Forschungsverbund nicht interpretiert. Es werden jedoch die Einflussmöglichkeiten Dritter als eingeschränktes Vertrauen in allen Projekten mitgedacht. Auf der einen Seite wird damit Regionalisierung als kommunaler Zukunftsweg interpretiert, auf der anderen Seite wird bei der Bevorzugung „weicher“ Kooperationen zumeist eine steuerende Hand von Staats- bzw. Bundeslandseite angedacht (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.235).

Impulse für eine Organisation einer Region mit demokratischen Kooperationen liefert möglicherweise das Schweizer Modell der FOCI („Functional Overlapping Competing Iurisdiction“). Hierbei wird zwischen kommunaler und kantonaler (Bundesland) Ebene eine Einheit, aus Effizienz- und Kostengründen, zwischengeschalten, um sich zukünftiger politischer Organisation von Stadt und Land zu widmen. Die Schaffung dieser Einheit erfolgt durch die BügerInnen mittels einer Abstimmung und kann sich somit der Zustimmung der Öffentlichkeit bewusst sein. Es bedarf dadurch nicht der unmittelbaren Ausbildung regionaler Identitäten, sondern der Identifikation mit strategischen Handlungszielen und Projekten (Castells, 2002, in Bock, 2005, in Difu, Band II, S.239).

Einen besonderen Weg gingen einige Projektstädte in dem sie Regionalverträge erstellten. Was darunter zu verstehen ist, soll folgend in einem kurzen Kapitel geschildert werden.

Regionalverträge

Im Unterschied zu den zuvor genannten Modellen wurden zwischen Städten und Gemeinden, die Kooperationen festlegten, Konflikte und Anreize vertraglich geregelt. Dieser Gesellschaftsvertrag sieht vor, ändernde räumliche Zuschnitte ohne Einfluss einer regionalen oder überregionalen Institution (ohne steuernden Eingriff von „außen“ oder „oben“) durch regionale Entwicklungen voranzubringen. Der Inhalt des Vertrages soll eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten enthalten und zielt nicht auf eine optimale formale – organisatorische Lösung ab. Neue Chancen werden hiermit in einem flexiblen und projektorientierten Vertrag gesehen. Die Projektstädte weisen aber auch bei diesem Modell darauf hin, dass nicht immer Kooperationsvorteile ( Win – Win Situationen) erreicht werden. Es wird eher auf Kooperationen zur Nachteilsvermeidung, wie zum Beispiel Bevölkerungsrückgang, gesetzt. Dieser Ansatz lässt sich mit dem Begriff Coopetition (Mäding, 1999, S.10-22) beschreiben, der die Wechselbeziehungen aus Zusammenarbeit (Cooperation ) und Wettbewerb ( Competition ) beschreibt (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.236)

42 2.2.3 Fazit Themenfeld Regionalisierung

In den beteiligten Städteprojekten gab es eine Auseinandersetzung um das „richtige“ Modell regionaler Organisation zwischen Städten, Umlandgemeinden oder Regionen. Die Bedeutung der kommunalen Rahmenbedingungen spielte eine tragende Rolle und war von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Was in einer Region Zustimmung und ein erfolgreich implementiertes Modell war, konnte andernorts den falschen Weg beschreiben und zu Blockaden einer Kooperation führen. Die Leitbilder der europäischen Stadt (Kernstadt) und der „Zwischenstadt“ führten zu Diskussionen, in der schlussendlich im Kontext der jeweiligen Rahmenbedingungen, etwa AkteureInnen, Raumstrukturen usw., betrachtet werden sollten und nicht in einer ausschließenden Polarisierung von Stadt und Umland, Zentrum und Peripherie. Dies führt zu unterschiedlichen Raumbildern die unverwechselbar und eindeutig sein können (auch einen Namen möglicherweise aufweisen). Ob diese Eigenschaften, Bilder und Begriffe Prozesse bei der Regionalisierung unterstützten ist im Forschungsverbund „Stadt 2030“ strittig.

Erprobte Modelle wie Konsensbildung, regionale Entwicklungsagenturen und Arbeitsgemeinschaften sind einige zukünftige Regionalisierungsmöglichkeiten. Dabei erhielten „weiche“ Kooperationsformen aus kommunaler Sicht eindeutig den Vorzug gegenüber „harter“ Institutionalisierungen. Regional Governance und (politische) Steuerung führten in vielen Projektstädten zu Kooperationen, die unter dem Einfluss von Entscheidungsträgern, aber keinen herkömmlichen Zusammenarbeiten gleich kamen. (Bock, 2005, in Difu, Band II, S.241).

Erste Anhaltspunkte, den Ausgleich von Lasten und Vorteilen zu regeln, lieferten Regionalverträge, die eine zukunftsfähige Alternative für kommunale Kooperationen sein können. Ob der gewünschte Effekt tatsächlich eintritt (langfristige Zusammenarbeit) ist laut Forschungsverbund in einigen Jahren bzw. Jahrzehnten wieder zu untersuchen. In vielen Projektstädten spielgelten sich bekannte Probleme bei der Einbindung und Mobilisierung der Bevölkerung wider und blieben dadurch eine Eliteveranstaltung ohne breite Beteiligung. Somit bestehen auch in der heutigen Zeit noch keine ausreichenden Rückkoppelungen (fragmentierte versus integrierte Strukturen) für die Kommunen. Deutlich beim Themenfeld Regionalisierung wurde jedoch, dass die Möglichkeiten und Formen der Kooperationen von Städten und Umlandgemeinden auf dem Weg ins Jahr 2030 vielfältig sind und Diskussionen notwendig bleiben, um Inhalte und Impulse der Thematik weiter zu verfolgen.

43 2.3 Themenfeld Identität einer Stadt

Der dritte Schwerpunkt mit dem sich der Forschungsverbund „Stadt 2030“ und dessen teilnehmende Städte befassten, behandelte alle Aspekte im Zusammenhang mit der Identität einer Stadt. Bevor nun folgend genauer auf das Thema eingegangen wird, ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich dieses dritte Themenfeld als problematischstes aller Felder herauskristallisierte. Einerseits weil die Identität einer Stadt und andererseits die Identität, die BewohnerInnen zu ihrer eigenen Stadt besitzen, schwer quantifizierbar und messbar ist. Fast alle Projekte hatten mit den Ausprägungen der modernen Lebensart der BürgerInnen zu kämpfen, die sich aus Mangel an Zeit und anderen Interessen nicht für ein ganzheitliches Konzept ihrer Stadt begeistern können, sondern sich nur ihrem jeweiligen betreffenden Bereich (unmittelbarer Wohnbereich bzw. maximal Viertel einer Stadt) widmen wollen (Difu, 2005, Band III, S. 15) (siehe auch Kapitel 2.3.2).

Insgesamt sieben Städte widmeten sich dem Themenfeld Identität der Stadt zu. In all diesen Projekten dominierten Fragen und Probleme der Stadtkultur, Stadttradition und das Selbstverständnisses einer Stadt und deren Bevölkerung. Auffallend war, dass sich bei jenen Städten, die sich einem intensiven und gravierenden Wandel unterziehen mussten, dass sich zum Teil große Verunsicherungen breit machten. Ein Phänomen, das der Forschungsverbund ebenfalls feststellte, war, dass in Zeiten von Stabilität, die aber in der heutigen Zeit kaum noch spürbar ist, die Identität eher unbewusst und als selbstverständlicher Hintergrund des Alltagslebens wahrgenommen wurde. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der teilnehmenden Städte wider, bei der sich zeigte, dass drei Städte aus den neuen deutschen Bundesländern kamen und fünf Städte mit Stadtschrumpfungen (inklusive aller drei Städte aus den neuen deutschen Bundesländern) zu kämpfen hatten bzw. haben. Damit zeigt sich auch gleich welches vorrangige Ziel die Identitätspolitik verfolgen sollte, nämlich in unsicheren Zeiten eine Art Solidarität und Konsens in der Bevölkerung und Politik zu sichern (Difu, 2005, Band III, S. 16-17).

Die nun nachfolgenden Kapiteln sollen erste Ansätze, Einführungen und Ergebnisse des Themenfeldes Identität einer Stadt liefern und zukünftige Fragen und Problematiken aufzeigen. Noch einmal soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass im Forschungsverbund „Stadt 2030“, aber auch in anderen wissenschaftlichen Quellen, dieses Thema noch nicht ausreichend und zufriedenstellend behandelt werden konnte. Auf Grund der komplexen Situation ist es nur bedingt möglich alle Problematiken zu berücksichtigen und zu behandeln.

44 2.3.1 Identität

Die allgemeine Erklärung von Identität beschreibt laut Brock Haus Lexikon die völlige Übereinstimmung einer Person oder Sache mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird. (Der Brock Haus, 2005, Band 4, S. 2702). Die Identität einer Stadt ist umso schwerer zu definieren. Die meisten Literaturquellen nennen in der Beschreibung der städtischen Identität folgende markante Charaktere: besonderes Flair einer Stadt, besonderes Lebensgefühl einer Stadt, Bilder einer Stadt, besonders ausgeprägte Merkmale wie Gebäude oder Statuen, Gefühle die man persönlich mit einer Stadt verbindet, usw. Seit einigen Jahren weisen vor allem Autoren aus der Stadtsoziologie auf die wachsende Bedeutung raumbezogener Identifikationen in Zeiten von Globalisierung und des Übergangs zur Dienstleistungsgesellschaft hin. Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ hatten durchwegs alle Projektstädte dieselben Fragestellungen; was macht „ihre“ Stadt aus, welche Kultur bestimmt die Stadt und welcher Lebensstil wird in der Stadt zum Ausdruck gebracht (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 265-266).

Zunehmende Fragmentierung und Heterogenität der Gesellschaft würden eigentlich auf eine Klärung der Identitätsfrage drängen. Aber gleichzeitig schließen diese beiden Begriffe auch deren befriedigende Beantwortung aus.

In vielen Städten kam es dadurch zu massiven Zielkonflikten, die in einigen Fällen enorme öffentliche Reaktionen hervorbrachten. So mussten im Zusammenhang mit dem Themenfelde Identität einige vorgestellte Visionen zurückgenommen werden, sobald sie der lokalen Politik und Öffentlichkeit vorgelegt wurden. Einige Konzepte betrachteten das Themenfeld als mögliche „Bühne“ um das Image der eigenen Stadt zu verbessern, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber benachbarten Städten zu steigern und als unverwechselbares „Markenprodukt“ ausgewiesen zu werden. Des Weiteren waren auch erkennbare Diskrepanzen zwischen kommunalen Strategien einer Identitätspolitik, die sich immer auf die ganze Stadt (Grenze) beziehen sollte, und neuen Identitätsstrukturen in der Bevölkerung, die sich eher an Einzelfunktionen oder Zwecken orientieren sollte, vorhanden (Straßen oder Viertel einer Stadt) (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 268-269).

2.3.2 Kommunale Identitätspolitik

Unter dem Aspekt der kommunalen Identitätspolitik wird im Forschungsverbund „Stadt 2030“ vor allem die ökonomische „Fähigkeit“ einer Stadt verstanden. Dabei wird aber nicht unbedingt von üblichen Marktmechanismen (Güter und Waren) ausgegangen, sondern von besonderen Merkmalen,

45 die eine Stadt auszeichnen und diese auch in ökonomischer Weise verankern können. In diesem Zusammenhang spielen auch die zuvor erwähnten Begriffe wie Flair, Lebensgefühl oder die Wertigkeit, die eine Tradition mit sich bringt, eine wichtige Rolle. Somit sind die EinwohnerInnen der jeweiligen Stadt direkt beeinflusst. Auffallend war in einer Befragung des Forschungsverbundes, dass viele StadtbewohnerInnen die Qualitäten oder Charaktere ihrer Stadt oft schwer beschreiben konnten. Aber nicht nur Einheimische, sondern auch Touristen, die eine Kommune besuchen, verbinden bestimmte Assoziationen zu den besuchten Gebieten und drücken dies auch in ihrem Konsumverhalten aus. Wichtig ist an dieser Stelle, dass nicht immer Städte beliebt sein müssen, die gut strukturiert und funktional sehr gut ausgestattet sind. Als Beispiel sei hier London erwähnt, das in unzähligen Literaturen als eher schlecht funktionierende Stadt geschildert wird, aber gerade in der Beliebtheit von Touristen ein hohes Ansehen genießt. So vermittelt wahrscheinlich London ein „feeling good“ oder „good vibrations“, wie dies oft in amerikanischen Studien bezeichnet wird, das kaum zu definieren ist, aber die Identität und Atmosphäre auszumachen scheint. Andere gut strukturierte Städte, sehr oft wird Hannover als Beispiel dafür genannt, vermitteln dieses besondere Gefühl aber anscheinend nicht (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 270-272).

Allein diese beiden Beispiele zeigen, wie schwierig dieses Themenfeld zu behandeln ist und welche Problematik dies auch für die lokale Politik auf der Suche nach der entsprechenden Identität darstellt. Auch das Themenfeld Integration der Stadtbevölkerung hat dementsprechende Auswirkungen bzw. Zusammenhänge (siehe dazu Kapitel 2.1). Unter der kommunalen Identitätspolitik wird in fast allen Fällen ein ganzheitlicher städtischer Ansatz verstanden. Ob dies aber in modernen Zeiten zielführend ist, oder es nicht doch besser ist, einige städtische Teilgebiete für die Identifikation zu suchen, soll im nun folgenden Kapitel geschildert werden.

Ganzheit oder Teil der Stadt als Basis städtischer Identitätspolitik

EinwohnerInnen einer Stadt denken und handeln vorwiegend in Aktionsräumen, die durch funktional bestimmte Zwecke und ergänzend in symbolischen Ortsbezügen mit dem eigenen Leben in Beziehung gesetzt werden. Dies bedeutet, dass sich ein überwiegender Teil der Bevölkerung nicht mehr mit der Gesamtheit des Territorialen der Stadt auseinandersetzt (siehe dazu auch Kapitel 2.3.1). Somit ist ein Bruch zwischen den lokalen politischen Vorstellungen der Stadt als Gesamtheit (was soll mit der ganzen Stadt passieren) und den Perspektiven der BewohnerInnen zu verzeichnen (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 278).

46 Dies spiegelt sich auch exemplarisch in der Stadt Mönchengladbach wider, die im Kapitel 2.3.5 noch genauer beschrieben wird (Verhältnis Gesamtstadt vs. Stadtbezirke).

Bei allen sieben teilnehmenden Städten beim Themenfeld Identität einer Stadt, konnte gerade unter der Betrachtung der Gesamtheit der Kommune oder Teilen davon, drei Gemeinsamkeiten beobachtet werden: (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 286) 1. Vor allem aus Überzeugungen und Überlegungen von kommunalen und lokalen Eliten drücken sich Bilder und Perspektiven einer zukünftigen Stadtidentität aus. Dies sind in erster Linie ökonomische Notwendigkeiten, um der Wachstumskonkurrenz der Städte standzuhalten. 2. Bilder und Inhalte einer Identitätspolitik müssen pädagogisch – aufklärerisch und als Informationsvorgang an die Bevölkerung vermittelt werden, um so eine Sensibilisierung für Zukunftsprobleme zu ermöglichen. 3. Viele Identitätskonzepte postulierten eine Einheitlichkeit, eine gewisse Homogenität der Stadt und dessen Bevölkerung, die es aber gerade aufgrund wachsender Unsicherheiten und Ungleichheiten, höchst unwahrscheinlich machen, dies zu erzielen.

Auf diese drei Feststellungen soll nun noch kurz eingegangen werden. Zunächst ist unter Punkt eins durchaus festzustellen, dass gerade Zukunftsprobleme einen intellektuellen Aufwand benötigen, um sie zu erfassen, aber selbst dann ist nicht annäherungsweise alles durchschaubar. Dieser Aspekt muss auch gar nicht den Anspruch besitzen von der breiten Bevölkerung als selbstverständlich angenommen zu werden. Für das Alltagsverhalten wird der „Laie“ sehr wohl über diesen Sachverstand verfügen, aber für diffizile Zukunftsfragen ist dies nicht unbedingt der Fall. Die Annahme einer notwendigen Sensibilisierung (Aufklärung), wie sie unter Punkt zwei geschildert wird, ist zumindest ein Wunsch der Konzepte und der lokalen Politik auch in der Betrachtung von immer weiterführenden Vorgriffen in der Zukunft. Auch der dritte vorgestellte Punkt beinhaltet ein gewisses Wunschdenken, dass sich die gesamte Bevölkerung hinter einer Leitvorstellung einer Stadt stellt. Somit sind zwar alle drei Aufzählungen aus Sicht des Forschungsverbundes plausibel, aber sie beruhen eben nicht auf der Einbringung einer breiten Öffentlichkeit (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 286-287). Auf der Ebene von Stadtteilen und Quartieren sind vor allem direkte Erfahrungen, im Sinne von direkter Wahrnehmung und Kommunikation, für das Entstehen von räumlicher Bindung maßgeblich. Eine gesamtstädtische Identität ist eher mit symbolischer Bindung erreichbar, für deren Entstehung indirekte Kommunikation, über Medien und Raumsymbole (siehe symbolischer Ortsbezug), mitverantwortlich sind (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S. 254).

47 Identifikation der BürgerInnen mit einer Stadt

Über BürgerInnen, Institutionen und Unternehmen ist eine positiv wahrnehmbare Identität einer Stadt schaffbar. Dafür spielt der Parameter Zeit bei der Identifikation mit einer Stadt eine wichtige Rolle, weil Zeit und Vergänglichkeit Seltenheit und Einmaligkeit entstehen lassen. Identifikationsmöglichkeiten sind alles Besondere, Seltene, Wertvolle, Eigenartige und Eigentümliche einer Stadt in Relation zu den Charakteristika, Fähigkeiten und Begabungen der jeweiligen Stadt. Diese Potentiale können Wohnungen, Arbeitsplätze, Freizeitumgebung, Umwelt, Klima, Natur, Zentrum der Stadt, Stadtquartiere, Museumsviertel, Universitätsviertel usw. sein (Trommer, 2005, in Difu, Band III, S. 32-33).

Auch Leitfiguren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur oder Sport, so genannte „Originale aus dem Volk“, dienen einer Identifikationsschaffung einer Stadt. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass dies durchaus sehr schnell in ein negatives Image führen kann (Trommer, 2005, in Difu, Band III, S. 34).

Die Identifikation der BügerInnen mit der Stadt wächst durch das Einbringen von gemeinschaftlichen Leistungen. Dadurch könnte, auch durch entsprechende Aktionen, öffentliches Eigentum mehr Wert geschätzt werden. Als Beispiel könnte hier die Gegenüberstellung von privaten und öffentlichen Schulen dienen. Eltern werden in privaten Bildungseinrichtungen zu viel mehr Leistungen herangezogen als in öffentlichen Einrichtungen. Durch diese Selbstleistung wird die Motivation zur Erhaltung und Bewahrung der privaten Schule erhöht (Trommer, 2005, in Difu, Band III, S. 35).

Dies aber auf eine städtische Ebene zu transformieren, wird wohl eine enorme Herausforderung für die Zukunft bedeuten. Vor allem in der Frage, in wie weit man städtische BewohnerInnen zu Leistungen für die eigene Stadt oder den eigenen Stadtteil auffordern kann, in Zeiten von wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten. Gleichzeitig liegt hier aber auch eine große Chance, neues Bewusstsein für seine eigene Stadt oder das bewohnte Stadtviertel zu erlangen und somit direkt auf das städtische Leben und Entscheidungen für die Stadt einzuwirken.

Symbolischer Ortsbezug

In diesem Abschnitt wird kurz auf die Wirkung von Merkmalen zur Stadtwahrnehmung eingegangen. So stehen bestimmte symbolische Bilder bzw. Wahrnehmungen für Städte, wie zum

48 Beispiel der Eifelturm für Paris, die Brooklyn Bridge für New York, der Kölner Dom für Köln oder der Uhrturm für Graz. Klassische europäische Merkmale für eine Stadt sind Kirchen, Rathäuser und historische Gebäude. Lynch beschreibt darüber hinaus fünf Merkmale die Menschen für die Wahrnehmung einer Stadt benötigen: (Lynch, 2001, S. 47)  Wege  Grenzlinien  Bereiche  Brenn- und Knotenpunkte  Merk- und Wahrzeichen

Wege sind nach Lynch jene Kanäle, durch die sich der/die BetrachterIn bewegt. Es handelt sich dabei um Straßen, Spazierwege, Verbindungswege, Wasserwege, Eisenbahnen, und vieles mehr. Unter Grenzlinien versteht Lynch die Trennungslinie von zwei Gebieten, wobei der/die BetrachterIn diese Trennungslinien nicht als Weg benutzen und bewertet. Der Begriff Bereich beinhaltet die thematische Kontinuität. Allerdings können verschiedene Komponenten herangezogen werden, wie Gliederung, Raum, Form, Detail, Symbol, Gebäudetyp, Benutzerzweck, Verkehr, Einwohner, Zustand der Bauwerke, Topographie, Geräusche sowie soziale Begriffe, etc. Brenn- und Knotenpunkte sind intensiv genutzte Zentralpunkte, Ziel- und Ausgangspunkte. Sie können auch als Konzentrationspunkte angesehen werden, deren Bedeutung in einer ausgeprägten Eigenart oder in der Verdichtung von Benutzungszwecken besteht. Brennpunkte entstehen beim Zusammentreffen von Straßen oder auch durch die Konzentration von Eigenschaften. Bei einem Knotenpunkt müssen Entscheidungen getroffen werden, und es geht eine Struktur in die andere über. Merk- oder Wahrzeichen sind optische Bezugspunkte. Durch das Aussortieren einzelner Elemente aus einer Vielzahl von Möglichkeiten wird der betrachtete Ausschnitt bei dem/der BetrachterIn zur Schlüsselfigur. Diese Gebiete weisen eine Einmaligkeit oder Besonderheit auf. Wahrzeichen werden besser wahrgenommen, wenn ihre Form klar und einfach ist, wenn ein starker Kontrast zum Hintergrund erkennbar ist oder die räumliche Situation besonders auffallend ist. Zur besseren Wahrnehmung muss Identität geschaffen werden (Lynch, 2001, S. 47-49).

Im Forschungsverbund „Stadt 2030“ war auffallend, dass in vielen Projektstädten eher gerade diese zuvor geschilderten Merkmale oft in neuen Wohnquartieren gesehen wurden, als in historischen Orten oder Gebäuden. Um wieder eine Basis für Identifikation zu schaffen, setzten einige Städte auf die Restaurierung von historischen Bauten oder dem Abreißen von alten ungenützten Häusern. Dies war ganz markant bei in von Schrumpfung betroffenen Städten, die auch durch diese Maßnahme versuchten wieder ein positives Image zu erlangen, der Fall (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S.

49 288).

2.3.3 Planbarkeit städtischer Identität

Ob städtische Identität planbar ist, wurde vom Forschungsverbund ebenfalls versucht aufzuzeigen. Alle Projekte führten mehr oder weniger Imagekampagnen, deren Ergebnisse aus Sicht des Verbundes, größtenteils keinen Zuwachs bzw. neue Identitäten oder bestehende Identitäten entscheidend zu beeinflussen scheinen (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 295). Die Identifikation der BürgerInnenschaft mit ihrer Stadt wird im Großen und Ganzen nicht steuerbar und intuitiv verlaufen. Unterstützende Maßnahmen zur Identitätsschaffung neben dem Faktor Zeit sind auch Thematisierungen in einem Prozess. Hier rücken damit in erster Linie Verantwortliche in der städtischen Verwaltung, Städtebauer, Architekten oder Regionalmanager in den Vordergrund. Nicht zu Letzt ist auch der/die einzelne BürgerIn für seine/ihre Identifikation mit der Stadt verantwortlich, die einem ein zentrales Stück Lebensqualität bringen kann (Trommer, 2005, in Difu, Band III, S.37).

Als Fazit führte der Forschungsverbund „Stadt 2030“ an, dass städtische Identität schwer planbar bzw. steuerbar sei (dies zeigte sich auch in den Projekten), es jedoch aktuelle und zukünftige Probleme aufgezeigt werden konnten.

2.3.4 Chancen einer Stadt in der Zukunft

In einer Begleitforschung des Forschungsverbundes, zum Thema Identität der Stadt, wurden sieben zukünftige Chancen einer Stadt erfasst, die die Möglichkeit besitzen, Identifikation, aber auch soziale Werte, zu stärken. Folgend werden nun alle sieben Chancen kurz geschildert: (Trommer, 2005, in Difu, Band III, S.38- 43) 1. Stadt als Zentrum des Wissens Wissen ist vorhanden in der BürgerInnenschaft, Verwaltung, Unternehmen, Schulen und Hochschulen 2. Stadt als Zentrum des Handels Einzelhandel, Markt, Messen, Güteraustausch, Nachrichten, Dienstleistungen, Medien und Telekommunikation; Erhaltung der Kernstadt 3. Stadt als Hort sozialer Sicherheit

50 Gesundheitszentren, Krisenzentren, gute Infrastruktur, Auffangmöglichkeiten bei sozialer, körperlicher oder ökonomischer Benachteiligung 4. Stadt als Zentrum der Bildung Dichte an Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Weiterbildungen, Kunst-, Musik-, Sport-, Freizeiteinrichtungen 5. Stadt als Zentrum der Kultur Angebot an großer und kleiner Kunst, Toleranz, Freiraum, Akzeptanz, Fähigkeit der Integration 6. Stadt als Basis für ein attraktives und erfülltes Leben Individuelle Lebensgestaltung, öffentliches Leistungsangebot, Arbeitsmöglichkeiten eher in der Stadt vorhanden 7. Stadt als unverwechselbares Bild Gebäude, Persönlichkeiten, historische Geschichten

Als Kritikpunkt zu den sieben Chancen könnte eventuell ein Widerspruch in der Thematik der Individualität (Chance sechs) im Gegensatz zur Heterogenität sein (siehe dazu Kapitel 2.1.1). In erster Linie sollen hier nur mögliche Potenziale und Verantwortungen (gerade im Bereich Bildung und Qualifikation) der zukünftigen Stadt aufgezeigt werden.

2.3.5 Praxisbeispiel Mönchengladbach

Die Stadt Mönchengladbach (als Oberzentrum) liegt in der Metropolregion Rhein – Ruhr in unmittelbarerer Grenze zu den Niederlanden. Im Versorgungsbereich leben etwa 600.000 EinwohnerInnen (Jahr 2009) und in der Stadt Mönchengladbach etwa 268.000 EinwohnerInnen (Jahr 2009) (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.237). Die Kommune liegt am Schnittpunkt europäischer Wirtschafts- und Kommunikationsachsen und in unmittelbarer Nähe zu den Deutschen Städten Duisburg, Düsseldorf und Köln (siehe Abbildung 3.).

51

Abbildung 3: Übersicht der Rhein – Ruhr Region, roter Umrahmung markiert die Stadt Mönchengladbach; Quelle: Homepage Outdoor Reisebericht Rhein – Rhur Region ; eigene Darstellung

Die Stadt selbst zeichnete sich über mehrere Jahrzehnte durch die Textil- und Textilmaschinenindustrie aus. Seit Mitte der 70iger Jahre fand ein Prozess der Strukturumwandlung vom Textilindustrie geprägten Wirtschaftsstandort hin zu einem vom tertiären Sektor geprägten Standort statt. Diese Änderung bedeutete den Verlust von rund 20.000 Arbeitsplätzen (entspricht 47,6% Rückgang) im verarbeitenden Gewerbe. Alleine die Textilbranche verlor 7.800 Arbeitsstellen (entspricht 78,5% Rückgang) (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.238).

Außer mit den wirtschaftlichen Folgen kämpft Mönchengladbach auch mit der im Jahr 1975 durchgeführten kommunalen Gebietsreform. Damals wurden die eigenständigen Städte Mönchengladbach und Rheydt und die Gemeinde Wickrath zur heutigen Stadt Mönchengladbach zusammengelegt. Dies bringt mit sich, dass sich bis heute zahlreiche öffentliche Einrichtungen in den vormals einzelnen Gebieten befinden. Ebenso ist die Stadt durch zwei klassische Citylagen mit Einkaufszentren gekennzeichnet. Die neu entstandene Kommune verfügt nunmehr über 10 Bezirke, wobei vor allem die Bezirke Gladbach und Rheydt über ein eigenes Stadtzentrum verfügen. Somit verfügt Mönchengladbach über ein quantitativ hohes infrastrukturelles Ausstattungsniveau. Auf

52 Grund der kommunalen Finanzknappheit kann dies mittlerweile nur noch mit Mühe aufrecht erhalten werden. Eine Folge daraus ist, dass die Stadtbezirke untereinander Konkurrenzen ausgesetzt sind, vor allem in Hinsicht darauf, dass einige öffentliche Zentren abgebaut werden sollen (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.237-238).

Durch diese unfreiwillige Zusammenlegung ist die Stadt bis ins Jahr 2010 durch erhebliche Probleme, sowohl auf politischer als auch gesellschaftlicher Ebene, gekennzeichnet. Das Gefühl der zweigeteilten Stadt (Gladbach vs. Rheydt) ist bis heute erhalten geblieben. Es fehlt somit an einer Identifikation der BürgerInnen mit der Stadt Mönchengladbach. Somit entsteht der Eindruck, es mangle an aktuell gültigen Identifikationspunkten, Landmarken oder Merkzeichen in der Stadt. Diese Problematik motivierte die Kommune am Forschungsverbund „Stadt 2030“ unter dem Titel „Mönchengladbach 2030 – auf dem Weg zur aktivierenden Stadt“ teilzunehmen (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.237-238).

Problemaufriss der Stadt Mönchengladbach

Die Anonymität ist in Stadtzentren üblicherweise größer als in Stadtrandgebieten. Dafür verantwortlich sind räumliche Nähe und auch sozial – räumliche Prozesse (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.237). Diese Feststellung lässt sich auch an den Ergebnissen der Haushaltsbefragung, die von der Hochschule Niederrhein im Rahmen von „Mönchengladbach 2030“ durchgeführt wurde, erkennen. Dabei wurden 6.000 Haushalte zu ihrer Stadt und ihrem Stadtbezirk befragt. Vor allem die Stadtrandbezirke in Mönchengladbach sind durch Identitätswandel und Verlust der Eigenständigkeit gekennzeichnet. Drastisch ist dies bei der vormaligen Gemeinde Wickrath, die durch die Gebietsreform alle kommunalen Rechte verlor.

Verbundenheit mit Gesamtstadt und Stadtbezirken

nicht mit der Stadt

mit meinem Stadtbezirk

mit Rheydt

mit Gladbach

mit Mönchengladbach [%]

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Abbildung 4: Darstellung der Verbundenheit der EinwohnerInnen mit der Gesamtstadt und den Stadtbezirken; Quelle: Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.240; eigene Darstellung

53 Wie in Abbildung 4 ersichtlich wird, identifiziert sich etwa jede/r dritte/r BürgerIn mit der Gesamtstadt Mönchengladbach. Jeder vierte fühlt sich stärker zu seinem Stadtbezirk verbunden. Um dies mit einer unmittelbaren Nachbarstadt zu vergleichen, und auch um entsprechende Anhaltspunkte zu bekommen, führte man auch in Krefeld (ca. 18 Kilometer Entfernung) dieselbe Umfrage durch. Krefeld besitzt nicht die Besonderheit von zwei Stadtkernen und dementsprechend fallen hier die Ergebnisse anders aus. Auf den ersten Blick ist in beiden Städten die Verbundenheit mit den Stadtbezirken gleich stark, zur Gesamtstadt ist dies sogar überraschend in Mönchengladbach höher als in Krefeld (siehe Abbildung 5). Dennoch ist vor allem in den Stadtbezirken unterschiedliches Empfinden wahrzunehmen. Demnach gaben knapp zwei Drittel der Rheydter BürgerInnen an, sich als RheydterIn zu bezeichnen und nicht als MönchengladbacherIn. Am stärksten mit dem Stadtbezirken verbunden finden sich, wie bereits zuvor erwähnt, die südlichen Randbezirke (Wickrath 48%, Giesenkirchen 49%, Odenkirchen 42%). Bei der jüngeren Bevölkerung wurde in Mönchengladbach von einem anderen Gefühl der Verbundenheit ausgegangen und erwartet, dass die alten Gegebenheiten, mit den zwei Stadtzentren, eine nicht allzu große Rolle spielen. Gerade bei dieser Altersgruppe (bis 35 Jahre) waren die Ergebnisse der Befragung überraschend, da die jungen StadtbewohnerInnen klare Trennungen zwischen Mönchengladbach und Rheydt zogen. Dieser Aspekt macht eine zukünftige Identitätspolitik und Maßnahmen schwierig, auch in Hinsicht auf eine immer größer werdende Mobilität, die die Konkurrenzsituation zusätzlich verschärft (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.242-246).

Vergleich Krefeld - Mönchengladbach

Mönchengladbach Gesamtstadt Krefeld

Stadtteil [%] 0 10 20 30 40

Abbildung 5: Vergleich der Verbundenheit zur Gesamtstadt und Stadtteil der beiden Städte Mönchengladbach und Krefeld; Quelle: Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.241; eigene Darstellung

Aus Sicht der Politik ist die Identifikationsdebatte, vor in Kraft treten der Teilnahme am Forschungsverbund, eher diskussionslos von Statten gegangen. Es wurde in erster Linie an den vorhandenen Dingen festgehalten und eine öffentliche Auseinandersetzung, auch im Hintergrund der Konkurrenzsituation der Stadtbezirke, vermieden. So bestanden neue Handlungen der

54 Stadtentwicklung auf Bezirksebene (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.246).

Ein weiteres Problem der Stadt besteht darin, dass laut letzten Bevölkerungsprognosen (aus dem Jahr 2005) mit einem Bevölkerungsrückgang von 4,3% zu rechnen ist (von 268.000 Einwohner auf 256.000 Einwohner) und dies in weiterer Folge auch geringere Steuereinnahmen bedeutet. Vor allem die starke Veränderung der Bevölkerungsstruktur (wie in vielen anderen Städten auch) ist für zukünftige Konzepte wichtig.

All diese Problemfelder führten die Verantwortlichen dazu, im Rahmen der Initiative „Mönchengladbach 2030 – auf dem Weg zur aktivierenden Stadt“ im Forschungsverbund „Stadt 2030“ einen Leitplan für die Stadt zu erstellen. Im folgenden Kapitel werden neben dem Leitkonzept auch noch einige andere Projekte zur Schaffung einer Identität geschildert.

Auf dem Weg zu einer neuen Identität – Bausteine einer Identitätspolitik in Mönchengladbach

Wie bereits zuvor erwähnt mangelt es in Mönchengladbach an einer gesamtstädtischen Identifikation der BürgerInnen und politischen Instanzen. Das Ziel einer erfolgreichen Identitätspolitik in der Stadt ist es, ein klares Stadtprofil wiederaufzubauen und die Identifikation der BürgerInnenschaft mit der Gesamtstadt zu steigern (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.251)

Das verfolgte Endziel mag zunächst im ersten Ansatz als schwer erreichbar und plakativ gelten. Da sich der/die typische MönchengladbacherIn vornehmlich auf Stadtteil- oder Bezirksebene sozialen Kontakten zuwendet, wird ihn oder sie die fehlende Verbundenheit zur Gesamtstadt zunächst wenig stören. Was sollte da die Stadt als Ganzes zusätzlich bieten? Unter dieser Fragestellung war den Verantwortlichen schnell klar, dass die gesamtstädtische Ebene andere Identifikationspunkte benötigt, als dies auf Stadtteilebene zu finden ist (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.252).

Nach den Ergebnissen der Haushaltsumfrage existieren zurzeit in Mönchengladbach lediglich zwei Symbole, die die Stadt nach außen repräsentieren. Dies ist auf der einen Seite der Fußballverein Borussia Mönchengladbach und das Museum Abteiberg, wobei der Fußballverein mit Abstand als „das Aushängeschild“ gilt. Überraschendes Ergebnis der Umfrage in diesem Zusammenhang war, dass die nahezu 160 jährige Tradition in der Textil- und Textilmaschinenindustrie kaum mehr als Symbol gesehen wird. Dies ist insofern problematisch, da gerade in einer gemeinsamen Historie erste Ansätze für ein neues Miteinander geschaffen werden können (Rückbesinnung auf

55 Traditionen). Ein erstes Konzept, diese Einigung wieder zu schaffen, liegt in der Sanierung von alten Textilgebäuden und der Errichtung eines historischen Textilmuseum. Ob die Errichtung eines Museums auch wirklich Erfolg versprechend ist, kann auch durchaus kritisch betrachtet werden, da dadurch trennende Faktoren, wie zum Beispiel eine weitere Trennung zwischen Mönchengladbach und Rheydt, entstehen können. Ein weiterer Aspekt könnte in der Kontraproduktivität liegen, sich auf rückwärtsgewandte Themen zu konzentrieren, statt in die Zukunft zu blicken (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.253-255).

Die Entwicklung eines Leitbildes für die Stadt war ein klares Ziel, das während der Arbeiten im Rahmen des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ deklariert wurde. Im August 2007 wurde den BürgerInnen von Mönchengladbach der Leitplan „Mönchengladbach 2030“ präsentiert. Bei der Erstellung des Leitplanes wurde auch die Bevölkerung mittels Internet - Votum eingebaut. Zunächst soll nun kurz der Arbeitsablauf des Masterplans geschildert werden (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.256).

VertreterInnen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Vereinen, Verbänden und lokalen Eliten (BürgerInneninitiativen, BürgerInnenvereine, usw.); insgesamt 101 Personen bildeten verschiedene Fokusgruppen (sechs bis acht Personen), die sich verschiedenen Themen widmeten und Diskussionen darüber führten. Mittels SWOT Analyse (Stärken – Schwächen – Chancen – Risiken), Ergebnissen der Haushaltsbefragung, städtebaulichen- und sozioökonomischen Analysen und allgemeiner Umfeldentwicklungen wurden drei Zukunftsszenarien für die Stadt entwickelt. In diversen Infoveranstaltungen wurden alle Szenarien vorgestellt und per Internet Votum konnten sich die EinwohnerInnen für ein Szenario entscheiden. Das Szenario mit der Mehrheit bildete danach die Grundlage für die Erstellung des Leitbildes (siehe auch Abbildung 6) (Leitbild für die Stadt Mönchengladbach, 2008, S.4-5,).

Dazu muss an dieser Stelle, bevor die drei Szenarien noch beschrieben werden, festgehalten werden, dass die tatsächliche Vorgehensweise in Mönchengladbach schließlich eine andere war. Dies bestätigte auch auf Nachfrage Herr Stamm (Leiter der Fachabteilung Stadtentwicklung und Planung), der in der Stadtentwicklung auch maßgeblich am Projekt „Mönchengladbach 2030“ beteiligt war. Welche Änderungen stattfanden, wird in den folgenden Seiten noch genauer beschrieben.

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Abbildung 6: Arbeitsschritte des Projekts „Mönchegladbach 2030“; Quelle: Leitbild für die Stadt Mönchengladbach, 2008; eigene Darstellung

Die drei Szenarien wurden unter drei verschiedenen Titeln ausgeführt. Das Erste unter dem Motto „Zuschauer Szenario – Geruhsam im Windschatten“ in dem sich Mönchengladbach bis ins Jahr 2030 nicht wesentlich weiterentwickelt, aber auch keine groben Fehler gemacht hat. Das zweite beinhaltete das „Solist Szenario – der profilierte Nischenstandort“, bei dem sich die Stadt mit viel Aufsehen, radikaler Prioritätenfestsetzung und konsequenter Spitzenförderung präsentiert, wo der zurückgelegte Weg nicht ohne Risiko war. Das dritte Motto lautete „Orchester – Szenario – Vielfalt und Stärke durch Arbeitsteilung in der Region“ und ist Herz und Motto einer kraftvollen Region Niederrhein mit Mönchengladbach als treibendem Impulsgeber (Leitbild für die Stadt Mönchengladbach, 2008, S.4-5,).

Der ursprüngliche Plan der Stadt war, per Internet – Votum die BürgerInnen abstimmen zu lassen, um sich so auf ein Szenario zu stützten. Dieses Verfahren sah die Beteiligung aller EinwohnerInnen vor. Tatsächlich wurde dann beim Start des Votums nur eine stichprobenartige Erhebung durchgeführt (etwa 1.000 Votumsstimmen), die nach einiger Zeit gestoppt wurde. Eine Begründung lag daran, dass bei einer Beteiligung „von allen“ die Grundregeln der demokratischen Legitimierungen von kommunalen Entscheidungen zu respektieren waren. In dieser kurzen Abstimmungsphase gab es eine Tendenz („Stimmungsbild“) der Bevölkerung zum „Orchester – Szenario“, das die lokale Politik zur Kenntnis nahm, und in einem eigenen Abstimmungsverfahren (nur lokale PolitikvertreterInnen) bestätigte. Auf Grund dieser Auswahl wurde, wie bereits zuvor

57 beschrieben, dass Leitbild für Mönchengladbach entwickelt und ins laufende Projekt „Mönchengladbach 2030“ eingegliedert (Interview Stamm, Oktober 2010). Außer dem Leitbild für die Stadt wurde auch noch ein eigener Masterplan für die Innenstadt erstellt, um so die Identifikation des Kernbereiches zu fördern. Hier standen vor allem bauliche Maßnahmen und die Errichtung eines Einkaufszentrums im Vordergrund. Einen wesentlichen Schwerpunkt bekam er Alte Marktplatz, der zukünftig als neuer gemeinsamer Zentrumsplatz fungieren soll.

Mit diversen Stadtfesten, bis hin zu Autoaufklebern, wurde versucht das Image der Gesamtstadt zu verbessern (Göschel, 2005, in Difu, Band III, S. 279). Ob dies wirklich ein effizienter Weg ist, mittels Imagekampagnen zur Gemeinschaft aufzurufen, bleibt jedoch dahin gestellt.

Aktueller Umsetzungsstand

Das Projekt „ Mönchengladbach 2030 – auf dem Weg zu aktivierenden Stadt“ mit all seinen Teilprojekten, darunter auch die zuvor beschriebenen Konzepte des Leitbildes und des Masterplans Innenstadt, wurde nach Ende der Laufzeit (Jahr 2007) ohne konkreten Beschluss der Politik abgeschlossen, jedoch einstimmig zur Kenntnis genommen. Die Abteilung für Stadtentwicklung und Planung versuchte in einem erneuten Leitbildprozess „Mönchengladbach 2030 plus“ den Faden der Weiterentwicklung für eine gesamtstädtische Identifikation wieder aufzunehmen. Das Konzept wurde aber schließlich im Sommer 2010 von der Mehrheit der lokalen Politik abgelehnt, sodass es im Moment keine Umsetzung der Leitbilder bzw. daraus abgeleitete Projekte gibt. Es wird von Seiten der Stadtentwicklung und Planung auch kein neuerlicher Versuch gewagt ein neues Leitkonzept zu entwickeln, es sei denn, die lokale Politik gibt einen klaren Auftrag dazu (Interview Stamm, Oktober 2010).

2.3.6 Fazit

Das wohl schwierigste Thema im Rahmen des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ wurde in vielen Städten kontrovers diskutiert. Es ist keiner einzigen Stadt gelungen ein zufriedenstellendes Konzept oder gar Vision bis ins Jahr 2030 zu erstellen. Dies liegt auch am Begriff der Identität selbst, der wie bereits in Kapitel 2.3, schwer messbar und quantifizierbar ist.

Die wesentlichste Problematik, dies zeigte auch das Praxisbeispiel Mönchengladbach, liegt an den unterschiedlichen Identitäten verschiedener Maßstabsebenen (Stadtteile, Stadtbezirke, Gesamtstadt), die auch in Zukunft zu akzeptieren sind. Für eine gesamtstädtische Sichtweise

58 werden die Beteiligung und der Einbezug in das gesamtstädtische Leben, die Vermittlung positiver Aspekte der Gesamtstadt (Was bietet die Gesamtstadt, was einzelne Stadtteile nicht bieten können?), positive Außendarstellung und die Verbesserung der realen Lebensumstände (Freizeitangebote, wirtschaftliche Entwicklung, usw.) erforderlich sein (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.261).

Nur wenn sich BürgerInnen mit der eigenen Stadt identifizieren, werde sie sich aktiv in der Stadt beteiligen.

Ein positives Image der Stadt wirkt sich auch positiv auf die Identitätsbildung der Bevölkerung aus. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass ausgewählte Imagekampagnen gut durchdacht und gesteuert werden müssen, um so eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen. Dies kann zum Beispiel mittels Betonung der Stärken und Besonderheiten und dazu geeigneten PR – Maßnahmen erfolgen (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.261).

Gute innovative Ansätze der BürgerInnenbeteiligung (z.B. Online Votum), dies zeigte auch die Stadt Mönchengladbach, sind noch keine „Selbstläufer“ und beinhalten auch Gefahren (Informationsebene, beteiligen sich alle oder nur Eliten, usw.).

Die lokalen politischen TrägerInnen sind wichtige Bausteine für eine gelungene Identitätspolitik. Wie das Mönchengladbacher Beispiel zeigte, helfen beste Leitbilder und Masterpläne nichts, wenn politische Verantwortliche für keine klare Umsetzung sorgen (auch gesetzliche Festlegung). Der Rolle von BezirksvorsteherInnen kommt in der Zukunft eine tragende Rolle zu, die gerade in ihrem Stadtteil lebenden Menschen das Gefühl vermitteln müssen, gut aufgehoben zu sein, aber auch gleichzeitig den Blick für die Gesamtstadt zu bewahren (Hagen et al, 2005, in Difu, Band III, S.250).

Abschließend sei der Blick noch einmal auf Mönchengladbach gerichtet. Es bleibt abzuwarten, ob die spannende Situation der Unzufriedenheit dazu führt, dass sich eventuell einzelne Stadtteile (allen voran Rheydt) wieder als eigene Stadt sehen wollen und versuchen aus dem Gesamtkonzept der Stadt zu entfliehen.

59 3 Graz

Im nun folgenden Kapitel sollen die drei in Kapitel 2 genannten Themenfelder, Integration der Stadtbevölkerung, Regionalisierung und Identität einer Stadt an Hand der Stadt Graz genauer betrachtet werden. Die Auswahl der Stadt Graz erfolgte einerseits, weil in Graz Zugang zu relevanten Daten (z.B.: LQI Bevölkerungsbefragung, STEK 4.0 und 3.04) gegeben war und weil Graz eine lang zurückreichende Tradition von BürgerInneninitiativen hat, die seit jeher das „Stadtleben“ mitprägen und auch die Stadtentwicklung maßgeblich beeinflussen. Somit sind die BürgerInnen von Graz an der Entwicklung der Stadt interessiert (Interview Hagenauer, 2010).

Informationen zu Strategien und Schwerpunktsetzungen der Stadt Graz, im Bereich einer nachhaltigen Stadtentwicklung, wurden aus dem Entwurf des Stadtentwicklungskonzeptes 4.0 (STEK 4.0), mit Stand Oktober 2010, und zahlreichen Interviews bezogen. Mit dem STEK 4.0 werden von der Stadt Graz Entwicklungsvisionen bis ins Jahr 2025 festgehalten.

Nach einer kurzen Einführung über die Parameter, Daten und Fakten der Stadt, werden alle drei Themenfelder des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ aus der Perspektive der Stadt Graz beleuchtet. Dazu werden an Hand des „Grazer Modells für integrative Entwicklungsprozesse“ (siehe Kapitel 1.2) die drei Themenfelder im Zusammenhang mit dem STEK 4.0 und den Erkenntnissen der Interviews evaluiert, um so einen besseren Überblick der Entwicklung zu erlangen. Durch die Beurteilung sollen eventuelle Schwachpunkte bzw. gut funktionierende Bereiche aufgezeigt werden.

3.1 Graz – Daten/Fakten und Parameter

Graz ist die Landeshauptstadt der Steiermark, zweitgrößte Stadt Österreichs und liegt im Südosten Österreichs, zwischen dem Alpen – Adria und Donauraum. Die Stadt besitzt eine über viele Jahrhunderte reichende kulturelle Tradition mit zukunftsorientierten Perspektiven als moderner Dienstleistungs-, Kultur- und Wissenschaftsstandort. Innerhalb der Steiermark besitzt die Stadt die Funktion einer Kern- und Landeshauptstadt mit vorwiegenden Arbeitsplätzen im Handels-und Dienstleistungssektor (STEK 3.04, 2002, S.17-18).

Die infrastrukturelle Verkehrsanbindung der Stadt ist sehr gut, mit zwei Anschlüssen an Autobahnen und der Eisenbahnstrecke Süd (siehe Abbildung 7) bzw. mit dem zukünftigen Anschluss an die Koralmbahn (voraussichtlich Jahr 2018 - 2022).

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Abbildung 7: Übersichtskarte Österreich mit Nachbarländern mit der Lage der Stadt Graz und der Eisenbahnanbindung; Quelle: STEK 3.04, 2002

Abbildung 8: Übersicht der Europa Regionen in Österreich; Quelle: STEK 3.04, 2002

Die unmittelbare Nähe zu den Nachbarstaaten Slowenien und Ungarn spielt in einer zukünftigen neuen Europa - Region Südost (siehe Abbildung 8), in der die Stadt Graz als Zentrum fungieren kann, eine wichtige Rolle (STEK 3.04, 2002, S.18).

Als Schwerpunkt des zentralen Siedlungsgroßraumes hat Graz mit den Umlandgemeinden vielfältige Beziehungen, wo aber auch durchaus Konkurrenzsituationen vorzufinden sind. Darüber hinaus stellt die Stadt innerhalb des Verflechtungstraumes einen großen Anteil der Arbeitsplätze (STEK 4.0, 2010, S.6).

Als Wissensstandort ist Graz innerhalb Österreichs eine wichtige Kommune, mit insgesamt vier Universitäten, zwei Fachhochschulen und zahlreichen anderen Bildungseinrichtungen. Über 40.000 StudentInnen (Stand 2008) (sind ordentlich an beiden Bildungseinrichtungen gemeldet und) prägen

61 somit auch das kulturelle Stadtleben (STEK 4.0, 2010, S.66).

Seit dem Jahr 2002 verzeichnet die Stadt wieder einen Zuwachs in der Wohnbevölkerung (siehe Abbildung 9). Einen wesentlicher Grund des Anstieges ist auf die Um/Anmeldung von Hauptwohnsitzen und den daraus entstehenden Vorteilen (Wohnbeihilfe neu, GVB Zuschuss, etc.) zurückzuführen. Vor allem StudentenInnen nutzten diesen Anreiz, um deren Hauptwohnsitz nach Graz zu verlegen. Mit Stand 1. Juli 2010 lebten 259.038 Menschen in Graz, wobei in Graz mehr Frauen (52%) als Männer existieren (Homepage Stadt Graz, Stand September 2010).

Wohnbevölkerung seit 1945

270.000

260.000 257.898 253.873 250.000 247.150 240.515 240.000 238.992 230.000 228.406 226.244 220.000 Wohnbevölkerung 210.000 Wohnbevölkerung 200.000 196.426 190.000 1945 1955 1968 1978 1988 1998 2001 2009

Abbildung 9: Übersicht der Bevölkerungsentwicklung seit 1945; Quelle: Referat für Statistik der Stadt Graz, 2010

Ein Trendszenario, das im Stadtentwicklungskonzept 3.04 von Statistik Austria erstellt wurde, besagt ein weiteres Wachstum der Bevölkerung in Graz bis ins Jahr 2031 (siehe Abbildung 10).

62

Abbildung 10: Bevölkerungstrend der Stadt Graz bis ins Jahr 2031; Quelle: STEK 3.04, 2002

Die Bezirke , mit 35.247 EinwohnerInnen (Stand 2010), und , mit 30.953 EinwohnerInnen (Stand 2010), weisen die größten Bevölkerungszahlen auf. Der AusländerInnenanteil in Graz beträgt insgesamt 14,9 %, wobei der größere Anteil aus Nicht EU – Ländern stammt (siehe Abbildung 11) (Referat für Statistik der Stadt Graz, S.16, 2010). Als Vergleich dazu beträgt der AusländerInnenanteil in Linz (drittgrößte Stadt Österreichs) 14.8 % (Homepage der Stadt Linz, Stand September 2010) und in der Bundeshauptstadt Wien 21,2 % (Homepage der Stadt Wien, Stand September 2010). Somit ist in Graz, ein für Österreich typischer MigrantInnenanteil, zu bemerken.

9,67%

5,20%

ÖsterreicherInnen EU BürgerInnen Nicht EU BürgerInnen 85,13%

Abbildung 11: Anteil der ÖsterreicherInnen, EU BürgerInnen und Nicht EU – BürgerInnen in der Stadt Graz; Quelle: Referat für Statistik der Stadt Graz, 2010; eigene Darstellung

63

Wie die AusländerInnen in den Bezirken verteilt sind, wird noch im Kapitel 3.3 genauer betrachtet.

Zwei Drittel der hoch qualifizierten Arbeitsplätze der Steiermark befinden sich in der Stadt Graz. Im Gewerbe, der Industrie und dem Handel befinden sich die meisten Beschäftigten, wobei sich der Bereich, Information und Beratung im ständigen Wachstum befindet (siehe Abbildung 12). Somit ist in Graz der Dienstleistungssektor am bedeutendsten. Dieser Faktor ist auch in anderen europäischen Städten vorhanden (STEK 4.0, 2010, S.98-100). Betriebe/Beschäftigte gewerbliche Wirtschaft

Betriebe 1.791 Beschäftigte 129 1.724

25.080 1.073 1.400 21.635 19.036 40 386 8.906 9.992 4.625 4.564

Abbildung 12: Übersicht Betriebe und Beschäftigte gewerbliche Wirtschaft der Stadt Graz; Quelle: STEK 4.0, 2010; eigene Darstellung

Der Automobilcluster bildet nach wie vor einen wichtigen Beschäftigungssektor (siehe Abbildung 13), der aber in der Zukunft starken Herausforderungen (z.B.: Energie- und Mobilitätskosten, Standortkonkurrenzen auch mit Umlandgemeinden, Verkehrsanbindung der Güterfrachten), auch aus den benachbarten Staaten, gegenübersteht (STEK 4.0, 2010, S.98-100).

64 Beschäftigte im Technologiebereich 2007

Chemikalien; Elektrotechnik 538 /Elektronik; 1.054

Maschinenbau ; 3.797 Fahrzeugbau; 10.343

Abbildung 13: Übersicht der Beschäftigten im Technologiebereich der Stadt Graz; Quelle: STEK 4.0, 2010, eigene Darstellung

Die Stadt Graz tituliert ihren öffentlichen Auftritt mit mehreren „Markennamen“. Angefangen vom UNESCO Welterbe , zu dem die Grazer Altstadt seit dem Jahr 1999 und das Schloss seit 1. August 2010 gehören (Homepage der Stadt Graz, Stand September 2010), der City of Design , Stadt der Menschenrechte oder Jazzhauptstadt (G7 Stadtzeitung, Ausgabe 1. Mai 2010). Viele der eben genannten Auszeichnungen werden auch touristisch beworben. Welche Auswirkungen diese Markennamen auf die Stadtentwicklung haben, vor allem im Blickfeld der Identität, wird im Kapitel 3.5 dargestellt.

3.2 Stadtentwicklungskonzept 4.0 (STEK 4.0)

Gemäß dem Steiermärkischen Raumordnungskonzept ist die Stadt Graz verpflichtet, ein Stadtentwicklungskonzept, dass das übergeordnete Planungsinstrument mit mittel- und langfristigen Zielen der Stadt verbindlich für die nächsten 15 Jahre regelt, zu erstellen. Dieses Konzept bildet gleichzeitig die Grundlage für den Flächenwidmungsplan und in weiterer Folge auch für den Bebauungsplan der Stadt. Das STEK 4.0 hat sich darüber hinaus noch am überregionalen Entwicklungsprogramm Graz und Graz – Umgebung (REPRO) aus dem Jahr 2005 zu orientieren. Auswirkungen waren hier vorwiegend in den Grünzonen und Vorrangzonen für Siedlungsentwicklungen zu berücksichtigen. Bereits vor dem STEK 4.0 hatte die Stadt im Jahr 2002 das STEK 3.04 verordnet. Der wesentlichste Unterschied ist nunmehr, dass seit dem neuen Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 2010, das STEK 4.0 von der Steiermärkischen Landesregierung eine zu genehmigende Verordnung darstellt (STEK 4.0, 2010, S.1-11; Interview

65 Benedikt, 2010).

Im Stadtentwicklungskonzept sind acht Grundsätze enthalten, zu denen sich die Stadt bekennt. Alle Prinzipien können als zukünftige Ziele der Stadt Graz gesehen werden. Diese lauten: (STEK 4.0, 2010, S. 6). 1. Graz versteht sich als Motor der regionalen Entwicklung 2. Graz stellt ein ausgewogenes Gesamtsystem dar 3. Graz bekennt sich zu einer integrierten Stadtentwicklung 4. Graz bietet attraktive Lebensbedingungen im gesamten Stadtgebiet 5. Graz bekennt sich zu einem qualitätsvollen Wachstum 6. Graz bietet Urbanität und Vielfalt 7. Graz erhält seine Handlungsspielräume 8. Graz bekennt sich zu einer gelebten Baukultur

Die Stadt Graz hat im Zuge der Erstellung des STEK 4.0 ein 3 Säulen Modell entwickelt (siehe Abbildung 14), wodurch die Einbindung aller AkteureInnen und ein Zusammenspiel unterschiedlicher Ebenen und Fachbereiche erreicht werden soll. Im Wesentlichen werden die Ordnungsplanung und Entwicklungsplanung damit eingebunden (STEK 4.0, 2010, S.4). Zur Ordnungsplanung folgender Auszug aus dem STEK 4.0: „Die Instrumente der Ordnungsplanung sind eindeutig im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz definiert, ebenso Inhalt und Ablauf derselben. Die Stadt agiert in diesem Bereich hoheitlich, Ergebnisse werden über Verordnungen durch den Gemeinderat langfristig festgeschrieben. BürgerInnenbeteiligung beschränkt sich in diesem Bereich vorwiegend auf formale Anhörungen und Einwendungen.“ (STEK 4.0, 2010, S. 4)

Im Unterschied dazu ist die Entwicklungsplanung freier in Abläufen und Inhalten. Ergebnisse und Maßnahmen müssen nicht immer im Kontext der Raumordnung stehen und die Einbeziehung von BürgerInnen und unterschiedlichen Fachabteilungen ist wünschenswert. Die Ergebnisse sind nicht verbindlich (STEK 4.0, 2010, S.4).

66

Abbildung 14: Übersicht des 3 Säulen Modells der Stadtentwicklung Graz; Quelle: STEK 4.0, 2010

Im Stadtentwicklungskonzept wurden auch zwei Prozesse der Stadt Graz, der „BürgerInnenbeirat“ und die Planungswerkstatt „Zeit für Graz“, in Zusammenhang mit der Erstellung des STEK 4.0 berücksichtigt. Alle beiden Entwicklungsprozesse sind noch in der Stadtpolitik verankert und werden als BürgerInnenbeteiligungsprozesse zusammengefasst (Interview Benedikt, 2010).

Im Zeitraum Herbst 2006 bis Winter 2007 wurde ein öffentlicher Prozess mit dem Titel Planungswerkstatt „Zeit für Graz “ durchgeführt, in dem konkrete konsensfähige Maßnahmen zur Stärkung der Lebensqualität und der Attraktivität der Stadt formuliert wurden. Es wurden dazu in allen 17 Grazer Bezirken Workshops mit der Bevölkerung durchgeführt. Die Ergebnisse der Planungswerkstatt liegen seit dem Jahr 2007 in Form eines Aktionsprogrammes mit Handlungsempfehlungen der Politik vor (Homepage der Stadt Graz, Stand September 2010, Aktionsprogramm Zeit für Graz, 2007). Seit Ende der Planungswerkstatt gibt es eine Weiterführung des Prozesses unter dem Titel „Mehr Zeit für Graz“, wo engagierte BürgerInnen von Graz die Umsetzung der Projekte aus Zeit für Graz unterstützend begleiten (Homepage Mehr Zeit für Graz, Stand September 2010).

Der „BürgerInnenbeirat“ der Stadt Graz besteht aus Teilen der engagierten BürgerInnen aus „Mehr Zeit für Graz“ und wurde im Februar 2009 in der Stadt tätig. Der Beirat soll ebenfalls die Projekte aus „Zeit für Graz“ unterstützend begleiten. Zurzeit (Stand Oktober 2010) sind elf ehrenamtliche

67 Mitglieder für zwei Jahre beratend tätig und dürfen keine politische Funktion vorweisen. Welche VertreterInnen im Beirat sind, wird vom Team Mehr Zeit für Graz bestimmt (Geschäftsordnung für den Beirat für BügerInnenbeteiligung, 2010, S.2).

Abschließend ist festzuhalten, dass Ziele und Maßnahmen des STEK 4.0, nur dann zu verordnen sind, wenn sie entsprechende Raumrelevanz besitzen und auf der Ebene der örtlichen Raumordnung umsetzbar sind. Programme ohne die entsprechende Relevanz sind Handlungsanleitungen für einzelne Fachabteilungen und sind als eine Art raumordnungspolitisches Programm zu verstehen (STEK 4.0, 2010, S. 11).

3.3 Themenfeld Integration in der Stadt Graz

Wie bereits in Kapitel 3.1 geschildert wurde, ist der Anteil der MigrantenInnen in Graz mit 14,9 % durchaus im österreichischen Durchschnitt. In den letzten Jahren war in Graz ein konstanter Anstieg der AusländerInnen zu verzeichnen. Seit dem Jahr 2008 ist der Anteil etwa gleichbleibend. Wie in vielen Städten ist auch in Graz die Verteilung der ausländischen Bevölkerung unterschiedlich. Vor allem zwei Bezirke sind bei dieser Thematik besonders wichtig. Dies sind die Bezirke Lend und Gries, bei denen der Anteil der ausländischen Bevölkerung (Nicht – EU BürgerInnen) über dem Schnitt der Stadt liegt (siehe Tabelle 2 und Abbildung 15) (Referat für Statistik der Stadt Graz, 2010, S.42).

Tabelle 2: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Prozentanteilen an ÖsterreicherInnen, EU – BürgerInnen und Nicht – EU BürgerInnen; Quelle: Referat für Statistik der Stadt Graz, 2010

68

Abbildung 15: Übersicht der 17 Grazer Bezirke, wobei 4= Lend und 5= Gries; Quelle: Referat für Statistik der Stadt Graz, 2010

Wie wichtig das Thema Integration in diesen beiden Bezirken ist, spiegelt sich auch in der LQI Bevölkerungsbefragung, im Zeitraum von Oktober 2008 bis Jänner 2009, die in allen Grazer Bezirken durchgeführt wurde, wider. Dazu wurden 7.429 (etwa 2,7 % der Grazer Bevölkerung) Haushalte zur Lebensqualität in der Gesamtstadt und den Stadtbezirken befragt. Dafür wurden 11 Basisindikatoren herangezogen (von Nahversorgung über Bildung bis hin zum Zusammenleben). Laut den Ergebnissen sind rund 91 % der GrazerInnen gerne in ihrem Stadtteil beheimatet. Beim Vergleich der Stadtteile sind die zuvor genannten Bezirke, Gries und Lend, mit etwa 80 % am Ende der Wertung (siehe Abbildung 16) (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S.9-11).

Abbildung 16: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Prozentanteilen der Befragung „wie gerne lebe Sie in ihrem Stadtteil“; Quelle: LQI Bevölkerungsbefragung, 2009

69 Noch drastischer fällt das Ergebnis der beiden Bezirke im Vergleich der Lebensqualität der einzelnen Bezirke aus. So sehen etwa nur 55 % der BewohnerInnen von Gries eine bessere Lebensqualität in ihrem Bezirk gegenüber den anderen Stadtteilen (siehe Abbildung 17). Somit wird deutlich, dass in beiden Vierteln die wohnhafte Bevölkerung im Vergleich zu den anderen EinwohnerInnen, eher unzufrieden mit ihrem Bezirk ist (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S.11).

Abbildung 17: Übersicht der 17 Grazer Bezirke beim Vergleich der Lebensqualität ihres eigenen Bezirkes im Vergleich zu einem anderen Bezirk; Quelle: LQI Bevölkerungsbefragung, 2009

Bei der Betrachtung der Wohnjahre der Bevölkerung in den Bezirken ist auffallend, dass sich gerade die beiden Bezirke im Vergleich zu den anderen Vierteln durch eher heterogene Geflechte auszeichnen. So weist der Bezirk Gries einen gleichen Anteil von EinwohnerInnen, die seit mehr als 20 Jahren im Bezirk wohnen und den EinwohnerInnen die weniger als fünf Jahre im Bezirk wohnen, aus. Ähnlich verhält es sich auch im Bezirk Lend. Welche Gefahren davon ausgehen können, wurde bereits ausführlich in den Kapiteln 2.1.2 geschildert („Fahrstuhl nach unten“). Fast alle Außen(rand)bezirke (, , Gösting, Andritz, , Eggenberg und ) bestehen zu einem großen Teil aus EinwohnerInnen, die seit mehr als 20 Jahren in ihrem Bezirk wohnen (siehe Abbildung 18). Bis auf Eggenberg weisen auch alle Randbezirke einen geringen Anteil der Nicht – EU BürgerInnen auf (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S.9-11).

Dies zeigt deutlich welche Gefahren die Bezirke Gries und Lend vorfinden können. In einigen

70 Straßenzügen sind auch bereits erste Segregationstendenzen erkennbar, die sich auch an den geringen Mietpreisen und der Qualität und Dichte an Infrastruktur für den täglichen Bedarf zeigen, die auf die Migrationsbevölkerung zurückzuführen ist (STEK 4.0, 2010, S. 61).

Abbildung 18: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit den Aufenthaltsjahren der Wohnbevölkerung; Quelle: LQI Bevölkerungsbefragung, 2009

71 Im STEK 4.0 wird das Thema Integration als eigenes Kapitel behandelt, was die Relevanz des Themas für eine zukünftige Stadtentwicklung unterstreicht. Darin werden noch einmal die zuvor genannten Bezirke Gries und Lend als Migrationsviertel ausgewiesen und ein interkulturelles Image attestiert. Eine weitere Problematik dieser Bezirke liegt in geringen öffentlichen Freiflächenausstattungen, da beide Bezirke dicht besiedelt sind. Interessant erscheint, dass die Bezirke Eggenberg, Gösting und Jakomini als zukünftige relevante Migrationsbezirke ausgewiesen werden, da erwartet wird, dass der Anteil der AusländerInnen in diesen Bezirken, auch durch Maßnahmen in der Wohnpolitik, in den nächsten Jahren steigen wird (STEK 4.0, 2010, S.58-62). Dies wird auch durch Abbildung 19 verdeutlicht, wo nach der Frage wie sich der jeweilige Bezirk in den nächsten fünf Jahren entwickeln wird, die Bezirke Jakomini, Gösting und Eggenberg relativ hohe Werte bei den erwarteten Verschlechterungen aufweisen. Auf der anderen Seite erwarten in den Bezirken Gries und Lend die EinwohnerInnen nur eine geringe Verbesserung für die nächsten fünf Jahre (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S.14).

Abbildung 19: Übersicht der 17 Grazer Bezirke mit der erwarteten Situation von 2008 - 2013; Quelle: LQI Bevölkerungsbefragung, 2009

72 Einen wichtigen Beitrag im Bereich der städtischen Integration liefert der Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz aus dem Jahr 2009 (siehe dazu auch Kapitel 3.3.2). Auffallend an den Ergebnissen dabei ist, dass vor allem MigrantInnen in den Bezirken Gries, Lend und Jakomini die Stadtreinigung für unzureichend befinden. Des Weiteren werden beengte Wohnverhältnisse, das Fehlen von Räumlichkeiten zur Kontakaufnahme mit ÖsterreicherInnen und die erschwerten Möglichkeiten Wohnungen in anderen Stadtteilen, auf Grund des Migrationshintergrundes, zu erwerben oder zu mieten, genannt. Der Bericht hält fest, dass in den Bezirken Gries und Lend die Segregation bereits fortgeschritten ist (Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz, 2009, S. 6-8).

Im Bericht werden aber auch positive Aspekte in der Stadt geschildert. Unter anderem werden die Grün- und Parkanlagen, vor allem der Oeverseepark im Bezirk Gries, der im Zuge des EU Städteprojektes URBAN I errichtet wurde, als Erhöhung der Lebensqualität und des Miteinanders gesehen. Ebenfalls positiv wurde die soziale Durchmischung in den Gemeindewohnungen hervorgehoben und das gute Angebot an Nachmittagsbetreuungen in den Bezirken (Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz, 2009, S. 9-11).

3.3.1 STEK 4.0 und Integration

Wie bereits zuvor erwähnt beschäftigt sich das STEK 4.0 in einem eigenen Kapitel mit dem Thema der Integration der Stadtbevölkerung. In diesem Kapitel sollen nun kurz die Maßnahmen der Stadt zu diesem Schwerpunkt geschildert werden.

Zunächst weist das Stadtentwicklungskonzept darauf hin, dass sich die Stadt Graz als Menschenrechtsstadt weiterhin bekennt und die Zuwanderung als Instrument der Bevölkerungsentwicklung sieht (STEK 4.0, 2010, S. 61). Dazu will die Stadt Menschen mit Migrationshintergrund in allen Ämtern installieren. Eine soziale Durchmischung unter der Bedachtnahme der freiwilligen Segregation einzelner Bevölkerungsgruppen soll gefördert werden (siehe dazu auch Kapitel 2.1.2) und eine Stadtteilarbeit in Verbindung mit Sozialraumorientierung initiiert werden. Des Weiteren wird im STEK 4.0 die Erstellung und Umsetzung eines Integrationskonzeptes mit einem entsprechenden Zeitplan angestrebt (STEK 4.0, 2010, S. 62).

Aus städtebaulicher Sicht sollen interkulturelle Kleingärten in dicht bebauten Gebieten mit hoher Anzahl an sozial Benachteiligten oder MigrantInnen geschaffen werden (STEK 4.0, 2010, S.62).

73 Im Bereich der Jugendintegration liegt einer der größten Schwerpunkte im Stadtentwicklungskonzept. So sollen unter anderem der Ausbau der Jugend Streetwork vorangetrieben werden und Jugendliche in Beteiligungsprozesse eingebunden werden. Gerade in den Bezirken Gries, Lend und Jakomini ist die Dichte der Jugendlichen unter 15 Jahren sehr hoch (siehe Abbildung 20). Hier wird, im Hinblick auf eine gelungene Integration, bei den Jugendlichen vermehrt angesetzt. Dazu wurde auch intensiv mit dem Grazer Jugendamt bei der Erstellung des STEK 4.0 im Bereich der Integration gearbeitet. Diese Kooperation ist jedoch noch in der Entstehungsphase und ist damit noch nicht völlig umgesetzt (Interview Benedikt, 2010).

1

2 3

Abbildung 20: EinwohnerInnen bis 15 Jahre/ha Grazer Stadtgebiet, wobei 1=Lend, 2=Gries und 3=Jakomini kennzeichnet; Quelle: STEK 4.0, 2010, eigene Darstellung

74 3.3.2 Projekte im Bereich der Integration

Seit dem Jahr 1996 ist in der Stadt Graz ein MigrantInnenbeirat installiert, der sich mit allgemeinen Zuwanderungsproblemen beschäftigt. Unter die Obhut des Beirates fallen auch fünf Migrationsvereine, die jährlich bei einem Tag der offenen Tür, Auskunft über die Tätigkeiten des Vereines geben. Zurzeit (Stand Februar 2011) umfasst der Beirat neun Mitglieder, wobei alle Mitglieder Migrationshintergrund aufweisen. Jährlich erstellt der Beirat einen Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz , deren Ergebnisse (aus dem Jahr 2009) auch im STEK 4.0 teilweise eingebunden wurden. Die Erhebung vom Jahr 2009 umfasste Informationen von sieben Informationsveranstaltungen bei Migrationsvereinen, an denen insgesamt 367 MigrantInnen teilnahmen. Im Oktober 2010 wurde vom Beirat eine Broschüre mit dem Titel ABC Veranstaltungsorte herausgegeben, wo alle Einrichtungen und öffentliche Institutionen beschrieben werden, wo ein kulturelles Miteinander stattfinden kann (Homepage der Stadt Graz, Stand September 2010).

Ein anderes Projekt widmet sich dem Bezirk Lend, im speziellen dem sogenannten „Annenviertel“ des Bezirkes. Hier wurde im Herbst 2009 ein Pilotprojekt zur Stadtteilarbeit eingeleitet. Durch das Stadtbauamt Graz und die Caritas Steiermark wurde im Pavillon im Grazer Volksgarten jeden Donnerstagnachmittag ein Stadtteiltreff eingeführt. Das Programm des Stadteiltreffens richtet sich nach den BürgerInnen und den Initiativen des Viertels. Ziel ist es, die Aktivierung der Bevölkerung und Vernetzung von bestehenden Ressourcen innerhalb des Stadtteils zu fördern. Ebenso soll das Miteinander innerhalb des Stadtteiles langfristig gestärkt werden (Homepage der Stadtentwicklung Graz, Stand September 2010; Interview Benedikt, 2010).

3.3.3 Bewertung Themenfeld Integration in Graz

In diesem Kapitel erfolgt die Bewertung des Themenfeldes Integration der Stadtbevölkerung an Hand des Grazer Modells für integrative Entwicklungsprozesse (siehe dazu auch Kapitel 1.2) aus den Erkenntnissen des STEK 4.0 und den ExpertInnenterviews.

Im Bereich des Feldes Leadership & Vision kann festgehalten werden, dass eine gemeinsame Vision der Stadtentwicklung in Graz besteht. Auch im Bereich der Integration ist eine Vision mit einem klaren Ziel erkennbar (freiwillige Segregation, siehe Kapitel 3.3.1). Dies wird nicht nur durch ein eigenes Kapitel im STEK 4.0 unterstrichen, sondern ist auch durch andere Abteilungen, in diesem Fall die Jugend- und Integrationsstelle, eingebunden wurden, erkennbar. Diese Fachabteilungen

75 stellten ihr ExpertenInnenteam für die Thematik selbst zusammen (Interview Benedikt, 2010). Auch die momentanen Bezirke, die eine hohe Migrationsanzahl aufweisen (Lend und Gries), werden im STEK 4.0 ausgewiesen und der zukünftige Blick in neu aufkommende Migrationsviertel (Jakomini, Gösting, Eggenberg) gewagt. Der „Leader“ im Bereich der Integration ist das Stadtbauamt, wo auch die Stadtentwicklung beheimatet ist. Das Stadtbauamt übernimmt die Koordination des Bereiches mit den zuvor genannten Abteilungen. Auf Grund dieser Erkenntnisse kann im Bereich des Leadership und Vision von Transactional Leadership (siehe Abbildung 21) gesprochen werden. Klare Innovationen im Bereich der Integration fehlen in Graz, somit mangelt es an klaren Aktivitäten und Visionen in den Bezirken Gries und Lend. Durch die zuvor genannten Kooperationen mit den Abteilungen ist im Bereich der sozialen Netzwerke die Form der Collaboration (siehe Abbildung 21) erreicht. Die Zusammenarbeit mit der Jugend- und Integrationsstelle ist noch relativ jung und daher fehlen auf dieser Ebene noch wichtige Erfahrungswerte (z.B.: Erfahrungen aus dem Pilotprojekt „Annenviertel“). Im Vergleich dazu ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Abteilung Verkehrsplanung sehr gut ausgeprägt. Dies liegt auch an der traditionellen Einbindung der Fachabteilung an den zuvor erstellten Stadtentwicklungskonzepten (Interview Bendedikt, 2010).

Die Bevölkerung wurde beim Themenfeld Integration im STEK 4.0 nur mittels Informationen beteiligt. Der MigrantInnenbeirat und BürgerInnenbeirat wurden in den Prozess miteingebunden. Somit wurden auch die Teile aus dem Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz (aus dem Jahr 2009) und dem Prozess „Zeit für Graz“ (die Themen Miteinander Leben) im Stadtentwicklungskonzept integriert. Jedoch ist die Zusammensetzung des BürgerInnenbeirates aus Sicht des Stadtbauamtes nicht ideal, da der Beirat keine repräsentative Zusammensetzung (verschiedene Altersgruppen, verschiedene soziale Bevölkerungsschichten) besitzt. Generell ist der Beteiligungsprozess der Grazer Bevölkerung am STEK 4.0 starr vorgegeben (meistens Informationsveranstaltungen) (Interview Benedikt, 2010). Daher ist das Thema Integration im Bereich der Partizipation eher auf Scheinbeteiligung (Konsultation) (siehe Abbildung 21) angelegt. Im Bereich der Lern- und Bildungsfähigkeit ist zwar ein klares Ziel erkennbar, aber es fehlen hier wichtige Einrichtungen um diese Fähigkeiten zu stärken (siehe dazu auch Kapitel 3.3, Fehlen von öffentlichen Einrichtungen zur Kontaktaufnahme mit ÖsterreicherInnen). Vom Stadtbauamt wurde zwar auch das Stadtentwicklungskonzept 3.04 evaluiert, um daraus neue Lernfähigkeiten auf das neue STEK 4.0 anzuwenden, jedoch war im alten Entwicklungskonzept der Bereich der Integration noch nicht integriert (Interview Bendedikt, 2010; STEK 3.04, 2002; STEK 4.0, 2010). Auf Grund dieser Tatsache ist der Bereich der Integration des STEK 4.0 noch in der Single – Loop – Learning (siehe Abbildung 21) Ebene.

76 Forschungsintegration passiert im STEK 4.0 im Bereich der Integration eher disziplinär (siehe Abbildung 21) unter den einzelnen Abteilungen selbst. Im Fall der Integration der Stadtbevölkerung erfolgt dies über die Jugend- und Integrationsstelle, die wiederum ein ExpertenInnenteam zusammenstellen. Die Einbindung von Universitäten oder Fachhochschulen konnte nicht festgestellt werden. Interessant ist, dass die Einbindung der zuvor genannten Abteilungen von der Stadtbaudirektion als extern gesehen wird, weil diese Fachabteilungen nicht unmittelbar der Stadtbaudirektion angehören. Beide Institutionen obliegen aber dem Magistrat Graz.

Abbildung 21: Integration: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse; Quelle: nach Mader, 2009, eigene Darstellung

3.3.4 Fazit Themenfeld Integration in Graz

Als allgemeines Fazit der Integration ist zu Beginn festzuhalten, dass sich die Stadtentwicklung in Graz dem Thema generell widmet. Dies war in der Vergangenheit nicht der Fall (z.B.: STEK 3.04), somit kann dieser Schritt positiv vermerkt werden. Auch der MigrantInnenbeirat in der Stadt ist eine gute Einrichtung und sollte noch mehr, als dies der bisherige Augenschein vermuten lässt, in das Geschehen der Stadt eingebunden werden.

77 Dennoch entsteht der Eindruck, dies unterstreicht auch die Bewertung des Themenfeldes (siehe Abbildung 21), dass erst der Startschuss der Integrationsmaßnahmen erfolgt ist. Die beiden Bezirke Gries und Lend sind seit Jahren durch eine hohe Anzahl an MigrantInnen gekennzeichnet (siehe Kapitel 3.3). Es kann festgehalten werden, dass viele GrazerInnen bei der Wohnungssuche diese Viertel, auch auf Grund von Vorurteilen (hoher MigrantInnenanzahl) und negativen Berichten (Kriminalität), bewusst meiden (Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz, 2009, S. 9-11). Durch die statistischen Daten (siehe Kapitel 3.3) und den zuvor genannten Vorurteilen ist ein dringender Handlungsbedarf gerade in diesen Stadtteilen gegeben. In erster Linie ist eine ausgewogene Stabilität in der Bevölkerung zu schaffen, weil labile Gesellschaften schwerer eine gelungene Integration bewerkstelligen können (siehe Kapitel 2.1.2). Gerade wenn die Ergebnisse der LQI Bevölkerungsbefragung im Vergleich der elf Basisindikatoren (Nahversorgung, Gesundheitsthemen und Serviceeinrichtungen, Lebenshaltungskosten, Wohnsituation und Zusammenleben, Umweltsituation, Erholungs- und Freizeitwert, Sicherheit, Arbeitsplatzsituation, Verkehrssituation, Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen) betrachtet werden, sind in Gries und Lend in den Bereichen Sicherheit, Wohn- und Zusammenleben und der Umweltsituation die größten Handlungsbedarf (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S. 59). In eine ähnliche Richtung zielen, und dies sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, die Ergebnisse aus dem Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz (siehe 3.3.2) (spiegelt sich auch in der Beurteilung der Lern- und Bildungsfähigkeit wider).

Somit würden eigentlich genug Parameter zur Verfügung stehen, um daraus entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Eine zwar klare Position (siehe nachfolgenden Absatz) wird im Bereich der Integration vertreten, wie diese Entwicklung stattfinden soll, ist im STEK 4.0 nicht offensichtlich erkennbar. Dies verdeutlichen auch die noch fehlenden Projekte im Bereich der Integration.

Graz setzt auf freiwillige Segregation und ethnisch – kulturelle Vielfalt , was auch im Stadtentwicklungskonzept festgehalten wurde. Damit befindet sich die Stadt in der Gesellschaft von vielen europäischen Städten. Das Bekenntnis zur Aufsuche von Wohnungen alleine durch die Präferenz der BewohnerInnen (freiwillige Segregation) ist mit Sicherheit positiv zu bewerten. Ob und in wie weit dazu bereits Schritte gesetzt wurden, lässt sich schwer nachvollziehen. Der Bericht zur Lage der MigrantInnen in Graz lässt im Moment gegenteiliges vermuten (siehe dazu auch Kapitel 3.3 und Seite 73). Der Faktor Zeit und die Miet- und Wohnpreisverhältnisse spielen bei der Segregation eine wichtige Rolle (siehe Kapitel 2.1.2). In den Bezirken Gries und Lend sind im Moment eher unfreiwillige Segregationstendenzen erkennbar (siehe dazu Kapitel 3.3). Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ stellte fest, das Sozialwohnungen (z.B.: Gemeindewohnungen)

78 gute Integrationschancen ermöglichen, da ein ausgewogenes Wohnverhältnis von Einheimischen und MigrantInnen besteht (siehe Kapitel 2.1.2 und Kapitel 3.3, Bericht zu Lage der MigratInnen in der Stadt Graz). Doch, wie in fast allen anderen Städten auch, ist in Graz die Abnahme der öffentlichen Hand im Bereich der Gemeindebauten erkennbar.

Subsysteme (Betriebe, kulturelle Einrichtungen), wie sie auch in Kapitel 2.1.2 beschrieben wurden, sind elementare Merkmale für eine funktionierende Integration. Allerdings wird die Schaffung von Arbeitsplätzen in der modernen Gesellschaft immer schwieriger wird, ist dieses System stark gefährdet, um Integration zu fördern und dient somit kaum noch für die Integration (Zunahme von ethnischer Heterogenität, öffentliche Unterstützung nimmt ab). Gerade in diesen Bereichen bedarf es der Forschung um eventuelle neue Subsysteme (Sportgemeinschaften, Migrationswochen mit verschiedenen Aktivitäten. Internationale Kochkurse, etc.) oder andere Zugänge zu schaffen, die Stabilität und Sicherheit bringen. Wie die Beurteilung zeigte, fehlen aber in Graz im Bereich der Integration transdisziplinäre Zusammenarbeiten. Somit bestünde für Graz eine große Chance, durch entsprechende Zusammenarbeit mit Universitäten, Fachhochschulen oder Höheren Schulen das Thema Integration zu fördern und neue Erkenntnisse im Bereich des gemeinsamen Stadtlebens zu erfahren.

Abschließend sei die Verknüpfung zu den Themenfeldern Regionalisierung und Identität erwähnt, weil die beiden anderen Sachbereiche zu einer gelungenen Integration beitragen. So ist bei einer zukünftigen Stadtregion Graz wichtig, zukünftige Bezirke mit steigender MigrantInnenzahlen, entsprechend zu beachten, um den Wegzug der „reichen“ Bevölkerung aus der sozial heterogenen und dichtbebauten Stadt an die Stadtränder zu vermeiden (sieh dazu Begriffe „Fahrstuhl nach unten“ in Kapitel 2.1.2, „Zwischenstadt“ in Kapitel 2.2.1). Durch die initiierte Stadtteilarbeit werden erste Schritte zu einer Identität (allen voran in den Bezirken Gries und Lend) geschaffen, die in Zukunft noch weiter forciert werden müssen, um die Bevölkerung im Bereich der Integrationsbeteiligung zum Mitmachen zu bewegen. In wie weit die Bevölkerung dieses Angebot in Zeiten der Individualisierung annimmt, bleibt abzuwarten.

Graz muss im Themenfeld der Integration rasche und gelungene Aktionen starten, um für die Zukunft der Thematik gewachsen zu sein und um steuernd eingreifen zu können.

79 3.4 Themenfeld Regionalisierung in der Stadt Graz

Die Stadt Graz ist für den Zentralraum der Steiermark der wichtigste Impulsgeber für das Bundesland. Im Steiermärkischen Raumordnungsgesetz ist der Begriff Steirischer Zentralraum ein elementarer Bestandteil und umfasst die politischen Bezirke Graz, Graz – Umgebung und Voitsberg mit insgesamt 83 Gemeinden. Dadurch bildet das Raumordnungsgesetz zusammen mit dem in Kapitel 3.2 beschriebenen regionalen Entwicklungsprogramm (REPRO) die rechtliche Basis für eine gemeinsame Entwicklung der Stadt Graz (damit auch dem STEK 4.0) mit den Umlandgemeinden. Die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung sieht gerade in diesem Zentralraum ein starkes Wachstum (siehe Abbildung 10). Auch im Bereich der Arbeitsplätze wird die Grazer Stadtregion von enormer Bedeutung sein. Der Übergang von Stadtgebiet in die Umlandgemeinden entlang administrativer Grenzen ist jedoch durch die starke siedlungsstrukturelle Überformung nicht mehr wahrnehmbar. Damit verbunden sind die Faktoren, die in Kapitel 2.2 (vor allem in Bezug auf die „Zwischenstadt“) ausführlich beschrieben wurden, bereits auch in Graz spürbar. Die funktionalen Beziehungen wie Wohnen, Arbeit, Einkauf oder Freizeit erfolgen zwischen der Kernstadt Graz und den Umlandgemeinden seit mehreren Jahrzehnten (STEK 4.0, 2010, S. 1).

Laut der Steiermärkischen Landesstatistik leben mit Stand von 1. Jänner 2010 rund 405.000 Menschen im Zentralraum der Steiermark (Homepage der Landesstatistik, Stand September 2010). Im Jahr 2006 wurde eine regionale Bevölkerungsprognose bis ins Jahr 2031 für die Steiermark erstellt. Diese Prognose unterstreicht den bereits zuvor genannten Bevölkerungszuwachs des Zentralraumes der Steiermark und insbesondere der Stadt Graz. Auffallend in Tabelle 3 ist, dass alle angeführten Top – Zuwachs Gemeinden im politischen Bezirk Graz – Umgebung liegen und somit eindeutig zur zukünftigen Grazer Stadtregion zählen (Regionale Bevölkerungsprognose, 2006, S.26-27).

80 Gemeinde/Stadt Zuwachs in % bis 2031 Graz 11,3 Seiersberg 43,0 Mellach 40,2 Kalsdorf bei Graz 30,9 Grambach 32,0 Feldkirchen bei Graz 22,8 Raaba 28,3 Tabelle 3: Top Zuwächse der Bevölkerung nach Gemeinden; Quelle: Regionale Bevölkerungsprognose Steiermark, 2006

Ein weiterer augenscheinlicher Aspekt besteht darin, dass sich die Stadt Graz deutlich mehr in Richtung Süden ausbreitet, was vor allem an der topographischen Situation der Stadt liegt (im Norden durch Bergzüge kaum Ausdehnung möglich, siehe Abbildung 22).

Abbildung 22: Übersicht der Stadt Graz mit der Ausbreitung in Richtung Süden; Quelle: Google Maps, 2011

An dieser Stelle soll ein kurzer Überblick über die Kernthemen des REPRO, die gleichzeitig auch für das STEK 4.0 gelten und im Stadtentwicklungskonzept in einem eigenen Kapitel behandelt werden, im Gebiet der Grazer Stadtregion gegeben werden. Für die Kernstadt Graz wurden Vorrangzonen, die besondere Relevanz im Kontext einer „Zwischenstadt“ haben, aufgenommen. Diese Vorrangzonen sind: (STEK 4.0, 2010, S.2)

81 • Grünzonen ; Baulandanweisungen unzulässig, Plabutsch, Buchkogel und das gesamte östliche Grazer Hügelland • Vorrangzonen für die Siedlungsentwicklung ; Mindestbebauungsdichte vorgeschrieben, Innenstadt mit Personennahverkehr • Landwirtschaftliche Vorrangzonen ; kleine Flächen ausgewiesen, auf Grund der dort befindlichen Landwirtschaftlichen Fachschule Grottenhof • Vorrangzone für Industrie und Gewerbe ; für überregionale Bedeutung, im Bereich Liebenau und Messendorf Eine wesentliche Problematik liegt in den Konkurrenzsituationen bei den Bereichen Wohnen und Gewerbe. Da der Baugrund im Grazer Umland billiger ist als in der Kernstadt selbst (dazu werden von der Gemeinde oft Aufschließungskosten für Strom, Wasser und Kanal bezahlt), wohnen viele bzw. entschließen sich viele Menschen in unmittelbarer Nähe der Stadt zu bauen. Durch diesen Effekt profitieren Umlandgemeinden auch in finanzieller Hinsicht (Steuerabgaben, usw.). Da sich einige Einkaufszentren in den Umlandgemeinden angesiedelt haben, allen voran die Shopping City Seiersberg, die mit einer Verkaufsfläche von 74.000 m 2 das zweitgrößte Einkaufszentrum Österreichs ist (Homepage Immobilien Magazin, Stand September 2010), entgehen der Stadt wichtige wirtschaftliche Einnahmen. In wie weit dies auch für die zukünftige gemeinsame Kooperation schwierig werden könnte, zeigt Tabelle 4, in der die zehn reichsten Gemeinden (gemessen an der Steuerkopfquote) der Steiermark aufgelistet sind. Drei Gemeinden (färbige Darstellung) grenzen an die Stadt Graz.

Die Gemeinden mit der höchsten Steuerkraft - Kopfquote 2008 Rang Gemeinde Bezirk Kopfquote in € 1 Raaba Graz - Umgebung 2.739 2 Unterpremstätten Graz - Umgebung 2.116 3 Bad Radkersburg Radkersburg 1.827 4 Lannach Deutschlandsberg 1.757 5 Graz - Stadt Graz 1.662 6 Grambach Graz - Umgebung 1.563 7 Feldbach Feldbach 1.510 8 Krottendorf Weiz 1.477 9 Leoben Leoben 1.473 10 Kapfenberg Bruck/Mur 1.434

Tabelle 4: Übersicht der zehn reichsten Gemeinden der Steiermark; Quelle: Steuerkopfquoten Land Steiermark, 2008; eigene Darstellung

82 3.4.1 STEK 4.0 und Regionalisierung

Wie bereits zuvor erwähnt, beinhaltet das STEK 4.0 auch die Thematik der Regionalisierung in einem eigenen Kapitel mit dem Titel Regionalentwicklung und internationale Beziehungen. Welche rechtlichen Grundlagen dem STEK 4.0 zu Grunde liegen wurde bereits in Kapitel 3.4 ausführlich beschrieben.

Das Stadtentwicklungskonzept der Stadt Graz weist neben den zuvor genannten Vorrangzonen noch ein weiteres Projekt, das EU Projekt URBANplus und Regionalmanagementbüro (Regionalmanagement Graz und Graz – Umgebung) aus. Vor allem URBANplus bildet im STEK 4.0 einen zentralen Prozess (siehe Kapitel 3.4.2).

Bereits bestehende Kooperationen, primär Wasser- (z.B.: Kläranlage Gössendorf) und Abfallverbände (z.B.: Restmüllentsorgung in Frohnleiten), werden ebenso angeführt. Der Verkehrsverbund Steiermark übernimmt die Schnittstelle der öffentlichen Verkehrsanbindung der Kernstadt mit den Umlandgemeinden (STEK 4.0, 2010, S.7-8). Traditionelle Kooperationen bestehen im Bereich der Freizeitinfrastruktur wie zum Beispiel Mitfinanzierung der Stadt Graz an der Schöckelseilbahn.

Weitere Schwerpunktsetzungen erfolgen über Infrastrukturmaßnahmen und die Förderung der öffentlichen Verkehrsanbindungen. Wie bereits in Kapitel 3.4 geschildert wurde, sind vor allem Pendler (starke funktionale Verflechtungen) aus den südlichen Gemeinden des Grazer Feldes im Blickpunkt des Stadtentwicklungskonzeptes. Große Firmen und Arbeitszentren befinden sich ebenfalls in den südlichen Randgemeinden. Wie bereits im Kapitel 3.4 geschildert wurde, nimmt das STEK 4.0 zum Thema „Zwischenstadt“ Stellung und versucht über verschiedene Projekte (siehe Kapitel 3.4.2) steuernd einzugreifen.

3.4.2 Projekte im Bereich der Regionalsierung

Nicht nur in der Stadtregion Graz gibt es die Tendenzen der „Zwischenstadt“, sondern auch in der Kernstadt selbst gab es die Problematik, dass der Grazer Westen mit den Bezirken Eggenberg, Gries, Lend und Wetztelsdorf (siehe Abbildung 23) jahrzehntelang durch Produktions- und Arbeiterquartier Charakter gekennzeichnet waren. In der Zwischenkriegszeit zählte Eggenberg mit 15.000 EinwohnerInnen zur bevölkerungsreichsten Marktgemeinde Österreichs (URBAN Link – Graz West Schlussbericht, 2009, S. 15). In dieser Zeit sammelten sich viele Gewerbebetriebe und

83 Fabriken in Eggenberg an. In den 60iger und 70iger Jahren wurden zahlreiche Wohnbauten rund um die Industriestandorte errichtet. Mit der beginnenden Veränderung der Arbeitsprozesse am Ende des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Fabriken geschlossen. Mit der Schließung befanden sich viele ehemalige Industriehallen ohne Nutzung im Bezirk. Dadurch waren der Charakter und die nicht vorhandene funktionale Gliederung des Grazer Westens jahrelang geprägt. Im Jahr 2000 wurde in den zuvor genannten Bezirken ein EU Projekt mit dem Titel URBAN Link – Graz –West gestartet. Unter anderem wurden im Rahmen des Projektes die Fachhochschule und der Campus 02 in ehemaligen Industriehallen angesiedelt. Auch eine Ausführungsvariante einer Eisenbahnunterführung wurde mittels Internet – Votums der BewohnerInnen geschaffen. Im Jahr 2010 zählt das Gebiet zu den aufstrebenden Gebieten der Stadt Graz (URBAN Link – Graz West Schlussbericht, 2009, S. 16-17).

Abbildung 23: Übersicht URBAN Link – Graz – West (rote Umrahmung); Quelle: URBAN Link – Graz West Schlussbericht, 2009

Ein weiteres Projekt im Zuge von URBAN Link Graz – West sollten die Reininghausgründe werden. Damit wollte die Stadt Graz Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung werden. Auf den ehemaligen Brauereigründen (54 Hektar, siehe Abbildung 24) sollten neben einem Innovationspark (für JungunternehmerInnen) auch zahlreiche Sozialwohnungen entstehen. Durch Übernahme des Areales durch private Investoren erhoffe sich die Stadt wichtige Impulse zur Entwicklung eines ganzen Stadtteiles (12.000 Menschen). So wurden unter anderem eine Mehrzweckhalle, Cafés, Boutiquen, Wohnungen und ausreichende Freizeitanalgen in den Konzepten geplant (Werkstadt 017 Asset One, 2006). Bis ins Jahr 2010 wurden keine Projekte umgesetzt.

84

Abbildung 24: Übersicht der Stadt Graz, rote Umrahmung Reininghausgründe; Quelle: Google Earth, 2010

Wie bereits in Kapitel 3.4.1 erwähnt, bildet das Regionalmanagement Graz und Graz – Umgebung eine wichtige Kooperationsstelle im Bereich der Regionalisierungsthematik. Mitglieder bei diesem Bündnis sind die Stadt Graz und alle 57 Gemeinden des Bezirkes Graz – Umgebung (siehe Abbildung 25). Die Aufgaben des Regionalmanagements liegen in der Weitergabe von relevanten Informationen (z.B.: aktuelle Projektstände, usw.), Projektverwaltung, Netzwerkmanagement (Fördertechnische Unterstützung, Schnittstellenfunktion), Marketing (Lobbying für Projekte, PR Maßnahmen, usw.) und in der Durchführung von zahlreichen Workshops. Darüber hinaus erfolgt eine enge Kooperation mit dem Stadtbauamt (Stadtentwicklung), dem URBANplus Netzwerk und dem „Chance4Change“ Projekt (Errichtung eines Wohlfühlhauses, Gesundheitspass, Betriebliche Gesundheitsvorsorge). Externe ExpertenInnen im Bereich der Verkehrsplanung unterstützen das Regionalmanagement. Zukünftige Fragen mit denen sich das Regionalmanagement auseinandersetzen wird, decken sich mit den in Kapitel 2.2.1 und 2.2.2 erwähnten Fragestellungen im Bereich der Regionalisierung zur (De)Konstruktion stadtregionaler Bilder und der Regionalisierung zur Organisation von Stadtregionen. Vor allem eine faire Lastenteilung von Projektkosten und die Verbesserung der Kooperationen im Bereich einer gemeinsamen räumlichen Entwicklung sind zukünftige Themenfelder (Interview Gassler, 2010; Interview Ablasser, 2010).

85

Abbildung 25: Übersicht der Planungsregion Graz und Graz – Umgebung; Quelle: Integrierte Stadt – Umland Entwicklungsplan URBANplus, 2007

Das dritte Projekte im Bereich der Regionalsierung ist das bereits zuvor mehrmals erwähnte EU Projekt URBANplus, das die südlichen Grazer Bezirke Puntigam, Liebenau, St. Peter und Straßgang und 16 südliche Umlandgemeinden miteinschließt (siehe Abbildung 26). Das Projekt wurde 2007 gestartet und besitzt eine finanzierte Laufzeit bis ins Jahr 2013. Das Konzept URBANplus fällt in das Programm „Regionale Wettbewerbsfähigkeit 2007 – 2013“. Jede Gemeinde bzw. auch die jeweiligen Bezirke können Projekte zur Förderung einreichen.

86 Hart bei Graz

St. Peter

Raaba

Puntigam Straßgang Liebenau Vasoldsberg Grambach Seiersberg

Feldkirchen bei Pirka Graz Gössendorf Hausmannstätten

Unterpremstätten Fernitz Kalsdorf

Zettling

Mellach

Wundschuh Werndorf

Abbildung 26: Übersicht des Projektgebietes URBANplus; Quelle: Integrierte Stadt – Umland Entwicklungsplan URBANplus, 2007, verändert

Vier Projektinhalte kennzeichnen das Konzept von URBANplus: (Integrierte Stadt – Umland Entwicklungsplan URBANplus, 2007, S. 125-130)

• Integrierte Standortentwicklung (wirtschaftlichen Standort mit hohen Entwicklungspotential) • Mobilität (Verbesserung der Verkehrssituation)

87 • Grünraum und Umwelt (Entwicklung des Naherholungsraumes) • Lokale Partnerschaften (Stärkung und Forcierung der Zusammenarbeit der Umlandgemeinden mit der Stadt Graz)

Zu allen vier genannten Projektinhalten gibt es zahlreiche einzelne Projekte (siehe Tabelle 5) die folgend nur kurz aufgelistet werden:

Integrierte Grünraum und Lokale Mobilität Standortentwicklung Umwelt Partnerschaften Gestaltungsmaßnahmen Mur Auen Potential Kultur und Flächenmanagement an den Analyse Sozialinitiativen Haupteinfahrtsstraßen Lärm und Grüne Inseln in Nutzenanalyse BürgerInnenbeteiligung Sichtschutzmaßnahmen Großbetrieben Begleitmaßnahmen zu Wohnumfeld- Alternative infrastrukturellen ÖV attraktiveren Verbesserung Nahversorgungsformen Maßnahmen Rad und Fußwegenetz

Ausbau Car Pooling Tabelle 5: Übersicht der Einzelprojekte zu den vier Inhaltsschwerpunkten von URBANplus; Quelle: Integrierte Stadt – Umland Entwicklungsplan URBANplus, 2007, eigene Darstellung

Abschließend zu URBANplus soll festgehalten werden, dass durch dieses Projekt etwa 90.000 Menschen erreicht werden (50 % aus den Grazer Stadtbezirken, 50 % aus den Gemeinden) und ein Gesamtbudget von 5,6 Millionen Euro zu Verfügung steht (Interview Nußmüller, 2010).

3.4.3 Bewertung Regionalisierung in Graz

In diesem Kapitel erfolgt, wie schon beim Themenfeld der Integration der Stadtbevölkerung, die Bewertung des Themenfeldes Regionalisierung an Hand des Grazer Modells für integrative Entwicklungsprozesse (siehe dazu auch Kapitel 1.2) aus den Erkenntnissen des STEK 4.0 und den ExpertenInneninterviews.

„Leader“ in der Thematik ist, wie schon beim Themenfeld der Integration, das zuständige

88 Stadtbauamt/Stadtbaudirektion. Wobei bei diesem Themenfeld die Leader Funktion durchaus auch auf andere Institutionen übertragen werden kann. So sind das Regionalmanagement Graz und Graz – Umgebung und das Referat für EU Programme und internationale Kooperationen (Stadtbaudirektion; URBANplus Abwicklung) auch als Leader zu bezeichnen. Alle teilnehmenden Institutionen haben eine klare Vision im Bereich der Regionalisierung (Grazer Zentralraum und Teile davon) und tragen diese auch gemeinsam und entwickeln mitunter auch neue Ansätze, wie auch in Kapitel 3.4.2 (vor allem bei URBANplus durch zahlreiche Kleinprojekte) ersichtlich wurde. Die Kooperationen funktionieren gerade im Bereich der genannten Fachabteilungen sehr gut, vor allem im Bereich der Verkehrsplanung besteht seit Jahren auch eine traditionelle Verknüpfung. Mit den Umlandgemeinden gab es gerade am Beginn der ersten Kooperationstreffen eher Skepsis, wobei hier die Stadt gegenüber den Gemeinden zu Beginn in der Verantwortung lag. Als Beispiel soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass bei den ersten Gesprächsrunden zahlreiche StadtvertreterInnen oft einer einzigen Person aus der Gemeinde gegenübersaßen und dies somit zwangsläufig das Gesprächsklima verschlechterte („Eindruck von Macht“) (Interview Benedikt, 2010; STEK 4.0, 2010; Interview Ablasser, 2010). Im STEK 4.0 werden auch noch weitere Umlandkooperationen wie die Abfallentsorgung und Kanalentsorgung angeführt, wobei diese Zusammenarbeit wohl vom wirtschaftlichen Interesse der Gemeinden bestimmt ist. Somit kann im Bereich des Leadership und Vision von der Ebene des Transformative Leadership ausgegangen werden (siehe Abbildung 27). Bei der Einordnung im Aktionsfeld des sozialen Netzwerkes kann keine eindeutige Zuordnung der Ebene erfolgen (siehe Abbildung 27), da in einigen Bereichen die Kooperation, wie zuvor geschildert, sehr gut funktioniert. Bei anderen wiederum, wie der Zusammenarbeit mit den Gemeinden, bleibt es abzuwarten, ob ein völliges Fernbleiben von Konkurrenzdenken, sowohl bei der Stadt Graz selbst, als auch den beteiligten Umlandgemeinden, stattfindet. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich eine Einordnung der Zusammenarbeit der Fachabteilungen auf die Ebene der Co-Creation zuteilen, weil bei diesem Teil der Zusammenarbeit kein Konkurrenzdenken herrscht. Die möglichen Probleme der Kooperation mit den Gemeinden wurden bereits zuvor geschildert, dadurch erfolgt die Zuordnung zur Ebene Collaboration.

Eine zweiwertige Beurteilung erfolgt auch im Bereich der Partizipation (siehe Abbildung 27), weil ähnlich wie beim sozialen Netzwerk, die Fachabteilungen eigentlich keine öffentliche BürgerInnenbeteiligung vollziehen (Informationsveranstaltungen) . An dieser Stelle soll noch einmal der Hinweis gestattet sein, dass im STEK 4.0 keine BürgerInnenbeteilgung vorgesehen war (Interview Benedikt, 2010). Da allen voran im URBANplus Projekt aber Gemeinden Projekte einreichen können bzw. die Stadt, und somit auch Prozesse mit breiter Bevölkerungsbeteiligung (dies sogar gewünscht wird) möglich sind, kann zumindest die Ebene der Scheinbeteiligung

89 (Konsultation) erreicht werden.

Bei den Aktionsfeldern Bildung und Lernen und Forschungsintegration kann auf Grund der Erkenntnisse eine Ebene zugeordnet werden. Bei beiden Bereichen muss zunächst das alte Stadtentwicklungskonzept 3.04 erwähnt werden. Im Unterschied zum Themenfeld der Integration war die Thematik der Regionalisierung auch im alten Konzept verankert. Dadurch konnten gerade im STEK 4.0 Erfahrungen einfließen. Vor allem die stärkere Beteiligung von Umlandgemeinden war ein wichtiger Lerneffekt und führte zu leichten Zielkorrekturen (Neue Ausweisung des Begriffes Steirischer Zentralraum/Grazer Stadtregion, damit auch Einordnung in überregionale Programme). Auch das Bekennen zu „Zwischenstadt“ – Effekten ist eine Erfahrung aus dem alten Konzept (STEK 4.0, 2010; Interview Benedikt, 2010). Aus diesen Gründen erfolgt die Zuordnung zur zweiten Ebene (siehe Abbildung 27, Douple – Loop Learning) des Feldes Bildung und Lernen.

Das STEK 4.0 arbeitete bei der Erfassung des Themas der Regionalisierung interdisziplinär mit den Gemeinden und Fachabteilungen zusammen (siehe Abbildung 27). Dazu wurden diverse ExpertenInnen (unter anderem ZiviltechnickerInnen, usw.) in den Prozess involviert (Interview Benedikt, 2010; Interview Ablasser, 2010). Übergeordnete Forschungseinrichtungen (Universitäten oder FH´s) sind nicht offensichtlich eingebunden. In einzelnen Teilbereichen wurde jedoch mit unterschiedlichen Forschungseinrichtungen in kleinem Maße zusammengearbeitet (Interview Benedikt, 2010).

90

Abbildung 27: Regionalisierung: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse; Quelle: nach Mader, 2009, eigene Darstellung

3.4.4 Fazit Themenfeld Regionalisierung in Graz

Von den drei Themenfeldern scheint die Regionalisierung bei der Beurteilung in Graz am besten abzuschneiden. Dies liegt sicherlich auch an den detaillierten Plänen und Maßnahmen im STEK 4.0, die mit dem EU Projekt URBANplus und dem Regionalmanagement Graz und Graz – Umgebung gut ergänzt werden.

Graz ist sich der zukünftigen Problematik der Stadtregion („Zwischenstadt“, Verkehr und Umwelt, usw.) bewusst und forciert die Arbeit in diesem Bereich. Unterstützend zur Seite steht hier auch das Land Steiermark, das mit diversen Programmen (REPRO, Steiermärkisches Raumordnungsgesetz) den steirischen Zentralraum mit Graz als Kernstadt etablieren will. Abzuwarten bleibt allerdings, ob Interessenskonflikte, Verteilungs- und Ansiedelungskonkurrenzen tatsächlich abgeschafft werden können. Der Forschungsverbund „Stadt 2030“ konnte bei einigen Städten bei der Neugestaltung von Stadtregionen diese Disparitäten feststellen. Viele deutsche Umlandgemeinden befürchteten eventuelle Machtverluste und steuerrechtliche Nachteile (Der Weg der „harten“ Kooperation, siehe Kapitel 2.2.2). Dieser Aspekt muss auch in der Grazer Stadtregion mit Vorsicht behandelt werden.

91 Der suburbane Raum um Graz weist einen hohen Neubauanteil auf, wodurch wiederum Gefahren der „Zwischenstadt“ entstehen (Interview Nußmüller, 2010). Durch entsprechende Flächenwidmungs- und Bebauungspläne wird versucht eine gezielte Ordnung von Stadt und Umland zu verfolgen. Der Forschungsverbund stellte in diesem Zusammenhang fest (siehe Kapitel 2.2.2), dass viele Städte in Deutschland enge Vernetzungen und kurze räumliche Bezüge wählten, um Ordnung und Steuerung zu gewährleisten. Der Begriff der Stadtlandschaft (siehe dazu Kapitel 2.2.1) scheint auch für Graz vorstellbar, wo eine ausgewogene urbane und kulturelle Stadtlandschaft als Ziel angestrebt werden kann.

Ein klarer Schwerpunkt der Kooperationen mit den Umlandgemeinden erfolgt im Bereich der Mobilität, was auch angesichts der angespannten Verkehrssituation (Feinstaubproblematik, öffentliche Verkehrsanbindung mit Umlandgemeinden, S – Bahn Forcierung, etc.) in Graz sinnvoll erscheint.

Generell, dies zeigte sich auch im Forschungsverbund, sind „weiche“ oder freiwillige Kooperationen (siehe Kapitel 2.2.2) zielführender. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Kooperation von „oben“ (im Grazer Fall, STEK 4.0 und Steiermärkisches Raumordnungsgesetz) die Rahmenbedingungen festlegen. Eine Möglichkeit stellen in diesem Zusammenhang Regionalverträge dar (siehe Kapitel 2.2.2), wobei in den deutschen Städtebeispielen keine steuernden Institutionen integriert waren. Die Städte und Umlandgemeinden regeln die Themenfelder (z.B.: faire Lastenteilung) untereinander. Das Regionalmanagement Graz und Graz – Umgebung sieht im Bereich der Lastenteilung eine wichtige zukünftige Rolle (Interview Gassler, 2010). Ob dies in Graz und Graz – Umgebung bereits eine mögliche Option wäre, ist schwer zu beurteilen, könnte aber in einem Pilotprojekt genauer untersucht werden.

Das URBANplus Programm stellt im Bereich der Regionalisierung eine wichtige Komponente dar. Durch den vorgegebenen zeitlichen Rahmen (2007 bis 2013) und den bereits erfolgreich absolvierten URBAN I und URBAN Link Graz West Programmen, ist auch eine gute Erfolgsaussicht (und Impulse) des URBANplus Programmes zu erwarten.

92 3.5 Themenfeld der Identität der Stadt in Graz

Zu Beginn dieses Kapitels seien einige Attribute aufgelistet mit denen Graz in Verbindung gebracht wird: (Homepage Stadt Graz, Stand September 2010, Homepage Tourismus Graz, Stand September 2010) • UNESCO Weltkulturerbe • City of Design • Stadt der Menschenrechte • Jazzhauptstadt • Architekturhauptstadt • Kultur und Genusshauptstadt • Kulturhauptstadt (Jahr 2003) • Feinstaubhauptstadt

Auf den ersten Blick können somit der Stadt Graz viele Eigenschaften zugeschrieben werden, wobei die letzte erwähnte Charakterisierung eher negativ behaftet ist. All diese Assoziationen haben im speziellen für den Tourismus werbe- und imagemäßige Bedeutung für Graz. Vor allem das Jahr 2003, wo Graz die Kulturhauptstadt Europas war, hatte deutlichen Einfluss auf den Tourismus (siehe Abbildung 28). So stieg die Zahl der Übernachtungen vom Sommerhalbjahr 2002 zum Sommerhalbjahr 2003 um 103.652, was einer Steigerung von etwa 20% entspricht. In den folgenden Jahren konnten ebenfalls noch höhere Nächtigungszahlen erzielt werden, als in den Jahren vor dem Kulturhauptstadtjahr.

93 600.000

500.000

400.000 n

300.000

200.000 Übernachtunge

100.000 236.213 379.319 250.997 369.031 257.873 415.747 309.214 519.399 292.271 437.410 283.311 441.777 294.822 438.040 309.574 458.857 332.085 469.991 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Winterhalbjahr Sommerhalbjahr

Abbildung 28: Übersicht der Übernachtungen Winter und Sommerhalbjahr von 2003 bis 2008; Quelle: Referat für Statistik der Stadt Graz, Fremdenverkehrsstatistik, 2010

Die wichtigsten Merkmale der Tourismuswerbung für Graz liegen im Bereich der Kultur (auch des kulinarischen Genusses) und dem UNESCO Weltkulturerbe (Homepage Tourismus Graz, Stand Oktober 2010). City of Design dürfen sich weltweit nur neun Städte nennen (z.B.: Berlin, Montreal, Kobe, Nagoya und Shenzhen) und es müssen Kriterien wie Desingnschulen, starke Kulturlandschaften, Kreativszene und bestehende Netzwerke vorhanden sein (Homepage City of Design Graz, Stand Februar 2011). Somit besitzt die Stadt Graz aus touristischer Sicht eine deutliche kulturelle Identitätsschwerpunktsetzung.

Laut Ergebnissen der LQI Bevölkerungsbefragung aus dem Jahr 2009 lässt sich durchaus ein sehr positives Image der Stadt Graz, aber auch der Stadtteile ableiten. Etwa 92 % aller GrazerInnen leben sehr gerne bzw. gerne in der Stadt Graz. Immerhin 55 % der GrazerInnen leben auch in ihrem jeweiligen Stadtteil sehr gerne, der Wert ist jedoch, verglichen zum Jahr 2005, etwas geringer geworden (siehe Abbildung 29) (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S. 9).

94

Abbildung 29: Übersicht der LQI Bevölkerungsbefragung „Wie gerne leben Sie in Ihrem Stadtteil“; Quelle: LQI Bevölkerungsbefragung, 2009

Auf Grund der zuvor genannten touristischen Charakteristika und den Ergebnissen der LQI Bevölkerungsbefragung scheint auf den ersten Blick die Stadt Graz kein offensichtliches Problem der Identität aufzuweisen. Auch die in Kapitel 2.3.2 geschilderte Problematik der Identität der Gesamtstadt versus Identifikation mit den Stadtteilen ist aus diesen Argumenten in Graz nicht begründbar.

Bei genauerer Betrachtung der Stadtbezirke ist jedoch gerade in den Bezirken Gries und Lend erkennbar, dass die BewohnerInnen eine nicht so stark ausgeprägte Verbundenheit mit dem Bezirk besitzen (siehe dazu Abbildung 17 in Kapitel 3.3). Daher besteht vermutlich gerade in diesen Bezirken die fehlende Identität (vor allem mit der Gesamtstadt). Da inmitten der Stadt der Fluss Mur das gesamte Stadtgebiet entzweit, ist vor allem historisch gesehen die Stadt durchtrennt. Das rechte Murufer (westliche Grazer Teil) hatte seit jeher ein schlechteres Image als der östliche Grazer Teil. Dies war darin begründet, dass viele öffentliche und wissenschaftliche Einrichtungen im Osten der Stadt Graz liegen. Durch das URBAN Link - Graz West Projekt (siehe dazu Kapitel 3.4.2) und zwei bedeutenden Flussübergängen wurde die rechte Muruferseite aufgewertet (siehe dazu Kapitel 3.5.2)

Die historischen Stellungen von Eggenberg und Andritz sind im Blickfeld der Identität auch von Bedeutung. Wie Eggenberg positioniert war, wurde bereits in Kapitel 3.4.2 ausführlich beschrieben. Ähnlich ist dies auch im Bezirk Andritz. Die vormals eigene Gemeinde wurde 1938 in die Stadt Graz eingegliedert (Homepage Graz – Andritz, Stand Oktober 2010). Im Bezirk sind noch einige Flächen die auf die ehemalige Eigenständigkeit hinweisen. Unter anderem besitzt der Bezirk im Gegensatz zu anderen Bezirken einen eigenen Hauptplatz und noch relativ viele freie Bebauungsflächen (siehe Abbildung 30).

95

Abbildung 30: Luftbild Bezirk Andritz, rote Umrahmung Hauptlatz Andritz; Quelle: Herold Luftbild, 2010

3.5.1 STEK 4.0 und Identität

Anders wie bei den zwei Themengebieten, der Integration und der Regionalsierung, widmet das Stadtentwicklungskonzept der Identität kein spezielles Kapitel. Es wird jedoch in unterschiedlichen Bereichen und Maßnahmen auf die Identitätsentwicklung eingegangen.

Im Zweig des Tourismus und der Kultur wird die Etablierung der Region Graz mit diversen Attraktionen (im kulturellen, kulinarischen und sportlichen Sinne) zur neuen Identitätsbildung herangezogen. In diesem Zusammenhang nähert sich die Identitätsthematik dem Themenfeld der Regionalisierung (Steirischer Zentralraum/Stadtregion Graz) an (STEK 4.0, 2010; Homepage Tourismus Graz, Stand Oktober 2010).

Ein weiterer Bezug auf die Identität der Stadt Graz im STEK 4.0 erfolgt im Sektor des Wohnens. Es wird die Erstelllung einer Imagebroschüre „Wohnen in Graz“ angestrebt, in welcher vor allem Jungfamilien durch Identitätsbildung (günstige Wohnungen in ruhigen, sonnigen, sicheren Stadtteilen) zur Niederlassung in Graz angeregt werden sollen (STEK 4.0, 2010, S.56).

Eine klare Position nimmt das STEK 4.0 auch im Bereich der Identitätsbildung in den Bezirken ein.

96 So soll durch entsprechende Stadtteilarbeit die Stärkung der Identität gerade in den Bezirken mit noch geringer Identifikation, Gries und Lend in erster Linie, aber auch Jakomini, Gösting und Eggenberg, forciert werden. Da gerade in diesen Bezirken der Migrationsanteil wachsend ist, erfolgt die Stadtteilorientierung über das Sozialamt. Dazu werden auch eigene Stadtteilleitbilder in den Bezirken angestrebt (STEK 4.0, 2010, S. 53-55, S. 90) (siehe auch Kapitel 3.3 und 3.3.2).

Identität soll darüber hinaus durch die Schaffung von vier Sozialräumen (siehe Abbildung 31) verstärkt werden, wobei in erster Linie eine dezentrale Versorgung vorrangig ist (Steuerungsraum). Über diese Sozialräume sollen Nachbarschaftsnetze, Kommunikation und Austausch untereinander verbessert und gestärkt werden.

Abbildung 31: Übersicht der vier Sozialräume; Quelle: STEK 4.0, 2010

3.5.2 Projekte im Bereich der Identität

Die Stadtentwicklung Graz weist im Themenfeld der Identität keine konkreten Einzelprojekte aus. Wie zuvor erwähnt, gibt es in verschiedenen Fachbereichen identitätsbildende Maßnahmen. Die zuvor erwähnten Stadtteilorientierungen zur besseren Identitätsbildung in den Bezirken sind aktuell noch nicht umgesetzt (nur Pilotprojekt „Annenviertel“, siehe Kapitel 3.3.2).

Zwei wichtige Flussübergänge seien aber in diesem Kapitel angeführt, da durch die Verbindung der beiden Murseiten, ein gewisser Anteil zur nachhaltigen Verbesserung der Identität bemerkbar ist.

97 Die erste Maßnahme erfolgte im Zuge des EU Projektes URBAN I. Durch den Bau des Augartensteges (für Fußgänger und Radfahrer) im Jahr 1998, konnten die beiden Bezirke Gries und Jakomini verbunden werden. Somit ist den BewohnerInnen des Bezirkes Gries der direkte Zugang zum Augartenpark möglich. Auch eine Imageverbesserung des Wohnumfeldes im Bereich des Steges konnte festgestellt werden (URBAN I Endbericht, 2002, S. 28).

Die zweite Maßnahme erfolgte 2003 in der die Stadt Graz die europäische Kulturhauptstadt war. Die sognannte Murinsel wurde zum symbolischen Brückenschlag der beiden Uferseiten in Mitten der Stadt errichtet. Dabei handelt es sich um eine schwimmende Insel, die von beiden Seiten mittels Stege verbunden ist (siehe Abbildung 32). Ein Cafe´ und Amphibientheater befinden sich auf der schwimmenden Stahlkonstruktion. Seit dem Jahr 2003 hat sich die Murinsel als touristische Attraktion und als Identitätssymbol etabliert (Homepage Tourismus Graz, Stand Oktober 2010).

Abbildung 32: Fotos der Murinsel; Quelle: Homepage Insel in der Mur, Stand Oktober 2010

Als Identitätsprojekt kann vermutlich auch das Grazer Pilotprojekt Jakominiviertel bezeichnet werden. Rund um den Verkehrsknotenpunkt Jakominiplatz erstreckt sich in Richtung Süden das Jakominiviertel, das jahrelang in der Stadt als vernachlässigt galt. Durch ein 750 Meter langes Laufbahndesign durch das Viertel, sollen neue Akzente für die dort ansässigen Kreativunternehmen erfolgen (Identität zum Viertel soll dadurch forciert werden). Seit Mitte September 2010 ist die rote Laufbahn (siehe Abbildung 33) realisiert und unterstreicht die Eigenschaft des Prädikats City of Design. Durch eine Koordinationsstelle (übernimmt Förderungen) sollen neue Unternehmen im kreativen Bereich angesiedelt werden. Mit Stand von Oktober 2010 sind 22 Unternehmen im Jakominiviertel beheimatet. Neben dem wirtschaftlichen Anreiz des Kreativviertels sollen auch Touristen zur Aufwertung und Aufschwung beisteuern.

98

Abbildung 33: Rote Laufbahn Jakominigasse; Quelle: G7 Stadtzeitung, 29. August 2010 (linke Abbidlung); Homepage Graz Tourismus (rechte Abbildung), Stand Oktober 2010

3.5.3 Bewertung der Identität der Stadtbevölkerung in Graz

Die Bewertung des Themenfeldes Identität in der Stadt Graz ist auf Grund der aufgesplitterten Bereiche im STEK 4.0 sehr schwierig zu erfassen. Auch die ExpertenInneninterviews konnten in diesem Bereich nur kleine Erkenntnisse beisteuern.

Im Aktionsfeld Leader und Vision ist zumindest die Vision als klares Ziel erkennbar. Alle Fachabteilungen, die Identitätsbildung beinhalten, weisen als einheitliche Vision die Stärkung und Verbesserung der Identität in der Gesamtstadt und allen voran in den Stadtbezirken aus. Ein eindeutiger Leader ist von „außen“ nicht klar erkennbar. Das STEK 4.0 kann hier noch am ehesten als oberste „Instanz“ gesehen werden. Es entsteht der Eindruck, dass im STEK 4.0 eine Identitätszuordnung für die Stadt, durch die vielzähligen Bezeichnungen der Stadt (City of Design, UNESCO Weltkulturerbe, usw.), nur schwierig handhabbar ist. Diese Tatsachen lassen daher eher eine administrative Ebene im Aktionsfeld Leader und Vision vermuten (siehe Abbildung 34).

Soziale Netzwerke sind durch die einzelnen eingebunden Abteilungen vorgegeben. Zwischen den einzelnen Fachinstitutionen herrschen keine offensichtlichen Konkurrenzen (Interview Benedikt, 2010) und durch die einheitliche Zielverfolgung lässt sich somit die zweite Ebene (Collaboration) (siehe Abbildung 34) erreichen. Was die Verknüpfung zu anderen sozialen Netzwerken (z.B.: Allgemeine Bevölkerung, andere externe Institutionen) betrifft, konnten keine bekannten Kooperationen festgestellt werden. Zur Kommunikation dienten bzw. sollen auch in Zukunft (Hinweis zur Broschüre „Wohnen in Graz, Kapitel 3.5.1) Informationen verbreitet werden (daher in diesem Bereich die erste Ebene) (siehe Abbildung 34).

Die Beurteilung im Bereich der Partizipation ist im Unterschied zu den beiden zuvor geschilderten

99 Aktionsfeldern doch recht deutlich. Es konnten keine Beteiligungen von BewohnerInnen im Bereich der Erstellung des Themas Identität im STEK 4.0 festgestellt werden, außer den bereits erwähnten Informationsbroschüren (siehe Abbildung 34).

Der Bildungs- und Lerneffekt kann auf die Double Loop – Ebene (siehe Abbildung 34) projiziert werden. Ein Lerneffekt ist, dass das Stadtbauamt bei der Erstellung des STEK 4.0 erkannt hat, dass die Stadtteilarbeit in Zukunft enorm wichtig sein wird und sie nimmt daher eine klare Position im Konzept ein. Nicht nur im Bereich der Identität wird dem Stadtteil in Zukunft Verantwortung beigemessen werden (Interview Benedikt, 2010, siehe auch Kapitel 3.3).

Disziplinär sieht die Arbeit im Bereich der Forschungsintegration aus (siehe Abbildung 34), da alle Fachabteilungen ihre jeweilige Aufgabe im Fokus der Identität verfolgen. Das STEK 4.0 bildet die Rahmenbedingung für alle Abteilungen. Zwischen den Facheinrichtungen herrscht aber durchaus ein Austausch der Erkenntnisse (Interview Benedikt, 2010). Soweit der Erkenntnisstand ist, werden keine anderen Forschungseinrichtungen miteinbezogen.

Abbildung 34: Identität: Übersicht der Bewertungsebenen im Grazer Modell für integrative Entwicklungsprozesse; Quelle: nach Mader, 2009, eigene Darstellung

100 3.5.4 Fazit Themenfeld Identität der Stadtbevölkerung in Graz

Die Stadt Graz weist eine Vielzahl an Titeln auf. Die Frage, die sich stellt ist, ob die Stadt so vielfältige Bezeichnungen benötigt und dadurch eventuell sogar Probleme (restriktive Regeln zum Beispiel in der Innenstadt durch UNESCO Welterbe durch Denkmalschutz, dadurch eventuell neue Bauvorhaben, die eine andere Baukultur besitzen, schwerer durchführbar) vorfindet, um ein klares Identitätsprofil zu schaffen. Aus Sicht der Tourismuswirtschaft ist eine Vielfalt vermutlich wünschenswert, weil das Produkt Graz dadurch breiter aufgestellt ist. In diesem Fall schließen sich die einzelnen Merkmale nicht aus, sondern ergänzen sich auch in vielen Fällen.

Aus Sicht der Grazer Bevölkerung stellt sich allerdings die Frage, in wie weit die offiziellen Titel zur Identitätsförderung der EinwohnerInnen behilflich sind. Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt ist, ob eine überwiegende Mehrheit der GrazerInnen über die Auszeichnungen der Stadt Kenntnisse besitzt. Dafür gibt es keine statistischen Daten, was eine Untersuchung durchaus interessant erscheinen lässt. Aus Sicht der Stadtentwicklung kann argumentiert werden, dass etwa 92 % (siehe Kapitel 3.5) der GrazerInnen die Lebensqualität in der Stadt als gut empfinden und somit eine Identifikation mit der Kommune gegeben scheint bzw. nicht weiter ausgebaut werden müsste. Dieser Rückschluss scheint aber, auch auf Grund der Erkenntnisse der Stadt Mönchengladbach nicht unbedingt eintreten zu müssen. Auch die Stadt Mönchengladbach, (siehe Kapitel 2.3.5) konnte eine recht hohe Lebensqualität in der Gesamtstadt feststellen, dennoch gab es gerade in den Bezirken geringe Identifikationsmerkmale.

In Graz ist im STEK 4.0 eine deutliche Positionierung im Bereich der Stadtteilidentifikation zu sehen. Gerade wenn sich Personen mit Ihrem unmittelbaren Wohnviertel identifizieren, sind diese auch eher bereit aktiv zum Kommunalgeschehen mitzuwirken. Dies zeigte sich auch in den Ergebnissen des Forschungsverbundes (siehe Kapitel 2.3.2). Laut der LQI Bevölkerungsbefragung würde sich bei entsprechenden Prozessen in den jeweiligen Vierteln fast jede/r vierte BürgerIn in Graz aktiv beteiligen (LQI Bevölkerungsbefragung, 2009, S. 57). Somit ist der erkennbare Trend zur Stadtteilorientierung positiv zu bewerten. Die spannende Frage für die zukünftige Entwicklung der Bezirksidentitäten wird sein, ob sich die Konzepte einer Einheitlichkeit und Homogenität zuordnen. Dies stellt in Hinsicht einer allgemein wachsenden Unsicherheit und Ungleichheiten eine große Herausforderung dar (dies zeigte sich auch im Forschungsverbund, siehe Kapitel 2.3.2) (Gesamtstadt versus Stadtteile).

Durch geeignete Identitätspolitik können auch zukünftige Probleme (die Verknüpfung zu anderen

101 Themen wie z.B.: der Integration) sensibilisiert werden. Ob dies Graz erreicht, wird in den nächsten Jahren zu beobachten sein, vor allem, wie es gelingt, die Identität der Gesamtstadt auch auf die Bezirke zu übertragen.

Der Faktor Zeit spielt bei der Bildung von Identifikation eine entscheidende Rolle. Viele der bereits mehrmals erwähnten Auszeichnungen der Stadt Graz, sind eher jüngere Erscheinungen und daher noch nicht klar einordnen. Dies bestätigt auch der Graz Tourismus Chef Hardt – Strehmayr der folgendes in der G7 Stadtzeitung festhielt: „Die Titel alleine machen es noch nicht aus…. Noch stolpert man eher zufällig darüber!“ (G7 Stadtzeitung, 1.Mai 2010)

Generell zeigte sich in der Stadt Graz, dass die beiden Themenfelder Integration und Identität stark verflochten sind. Die EinwohnerInnen der Bezirke Lend und Gries (hohe MigrantInnenanzahl) besitzen auch eine geringere Identifikation mit dem Stadtteil, was somit bedeutet, dass hier beide Themenfelder eine eng verbundene zukunftsorientierte Arbeit benötigen. Die Bevölkerung sollte aktiv in die Prozesse eingebunden werden, was auch die Beurteilung durch das Grazer Modell aufzeigt (siehe Aktionsfeld Partizipation).

Noch fehlt in Graz, wie die Beurteilung zeigt (siehe Kapitel 3.5.3), eine transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Auch bei diesem Bereich bleibt abzuwarten, ob und wieweit externe ExpertenInnen in die Stadtteilarbeit eingebunden werden.

Auffallend ist, dass die in Kapitel 3.5.2 geschilderten Projekte nicht unmittelbar mit dem STEK 4.0 in Verbindung stehen. Zwei Projekte sind bereits abgeschlossen. Die Identitätsbildung im Jakominiviertel ist als solches im STEK 4.0 nicht vorzufinden.

Die im Forschungsverbund „Stadt 2030“ festgestellte schwere Planbarkeit von Identität (siehe Kapitel 2.3.3) ist durchaus auch in Graz zutreffend, weil Identität als Ganzes schwer greifbar und messbar ist (Interview Benedikt, 2010; Interview Hagenauer, 2010).

102 4 Zusammenschau/Ausblick

Die Stadt im Jahr 2030 wird eine andere sein. Doch wie werden Städte sich im Konflikt von demographischen Wandel, wirtschaftlichen Herausforderungen, Integrationsproblematik, sinkenden Steuereinnahmen, sozialen Ungleichheiten und erhöhter Energienachfrage entwickeln? Können die Stadt und dessen EntscheidungsträgerInnen diese Herausforderungen meistern und wie sehen eventuelle Stadtkonzepte in diesen Bereichen aus? Viele Fragen, die sich mit zukünftigen Entwicklungen beschäftigen, sind auch von ExpertenInnen schwer vorhersehbar und planbar. In dieser Arbeit wurden drei Themenfelder, die Integration der Stadtbevölkerung , Regionalisierung und Identität einer Stadt betrachtet, die eine wesentliche Rolle der Stadt 2030 spielen werden. Dabei zeigte sich, dass alle drei Schwerpunkte eng miteinander verknüpft sind und gemeinsame Strategien entwickelt werden müssen. Dies wurde durch die Erkenntnisse des Forschungsverbundes „Stadt 2030“ ebenfalls deutlich.

Auch in Graz erwiesen sich die Themenfelder als spannende und teils noch nicht genauer betrachtete Schwerpunkte in der Stadt bzw. im Stadtentwicklungskonzept, wo vor allem hinsichtlich der Integration, noch wichtige Schwerpunktsetzungen (wie zum Beispiel Stadtteilarbeit) erfolgen müssen.

Auffallend war sowohl im Forschungsverbund, als auch bei der Stadt Graz, dass die Rolle der BürgerInnen ein wesentliches Element der Stadtentwicklung ist. Sowohl in positiven Aspekten, wie der Teilhabe der BürgerInnen an Entscheidungsprozessen, als auch in negativer Weise durch das bewusste Fernhalten der Bevölkerung. Wie auch in anderen Städten, wurde in Graz der installierte BürgerInnenbeirat bei der Entwicklung der Stadt eingebunden. Diese Zusammenarbeit kann durchaus positiv betrachtet werden, jedoch bleibt die Frage, wie sich ehrenamtlich tätige BürgerInnen (Beirat) mit professionellen Angestellten (Verwaltung) diese Arbeit teilen und wie diese Zusammenarbeit durch eine direkte Beteiligung der Bevölkerung ergänzt werden kann. Auch eine gute Durchmischung der Beiräte (aus verschiedenen sozialen Schichten) ist für eine zukunftsweisende Stadtentwicklung enorm wichtig. Durch die aktive Einbindung der BürgerInnen ins Stadtgeschehen können Identitäten geschaffen werden, die in weiterer Folge zukünftige Bauvorhaben und Entwicklungen positiv beeinflussen können (Fernbleiben von Einsprüchen und Widerständen).

Die politischen Verantwortlichen in einer Stadt tragen ebenfalls eine wichtige Verantwortung und sind maßgeblich für das Gelingen einer Stadtentwicklung zuständig. Die besten Konzepte und

103 BürgerInnenbetiligungsformen (Planungswerkstatt, BürgerInnenforen, Fokusgruppen, etc.), dies zeigte auch das Beispiel Mönchengladbach, helfen nicht, wenn politischer Wille und Mut zu Offenheit fehlen. Aber auch das aktive Engagement der BürgerInnen, in einer immer mehr politikverdrossenen Gesellschaft, muss kritisch hinterfragt werden. Freiwillige Mitgestaltung wird meist nur mehr in lokalem Bezug (Stadtteil, Stadtviertel bzw. Straßenzüge) geschafft. Die Problematiken sind hier die Raumbezüge und Identifikationsmerkmale der Stadtteile versus der Gesamtstadt (siehe Kapitel 2.3.2 und Kapitel 3.5) (Bock, Reimann, 2006, in Difu, Band IV, S.235- 236). Einer dieser Konflikte könnte auch in der Stadt Graz auftreten, wenn es um die Schaffung der Identität des steirischen Zentralraumes geht, der als weniger geeignet scheint, identitätsstiftende Bezugsräume zu schaffen (Interview Nußmüller, 2010).

Vor allem auf die Stadtteile muss in Zukunft besonderes Augenmerk, sowohl in Graz, als auch in anderen Städten gerichtet werden. In Deutschland wurde ein eigenes Bund – Länder – Programm „Stadtteile mit besonderen Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ gestartet (Start im Jahr 2000), in dem insgesamt über 300 benachteiligte Stadtquartiere (viele Arbeitslose, viele MigrantInnen, etc.) durch entsprechendes Management gestärkt werden sollen (Mäding, 2006, in Difu, Band IV, S.24- 26). Auch in Graz gibt es bereits einen ersten Pilotversuch in der Stadt (siehe Kapitel 3.3.2), der sowohl Identität der Stadtbevölkerung mit der Gesamtstadt, aber auch mit dem Bezirk, wie auch die Integration der BewohnerInnen, schaffen soll. Graz muss hier in Zukunft die Stadtteilarbeit noch stärker forcieren, was auch von vielen Grazer StadtplanungsexpertenInnen so gesehen wird. (integrierte Leitbilder auf Viertel/Bezirksebene als eine wünschenswerte Ergänzung zum Stadtentwicklungskonzept, Interview Benedikt, 2010, Interview Nußmüller, 2010)

Als interessanter Ansatz im Forschungsverbund „Stadt 2030“ beim Themenfeld Regionalisierung können Regionalverträge (siehe Kapitel 2.2.2) angesehen werden. Diese freiwillige vertragliche Kooperation ist möglicherweise eine zukunftsweisende Strategie bei der Zusammenarbeit von Städten und Umlandgemeinden. Dadurch könnten auch die in Graz angedachten PPP (Public Private Partnership) Projekte (Interview Benedikt, 2010) im Bereich der Stadtentwicklung geregelt werden. Allerdings müssten den privaten Investoren im Bereich der Stadtentwicklung auch klare gesetzliche Regeln vorgelegt werden. In Zeiten der immer knapper werdenden finanziellen Möglichkeiten der Städte, wären eventuelle Engagements von privaten Investoren aus der Sicht der Stadtverantwortlichen erstrebenswert.

In vielen deutschen Städten werden BewohnerInnen einer Stadt als Kunden gesehen, die mittels Volksbefragungen über die Umstände der Stadt abstimmen können. Dazu ist auch in Graz, durch

104 den Vorstoß von Bürgermeister Nagl, die Aufnahme mehrerer Befragungen geplant.

Abschließend sei in dieser Arbeit festgehalten, dass Stadtentwicklungskonzepte für eine langfristige und gesamtstädtische Sicht ein wichtiges Planungsinstrument sind. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn diese Konzepte, die vielfach sehr oberflächlich verfasst sind, um Detailplanungen (auf Stadtteilebene) ergänzt würden. Speziell den Themenfeldern Integration und Identität muss in den Städten der Zukunft, aber auch in der Stadtforschung selbst, noch wesentlich mehr Beachtung und Entwicklungsraum gegeben werden, um so eventuelle Ansätze und Problemlösungen voranzutreiben.

105 Quellenverzeichnis

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DI Benedikt Eva Maria, Stadtplanungsamt Graz, Stadtbaudirektion Graz, Juli und September 2010

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Vortrag:

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