HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER LANDNUTZUNG IN DEN SÖMMERUNGSGEBIETEN DER REGION MOESA SEIT 1880

EINE MASTERARBEIT

AM DEPARTEMENT UMWELTNATURWISSENSCHAFTEN

DER EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZÜRICH

UND DER EIDGENÖSSISCHEN FORSCHUNGSANSTALT WSL BIRMENSDORF

VERFASST VON FABIO CRIVELLI

HERBSTSEMESTER 2011

BETREUER:

PD DR. MATTHIAS BÜRGI, LANDSCHAFTSÖKOLOGIE, WSL BIRMENSDORF

SERGE BUHOLZER HONS, FORSCHUNGSANSTALT AGROSCOPE RECKENHOLZ-TÄNIKON ART

VORWORT

Das Thema der vorliegender Masterarbeit wurde von PD Dr. Matthias Bürgi von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmesndorf vorgeschlagen. Sie entstand im Zusammenhang mit dem Verbundsprojekt AlpFUTUR und ist Teil des Teilprojektes AlpPAST, welches sich mit der Entwicklung der Schweizer Alpwirtschaft seit 1880 befasst.

Was mich zur Auswahl dieses Themas geführt hat, ist vor allem die Interdisziplinarität, welche die Fragestellung erfordert. Auch reizte mich der historische Aspekt der Untersuchung sowie die Möglichkeit, Forschungsmethoden, die hinter der Rekonstruktion der Landschaft stehen, kennenzulernen.

Für die Unterstützung und fachliche Beratung während der Abwicklung der Arbeit möchte ich mich bei meinen beiden Betreuern Matthias Bürgi und Serge Buholzer sowie bei Pierluigi Tartaro bedanken.

Einen herzlichen Dank geht auch an Priska Müller für die hilfreiche, unterstützende und erfolgreiche Zusammenarbeit während der gesamten Arbeit.

Danke auch an Herrn Valentin Luzi vom Amt für Geoinformation und Landwirtschaft des Kantons Graubünden, welcher mir Einblicke in die Alpdossiers und in das Archiv des ALG erlaubte.

Ein besonderer Dank geht auch an Christian Ginzler von der WSL, für die Unterstützung bei der Analyse der Luftbilder, an Dr. Urs Gimmi von der WSL für die GIS Beratungen und an das AlpFUTUR Team.

Der grösste Dank geht an meine Mutter, an Martin, Nils, Jonas und Daniela für die wertvollen sprachlichen Korrekturen, Hinweise und Ergänzungen zur Verbesserung der Arbeit.

ZUSAMMENFASSUNG

Sömmerungsweiden bedecken etwa 1/8 des gesamten Gebiets der Schweiz und stellen somit einen wichtigen Teil der landwirtschaftlich genutzten Fläche dar. Die Bewirtschaftung von Sömmerungsweiden trägt zur Gestaltung einer abwechslungsreichen Kulturlandschaft im Berggebiet bei, welche dadurch eine hohe pflanzliche und tierische Artenvielfalt aufweist. Diese Bewirtschaftung ist aber durch die raschen Veränderungen, die die Schweizer Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, bedroht. Diese Tendenz gilt auch für die Alpwirtschaft der Region Moesa. Die grosse Höhendifferenz zwischen Berg und Tal prägt die Landwirtschaft dieser Region: allerdings befinden sich oft die fruchtbarsten Flächen im Bereich der Sömmerungsweiden. Ihre Nutzung stellt somit beides dar, ein Bedürfnis, aber auch eine Herausforderung. Die Bereitschaft diese Weiden regelmässig zu Nutzen änderte sich im Laufe der letzten Jahrzenten.

Ziel dieser Arbeit ist, die Veränderungen, die in der Moesaner Alpwirtschaft seit 1880 stattgefunden haben, zu rekonstruieren und die dafür verantwortlichen, treibenden Kräfte zu untersuchen. Drei Alpen der Region Moesa werden dafür im Detail analysiert. Es handelt sich dabei um die zur Gemeinde San Vittore gehörende Alp de Mem, die Alp Cadin/Albion, auf dem Gebiet der Gemeinde Roveredo, und die Alp Pian Doss, Mesocco. Für jede Alp werden diverse die Alpwirtschaft betreffende Aspekte, untersucht: Veränderungen von Eigentumsverhältnissen, Weideflächen, gesömmerten Tieren, Alpgebäuden, Erschliessung und Verwaldung werden aufgrund von verschiedenen Quellen analysiert.

Diese Untersuchungen ermöglichen, die Veränderungen, die in den letzten 100 Jahren in der Moesaner Alpwirtschaft stattgefunden haben, aufzuzeigen. Während diesem Zeitraum wurden die untersuchten Alpen verbessert, erschlossen, und intensiviert aber auch extensiviert und zum Teil aufgegeben. Verschiedene Faktoren waren für die Veränderungen Verantwortlich. Einerseits verbesserte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Lage der Region, was zu einem Rückgang der Landwirtschaft führte. Damit verringerte sich auch die Verfügbarkeit an lokalem Sömmerungsvieh und Alppersonal. Andererseits fehlte oft der Investitionswille der Eigentümer, die Alpinfrastruktur aufrecht zu erhalten. Zudem hatten die Pächter während der üblicherweise kurzen Pachtdauer wenig Zeit und Interesse, die Alpen zu Pflegen. Ab den 1990 Jahren machten neue Hygienevorschriften aufwendige Renovierungen notwendig welche nicht überall umgesetzt werden konnten und deshalb zur Aufgabe der Milchverarbeitung auf einigen Alpen führte.

Mit diesen Veränderungen verlor die Alpwirtschaft im Laufe des 20. Jahrhunderts ihr hervorragender Wert als Einkommensgrundlage für die meisten Talbewohner. Heute werden neue Werte der Alpwirtschaft erkannt, wie z.B. die Schaffung einer touristisch interessanten Landschaft, was zu einer Wiederaufwertung der Benutzung Sömmerungsgebieten beitragen könnte. RIASSUNTO

I pascoli d’estivazione coprono circa 1/8 del territorio svizzero e rappresentano dunque un’importante porzione della superficie agricola. La loro gestione contribuisce alla formazione di un paesaggio culturale che presenta un’alta biodiversità animale e vegetale. Questo tipo di gestione è però minacciato dalle trasformazioni in atto nel settore agricolo Svizzero.

Questa tendenza vale anche per l’economia alpestre moesana. La notevole differenza d’altitudine tra il piano e le montagne condiziona in modo decisivo l’agricoltura della regione Moesa: le superfici migliori si trovano spesso nella zona d’estivazione. La loro gestione rappresenta quindi sia una necessità, sia una sfida. Nel corso degli ultimi decenni l’approccio alla gestione di queste superfici è però cambiato.

Questo lavoro si prefigge di ricostruire i cambiamenti nella gestione dei pascoli d’estivazione della regione Moesa avvenuti dal 1880 sino ad oggi e di analizzare i fattori che li hanno determinati. A questo scopo, tre alpeggi della regione Moesa vengono analizzati in dettaglio. Si tratta dell’alpe di Mem a San Vittore, dell’alpe Cadin/Albion a Roveredo e dell’alpe di Pian Doss a Mesocco. Per ogni alpe vengono presi in considerazione diversi aspetti legati all’ economia alpestre: i cambiamenti gestionali così come quelli legati all’ estensione dei pascoli, al numero di animali caricati, agli edifici presenti, all’accessibilità dell’alpe e l’espansione della superficie boschiva vengono analizzati a partire da diverse fonti.

Grazie a queste analisi è possibile costatare il cambiamento avvenuto durante il XX secolo nella gestione degli alpeggi presi in esame. Essi sono stati migliorati, collegati alla rete stradale, intensificati nel loro sfruttamento ed in parte anche abbandonati. Diversi fattori sono responsabili per questi cambiamenti. Da un lato il miglioramento della situazione economica della regione ha portato ad una riduzione delle attività agricole con una conseguente scarsità di bestiame per i pascoli d’estivazione e una carenza di personale per l’alpe. D’altra parte è mancata spesso la volontà dei proprietari di investire nel risanamento delle infrastrutture alpestri. La breve durata dell’affitto inoltre ha raramente suscitato negli affittuari abbastanza interesse nella cura e manutenzione dell’alpe. L’introduzione a partire dagli anni 1990 di nuove normative sull’igiene, infine, hanno reso necessari importanti investimenti nelle infrastrutture alpestri. Quest’ultimi non sono stati intrapresi ovunque, determinando così la fine della lavorazione del latte su alcuni alpeggi.

Nel corso del XX secolo, l’economia alpestre ha perso il suo ruolo predominante di fonte di sostentamento per la maggior parte degli abitanti della valle. Oggigiorno vengono riconosciuti nuovi valori alla gestione degli alpeggi come, ad esempio, la creazione di un paesaggio attraente dal punto di vista turistico, fatto che potrebbe riportare ad una rivalutazione della gestione dei pascoli d’estivazione.

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG 1 1.1 ZIEL UND FORSCHUNGSFRAGEN 2 1.2 RAHMENBEDINGUNGEN DER ARBEIT 3 1.2.1 ALPFUTUR 3 1.2.2 TP ALPPAST: LANDNUTZUNG UND LANDSCHAFT IM SÖMMERUNGSGEBIET SEIT 1880 4 1.2.3 TP QUALITÄT: QUALITÄTSKRITERIEN BEZÜGLICH BIODIVERSITÄT UND LANDSCHAFT FÜR SÖMMERUNGSGEBIETE 5 1.2.4 VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER REGION OBWALDEN UND MOESA ANHAND VON ZWEI AUSGESUCHTE ALPEN 5 1.3 VORGEHEN 6 1.4 EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK 7 1.4.1 ALPWIRTSCHAFT IN DER SCHWEIZ 7 1.4.2 ALPWIRTSCHAFT IN GRAUBÜNDEN 7 2 QUELLEN 11 2.1 EINFÜHRUNG 11 2.2 LITERATURQUELLEN 11 2.2.1 BESUCHTE BIBLIOTHEKEN 12 2.3 ARCHIVQUELLEN 13 2.3.1 GEMEINDEARCHIV SAN VITTORE 13 2.3.2 GEMEINDEARCHIV ROVEREDO 13 2.3.3 GEMEINDEARCHIV MESOCCO 14 2.3.4 AMT FÜR LANDWIRTSCHAFT UND GEOINFORMATION (ALG), CHUR 15 2.3.5 STAATSARCHIV CHUR 16 2.3.6 ARCHIVIO A MARCA, MESOCCO 16 2.4 LANDESKARTEN 17 2.5 LUFTBILDER 18 2.6 MÜNDLICHE MITTEILUNGEN 19 3 METHODEN 21 3.1 UNTERSUCHTER ZEITRAUM 21 3.2 UNTERSUCHUNGSMETHODEN 21 3.2.1 RECHERCHE VON DOKUMENTEN UND QUELLEN 22 3.2.2 ANALYSE DER ERFASSTEN INFORMATION 22 3.2.3 UNTERSUCHUNG AUF LANDESKARTEN 22 3.2.4 UNTERSUCHUNG AUF LUFTBILDER 28 3.2.5 INTERVIEWS 29 4 UNTERSUCHUNGSGEBIET 31 4.1 LAGE UND LANDSCHAFT DES BEZIRKS MOESA 31 4.1.1 DAS MISOX 31 4.1.2 DAS CALANCATAL 33 4.1.3 KLIMA 33 4.2 GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE 34 4.3 GESELLSCHAFT, WIRTSCHAFT UND LANDWIRTSCHAFT 37 4.3.1 DEMOGRAFIE 37 4.3.2 LANDWIRTSCHAFT 38 4.3.3 ALPWIRTSCHAFT 41 4.4 UNTERSUCHTE ALPEN 45 5 ERGEBNISSE 47 5.1 PORTRAIT ALP DE MEM 47 5.1.1 EINFÜHRUNG 47 5.1.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 48 5.1.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 50 5.1.4 WEIDEFLÄCHE 54 5.1.5 GESÖMMERTE TIERE 56 5.1.6 ARBEITSKRÄFTE 60 5.1.7 VERWALDUNG 60 5.2 PORTRAIT ALP CADIN/ALBION 64 5.2.1 EINFÜHRUNG 64 5.2.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 66 5.2.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 66 5.2.4 WEIDEFLÄCHE 69 5.2.5 GESÖMMERTE TIERE 70 5.2.6 ARBEITSKRÄFTE 73 5.2.7 VERWALDUNG 73 5.3 PORTRAIT ALP PIAN DOSS 76 5.3.1 EINFÜHRUNG 76 5.3.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 77 5.3.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 78 5.3.4 WEIDEFLÄCHE 82 5.3.5 GESÖMMERTE TIERE 84 5.3.6 ARBEITSKRÄFTE 87 5.3.7 VERWALDUNG 88 5.3.8 VERBUSCHUNG 90 6 VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER REGION OBWALDEN UND MOESA ANHAND VON ZWEI AUSGESUCHTE ALPEN 93 6.1 EINLEITUNG 93 6.1.1 AUSGANGSLAGE 93 6.1.2 WAS WIRD VERGLICHEN? 93 6.1.3 REPRÄSENTATIVITÄT DER ALPEN FÜR DIE ZUGEHÖRIGEN REGIONEN 94 6.2 ALPPORTRAIT 95 6.2.1 PIAN DOSS 95 6.2.2 JÄNZIMATT 96 6.3 VERÄNDERUNGEN IN DER BODENBEDECKUNG UND LANDNUTZUNG DER ALPEN PIAN DOSS UND JÄNZIMATT 96 6.3.1 WALD 96 6.3.2 STRASSEN 97 6.3.3 BESTOSSUNG 98 6.3.4 NUTZUNGS- UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 99 6.4 MÖGLICHE URSACHEN, DIE ZU VERÄNDERUNGEN AUF DEN ZWEI UNTERSUCHTEN ALPEN GEFÜHRT HABEN 100 6.4.1 ENTWICKLUNG DER WALDFLÄCHE 100 6.4.2 ENTWICKLUNG DER STRASSENLÄNGE 100 6.4.3 ENTWICKLUNG DER NORMALSTÖSSE 100 6.4.4 NUTZUNGS- UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 101 6.5 ERKENNTNISSE AUS DEM VERGLEICH DER ALPEN PIAN DOSS UND JÄNZIMATT 101 7 WELCHE FAKTOREN PRÄGTEN DIE FESTGESTELLTEN VERÄNDERUNGEN? 103 7.1 VERÄNDERUNG DER EIGENTUMSVERHÄLTNISSE 103 7.2 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 104 7.2.1 VERÄNDERUNG IN DER ERSCHLIESSUNG 104 7.2.2 VERÄNDERUNG DER ALPGEBÄUDE 106 7.3 VERÄNDERUNGEN DER WEIDEFLÄCHE 108 7.3.1 VERÄNDERUNGEN IN DER WEIDEAUSDEHNUNG 108 7.3.2 VERÄNDERUNG DER WEIDEQUALITÄT 108 7.4 VERÄNDERUNG BEI DEN GESÖMMERTEN TIEREN: ANZAHL UND ART 109 7.5 VERÄNDERUNG DES AUF DER ALP TÄTIGEN PERSONALS 110 7.6 VERWALDUNG 112 7.7 ENTWICKLUNG DER VERBUSCHUNG 113 7.8 FAZIT – ZUSAMMENSTELLUNG DER TREIBENDEN KRÄFTE 114 8 DISKUSSION 117 8.1 SIND DIE UNTERSUCHTEN ALPEN REPRÄSENTATIV FÜR DIE REGION? 117 8.1.1 NATÜRLICHEN GEGEBENHEITEN 117 8.1.2 ERSCHLIESSUNG 117 8.1.3 EIGENTUMSVERHÄLTNIS 117 8.1.4 GESÖMMERTE TIERE 118 8.1.5 GRÖSSE DER ALP IN NORMALSTÖSSE 118 8.1.6 VERGLEICH IM BEZUG AUF DIE REGIONALEN GEGEBENHEITEN 118 8.1.7 FAZIT 119 8.1.8 QUALITATIVE BEURTEILUNG DER REPRÄSENTATIVITÄT 119 8.2 METHODEN UND QUELLENKRITIK 120 8.2.1 SCHRIFTLICHE QUELLEN 120 8.2.2 TOPOGRAPHISCHE KARTEN UND ENTWICKLUNG VON WALDFLÄCHE UND ERSCHLIESSUNG AUF DEN ALPEN 121 8.2.3 LUFTBILDER UND VERBUSCHUNGSENTWICKLUNG 123 8.2.4 MÜNDLICHE MITTEILUNGEN 124 8.2.5 ARCHIVARBEIT 124 8.2.6 DISKUSSION DES VORGEHENS 124 8.2.7 QUELLENVERGLEICH 125 8.3 EINBINDUNG DER ERGEBNISSE IN DER FORSCHUNGSLITERATUR 128 8.3.1 WALDAUSDEHNUNG 128 8.3.2 ENTWICKLUNG DER ERSCHLIESSUNG 129 8.3.3 NUTZUNGSENTWICKLUNG 129 8.3.4 MILITÄRISCHER NUTZEN 129 9 SCHLUSSFOLGERUNGEN 131 9.1 PERSÖNLICHE EMPFINDUNGEN 131 9.2 AUSBLICK UND WEITERE FORSCHUNG 131 10 LITERATURVERZEICHNIS 133 10.1 SCHRIFTLICHE QUELLEN 133 11 QUELLENVERZEICHNIS 137 11.1 MÜNDLICHE QUELLEN 137 11.2 GESETZLICHE QUELLEN 137 11.3 GIS-DATEN 138 12 ANHANG 139

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Bild 1: Organigramm des Projekts AlpFUTUR...... 3 Bild 2: Die sechs Fallstudienregionen des Projekts AlpFUTUR...... 4 Bild 3: Eigentumsverhältnisse nach Alpregion im Kanton Graubünden...... 9 Bild 4: Veränderung der Eigentumverhältnisse im Bezirk Moesa...... 9 Bild 5: Anteil im Jahr 2005 gesömmertes Vieh nach Tierkategorie...... 9 Bild 6: Auszüge aus den drei Kartentypen...... 27 Bild 7: Kanton Graubünden mit dem Bezirk Moesa in gelb...... 31 Bild 8: Das Misox (rechts) und das Calancatal (links) von Süden aus gesehen...... 31 Bild 9: Das Misox gesehen von der Burg von Mesocco...... 32 Bild 10: Das Calancatal gesehen vom Pizzo Rotondo Richtung Süden...... 33 Bild 11: Veränderung der Landschaft bei der Burg von Mesocco...... 36 Bild 12: Luftbild von der Region San Bernardino...... 36 Bild 13: Demografische Entwicklung des Bezirkes Moesa und der Kreise , Mesocco und Roveredo...... 37 Bild 14: Gehaltene Tiere und Ausdehnung der landwirtschaftliche Nutzfläche in der Region Moesa...... 40 Bild 15: Gehaltene Tieren nach Kategorie in der Region Moesa...... 41 Bild 16: Anzahl Alpen und gesömmerte Tiere in der Region Moesa...... 43 Bild 17: gesömmerte Tiere nach Kategorie in der Region Moesa...... 44 Bild 18: Prozentuales gesömmertes Vieh im Jahr 2005 im Kanton Graubünden (links) und im Bezirk Moesa (rechts)...... 45 Bild 19: Karte des Bezirks Moesa...... 46 Bild 20: Die Alp de Mem mit dem heutigen Perimeter in rot...... 48 Bild 21: Luftbild (2005) der Alp de Mem...... 48 Bild 22: Die Alp de Mem wahrscheinlich während der Erhebungen des Alpkatasters aufgenommen, undatiert...... 48 Bild 23: Die Alp de Mem heute...... 48 Bild 24: Karte der Alp de Mem aus dem Alpkataster der Gemeinde San Vittore von 1971...... 49 Bild 25: Länge der Strasse pro Klasse und Jahrgang im Alpperimeter...... 51 Bild 26: Entwicklung der totalen Strassenlänge im Alpperimeter...... 51 Bild 27: Kartierte Erschliessungswege in der Alp, 1937...... 52 Bild 28: Kartierte Erschliessungswege in der Alp, 1950...... 52 Bild 29: Die Gebäude auf der Alp de Carnac...... 54 Bild 30: Gesömmertes Rindvieh auf der Alp de Mem...... 56 Bild 31: Gesömmerte Ziegen auf der Alp de Mem...... 57 Bild 32: Gesömmerte Schafe auf der Alp de Mem...... 57 Bild 33: Gesömmerte Milchkühe auf der Alp de Mem...... 58 Bild 34: Gesömmertes Jungvieh auf der Alp de Mem...... 58 Bild 35: Gesömmerte Mutterkühe auf der Alp de Mem...... 59 Bild 36: Veränderung der Stosszahl, der Grossvieheinheiten und der Sömmerungsdauer auf der Alp de Mem...... 59 Bild 37: Veränderung der totalen Waldfläche auf der Alp de Mem...... 61 Bild 38: Prozentuale Veränderung der Waldfläche auf der Alp de Mem...... 61 Bild 39: Veränderung der Waldfläche nach Waldkategorie...... 62 Bild 40: Waldfläche, die als solche seit 1850 (links) und 1950 (rechts) auf den topographischen Landeskarten aufgenommen wurden...... 63 Bild 41: Die Alpen Cadin/Albion auf der Landeskarte von 2006...... 65 Bild 42: Die Alpen Cadin/Albion auf dem Orthophoto von 2005...... 65 Bild 43: Alp Cadin, von Norden aus gesehen...... 65 Bild 44: Die Alp Albion aus der Cima delle Cicogne...... 65 Bild 45: Veränderung der totalen Strassenlänge im heutigem Perimeter der Alp Cadin/Albion. 67 Bild 46: Veränderung der Erschliessung nach Strassenklasse im heutigem Perimeter der Alp Cadin/Albion...... 67 Bild 47: Alp Cadin von Westen her gesehen, vor der Renovierung...... 69 Bild 48: Gesömmertes Rindvieh auf der Alp Cadin/Albion...... 70 Bild 49: Gesömmerte Ziegen auf der Alp Cadin/Albion...... 71 Bild 50: Gesömmerte Schafe auf der Alp Cadin/Albion...... 71 Bild 51: Gesömmerte Milchkühe auf der Alp Cadin/Albion...... 72 Bild 52: Gesömmerte Mutterkühe auf der Alp Cadin/Albion...... 72 Bild 53: Gesömmertes Jungvieh auf der Alp Cadin/Albion...... 72 Bild 54: Veränderung der Stosszahl, der Grossvieheinheiten und der Sömmerungsdauer auf der Alp Cadin/Albion...... 73 Bild 55: Veränderung der totalen Waldfläche im Perimeter der Alp Cadin/Albion...... 74 Bild 56: Prozentuale Veränderung der Waldfläche im Perimeter der Alp Cadin/Albion...... 74 Bild 57: Waldfläche je nach Kategorie auf der Alp Cadin/Albion...... 75 Bild 58: Waldfläche die seit 1855 (links) und 1962 als solche kartiert wurde...... 75 Bild 59: Alp Pian Doss auf der LK25 von 2007 mit dem heutigen Perimeter...... 77 Bild 60: Orthophoto von 2005 der Alp Pian Doss...... 77 Bild 61: Veränderung der totalen Strassenlänge im Perimeter der Alp Pian Doss...... 78 Bild 62: Veränderung der Strassenlänge nach Strassenklasse im Perimeter Pian Doss...... 78 Bild 63: Alp Pian Doss wahrscheinlich von Pinec aufgenommen, undatiert...... 79 Bild 64: Luftbild der Alp Pian Doss, 1962...... 80 Bild 65: Luftbild der Alp Pian Doss, 1983...... 80 Bild 66: Luftbild der Alp Pian Doss, 2005...... 81 Bild 67: Die Alp Pian Doss nach der Umstrukturierung von 2005, links das neue Personalgebäude...... 81 Bild 68: Veränderung der Fläche des Alpperimeters und der Weiden auf Pian Doss...... 82 Bild 69: Perimeter der Alp Pian Doss, 1941, wie auf dem Landwirtschaftlichen Produktionskataster dargestellt...... 83 Bild 70: Perimeter und Weidefläche der Alp PIan Doss, 1971, wie im Alpkataster Dargestellt. .... 83 Bild 71: Perimeter und Weide der Alp Pian Doss, 1996 bzw. 1989...... 83 Bild 72: Perimeter der Alp Pian Doss gezeichnet von Alberto Toscano...... 83 Bild 73: Gesömmertes Rindvieh auf der Alp Pian Doss...... 85 Bild 74: Gesömmerte Milchkühe auf der Alp Pian Doss...... 85 Bild 75: Gesömmerte Galtkühe auf der Alp Pian Doss...... 86 Bild 76: Gesömmerte Mutterkühe auf der Alp Pian Doss...... 86 Bild 77: Gesömmertes Jungvieh auf der Alp Pian Doss...... 86 Bild 78: Veränderung der Stosszahl, der Grossvieheinheiten und der Sömmerungsdauer auf der Alp Pian Doss...... 87 Bild 79: Absolute Veränderung der Waldfläche im Perimeter der Alp Pian Doss...... 88 Bild 80: Prozentuale Veränderung der Waldfläche im Perimeter der Alp Pian Doss...... 88 Bild 81: Waldfläche nach Kategorie auf der Alp Pian Doss...... 89 Bild 82: Waldflächen im Perimeter der Alp Pian Doss die als solche seit 1850 (links) und 1949 (rechts) auf den topographischen Landeskarten aufgenommen wurden...... 90 Bild 83: Für die Entwicklung der Verbuschung analysierte Flächen...... 91 Bild 84: Verbuschte Flächen auf der Alp Pian Doss innerhalb der Aufnahmenquadrate je nach Jahr...... 91 Bild 85: Prozentuale Veränderung in den Probeflächen auf der Alp Pian Doss im ersten (blau) und zweiten (rot) Zeitraum...... 92 Bild 86: Die Alp Pian Doss auf der LK25 von 2007...... 95 Bild 87: Die Alp Jänzimatt auf der LK25 von 2006...... 96 Bild 88: Indexierte Veränderung der Waldfläche innerhalb der Alpperimeter Jänzimatt und Pian Doss bezogen auf die Waldfläche von 2006...... 97 Bild 89: Veränderung der totalen Strassenlänge innerhalb der Alpperimeter von Pian Doss und Jänzimatt...... 98 Bild 90: Veränderung der Normalstösse auf der Alp Jänzimatt und Pian Doss...... 99 Bild 91: Die für die analysierten Alpen bedeutendsten treibenden Kräfte. Die gestrichelten Linien dienen zur Orientierung ...... 116 Bild 92: Der Wald von Alp Pian Doss auf dem Luftbild von 1962 bzw. auf der Landeskarte von 1968 ...... 127 Bild 93: Der Wald von Alp Pian Doss auf dem Luftbild von 2005 bzw. auf der Landeskarte von 2006 ...... 128

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Karten, welche für die Analyse auf den untersuchten Alpen betrachtet werden...... 17 Tabelle 2: Luftbilder, welche für die Betrachtung der Entwicklung der Verbuschung auf der Alp Pian Doss verwendet werden...... 18 Tabelle 3: Personen, welche interviewt wurden...... 19 Tabelle 4: Darstellung der Waldfläche je nach Kartentyp...... 24 Tabelle 5: Unterschiedliche Strassendarstellung je nach Kartentyp...... 26 Tabelle 6: Demografische Entwicklung der Gemeinden und San Vittore...... 37 Tabelle 7: Anzahl Vollzeit und totale Anzahl Betriebe...... 40 Tabelle 8: Veränderung der Alpfläche der Alp de Mem...... 55 Tabelle 9: Herkunft der Daten für die Analyse der Veränderung der gesömmerten Tiere auf der Alp de Mem...... 56 Tabelle 10: Entwicklung der Gebäude auf der Alp Cadin/Albion...... 68 Tabelle 11: Entwicklung des Alpperimeters und der Weidefläche...... 69 Tabelle 12: Herkunft Daten für die Analyse der Veränderung der gesömmerten Tiere auf der Alp Cadin/Albion...... 70 Tabelle 13: Herkunft Daten für die Analyse der Veränderung der gesömmerten Tiere auf der Alp Pian Doss...... 84 Tabelle 14: Zusammenstellung der treibende Kräfte die für die stattgefundenen Veränderungen als verantwortlich erkannt wurden ...... 115 Tabelle 15: Zusammenfassung der Merkmale der analysierten Alpen und der Untersuchungsregion ...... 119

1 EINLEITUNG

Die Landschaft ist durch die Kombination der Einflüsse von Natur und Gesellschaft geprägt. Da sich Natur und Gesellschaft laufend entwickeln, sind Veränderungen Eigenmerkmale der Landschaft. Die heutige Landschaft ist somit aus verschiedenen Schichten vergangener Prägungen durch Natur und Mensch zusammengesetzt (Bürgi et al. 2004). Um die Veränderungen, die zum heutigen Zustand geführt haben, zu erforschen, ist also ein historischer Ansatz notwendig: Landnutzungsgeschichte („historical ecology“) versucht dem Lauf der sich ändernden Muster und Prozesse der Landschaft nachzufolgen. Dafür wird eine Vielfalt von unterschiedlichen Quellen und Methoden eingesetzt: Es werden z.B. historische Dokumente wie Karten, Bilder, mündliche Mitteilungen, biologische Archive und die Landschaft selber analysiert und untereinander kombiniert und verglichen. Es handelt sich damit um einen interdisziplinären Ansatz welcher neben den quantitativen Analysen auch qualitative Beschreibungen und auch Erzählungen erlaubt (Bürgi und Gimmi 2007).

Veränderungen in der Landnutzung und Landbedeckung sind vor allem durch sozialwirtschaftliche Kräfte angetrieben (Wu und Hobbs 2002). Kulturlandschaften widerspiegeln also die Bedürfnisse der Gesellschaft (Diggelmann 2008).

Die Alplandschaft der Schweiz ist durch die Sömmerungsweiden geprägt. Diese sind durch traditionelle alpwirtschaftliche Bewirtschaftungen (wie die Milchkuhälpung und Käseproduktion) genutzt und sind reich an kulturellen, ökologischen und wirtschaftlichen Werten (Baur et al. 2007). Diese Landschaft wurde im 20. Jahrhundert wegen der sich verändernden Bedürfnisse der Gesellschaft markanten Veränderungen ausgesetzt. Die vorliegende Arbeit befasst sich speziell mit der Rekonstruktion dieser Veränderungen, welche die Alpwirtschaft der Region Moesa seit 1880 erlebt hat.

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1.1 ZIEL UND FORSCHUNGSFRAGEN Ziel dieser Masterarbeit ist, den Wandel der Landbedeckung und Landnutzung im Bezirk Moesa seit 1880 zu rekonstruieren. Dafür wurden auf drei Moesaner Alpen mehrere Aspekte der Bewirtschaftung betrachtet und rekonstruiert.

Es handelt sich dabei sich um die Alpen de Mem, Cadin/Albion und Pian Doss, die genauer im Kapitel 5 vorgestellt werden. Zudem wurden die Ursachen oder treibenden Kräfte, welche zu den Veränderungen auf den analysierten Alpen geführt haben, analysiert und zusammengefasst.

Folgend sind die genauen Forschungsfragen vorgestellt. 1. Wie hat sich die Alpwirtschaft in der Region Moesa seit 1880 verändert? a. Wie haben sich die Eigentumsverhältnisse auf den untersuchten Alpen verändert? b. Wie hat sich die Infrastruktur (Erschliessungsmöglichkeiten, Gebäude, technische Ausrüstung) verändert? c. Wie haben sich die Weidefläche und die Weidequalität der untersuchten Alpen verändert? d. Wie hat sich die Art und Anzahl der gesömmerten Tiere entwickelt? e. Wie haben sich die Rahmenbedingungen (Herkunft, Anstellung, Ausbildung, Lohn, Beschäftigungsgrad) der auf der Alp tätigen Personen verändert? 2. Wie hat sich die Verwaldung/Verbuschung der Alpgebiete der Region Moesa seit 1880 entwickelt? a. Hat sich das Waldareal ausgedehnt? b. Haben die verbuschten Flächen auf der Alp Pian Doss zugenommen? 3. Welche sind die Ursachen dieser Entwicklungen? a. Sind allgemeine Ursachen für die Entwicklungen der Punkte 1 und 2 zu identifizieren? b. Gab es eine Entwicklung bei den Ursachen? c. Wie hat sich die Relevanz der Alpwirtschaft für die gesamte Region entwickelt? d. Welche Rolle hatten die politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Alpwirtschaft?

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1.2 RAHMENBEDINGUNGEN DER ARBEIT Diese Masterarbeit steht im Rahmen des Teilprojektes AlpPAST welches im Verbundsprojekt AlpFUTUR die Entwicklung der Alpwirtschaft in der Schweiz seit 1880 erforscht.

1.2.1 ALPFUTUR

1.2.1.1 ZIEL Das Verbundsprojekt AlpFUTUR erforscht, wie der Agrastrukturwandel, zusammen mit Klimaänderung und den sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen und Trends, die Zukunft der Alpwirtschaft prägen werden. Durch die Mitarbeit von Forschenden, Behörden und Praktikern werden Szenarien für einen mittleren Zeithorizont (10-40 Jahren) für die Entwicklung der Alpwirtschaft in der Schweiz formuliert. Besonders werden folgenden Punkte analysiert:

• Bedarf an Art und Menge von politischen Steuerungsinstrumenten • Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Sömmerung und der Vermarktung von davon abstammenden Produkten • Beurteilung des zukünftigen Bedarfs an Alpbetrieben • Beurteilung der zukünftigen Nutzung von Natur- und Kulturlandschaftswerte des Sömmerungsgebiets.

1.2.1.2 ORGANISATION UND STRUKTUR AlpFUTUR ist in verschiedene interdisziplinäre Teilprojekte gegliedert, welche die Fragestellung der zukünftigen Entwicklung der Alpwirtschaft in der Schweiz aus verschiedenen Perspektiven erforscht. Dabei haben elf unterschiedliche Forschungs- und Umsetzungsinstitutionen zusammen mit der Verbundprojektkoordination die Themen der Teilprojekte formuliert, welche die oben vorgestellten Punkte analysieren. Eine BILD 1: ORGANIGRAMM DES PROJEKTS ALPFUTUR. HTTP://WWW.ALPFUTUR.CH/IMG/ORGANIGRAMM.GIF begleitende Expertengruppe stützt die Leitung und Koordination von AlpFUTUR ab und sorgt dafür, dass die Teilprojekte auf die Bedürfnisse der Stakeholder ausgerichtet werden und dass eine Nutzung der Resultate in der Praxis stattfinden kann. Bild 1 stellt das Organigramm von AlpFUTUR dar (Lauber 2010b).

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1.2.1.3 FALLSTUDIEREGIONEN VON ALPFUTUR Für einige Teilprojekten werden Fallstudien durchgeführt. Diese finden in sechs Fallstudiengebieten statt, welche die räumlichen Vielfalt des Alpgebietes sowie sozio- ökonomischen Strukturen (wie Eigentum und durchschnittliche Grösse der Alpbetreibe) repräsentieren (Lauber 2010a).

Die sechs Fallstudieregionen von AlpFUTUR sind auf Bild 2 dargestellt.

BILD 2: DIE SECHS FALLSTUDIENREGIONEN DES PROJEKTS ALPFUTUR. 1 VALLÉE DE JOUX, 2 DIEMTIGTAL UND NIEDERSIMMENTAL, 3 BALTSCHIEDER-, VISPER-, NANZ- UND SAASTAL, 4 KANTON OBWALDEN, 5 BEZIRK MOESA, 6 UNTERENGADIN. BILD AUS LAUBER ET AL. 2011.

1.2.2 TP ALPPAST: LANDNUTZUNG UND LANDSCHAFT IM SÖMMERUNGSGEBIET SEIT 1880 Das Teilprojekt AlpPAST untersucht die Entwicklung der Alpwirtschaft in der Schweiz seit 1880. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob und wie sich die Landnutzung und Landschaft im Schweizer Sömmerungsgebiet seit 1880 auf unterschiedlichen räumlichen Skalen homogenisiert hat. Damit kann getestet werden, ob die Globalisierung auch in diesem Fall zu einer Homogenisierung der Landnutzung führt. Dabei werden die folgenden Fragestellungen gestellt: 1. Wie hat sich die Landnutzung, Landbedeckung und Landschaft der Schweizer Sömmerungsgebieten seit 1880 verändert? 2. Welche sind die wichtigsten treibende Kräfte für die erkannten Veränderungen? 3. Hat die Diversität von Landnutzung, Landbedeckung und Landschaft der Schweizer Sömmerungsgebieten seit 1880 ab- oder zugenommen?

Das Projekt wird von PD Dr. Matthias Bürgi der WSL Birmensdorf zusammen mit Prof. Dr. Jon Mathieu vom Historischen Seminar der Universität Luzern betreut.

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Die vorliegender Masterarbeit steht im Rahmen dieses Teilprojektes und stellt zusammen mit der Masterarbeit von Priska Müller über die Entwicklung der Alpwirtschaft im Kanton Obwalden seit 1880, der erste Teil des Projektes dar. Dabei handelt es sich um die Rekonstruktion der Geschichte der Landnutzung, Landbedeckung und Landschaft in zwei Fallstudienregionen und stellt somit eine Art Vorstudie für AlpPAST, welches im Rahmen einer Doktorarbeit von Pierluigi Tartaro an der WSL Birmensdorf durchgeführt wird.

1.2.3 TP QUALITÄT: QUALITÄTSKRITERIEN BEZÜGLICH BIODIVERSITÄT UND LANDSCHAFT FÜR SÖMMERUNGSGEBIETE Ziel des Teilprojektes Qualität ist, Kriterien für die Beurteilung der biologischen Qualität von Alpweiden und praxistaugliche Monitoring-Methoden zu entwickeln, welche die Veränderungen der Artenvielfalt auf Landschaftsebene erfassen können. Dazu werden noch Kriterien ausgearbeitet, welche eine Priorisierung von Sömmerungsgebieten aus der Sicht der Artenvielfalt und der touristischen Nutzung ermöglichen.

Im Rahmen dieses Projektes wird auch die Diplomarbeit bzw. Masterarbeit von Bärbel Koch und Sarah Schmid an der Forschungsanstalt ART durchgeführt. Sie untersuchen ob die „Artenvielfalt von Flora und Fauna auf Alpweiden entlang eines Gradienten zunehmender Verbuschung“ korreliert (Koch 2010). Dabei wurden unter anderem auf der Alp Pian Doss Vegetationsaufnahmen gemacht.

Mit der Analyse der Ausdehnung der verbuschten Flächen auf der Alp Pian Doss, die in der vorliegenden Arbeit durchführt wurde, bildet sich ein Verknüpfungspunkt mit dem Teilprojekt Qualität: die Ergebnisse der Rekonstruktion könnte in die Arbeit von Bärbel Koch einfliessen.

1.2.4 VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER REGION OBWALDEN UND MOESA ANHAND VON ZWEI AUSGESUCHTE ALPEN Im Rahmen des Projekts AlpPAST führt Priska Müller eine Masterarbeit über die Entwicklung der Alpwirtschaft im Kanton Obwalden seit 1880 durch. Diese befasst sich mit ähnlichen Fragenstellungen wie die vorliegende Arbeit. Dies ermöglicht eine vergleichende Betrachtung der Entwicklungen, die in den beiden Regionen stattgefunden haben.

Für beide Regionen wird somit eine Alp ausgewählt, welche bezüglich folgender Fragestellungen verglichen werden.

• Wie veränderte sich die Bewaldung der Alpgebiete? • Wie veränderten sich die Erschliessungsmöglichkeiten? • Wie veränderten sich Art und Anzahl der gesömmerten Tiere? • Wie haben sich die Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse auf den Alpen verändert? Diese Analyse wird im Kapitel 6 vorgestellt

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1.3 VORGEHEN In den folgenden Kapiteln wird zuerst als Einführung in die Thematik die Situation der Alpwirtschaft in der Schweiz und im Kanton Graubünden vorgestellt. Dann werden die verwendeten Quellen und Methoden präsentiert, welche für die Beantwortung der obigen Fragestellungen konsultiert und angewendet wurden. Danach wird das Untersuchungsgebiet genauer vorgestellt. Nachfolgend werden in Alpportraits die Veränderungen, die auf den drei untersuchten Alpen stattgefunden haben, vorgestellt. Später werden ausgewählte Ergebnisse mit denjenigen der Masterarbeit von Priska Müller verglichen. Danach werden die Ursachen oder treibenden Kräfte, die zu den Veränderungen auf den untersuchten Alpen geführt haben, zusammengefasst und diskutiert. Folgend werden die Repräsentativität der ausgewählten Alpen und die angewendeten Quellen und Methoden diskutiert, zusammen mit der Einbindung der vorgestellten Resultate in die wissenschaftliche Literatur. Schliesslich werden Schlussfolgerungen und mögliche Ausblicke formuliert.

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1.4 EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK 1.4.1 ALPWIRTSCHAFT IN DER SCHWEIZ Die Landschaft der Schweizer Alpen ist stark durch die alpwirtschaftliche Nutzung geprägt: Mit der Bewirtschaftung von circa 5'000km2 deckt diese Landnutzungsform etwa 1/8 der Schweizer Fläche und entspricht etwa der Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzungsfläche (Lauber et al. 2008a). Ist das Sömmerungsgebiet flächig wichtig, ist es volkswirtschaftlich jedoch nur marginal von Bedeutung. Dies ist ersichtlich, wenn zum Beispiel der Beitrag an Direktzahlungen für die Sömmerungsgebiete betrachtet wird: Er entspricht nur etwa 4.5% der gesamtschweizerischen landwirtschaftlichen Beiträge (BLW 2010). Der Grund dafür ist, dass Sömmerungsweiden sich ausserhalb der landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) befinden, und somit im aktuell gültigen Direktzahlungssystem keinen Anspruch an Flächenbeiträge besteht (Baur et al. 2007).

Neben der Prägung einer abwechslungsreichen Landschaft (Baur et al. 2007), ist das Sömmerungsgebiet und dessen Nutzung ein wichtiges kulturelles Erbe der Schweiz. Alpwirtschaft ist neben der Landwirtschaft auch für den Tourismus von Bedeutung, da sie unterhalb der Waldgrenze zur Offenhaltung des Geländes beiträgt was z.B. für den Wintersport von Bedeutung ist (Baur et al. 2007). Zudem ist die pflanzliche sowie die tierische Artenvielfalt im Sömmerungsgebiet von hoher Bedeutung (Lauber et al. 2008b).

Diese kulturellen und ökologischen Werte sind jedoch durch die raschen Veränderungen, welche in der Alpwirtschaft in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben, bedroht. Grund dafür ist die Verringerung des wirtschaftlichen Interesses an der Sömmerung von Tieren (Baur et al. 2007) sowie weitere Faktoren im Zusammenhang mit dem Agrarstrukturwandel und dem Fortschritt der Agrarwirtschaft (Lauber et al. 2008a): Einerseits leitete die Aufgabe oder extensive Nutzung von Grenzertragslagen die Verbuschung und Wiederbewaldung ein. Somit ging im Laufe des 20. Jahrhunderts schweizweit die alpwirtschaftliche Nutzfläche um etwa 10 % zurück (Baur et al. 2007). Anderseits nahm die Anzahl gesömmerter Tiere im Vergleich zur Weidefläche weniger ab, was zu einer Nutzungsintensivierung auf den gut erreichbaren und bewirtschaftbaren Flächen führte. Diese gegenläufigen Tendenzen der alpwirtschaftlichen Nutzung werden als die duale Entwicklung der Nutzungsintensität definiert (Baur et al. 2007).

1.4.2 ALPWIRTSCHAFT IN GRAUBÜNDEN 1.4.2.1 EINFÜHRUNG Als Gebirgsregion besteht der Kanton Graubünden aus etwa 2/3 an unproduktivem Land und Waldflächen. Alpweiden entsprechen etwa 70% der restlichen Fläche des Kantons (ALG 2007a), also ungefähr 169‘000 ha (ca. 20% der Kantonsfläche) (Flury 2002).

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1.4.2.2 GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE Bereits Funde aus der Bronzezeit beweisen, dass Hochweiden und Randregionen in den Bergtalschaften Graubündens schon vor 3000 Jahren genutzt worden sind. Darum ist sicher, dass die Rätier bereits vor den Römern Alpwirtschaft betrieben haben.

Anfangs 1600 erlebte die Alpwirtschaft in Graubünden wahrscheinlich ihre grösste flächenmässige Ausdehnung; Pest, Kriege und Hungersnot dezimierten aber im Laufe des 17. Jahrhunderts die Bevölkerung und deren Viehbestand. Dazu kamen noch die verschiedenen Auswanderungswellen welche die Bündner Tälern von wichtigen Arbeitskräften entleerten, die zum Niedergang der Landwirtschaft und damit auch der Alpwirtschaft beigetragen haben. Erste Impulse zur Reorganisierung und Unterstützung der Alpwirtschaft gaben erst Ende des 19. Jahrhundert die Subventionierungen durch Bund und Kanton. Dies leitete Investitionsbemühungen von Privaten und der öffentlichen Hand zur Modernisierung der Alpwirtschaft ein (Regi 1986).

Infolge des Strukturwandels und der anschliessenden Liberalisierung des Agrarmarktes, erlebten die Bündner Landwirtschaft generell und die Alpwirtschaft Speziell im 20. Jahrhundert grundlegende Veränderungen (Flury 2002). So verringerte sich beispielweise die Anzahl gesömmerter Tiere zwischen 1909 und 2005 von 162’430 (Strüby 1909) auf 105'820 (ALG 2007a), was einem Rückgang von etwa 35% entspricht.

1.4.2.3 ALPWIRTSCHAFT HEUTE Die Alpweiden stellen einen wichtigen Teil der meisten Bauernbetriebe Graubündens dar (Werthemann 1973), die damit ihre Futtergrundlage um etwa 20 – 25% ausdehnen können (ALG 2007a). Bereits im Alpkataster des Kantons Graubünden von 1973 wurde jedoch erläutert, wie „Alpflächen infolge zu schwacher Bestossung verunkrauten und verloren gehen“ (Werthemann 1973). Heute ist klar geworden, dass das bündnerische Vieh allein nicht ausreichend ist, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Das ausserkantonale Vieh (13% der gealpten Tiere) spielt daher eine wichtige Rolle (ALG 2007a).

Die Alpwirtschaft produziert im Kanton Graubünden jährlich ungefähr 11 Mio. kg Milch sowie 2 Mio. Tonnen Lebendgewicht von der Haltung von Aufzucht- und Masttieren. Dazu werden jährlich 14-15 Mio. Fr Löhne für Arbeitskräfte im Alpweidengebiet ausbezahlt (ALG 2007a).

Die Alpwirtschaft hat aber im Kanton Graubünden nicht nur für die Landwirtschaft eine hohe Bedeutung, sondern auch eine ökonomische, ökologische und kulturellen Geltung. Sie schafft saisonale Arbeitsplätze, bringt Wertschöpfung für regionale Unternehmen (wegen dem Unterhalt z.B. von Gebäuden oder Strassen), bietet einen guten Unterhalt von Skipisten (ca. 7’500 ha Pisten liegen im Alpweidengebiet), und trägt zur Pflege der Kulturlandschaft bei (ALG 2007a).

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1.4.2.4 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Je nach Region herrschen im Kanton Graubünden verschiedenen Eigentumsverhältnisse (Bild 3). Im romanischen Kulturraumsind die Weiden typischerweise im Besitz der Gemeinden und durch eine öffentlich-rechtliche Genossenschaft bewirtschaftet und verwaltet. In den Südtälern sind die Alpen (Land und Infrastruktur) zwar auch im Besitz der Gemeinden, werden aber an Private verpachtet, meistens im 6-Jahres-Rhythmus. Der Grund für die Verpachtung ist oft, dass der Besitz: Gemeinde, Nutzung: öffentlichrechtl. Genossenschaft Eigentümer (also meistens die Gemeinden) eine zu Besitz: Gemeinde, Nutzung: privat / privatr. Genossenschaft Besitz und Nutzung: privat / privatrechtl. Genossenschaft grosse Alpfläche besitzt, die mit dem eigenem Vieh Mischung der Alpkulturen und Tradition BILD 3: EIGENTUMSVERHÄLTNISSE NACH nicht wirtschaftlich und nachhaltig genutzt werden ALPREGION IM KANTON GRAUBÜNDEN. BILD AUS ALG 2007A. kann (Frödin 1940). In den Walsergebieten sind die Alpen Eigentum von Privaten oder privatrechtlichen Genossenschaften (ALG 2007a).

Diese Verhältnisse haben sich im Eigentumverhältnisse in der Region Moesa in letzten Jahrhundert wenig den Jahren 1909 1973 und 2005 verändert (siehe Bild 4). Die 100 Gemeindealpen Gemeindealpen sind in etwa 100 75 Genossenschaftsalpen

Jahren um 10% zurückgegangen, % 50 Privatalpen vor allem zu Gunsten von 25 Andere/Gemischt privaten und gemischten Alpen. 0 1909 1973 2007 Gemeindealpen bleiben aber BILD 4: VERÄNDERUNG DER EIGENTUMVERHÄLTNISSE IM immer noch die am meisten BEZIRK MOESA. verbreiteten Alpungsformen. DATEN AUS STRÜBY 1909, WERTHEMANN 1973, ALG 2007A.

1.4.2.5 GESÖMMERTE TIERE Auf Bündner Alpen wird heute Gesömmerte Tiere in der Region Moesa in vor allem Rindvieh (84%) 2005 gesömmert. Davon spielen 100 Milchkühe (35%) und Jungvieh 75

(32%) die wichtigste Rolle. In % 50 geringerem Mass werden auch 25 noch Mutterkühe (17%), Schafe 0 (13%) und Ziegen (2%) gesömmert. Bild 5 zeigt die Tiere, BILD 5: ANTEIL IM JAHR 2005 GESÖMMERTES VIEH NACH TIERKATEGORIE. die im Jahr 2005 gealpt wurden DATEN AUS ALG 2007A. (ALG 2007a).

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1.4.2.6 ALPPERSONAL Die Bündner Alpwirtschaft hat heute Probleme qualifiziertes Alppersonal zu finden. Nach Werthemann ist genau dieses Manko die treibende Kraft des grossen Wandels, welcher im Gebiet der Alpwirtschaft im 20. Jahrhundert stattgefunden hat (Werthemann 1973). Die Verdienstmöglichkeiten in Industrie und Gewerbe bewirken die Abwanderung der jungen Generation aus den Tälern: Um diese Arbeitskräfte zu ersetzten, werden notwendigerweise ausländische Saisonarbeiter eingesetzt, welche jedoch mit den lokalen Verhältnissen nicht mehr vertraut und verbunden sind (Werthemann 1973).

Auf den 771 Bündner Alpen waren 2005 etwa 1000 Personen tätig (ALG 2007a).

1.4.2.7 INFRASTRUKTUR Kleinere Ställe für 8 bis 10 Tiere hatte es auf den Bündner Alpen schon immer gegeben (Regi 1986). Die Alpstatistik von 1909 berichtete aber, dass Ende 19. Jahrhundert immer noch im Freien gemolken wurde (Strüby 1909). Erst mit dem Bundesbeschluss im 1889, wurden Subventionen für Stallbauten freigegeben (Wehrli 1985). Dies löste einen Bauboom aus, der ungefähr bis 1940 dauerte. Danach wurde vermehrt in anderen Bereichen der Landwirtschaft investiert. Darum stammen viele Alpgebäude in Graubünden noch aus der Zeit der Investitionen die anfangs 20. Jahrhundert vorgenommen wurden. Diese sind mit den heutigen Ansprüchen und Gesetzgebungen aber nicht mehr kompatibel (Wehrli 1985).

1.4.2.8 VERÄNDERUNGEN DER ALPWIRTSCHAFT Die Veränderungen welche die Bündner Alpwirtschat im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebt hat entsprechen den schweizweiten Tendenzen: die Bewirtschaftung der Sömmerungsweiden ging zurück (Baur et al. 2007).

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2 QUELLEN

2.1 EINFÜHRUNG In diesem Abschnitt werden alle relevanten Quellen und Dokumente vorgestellt, welche in die vorliegender Arbeit eingeflossen sind.

Für die vorliegende Arbeit wurden diverse Typen von Quellen berücksichtigt und analysiert: Schriftliche Quellen, darunter wissenschaftliche Artikel, Bücher, und allgemeine Archivdokumente stellten den wichtigsten Teil der Quellen dar. Diese deckten viele der analysierten Themen ab. Daneben wurden noch topographische Landeskarten und Luftbilder analysiert, welche für spezifische Fragestellungen eingesetzt wurden. Schliesslich stellten mündliche Mitteilungen ein weiterer Quellentyp dar, welche allgemeine historische Informationen und weitere Perspektiven der stattgefundenen Veränderungen vermittelten.

Alle diese Quellentypen wurden jedoch nicht einzeln betrachtet und analysiert, sondern, wenn möglich, miteinander verglichen und geprüft.

2.2 LITERATURQUELLEN Ein erheblicher Teil der gesamten Arbeit stellte die Literaturrecherche dar. Diese lieferte neben Inputs für den einführenden Teil, auch spezifischere Grundlagen über Alpwirtschaft, Untersuchungsgebiet und Methoden für historischen Untersuchungen.

Schriftliche Quellen über Alpwirtschaft allgemein als auch über die Bewirtschaftung von einzelnen Alpen konnten diverse gefunden werden. Dabei handelt es sich zum Teil um präzise Momentaufnahmen (wie die Alpstatistik und der Alpkataster) sowie um Monographien wie die Werke von Frödin (1940), Werthemann (1982) und Weiss (1992). Frödin analysiert verschiedene Aspekte der Schweizer Alpwirtschaft, Werthemann fasst die Erhebungen der Alpkataster für die gesamte Schweiz zusammen und Weiss erkundet genauer die Situation im Kanton Graubünden.

Die Alpstatistik und der Alpkataster bestehen aus Zusammenfassungen für die einzelnen Kantone (für den Kanton Graubünden siehe Strüby 1909 und Werthemann 1973) sowie für die einzelnen Gemeinden (Alpkataster siehe BLW 1971a, b, c) und sogar für die einzelnen Alpen (Alpinspektionen für die Schweizerische Alpstatistik siehe Alpwirtschaftlicher Verein 1898, 1902a, b, c). Dazu kommt noch das Werk von Andrea (Bericht über die Alpinspektionen im Kanton Graubünden in den Jahren 1917/1920, 1921), welches nochmals Angaben über die Alpbestossung im Kanton Graubünden der einzelnen Jahren wiedergibt.

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Für allgemeine Angaben über das Untersuchungsgebiet und dessen Geschichte waren vor allem die Werke „Valle Mesolcina e Valle Calanca“ (Ciocco et al. 2000), „Das Misox“ (Zendralli 1949) und „Emigrazione in Mesolcina e Calanca“ (Santi 1991) von Bedeutung. Die landwirtschaftliche Situation und Entwicklung im Moesano werden in den Werken von Eitel (2001), Eitel (2010) und Furger (1987) dargestellt.

Andere Informationen, wie die aktuellen statistischen Daten zu Demographie, Landwirtschaft und Alpwirtschaft in der Schweiz und in Graubünden, sind sogar auf den Homepages der jeweiligen Behörden zu finden.

Angaben für Analysen von Landeskarten waren die Werke von Egan (2005), Petit (2002) und Rumsey (2002). Für die Verarbeitung und Analysen von Luftbildern wurde Bezug auf die Werke von Bernhard (2003), Egan (2005) und Schroder-Lanz (1970) genommen.

Während des Interviews mit Reto Togni und Gianpiero Raveglia konnten einige Dokumente konsultiert werden. Reto Togni, der Präsident des Patriziato von San Vittore ist, besitzt die Protokolle vom Patriziato, die bis etwa 1870 zurückgehen.

Gianpiero Raveglia stellte seiner Arbeit über die Italienischen Ausdrücke in der Gesetzgebung des Kantons Graubünden zur Verfügung (Raveglia 2010), und erlaubte eine Einsicht in die Archivmaterialien vom Patriziato von Roveredo, welche unter anderem die durch A.M Zendralli (Historiker aus Roveredo) gesammelten historischen Dokumente enthalten.

2.2.1 BESUCHTE BIBLIOTHEKEN Die Suche nach verschiedensten Dokumenten führte in mehrere Bibliotheken der Schweiz. Neben dem Nebis-Bibliotheks-Netzwerk, welches viel Material für den Einstieg in die meisten Themen bot, wurden für spezifischere Dokumente über das Untersuchungsgebiet die Kantonsbibliotheken in Chur und Lugano besucht.

Dabei war die erste vor allem für Artikel aus Bündner Zeitschriften über Alpwirtschaft und sogar über die untersuchten Alpen wertvoll (siehe Foppa 1988). Unter anderem ist in Chur auch eine Kopie von „Die Alpwirtschaft im Kanton Graubünden“ vorhanden (siehe Strüby 1909), dem Bündner Band der Alpstatistik vom Anfang des 20. Jahrhundert.

In der Kantonsbibliothek Lugano konnten viele Titel von Autoren aus dem Bezirk Moesa oder in italienischer Sprache gefunden werden.

Schliesslich fanden sich in der Bibliothek der Schweizerischen Bauernforschung in Zug sowohl spezifische Fachliteratur über Alpinfrastrukturen (vor allem über Gebäude) aber auch über landwirtschaftliche Arbeitstechniken als auch allgemein über Alpwirtschaft.

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2.3 ARCHIVQUELLEN Die meisten historischen Unterlagen, welche die einzelnen untersuchten Alpen direkt betreffen, konnten in verschiedenen Archiven gefunden werden. Archivquellen vermittelten spezifischere und meistens ortsgebundene, historische Informationen.

Die konsultierten Archive werden sowohl von öffentlicher Hand als auch von Privaten geführt, und befinden sich im Untersuchungsgebiet und in Chur. Insgesamt wurden sechs Archive besucht oder konsultiert. Diese werden hier kurz vorgestellt, zusammen mit den dort gefundenen, relevanten Dokumenten.

2.3.1 GEMEINDEARCHIV SAN VITTORE Das Gemeindearchiv von San Vittore konnte nicht persönlich besucht werden. Die Dokumente über Alpwirtschaft (also diejenigen, die unter „Landwirtschaft und Alpwirtschaft“ abgelegt waren) wurden vom Gemeindeangestellten herausgesucht. Die Menge an Dokumente und Akten war nicht enorm, dementsprechend war auch die Anzahl relevanter Dokumente mässig.

Relevante Angaben für die Alp de Mem war vor allem: • Ältere und aktuelle Pachtverträge der untersuchten Alp de Mem • Dokumente die punktuell Aufschluss geben über die in der Gemeinde gesömmerten Tiere. • Aus den 1950er Jahren stammende Pläne mit den zugehörigen Abrechnungen und Dokumenten des eidgenössischen Meliorationsamtes, über die geplanten Alpgebäuden auf Mem. • Die Karte der 2010 durchgeführten Weidekartierung, welche neu auf der Alp die Bestossung durch Schafe zuliess. • Das landwirtschaftliche Produktionskataster aus dem Jahre 1943, welches das für die vorliegende Arbeit interessanteste Dokument darstellt. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung der landwirtschaftlichen Situation, und somit auch der Alpwirtschaft, der Gemeinde San Vittore. Die Gemeinde wird kurz vorgestellt, zusammen mit der betriebenen Landwirtschaft, mit Angaben über Betriebe, Flächen, Maschinen und Nutztieren. Dazu kommen noch Bestossungszahlen für die einzelnen Alpen und jeweils ein kurzer Beschrieb von deren Zustand.

2.3.2 GEMEINDEARCHIV ROVEREDO In Roveredo wurde freier Zugang zum Gemeindearchiv gestattet; die zu untersuchenden Materialien konnten somit selber ausgewählt werden. Beim Besuch des Archivs waren die zu untersuchenden Alpen noch nicht definiert (was dann hingegen bei den anderen Archiven der Fall war). Der Suchaufwand war somit grösser, da er nicht auf eine einzelne Alp ausgerichtet war.

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Die gefundenen relevanten Dokumente für die Alp Cadin/Albion werden hier kurz vorgestellt: • Verschiedenen Gemeindeakten über Verbesserungen auf den Alpen der Gemeinde und ältere und aktuelle Pachtverträge. • Diverse Dokumente vom Kantonalen Viehinspektorat, vom Eidg. Volkswirtschaftsdepartement und der Kantonalen Verwaltung, welche punktuell Angaben über die Bestossung der einzelnen Alpen beinhalten. Diese Dokumente konzentrieren sich jedoch nur auf den Zeitraum zwischen den 1950er und 1970er Jahren. Besonders spannend an den Dokumenten des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, genannt „Angaben für Dispensationen“, sind die Bestossungszahlen und die Angaben über tätiges Personal auf der Alp und die Produktionsmengen von Käse und Butter. • Die Alphefte der Jahre 1915 und 1916, die vom damaligen Alpmeister geführt wurden. Diese enthalten nicht nur Bestossungszahlen, sondern auch Beschreibungen über den Zustand der einzelnen Alpen und über die Eigentümer des gesömmerten Viehs. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Aufnahmen für den „Bericht über die Alpinspektionen im Kanton Graubünden in den Jahren 1917/1920“ (Andrea und Good 1921). Die Handschrift dieser Dokumente konnte zum Teil nicht gelesen werden.

2.3.3 GEMEINDEARCHIV MESOCCO Wie in Roveredo konnten auch in Mesocco die relevanten Unterlagen im Archiv gesucht werden. Da die Gemeinde Mesocco nicht Eigentümerin der untersuchten Alp Pian Doss ist, war die gefundene Menge an Dokumenten die direkt diese Alp angehen, relativ klein. Trotzdem konnte viel Material über Alpwirtschaft auf dem Gebiet der Gemeinde Mesocco gefunden werden. Wie es sich später herausstellte, sollten im Gemeindearchiv auch die Dokumente der Alpgenossenschaft Pian Doss aufbewahrt sein (Consorzio Alpe Pian Dos 1969) eine entsprechende Abteilung oder Sammlung an Dokumenten wurde im Archiv aber nicht gefunden.

Über die Alpwirtschaft sind verschiedene relevante Dokumente gefunden worden. Hier wird eine Auswahl davon kurz vorgestellt.

• Eine kantonale „Botschaft des Kleinen Rates an den Grossen Rat“ über „Alppersonalfragen“ von 1964 stellt einen Bericht der Untersuchung über die „Ursachen des heutigen Mangels an Alppersonal“ zusammen mit dem „Entwurf für einen Normalarbeitsvertrag für das Alp- und Hirtschaftspersonal“. Dabei werden die Ursachen des Mangels an Alppersonal erforscht und Massnahmen vorgeschlagen, um die Alpbetriebe zu rationalisieren und somit die Attraktivität der Alp als Arbeitsort zu steigern. • Der Entwurfs eines Kantonalen Gesetzes über Alpen von 1963, sowie die Kantonalen Verordnung über Pachtverträge auf Alpen und Sömmerung von Tieren von 1954 war auch vorhanden.

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• Das Formular „Angabe für Dispensationen“ des Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (was auch im Gemeindearchiv Roveredo gefunden worden ist), wo Sömmerungszahlen und andere relevante alpwirtschaftliche Daten eingetragen sind. • Der Landwirtschaftliche Produktionskataster von 1942, welcher Details über die Landwirtschaft in der Gemeinde Mesocco enthüllt, analog demjenigen der im Gemeindearchiv von San Vittore zu finden ist.

Konkret über die Alp Pian Doss ist vorhanden: • Eine Kopie vom Statut der Alpgenossenschaft Pian Doss aus dem Jahre 1969; • Der Bericht mit Plänen der Standortsuntersuchung und Nutzungsplanung, welche 1989 durchgeführt wurde; • Verschiedene amtliche Dokumente über Kosten und Subventionen der Infrastruktur (Erschliessung und Gebäude). Dazu gehören z.B. Broschüren, Offerten und Arbeitsplanung des Jauche–Silos, welches in den 1980er Jahren auf der Alp Pian Doss installiert wurde. Dazu kommen noch einzelne Angaben über Bestossungszahlen, welche jedoch nur punktuell informativ sind.

2.3.4 AMT FÜR LANDWIRTSCHAFT UND GEOINFORMATION (ALG), CHUR Während des Besuchs beim ALG konnte ein Einblick in die Alpdossiers der untersuchten Alpen gewonnen werden. Dazu lagen auch die Archivunterlagen über die Kantonalen Sömmerungsbeiträge vor.

Die Alpdossiers enthalten vielseitige Dokumente: • Kleine Alpenportraits • Formulare für Sömmerungsbeiträge • Kopien der Pachtverträge • Karten der Weidegebiete

Dabei ist jedoch zu beachten, dass nicht für allen Alpen die gleichen Dokumente vorhanden sind.

Seit 1980 werden Sömmerungsbeiträge ausbezahlt, und seither sind auch für jedes Jahr die genaue Anzahl gesömmerter Tiere nach Tierkategorie und nach Dauer der Sömmerung für jede Bündner Alp aufbewahrt. Seit 2004 sind diese Daten in elektronischer Form vorhanden.

Im ALG sind ausserdem die Einzelausgaben für jede Gemeinde des Alpkatasters der 1970er Jahren aufbewahrt. Dokumente, die für die vorliegende Arbeit unentbehrlich sind.

Die Einzelausgaben der Alpkataster sind analog zum landwirtschaftlichen Produktionskataster aus den 1940er Jahren gestaltet, fokussieren jedoch mehr auf die Alpwirtschaft als im Produktionskataster, wo allgemeine Aspekte der Landwirtschaft der Gemeinden vorgestellt wurden.

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Die Alpkataster der einzelnen Gemeinden bieten einen einführenden Teil über die demografische, wirtschaftliche und landwirtschaftliche Lage der gesamten Region und in einem zweiten Teil der betreffenden Gemeinde. Die Alpen der Gemeinden werden genau beschrieben: die Lage, Zustand der Infrastruktur, fällige anstehenden Verbesserungen bzw. Meliorationen, und Angaben über Bestossung. Eine Kopie des Alpkatasters der 1970er Jahre sollte in jeder Gemeinde aufbewahrt sein. In den Archiven der besuchten Gemeinden wurden jedoch keine Exemplare gefunden.

2.3.5 STAATSARCHIV CHUR Bei den Archivalien der kantonalen Verwaltung besteht einen Sperrfrist von 35 Jahren, in der Dokumente ohne spezielle Bewilligung nicht eingesehen werden können. Da aber vor allem ältere Dokumente gesucht wurden, betraf diese Klausel diese Recherche nicht.

Im Staatsarchiv Chur ist die Menge an aufbewahrtem Material enorm. Dokumente über die einzelnen Alpen oder über einzelne Gemeinden zu finden ist also eine aufwendige Recherche. Darum wurde die Recherche in den im Register der Kantonalen Verwaltung archivierten Materialien (Staatsarchiv Chur 2011) auf das Stichwort „Alpwirtschaft“ (im Register unter X. 3 o) beschränkt.

Als relevantes Material wurden die Originalaufnahmen der Alpstatistik gefunden. Es handelt sich dabei um die Aufnahmen jeder einzelnen Alp, welche für die Zusammenstellung der Alpstatistik vom Anfang des 20. Jahrhunderts („Die Alpwirtschaft im Kanton Graubünden“, Strüby 1909) erfasst wurden. Für jede Alp sind diverse Parameter aufgenommen worden: Angaben über Lage, Grösse, Standort, Bestossung, Milchproduktion, Streugewinnung, Düngung, Wasserversorgung, Erschliessung, Gebäude, Eigentum, Personal und Bewirtschaftung der Alp werden aufgeführt.

2.3.6 ARCHIVIO A MARCA, MESOCCO Das Archivio a Marca ist das einzige Privatarchiv, welches konsultiert wurde. Die darin aufbewahrten Materialien, sind über die Homepage des Archives zu finden (Archivio a Marca, 2011), und können über ein Materialiengesuch in digitaler Form bestellt werden.

Über Alpwirtschaft im gewählten Untersuchungszeitraum findet sich relativ wenig Material. Santi berichtet jedoch, dass die Dokumentation über Alpen vom späten Mittelalter gross sei (siehe Santi 2008). Trotzdem wurden einige wertvolle Dokumente gefunden:

Die Zeitschrift der Landwirtschaftsmesse der Region Moesa von 1933, enthält diverse Einträge welche die Lage von Landwirtschaft und Forstwirtschaft beschreiben.

Dazu kommen noch diverse Akten über die Alpen de Mem und Albione, und ein Bild (undatiert), welches die Alp Pian Doss darstellt (siehe Bild 63).

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2.4 LANDESKARTEN In einem Teil der Fragestellungen, geht es um die Veränderung der Landbedeckung, namentlich der Waldflächen und verbuschten Flächen und der Landnutzung im Bereich der Alpgebiete. Topographischen Karte sind gute Quellen für Landschaftsveränderungs-Untersuchungen, da sie langfristige quantitative Informationen über die Landschaft enthalten (Rumsey und Williams 2002, Petit und Lambin 2002). Alte Karten eignen sich, um die Entwicklung der Landbedeckung und Nutzung aufzuzeigen (Petit und Lambin 2002); oft beinhalten Karten Informationen, welche in keiner anderen schriftlichen Quelle zu finden sind (Rumsey und Williams 2002). Kartenblätter erscheinen in der Schweiz nicht jährlich und auch nicht immer in konstantem Abstand. Somit können Daten über die verschiedenen Entwicklungen nicht kontinuierlich sondern nur in Zeitspannen erfasst werden. In der vorliegenden Arbeit wurde, wann möglich, ein Zeitintervall zwischen zwei Kartenblättern von ungefähr zwanzig Jahren ausgewählt.

TABELLE 1: KARTEN, WELCHE FÜR DIE ANALYSE AUF DEN UNTERSUCHTEN ALPEN BETRACHTET WERDEN. Mem Cadin/Albion Pian Doss Karte Name Jahr Karte Name Jahr Karte Name Jahr DfK Grono 1850 DfK S. Jorio 1855 DfK S. Bernardino 1855 Sfk Grono 1875 SfK S. Jorio1875 SfK Mesocco 1872 SfK Grono 1892 SfK S. Jorio1892 SfK Mesocco 1892 SfK Grono 1924 SfK S. Jorio1916 SfK Mesocco 1910 SfK Grono 1937 SfK S. Jorio1933 SfK Mesocco 1934 LK50 Roveredo 1950 LK50 Roveredo 1957 SfK Mesocco 1948 LK25 Grono 1977 LK25 S. Jorio 1962 LK25 Mesocco 1968 LK25 Grono 1995 LK25 S. Jorio 1985 LK25 Mesocco 1983 LK25 Grono 2006 LK25 S. Jorio 2006 LK25 Mesocco 2007 ERKLÄRUNG DER ABKÜRZUNGEN: DFK=DUFOURKARTEN, ORIGINAL MESSSTICHBLÄTTER, SKALA 1:50’000; SFK=SIEGFRIEDKARTEN, SKALA 1:50000; LK50=LANDESKARTE SKALA 1:50’000; LK25=LANDESKARTE SKALA 1:25’000.

Das Bundesamt für Landestopographie (Swisstopo) publiziert seit 1845 Landeskarten der Schweiz in verschiedenen Skalen. Zwischen 1845 und 1865 wurden die 1:50’000 Dufourkarten original Messstichblätter gezeichnet (Swisstopo 2008a). Danach, zwischen 1870 und 1952, wurden die Siegfriedkarten zuerst nur in 1:50’000 und später auch in 1:25’000 Skala publiziert (Swisstopo 2008b). Beide Reihen basieren auf Triangulationen, Feldbegehungen und stellen eine Aktualisierung der Vorversion (wenn vorhanden) dar (Swisstopo 2008b). Ab 1944 werden nur noch Luftaufnahmen für die Herstellung von Karten verwendet und seit 1952 werden die Landeskarten in diversen Skalen publiziert, heute mit einer Aktualisierung von 6 Jahren (Swisstopo 2008b).

Die gesamte Periode seit der Publikation der ersten Dufourkarte (1850) bis heute kann somit anhand den in Tabelle 1 aufgezeichneten Kartenjahrgängen betrachtet werden.

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2.5 LUFTBILDER Bilder, wie topographische Karten, können als Zeugen der Landschaftsveränderung eine wichtige Quelle darstellen, denn sie ermöglichen einen übersichtlichen Einblick in die Vergangenheit.

Bei dieser Arbeit kamen vor allem Luftbilder als photographische Quellen im Einsatz. Weitere Bildertypen, wie terrestrische Bilder, wurden nur für qualitative Betrachtungen verwendet.

Swisstopo überfliegt seit den 1930er Jahren die Schweiz (Swisstopo 2008b) und stellt Luftbilder der Landschaft dar. Die Skalen, das Format (Farbe, Schwarz/Weiss) und die Verfügbarkeit dieser Bilder ist sehr unterschiedlich. Die Bilder wurden jeweils in Flugreihen hergestellt, und ihre Verfügbarkeit ändert also je nach Standort. Die verfügbaren Luftbilder sind auf den Luftbild- Informationssystem (LUBIS) zu finden (Swisstopo 2010b). Für gewisse Gebiete sind aus diversen Jahre Luftbilder vorhanden. Dies ermöglicht, die Entwicklung der Landschaft anhand der Luftbilder festzuhalten.

Für die Alp Pian Doss wurden die in Tabelle 2 dargestellten Luftbilder analysiert. Es handelt sich jeweils um zwei Bilder, die nacheinander während derselben Flugreihe (also der Flugbahn des Flugzeuges, welches die Aufnahmen machte) aufgenommen wurden, um eine Stereoanalyse zu ermöglichen.

TABELLE 2: LUFTBILDER, WELCHE FÜR DIE BETRACHTUNG DER ENTWICKLUNG DER VERBUSCHUNG AUF DER ALP PIAN DOSS VERWENDET WERDEN. Datum Nummer Format Skala 30.08.1962 3115 und 3116 Schwarz/Weiss 1:19’500 19.09.1983 9667 und 9668 Schwarz/Weiss 1:19’600 05.08.2005 1388 und 1389 Farbe 1:23’600

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2.6 MÜNDLICHE MITTEILUNGEN Mündliche Mitteilungen (oral history) stellen eine weitere wichtige Quelle für geschichtliche Untersuchungen dar. Abgesehen davon, dass andere Quellen ergänzt werden können, geben Interviews einzigartige Einblicke in die Vergangenheit durch persönliche Erfahrungen von Leuten, welche die relevanten Veränderungen selber erlebt haben (Gimmi und Bürgi 2007). Die Interviewpartner wurden so ausgewählt, dass für jede Alp mit heutigen sowie mit früheren Bewirtschaftern gesprochen werden konnte. Allerdings konnten nicht für jede Alp die entsprechenden Alpbewirtschafter gefunden werden. Tabelle 3 stellt die befragten Personen kurz vor.

TABELLE 3: PERSONEN, WELCHE INTERVIEWT WURDEN. Name Funktion Martin Von Wyl Landwirt in Leggia. Seit 2001 Pächter der Alp Cadin/Albion Alberto Toscano Landwirt in Mesocco und Landwirtschaftsberater des Bezirks Moesa. Seit mehreren Jahren Pächter der Alp Pian Doss. Sein Grossvater und sein Vater waren ebenfalls bereits auf der Alp tätig. Prisca Storni Landwirtin in Claro. Gute Kennerin und Pächterin der Alp de Mem während den 1990er Jahren. Alfredo Seghezzi Präsident der Genossenschaft Alp Pian Doss Reto Togni Präsident des Patriziato von San Vittore und ehemaliger Förster. Hat für mehrere Jahre die Alp de Mem und weiteren Alpen des Bezirks Moesa bestossen. Gianpiero Anwalt in Roveredo und Verantwortlicher für das Archiv vom Patriziato von Raveglia Roveredo. Valentin Luzi Abteilungsleiter „Agrarmassnahmen“ vom Amt für Landwirtschaft und Geoinformation des Kantons Graubündens

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3 METHODEN

3.1 UNTERSUCHTER ZEITRAUM Diese Masterarbeit befasst sich mit der Entwicklung der Alpwirtschaft seit 1880. Dies entspricht dem Zeitraum, der im AlpFUTUR Teilprojekt "AlpPAST" untersucht wird. Ab diesem Datum nahm das Interesse des Bundes für die Entwicklung der Alpwirtschaft zu (Regi 1986), was zur Etablierung und Archivierung einer grossen Menge an staatlichen Dokumenten und Daten über die Alpwirtschaft und sogar einzelne Alpen führte. Bereits vor dieses Datum haben für die Alpwirtschaft relevanten Entwicklungen oder Veränderungen stattgefunden, nur wurden diese nicht speziell analysiert.

Durch die gefundenen und analysierten Quellen (Alpstatistik, Alpkataster, Archivdokumente, Bilder, topographische Karten, mündliche Mitteilungen) konnten zum Teil nur punktuell Informationen über den ausgewählten Untersuchungszeitraum gefunden werden. Es wird daher keine kontinuierliche Untersuchung in allen Bereichen (betriebswirtschaftliche Zahlen, Verbuschung, Erschliessungsfortschritt, usw.) durchgeführt. Nur einzelne Zeitspannen werden analysiert, je nach Verfügbarkeit von Daten, und dann im gesamten untersuchten Zeitraum dargestellt.

Auch wurden zum Teil Dokumente oder Literatur analysiert, welche aus der Zeit vor 1880 stammen. So konnte z.B. die Geschichte des Untersuchungsgebietes einen Einblick in die Entwicklungen und Veränderungen vor Ende des 19. Jahrhunderts geben. Auch wurde Kartenmaterial aus der Zeit vor 1880, wie einige Siegfriedskartenblätter und die Dufour original Messstichblätter, die bis 1850 zurückgehen, für diese Arbeit berücksichtigt. Der Zustand der Landschaft, wie sie in diesen Quellen beschrieben wird, kann als Ausgangslage der untersuchten Periode dienen.

3.2 UNTERSUCHUNGSMETHODEN In diesem Abschnitt werden die Methoden zur Untersuchung der einzelnen Punkte der Fragestellungen zusammengefasst. Da das Thema Alpwirtschaft sehr breit ist, hängt die Rekonstruktion ihrer Entwicklung vom Zusammenwirken verschiedenster Disziplinen ab. Die Methoden mit welchen die Veränderungen der Landnutzung und Landdeckung aufgenommen, dokumentiert und archiviert wurden, sind sehr verschieden. Das Erforschen dieser Veränderungen benötigt daher einen interdisziplinären Ansatz. Folgend werden die Methoden vorgestellt, welche in der vorliegenden Arbeit angewandt wurden.

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3.2.1 RECHERCHE VON DOKUMENTEN UND QUELLEN Der erste Teil der Arbeit bestand darin, Dokumente, Bücher, wissenschaftliche Artikel und weitere schriftliche Quellen zu suchen, um das Thema besser definieren zu können.

Zuerst wurde die vorhandene Literatur über Landschaftsgeschichte der Untersuchungsregion erforscht und erst später spezifischere Dokumente über das Thema Alpwirtschaft analysiert. Diese erste Phase ermöglichte auch, das Untersuchungsgebiet besser kennen zu lernen, was zur Wahl der für die Untersuchung interessanten Alpen führte.

Nach der Festlegung, welche Alpen genau analysiert werden sollten, bestand ein zweiter Schritt der Recherche darin, Dokumente zur Geschichte dieser Alpen zu suchen. Diese fanden sich vor allem in verschiedenen Archiven gesucht worden (siehe Kapitel 2.3).

Neben den Archivrecherchen wurden dann auch relevante Ausschnitte aus Landeskarten und Luftbilder gesammelt. Die meisten Landeskarten sind bereits in digitaler Form an der WSL vorhanden. Die Suche nach diesen Quellentyp beschränkte sich daher auf das Zusammentragen der jeweils benötigten Kartenblätter. Was die Luftbilder angeht, sind nur die aktuellsten (aus den Jahren 2005-2007) an der WSL in digitaler Form vorhanden. Die benötigten historischen Bilder konnten bei Swisstopo auf dem LUBIS Portal (Swisstopo 2010b) bestellt werden.

Die Interviewpartner wurden in unterschiedlicher Weise gefunden. Die heutigen Bewirtschafter der untersuchten Alpen waren dem AlpFUTUR Team zum Teil bereits bekannt. Weitere Kontakte ergaben sich während den Besuchen der verschiedenen Archive oder auch dank den durchgeführten Interviews.

3.2.2 ANALYSE DER ERFASSTEN INFORMATION Die Erkenntnisse aus der Literaturrecherche konnten direkt verwendet werden. Angaben über Anzahl Arbeitskräfte, Grösse der Betriebe und Bestossungszahlen konnten dank den verschiedenen schriftlichen Quellen erfasst werden. Was hingegen die Entwicklung von Infrastruktur, Verwaldung und Verbuschung angeht, mussten die dazu gebrauchten Quellen zuerst verarbeitet werden.

3.2.3 UNTERSUCHUNG AUF LANDESKARTEN Karten stellen den generalisierten Zustand der Landschaft zur Zeit der Aufnahme dar, ohne aber das saisonabhängige Bild einzubeziehen (Schroeder-Lanz und Gierloff-Emden 1970). Landeskarten wurden in der vorliegenden Arbeit für die Rekonstruktion der Entwicklung der Waldflächen und der Erschliessung im Alpperimeter verwendet.

Um Analysen auf Landeskarten durchzuführen ist es zuerst notwendig, dass die einzelnen Kartenblätter digital vorhanden sind. Das Digitalisieren von alten Kartenblättern, wird meistens durch eine Hochauflösungsabtastung realisiert, und ermöglicht deren Integration in einer GIS

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(Geoinformationssystem) Anwendung (Rumsey und Williams 2002). Der nächste Schritt besteht dann im Georeferenzieren der Karten, sodass diese räumlich richtig positioniert werden. Danach ist es möglich, die Karten mit anderen räumliche Daten, wie ein digitales Höhenmodell oder andere Karten, zu kombinieren (Rumsey und Williams 2002).

Die Kartensammlung der WSL umfasst Karten der drei Kartenreihen (siehe Kapitel 2.4), mit den entsprechenden Ausgaben. Die Karten sind bereits in digitaler Form und georeferenziert vorhanden, und somit für den Einsatz in einer GIS Anwendung bereit.

Bei den hier beschriebenen Untersuchungen wurde mit der GIS Anwendung ESRI ArcGis 9.3 gearbeitet.

3.2.3.1 ENTWICKLUNG DER WALDFLÄCHE Um die Entwicklung der Waldfläche aufzuzeigen, musste diese zuerst als solche auf den Karten der ausgewählten Jahrgänge (siehe Tabelle 1) identifiziert werden. Der erste Schritt der Analyse bestand darum in der Digitalisierung der Waldfläche im Perimeter der drei untersuchten Alpen. Mit der jeweiligen Karte im Hintergrund wurden auf der in der Karte dargestellten Waldfläche Polygone abgegrenzt, sodass diese die entsprechende Waldfläche so genau wie möglich repräsentierten. Wichtig dabei war, dass die Digitalisierung der verschiedenen Flächen auf der gleichen Skala durchgeführt wurde, um eine gewisse Konstanz bei der Genauigkeit zu haben.

Die Waldfläche wird je nach Kartentyp anders dargestellt (siehe Tabelle 4). Auf der Landeskarten (LK25 und LK50) werden die Waldfläche zudem noch in die Kategorien offener und geschlossener Wald unterteilt, was hingegen auf den Dufour- und Siegfriedkarten nicht der Fall ist. Bei der Digitalisierung der Waldfläche, wurden diese Kategorien, wo vorhanden, integriert. Die Digitalisierung der Waldfläche wurde zuerst auf der neusten Karte und dann, darauf aufbauend, rückwärts in der Zeit durchgeführt.

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TABELLE 4: DARSTELLUNG DER WALDFLÄCHE JE NACH KARTENTYP. Original Messtischblätter (1850-1855), Skala 1:50000

Die Waldfläche wird mit grüner Farbe dargestellt. Wald wird nicht in Kategorien unterteilt, und der Waldrand wird immer mit einer ausgezogenen Linie dargestellt.

Siegfriedkarten (1875-1943), Skala 1:50000

Wald ist durch kleine Kreise dargestellt. Der Waldrand wird zum Teil durch einer kontinuierliche Linie dargestellt was einer geschlossen Waldgrenze entsprechen könnte.

Landeskarten (LK25 und LK50) (1957-2007), Skala 1:25000

Wald wird in zwei Kategorien dargestellt: geschlossenen grünen Flächen entsprechen dem geschlossenen Wald. Grüne Kreise, ausserhalb der grünen Fläche entsprechen hingegen dem offenen Wald. Pixmaps © 2011 Swisstopo

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Damit Aussagen über die Kohärenz der digitalisierten Flächen möglich sind, wurde eine zusätzliche Analyse durchgeführt. Zu den „Waldpolygonen“ wurden auch noch „nicht- Waldpolygone“ aufgezeichnet, damit jeder Punkt der Alp die Information von Vorhanden sein von Wald besitzt, oder nicht. Die digitalisierten Flächen aus jedem Jahrgang wurden dann bei jeder untersuchten Alp miteinander verschnitten. Die gesamte Alpfläche wird somit in viele Polygone aufgeteilt, welche Informationen über Art und Anwesenheit von Wald für jeden Kartenjahrgang enthalten.

Durch dieses Vorgehen war es möglich die Flächen zu bestimmen, die seit 1850 bzw. seit der Einführung der Landeskarten (ca. 1950) durch Wald bedeckt waren. Beim Vergleich dieser Flächen mit den heutigen Waldflächen, sind Aussagen über das Fortbestehen der Waldflächen möglich. Beim Vergleich zwischen der ersten Landeskarte (LK25 oder LK50, siehe Tabelle 1) und dem heutigen Zustand, können Aussagen über den inhaltlichen Unterschied der Waldsignatur zwischen heutigen und früheren Landeskarten gemacht werden.

Die Analysen über die Entwicklung der Waldfläche wurden in Excel durchgeführt. Die Daten wurden so angeordnet, dass die vom Wald besetzte Fläche für jeden Kartenjahrgang ersichtlich wurde. Wo vorhanden, wurde auch die Waldkategorie in der Darstellung eingeblendet.

3.2.3.2 ENTWICKLUNG DER ERSCHLIESSUNG Analog zur Verfolgung der Ausdehnung der Waldflächen wurde auch die Entwicklung der Erschliessung im Alpperimeter und in dessen Umgebung, durchgeführt. Wie oben ausgeführt war der erste Schritt, die Strassen als solche digital zu erfassen. Die Digitalisierung des heutigen Erschliessungstandes konnte vom digitalen Landschaftsmodell der Schweiz „VECTOR25“ (Stand 2007, Vector25 © 2011 Swisstopo) übernommen werden.

Die drei untersuchten Alpen liegen in unterschiedlicher Entfernungen vom nächsten Dorf oder von der nächsten befahrbaren Strasse. Darum wurde kein fixer Umkreis um den Alpperimeter als Untersuchungsgebiet gesetzt, sondern jeweils die Entwicklung der Strassen bis zum nächsten Dorf berücksichtigt.

Je nach Kartentyp, werden die Strassen anders dargestellt und mit anderen Strassenklassen (wie z.B. Wanderweg, Saumweg) bezeichnet. In Tabelle 5 werden Beispiele von Strassentypen je nach Kartentyp dargestellt.

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TABELLE 5: UNTERSCHIEDLICHE STRASSENDARSTELLUNG JE NACH KARTENTYP. Kartentyp Klasse Beschreibung Darstellung 4 Fahrweg ohne Kunstanlage

Original 5 Saum- und Reitweg Messtischblätter, Skala 1:50000 6 Fussweg

3 Kunstrasse von geringer Breite

4 Fahrweg ohne Kunstanlage

Siegfried, Skala 1:50000 5 Saum- und Reitweg

6 Fussweg

2 Strasse (mind. 4 m breit)

3 Strasse (mind. 2,8 m breit) Landeskarten (LK25 und LK50), Skala 4 Fahrweg (mind. 1,8 m breit) 1:25000 bzw. 1:50000 Pixmaps © 2011 Swisstopo 5 Feld-, Wald-, Veloweg

6 Fussweg

Zwischen den einzelnen Kartenblättern, vor allem unter den früheren Jahrgängen, gibt es markante Unterschiede in der Platzierung der Landschaftselemente (siehe Bild 6a), b) und c)). Die meisten Strassen haben je nach Kartenjahrgang einen unterschiedlichen Verlauf. In diesen Fällen, wurde die Strasse jeweils neu gezeichnet und nicht vom nachfolgenden Kartenzustand übernommen.

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1a): Original Messtischblatt 1855

1 b): Siegfriedkarte 1924

1c): Landeskarte 1977

Pixmaps © 2011 Swisstopo

BILD 6: AUSZÜGE AUS DEN DREI KARTENTYPEN. UNTERSCHIEDE IN DER POSITIONIERUNG DER LANDSCHAFTSELEMENTE.

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Nach der Digitalisierung wurde die Länge und Klasse der erfassten Strassen und Wege, als Excel Tabellen exportiert. Dort wurden die Analysen betreffend der Entwicklung der Strassen durchgeführt. Dazu wurde noch eine weitere Auswertung der Strassen im Umkreis des Alpenperimeters durchgeführt, wo die für die Erschliessung der Alp relevanten Entwicklungen aufgezeichnet wurden.

3.2.4 UNTERSUCHUNG AUF LUFTBILDER Luftbilder stellen eine naturgetreue Abbildung dar, und enthalten alle Informationen der Landschaft im Augenblick der Aufnahme. Reihenaufnahmen in zeitlichen Abständen ermöglichen es, die Veränderung der Landschaft festzuhalten und zu analysieren (Schröder-Lanz 1970).

Luftbilder wurden bei der vorliegenden Arbeit eingesetzt, um die Entwicklung der Verbuschung der Alpflächen auf Pian Doss zu rekonstruieren. Verbuschung ist auf alle analysierten Alpen ein Problem. Büsche und verholzte Pflanzen kommen überall unter der Waldgrenze vor wo keine entsprechende Pflege dies verhindert (Dietl und Elmer 1989). Weiden, die verbuschte Flächen aufweisen, werden vom Vieh eher gemieden, was zu einer weiteren Ausbreitung der Büsche führt (Toscano, Interview 2010).

Als Verbuschung sind hier alle die auf den Alpen vorkommenden Pflanzenarten gemeint, welche ab einem gewissen Alter verholzte Teile aufweisen, und damit den Weidegang erschweren und die Futtermenge reduzieren, also z.B. Juniperus, Alnus, Rhododrendon und Vaccinium Arten, aber auch junge Bäume wie Picea abies.

Die Luftbilder stammen aus dem Luftbildkatalog von Swisstopo (Lubis). Diese wurden jeweils so aufgenommen, dass eine Überlappung von mindestens 60% zwischen zwei nachfolgenden Luftbilder gewährleistet ist (Bernhard 2003). Die Überlappung ermöglicht es die Luftbilder stereoskopisch (binokular) anzuschauen und auszuwerten (Bernhard 2003), und somit die Elemente der Landschaft räumlich wahrzunehmen (Schröder-Lanz 1970).

Dafür müssen die Luftbilder auf einem Stereobildschirm betrachtet werden. Dieser strahlt mit einer hohen Frequenz (120hz) die beiden Bilder übereinander orthogonal versetzt (durch einen polarisierenden Filter). Mit einer Brille mit demselben polarisierenden Filter sieht der Betrachter auf einer Seite das eine Bild und auf der anderen das andere. Die Abfolge der beiden Bildern ist aber so schnell, dass sie vom menschlichen Gehirn als eins interpretiert werden. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Landschaft auch in der dritten Dimension wahrzunehmen.

Nicht alle notwendigen Bilder waren an der WSL vorhanden daher mussten die fehlenden zuerst bei Swisstopo bestellt werden. Aus Kostengründen wurde die Orthogeoreferenzierung selber durchgeführt. Es handelt sich dabei um die dreidimensionale räumliche Anordnung der Luftbilder. Dies wurde durch die ERDAS LPS Software durchgeführt. Dabei ging es darum, die Software mit den Eigenschaften der Kamera, welche die Bilder aufgenommen hat, abzustimmen.

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Diese Angaben sind jeweils in den Kamera-Kalibrierungsprotokollen bei Swisstopo zu finden (Swisstopo 2010a). Diese Protokolle enthalten Angaben über verwendete Kamera, Objektive, Flughöhe und Abstand zwischen den Rahmenmarken. Sobald diese Einstellungen übernommen werden, kann mit der Georefernzierung der Bilder begonnen werden, welche anhand von bereits georeferenzierten Bildern durchgeführt werden kann.

Der zweite Schritt bestand darin, die Bilder über das bereits georeferenzierte digitale Höhenmodell (DTM-AV © 2011 Swisstopo) zu legen, sodass jeder Punkt des Bildes in der dritten Dimension richtig positioniert ist. Danach war die Orthogeoreferenzierung abgeschlossen und die Bilder konnten am Stereobildschirm betrachtet werden.

Für die Alpen Pian Doss und Mem, existieren Luftbilder ab den 1960er Jahren. Aus zeitlichen und finanziellen Gründen wurden die auf Luftbilder basierenden Analysen einzig auf der Alp Pian Doss durchgeführt. Auf dieser Alp werden auch die Diplomarbeit bzw. Masterarbeit von Bärbel Koch und Sarah Schmid der Forschungsanstalt ART durchgeführt. Diese sind Teil des Projekt „Qualität“ von AlpFUTUR (siehe Kapitel 1.2.3) und untersuchen, ob die „Artenvielfalt von Flora und Fauna auf Alpweiden entlang eines Gradienten zunehmender Verbuschung“ korreliert (Koch 2010). Für diese Arbeit wurden im Sommer 2010 auf vordefinierten Flächen auf der Alp Pian Doss unter anderem der heutige Verbuschungszustand (Deckungsgrad von verbuschten Arten) aufgenommen. Es handelte sich dabei um mehrere Quadrate (30 m Seitenlänge) welche jeweils senkrecht zur höchsten Hangsteigung im gesamten Alpperimeter abgesteckt wurden.

Aus zeitlichen Gründen konnte in der vorliegenden Arbeit nur eine Auswahl der im Sommer 2010 aufgenommenen Flächen analysiert werden(siehe Bild 83). Wie bei den Landeskarten, ging es hier auch zuerst um die Identifikation von verbuschten Flächen auf den Luftbildern. Darum wurde mit dem aktuellen Luftbild begonnen, welches mit den aufgenommenen Verbuschungsangaben des AlpFUTUR-Teams geeicht werden konnten. Die als verbuscht interpretierten Flächen in den ausgewählten Vierecken wurden jeweils digitalisiert. Somit resultierten für jedes Luftbild „Verbuschungpolygone“ welche in Excel weiter analysiert wurden.

3.2.5 INTERVIEWS Für die vorliegende Arbeit wurden diverse Interviews durchgeführt. Für die Vorbereitung war vor allem das Werk von Fogerty (2001) relevant. Die Interviews wurden strukturiert vorbereitet (nach Fogerty 2001), liefen jedoch, je nach interview Partner unterschiedlich linear ab.

Ziel des Interviews war jeweils, durch persönliche Eindrücke mehr über Zustand und örtliche Eigenheiten der Alp zu erfahren. In einer ersten Interviewphase wurden die aktuellen Bewirtschafter der untersuchten Alpen befragt, damit der heutige Zustand erfasst werden konnte. Wenn dies möglich war, wurden auch frühere Bewirtschafter oder Kenner der Alp zur Vergangenheit befragt.

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Die Interviews wurden, mit einem Diktiergerät aufgenommen, so konnten sie auch später nochmals abgehört werden. Wo eine Aufnahme nicht möglich war, wurden die wichtigsten Punkte im Anschluss des Interviews notiert.

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4 UNTERSUCHUNGSGEBIET

Diese Arbeit befasst sich mit der Geschichte der Alpwirtschaft des Bündner Bezirks Moesa (Moesano, Bild 7), welcher in die Kreise Calanca, Mesocco und Roveredo unterteilt ist. Der Bezirk ist geografisch in die zwei Täler Misox und Calanca gegliedert (Bild 8 und Bild 19). Diese beiden bilden zusammen mit dem Bergell und dem Puschlav den italienisch sprechende Teil des Kantons Graubünden. Im Bezirk Moesa wohnten 2009 7’778 Einwohner (BFS 2009) auf 374.3 km2 verteilt (21 Einwohner pro km2, Kanton Graubünden 27 Einwohner pro km2, Schweiz 187 Einwohner pro km2, BFS BILD 7: KANTON GRAUBÜNDEN MIT DEM BEZIRK MOESA IN GELB. 2010). Politisch gehört der Bezirk zum Kanton Graubünden, wirtschaftlich ist er jedoch vor allem auf das nähere Tessin ausgerichtet (Gouskov 2010).

BILD 8: DAS MISOX (RECHTS) UND DAS CALANCATAL (LINKS) VON SÜDEN AUS GESEHEN. BILDER AUS CIOCCO ET AL. 2000.

4.1 LAGE UND LANDSCHAFT DES BEZIRKS MOESA 4.1.1 DAS MISOX Das Durchgangstal erstreckt sich vom San Bernardino Pass im Norden über ungefähr 37 km bis nach San Vittore, dem südlichsten Dorf des Tales. Von Osten münden sieben Seitentäler ins Haupttal; sie bleiben jedoch vom Talboden her oft verborgen. Nach Osten grenzt das Tal an Italien (val Chiavenna) und nach Westen an das Calancatal.

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Die hohen Berge auf beiden Seiten des Tales verleihen dem Misox einerseits einen stark montanen Charakter, anderseits ist jedoch der Talboden vom insubrischen Klima geprägt. Politisch ist das Misox in die Kreise Mesocco (Gemeinden Mesocco, Soazza und Lostallo) und Roveredo (Gemeinden Cama, Verdabbio, Leggia, Grono, Roveredo und San Vittore) unterteilt (Bild 19, in rot).

Zwischen San Vittore und Lostallo, ist der Talboden einigermassen eben. Danach wechseln sich sanftere Geländeterrassen mit Steigungen von durchschnittlichen 76% bis nach San Bernardino ab. Land- und Forstwirtschaft sind dadurch nicht überall gleich möglich. Die Böden sind aber meist gut durchlässig (Furger 1987), mit Gneiss und Granit als wichtigsten Ausgangsgesteinen (Furger 1987). In der Region von San Bernardino führt hingegen eine Schicht Bündnerschiefer zu vernässten Böden, und zu diversen Moorgebieten (Werthemann 1973).

Der Fluss Moesa hat seinen Ursprung oberhalb von San Bernardino und mündet in den Fluss bei Arbedo-Castione. Die Moesa gibt dem Misox zwischen Mesocco und Lostallo ein V- förmiges Querprofil (Bild 9), welches sich weiter südlich in ein sanfteres U-Profil öffnet. Weitere Wasserflächen sind die Stauseen von Mesocco, Roveredo und , sowie mehrere kleine Bergseen, wie der Lago di Cama (Cama) und der Lagh de Pian Doss (Mesocco).

BILD 9: DAS MISOX GESEHEN VON DER BURG VON MESOCCO. BLICK NACH SÜDEN. BILD LINKS AUS ZENDRALLI 1949, UNDATIERT, BILD RECHTS AUS CIOCCO ET AL. 2000, UNDATIERT.

Seit dem Jahr 1967 wird das Tal von der Nationalstrasse A13 durchquert, welche dank dem San Bernardino Tunnel eine ganzjährige Verbindung des Tals mit dem restlichen Kanton darstellt (Ciocco et al. 2000). Bis 1971 war noch eine Eisenbahnlinie zwischen Bellinzona und Mesocco im Betrieb welche jedoch aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt wurde. Heute werden die Geleise der ehemaligen Linie nur noch bis Cama als touristisches Angebot benutzt (Ciocco et al. 2000).

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4.1.2 DAS CALANCATAL Das enge V-Tal erstreckt sich westlich parallel zum Misox, von der Rheinwaldhornkette über ungefähr 27km bis nach Grono, wo es sich dann mit dem Misox verbindet (Bild 10). Die mittlere Breite des Tales beträgt ungefähr die Hälfte des Misox: das Tal ist an manchen Orten tief eingeschnitten, sodass nur der Fluss Calancasca Platz auf dem Talboden findet (Furger 1987). Flacher wird das Tal über der Talsohle, wo sich auf beiden Seiten des Tales sanftere, natürliche Terrassen befinden. Auf solchen Terrassen

BILD 10: DAS CALANCATAL GESEHEN VOM PIZZO ROTONDO befinden sich Dörfer wie Landarenca RICHTUNG SÜDEN. DER ENGER UND UNWIRTSCHAFTLICHER TALBODEN UND DIE und Braggio (die heute immer noch TERRASSEN AUF DER RECHTEN SEITE SIND GUT SICHTBAR. nur über einen Fussweg oder mit einer BILD AUS CIOCCO ET AL. 2000. Seilbahn erreichbar sind) und verschiedene Maiensässe und Alpen.

Westlich grenzt das Tal an den Kanton Tessin, mit den Bezirken Riviera und Val di Blenio, nördlich, südlich und östlich hingegen an das Misox.

Der Talboden ist an den wenigsten Stellen breit genug, um Landwirtschaft betreiben zu können. Der Boden ist meistens flachgründig, mit einem hohen Skelettgehalt und durchlässig (Furger 1987), mit Granit und Gneis als Ausgangsgesteine (Werthemann 1973). 5% der landwirtschaftlich genutzten Fläche ist ungefähr eben, die durchschnittliche Neigung liegt jedoch bei 40% (Furger 1987).

Im Calancatal befinden sich acht Gemeinden; zwei davon auf der Aussenseite des Tales (über dem Misox, Bild 19 in blau). Die Erschliessung des Talbodens erfolgt über die Hauptstrasse aus Grono.

4.1.3 KLIMA Die Region weist eine hohe klimatische Variabilität auf. Diese ist durch die grosse Höhendifferenz zwischen dem Talboden (San Vittore 260m.ü.M) und den hohen Bergen bedingt (der Pizzo Tambò mit seinen 3’270mü.M ist die höchste Spitze des Bezirks). Der Einfluss des insubrischen Klimas ist vor allem im unteren Misox spürbar wo sich die Kastanien bis zu den Maiensässen von Soazza ausgebreitet haben und zudem auch ins Calancatal eindringen. Rebberge reichen bis auf die Terrassen von Sta. Maria i.C. hinauf (etwa 900m.ü.M., Furger 1987).

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Je weiter man nach Norden kommt, desto mehr nehmen die durchschnittlichen Niederschläge zu. Die grösste Menge fällt bei San Bernardino (1’769mm pro Jahr in der Periode 1961-1990, Ciocco et al. 2000), bedingt durch die Sperrwirkung der Alpen, welche die feuchten, vom Süden kommenden Strömungen aufhalten. Die hohen Berge des Calancatal schützen einerseits das Tal im Winter vom kalten Nordwind, werfen jedoch anderseits viel Schatten. Auch der untere Teil des Misox bekommt im Winter wegen den hohen Bergen relativ wenig Sonnenlicht.

Die heissen Sommer sind, trotz der 1’500-2’000mm Niederschläge pro Jahr, die in der Region fallen, oft sehr trocken, was auch zu Waldbränden führen kann (Furger 1987). Auch die hohen Spitzenwerte an Niederschläge in wenigen Stunden sind Auslöser für wiederkehrende Naturkatastrophen wie Hangrutsche und Lawinen, welche in der Vergangenheit zu verheerenden Schäden in der gesamten Region geführt haben (Ciocco et al. 2000).

4.2 GESCHICHTLICHE HINTERGRÜNDE Die Geschichte der beiden Talschaften, aber vor allem diejenige des Misox, ist stark mit derjenigen des San Bernardino Passes verbunden (Zendralli 1949). Die Wichtigkeit dieses Durchganges als Handels- und Militärstrasse über die Alpen nahm im Laufe der Jahrhunderte laufend zu und prägte die Geschichte sowie das politischen wie auch wirtschaftlichen Lebens des Bezirks Moesa.

Die ältesten, archäologischen Funden, welche von der Tätigkeiten von Menschen im Tal zeugen, stammen aus der Periode zwischen 5250 und 4564 v. Chr und gelten als die älteste Siedlung des Kantons Graubünden. Weitere Funde aus der Bronzezeit (1800-800 v. Chr.) und aus der Eisenzeit (800-450 v. Chr.) zeugen von der Anwesenheit von Menschen in Ortschaften die noch heute bestehen (Ciocco et al. 2000).

Durch den Feldzug von Augustus gegen Rätien, wurde die Moesa von den Römern besetzt. Dadurch gewann die San Bernardino Passstrasse an Wichtigkeit und wurde dann auch nach dem Fall des römischen Reiches vor allem als Handelsweg weiterbenutzt wurde (Ciocco et al. 2000).

Ab dem 11. Jahrhundert beeinflusste die feudale Familie de Sax von Mesocco für mehr als drei Jahrhunderte die politischen Ereignisse und die ökonomischen Bedingungen des Tales. So führten sie die „vicinanza“ ein, eine frühe Form von lokaler Autonomie. 1496 erfolgte dank der diplomatischen Kontakte der Feudalherren de Sax der Anschluss der ganzen Region an den Grauen Bund. Damit begann für beide Täler eine Periode der Festigung der politischen Identität, die bis zu den Vorkommnissen der Französische Revolution dauerte (Ciocco et al. 2000).

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Ab dem 17. Jahrhundert stieg die Bevölkerungszahl infolge der Verbesserung der klimatischen Verhältnisse an (Ciocco et al. 2000). Da aber die limitierten Anbauflächen nicht genug Nahrung für die gesamte Bevölkerung gewährleisten konnten, sahen sich viele Moesaner (vor allem Männer) gezwungen, auszuwandern (Santi 1991). Diese Auswanderungswelle führte Moesaner Künstler und Handwerker in die grossen Städten Europas. Die meisten arbeiteten zuerst saisonal, später jedoch liessen sie sich dauerhaft im Ausland nieder (Ciocco et al. 2000).

Die Folgen der Französischen Revolution wurden im Tal auch spürbar: im Jahr 1799 wurde das Tal mehrmals von französischen, österreichischen und auch russischen Truppen besetzt und geplündert (Ciocco et al. 2000).

Mit dem 1803 erfolgten Beitritt von Graubünden in die Schweizerische Eidgenossenschaft beruhigte sich die Situation für den Bezirk Moesa. Der San Bernardino Pass erlebte nach dem Sturz von Napoleon ein neues Aufblühen des Handelsverkehrs, welcher diverse Vorteile für die Region brachte. (Ciocco et al. 2000).

Im 19. Jahrhundert erlebten die zwei Täler eine ähnliche Entwicklung wie andere Alpentäler auch: Die an die Landwirtschaft gebundene Bevölkerung war immer mehr auf der Suche nach neuem, bewirtschaftbarem Land. Als Folge davon wurden grosse Flächen Wald gerodet und das Holz an den wachsenden Industrieraum in der Lombardei verkauft. Die extreme Abholzung des Waldes, verursachte jedoch bald z.B. Hangrutsche nach intensiven Niederschlägen und damit grosse Schäden an den bewirtschafteten Gebieten. Erst das eidgenössische Forstpolizeigesetz von 1876 reglementierte die Abholzung. Die Folgen der grossflächigen Rodungen waren jedoch noch im 20. Jahrhundert spürbar (Ciocco et al. 2000).

Auch entwickelten sich, vor allem im unteren Teil des Misox, die ersten industriellen Werke im Zusammenhang mit der Nutzung der Wasserkraft. Im Raum San Bernardino wurden nach 1850 die ersten Hotels eröffnet, und so ersten Touristen in der Region Übernachtungsmöglichkeiten angeboten (Ciocco et al. 2000).

Der Bau der Bahnlinie zwischen Bellinzona und Mesocco, welche 1907 abgeschlossen wurde, gab der Region Antrieb für die wirtschaftliche Entwicklung. Als Teilstrecke der Linie zwischen Locarno und Chur gebaut, hatte die verantwortliche Eisenbahngesellschaft (Bellinzona-Mesocco) jedoch bald finanzielle Probleme. 1943 übernahm die Rhätische Bahn die Bahnlinie, stellte aber 1973 den Personenverkehr mangels Rentabilität ein (Ciocco et al. 2000).

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Die letzten 30 Jahren wurden vor allem vom Bau der Nationalstrasse A13 und des San Bernardino Tunnels geprägt. Diese neuen Werke veränderten das Tal optisch (siehe Bild 9, Bild 11, Bild 12) aber auch wirtschaftlich. Einerseits war es mit der Eröffnung des Strassentunnels 1967 möglich, den restlichen Kanton auch während des Winters zu erreichen, anderseits war nun auch des Tessin und der Wirtschaftsraum von Bellinzona von Norden her schneller erreichbar. Bis 1980, als der Gotthardstrassentunnel eröffnet wurde, war die A13 die einzige ganzjährige Strassenverbindung zwischen der Süd- und der Nordschweiz (Ciocco et al. 2000).

BILD 11: VERÄNDERUNG DER LANDSCHAFT BEI DER BURG VON MESOCCO. DIE LANDSCHAFT VERÄNDERT SICH DURCH DEN BAU DER NATIONALSTRASSE 13. BILD LINKS AUS ZENDRALLI 1949, UNDATIERT, BILD RECHTS AUS CIOCCO ET AL. 2000, UNDATIERT.

BILD 12: LUFTBILD VON DER REGION SAN BERNARDINO. LINKS IM JAHR 1963 UND RECHTS IM JAHR 1983. DAS LANDSCHAFTSBILD ÄNDERT SICH MIT DEM BAU DER NATIONALSTRASSE 13. D.E. © 2011 SWISSTOPO.

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4.3 GESELLSCHAFT, WIRTSCHAFT UND LANDWIRTSCHAFT 4.3.1 DEMOGRAFIE Die ersten Daten über die Demografie in den beiden Tälern stammen wahrscheinlich aus der Zeit nach dem Konzil von Trient (1545-1563), als die Pfarrer aufgefordert wurden, regelmässig die Einwohner ihrer Pfarreien zu zählen (Ciocco et al. 2000). Diese Erhebungen wurden jedoch lange lückenhaft aufgenommen, trotzdem ermöglichen es die vorhanden Daten eine gewisse Entwicklung darzustellen (Ciocco et al. 2000). Als Beispiel wird hier die demografische Entwicklung von Braggio (Calancatal) und San Vittore (Misox) dargestellt.

TABELLE 6: DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG DER GEMEINDEN BRAGGIO UND SAN VITTORE. DATEN AUS CIOCCO ET AL. 2000. 1998 UND BFS 2009 (*). Jahr Einwohner JahrEinwohner Braggio San Vittore 1643 173 1674 450 1746 180 1801 521 1818 168 1860 582 1860 117 1920 456 1900 108 1960 516 1960 92 2009(*) 716 2009(*) 61

In Bild 13 sind die Abwanderungswellen ersichtlich, welche ab den 19. Jahrhundert das Calancatal erfassten und bis heute noch andauern. Ab 1850 sind regelmässige Daten über die Bevölkerung des ganzen Bezirkes vorhanden.

Bevölkerungsentwicklung (Einwohner/Jahr) 8'000 7'000 6'000 5'000 4'000 3'000 2'000 1'000 0 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

Bezirk Moesa Kreis Calanca Kreis Mesocco Kreis Roveredo

BILD 13: DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG DES BEZIRKES MOESA UND DER KREISE CALANCA, MESOCCO UND ROVEREDO. DATEN AUS AWT 2003.

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Die Nähe zum Ballungsraum von Bellinzona, sowie die wegen der günstigen Lage hohe Anzahl von Industrien, machen den untersten Teil des Misox, zwischen Grono, Roveredo und San Vittore, zur bevölkerungsmässig und wirtschaftlich aktivsten Region des Bezirkes (Werthemann 1973). Dies ist auch in Bild 13 sichtbar: der Kreis Roveredo ist der bevölkerungsreichste, und war kaum von der Abwanderung betroffen.

Verkehrsverbindungen spielen bei der Abwanderungsproblematik eine entscheidende Rolle: Dörfer, die nahe der Verkehrsadern liegen, sind für Pendler attraktiv und konnten deshalb ihre Einwohnerzahl eher halten als Ortschaften, die sich weiter weg von den Durchgangstrasse befinden (Werthemann 1973). So sank beispielweise die Bevölkerung der Gemeinde Rossa (die hinterste Gemeinde des Calancatals) von 456 Einwohner im Jahr 1850 auf 119 im 2008 (ORC 2008b). In der Gemeinde Castaneda (Ausserseite des Calancatals, näher zum Misox) sank die Bevölkerung zwischen 1850 und 1950 zwar auch, stabilisierte sich ab den 1960er Jahren jedoch wieder und zählte 2007 mit 225 (ORC 2008a) mehr Einwohner als Rossa, die flächenmässig grössten Gemeinde des Calancatals.

Die Situation im Misox ist jedoch anders. Mesocco ist die hinterste Gemeinde des Tales, erlebte jedoch keinen so dramatischen Rückgang der Bevölkerung wie es im Calancatal der Fall war. Der Pendlerverkehr zwischen dem hinteren Misox und dem Raum Bellinzona, welcher durch die Nationalstrasse A13 ermöglicht wurde, verhinderte einen ähnlichen Bevölkerungsschwund wie im Calancatal (Werthemann 1973).

Die Entleerung der Dörfer des Calancatals ist bereits in der Beschreibung der Region Moesa im Alpkataster von 1973 als alarmierend empfunden worden (Werthemann 1973). Seither konnte jedoch dieser Tendenz Einhalt geboten werden, dank der Einwanderung von Deutschschweizer Familien, die im Calancatal ihren Wunsch auf ein Leben im engen Kontakt mit der Natur realisieren wollten (Ciocco et al. 2000).

4.3.2 LANDWIRTSCHAFT 4.3.2.1 CALANCATAL Für Jahrhunderte stellte die Nutztierhaltung die einzige Erwerbs- und Ernährungsgrundlage für die meisten Familien des Tales dar (Eitel 2001). Am Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich jedoch dieser Zustand durch den Einfluss von folgenden Faktoren: Das Calancatal bietet wegen dem schwierigem Gelände und den unfruchtbaren Böden (Werthemann 1973), schlechte Voraussetzungen für die Landwirtschaft. Die jahrhundertelange, aus Not bedingte Auswanderung vor allem der Männer (Santi 1991), schwächte die gesamte Bevölkerung. Die im Tal zurückgebliebenen Frauen und Kinder hatten die ganzen anfallenden Arbeiten ihres familiären Betriebes allein zu bewältigen (Eitel 2001). Anfangs 20. Jahrhunderts stiegen deshalb viele bäuerliche Betriebe einerseits von der aufwendigeren Kuhhaltung auf Ziegenhaltung um (Eitel 2001). Die Ziege, als „die Kuh des armen Mannes“ (Eitel 2001), gibt zwar weniger Milch, sucht sich aber ihr Futter bis zum Wintereinbruch selber und beansprucht daher einen geringeren Aufwand für die Futterproduktion (Eitel 2001).

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Anderseits fand, wo die Kuhhaltung beibehalten wurde, ein Umstieg vom Rätischen Grauvieh auf das Schwyzer Braunvieh statt, eine Rasse, die zwar mehr Milch gibt aber auch mehr Futter und Platz beansprucht (Eitel 2010). So sank die Anzahl gehaltener Tiere pro Betrieb von vier bis fünf auf zwei bis drei Kühe (Eitel 2010), was einen drastischen Rückgang des Viehbestandes im Tal zur Folge hatte (von 1866 bis 1926 sank der Bestand von 1’637 Grossvieheinheiten auf fast die Hälfte, Eitel 2001). Dies führte unter anderem dazu, dass viele Maiensässe und Alpen des Tales extensiver bestossen wurden und darum verbuschten und verwaldeten (Werthemann 1973).

Ein weiteres Problem stellten die starke Unterteilung infolge Realteilung des Landes und ineffizienten Strukturverhältnisse dar: Beim Tod des Vaters erbte jeder Sohn einen Teil des Landes. Dadurch hatten einige Familien Ende des 18. Jahrhunderts etwa 300 Parzellen mit einer mittleren Grösse von 30-40m2, welche ausserdem auch einige Kilometer von einander entfernt liegen konnten (Eitel 2001). 1973 stellte Werthemann immer noch fest, dass die mittlere Parzellenzahl pro Betrieb zwischen 50 und 100 liegt und, dass die Anzahl Ställe pro Betrieb sogar diejenige der Grossvieheinheiten überstieg (Werthemann 1973). Die Güterzusammenlegungen in den 1980er Jahren verbesserten diese Situation (Eitel 2001). Heute verfügen die verbleibenden, wenigen Betriebe über grössere, zusammenhängende Flächen, auf denen die Rationalisierung und Mechanisierung der Arbeit die Erträge steigern könnten (Eitel 2001). Trotzdem ist die Lage für Bergbauern im Calancatal nicht rosig: ohne staatliche Hilfe ist ein Überleben nicht denkbar (Eitel 2001).

4.3.2.2 MISOX Im Misox entwickelte sich die Landwirtschaft in ähnlicher Weise. Das Tal erlebte seit Anfang des 20. Jahrhunderts einen markanten Rückgang der landwirtschaftlichen Tätigkeiten: die Anzahl Vollzeitbetriebe sank in den Kreisen Mesocco und Roveredo von 517 im Jahr 1939 auf 47 in 1985 (siehe Tabelle 7). Dafür sind die gleichen strukturellen Ausgangslagen, die bereits für das Calancatal vorgestellt wurden verantwortlich: oft waren die Betriebe zu klein und umfassten zu viele unzusammenhängende Parzellen, was keine rationelle Bewirtschaftung ermöglichte (Werthemann 1973). Güterzusammenlegungen kamen, wenn überhaupt, zu spät: die grosse Abwanderung hatte bereits begonnen (Werthemann 1973).

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TABELLE 7: ANZAHL VOLLZEIT UND TOTALE ANZAHL BETRIEBE. DATEN AUS FURGER 1987, STRÜBY 1909(*) UND BLW 1971B (**) Jahr Kreis Calanca Kreis Mesocco Kreis Roveredo Bezirk Moesa 1909 K.A. K.A. K.A. 1589*** 1939 K.A. 517 (704)** K.A. 1955 180 (280) 159 (335) 154 (352) 493 (967) 1965 15 (217) 47 (211) 54 (331) 116 (759) 1975 16 (142) 19 (127) 38 (201) 73 (476) 1985 20 (97) 13 (90) 34 (147) 67 (334) *** ES HANDELT SICH DABEI UM „VORWIEGEND LANDWIRTSCHAFT TREIBENDE HAUSHALTUNGEN“ (STRÜBY 1909).

Die Tierhaltung stellt auch in diesem Tal die wichtigste Erwerbs- und Ernährungsquelle dar. Wie aber in Bild 14 sichtbar ist, ging die gesamten Tierzahl im Laufe des 20. Jahrhunderts in der Region um etwa die Hälfte zurück. Parallel dazu sank auch die landwirtschaftliche Nutzfläche (nur für den Pflanzenbau genutzte Fläche ohne die Sömmerungsgebiete, SR 910.91 Artikel 14, siehe Bild 14). Zudem fand eine Viehumverteilung statt: vor allem die Schafhaltung stieg in einer ersten Phase stark an, sank aber ab den 1960er Jahren wie die restlichen Tierhaltungen (Bild 15). Die Anzahl Ziegen sank am Höchsten: Von fast 7’500 Einheiten 1909 auf 2’000 2005 (Bild 15).

Gehaltene Tiere und LN in der Region Moesa zwischen 1909 und 2005 16000 2500

14000 2000 12000

10000 1500 8000 Tiere

6000 1000 Hektaren

4000 500 2000

0 0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

Total Vieh LN (ha)

BILD 14: GEHALTENE TIERE UND AUSDEHNUNG DER LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZFLÄCHE IN DER REGION MOESA. HERKUNFT DER DATEN: 1909, STRÜBY 1909; 1961, 1969, 1975, 1985, FURGER 1987; 2005, ALG 2005A, ALG 2005B.

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Anzahl gehaltene Tiere in der Region Moesa zwischen 1909 und 2005 8000 7000 6000 5000

Tiere 4000 3000 2000 1000 0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

Rindvieh Kühe Ziegen Schafe Pferde Schweine

BILD 15: GEHALTENE TIEREN NACH KATEGORIE IN DER REGION MOESA. HERKUNFT DER DATEN: 1909, STRÜBY 1909; 1961, 1969, 1975, 1985, FURGER 1987; 2005, ALG 2005A, ALG 2005B.

Nach dem zweiten Weltkrieg spezialisierten sich viele Betriebe auf die Jungviehaufzucht, wobei der Export nach Italien bis in den 1990er Jahre eine wichtige Rolle spielte (Eitel 2010). Als 1996 die BSE-Krise ausbrach, wurde der Viehexport dramatisch eingeschränkt (BVET 2003), was viele Betriebe im Misox dazu brachte, auf Mutterkuh- und Schafhaltung umzusteigen (Eitel 2010).

4.3.3 ALPWIRTSCHAFT 4.3.3.1 BEDEUTUNG Das starke Höhengefälle (mehr als 1’000m) zwischen der Talregion und den Sömmerungsgebieten prägt die Alpwirtschaft im Bezirk Moesa. Die Alpwirtschaft hatte schon immer einen hohen Stellenwert in der Landwirtschaft des Bezirkes: der Reichtum der Moesaner Landwirtschaft basiert nämlich auf dem Rauhfutter, das auf den Weiden der Maiensässe und Alpen zwischen 1’300 und 2’300 Meter wächst (Eitel 2010). Diese Flächen stellten für Bergregionen wie diejenigen des Bezirks Moesa oft der grösste Teil des Weidelandes dar und deren Bewirtschaftung war für die Bevölkerung überlebenswichtig (Donati und Gaggioni 1983).

Dazu bemerkte 1932 Bertoni für den angrenzenden Tessin, dass die Alpwirtschaft die sicherste Basis für die gesamte Wirtschaft des Kantons ist (Bertoni 1932). Zudem war die Alpwirtschaft das einzige Verbindungselement zwischen Berg- und Talbevölkerung. Z.B. wurden Kühen sogar aus der Poebene zur Sömmerung auf die Tessiner und Südbündner Alpen geschickt (Donati und Gaggioni 1983).

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4.3.3.2 VERÄNDERUNG DER ALPWIRTSCHAFT Die unwirtliche Lage dieser für die Landwirtschaft wertvollen Flächen und die schweren Arbeitsbedingungen verursachten seit jeher einen grossen Aufwand für die Bewirtschaftung. Ab der Hälfte des 19. Jahrhunderts liess die Bewirtschaftung einzelner Sömmerungsweiden, bedingt durch die Abwanderung aus den Tälern und die Überalterung der Bevölkerung, nach. Die Unterbestossung einzelner Weiden zogen erste Aufgaben von Alpen nach sich (Donati und Gaggioni 1983).

Bereits in der Alpstatistik von 1909, wurde das Problem der Unterbestossung von vielen Moesaner Alpen erwähnt (Strüby 1909). Die Auswanderung aus den Tälern in die Städte, wo Industrie und der tertiäre Sektor blühten, entzog der Alpwirtschaft wertvolle Arbeitskräfte (Donati und Gaggioni 1983), was dazu führte, dass auch die Anzahl gesömmerter Tiere abnahm. Damals gab es noch die Hoffnung, dass die Alpwirtschaft von der neuen Eisenbahnlinie zwischen Bellinzona und Mesocco profitieren könnte, indem man Tiere aus der Deutschschweiz über den Gotthard transportieren und im Misox sömmern könnte (Strüby 1909). Die abgelegene Lage und schlechte Erreichbarkeit der meisten Alpen war bereits damals als ein Problem erkannt worden (Strüby 1909), das zur Verminderung der Bestossung führte. Von 6’000 Kühen, die auf den Moesaner Alpen ernährt werden konnten, wurden nur 4’506 Stösse gesömmert (Strüby 1909). Die Statistik von 1864 ergab noch 5’194 „Kuhrechte“ (also ein Mass für den erzielten Ertrag, (Dubler 2010), welches der Stössen gleichkommt) für den ganzen Bezirk: die Besetzung der Alpen war somit um 700 „Kuhrechte“ in 40 Jahren zurückgegangen, was etwa 10 ha weniger nutzbares Alpgebiet pro „Landwirtschaft treibende Familie“ entsprach (Strüby 1909). Dazu führte das Fehlen von italienischem Vieh, wegen strengeren viehpolizeilichen Vorschriften, zu einer weiteren Abnahme des gesömmerten Viehs: das Alpgebiet war für die lokale Bevölkerung übergross geworden (Strüby 1909). Diese problematische Situation wurde zwar erkannt, es wurden sogar detaillierten Studien über die Lage der Alpwirtschaft (wie die Bände der Alpstatistik) durchgeführt, aber konkrete Massnahmen, die der Abnahmetendenz entgegenwirkten, wurde keine getroffen (Donati und Gaggioni 1983).

Die Krisenjahre während und zwischen den Weltkriegen stoppte vorübergehend den Rückgang der Alpwirtschaft: In manchen Fällen bestiess man aus Not bereits aufgegebene Alpen wieder (Donati und Gaggioni 1983). Dazu sind auf mehreren Alpen bis in die 1940er Jahren diverse Alpverbesserungen durchgeführt worden, welche sich jedoch meistens nur auf die Alpgebäude beschränkten, ohne ihre Erschliessung zu verbessern (Werthemann 1973).

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Von den neunzehn Alpen des Calancatals war 1973 noch keine durch eine befahrbare Strasse erreichbar und auch im Misox waren ausser denjenigen an der San Bernardino Passstrasse nur wenige mit einem Fahrzeug erreichbar (Werthemann 1973).

Die Hochkonjunktur der Nachkriegszeit lockte noch mehr vor allem jüngere Leute aus den Tälern in die wachsenden urbanen Zentren (Werthemann 1973), wo gutbezahlte Stellen und ein, im Vergleich mit der Alp, höherer Lebensstandard zu finden waren (Donati und Gaggioni 1983). Bald fehlte es an jungen Landwirten, die bereit waren, die örtlichen Betriebe weiterzuführen, was zu einem drastischen Rückgang der in der Landwirtschaft tätigen Personen führte (Werthemann 1973). Auch die weiteren Strukturverbesserungsmassnahmen im landwirtschaftlichen sowie im alpwirtschaftlichen Bereich (Furger 1987), welche in verschiedenen Gemeinden durchgeführt wurden, kamen meist zu spät und wirkten zum Teil den früheren Verbesserungen entgegen: es kam vor, dass bereits restaurierte Alpgebäude aufgrund der neue Aufteilung des Landes überflüssig wurden (Werthemann 1973). Mit dem Rückgang der Betriebe sank auch die Anzahl an lokalem Vieh für die Auslastung der Maiensässe und Alpen (siehe Bild 16 und Bild 17), sie wurden aufgegeben, und vergandeten. Die Anzahl Tiere sank einigermassen parallel zu der Anzahl Alpen.

Anzahl gesömmerte Tiere und Alpen in der Region Moesa zwischen 1909 und 2005 12000 80 70 10000 60 8000 50 6000 40 30 4000 20 Anzahl Alpen Gsömmerte Tiere 2000 10 0 0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020

Total gesömmerten Tiere Anzahl Alpen

BILD 16: ANZAHL ALPEN UND GESÖMMERTE TIERE IN DER REGION MOESA. HERKUNFT DER DATEN: 1909, STRÜBY 1909; 1921, ANDREA UND GOOD, 1921; 1971, WERTHEMANN 1973; 1982, WERTHEMANN UND IMBODEN 1982; 2005, ALG 2007B.

Der Niedergang des Rindvieh ist auf Bild 17 sichtbar. Die Zahl der Ziegen erlebte Anfangs 1980 Jahren einen Tiefpunkt, stieg in den letzten Jahren jedoch wieder an. Schafe hingegen werden heute weniger als Anfangs 1980er Jahren gesömmert, als ihre Zahl ein Höchstpunkt erreichten.

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Anzahl gesömmerte Tiere nach Kategorie in der Region Moesa zwischen 1909 und 2005 7000 6000 5000 4000 Tiere 3000 2000 1000 0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

Rindvieh Kühe Schafe Ziege

BILD 17: GESÖMMERTE TIERE NACH KATEGORIE IN DER REGION MOESA. HERKUNFT DER DATEN: 1909, STRÜBY 1909; 1917, ANDREA UND GOOD, 1921; 1971, WERTHEMANN 1973; 1982, WERTHEMANN UND IMBODEN 1982; 2005, ALG 2007B.

Erst in den 1980er Jahren gab es neue Impulse, welche diesen Tendenzen entgegenwirken konnten. Die in 1980 eingeführten kantonalen Sömmerungsbeiträge halfen den negativen Trend zu stoppen (Eitel 2010) und ermöglichten neue Investitionen. Das 1982 gegründete „Consorzio alpi Calanca“ konnte, dank diversen Beiträgen, Gebäude und Milchleitungen sanieren und ausbauen, die Düngung einführen und somit die kritische Situation der Alpinfrastruktur im Calancatal verbessern (Furger 1987). Weitere Verbesserungen wurden auch durch Private im Misox durchgeführt (Furger 1987).

Ab den 1980er Jahren fand dazu ein Umverteilung in der Rinderhaltung statt: vom Milchvieh orientierten sich manche Bewirtschafter auf Fleischrassen um. Die Situation hat sich seither weiter in diese Richtung entwickelt, sodass heutzutage die Milchverarbeitung nur noch auf wenigen Moesaner Alpen (20%, ALG 2007b) stattfindet (Eitel 2010). Diese Entwicklung ist vor allem von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die meisten Moesaner Alpen eigentlich zum Sennen eingerichtet sind.

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Die Mutterkuhhaltung hat sich hingegen stark ausgebreitet, sodass sie 2005 ein Drittel der gesömmerten Tiere darstellten (ALG 2007b). Ein weiteres knappes Drittel der gesömmerten Tieren machten im selben Jahr die 100% 2% Ziegen 13% 11% Schafe aus. Aufzuchtvieh und 1% Milchkühe folgten mit je etwa 15% 27% Schafe 33% und Ziegen mit etwa 10% der 3% Pferde gesömmerten Tiere (siehe Bild 18, 50% 15% 17% Jungvieh ALG 2007b). 30% Mutterkühe 35% Die potentielle Nutzung der Alpen und Kälber 14% war jedoch in 2005 nur mässig gut: 0% Milch und GR Moesa Galtkühe etwa ein Drittel der Alpen blieben

BILD 18: PROZENTUALES GESÖMMERTES VIEH IM JAHR 2005 IM unter 75% der Auslastung (ALG KANTON GRAUBÜNDEN (LINKS) UND IM BEZIRK MOESA (RECHTS). DATEN AUS ALG 2007B. 2007b). Dazu ist die gesamten Region von aussenregionalem Vieh abhängig: 28% der gesömmerten Tiere, darunter vor allem Rindvieh und Ziegen, kommen von anderen Regionen oder Kantonen (ALG 2007b).

Die mittlere Alpzeit beträgt im Misox heute zwischen 80 und 90 Tage; im Calancatal, wegen den härteren Klimabedingungen beträgt sie 70 Tage (Furger 1987).

4.4 UNTERSUCHTE ALPEN Um die einzelnen Fragestellungen beantworten zu können, wurden drei Alpen im Bezirk Moesa ausgewählt und bezüglich der historischen Entwicklung analysiert. Dabei handelt es sich um die Alp Cadino/Albion in der Gemeinde Roveredo, die Alp de Mem der Gemeinde San Vittore und die Alp Pian Doss in der Gemeinde Mesocco (Bild 19).

Für die Auswahl der Alpen wurden verschiedene, qualitative Kriterien gebraucht. Die Beratung von PD Dr. Irmi Seidl von der WSL, Verantwortliche für die Untersuchungsregion Moesa des Projektes AlpFUTUR, stellte einen ersten Schritt für die Auswahl der Alpen dar. Die Verfügbarkeit von historischen Daten über die Alpen stellte danach eine unentbehrliche Grundlage für die Analysen dar. Schliesslich war das Interesse der Verantwortlichen des Teilprojekts 5 von AlpFUTUR an der Geschichte der Alp Pian Doss eine weitere Grundlage für die Entscheidung.

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BILD 19: KARTE DES BEZIRKS MOESA. DIE GEMEINDEN DES CALANCATALS SIND IN BLAU, DIEJENIGEN DES MISOX IN ROT UND DIE UNTERSUCHTEN ALPEN IN GELB MARKIERT. PIXMAPS, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

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5 ERGEBNISSE

Hier werden durch drei Alpportraits die Veränderungen vorgestellt, welche auf der untersuchten Alpen während der Untersuchungsperiode stattgefunden haben.

5.1 PORTRAIT ALP DE MEM 5.1.1 EINFÜHRUNG Die Alp de Mem befindet sich geographisch bereits im Calancatal, gehört jedoch noch zum Misox und zwar zur politischen Gemeinde San Vittore. Heute wird die Alp für jeweils sechs Jahre verpachtet. Die 2010 durchgeführte Weidekartierung ermöglicht nun auch die Beweidung mit Schafen, was die bisherige Bestossung durch Mutterkühe und Jungvieh ergänzt.

Zusammen mit der Alp de Mem wird auch die Alp de Carnac gepachtet (Lettieri, Ferrari et al. 1997), die früher noch getrennt verwaltet und gepachtet wurde. Diese Alp befindet sich östlich von Mem (Bild 20). Die tiefer gelegene Alp de Palazzi, die östlich der Alp de Carnac liegt und heute praktisch geschlossen ist, dient vom 15. Juni bis zur Bestossung der Alp als Vorweide (Pachtvertrag der Alp de Mem, 2003).

Die Alp befindet sich auf der westlichen Talseite des Calancatals, etwa sechs Kilometer vom Dorf entfernt, in der Nähe des Pizzo di Claro und des Passo di Mem, welcher eine Verbindung mit der Tessiner Region Riviera darstellt. Die Alp liegt auf einer Höhe zwischen 1’950 und 2’400m.ü.M und deckt ungefähr eine Fläche von 250 ha ab. Die Weidefläche weist sowohl relativ feuchte Stellen auf, wo die Neigung sanfter ist, wie auch trockenere Hänge (BLW 1971c). Die Wasserversorgung ist dank mehreren Bächen (Storni, Interview 2010) und Brunnen gut (BLW 1971c).

Die Alp de Mem ist noch nicht mit einer Fahrstrasse erschlossen, kann also nur auf Wanderwegen erreicht werden. Befahrbare Strassen erschliessen auf der östlichen Seite die Alp de Palazi und auf der nördlichen die Alp de Stabveder (Bild 20). Von dort aus ist dann noch mit einigen Stunden Gehzeit zu rechnen (Storni, Interview 2010). Wer im Dorf San Vittore startet, muss hingegen ungefähr mit sechs Stunden Gehzeit rechnen (Kriegsernährungsamt 1945c).

Wegen der hohen Lage ist die Alp vom Problem der Verwaldung kaum betroffen (siehe Bild 21). Die Verbuschung kann hingegen problematisch werden, vor allem mit der derzeitigen Bestossung der Alp (Storni, Interview 2010).

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BILD 20: DIE ALP DE MEM MIT DEM HEUTIGEN BILD 21: LUFTBILD (2005) DER ALP DE MEM. PERIMETER IN ROT. SWISSIMAGE © 2011 SWISSTOPO. LK25 2006, PIXMAPS, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

BILD 22: DIE ALP DE MEM WAHRSCHEINLICH BILD 23: DIE ALP DE MEM HEUTE. WÄHREND DER ERHEBUNGEN DES ALPKATASTERS QUELLE: HTTP- AUFGENOMMEN, UNDATIERT. //U.JIMDO.COM/WWW12/O/S783CF6262C02B035 WERTHEMANN 1973. /IMG/I6BC1DC590F39D8F0/1279026737/STD/ALP- DE-MEM-S-VITTORE-GR-1950-M.JPG UNDATIERT

5.1.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Wie oben bereits erwähnt, gehören die meisten Alpen des Bezirk Moesa der öffentlichen Hand. So ist auch die Alp de Mem im Besitz der politischen Gemeinde San Vittore welche Eigentümerin des Landes und der Infrastruktur der Alp ist (Storni, Interview 2010).

Seit dem 15. Jahrhundert besteht im Tal eine erste Form von lokaler Autonomie. Diese erhielt sich bis zur Einführung der Kantonalen Verfassung des Jahres 1853, welche das Territorium in Einwohnergemeinde und Bürgergemeinde unterteilte (Raveglia 2010).

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Das gesamte Misox bestand damals noch als „Comun-Grande della Mesolcina“, welches in die „Vicariati“ von Mesocco und Roveredo unterteilt war (Raveglia 2010). Der „Vicariato“ von Roveredo war unter anderem in den „Comune generale di Roveredo e Santo Vittore“ unterteilt, also die aktuellen politischen Gemeinden Roveredo und San Vittore. Diese Körperschaft trennte sich im Jahre 1850 in die einzelnen politischen Gemeinden und in die gesamte „Corporazione patriziale di Roveredo e Santo Vittore“, eine Art Bürgergemeinde, welche weiterhin den Wald, die Weiden und die Alpen der beiden Gemeinden verwaltete (Raveglia 2010). In den 1870er Jahren teilte sich dann auch diese übergemeindliche Korporation in die Patriziati von Roveredo und San Vittore. Genaue Angaben über diese Trennung konnten keine gefunden werden. Die Protokolle des Patriziato von San Vittore, welche Einträge ab 1871 enthalten, handeln nur von den Ländereien der Gemeinde San Vittore. Die Alp die Mem ist dabei nur bis in die Einträge der 1880er Jahren erwähnt. Die Verwaltung und die Nutzniessung der Alpen wurde nämlich von der politischen Gemeinde übernommen (Togni, Interview 2010). Genaue Angaben über diese Übergabe konnten keine gefunden werden. Bei der Alpinspektion von 1902, war jedoch die Gemeinde San Vittore bereits als Eigentümerin der Alp eingetragen worden (Alpwirtschaftlicher Verein 1902c). Dabei war wahrscheinlich nur das Eigentum der Gebäude gemeint, denn die formelle Übergabe des Landes fand erst im Jahre 2010 statt (Togni, Interview 2010). Im landwirtschaftlichen Produktionskataster der Gemeinde San Vittore von 1945 waren die Alpen de Mem, de Carnac und de Palazi noch als eigenständige Alpen eingetragen (Kriegsernährungsamt 1945c), nicht mehr jedoch im Alpkataster 1971 (BLW 1971c). Ab diesem Datum wurde Carnac als Alp und Palazi als Voralp zu Mem gerechnet, wie in Bild 24 zu sehen ist.

Die Gemeinde verpachtet die Alp de Mem für eine Periode von sechs Jahren. Schon 1871 ist diese Dauer der Pacht festgehalten worden (protocolli patriziato San Vittore). Zwischen und nach den Kriegszeiten wurde die Dauer auf drei Jahre reduziert. Auch in der „Ordinanza concernente l’affitto di alpi e l’alpeggio di bestiame nel Canton Grigioni“, also der Alppachtverordnung von 1954 war

BILD 24: KARTE DER ALP DE MEM AUS DEM die Mindestperiode für eine Pacht 3 Jahre ALPKATASTER DER GEMEINDE SAN VITTORE VON 1971. (Artikel 8).

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1978 wurde die Alp immer noch für drei Jahren verpachtet. Mit der Einführung des Bundesgesetzes über die landwirtschaftliche Pacht im Jahre 1985, stieg die Mindestperiode auf sechs Jahre (SR 221.213.2 Artikel 7). Der aktuellste Vertrag von 2003, welcher im Archiv von San Vittore vorliegt, sieht eine Dauer von sechs Jahren vor (Pachtvertrag Alp de Mem 2003). Bereits als Prisca Storni selber in den 1990er Jahren auf der Alp war, galt der Vertrag für sechs Jahre (Storni, Interview 2010).

5.1.2.1 STREITEREIEN ÜBER DIE ALP Die Lage der Alp de Mem und die Entfernung zum Dorf von San Vittore würde auf die Zugehörigkeit zum Calancatal deuten. Bereits im 17. Jahrhundert stritten sich die Dörfer des Calancatals mit dem „comune generale“ Roveredo-San Vittore über den Besitz der Alp (Santi 1988). Eine Legende erzählt, wie es im 18. Jahrhundert durch die Beurteilung einer unparteiischen Persönlichkeit zu einer Schlichtung kam. Es handelte sich dabei um einen Kurat aus Locarno, welcher auf die Alp de Mem gerufen wurde, um die Streitereien zu lösen. Als er auf der Alp ankam, schwor er, dass er sich auf dem Boden von San Vittore befände. Somit gab er den Misoxnern das Recht auf die Alp. Man erzählte sich jedoch, dass er die Schuhe voller Erde aus einem Garten in San Vittore hatte. Er log zwar nicht, liess sich jedoch offenbar von den Leuten von San Vittore bestechen (Togni, Interview 2010).

5.1.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 5.1.3.1 ERSCHLIESSUNG Wie oben bereits erwähnt, ist die Alp de Mem noch nicht durch eine befahrbare Strasse erschlossen. Bereits im Jahre 1912 sollte eine Militärstrasse gebaut werden, welche zur Alp führen sollte. Die Gemeinde war damals nicht bereit, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen, mitzumachen (Storni, Interview 2010). Im landwirtschaftlichen Produktionskataster wurde der Zustand der Erschliessungswege als schlecht beurteilt (Kriegsernährungsamt 1945c). Die Zufahrtwege sind schlecht unterhalten worden, da sich keiner dafür verantwortlich fühlte (Togni, Interview 2010). Im Alpkataster (Werthemann 1973a) war hingegen von einer Güterzusammenlegung die Rede, welche unter anderem die Erschliessung der Alp vom Dorf aus vornehmen sollte. Bis heute ist eine solche Strasse noch nicht gebaut worden. Fahrstrassen erreichen zwar die benachbarten Alpen de Stabveder und de Palazi, welche jedoch noch etwa zwei Kilometer von der Alp de Mem entfernt sind.

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Bild 26 und Bild 25 stellen die Entwicklung der Strassen im heutigen Alpperimeter dar.

Totale Strassenlänge auf der Alp Strassenlänge nach Klasse auf de Mem zwischen 1850 und 2006 der Alp de Mem zwischen 1850 und 2006 10 10 9 9 5. Klasse 8 8 6. Klasse 7 7

km 6 km 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 0 0 1850 1900 1950 2000

BILD 25: LÄNGE DER STRASSE PRO KLASSE UND BILD 26: ENTWICKLUNG DER TOTALEN JAHRGANG IM ALPPERIMETER. STRASSENLÄNGE IM ALPPERIMETER.

Die Länge der Wanderwege (6. Klasse) blieb bis in die 1920er Jahre relativ konstant, stieg danach auf das heutige Niveau. Die Zahl der Saumwege (5. Klasse) blieb zwar bis in die 30er Jahre recht stabil, sie verschwanden danach aber komplett.

Die totale Länge der Erschliessungswege liegt während dem ganzen untersuchten Zeitraum relativ konstant zwischen fünf und sieben Kilometern. Zwischen den Jahren 1937 (letzte Siegfriedkarte) und 1950 (erste Landeskarte) besteht der grösste Unterschied in der totalen Länge, wobei im Jahre 1937 der höchste und im Jahre 1950 der tiefste Wert gemessen wurde. Bild 27 und Bild 28 stellen jeweils den Erschliessungszustand in diesen Jahren dar. Der Klassensprung, der durch das Verschwinden der 5. Klasse (violette Linie) bedingt ist, ist hier nachvollziehbar.

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BILD 27: KARTIERTE ERSCHLIESSUNGSWEGE IN DER BILD 28: KARTIERTE ERSCHLIESSUNGSWEGE IN DER ALP, 1937. ALP, 1950.

Wege, die zur Alp de Mem führen, gab es schon bereits 1855 mindestens drei. Von Arvigo, Buseno und San Vittore war die Alp durch Saum-und Wanderwege erreichbar (Anhang I). Der Saumweg von San Vittore war damals und bis spät ins 20. Jahrhundert (Togni, Interview 2010) der meist gebrauchte weg der Älpler aus dem Dorf. Prisca Storni brachte noch in den 1990er Jahren ihr Vieh auf dem Weg von San Vittore auf die Alp (Storni, Interview 2010). Dieser Weg, welcher auch zu den Maiensässen von San Vittore führte, die oft als Vorstafel zur Alp gebraucht wurden (Togni, Interview 2010), überwindet im ersten Stück zwischen dem Dorf und den ersten Maiensässen einen Höhenunterschied von etwa 1000 Meter. Das steilste Stück zwischen 600 und 900 M ü. M, wo der Weg zickzackartig steigt, heisst „riv de strozzacán“, das heisst also: „die Böschung, die Hunde erwürgt.“

Dieser Zugangsweg entwickelte sich bis in die 1950er Jahre relativ wenig (siehe Anhang I). Zum Teil gab es Klassensprünge von Saumwegen auf Wanderwege. Ab den 1970er Jahren erscheinen die ersten befahrbaren Strassen (Klassen 3 und 4), die jedoch nur in den unteren Teilen der jeweiligen Zufahrtswege ausgebaut wurden. Im Jahr 1995 sind dann verschiedene neue Strassen zu sehen. Eine befahrbare Verbindung zwischen San Vittore und dem Weiler Giova (Gemeinde Buseno) wurde gebaut (Baujahr unbekannt), sowie eine Strasse von Arvigo fast bis zur Alp de Stabveder, welche sich auf der gleichen Höhe wie die Alp de Mem befindet, aber noch etwa drei Kilometer davon entfernt liegt.

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Auf der Karte für das Jahr 2006 ist dann sichtbar, dass diese Strasse bis zur Alp de Stabveder ausgebaut worden ist. Auch wurde die Strasse von Giova weiter Richtung Alp de Mem weitergeführt. Heute führt diese Strasse bis zur Alp de Palazi (Togni, Interview 2010), was aber auf der aktuellsten Karte (2006) nicht sichtbar ist (siehe Anhang I).

5.1.3.2 GEBÄUDE Die Alp de Mem ist eine Sennalp, ist somit für das Sennen ausgerüstet und wurde bis Ende der 1990er Jahre noch in diesem Sinne genutzt (Storni, Interview 2010). Bei der Alpinspektion von 1902 wurden sechs Gebäude aufgenommen: Zwei Sennhütten, ein Stall, zwei Milchkeller und ein Schweinestall (Alpwirtschaftlicher Verein 1902c).

Eine der beiden Sennhütte, welche noch aus dem 19. Jahrhundert stammt (Storni, Interview 2010), wurde 1962 renoviert (BLW 1971c), wobei das Gebäude wie auch die Infrastruktur für die Milchverarbeitung modernisiert wurden.

Von den zwei Milchkellern, die im Jahre 1902 aufgenommen wurden, scheint einer bei der Alpkataster-Aufnahmen (1971) nicht mehr existiert zu haben. Nach diesen Erhebungen stammt nämlich ein Milchkeller aus den 1940er Jahren, während das weitere aufgenommene Gebäude als Käsekeller bezeichnet wird, ohne jedoch Angaben über das Baujahr zu geben (BLW 1971c). Die im Alpkataster aufgenommenen Ställe dürften noch dieselben wie zu Anfang des Jahrhunderts sein. Beide sind noch im guten Zustand (Storni, Interview 2010).

Im Alpkataster ist auch von zwei Personalhütten die Rede, welche Platz für 7-8 Leute haben sollen (BLW 1971c). Diese waren bis in die 1950er Jahren noch sehr einfach ausgestattet (Togni, Interview, 2010). Reto Togni erzählte, dass man noch am Boden schlief und, dass es sogar keinen Tisch hatte, als er in den 1940er und 50er Jahren auf der Alp war: Man ass zusammen aus dem „pulentín“ (der Polentatopf) mit dem aus dem Dorf selber mitgebrachten Löffel. Mit den Jahren verbesserte sich dann die technische Ausrüstung auf der Alp (Togni, Interview 2010).

Heute sind noch fünf Gebäude vorhanden, davon zwei Personalhütten, eine Sennhütte, der Schweinestall und der Rinderstall (Lettieri et al. 1997). Von einem Keller ist keine Rede mehr.

Dazu kommt noch die Hütte auf der Alp de Carnac, die aber eher von Wanderern benutzt wird als von den Älplern. Diese eine Alphütte wurde vor kurzem saniert, was mit den anderen Gebäuden auf Caranc nicht der Fall war. Diese sind heute zum Teil eingestürzt (Storni, interview 2010, Bild 29).

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BILD 29: DIE GEBÄUDE AUF DER ALP DE CARNAC. DAS HAUS MIT DEM RÖTLICHEN DACH WURDE SANIERT, DIE ANDEREN STÜRTZTEN ZUSAMMEN. BILD UNDATIERT. QUELLE: HTTP- //U.JIMDO.COM/WWW12/O/S783CF6262C02B035/IMG/I824 F4A831FC4389A/1279026737/STD/ALP-DE-CARNAC-S- VITTORE-GR-1953-M.JPG

Die technische Ausrüstung für die Milchverarbeitung stammt noch aus den 1960er Jahren, als die Käserei renoviert wurde. Diese Anlagen entsprechen jedoch nicht mehr den heutigen Hygienevorschriften in der Milchproduktion und können somit nicht mehr verwendet werden (Storni, Interview 2010). Strom und Melkmaschine fehlten in den 1990er Jahren immer noch: Für diesen Mangel musste man selber eine Lösung finden, z.B. mit Stromgeneratoren und mobilen Melkmaschinen.

5.1.4 WEIDEFLÄCHE 5.1.4.1 FLÄCHENAUSDEHNUNG Genaue Angaben über die Entwicklung der Weidefläche wurden keine gefunden. Wie oben bereits erwähnt, wurde nach den 1940er Jahren die benachbarten Alp de Carnac zusammen mit Mem verpachtet, was zu einer Vergrösserung des Alpperimeters führte. Tabelle 8 stellt die Entwicklung der Alpfläche dar.

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TABELLE 8: VERÄNDERUNG DER ALPFLÄCHE DER ALP DE MEM. Jahr 1943 1971 2009 Fläche Mem: 193ha Total: 267ha Total: 253ha Carnac: 96ha Total: 289ha Quelle Kriegsernährungsamt BLW 1971C Elmer und Mengotti 2009 1945c

Karte

Man kann somit eine Verminderung der Fläche feststellen. Dabei ist zu beachten, dass die Zahlen aus dem Jahre 1943 dem Alpperimeter entsprechen. Diejenigen aus den folgenden Jahren hingegen die Weidefläche darstellen. Zwischen 1971 und 2009 verändern sich vor allem die unteren und oberen Ränder der Fläche. Die Alp wurde gegen Norden erweitert, da sich im südlichen Teil bei der Alp de Palazi der Wald stark ausgebreitet hat (siehe Bild 21 und Anhang IV).

5.1.4.2 WEIDEQUALITÄT Was die Qualität des wachsenden Raufutters angeht, gibt es unterschiedliche Meinungen. Nach der Alpinspektion der Alp in 1902 ist der Boden auf der Alp fruchtbar, was eine gute Grasqualität ermöglicht, wo die Fläche wenig steinig ist. Dazu ist noch von einem kleinen See bei den Alpgebäuden die Rede, welcher jedoch verlandete (Storni, Interview 2010), und heute als Flachmoor von nationaler Bedeutung aufgenommen ist (SR 451.32).

Im landwirtschaftlichen Produktionskataster ist nur von den steinigen Weiden und von Feuchtgebieten die Rede (Kriegsernährungsamt 1945c).

Im Alpkataster (BLW 1971c) wird das Graswachstum als sehr gut beurteilt, wobei die Stellen in der Nähe des Stafels und einige nahe beim Wald eine schlechtere Qualität wegen Knöterich bzw. Rhododendren aufweisen. Dabei ist zu beachten, dass bei dieser Betrachtung auch die ehemalige Alp de Carnac gemeint ist. Auf dieser Fläche befinden sich, nach der Meinung der Bewirtschafter von 2009, die besten Bestände (Lauber 2009).

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Nach der Weidekartierung von 2009 ist die Qualität und die Zusammensetzung der wachsenden Pflanzen gut. Die Verbuschung stellt jedoch ein Problem dar. Die Weideflächen werden als mager und extensiv gekennzeichnet (Elmer und Mengotti 2009) .

Nach Meinung von Reto Togni weist die Alp einen mageren Untergrund und steinige Weiden auf, und darum „sei die Qualität der Grasnarbe schlecht“(Interview 2010).

5.1.5 GESÖMMERTE TIERE Die Zusammensetzung der gesömmerten Tiere veränderte sich während dem letzten Jahrhundert stark. Die Analysen basieren auf Daten von diversen Quellen. Tabelle 9 stellt die Herkunft der verwendeten Daten dar.

TABELLE 9: HERKUNFT DER DATEN FÜR DIE ANALYSE DER VERÄNDERUNG DER GESÖMMERTEN TIERE AUF DER ALP DE MEM. Jahr Quelle 1902 Alpwirtschaftlicher Verein 1902c 1916 Heft mit Angaben über die Alp de Mem (Staatsarchiv Chur) 1943 Kriegsernährungsamt 1945c 1971 BLW 1971c 1980-2010 BLW 1991, ALG 1999, ALG 2010

Für die hier vorgestellten Resultate wurden die Bestossungszahlen von Mem und Carnac zusammengezählt. Für die Jahre 1902 und 1916 sind die Daten für die Alp de Carnac nicht inbegriffen.

Auf Bild 30 bis Bild 33 wird die Entwicklung der Bestossung auf der Alp de Mem dargestellt.

Rindvieh auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 600

500

400

300

Tiere 200

100

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 30: GESÖMMERTES RINDVIEH AUF DER ALP DE MEM.

Wie in Bild 30 dargestellt, war die Zahl der bestossenen Rindvieheinheiten recht konstant; ausser einem Tief- respektive Hochpunkt in den Jahren um 1980 bzw. um das Jahr 1990.

56

Ziegen auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 600

500

400

300

Tiere 200

100

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 31: GESÖMMERTE ZIEGEN AUF DER ALP DE MEM.

Wie in Bild 31 dargestellt, erlebten die Ziegen während der 1980er Jahre einen markanten Aufschwung. In Folge der CAE-Bekämpfung (Caprine Arthritis und Enzephalitis) sank ab 1994 die Anzahl Ziegen stark, danach stabilisierte sich die Lage wieder (ALT 2010). Infolge eines Pächterwechsels werden seit 2008 keine Ziegen mehr gesömmert. Dafür stieg seit 2008 die Zahl an Schafe von null auf mehr als 150 Tiere (Bild 32). Obwohl es erst seit 2009 erlaubt ist (Elmer und Mengotti 2009), wurde die Alp schon früher in den 1970er und 1980er Jahre mit Schafen bestossen, was eigentlich in den gefundenen Pachtverträgen (sogar noch im Jahre 2003) verboten war.

Schafe auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 600

500

400

300

TIere 200

100

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 32: GESÖMMERTE SCHAFE AUF DER ALP DE MEM.

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Milchkühe auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 140

120

100

80

60

Tiere 40

20

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 33: GESÖMMERTE MILCHKÜHE AUF DER ALP DE MEM.

In Bild 33 wird der Niedergang der Milchvieheinheiten deutlich: Als meist gesömmerte Kategorie anfangs des 20. Jahrhunderts, verloren Milchkühe ab den 1940er Jahren an Bedeutung. In den 1990er Jahren nahm deren Zahl nochmals ein wenig zu. Seit 2004 werden jedoch keine Milchkühe mehr gesömmert und somit wird auch kein Alpkäse mehr produziert. Dafür stieg sowohl die Zahl des gesömmerten Jungviehs (seit den 1940er Jahren, Bild 34) wie auch diejenige der Mütterkühe (seit 1980, Bild 35), welche 2010 die Mehrheit der gesömmerten Rindvieheinheiten darstellten.

Jungvieh auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 140

120

100

80

60 Tiere 40

20

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 34: GESÖMMERTES JUNGVIEH AUF DER ALP DE MEM.

58

Mutterkühe auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010 140

120

100

80 Tiere 60

40

20

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 35: GESÖMMERTE MUTTERKÜHE AUF DER ALP DE MEM.

Bild 36 stellt die Entwicklung der Normalstösse dar. Unter Normalstoss versteht man die Sömmerung einer Rindgrossvieheinheit während 100 Tagen (SR 910.133). Dabei wurden die berechneten Grossvieheinheiten mit der Sömmerungsdauer, also der Zeit auf der Alp, multipliziert und das Gesamte durch 100 dividiert. Man kann zwischen dem Anfang des Jahrhunderts und den 1980er Jahren einen steigenden Trend beobachten, wobei sich der Normalstoss von 60 fast verdoppelt hat. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Daten aus den Jahren 1902 und 1916 nur das Vieh auf Mem berücksichtigen, ohne dasjenige auf Carnac. In den 1980er und 1990er Jahren stiegen die Zahlen stark an und übertrafen 1987 den Wert 200, was mit der massiver Bestossung durch Schafe und Ziegen zusammenpasst (siehe Bild 31 und Bild 32). Um die Jahrtausendwende sank jedoch der Normalstoss wieder und bewegt sich heute um den Wert 100.

Normalstösse auf der Alp de Mem zwischen 1902 und 2010

200

150

100 NST

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 Normalstoss GVE Dauer

BILD 36: VERÄNDERUNG DER STOSSZAHL, DER GROSSVIEHEINHEITEN UND DER SÖMMERUNGSDAUER AUF DER ALP DE MEM. DIE VIER GRÜNEN STRICHE ENTSPRECHEN DER SÖMMERUNGSDAUER, DIE AUF DEM MITTELWERT DER BEKANNTEN WERTE BASIERT.

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Angaben über ausserkantonales Vieh wurden wenige gefunden. 1971 kamen alle Tiere von anderen Kantonen (BLW 1971c). Prisca Storni sömmerte ihr eigenes Vieh zusammen mit Tieren aus dem Kanton Zürich (Interview 2010). Da Prisca Storni im Tessin wohnhaft ist, kamen auch in diesem Fall alle Tiere aus Gebieten ausserhalb des Kantons Graubündens. Heute werden unter anderem Schafe aus dem Dorf San Vittore gesömmert (Lauber 2009).

5.1.6 ARBEITSKRÄFTE Leider konnten nur wenige, präzise Angaben über die Entwicklung der auf der Alp tätigen Arbeitskräfte gefunden werden. Während der Aufnahme der Alpinspektion waren sechs Personen auf der Alp beschäftigt (Alpwirtschaftlicher Verein 1902c). Bei den Aufnahmen des Alpkatasters waren es nur noch vier, davon ein Jüngerer (unter 15 Jahre alt, BLW 1971c). Als Reto Togni auf der Alp war, (1940er und 1950er Jahren) waren noch diverse Personen auf der Alp beschäftigt (Togni, Interview 2010). Prisca Storni, die selber den ganzen Sommer auf der Alp für die Milchverarbeitung verbrachte, erzählte, dass sie oft neue Hirten suchen musste. Viele Arbeiter waren Ausländer und ein paar sogar kamen aus dem Dorf San Vittore. Dazu kamen Jugendliche und Studenten. Dieses Personal konnte man jedoch nicht allein auf der Alp lassen, da ihnen die notwendige Erfahrung mit der Viehbetreuung und Milchverarbeitung fehlte. Der heutigen Zustand dürfte sich nicht gross verändert haben (Storni, Interview 2010).

5.1.7 VERWALDUNG Die Verwaldung der Weidefläche stellt für die Alp de Mem kein grosses Problem dar. Die Alp befindet sich nämlich oberhalb der natürlichen Waldgrenze. Somit ist das Wachstum der Bäume aus natürlichen Gründen erschwert (Togni, Interview 2010). Die grosse Entfernung zum Wald (etwa ein Kilometer) stellt im Gegenteil ein Problem für die Holzversorgung der Alp dar (Storni, Interview 2010). Die Beweidung, vor allem durch Kühe, hindert durch Trittschäden das Wachstum der Bäume (Storni, Interview 2010). Die Verbuschung durch Rhododendren (BLW 1971c) und weitere Gebüsche erschweret hingegen die Beweidung (Elmer und Mengotti 2009).

Wie auf Bild 37 sichtbar ist, nahm die totale Waldfläche auf der Alp de Mem zwischen 1850 und 2006 um die Hälfte ab. Zuerst sank sie zwischen 1850 (Dufourkarte) und 1875 (erste Siegfriedkarte) um fast 10 Hektaren, stieg aber wieder bis 1937 (letzte Siegfriedkarte). Bis 1950 (erste Landeskarte) sank sie wieder stark ab auf zehn Hektaren und stieg bis 1970 wieder um fünf Hektaren. Bis 1995 sank die Waldfläche wieder um etwa vier Hektaren. Der Trend bis zur aktuellsten Landeskarte (2006) erwies sich wieder als steigend. Im Alpperimeter wurden nach Prisca Storni und Reto Togni nie grosse Waldeingriffe durchgeführt (Storni, Togni, Interview 2010).

60

Waldfläche im Perimeter der Alp de Mem zwischen 1850 und 2006 35

30

25

20

15 ha

10

5

0 1850 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010

BILD 37: VERÄNDERUNG DER TOTALEN WALDFLÄCHE AUF DER ALP DE MEM.

Die prozentuale Veränderung der gesamten Waldfläche ist in Bild 38 sichtbar.

Prozentuale Änderung der Waldfläche im Perimeter der Alp de Mem zwischen 1855 und 2006 60

40

20

% 0

-20

-40

-60 1850-1875 1875-1892 1892-1924 1924-1937 1937-1950 1950-1977 1977-1995 1995-2006 BILD 38: PROZENTUALE VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE AUF DER ALP DE MEM.

Auf der Landeskarten kann geschlossener von offenem Wald unterscheidet werden. Die Entwicklung dieser beiden Waldflächen ist auf Bild 39 für jeden Landeskarten-Jahrgang sichtbar. Auf dieser Darstellung wird der hohe Anteil an Wald, welcher auf der Karte von 1977 als geschlossen aufgenommen worden ist, gut sichtbar. Dieser hohe Anteil ist in den folgenden Jahrgängen nicht mehr sichtbar. Wenn man die Veränderungen im Jahr 1977 nicht einbezieht, ist ein steigender Trend für geschlossenen aber vor allem offenen Wald wahrnehmbar.

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Waldfläche nach Kategorie im Perimeter der Alp de Mem zwischen 1950 und 2006 16 14 12 10 8 ha Offen 6 Geschlossen 4 2 0 1950 1977 1995 2006

BILD 39: VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE NACH WALDKATEGORIE.

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5.1.7.1 KONSTANZ DER WALDFLÄCHE Um Aussagen über den Bestand aus topographischen Landeskarte ablesen zu können, wurden die Waldflächen, welche seit 1850 (Dufourkarte) bzw. seit 1950 (erste Landekarte) als solche aufgenommen wurden, mit der Waldausdehnung auf der aktuellsten Landeskarten (2006) verglichen. Auf Bild 40 sind diese Flächen sichtbar. Vor allem Flächen auf der östlichen und südlichen Seite der Alp, also bei der Waldgrenze, blieben konstant.

BILD 40: WALDFLÄCHE, DIE ALS SOLCHE SEIT 1850 (LINKS) UND 1950 (RECHTS) AUF DEN TOPOGRAPHISCHEN LANDESKARTEN AUFGENOMMEN WURDEN. ES WIRD NUR DER TEILPERIMETER ABGEBILDET, WELCHER WALDFLÄCHE ENTHÄLT. DTM-AM. SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

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5.2 PORTRAIT ALP CADIN/ALBION 5.2.1 EINFÜHRUNG Cadin und Albion sind zwei Alpen der Gemeinde Roveredo, die heute als eine einzige Alp verwaltet werden. Sie befinden sich auf einer Höhe zwischen 1’500 und 2’000m.üM, wobei sich die Stafel auf 1'722 bzw. 1’890m.ü.M befinden. Das Gelände bei Cadin ist relativ eben, bei Albion wo sich mehrere natürlichen Terrassen ausgebildet haben, ist die Gegend steiler und unwirtlicher (Alpwirtschaftlicher Verein 1902a, b). Zusammen entsprechen die beiden Alpen etwa einem Perimeter von 280 ha.

Die Alpen Cadin/Albion befinden sich nördlich des Corno del Gesero, also an der Grenze mit dem Kanton Tessin, und westlich des Passo San Jorio. Die Alpen sind etwa 4 km (Luftlinie) oder 15 km (Strasse) vom Dorf Roveredo entfernt, was etwa einer halbstündigen Fahrt entspricht.

Die Weidenqualität ist bei Cadin relativ gut, aber ärmer, wo der flachgründige Boden keine gute Voraussetzung für ein gutes Graswachstum darstellt. Die Wasserversorgung ist dank der vielen Bäche nur in den höchsten Weiden problematisch (BLW 1971b). Bei Cadin kommen noch zwei Feuchtgebiete dazu, welche jedoch keine Probleme darstellen (Von Wyl, Interview 2010). Die Alpen werden ab den 10. Juni und bis spätestens am 11. September bestossen (Legge sugli alpi 1997, Artikel 3).

Cadin ist relativ gut erreichbar: eine befahrbare Strasse geht bis Cadolcia (siehe Bild 41), das etwa 500m von der Alp entfernt liegt. Dazu gibt es noch eine Transportsseilbahn zwischen Cadolcia und dem Stafel von Cadin. Für Albion fehlt hingegen noch befahrbare Erschliessung.

Verbuschung und Wald spielen auf dem ganzen Alpperimeter eine wichtige Rolle, vor allem jedoch im unteren nördlichen Teil, wo der Wald die untere Grenze der Weide darstellt (Bild 41 und Bild 42). Die obere Grenze der Alp ist hingegen von der Steilheit und Rauheit des Geländes gegeben (Bild 44).

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BILD 41: DIE ALPEN CADIN/ALBION AUF DER BILD 42: DIE ALPEN CADIN/ALBION AUF DEM LANDESKARTE VON 2006. ORTHOPHOTO VON 2005. DTM-AM, PIXMAPS, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO. DTM-AM, SWISSIMAGE, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

BILD 43: ALP CADIN, VON NORDEN AUS GESEHEN. BILD 44: DIE ALP ALBION AUS DER CIMA DELLE BILD VON DARIO FIBBIOLI, 04.07.2008. CICOGNE. BILD VON HTTP://WWW.QUARNEI.CH/SABB/ATTUALITA/FOTO/ VALLE%20MOROBBIA/DSC07273.HTM, 18.10.2009.

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5.2.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Die Alpen Albion und Cadin wurden anfangs des 20. Jahrhunderts noch als eigenständigen Alpen verwaltet und verpachtet (Alpwirtschaftlicher Verein 1902a, b). Ab den 1950er Jahren (genaues Datum unbekannt), wurden die beide Alpen als eine einzige verwaltet und verpachtet.

Die Eigentumsverhältnisse haben wahrscheinlich ähnliche Entwicklungen durchgemacht wie bei der Alpen der Gemeinde San Vittore. Nach der Trennung von San Vittore 1850 (Raveglia 2010) und der Etablierung der „Corporazione patriziale di Roveredo e Santo Vittore“ wurden die Alpen durch die Patriziati verwaltet. 1902 war jedoch schon die politischen Gemeinde Roveredo als Eigentümerin eingetragen worden (Alpwirtschaftlicher Verein 1902a, b). Die Pachtdauer wurde bereits in den 1940er Jahren auf drei Jahre beschränkt. Dies veränderte sich erst in den 1990er Jahren als die Pachtperiode auf sechs Jahre verlängert wurde.

5.2.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 5.2.3.1 ERSCHLIESSUNG Die Alp Cadin/Albion kann von Roveredo her und über die Valle d’Arbedo (Tessin), also von der anderen Seite des Corno del Gesero, durch befahrbaren Strasse erreicht werden.

Wie oben bereits erwähnt ist die Alp Cadin relativ gut erschlossen, Albion hingen nicht. Die Strasse, welche bis in die Nähe von Cadino kommt, ist eine Verlängerung der Strasse die auf die Monti di Laura, Maiensässe oberhalb von Roveredo führt. Ursprünglich jedoch, wurde diese Strasse von der Tessiner Seite her gebaut. Während des ersten Weltkriegs stieg das Interesse des Bundes, aus strategischen Gründen, an der Erschliessung der Region des Passo San Jorio. Dieser Pass, der seit dem späten Mittelalter benutzt wird (Ciocco et al. 2000), verbindet das Tessin mit Italien, und wurde somit während des ersten Weltkriegs militärisch befestigt (Von Wyl, Interview 2010). Darum wurde zwischen 1914 und 1915 eine befahrbare Strasse von Arbedo (Tessin, siehe Anhang II) aus gebaut, aus landwirtschaftlichen (wegen der vielen Maiensässe und der Alpe di Gesero) sowie militärischen Gründen (Zingg 2008). Diese Strasse wurde bis nach Cadolcia (siehe Bild 41) durch einen Tunnel gebaut. Dazu baute das Militär noch eine Saumstrasse von der Alp Cadinello über Cadin bis zu Albion, wo bis in die 1990er Jahren ein Schiessplatz der Armee in Funktion war (Von Wyl, Interview 2010). Die Alpen Cadin und Albion waren somit vom Tessin aus bereits in den Kriegsjahren durch eine befahrbare Strasse und einen Saumweg erschlossen. Diese Erschliessung wurde jedoch 1928 durch den Erdrutsch des Motto D’Arbino zerstört (Zingg 2008). Die Alpen Cadin und Albion blieben darum bis in den 1940er Jahren, als die Strasse für die Monti di Laura gebaut wurde (Kriegsernährungsamt 1945b) ohne eine befahrbare Erschliessung. Es gibt jedoch mehrere Wege, die von Roveredo aus zu den Alpen Cadin und Albion führten. Darunter die Wege über die Monti di Laura und die Strasse, die zum San Jorio Pass führt, welche bereits 1850 als Saumpfad kartiert war.

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In den 1990er Jahren wurde auf Tessiner Seite eine neue Strasse gebaut, welche die durch den Erdrutsch zerstörte Militärstrasse von anfangs des 20. Jahrhunderts, ersetzte. Die Alp Cadin war somit auch vom Tessin her wieder durch eine Strasse erschlossen. Für diese Entwicklungen siehe auch Anhang II.

Angaben über die effektive Nutzung dieser Erschliessungsmöglichkeiten wurden für die früheren Bewirtschafter der Alp keine gefunden. Martin Von Wyl erreicht die Alp durch die Strasse über die monti di Laura (Interview 2010).

Bild 45 und Bild 46 stellen die Entwicklung der Erschliessung innerhalb des Alpperimeters dar. Für die Analyse wurde der Perimeter von 2010 genutzt.

Totale Strassenlänge auf der Alp Totale Strassenlänge nach Cadin/Albion zwischen 1855 und Klasse auf der Alp Cadin/Albion 2006 zwischen 1855 und 2006 15 15

3 10 10 5 km km 5 6 5

0 0 1850 1950 1855 1875 1892 1916 1933 1957 1962 1983 2006 BILD 45: VERÄNDERUNG DER TOTALEN BILD 46: VERÄNDERUNG DER ERSCHLIESSUNG NACH STRASSENLÄNGE IM HEUTIGEM PERIMETER DER ALP STRASSENKLASSE IM HEUTIGEM PERIMETER DER CADIN/ALBION. ALP CADIN/ALBION.

Die totale Länge an Erschliessungsmöglichkeiten im Alpperimeter nahm während der Untersuchungsperiode laufend zu.

Diese Entwicklung lief mehr oder weniger gleichmässig ab. Nur zwischen 1855 (Dufourkarte) und 1875 (erste Siegfriedkarte) ist ein markanter Rückgang zu beobachten. Auch sind die oben beschriebenen Entwicklungen sichtbar: in der Karte von 1916 ist der militärische Saumweg bereits kartiert worden, und dessen Länge blieb danach konstant. Ab den 1950er Jahren ist hingegen die befahrbare Strasse von den Monti di Laura sichtbar, welche danach ebenfalls konstant blieb. Die totale Länge an Wanderwegen stieg vor allem in den letzten 50 Jahren relativ konstant an.

5.2.3.2 GEBÄUDE Beide, Cadin und Albion, sind Sennalpen und sind für die Käseproduktion ausgerüstet. Diese fand 1996 noch auf beiden Alpen statt (Lettieri et al. 1997). Da aber nur auf Cadin 1999 die notwendigen Anpassungen an die neuen Hygienevorschriften durchgeführt wurden, wird heute nur noch dort die Milch verarbeitet (Von Wyl, Interview 2010).

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Weiteren Angaben über die Entwicklung der Gebäude und deren Ausstattung wurden aus verschiedenen Quellen gefunden. Leider sind diese nicht lückenlos. Tabelle 10 stellt die Entwicklung der Anzahl Gebäude auf der Alp dar mit den jeweiligen Angaben über die Quellen.

TABELLE 10: ENTWICKLUNG DER GEBÄUDE AUF DER ALP CADIN/ALBION. Jahr/Quelle Cadin Albion Dufourkarte 1855 3 Gebäude 2 Gebäude Siegfriedkarte 1892 2 Gebäude 3 Gebäude 1902 1 Sennehütte 1 Sennehütte Alpwirtschaftlicher Verein 1902b, 1 Stall 1 Stall Alpwirtschaftlicher Verein 1902a 2 weitere Gebäude 5 kleine Ställe Siegfriedkarte 1916: 4 Gebäude 3 Gebäude 1 Kapelle Landeskarte 1962: 4 Gebäude 8 Gebäude, davon 2 länglich 1971 1 Sennhütte 1 Sennhütte BLW 1971b 1 Milchkeller (weitere Gebäude werden nicht 1 Käsekeller kommentiert) 1 Stall Landeskarte 1983 5 Gebäude 1 Kapelle 6 Gebäude, davon zwei länglich 1992 1 Sennhütte 1 Stall Archivdokument 1 Milchkeller 1 Kapelle 1 Käsekeller 1 Militärgebäude 1 Stall 3 weitere Gebäude 1994: 1 Sennhütte - Fotodokumentation Dario Fibbioli 1 Milchkeller (siehe Bild 47) 1 Käsekeller 1 Stall Landeskarte 2006 5 Gebäude 1 Kapelle 5 Gebäude, davon zwei länglich 2008: 1 Sennhütte - Fotodokumentation Dario Fibbioli 1 Milchkeller (siehe Bild 43) 1 Käsekeller 1 Stall 2009 - 1 Stall Fotodokumentation „società 1 Kapelle alpinistica bassa Blenio“ (siehe 1 Militärgebäude Bild 44) 3 weitere Gebäude

Wie Tabelle 10 darstellt, blieb die Gestaltung der Gebäude auf der Alp Cadin im 20. Jahrhundert konstant. Die Zahl der Gebäude auf Albion hat sich seit anfangs 20. Jahrhundert wenig verändert, es fehlen jedoch genaue Angaben über deren eventuelle Um- oder Erweiterungsbauten. Die Kapelle und das Militärgebäude stammen wahrscheinlich noch aus dem ersten Weltkrieg, als die Alp durch die Armee erschlossen wurde.

Der Zustand der Gebäude wurde während der Alpinspektion von 1902 auf Cadin als gut beurteilt, auf Albion hingegen als „primitiv“ und ungenügend (Alpwirtschaftlicher Verein 1902a, b). Die Aufnahmen von 1971 stellten fest, dass der Zustand der Gebäude auf beiden Alpen schlecht war. Schon damals wurde klar, dass sich Investitionen nur noch auf Cadin als Hauptstafel lohnten (BLW 1971b).

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Martin Von Wyl, bestätigte, dass er die Milchverarbeitung nur noch auf Cadin durchführt, wo die Anlagen 1999 renoviert wurden (Von Wyl, Interview 2010). Auf Albion ist nur noch der Stall brauchbar (Von Wyl, Interview 2010).

BILD 47: ALP CADIN VON WESTEN HER GESEHEN, VOR DER RENOVIERUNG. BILD VON DARIO FIBBIOLI, AUGUST 1994.

5.2.4 WEIDEFLÄCHE 5.2.4.1 FLÄCHENAUSDEHNUNG Angaben über die Grösse der Weideflächen wurden wenige gefunden. Wie oben erwähnt wurden anfangs des 20. Jahrhunderts Cadin und Albion noch als eigenständige Alpen verwaltet. Als dann die Alpen zusammen verwaltet wurden, verdoppelte sich die Weidefläche, welche dem Bewirtschafter zur Verfügung stand.

Tabelle 11 stellt die Entwicklung des Alpperimeters sowie der Weidefläche dar. Wo vorhanden, werden die Angaben über beide Alpen angegeben.

TABELLE 11: ENTWICKLUNG DES ALPPERIMETERS UND DER WEIDEFLÄCHE. Jahr Perimeter Weidefläche Prozent 1902: Cadin: 180 ha 65 ha 36% Alpwirtschaftlicher Albion: 190 ha 65 ha 34% Verein 1902a, b Total: 370 ha 130 ha 35% 1971: BLW 1971b Total: 276 ha 96 ha 35% 2010: ALG 2010 Total: 280 ha 100 ha 36%

Dabei ist noch zu beachten, dass die Waldweiden nicht in der Weidefläche berücksichtigt wurden: das Jungvieh wird heute auf einer Fläche von etwa 65 ha Waldweide gesömmert (Von Wyl, Interview 2010). Man kann aus Tabelle 11 herauslesen, dass sich vor allem zwischen 1902 und 1971 die Fläche verändert hat: der Alpperimeter sowie die Weidefläche nahmen etwa um 25% ab, der Anteil Weiden an der gesamte Alpfläche blieb jedoch während dem 20. Jahrhundert ungefähr konstant.

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5.2.4.2 WEIDEQUALITÄT Die Beurteilung der Qualität der Weiden blieb in den verschiedenen Quellen konstant. Die Alp Cadin wurde 1902 als fruchtbar aufgenommen. Die Ausdehnung der Waldfläche wurde bereits damals erwähnt (Alpwirtschaftlicher Verein 1902b), stellte aber noch kein Problem dar. Anders auf Albion, wo die Weiden, die schon wegen den natürlichen Bedingungen nicht sehr fruchtbar sind, durch die Ausdehnung der Waldfläche stark betroffen waren (Alpwirtschaftlicher Verein 1902a). Auch in den Aufnahmen des Alpkatasters sind diese Unterschiede erwähnt (BLW 1971b). Der ehemalige landwirtschaftliche Berater Carlo Succetti unterstützt diese Meinungen und schlägt in einem Brief an die Alpkommission der Gemeinde Roveredo vor, nur noch Cadin für die Milchproduktion intensiv zu nutzen und Albion hingegen durch Mutterkühe extensiv zu bestossen (Archivdokumente Roveredo, 1994).

5.2.5 GESÖMMERTE TIERE Auf den Alpen Cadin/Albion wurden in den letzten Jahren vor allem Milchziegen gesömmert, ein Umstand, der der Tradition der Bestossung dieser Alpen nicht entspricht. Tabelle 12 stellt die Quellen dar, welche für diese Analysen verwendet wurden, Bild 48 bis Bild 54 hingegen die Anzahl der gesömmerten Tiere

TABELLE 12: HERKUNFT DATEN FÜR DIE ANALYSE DER VERÄNDERUNG DER GESÖMMERTEN TIERE AUF DER ALP CADIN/ALBION. Jahr Quelle

1902 Alpwirtschaftlicher Verein 1902c 1916 Heft mit Angaben über die Alpen Cadin und Albion (Staatsarchiv Chur) 1943 Kriegsernährungsamt 1945c 1950,1951,1964 Archivdokumente Roveredo 1971 BLW 1971c 1979 Archivdokumente Roveredo 1980-2010 BLW 1991, ALG 1999, ALG 2010

Rindvieh auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

100 Tiere

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 48: GESÖMMERTES RINDVIEH AUF DER ALP CADIN/ALBION.

70

Die Tendenz in Bild 48 ist vor allem in den letzten 30 Jahren klar sinkend, was die lückenlose Verfügbarkeit der Daten bestätigt. Bestiess man die Alpen anfangs des 20. Jahrhunderts mit über 100 Rindvieheinheiten, waren es in den letzten Jahrzehnten jeweils weniger als 20. Dieser negativen Tendenz wirkten die Ziegen in den letzten Jahren entgegen (Bild 49). Ziegen waren bereits vor 100 Jahren auf Cadin/Albion. Heute werden zum Teil fast doppelt so viele gesömmert.

Ziegen auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

100 Tiere 50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 49: GESÖMMERTE ZIEGEN AUF DER ALP CADIN/ALBION.

Schafe spielten eigentlich nie eine Rolle, nur 1997 wurden etwa 60 gesömmert (Bild 50).

Schafe auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

Tiere 100

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 50: GESÖMMERTE SCHAFE AUF DER ALP CADIN/ALBION.

Die Entwicklung der Sömmerung von Milchkühen (Bild 51) entspricht derjenigen der Anzahl des Rindviehs allgemein (Bild 48). In 100 Jahren sanken die gesömmerten Milchkühe um etwa 75%. 2010 wurden keine Milchkühe gesömmert.

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Milchkühe auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

100 Tiere

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 51: GESÖMMERTE MILCHKÜHE AUF DER ALP CADIN/ALBION.

Mutterkühen wurden nur zwischen 1992 und 2000 für einige Jahre gesömmert. Dabei waren maximal 17 Mutterkühen (1998) auf der Alp (Bild 52).

Mutterkühe auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

Tiere 100

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 52: GESÖMMERTE MUTTERKÜHE AUF DER ALP CADIN/ALBION.

Jungvieh wurde während des letzten Jahrhunderts in einem gewissen Mass gesömmert. Seine Anzahl ist aber auch, vor allem in den letzten Jahren, sinkend (Bild 53).

Jungvieh auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 250

200

150

100 Tiere 50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 BILD 53: GESÖMMERTES JUNGVIEH AUF DER ALP CADIN/ALBION.

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Schweine und Pferde wurden auch ab und zu auf die Alp gebracht. Pferde wurden vor allem in den letzten 40 Jahren gesömmert. Schweine waren bereits anfangs des 20. Jahrhunderts auf der Alp; heute werden sie immer noch gesömmert, werden aber für die Sömmerungsbeiträge nicht aufgenommen.

Bild 54 stellt die Entwicklung der Normalstosszahl (NST) dar. Die Tendenz für die gesamte Untersuchungsperiode ist klar sinkend, mit einem Mindestwert im Jahr 1990. Die steigende Sömmerungsdauer und die relativ konstanten Grossvieheinheiten während den letzten 20 Jahren, deuten auf eine intensivere Nutzung der Alp.

Normalstösse auf der Alp Cadin/Albion zwischen 1902 und 2010 150

100 NST 50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000 Normalstösse GVE Sömmerungsdauer

BILD 54: VERÄNDERUNG DER STOSSZAHL, DER GROSSVIEHEINHEITEN UND DER SÖMMERUNGSDAUER AUF DER ALP CADIN/ALBION. Die Wirkung und Bedeutung von ausserkantonalem Vieh konnte aufgrund der wenigen gefundenen Angaben nicht beurteilt werden. In 1971 kamen alle gesömmerten Tiere von ausserhalb des Kantons (BLW 1971b).

5.2.6 ARBEITSKRÄFTE Daten über die Anzahl des auf der Alp tätigen Personals war in wenigen Quellen verfügbar. In 1902 wurden vier Personen pro Alp aufgenommen, 1951 hingegen fünf auf Cadin und vier auf Albion. Davon waren fünf aus Roveredo und vier aus Italien. Im Alpkataster wurden nur noch drei aufgenommen. 2010 waren nach Angaben von Martin Von Wyl nur noch zwei Personen auf der Alp tätig (Von Wyl, Interview 2010).

5.2.7 VERWALDUNG Die Verwaldung und Verbuschung ist für Cadin/Albion ein grosses Problem. Die Weideflächen befinden sich nämlich noch unterhalb der Waldgrenze und sind darum der Ausdehnung der Waldfläche ausgesetzt. Durch die oben beschriebenen Methoden (siehe Kapitel 3) wurde der Entwicklung der Waldfläche anhand von topographischen Karten nachgegangen.

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Auf Bild 55 ist die totale Waldfläche im Alpperimeter dargestellt. Die Waldfläche ist seit 1855 um etwa 15 Hektaren gestiegen. Dabei sank diese zwischen 1855 und 1875 um fast 40 Hektaren, stieg danach wieder an. Wenn man den grossen Anstieg zwischen 1933 (letzte Siegfriedkarte) und 1962 (erste Landeskarte) vernachlässigt, dann ergibt sich ein relativ konstantes Wachstum zwischen 1875 und 2006 (Bild 56).

Waldfläche im Perimeter der Alp Cadin/Albion zwischen 1855 und 2006 180 160 140 120 100

ha 80 60 40 20 0 1850 1900 1950 2000 BILD 55: VERÄNDERUNG DER TOTALEN WALDFLÄCHE IM PERIMETER DER ALP CADIN/ALBION.

Prozentuale Änderung der Waldfläche im Perimeter der Alp Cadin/Albion zwischen 1855 und 2006 40 30 20 10 0

% 1855-1875 1875-1892 1892-1916 1916-1933 1933-1962 1962-1983 1983-2006 -10 -20 -30 -40

BILD 56: PROZENTUALE VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE IM PERIMETER DER ALP CADIN/ALBION.

Auf Bild 57 ist die Veränderung der offenen und geschlossenen Wälder seit 1962 sichtbar. Die geschlossene Waldfläche stieg zuerst um etwa 15 Hektaren an, sank zwischen 1983 und 2006 wieder um den gleichen Wert. Die offene Waldfläche blieb hingegen zuerst einigermassen konstant, vergrösserte sich zwischen 1983 und 2006 aber um etwa 20 Hektaren.

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Waldfläche nach Kategorie im Perimeter der Alp Cadin/Albion zwischen 1962 und 2006 200

160 Offen

ha 120 Geschlossen 80

40

0 1962 1983 2006 BILD 57: WALDFLÄCHE JE NACH KATEGORIE AUF DER ALP CADIN/ALBION.

5.2.7.1 KONSTANZ DER WALDFLÄCHE Durch die oben beschriebenen Methoden (siehe Kapitel 3) sind die konstanten Waldflächen analysiert worden. Bild 58 stellt die Waldflächen dar welche seit 1855 bzw. 1962 immer als solche kariert wurden. Diese konstanten Flächen überschneiden sich vor allem im unteren (nördlichen) Teil des Alpperimeters, wo der Wald schon 1855 (siehe Anhang V) vorhanden war. Das Wachstum zwischen 1962 und heute ist vor allem der Ausdehnung der offenen Waldfläche zuzuschreiben.

BILD 58: WALDFLÄCHE DIE SEIT 1855 (LINKS) UND 1962 ALS SOLCHE KARTIERT WURDE. DTM-AV DOM-AV © 2011 SWISSTOPO.

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5.3 PORTRAIT ALP PIAN DOSS 5.3.1 EINFÜHRUNG Die Alp Pian Doss befindet sich im nördlichen Teil der Gemeinde Mesocco, etwa ein Kilometer südlich des Dorfes San Bernardino. Der Stafel ist auf einer Höhe von 1’731m.ü.M und die Weideflächen zwischen 1’650 und 1’800m.ü.M (BLW 1971a). Das Gelände ist auf der ganzen Alp relativ eben, bis auf die östlichen Hänge, welche die Weidefläche abgrenzen. Vernässte Flächen kommen um den Lagh de Pian Doss (Flachmoor von nationaler Bedeutung, SR 451.32 Anhang 1) und bei Pian Cales vor (siehe Bild 59). Die Wasserversorgung stellt im Alpperimeter kein Problem dar (BLW 1971a).

Die Alp ist dank einer Strasse, die bis zu den Alpgebäuden gelangt gut erschlossen. Im Vergleich zu den anderen analysierten Alpen ist sie auch weniger isoliert.

Das Besondere an dieser Alp ist vor allem, dass sie nicht im Besitz einer Gemeinde ist, sondern einer Genossenschaft gehört. Die Alpgebäude gehören nämlich der Genossenschaft "consorzio alpe Pian Dos", welche auch für die Pacht der Alp zuständig ist (Toscano, Interview 2010).

Die Alp gilt als eine der am besten erhaltenen und bewirtschaftbaren Kuhalpen des gesamtes Bezirks (Togni, Interview 2010). Sie hat somit eine überkommunale Bedeutung (BLW 1971a). Die Investitionen, die seit den 1940er Jahren in die Alp getätigt wurden, haben in diesem Sinne sicher geholfen. Heute bietet die Alp, abgesehen von Alpkäse von guter Qualität, welcher gut vermarktet werden kann, auch noch Agrotourismus, was für das Tal etwas Innovatives darstellt (Toscano, Interview 2010).

Die Alp ist auch das Untersuchungsgebiet des AlpFUTUR Teilprojekts „Qualität“, für welches auf dem Alpperimeter im Sommer 2010 Vegetationsaufnahmen sowie Heuschrecken- und Tagfalterbeobachtungen durchgeführt wurden. Die Vegetationsaufnahmen wurden teilweise für die auf dieser Alp durchgeführten Analysen, verwendet (siehe Kapitel 3.2.4).

Der Wald macht heute fast 40% des gesamten Alpperimeters aus. Er stellt damit eine gewisse Herausforderung für die Bewirtschaftung dar (Bild 60). Noch vielmehr ist es jedoch die Verbuschung, welche die Qualität der Weideflächen verringert (Toscano, Interview 2010).

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BILD 59: ALP PIAN DOSS AUF DER LK25 VON 2007 MIT BILD 60: ORTHOPHOTO VON 2005 DER ALP PIAN DEM HEUTIGEN PERIMETER. DOSS. LK25, DTM-AV DOM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSIMAGE, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO. SWISSTOPO.

5.3.2 EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Die Alp Pian Doss ist eine der wenigen Moesaner Alpen die nicht der öffentlichen Hand gehören. Besitzer der Gebäude und der Infrastruktur ist das „Consorzio Pian Dos“, welches auch zuständig für die Pacht ist. Die Alpfläche ist hingegen im Besitz der Bürgergemeinde Mesocco, wird jedoch durch die politische Gemeinde verwaltet (Toscano, Interview 2010). Allerdings sind beide, die politische sowie die Bürgergemeinde, Mitglieder der Genossenschaft (Consorzio Alpe Pian Dos 1969).

Die Alp war bis 1945 Eigentum der Bürgergemeinde Mesocco (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d), wurde aber von drei „bòggie“ verwaltet. Dabei handelt es sich um eine Gesellschaft von Bürgern, die das Nutzungsrecht der Alp haben (Lurà 2004). 1945 gründeten 24 bäuerliche Familien die Genossenschaft „Pian Dos“ und die dazugehörige “bògia“. Die Genossenschaft war zuständig für die Infrastruktur (Gebäude, technische Ausrüstung, Erschliessung) und die Investitionen. Die „bògia“, die ebenfalls die Familien der Genossenschaft repräsentierte, sorgte für die Betreuung des Viehs, sowie für die Aufteilung der Milch. Die Milchverarbeitung führte dann jede Bauernfamilie selbständig durch. Die Genossenschaft existiert heute noch. Die „bògia“ wurde 1991 aufgrund des Mangels an Bauern in Mesocco aufgelöst (Seghezzi, Interview 2010).

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Seit 1991 wird die Alp an Private verpachtet (BLW 1991, ALG 1999) welche meistens eigenes Vieh und solches von Dritten auf die Alp bringen. Die Pachtdauer beträgt sechs Jahre (Consorzio Alpe Pian Dos 2008).

Zur Alp Pian Doss gehört heute auch die Fläche der ehemaligen Alp Pinec (siehe Bild 59) welche bereits 1902 nicht mehr bestossen wurde (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d).

5.3.3 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 5.3.3.1 ERSCHLIESSUNG Die Erschliessung stellt heute für die Alp Pian Doss kein Problem mehr dar. Seit 1959 ist die Alp nämlich mit einer befahrbaren Strasse erschlossen (Archivdokumente Mesocco). Die Kosten der Strasse, welche unter anderem auch den „lido“ beim Lagh de Pian Doss erschliesst, wurden von der Gemeinde getragen. Die Binnenerschliessung im Alpperimeter erfolgt heute noch auf Saum- und Fusswegen, wobei dies aufgrund des ebenen Geländes keine Schwierigkeiten verursacht.

Die 1959 gebaute Strasse ist mit der Kantonstrasse Mesocco - San Bernardino verbunden, näherte somit die Alp mit Siedlungen an und ermöglicht auch eine einfachere touristische Nutzung der Region Pian Doss.

Die Alp ist auch direkt von San Bernardino zu Fuss erreichbar. Im Winter führt die Langlaufloipe durch den Alpperimeter und im nördlichen Teil wird zwischen dem Dorf San Bernardino und „Pian Cales“ ein Skilift und eine Skipiste unterhalten(Toscano, Interview 2010, siehe Anhang III).

Bild 61 und Bild 62 stellen die Veränderungen dar, die bei der Erschliessung der Alp stattgefunden haben.

Totale Strassenlänge auf der Alp Strassenlänge nach Klasse auf Pian Doss zwischen 1855 und der Alp Pian Doss zwischen 1855 2006 und 2006 16 20 14 4 5 6 10 12 15

10 km

km 8 10 6 4 5 2 0 0 1855 1872 1892 1910 1934 1948 1968 1983 2007 1850 1950 BILD 61: VERÄNDERUNG DER TOTALEN BILD 62: VERÄNDERUNG DER STRASSENLÄNGE NACH STRASSENLÄNGE IM PERIMETER DER ALP PIAN DOSS. STRASSENKLASSE IM PERIMETER PIAN DOSS.

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Wie in Bild 61 sichtbar ist, veränderte sich die totale Länge der Strassen während 100 Jahren wenig. Erst ab den 1980er Jahren stieg die Länge markant an und verdoppelte sich in Vergleich zu den 1970er Jahren. Dies ist vor allem auf den drastischen Ausbau der Wanderwege zurückzuführen, welcher zwischen den 1980er Jahren und heute erfolgt ist (siehe Bild 62). Bis in die 1950er Jahre gab es nur Wanderwege innerhalb der Alp, die auch nur so erreichbar war. In Bild 62 ist ab den 1960er Jahren auch der Skilift mit inbegriffen (Klasse 10, siehe auch Anhang III).

In der Umgebung der Alp hat sich während der Untersuchungsperiode wenig Relevantes in Bezug auf die Erschliessung der Alp verändert.

5.3.3.2 GEBÄUDE Die Geschichte der Gebäude auf Pian Doss ist, vor allem seit der Gründung der Genossenschaft, im Vergleich mit den gefundenen Informationen für die Alpen Cadin/Albion und Mem, gut dokumentiert. Alfredo Seghezzi erzählte, dass es auf der Alp vor 1945 fünf Sennhütten gab (Seghezzi, Interview 2010). Dies bestätigt die Kartographie der Dufourkarte (1855), was jedoch im Widerspruch zu den Siegfriedkarten (1872, 1892, 1916, 1933) steht, wo neun Gebäude dargestellt sind. Bei der Alpinspektion der Alp Pian Doss, waren es hingegen sieben Sennhütten und vier Ställe (Alpwirtschaftlicher Verein 1898). Vier Jahre später bei der Alpinspektion der „Alpen von San Bernardino“ stieg die Anzahl Ställe auf fünf (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d).

Bild 63 stellt die Alp Pian Doss dar, wahrscheinlich noch vor 1945: Man zählt im gesamten sieben Gebäude, dabei könnten jedoch weitere nicht sichtbar sein.

BILD 63: ALP PIAN DOSS WAHRSCHEINLICH VON PINEC AUFGENOMMEN, UNDATIERT. ARCHIVIO A MARCA, MESOCCO.

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Im landwirtschaftlichen Produktionskataster wird nur von der schlechten Qualität der Gebäude berichtet und dass 1942 eine neue Sennhütte gebaut wurde (Kriegsernährungsamt 1945a).

1947 wurde durch die Genossenschaft die neue Sennhütte gebaut und in den folgenden Jahren eine Wasserleitung gelegt. 1962 waren drei Gebäude auf der Alp: Die Sennhütte, der Saustall und ein weiteres Gebäude (Bild 64).

BILD 64: LUFTBILD DER ALP PIAN DOSS, 1962. BILD 65: LUFTBILD DER ALP PIAN DOSS, 1983. D.E. © 2011 SWISSTOPO. DER 1968 GEBAUTEN STALL IST SICHTBAR. D.E. © 2011 SWISSTOPO.

In 1968 wurde der neue Stall gebaut, welcher Platz für 72 Kühe bietet (Seghezzi, Interview 2010). Nach dem Alpkataster ist Pian Doss die am besten ausgerüstete Kuhalp des gesamtes Tales: Die Sennhütte mit Personalraum und Keller sowie der grossen Stall seien in gutem Zustand (BLW 1971a). Auf Bild 65 ist der neue Stall (links unten) sichtbar. 1986 wurde die Sennhütte, der Milchkeller, der Käsekeller und das Personalgebäude renoviert (Seghezzi, Interview 2010). Ein Jahr später wurde ein Güllesilo gebaut (Archivdokumente Mesocco).

Wegen der strengeren Umwelt- und Hygienevorschriften ab den 1990er Jahren, musste zuerst der Saustall anders platziert werden, da die Gülle direkt in den benachbarten See floss. 2005 musste die Sennhütte, die Melk- und Milchverarbeitungseinrichtungen und die Wasserleitung renoviert oder ersetzt werden. Dazu wurde noch ein neues Personalgebäude gebaut (Bild 67). Insgesamt wurden für diese Renovierung fast eine Million Franken investiert, die dank der Unterstützung von mehreren Institutionen, öffentlichen und privaten, möglich wurden (Seghezzi, Interview 2010).

80

BILD 66: LUFTBILD DER ALP PIAN DOSS, 2005. DAS NEUE PERSONALGEBÄUDE UND DAS GÜLLESILO (UNTERHALB VOM STALL) SIND SICHTBAR. SWISSIMAGE © 2011 SWISSTOPO.

BILD 67: DIE ALP PIAN DOSS NACH DER UMSTRUKTURIERUNG VON 2005, LINKS DAS NEUE PERSONALGEBÄUDE. FOTO VON HTTP- //PIANDOS.CH/FILES/IMAGES/PIANDOSS1 .PREVIEW.JPG.

81

5.3.4 WEIDEFLÄCHE 5.3.4.1 FLÄCHENAUSDEHNUNG Über die Flächenausdehnung der Alp sind diverse Daten vorhanden, sie sind jedoch schwer interpretierbar. Bild 68 stellt die gefundenen Angaben zusammen.

Alpperimeter und Weidefläche der Alp Pian Doss 800

600

400 ha 200

0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 Perimeter Weidefläche

BILD 68: VERÄNDERUNG DER FLÄCHE DES ALPPERIMETERS UND DER WEIDEN AUF PIAN DOSS. HERKUNFT DER ANGABEN: 1898, ALPWIRTSCHAFTLICHER VEREIN 1898; 1941, KRIEGSERNÄHRUNGSAMT 1945A; 1971, BLW 1971A; 1986, ARCHIVDOKUMENTE MESOCCO; 1989, DIETL UND ELMER 1989; 2010, TOSCANO, INTERVIEW 2010 FÜR PERIMETER, ALG 2010 FÜR WEIDEFLÄCHE.

Die Perimeter der Jahre 1941 und 1971 enthalten Flächen gegen Osten, die nie bewirtschaftet wurden (Toscano, Interview 2010). Wenn man die Daten von 1941 nicht berücksichtigt, kann ein abnehmender Trend festgestellt werden. Vor allem die Weidefläche hat in 70 Jahren um etwa 260ha abgenommen! In den Jahren 1971 bis 2010 haben sich hingegen Perimeter und Weidefläche parallel entwickelt. Bild 69 bis Bild 72 stellen die verschiedene Perimeter und Weideflächen jeweils dar.

82

BILD 69: PERIMETER DER ALP PIAN DOSS, 1941, WIE BILD 70: PERIMETER UND WEIDEFLÄCHE DER ALP AUF DEM LANDWIRTSCHAFTLICHEN PIAN DOSS, 1971, WIE IM ALPKATASTER PRODUKTIONSKATASTER DARGESTELLT. DARGESTELLT. DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO. DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

BILD 71: PERIMETER UND WEIDE DER ALP PIAN DOSS, BILD 72: PERIMETER DER ALP PIAN DOSS GEZEICHNET 1996 BZW. 1989. VON ALBERTO TOSCANO. PERIMETER AUS EINEM ARCHIVDOKUMENT IN DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO. MESOCCO. WEIDEFLÄCHE AUS NUTZUNGSPLAN PIAN DOSS. DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

83

5.3.4.2 WEIDEQUALITÄT Die Alp Pian Doss wird von vielen Quellen für ihre Qualität gelobt. 1902 wird die gesamte Region als gut produktiv bewertet (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d). Im landwirtschaftlichen Produktionskataster wird berichtet, dass das höchstgelegene Kartoffelfeld sich bei Pian Doss befindet; die Wiesen werden aber weder geschnitten noch gegüllt, was zur Ausdehnung der Verbuschung geführt hat (Kriegsernährungsamt 1945a). Gemäss der Aufnahmen des Alpkatasters ist das Graswachstum gut, könnte aber mit der Düngung der Weiden noch verbessert werden (BLW 1971a). Der Nutzungsplan von 1989 wiederholt diese Punkte: Mit einer richtig eingesetzten Düngung könnte man die Qualität und Produktivität der Alp steigern. Eine Bekämpfung der Verbuschung wäre an manchen Orten notwendig für die Erhaltung von wertvollen Weideflächen. Dazu wäre eine Wald-Weide-Abgrenzung sinnvoll, da die bewaldete Flächen nicht mehr beweidet werden können (Dietl und Elmer 1989). Heute wird die Alp gegüllt und, wo möglich, mechanisch entbuscht (Toscano, Interview 2010)

5.3.5 GESÖMMERTE TIERE Die Entwicklung des gesömmerten Viehs auf der Alp Pian Doss wurde aufgrund der in Tabelle 13 dargestellten Quellen analysiert.

TABELLE 13: HERKUNFT DATEN FÜR DIE ANALYSE DER VERÄNDERUNG DER GESÖMMERTEN TIERE AUF DER ALP PIAN DOSS. Jahr Quelle 1902 Alpwirtschaftlicher Verein 1898, 1902d 1916 Heft mit Angaben über die Alp Pian Doss (Staatsarchiv Chur) 1940-43 Kriegsernährungsamt 1945a 1951-1958 Archivdokumente Mesocco 1971 BLW 1971a 1980-2010 BLW 1991, ALG 1999, 2010

Nach den gefundenen Angaben wurde auf Pian Doss praktisch nur Rindvieh gesömmert, also keine Ziegen oder Schafe. Die Zahl der Normalstösse blieb über die gesamte Beobachtungszeit einigermassen konstant, schwankte aber zum Teil stark (z.B. in den Jahren 1940-42, siehe Bild 73). In den letzten zehn Jahren kann man eine leicht steigende Tendenz erkennen.

84

Rindvieh auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 160 140 120 100 80 Tiere 60 40 20 0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010

BILD 73: GESÖMMERTES RINDVIEH AUF DER ALP PIAN DOSS.

Milchkühe machen auf Pian Doss den grössten Anteil an Rindvieheinheiten aus. Diese Dominanz ist einerseits mit der guten Qualität der Weiden und anderseits mehreren Investitionen in die Milchwirtschaft auf der Alp zu erklären (Toscano, Interview 2010). Die Anzahl blieb in den letzten 100 Jahren einigermassen konstant, ausser in den 1950er Jahren, wo ein Tiefpunkt erreicht wurde (Bild 74). Die heutige Anzahl entspricht den Aufnahmen von Anfang des 20. Jahrhunderts.

Milchkühe auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 120 100 80 60 Tiere 40 20 0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 BILD 74: GESÖMMERTE MILCHKÜHE AUF DER ALP PIAN DOSS.

Weiteres Rindvieh, wie Galtkühe (Bild 75), Mutterkühe (Bild 76) und Jungvieh (Bild 77), wurde nur ab den 1980er Jahren sporadisch und in beschränkten Mengen auf Pian Doss gesömmert.

85

Galtkühe auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 120

100

80

60

Tiere 40

20

0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010

BILD 75: GESÖMMERTE GALTKÜHE AUF DER ALP PIAN DOSS.

Mutterkühe auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 120

100

80

60 Tiere 40

20

0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 BILD 76: GESÖMMERTE MUTTERKÜHE AUF DER ALP PIAN DOSS.

Jungvieh auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 120

100

80

60 Tiere 40

20

0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 BILD 77: GESÖMMERTES JUNGVIEH AUF DER ALP PIAN DOSS.

Nebst Rindvieh wurden zum Teil auch Schweine und Pferde (vor allem in den letzten 25 Jahren) gesömmert. Schweine werden noch heute gesömmert. Sie werden jedoch nicht in den Zählungen der Sömmerungsbeiträge erfasst. 2010 waren 60 Schweine auf der Alp (Toscano, Interview, 2010).

86

Die Tendenz der Stosszahl auf Pian Doss scheint, vor allem für die letzten 40 Jahre, steigend zu sein. Gegenüber anfangs des 20. Jahrhunderts ist die Stosszahl um etwa 20% gestiegen. Dies könnte mehr an der längeren Sömmerungsdauer liegen (grüne Dreiecke) als der Anzahl der gesömmerten Tiere (rote Quadrate, Bild 78).

Normalstösse auf der Alp Pian Doss zwischen 1898 und 2010 120 100 80 60 NST 40 20 0 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010 Stosszahl GVE Sömmerungsdauer

BILD 78: VERÄNDERUNG DER STOSSZAHL, DER GROSSVIEHEINHEITEN UND DER SÖMMERUNGSDAUER AUF DER ALP PIAN DOSS.

Die Bestossung von ausserkantonalem Vieh nahm auf Pian Doss in den letzten 40 Jahren zu. Kam 1971 ein Drittel der Tiere von anderen Kantonen (BLW 1971a), waren es 2010 zwei Drittel (Toscano, Interview 2010).

5.3.6 ARBEITSKRÄFTE Nach den Alpinspektion waren 1898 zwei Männer und sechs Frauen auf der Alp tätig. 1958 wurde nur noch eine Person (Käser aus Mesocco) auf der Alp erwähnt (Archivdokument Mesocco). Die Aufnahmen des Alpkatasters ergaben allerdings drei auf der Alp tätige Männer (BLW 1971a). Ab 2006 waren es hingegen zwei Frauen (Käserinnen) und zwei Männer (Hirten, Toscano, Interview 2010, Consorzio Alpe Pian Dos. 2007). Die Arbeiter auf der Alp waren bis etwa in die 1950er Jahre noch alle vom Dorf oder der Region (Seghezzi, Interview 2010). Später waren vor allem Veltliner Hirten auf der Alp tätig, die heute aber wegen der zu hohen Lohnforderungen durch Südtiroler ersetzt wurden (Toscano, Interview 2010). Aus der Schweiz findet man kaum noch ausgebildete Leute für den Sommer auf der Alp. Hingegen gibt es in den letzten Jahren vermehrt junge Leute aus dem deutschsprachigen Raum, die als neue Erfahrung einen Sommer auf der Alp verbringen möchten. Sie verursachen jedoch oft Probleme, da sie keine alpwirtschaftliche Ausbildung haben und wegen der intensiven Arbeitsbelastung während der laufenden Saison kündigen (Seghezzi, Toscano, Interveiw 2010).

87

5.3.7 VERWALDUNG Wald war schon 1850 im Alpperimeter vorhanden (siehe Anhang VI), für die Erheber der Alpinspektionen durch das nahe Vorhandensein von Holz für die Bewirtschaftung der Alpen (Brennholz und Bauholz) als positiv bewertet wurde (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d). 1989 wurde eine Wald-Weide Abgrenzung im Alpperimeter vorgeschlagen (Dietl und Elmer 1989), welche aber nie durchgeführt wurde (Toscano, Interview 2010). Heute werden die Weiden im Wald extensiv genutzt (Toscano, Interview 2010).

Auf Bild 79 ist die Entwicklung der Waldfläche im Alpperimeter dargestellt. Der Wald dehnte sich in 150 Jahren um 20 Hektaren aus. Die prozentuale Änderung unterlag jedoch Abweichungen (siehe auch Bild 80): Zwischen 1892 und 1910 (zwei nacheinander folgenden Siegfriedkarten) stieg der Wald um mehr als 30 Hektaren. Zwischen 1932 (letzte Siegfriedkarte) und 1948 (erste Landeskarte) sank der Waldanteil wieder bis er dann ab 1983 wieder zunahm. Zwischen 1983 und 2006 hat die Waldfläche um 20 Hektaren zugenommen.

Waldfläche im Perimeter der Alp Pian Doss zwischen 1855 und 2006

120

100

80

60 ha 40

20

0 1850 1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2010

BILD 79: ABSOLUTE VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE IM PERIMETER DER ALP PIAN DOSS.

Protenzuale Änderung der Waldfläche im Perimeter der Alp Pian Doss zwischen 1855 und 2006 60 50 40 30 % 20 10 0 1855-1872 1872-1892 1892-1910 1910-1935 1935-1948 1948-1968 1968-1983 1983-2006 -10 -20

BILD 80: PROZENTUALE VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE IM PERIMETER DER ALP PIAN DOSS.

88

Die drastische Zunahme in den letzten 30 Jahren ist vor allem auf die Ausdehnung der offenen Waldflächen zurückzuführen (siehe Bild 81). Zwischen 1948 und 1983 blieb diese einigermassen konstant, während die gesamte Waldfläche leicht zurückging. Ab 1983 stieg sie um 30 Hektaren an (siehe auch Anhang VI).

Waldfläche nach Kategorie im Perimeter der Alp Pian Doss zwischen 1948 und 2006 120

100

80

60 ha Offen 40 Geschlossen

20

0 1948 1968 1983 2006

BILD 81: WALDFLÄCHE NACH KATEGORIE AUF DER ALP PIAN DOSS.

5.3.7.1 KONSTANZ DER WALDFLÄCHE. Die Waldflächen die seit 1850 bzw. 1949 als solche aufgenommen wurden sind auf Bild 82 dargestellt. Vor allem der Wald westlich der Alp und diejenige östlich des Sees bestehen schon seit 1850. Der seit 1949 gewachsene Wald war 2006 vor allem als offener Wald dargestellt. Der Wald hat sich überall auf der Alp ungefähr gleich stark ausgedehnt.

89

BILD 82: WALDFLÄCHEN IM PERIMETER DER ALP PIAN DOSS DIE ALS SOLCHE SEIT 1850 (LINKS) UND 1949 (RECHTS) AUF DEN TOPOGRAPHISCHEN LANDESKARTEN AUFGENOMMEN WURDEN. DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

5.3.8 VERBUSCHUNG

Anfangs Jahrhundert wurde bereits die Bekämpfung der Verbuschung auf den Alpweiden von Pian Doss vorgeschlagen (Alpwirtschaftlicher Verein 1902d). In den 1940er Jahren war dies als eine notwendige Massnahme erkannt worden (Kriegsernährungsamt 1945a). War 1971 die Verbuschung kein Thema mehr, wurde sie aber im Nutzungsplan von 1989 wieder erwähnt. Dabei wurde speziell auf die Wichtigkeit der Rodung von Jungfichten hingewiesen (Dietl und Elmer 1989). In den letzten Jahren wurden Massnahmen gegen die Verbuschung unternommen. Mehrere Flächen wurden mit einem Schlegelmäher befahren und von Jungwuchs und Sträuchern befreit. Somit wurden die Flächen wieder beweidbar gemacht (Toscano, Interview 2010).

Die Analyse über die Ausdehnung der Verbuschung wurde speziell auf der Alp Pian Doss ausgeführt. Anhand von Luftbildern werden die Zeiträume zwischen 1962 und 1983 und zwischen 1983 und 2006 analysiert. Die Digitalisierung der Verbuschung wurde auf vierzehn Probeflächen (30x30m Quadrate) des AlpFUTUR Teilprojekts „Qualität“ auf Pian Doss durchgeführt (siehe Bild 83).

90

BILD 83: FÜR DIE ENTWICKLUNG DER VERBUSCHUNG ANALYSIERTE FLÄCHEN. DTM-AV, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO.

Bei acht Probeflächen stieg die verbuschte Fläche während der ganzen Untersuchungsperiode an. Bei vier stieg diese nur im ersten Zeitraum und bei einer nur im zweiten an. Bei einer Probefläche konnte ein Rückgang der Verbuschung während beiden Zeiträume festgestellt werden (siehe Bild 84).

Ausdehnung der verbuschten Flächen auf der Alp PIan Doss je nach Aufnahmequadrat und Jahr 1000 900 800 700 600 m2 500 400 300 200 100 0 1234567891011121314 1962 1983 2005

BILD 84: VERBUSCHTE FLÄCHEN AUF DER ALP PIAN DOSS INNERHALB DER AUFNAHMENQUADRATE JE NACH JAHR.

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Die Quadrate 1, 2, 5 und 6 weisen im zweiten Zeitraum eine Verminderung der Verbuschung auf. Sie stehen nämlich auf den Flächen, wo Alberto Toscano in den letzten Jahren die Verbuschung bekämpft hat (Interview 2010). In den Flächen 12 und 14 hat sich im zweitem Zeitraum die Verbuschung stark ausgedehnt. Diese Flächen befinden sich in einem Schotterkegel der in den letzten Jahren nicht mehr beweidet wurde; das Vieh hat allerdings noch Zugang, findet jedoch mit zunehmender Verbuschung weniger Futter und bleibt darum auch nicht lange (Toscano, Interview 2010). Die Veränderungen sind auch auf Bild 85 sichtbar. Bei den Quadraten 8 und 14 konnte die grössten Zuname festgestellt werden. Beide befinden sich am Rand des Alpperimeters und auf einem Schuttkegel. Im Quadrat 8 stieg die verbuschte Fläche im ersten Zeitraum um etwa 130%, im zweiten dann um 50%. Im Quadrat 14 stieg sie zuerst um etwa ein Drittel, im zweiten Zeitraum aber um 95%. Im Quadrat 3 sank die verbuschte Fläche im ersten Zeitraum um fast die Hälfte, stieg im zweiten jedoch wieder um 80%. Diese Fläche befindet sich in der Nähe des Quadrates 8, ist aber nicht so abgelegen.

Die mittlere Veränderung der Verbuschung über alle analysierten Flächen beträgt für den ersten Zeitraum 22.6%, für den Zweiten hingegen -0.6%. Wenn man aber im zweiten Zeitraum die Flächen, die geräumt wurden weglässt, dann beträgt die mittlere Veränderung 30.8%. Zwischen 1962 und 2005 hat die Verbuschung in den analysierten Flächen um 11% bzw. 26.7% (ohne die Flächen 1, 2, 5 und 6) zugenommen.

Veränderung der Ausdehnung der verbuschten Flächen je nach Untersuchungsquadrat und Zeitraum 300

250

200

150

100

50 Delta (%) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 -50

-100

-150 1962->1983 1983->2005

BILD 85: PROZENTUALE VERÄNDERUNG IN DEN PROBEFLÄCHEN AUF DER ALP PIAN DOSS IM ERSTEN (BLAU) UND ZWEITEN (ROT) ZEITRAUM.

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6 VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER REGION OBWALDEN UND MOESA ANHAND VON ZWEI AUSGESUCHTE ALPEN

6.1 EINLEITUNG 6.1.1 AUSGANGSLAGE Die Masterarbeiten von Priska Müller und Fabio Crivelli wurden beide im Rahmen des Verbundprojekts AlpFUTUR in den Fallstudienregionen Obwalden und Moesa durchgeführt. Beide Arbeiten untersuchen die Entwicklung der Alpwirtschaft in diesen Gebieten seit 1880 auf jeweils drei ausgewählten Einzelalpen. Damit stellen sie eine Art Vorstudie für das Teilprojekt AlpPast dar, das eine Analyse über die Entwicklung der Alpwirtschaft in allen sechs Fallstudienregionen des Projekts AlpFutur der Schweiz durchführen wird.

In diesem Kapitel sollen die in den beiden Fallstudienregionen festgestellten Entwicklungen miteinander verglichen werden.

6.1.2 WAS WIRD VERGLICHEN? Von den drei untersuchten Alpen je Fallstudienregion wurde für einen Vergleich jeweils eine Alpeinheit ausgewählt, bei denen die beste Quellengrundlage vorhanden war. Es handelt sich dabei um die Alpen Pian Doss (Gemeinde Mesocco) und Jänzimatt (Gemeinde Giswil).

Diese zwei Alpen wurden miteinander verglichen und folgende Fragen beantwortet: • Wie veränderte sich die Bewaldung der Alpgebiete? • Wie veränderten sich die Erschliessungsmöglichkeiten? • Wie veränderten sich Art und Anzahl der gesömmerten Tiere? • Wie haben sich die Nutzungs- und Eigentumsverhältnisse auf den Alpen verändert?

Die vergleichende Betrachtung basiert auf den Erkenntnissen, welche während dem Schreiben der zwei Masterarbeiten gesammelt wurden. Im ersten Abschnitt werden die Alpen Pian Doss und Jänzimatt vorgestellt. Anschliessend werden die Veränderungen der Waldfläche, der Strassenlänge, der Bestossung sowie die Nutzungs- und Besitzverhältnisse einander gegenübergestellt. Anschliessend werden die Ursachsen beschrieben, die zu diesen Veränderungen geführt haben.

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6.1.3 REPRÄSENTATIVITÄT DER ALPEN FÜR DIE ZUGEHÖRIGEN REGIONEN Pian Doss und Jänzimatt weisen beide ideale natürliche Voraussetzungen für die Alpwirtschaft mit hoher Weidequalität auf. Dadurch können sie intensiv mit Milchkühen bestossen werden. Beide Alpen besitzen zudem moderne Infrastrukturen und sie waren bereits früh mit Strassen vom Tal her erschlossen. Auf der Alp Pian Doss wurde Ende der 1980er Jahre viel investiert, um die Weidequalität und Infrastruktur zu verbessern. Auf der Alp Jänzimatt wurde Anfang der 1970er Jahre ein umfassendes Alpverbesserungsprojekt durchgeführt, das die Weidequalität und den Ertrag steigerte.

Beide Alpen sind für die Region bedeutend, aber nicht repräsentativ. In der Region Moesa gibt es keine vergleichbare Alp, die so intensiv genutzt wird wie Pian Doss. Als typische Kuhalp ist auch Jänzimatt für den Kanton Obwalden nicht repräsentativ, denn nur 20% aller Obwaldner Alpen werden als Kuhalpen bewirtschaftet.

Beide Alpen werden intensiv genutzt und zeigen keinen Rückgang der Bestossung, wie es sonst allgemein in der Schweiz beobachtet wird (Baur et al. 2007). Der Vergleich soll daher nebst den Unterschieden und Gemeinsamkeiten in den Landnutzungsveränderungen aufzeigen, weshalb diese zwei ausgewählten Beispiele entgegen den schweizerischen Tendenzen so gut funktionieren.

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6.2 ALPPORTRAIT 6.2.1 PIAN DOSS Die Alp Pian Doss befindet sich in der Gemeinde Mesocco in der Nähe des Dorfes San Bernardino auf einer Höhe von 1730 m.ü.M. Der gesamten Perimeter deckt eine Fläche von etwa 260 ha ab und liegt zwischen 1650 und 1800 m.ü.M. Die Alp wird durch einen einzigen Stafel bewirtschaftet. Die Topographie des Gebietes ist relativ eben, was die Bewirtschaftung der Alp vereinfacht. Die mineralische Grundlage, der tiefgründige Boden und die hohe Verfügbarkeit an Wasser machen aus Pian Doss eine produktive Alp. Die Weidefläche ist etwa 100 ha gross und die Sömmerungsdauer beträgt gut 100 Tage. Das Land von Pian Doss gehört der Bürgergemeinde, wird aber durch die BILD 86: DIE ALP PIAN DOSS AUF DER LK25 VON 2007. politische Gemeinde verwaltet. DTM-AV, PIXMAPS, SWISSNAMES © 2011 SWISSTOPO. Nutzungsrecht an diesem Land hat die Genossenschaft „Pian Dos“, welche Eigentümerin der Infrastruktur auf der Alp ist. Die Genossenschaft verpachtet die Alp an einen einziger Pächter, welcher die Alp bewirtschaftet. 2010 wurde die Alp mit 90 Milchkühen und 11 Jungvieheinheiten bestossen was etwa 100 NST entspricht.

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6.2.2 JÄNZIMATT Die Alp Jänzimatt liegt im Westen der Gemeinde Giswil. Jänzimatt besteht aus zwei Stafeln, der Voralp Jänzimatt und der Hochalp Fontanen. Die Alp wird mit drei Sennten, die jeweils eine Hütte bewirtschaften, während rund 110-115 Tagen im Jahr genutzt. Den drei Sennten ist jeweils ein Drittel der Alpfläche zugewiesen, die sie unabhängig voneinander nutzen.

Die Alpfläche, mit einer Ausdehnung von 181 Hektaren, befindet sich in einer nach Südwesten ausgerichteten Lage. Die Weiden der Voralp Jänzimatt sind im mittleren Teil flach und für das Vieh einfach beweidbar. Gegen den Alpbogler-Berg und die Jänzimatter- Zyflucht hin werden sie jedoch steiler BILD 87: DIE ALP JÄNZIMATT AUF DER LK25 VON 2006. und nur noch vom Jungvieh genutzt. Die PIXMAPS © 2011 SWISSTOPO. Flächen der Voralp reichen von 1420 m.ü.M bis auf 1700 m.ü.M, jene der Hochalp Fontanen von 1680 m.ü.M bis auf 1900 m.ü.M. Das Klima und die geologischen Verhältnisse begünstigen eine gutgräsige Vegetation. Die Eigentümerin der Alp Jänzimatt ist die Teilsame Kleinteil, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die Mitglieder der Teilsame Kleinteil, die Teiler, dürfen nach bestimmten Grundsätzen ihr Vieh auf der Alp sömmern. Im Jahr 2010 wurde die Alp mit 146 NST bestossen.

6.3 VERÄNDERUNGEN IN DER BODENBEDECKUNG UND LANDNUTZUNG DER ALPEN PIAN DOSS UND JÄNZIMATT 6.3.1 WALD Pian Doss: Der Wald nahm innerhalb des Alpperimeters während der Untersuchungsperiode zuerst ab und später wieder zu. Die heutige Ausdehnung entspricht derjenigen von anfangs des 20. Jahrhunderts. In den letzten 15 Jahren war eine grosse Zunahme zu beobachten. Heute deckt die Waldfläche 100 Hektaren ab, was etwa 40% des Alpperimeters entspricht.

Jänzimatt: Die Waldfläche hat sich im Untersuchungszeitraum von anfänglich 13.8 Hektaren im Jahr 1894 auf 22.6 Hektaren im Jahr 2006 erhöht. Die Zunahme erfolgte vorwiegend in den offenen Waldflächen. Die grösste Veränderungsrate ist in den letzten 20 Jahren zu beobachten. Heute beträgt der Waldanteil am gesamten Alpgebiet 12%.

96

Auf Bild 88 sind die Veränderungen der Waldfläche dargestellt. Da sich die Waldausdehnung auf den beiden stark unterscheidet wurde die Waldfläche auf den Zustand von 2006 (aktuellste Landeskarte) indexiert.

Indexierte Waldfläche in den Perimetern der Alpen Jänzimatt und Pian Doss während des 20. Jahrhunderts Jänzimatt Pian Doss 120

100

80%

60

40

20

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 88: INDEXIERTE VERÄNDERUNG DER WALDFLÄCHE INNERHALB DER ALPPERIMETER JÄNZIMATT UND PIAN DOSS BEZOGEN AUF DIE WALDFLÄCHE VON 2006.

6.3.2 STRASSEN Pian Doss: Innerhalb des Alpperimeters stieg die totale Länge an Erschliessungsmöglichkeiten während der gesamten Untersuchungsperiode an. Im Vergleich zu anfangs Jahrhundert ist die Strassenlänge von fünf auf rund 15 Kilometer angestiegen. Die grösste Zunahme fand in den letzten 15 Jahren statt.

Pian Doss, die auch ohne Strasse von San Bernardino her relativ gut erschlossen ist, kann seit 1959 mit einer Strasse 4. Klasse erreicht werden. Die Binnenerschliessung der Alp erfolgt auf Fuss- und Feldwegen.

Jänzimatt: Die Strassenlänge hat innerhalb des Alpperimeters im Untersuchungszeitraum stetig zugenommen. Sie beträgt heute rund 10 Kilometer. Die grösste Zunahme erfolgte zwischen 1960 und 1980. Seit 1980 ist die Strassenlänge kaum mehr angestiegen, da bereits alle Hütten der Jänzimatt und der Hochalp Fontanen erschlossen sind.

Seit Mitte der 60er Jahre ist die Alp Jänzimatt vom Tal mit einer Strasse der Klasse 2 erreichbar.

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Totale Strassenlänge in den Perimeter der Alpen Jänzimatt und Pian Doss während des 20. Jahrhunderts Jänzimatt Pian Doss 16

12

8 km

4

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 89: VERÄNDERUNG DER TOTALEN STRASSENLÄNGE INNERHALB DER ALPPERIMETER VON PIAN DOSS UND JÄNZIMATT.

6.3.3 BESTOSSUNG Pian Doss ist eine Sennalp und wird dementsprechend auch genutzt und bestossen. Die Normalstösse veränderten sich jedoch im Laufe des Untersuchungszeitraumes. 1940 stieg der Besatz auf etwa 80 NST, sank dann in den 60er Jahre auf 50 NST und stagnierte auf diesem Wert bis anfangs der 80er Jahren. Seither stiegen die NST wieder an und entsprechen heute dem festgelegten Normalbesatz von 93 NST.

Jänzimatt ist eine intensiv genutzte Alp und wird vorwiegend mit Kühen bestossen. Zwischen 1900 und 1970 betrug die Bestossung rund 100 NST. Anfang der 70er Jahre wurde ein umfassendes Alpverbesserungsprojekt durchgeführt. Dabei wurden die Weiden in Schläge unterteilt (Umtriebsweide), die Herden getrennt (Kühe, Rinder) sowie die Weideflächen mittels Kunstdünger melioriert. Diese Massnahmen führten dazu, dass die Alp seither mit bis zu 50 NST höher bestossen werden kann. Heute beträgt die Bestossung 140-150 NST.

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Normalstösse auf der Alpen Jänzimatt und Pian Doss während des 20. Jahrhunderts Jänzimatt Pian Doss 200

150

100 NST

50

0 1900 1920 1940 1960 1980 2000

BILD 90: VERÄNDERUNG DER NORMALSTÖSSE AUF DER ALP JÄNZIMATT UND PIAN DOSS.

6.3.4 NUTZUNGS- UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Pian Doss: Die Alp Pian Doss wurde bis 1945 von einigen Bauernfamilien von Mesocco bewirtschaftet. Diese hüteten selber ihr Vieh und verarbeiteten unabhängig von einander die Milch. Ab 1945 wurden die Genossenschaft sowie die „Bògia“ Pian Doss gegründet. Die erste war für die Infrastruktur der Alp zuständig, die zweite für das Hüten der Tiere auf der Alp sowie für die Aufteilung des Käses. Das Consorzio existiert heute noch, die „Bògia“ musste hingen 1992 wegen mangelnder Anzahl landwirtschaftlicher Betreibe in Mesocco aufgehoben werden. Seither verpachtet die Genossenschaft die Alp. Ein Pächter bewirtschaftet diese während der Vertragsdauer. Wegen dem Mangel an lokalem Vieh stammt heute nur noch ein Drittel der gesömmerten Tiere aus der Region. Der Rest kommt beispielweise aus den Kantonen St. Gallen und Zürich.

Jänzimatt: Die Alp Jänzimatt gehört der Teilsame Kleinteil. Bewirtschaftet wird die Alp von den Mitgliedern (Teilern) der Teilsame Kleinteil. Jeder Teiler hat das Recht eine gewisse Anzahl Vieh zu sömmern. Da die meisten Alpen höher bestossen werden können, als ein Bauer alleine Nutzungsrecht hat, bilden sie Bauernsamen, auch Alpenzüge genannt. Seit den 50er Jahren hat sich die Anzahl Bauern, die eine Bauernsame bilden, von etwa sechs auf zwei verkleinert. Die Regelung der Nutzungsverhältnisse hingegen hat sich innerhalb des untersuchten Zeitraums nur geringfügig geändert. Auch heute noch kann die Alp Jänzimatt vollständig mit dem Vieh der Teiler der Teilsame Kleinteil bestossen werden.

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6.4 MÖGLICHE URSACHEN, DIE ZU VERÄNDERUNGEN AUF DEN ZWEI UNTERSUCHTEN ALPEN GEFÜHRT HABEN 6.4.1 ENTWICKLUNG DER WALDFLÄCHE Die zwei untersuchten Alpen weisen heute unterschiedliche Anteile von Wald an der gesamten Alpfläche auf. Bei Pian Doss beträgt der Waldanteil 40% bei Jänzimatt lediglich 12%. Dieser markanten Unterschied liegt vor allem daran, dass auf Pian Doss, obwohl vorgeschlagen, keine Wald-Weide Ausscheidung durchgeführt wurde. Auf Jänzimatt wurde diese Ausscheidung Anfang der 70er Jahre als Massnahme des Alpverbesserungsprojekts durchgeführt. Der Alpperimeter Pian Doss beinhaltet somit eine relativ grosse Fläche Wald, auf Jänzimatt dagegen umfasst der Perimeter praktisch nur die beweidbaren Flächen.

Die Waldfläche hat bei beiden Alpen hauptsächlich in den letzten 15-20 Jahren im offenen Wald zugenommen. Dies bestätigt die allgemeine Tendenz der Waldflächenzunahme im Alpenraum der Schweiz (Gellrich 2006). Obwohl die beiden Alpen intensiv genutzt werden, gibt es Flächen die vom Waldeinwuchs betroffen sind. Dies kann mit der Tendenz zur dualen Entwicklung der Nutzungsintensität erklärt werden. Einerseits werden ertragsreiche und gut erschlossenen Flächen intensiver bewirtschaftet, anderseits werden Grenzertragslagen extensiver genutzt oder aufgegeben. Dies führt zur Verbuschung oder Wiederbewaldung von ehemals alpwirtschaftlich genutzten Flächen (Baur et al. 2007).

6.4.2 ENTWICKLUNG DER STRASSENLÄNGE Im Vergleich zu anderen Alpen der entsprechenden Regionen wurden beide schon früh mit Strassen erschlossen. Wegen der guten Erschliessung und der teilweise ebenen Alpflächen konnten Maschinen für die Bewirtschaftung verwendet und somit eine intensivere Nutzung erreicht werden (Pezzati 2001). Die Zunahme an Erschliessungsmöglichkeiten innerhalb des Alpperimeters kann durch eine erhöhte maschinelle Nutzung erklärt werden. Auf Pian Doss wurde zum Beispiel die Verbuschung bekämpft oder der Dünger maschinell ausgebracht, auf Jänzimatt die Weiden teilweise mit Maschinen bearbeitet. Auf Pian Doss kann der hohe Anstieg an Erschliessungsmöglichkeiten in den letzten 15 Jahren auf eine höhere touristische Nutzung der Region zurückgeführt werden.

6.4.3 ENTWICKLUNG DER NORMALSTÖSSE Die Höhe der Normalstösse ist heute bei beiden Alpen über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet am grössten. Die Erhöhung der Bestossung auf Jänzimatt um bis zu 50% erfolgte um 1970. Auslöser war das Alpverbesserungsprojekt. Mit den damals durchgeführten Massnahmen konnte unter anderem die Qualität der Alpweiden, wie auch die Erschliessungssituation verbessert werden.

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Auf Pian Doss erfolgte die Zunahme der Bestossung hauptsächlich aufgrund der Sömmerungsbeiträge und dem Wechsel in der Nutzungssituation in den 80er Jahren. Zudem wurde auch auf Pian Doss ein Alpverbesserungsprojekt durchgeführt, wodurch die Weidequalität verbessert werden konnte. Der Auslöser zu den zwei Alpverbesserungsprojekten kam durch die Bewirtschafter selbst, wurde aber wesentlich durch den Bund und Kanton mit Subventionsbeiträgen unterstützt.

Die erläuterten Massnahmen führten auf beiden Alpen dazu, dass sie an Produktivität zugelegt haben und höher bestossen werden können.

6.4.4 NUTZUNGS- UND EIGENTUMSVERHÄLTNISSE In beiden Alpen ist die Nutzungsstruktur über längere Zeit konstant. Diesen Faktor gibt den Bewirtschaftern Sicherheit, die Alp auch in der Zukunft nutzen zu können. Es entsteht somit eine Situation wie in den Talbetrieben, wo ein Bewirtschafter für seinen eigenen Betrieb verantwortlich ist. Diese Entwicklung fördert die Eigeninitiative der Bewirtschafter. Sie strukturieren die Alp so, dass sie gewinnbringend wirtschaften können und investieren in Infrastruktur, wie beispielsweise eine moderne Käsereieinrichtung.

Die Herkunft der gesömmerten Tiere ist auf den zwei Alpen unterschiedlich. So stammt bis heute alles Vieh auf Jänzimatt von den Mitgliedern der Teilsame Kleinteil. Obwohl die Anzahl Landwirtschaftsbetriebe abgenommen hat und dadurch weniger alpnutzungsberechtigte Bauern im Kleinteil wohnhaft sind, hat es trotzdem noch genügend Vieh, um die Alp bestossen zu können. Die einzelnen Landwirtschaftsbetriebe haben heute mehr Vieh als noch vor 50 Jahren. Auf Pian Doss kommen heute hingegen nur noch 30% der gesömmerten Tiere aus der Region. Der Rest stammt aus anderen Kantonen, wie zum Beispiel St. Gallen oder Zürich. Dies ist durch die knappe Viehverfügbarkeit in der Region bedingt. Ohne das ausserregionale Vieh wäre keine nachhaltige Bewirtschaftung der Alp Pian Doss möglich.

6.5 ERKENNTNISSE AUS DEM VERGLEICH DER ALPEN PIAN DOSS UND JÄNZIMATT Aus dieser Beschreibung wird sichtbar, dass teilweise gleiche Veränderungen passiert sind, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus ungleichen Gründen. Es gibt einige treibende Kräfte die auf beiden Alpen gleiche Auswirkungen hatten. Vor allem die gute Erschliessung sowie die Eigeninitiative der Bewirtschafter unterstützt durch staatliche Subventionen hatten in beiden Fälle einen markanten Einfluss auf die Nutzung.

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Beide Alpen weisen ideale natürliche Voraussetzungen für eine intensive Bewirtschaftung mit Milchkühen auf. Sie wurden bereits früh mit Strassen erschlossen, was dazu führte, dass die Alpflächen partiell mechanisiert und damit effizienter und intensiver bewirtschaftet werden könnten. Die Initiative der Bewirtschafter zu Verbesserungen der Alpweiden und Infrastruktur wurde mit staatlichen Subventionen unterstützt. Dadurch wurden zeitgemässe Alpställe sowie Käsereieinrichtungen gebaut, mit denen die heutigen Tierhaltungs- und Lebensmittelvorschriften eingehalten werden können. Zugleich haben die konstanten Nutzungsverhältnisse dazu geführt, dass die Bewirtschafter die Sicherheit besitzen, die Alp langfristig nutzen zu können. Dadurch wurden auch private Investitionen vorgenommen.

Die Alpen Pian Doss und Jänzimatt sind für ihre Regionen positive Beispiele. Sie stehen im Widerspruch zur schweizerischen Tendenz des Nutzungsrückgangs der Alpweiden im Laufe des 20. Jahrhunderts (Bauer et al 2007). Die Nutzungsintensität ist heute sogar am höchsten im Vergleich zum gesamten untersuchten Zeitraum. Pian Doss und Jänzimatt sind für ihre Regionen wertvolle Alpen und Beispiele moderner Alpbetriebe in der Schweiz. Sie zeigen, dass trotz schwieriger Situation die Alpwirtschaft gewinnbringend betrieben werden kann, sofern die naturräumlichen, gesetzlichen und nutzungsrechtlichen Rahmenbedingungen stimmen.

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7 WELCHE FAKTOREN PRÄGTEN DIE FESTGESTELLTEN VERÄNDERUNGEN?

Die oben vorgestellten Veränderungen werden hier diskutiert. Auch wird versucht, die wichtigsten treibenden Kräfte, die zu diesen Veränderungen geführt haben, zusammenzufassen. Dabei handelt es sich meistens um Annahmen, die nicht immer vollständig durch Daten unterstützt werden konnten. Die Reihenfolge der diskutierten Punkte entspricht derjenigen aus dem Kapitel der Resultate.

7.1 VERÄNDERUNG DER EIGENTUMSVERHÄLTNISSE Die lokalen Verhältnisse in Sache Eigentum spielen für den Bezirk Moesa eine wichtige Rolle. Mit fast 90% der Alpen in Besitz der Öffentlichkeit (politische oder bürgerliche Gemeinde), ist die Lage im Bezirk Moesa wesentlich verschieden vom restlichen Kanton, wo 60% der Alpen der öffentlichen Hand gehören (ALG 2007b). Im Bezirk Moesa wird somit der grösste Teil der Alpen an Private verpachtet. Die Pachtperiode änderte im Laufe der Zeit (siehe Portrait Alp de Mem). Bis in die 1980er Jahren dauerte der Pachtvertrag meistens nur drei Jahre (Mem und Cadin/Albion). Diese beschränke Zeit, zusammen mit der Unsicherheit nach dem Vertragende, die Alp wieder bestossen zu können, haben jede Einzelinitiative zur Aufrechterhaltung und zur Verbesserung der Alpen gehemmt (Togni, Toscano, Interview 2010). Viele selber eingerichteten Installationen auf der Alp, mobil oder fest, wurden meistens am Ende der Pachtdauer wieder abmontiert und mitgenommen; nicht einmal das verbleibende Brennholz wurde zum Teil zurückgelassen (Togni, Interview 2010). Der Alp wurde somit nur während der Pachtperiode ein Wert (emotionale Bindung ausgeschlossen) zugeteilt (Togni, Interview 2010). Eventuelle Verbesserungen wurden also meistens nur für den eigenen Nutzen durchgeführt.

Der Unterhalt der Alpen wurde somit voll der jeweils zuständigen Gemeinde anvertraut. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Einkünfte aus der Pacht einer Alp selten die Ausgaben für deren Unterhalt deckt: Der Pachtzins reicht heute in San Vittore kaum für kleinere Reparaturen (Togni, Interview 2010).

Für die Bewirtschafter unternahmen die Gemeinden zu wenig, um die Attraktivität der Alpen als Arbeitsort aufrechtzuerhalten (Storni, Interview 2010, für San Vittore, Von Wyl, Interview 2010 für Roveredo). Das Interesse für die Alpen und deren Instandhaltung hat in den letzten 40 Jahren abgenommen, von der Seite der Bewirtschafter (wegen sinkender landwirtschaftlicher Erträge) sowie von den Gemeinden, die in der Aufrechterhaltung der eigenen Alpen kein allgemeines Interesse und Nutzen mehr sahen (Storni, Interview 2010).

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Die Alp Pian Doss stellt in diesem Sinne eine Ausnahme für das ganzen Tal dar. In den 1940er Jahren fand auf dieser Alp der Übergang von Einzelalpung von diversen bäuerlichen Familien auf Gemeinalpung statt. Die vielen Eingriffe zur Aufrechterhaltung der Alp die der Gründung der Alpgenossenschaft folgten, bewiesen das gemeinsame Interesse an der Alp, die heute zu den besten des Tales gezählt wird (Seghezzi, Interview 2010). Obwohl seit 1992 die Alp auch für eine sechsjährige Periode verpachtet wird, bleibt das Interesse für die Pflege der Alp nicht nur von der Seite der Genossenschaft gross, sondern auch von derjenigen des Bewirtschafters. Alberto Toscano, der in den letzten 20 Jahren fast jedes Jahr die Alp pachtete, hat aus Eigeninitiative diverse Flächen von der Verbuschung befreit (Toscano, Interview 2010). Der Wille vom Eigentümer und Pächter, in die Alpinfrastruktur und in die Verbesserung der Weidefläche zu investieren, haben für den Erfolg von dieser Alp wahrscheinlich eine wichtige Rolle gespielt.

7.2 INFRASTRUKTUR: ERSCHLIESSUNG UND GEBÄUDE 7.2.1 VERÄNDERUNG IN DER ERSCHLIESSUNG Die Berglandschaft der Region Moesa erschwert jegliche landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Einigermassen eben bewirtschaftbare Flächen befinden sich meistens hoch über der Talsohle. Die Erschliessung solcher Flächen stellt also beides, ein Bedürfnis, sowie aber auch eine grosse Herausforderung für deren Bewirtschaftung dar: Die Topographie der Region erschwert und steigert den Aufwand (finanziell und technisch) für den Bau von Strassen und Wegen.

Die Erschliessung ist heute für die Bewirtschaftung einer Alp eine unentbehrliche Bedingung. Wegen Kosten-, Logistik- und Sicherheitsgründen ist eine Strasse notwendig, um das Interesse an einer Alp aufrecht zu erhalten. Strassen ermöglichen und vereinfachen jegliche Eingriffe auf der Alp, wie Verbesserungen an Gebäuden, Materialtransport und Mechanisierung der Bewirtschaftung. Dazu stellen sie auch eine grössere Sicherheit dar, z.B. im Falle von Unfällen bei Tieren oder beim Personal (Storni, Interview 2010).

Die Alp de Mem wird trotz dem Fehlen einer befahrbaren Strasse immer noch bestossen. Für die Erschliessung von Mem, die seit 100 Jahren vorgeschlagen wird, konnten anscheinend die dafür vorgesehenen hohen Kosten nicht gerechtfertigt werden. Obwohl sich in den letzten Jahren neue befahrbare Erschliessungsmöglichkeiten an die Alp annähern, bleibt diese immer noch isoliert. Trotzdem besteht das Interesse oder der Bedarf an dieser Alp immer noch. Wie lange solche Alpen noch attraktiv bleiben werden, hängt vor allem vom Bedürfnis an Sömmerungsmöglichkeiten der lokalen und regionalen Bauern sowie von der Verfügbarkeit von Alppersonal ab.

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Die Erschliessung der Alpen Cadin/Albion und Pian Doss hatte in beiden Fällen landwirtschaftliche Gründe. Die Strasse von Roveredo aus wurde im Zusammenhang mit der Güterzusammenlegung der Monti di Laura (1940er Jahre) gebaut. Dabei wurde beschlossen, die Militärstrasse von anfangs des 20. Jahrhunderts die 500m an Cadin heranführt zu ergänzen. Der Aufwand, die fehlenden 500 m Distanz noch zu bewältigen, konnte bis heute anscheinen nicht begründet werden, bzw. die Kosten wurden als grösser als die Nutzen beurteilt. Darunter haben aber die Alpen, vor allem Albion, welche noch weiter entfernt von der Zufahrtstrasse liegt, gelitten, wie an der sinkenden Stosszahl zu beobachten ist.

Die Strasse nach der Alp Pian Doss wurde im Zusammenhang mit der Erschliessung des Lagh de Pian Doss (touristisch interessant) gebaut. Der Bau dieser Strasse beeinflusste die Bewirtschaftung kurzfristig nicht. Die Stosszahl, z.B., nahm nach dem Bau sogar ab. Allerdings könnten hier andere Faktoren verantwortlich sein, wie der Rückgang ab den 1950er Jahren von bäuerlichen Familien in der Gemeinde Mesocco. Die Strasse hatte aber wahrscheinlich doch einen positiven Effekt auf die Bewirtschaftung der Alp. Vor allem die Verbesserungen, die in den folgenden Jahren auf der Alp durchgeführt wurden, könnten davon profitiert haben.

7.2.1.1 BINNENERSCHLIESSUNG Die Anzahl Strasse und Wege innerhalb des Alpperimeters stiegen während dem letzten Jahrhundert auf Cadin/Albion sowie auf Pian Doss. Auf Mem blieben diese, wenn man ein paar Schwankungen vernachlässigt (wahrscheinlich auf den Übergang auf einen anderen Kartentypus zurückführbar), relativ konstant. Die Fusswege innerhalb der Alp sind also immer die gleichen geblieben, was auf Cadin/Albion und Pian Doss nicht der Fall ist. Der starke Anstieg an Fusswegen in den letzten 30 Jahren auf Pian Doss kann ein Effekt der Weidekartierung von 1989 sein oder der stärkeren touristische Nutzung, die in der Region der Alp Pian Doss stattfindet (wie z.B. die Langlaufloipe). Dies könnte auch für die anderen Alpen gelten, da auch dort die meisten Veränderung in der totalen Länge durch die Entwicklungen der Fusswege zu erklären sind. Befahrbare Strassen bilden, wann vorhanden, nur einen kleinen Teil der totalen Erschliessungsmöglichkeiten im Alpperimeter. Die Binnenerschliessung der Alpen wird somit vor allem den Saum- und Fusswegen überlassen.

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7.2.1.2 ROLLE DER ARMEE Die militärische Nutzung von Alpen, als Schiessplätze oder Grenzpostierung, haben für die Erschliessung der Alpen Cadin/Albion und Mem eine wichtige Rolle gespielt. Die Region des Gesero wurde schon in den 1910er Jahren durch das Militär erschlossen. Der Bergrutsch von 1928 unterbrach jedoch diese Erschliessungsmöglichkeit. Dabei ist fraglich, ob die Bestossung der Alpen von Roveredo aus wirklich auf diesen Weg erfolgte, denn der Mehraufwand, über die Tessiner Seite her die Tiere auf die Alpen zu führen, könnte den Komfort einer befahrbaren Strasse überschritten haben. Trotzdem werden noch heute Militärstrassen von anfangs des 20. Jahrhunderts, z.B. zwischen Cadin und Albion, vom Bewirtschafter der Alp genutzt (Von Wyl, Interview 2010). Diese Wege sind heute zusammen mit den Befestigungen und den Alpen von Roveredo Teil des Projektes „RoReVIVA“. Mit diesem Projekt, möchte die Gemeinde Roveredo, unterstützt durch das Bundesamt für Landwirtschaft, bis 2014 die Alpen der Gemeinde revitalisieren, mit Verbesserung an Infrastruktur und Erschliessung (Società Agricola Mesolcina e Calanca 2010). Dabei wird das Interesse der Gemeinde für die Erhaltung der Alpen bekanntgeben, sowohl für die alpwirtschaftliche als auch für touristische Nutzung.

Der Schiessplatz auf Mem wurde mit Militärhelikopter versorgt. Prisca Storni erzählte, wie sie bis zur Militärreform 1995 mehrmals von der Anwesenheit der Armee, durch Materialtransport sowie Handarbeit (z.B. für das Sammeln von Holz) profitiert habe (Storni, Interview 2010). Mit der Reform von 1995 wurde die militärische Nutzung der Alp aufgehoben. Prisca Storni musste somit die Transporte auf dem Luftweg selber bezahlen, wodurch die Kosten für die Alpführung gestiegen sind. Helikoptertransporte haben schon seit den 1960er Jahren die Alp de Mem erschlossen (Togni, Interview 2010), stellten jedoch wegen der hohen Kosten (vom Bewirtschafter getragen) keine Alternative zum Strassentransport dar.

7.2.2 VERÄNDERUNG DER ALPGEBÄUDE Allgemein hat die Anzahl Gebäuden über den untersuchten Zeitraum kontinuierlich abgenommen. Dafür wurden, wo Verbesserungsmassnahmen stattgefunden haben, grössere und in der Ausstattung komfortablere Gebäude eingerichtet.

7.2.2.1 STAATLICHE FÖRDERUNGEN Bei der Entwicklung der Alpgebäude haben vor allem die staatlichen Unterstützungen bzw. ihre Anforderungen einen relevanten Einfluss gehabt. Alpgebäude und vor allem Alpställe wurden bereits am Ende des 19. Jahrhunderts im Kanton Graubünden als „äusserst notwendig“ angesehen. 1889 beschloss der Bündner Grosse Rat die Alpwirtschaft durch Verbesserung zu unterstützen (Wehrli 1985).

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Mit der Einführung des ersten Landwirtschaftsgesetztes auf Bundesebene 1893, wurde dann die Grundlage für die Erhebung von statistischen Daten über die Alpwirtschaft gelegt (Volken et al. 2002), sowie die Basis zur Förderung der Alpwirtschaft durch staatliche Beiträge (Werthemann und Imboden 1982). Dies führte auf einer Seite zu Erhebungen von statistischen Daten über die Alpwirtschaft auf nationaler Ebene durch den schweizerischen alpwirtschaftlichen Verein. Andererseits führte dies auch zu Subventionen für eine Reihe von Meliorationen und Verbesserungen, welche auf den Bündner Alpen zum Bau von Ställen, Wasserleitungen und zu Entwässerungen von Weideflächen bis in die 1950er Jahren geführt haben (Regi 1986). Einige Gebäude auf Mem und Cadin/Albion könnten, vom Baujahr her, aus dieser Subventionswelle entstanden sein. Beweise dafür konnten jedoch keine gefunden werden. Für eine weitere staatliche Subventionswelle muss man bis 1971 warten, als die Verordnung über die Unterstützung von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten eingeführt wurde (Bodenverbesserungs-Verordnung 1971). Diese stellte die Grundlage von staatlichen Subventionen für Bauten (Ställe und Unterstände), Entwässerungen und Erschliessungen. Ein Teil der auf Pian Doss durchgeführten Verbesserungen konnte aufgrund dieser Beiträge durchgeführt werden. Angaben darüber wurden jedoch keine gefunden.

7.2.2.2 STAATLICHE VORSCHRIFTEN Alle analysierten Alpen sind, wie die Mehrheit in der Region Moesa, als Sennalpen konzipiert worden und dementsprechend ausgerüstet. Die Einführung des neuen Gesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände 1992 (SR 817) stellte eine weitere Herausforderung für die Alpeigentümer dar (Toscano, Interview 2010). Die Milchverarbeitungsinfrastruktur sowie die Wasserversorgungsleitungen mussten renoviert werden, um weiter die Milchprodukte verkaufen zu können (Toscano, Interview 2010). Dabei war in diesem Zeitpunkt keine der analysierten Alpen so ausgerüstet, um die neuen Anforderung zu entsprechen. Auf Pian Doss wurden die notwendigen Strukturen renoviert. Dasselbe geschah 1999 auf Cadin, wo die Gemeinde Roveredo beschloss, die Infrastruktur der Alp den neuen Vorschriften anzupassen (Archivdokumente Roveredo). Auf Mem und Albion (man hat für die Milchverarbeitung auf die benachbarten Alp Cadin gesetzt) wurde hingegen nichts unternommen. Dies hat das Ende der Käseproduktion auf Mem festgelegt: seit 2000 wurden dort weder Milchkühe noch Milchziegen gesömmert.

7.2.2.3 EIGENINITIATIVE Die Verbesserungen, die vor den 1990er Jahren auf Pian Doss durchgeführt wurden, basierten vor allem auf Eigeninitiative der Genossenschaftsmitglieder (Seghezzi, Interview 2010). Mit den neuen Anforderungen über Umwelt und Hygiene wurden aber die Umbauten ab den 1990er Jahren von „oben her aufgezwungen“ (Seghezzi, Interview, 2010).

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Die Eigeninitiative der Pächter hat auf Gemeindealpen wie Cadin/Albion und Mem wenig Wert. Die Pächter haben meistens weder genug Mittel noch Interesse in Verbesserungen von Strukturen, deren Nutzung nicht gewährleistet wird, zu investieren. Diese Verantwortung müssten die Eigentümer, in diesem Fall die zuständigen Gemeinden, übernehmen. Das Interesse oder Nutzen der Gemeindealpen war aber anscheinend während dem 20. Jahrhundert nicht genug hoch, um die Aufrechterhaltung der Alpinfrastruktur zu rechtfertigen.

7.3 VERÄNDERUNGEN DER WEIDEFLÄCHE 7.3.1 VERÄNDERUNGEN IN DER WEIDEAUSDEHNUNG Wie oben dargestellt, erfolgten die meisten Veränderung der Alpfläche im Rahmen von Rationalisierungen der Alpbetriebe wie z.B. bei dem Zusammenfügen von benachbarten Alpen (Mem mit Carnac, Cadin mit Albion, Pian Doss mit Pinec). Damit stieg die Weidefläche und dies erlaubte den Eigentümern, die Investitionen auf einen Stafel zu konzentrieren.

Eine Abnahme der Weidefläche konnte z.B. bei Pian Doss und Cadin/Albion, vor allem zwischen anfangs des 20. Jahrhunderts und den 1970er Jahren beobachtet werden. Danach stabilisierten sich die Flächen einigermassen. Auf Cadin/Albion passierte diese Veränderung parallel zur Abnahme der Normalstösse, die hingegen auf Pian Doss in den letzten 40 Jahren zunahmen. Die Alp wurde somit intensiver genutzt. Auf Mem ist eine solche Aussage wegen fehlenden Angaben nicht möglich.

7.3.2 VERÄNDERUNG DER WEIDEQUALITÄT Viele Alpen in der Moesa befinden sich hoch über der Talsohle, wo sich das Gelände ein wenig abflacht. Dabei ist dort aber der Boden oft flachgründig und mit einem hohen Steingehalt, sodass sich diese Flächen meistens nur als Weiden eignen. Das harsche Klima ist dazu für Alpen wie Cadin/Albion und Mem von Natur her keine optimale Bedingung für produktive Weiden. Die Gefahr von Unter- aber auch Übernutzung ist daher gross: Die Flächen überwachsen und verganden rasch, wenn nicht genug bewirtschaftet wird, auf der andere Seite reduzieren zu lange andauernden Weideschläge die Qualität der Grasnarbe (Dietl und Elmer 1989). Um eine sinnvolle und nachhaltigen Nutzung der Alp zu erreichen, braucht es somit einen Bewirtschaftungsplan.

Auf Pian Doss ist ein solcher Bewirtschaftungsplan im Rahmen der Verbesserungen in den 1980er Jahren erstellt worden, auf Mem im Jahr 2009, um den Normalbesatz der Alp auf die Bestossung von Schafen anzupassen. Die Bewirtschaftungspläne schlagen neben Verbesserungsmassnahmen (Düngung, Verbuschungsbekämpfung) auch eine Partitionierung der Alpen vor mit den jeweiligen am besten einsetzbaren Weideschläge. Obwohl eine solche Planung bereits im Alpkataster vorgeschlagen wurde (BLW 1971a, b, c), ist sie erst in den letzten Jahrzehnten in der Gesetzgebung eingeführt worden.

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Ab 2000 änderte die Auszahlung der Sömmerungsbeiträge: Bis dahin wurde jeweils ein Beitrag pro Tier bezahlt (910.133a 1997, Artikel 4). Mit der neuen Regelung wird eine Pauschale pro Alp ausgerichtet, auf der Basis der in den Jahren 1996-1998 gesömmerten Tiere (910.133b 2000, Artikel 6). Damit wird ein nachhaltiger Normalbesatz für die Alp festgelegt. Dazu wird auch das Konzept des Wirtschaftsplanes eingesetzt, welcher für jede Alp von Experten hergestellt werden muss (910.133b 2000, Artikel 9). Mit der Änderung der Verordnung über die Sömmerungsbeiträge von 2007 wird genauer definiert, was ein Bewirtschaftungsplan beinhalten muss (910.133c 2007, Artikel 4). Die Integration dieser neuen Richtlinien ist zum Beispiel auf dem Pachtvertrag von 2008 der Alp Pian Doss sichtbar (Consorzio Alpe Pian Dos 2008). Die Effekte dieser neuen Gesetzgebung werden aber erst in den folgenden Jahren sichtbar sein.

7.4 VERÄNDERUNG BEI DEN GESÖMMERTEN TIEREN: ANZAHL UND ART Die Zusammensetzung der gesömmerten Tiere in der Region Moesa hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts stark verändert. Diese Veränderung hat nach den obigen Ergebnissen vor allem in den letzten 30 Jahren stattgefunden. Seit den 1960er Jahren ist man auf den Rückgang der Zahl der gealpten Tiere in der ganzen Schweiz aufmerksam geworden (Werthemann und Imboden 1982). 1979 wurde das Bundesgesetz ü ber Bewirtschaftungsbeiträge an die Landwirtschaft mit erschwerten Produktionsbedingungen eingeführt, welches die Basis für die Sömmerungsbeiträge darstellte (Flächenbeitraggesetz, 1979 Artikel 3). Damit wollte man den Rückgang der gesömmerten Tiere stoppen, um damit gleichzeitig auch die Landschaft auf Flächen mit erschwerten Produktionsbedingungen pflegen zu können. Ab diesem Zeitpunkt sind Daten über gesömmerte Tiere für jedes Jahr aufgenommen worden. Die starken Schwankungen ab den 1980er Jahren dieser Daten können zu falschen Überlegungen führen: Es kann gut sein dass auch vor 1980 solche Schwankungen stattgefunden haben, dies konnte aber mit den vorhandenen Daten nicht bewiesen werden. Diese Schwankungen sind meist von einem Bewirtschafterwechsel verursacht, der auch Schwankungen der Anzahl gesömmerter Tiere nach sich zog.

Vor allem auffallend ist der Übergang, welcher auf Cadin/Albion und Mem stattgefunden hat. Beide Alpen sind bis Ende der 1990er Jahre noch vor allem mit Milchkühen bestossen worden. Die Bewirtschafter auf Mem stiegen danach auf Mutterkuh- und in den letzten Jahren auf Schafhaltung um. Auf Cadin/Albion wurde hingen neu zuerst auf Mutterkühe und zuletzt auf Ziegen gesetzt. Der Umstieg auf beiden Alpen wurde wahrscheinlich durch unterschiedliche Faktoren verursacht. Auf Mem wurden die Milchverarbeitungsstrukturen den neuen Hygienevorschriften nicht angepasst, was dazu führte, dass eine Sömmerung von Milchvieh nicht mehr möglich war.

Auf Cadin/Albion, wo hingegen 1999 die Infrastruktur den neuen Vorschriften angepasst wurde, ist nach den Angaben des heutigen Bewirtschafters, das Fehlen von genügend Milchkühen im Bezirk der Grund der Aufhebung von deren Sömmerung.

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Dazu sind die Personalkosten ohne Milchkühe geringer, da eine Arbeitskraft weniger angestellt werden muss (Von Wyl, Interview 2010). Dabei könnte dieser Faktor auch für Mem eine Rolle gespielt haben: Ohne Milchverarbeitung sind keine Käser auf der Alp nötig. Die Einsparungen bei der Arbeitskraft gleichen wahrscheinlich das Fehlen von Gewinn durch den Käseverkauf aus, oder sind sogar grösser. Ohne Milchverarbeitung werden auf der Alp keine Milchprodukte mehr hergestellt. Die Sömmerung von Vieh dient somit nur noch der Fütterung der eigenen Tiere, prägt und erhält aber auch die Alpweidenwirtschaft, „Dienstleistung“, welche durch staatlichen Subventionen unterstützt wird.

Das Fehlen von Vieh für die Alpung und vor allem von Milchkühen in der Region Moesa, betraf alle analysierten Alpen. Die Zahl an gesömmerten Milchkühen sank im 20. Jahrhundert um etwa 80%. Die Aufgabe der Selbstversorgungswirtschaft in der Region Moesa, zusammen mit der sich veränderten wirtschaftlichen Lage verstärkte die Emigration aus den Tälern. Dies verursachte den Rückgang an bäuerlichen Familien und Landwirtschaftsbetrieben, was zu einer Verringerung der Tiere in der Region Moesa führte. Dabei gab es bereits in den 1980er Jahren mehr Kühe auf der Moesaner Alpen während des Sommers als in den landwirtschaftlichen Betrieben der gesamten Region. Erklärend dafür ist das ausserkantonale Vieh. Dies spielte bereits in den 1970er Jahren eine wichtige Rolle auf allen analysierten Alpen: Auf Cadin/Albion und Mem wurden z.B. in 1971 nur noch ausserkantonale Milchkühe gesömmert. Dabei ist aber zu bemerken, dass die Menge an ausserkantonalem Vieh von den Beziehungen des Bewirtschafters abhängt: Wer mehr Verknüpfungen mit anderen Betreibe hat, findet auch einfacher genug Vieh für seine Alp.

Für Pian Doss stellt das ausserkantonale Vieh den grössten Teil der gesömmerten Tiere dar. Dieses Vieh kann der Grund für die Steigerung der Normalstösse ab dem Tiefpunkt der 1960- 70er Jahren sein. Ohne den Beitrag von ausserkantonalem Vieh hätten auch gute Alpen wie Pian Doss Schwierigkeiten, eine angemessene Bestossung zu erreichen. Dieses Bedürfnis nach Vieh aus der Region kann aber auch aus einer anderen Perspektive gesehen werden. Heute haben die Alpen der Region Moesa nicht nur eine reine regionale sondern eine überkantonale Bedeutung. Jedes Jahr werden Tiere aus verschiedenen Kantonen gesömmert (Tessin, St. Gallen, Appenzell, Zürich) was eigentlich ein Anreiz für die verschiedenen Eigentümer (also meistens die jeweiligen Gemeinden) sein sollte, ihre Alpen zu erhalten und zu pflegen.

7.5 VERÄNDERUNG DES AUF DER ALP TÄTIGEN PERSONALS Herkunft und Alter des auf der Alp tätigen Personals änderten sich während des 20. Jahrhunderts. Dies konnten alle befragten Bewirtschafter bestätigen. Dazu scheint eine ähnliche Entwicklung auf den drei Alpen erfolgt zu sein. Die Evolution der tätigen Arbeitskräfte könnte somit unabhängig von der Art Alp, in einer ähnlicher Weise stattgefunden haben.

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Mit den gefundenen Ergebnissen konnte grob die folgende Entwicklung aufgezeigt werden.

Noch anfangs des 20. Jahrhunderts waren die meisten Alpen von den Mitgliedern der einzelnen Bauernfamilien bewirtschaftet. Oft wurden während des Sommers die Knaben als Hirten auf die Alpen geschickt. Somit bekamen sie eine Art Grundausbildung für die Arbeit auf der Alp. Als sich nach dem zweiten Weltkrieg die wirtschaftliche Lage der Region verbesserte, sank auf der einen Seite die Anzahl Landwirtschaftsbetriebe, auf der anderen stieg die Anziehungskraft der urbanen Zentren. Damit verringerte sich die Verfügbarkeit an lokalen Arbeitskräften die bereit waren, auf der Alp zu arbeiten. Im Kanton Graubünden wurde diese Situation erkannt: 1964 entstand ein Entwurf für einen Normalarbeitsvertrag für das Alp- und Hirtschaftspersonal (Archivdokument Mesocco). Im Rahmen dieses Vertrages wurde ein Bericht über die Situation des Alppersonals in Graubünden erstellt, welcher den Mangel an Alppersonal auf die folgenden Punkte zurückführte: • Keine Garantie für eine langjährige Beschäftigung; • Nicht genug soziale Institutionen für Krankheits-, Unfall- und Altersversicherung; • Keine Reglementierung der Freizeit; • Kein ausreichendes Wohnangebot, welches die Anstellung ganzer Familien ermöglichte; • Schlechte Arbeitsbedingungen wegen veralteter Infrastruktur und unklaren Kompetenzen • Keine Seelsorge;

Für diese Probleme wurden die folgenden Massnahmen vorgeschlagen: • Verbesserung der Alpinfrastruktur, mit Rationalisierung und Mechanisierung der Betreibe, Anschluss ans Stromnetz, neue Bauten; • Normalarbeitsvertrag mit Berücksichtigung der Sozialleistungen; • Möglichkeiten zur Einstellung des Alppersonals während des Rests des Jahres in der Gemeinde; • Ausbildung von Hirten und Käsern;

Diese Massnahmen konnten aber nach den gesammelten Erkenntnissen das Problem des Alppersonalmangels nicht lösen. Darum wurde ab den 1950er Jahren versucht, dieses Manko durch ausländische Arbeitskräfte zu entschärfen. Dabei wurden vor allem Arbeiter aus Italien, und zwar aus dem Veltlin, angestellt. Diese arbeiteten z.B. auf Cadin/Albion und auf Pian Doss als Hirten. Mit dem steigenden Lebensstandard stiegen auch die Personalkosten für einheimische, aber auch ausländische Arbeitskräfte. Die Anstellung von ausgebildetem Personal wurde ab den 1990er Jahren immer teurer. Zum Teil wurde diese prekäre Situation mit der Anstellung von Arbeitskräften aus anderen Ländern (z.B. aus Portugal auf der Alp de Mem) gelöst. In den letzten Jahren wurden wieder mehr Jugendliche und auch Studenten beschäftigt. Bei diesen Arbeitskräften fehlt jedoch meistens eine ausreichende Ausbildung für die Alparbeit, was für die Alpbewirtschafter eine weitere Herausforderung darstellt. Es passiert zudem oft, dass die angestellten Arbeitskräfte kurzfristig kündigen, was die Arbeitssituation für die Alpbewirtschafter noch schwieriger macht.

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7.6 VERWALDUNG Der Wald spielt auf allen drei Alpen eine wichtige Rolle. Er stellt eine lokalen Quelle an Brennholz (unumgänglich für die Milchverarbeitung bis zur Einführung von weiteren Energieträgern wie Erdgas) und Bauholz dar. Der Wald limitiert aber oft (je nach Höhenlage) die Weidefläche. Dazu verringert die Verwaldung die Qualität und im Extremfall auch der Ausdehnung der Weiden. Der Zuwachs der Waldfläche konnte auf allen Alpen festgestellt werden (siehe Kapitel 5). Einen direkten Zusammenhang zwischen der Veränderung der Bestossungszahlen und der Ausdehnung der Waldfläche konnte nur auf Cadin/Albion festgestellt werden: Die Stosszahl sank von Anfang 20. des Jahrhunderts um etwa 60%, die Waldfläche stieg im gleichen Zeitraum im Alpperimeter um 50% an. Wenn man aber berücksichtig, dass die früheren Alpperimeter grösser waren als die heutigen, wäre dieser Zuwachs noch grösser. Darum macht ein direkter Vergleich der obigen Zahlen keinen grossen Sinn. Vielmehr kann die Aussage, dass sich nach einer Extensivierung oder Aufgabe einer Alp die Waldfläche ausdehnt, unterstützt werden. Auch musste die Aufgabe der Nutzung auf einigen Flächen mit der zusammenhängenden Intensivierung von anderen einen Effekt auf die Waldausdehnung haben. Die trotz Waldzunahme relativ konstante Anzahl gesömmerter Tiere auf Mem und Pian Doss wäre sonst nicht zu erklären.

Die Ausdehnung der Waldfläche erfolgte nicht linear. Auf den drei Alpen sind aber einige Ähnlichkeiten beobachtbar. Zum Beispiel kann zwischen den 1850er und 1870er Jahren auf allen drei Alpen ein markanter Rückgang der Waldfläche beobachtet werden. Dieser kann sowohl als Folge der Abholzungen, welche noch bis zur Einführung des Forstspolizeigesetzes 1876 in der Region stattfanden, angesehen werden als auch durch den Übergang von der Dufour- zur Siegfriedkarte, und damit ein Wechsel in der Kartierung der Alpen.

Ab den 1870er Jahren stieg die Waldfläche auf Cadin/Albion bis heute an, mit einer Beschleunigung zwischen den 1930er und 1960er Jahren. Auch für diesen Zuwachs könnte der Übergang zwischen Kartentypen (von Siegfried- auf Landeskarte) verantwortlich sein.

Auf Mem und Pian Doss sank die Waldfläche zwischen der letzten Ausgabe der Siegfriedkarte und der ersten Landeskarte hingegen wieder. Diese Verringerung kann nur durch den sich ändernden Kartentyp erklärt werden. Zwischen den 1950er und 1970er Jahren stieg die Waldfläche auf Mem wieder an, sank jedoch später wieder. Diese Entwicklung konnte nicht erklärt werden; es kann sein, dass es sich hier um einen Kartographiefehler oder um eine falsche Interpretation der dargestellten Waldfläche handelt. Auf Pian Doss sank die Waldfläche bis in die 1990er Jahren, stieg aber in den letzten 15 Jahren wieder stark an. Die starke Ausdehnung der offenen Waldfläche ist dafür vor allem verantwortlich. Diese letzte macht auf Mem den grössten Anteil der Waldfläche aus.

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Die harscheren Bedingungen der Alp de Mem, welche sich an der oberen Waldgrenze befindet, könnten für die Einschränkung der Ausbreitung der Waldfläche verantwortlich sein. Auf Cadin/Albion und Pian Doss, welche sich in einer tieferen Höhenlage befinden, ist der Anteil an offenem Wald kleiner als der an geschlossenem.

7.7 ENTWICKLUNG DER VERBUSCHUNG Verbuschung, wie die Ausdehnung der Waldfläche, betrifft jede der analysierten Alpen. Analysen, über die Entwicklung der Verbuschung wurden aber nur auf der Alp Pian Doss durchgeführt. Somit können nur Aussagen über die Dynamik, die auf dieser Alp stattgefunden hat, gemacht werden.

Wie die vorgestellten Resultate zeigen, hat der Anteil an verbuschten Flächen in den analysierten Quadraten zugenommen. Wegen der relativ kleinen Anzahl und der Heterogenität der Vegetationsbedingungen in den analysierten Quadraten, können keine allgemeinen Aussagen über die Ausdehnung der verbuschten Flächen für den gesamten Alpperimeter gemacht werden. Trotzdem sind gewisse Dynamiken bei der Entwicklung der verbuschten Flächen zu erkennen. Die Verbuschung nahm überall zu, wo nichts dagegen unternommen wurde. Das heisst, dass die Nutzung einer Fläche die Verbuschung verhinderte. Die Nutzung der Alp nahm zuerst ab, später aber wieder zu. Dabei könnte diese geringere Nutzung den Anstieg an verbuschten Flächen alimentiert haben. Die heutige Bestossung entspricht mehr oder weniger derjenigen von anfangs des 20. Jahrhunderts, nicht aber die genutzten Flächen und die Nutzungsintensität. Die intensivere Nutzung bestimmter Flächen hat zu einer Extensivierung von anderen geführt, wo sich die Verbuschung ausbreiten kann. Das heisst, dass auch eine konstante Tierzahl nicht genügt um Verbuschung zu stoppen. Dafür ist Weidepflege notwendig.

Die Quadrate, die sich am Rande des Alpperimeters befinden, also an der Stellen wo die Nutzung extensiv oder überhaupt nicht mehr stattfindet, haben eine grössere Ausdehnung der verbuschten Flächen erlebt. Über die Geschwindigkeit der Verbuschungszunahme können keine allgemeinen Aussagen gemacht werden. Diese hängt wahrscheinlich von verschieden Faktoren ab, wie die Intensität der Störungen (z.B. durch Nutzungen), Standort und Anteil an bereits verbuschten Flächen.

Interessant ist die Entwicklung der verbuschten Flächen im Quadrat 13 (Bild 83). Diese nahmen in 40 Jahren um etwa 40m2 oder um 24% ab. Dieses Quadrat befindet sich auf der beweideten Fläche, wurde aber nicht von Alberto Toscano entbuscht. Die Abnahme dieser verbuschten Fläche könnte somit durch eine intensivere Nutzung durch Tiere verursacht worden sein.

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Die Entbuschungswirkung der Nutzung durch Tiere ist aber, im Vergleich mit dem Einsatz von Maschinen, relativ klein. Die Tiere (im Fall von Pian Doss vor allem die Milchkühe) haben eher eine vorbeugende Wirkung auf die Verbuschung, indem sie mit ihrem hohen Gewicht über die aufkommenden Sträucher trampeln und somit deren Wachstums verhindern (Storni, Interview 2010).

7.8 FAZIT – ZUSAMMENSTELLUNG DER TREIBENDEN KRÄFTE Nach Bürgi et al. (2004) können die Ursachen welche die Landschaftsveränderung prägen in fünf Typen kategorisiert werden, und zwar in sozioökonomische, politische, technologische, natürliche und kulturelle.

Diese können je nach untersuchtem System und angestrebte bzw. gegebenen (z.B. durch die Verfügbarkeit von Daten) Detaillierungsgrad in räumlichen, zeitlichen und institutionellen Skalen bestimmt werden (Bürgi et al. 2004).

Für die oben vorgestellten Entwicklungen sind die in Tabelle 14 dargestellten treibenden Kräfte als relevant erkannt worden. Dabei ist zu beachten, dass die zeitliche Dimension in dieser Darstellung fehlt. Sozioökonomische und politische Ursachen hatten die grösste Wirkung bei den oben dargestellten Entwicklungen. In diesem Sinne spielten vor allem neu eingeführte oder revidierte Gesetze eine wichtige Rolle. Technologische, kulturelle und natürliche Ursachen hatten einen limitierten Einfluss, und zwar nur auf dem Niveau von Bezirk/Gemeinde und Eigentümer/Bewirtschafter

Nicht alle treibenden Kräfte hatten die gleiche zeitliche Wirkung: einige hatten nur punktuell eine Wirkung, anderen beeinflussten die Entwicklung ab dem Zeitpunkt ihrer Einführung.

Für die drei Alpen wurden die jeweils als einflussreichste erkannten, treibenden Kräfte auf der zeitliche Achsen dargestellt (Bild 91). Der Zeitpunkt, ab welchem die erkannten, treibenden Kräften wirken, konnte nicht immer genau bestimmt werden. Dies gilt auch für den Zeitpunkt, ab welchem diese Wirkung aufhörte. Diese Zusammensetzung dient für eine einfachere Darstellung der zeitlichen Komponente.

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TABELLE 14: ZUSAMMENSTELLUNG DER TREIBENDE KRÄFTE DIE FÜR DIE STATTGEFUNDENEN VERÄNDERUNGEN ALS VERANTWORTLICH ERKANNT WURDEN Institution/ Treibende Kräfte

Akteur Ebene Sozioökonomische Politische Technologische Kulturelle Natürliche

• • National Wirtschaftslage Landwirtschaftsgesetze • Subventionen • Umweltgesetze • Lebensmittelgesetzte • Sömmerungsbeiträge • Alpwirtschaftlicher Verein • Viehseuchengesetzgebung • Militärischer Nutzen • • Kanton Subventionen Alpwirtschaftsgesetzte • Touristisches Interesse • Strategien für die Förderung der Graubünden Alpwirtschaft • Gesamtarbeitsvertrag GR • Dauer Pachtvertrag • • • • • Bezirk/ Wirtschaftslage Alpstatuten Erschliessung Dualistische Topographie • Aufgabe von • Lokale Initiativen/Investitionen Administration • Bodeneigenschaf Gemeinden Landwirtschaftsbetrieb • Bedürfnis/Nutzen der Alpwirtschaft • Eigentümerverhältn ten • en isse Bergrutsch • Emigration • Höhenlage • Abholzung • • • Bewirtschafter/ Rationalisierung Mechanisierung der Ausbildung von • Personalsuche Betriebe Alppersonal Eigentümer • Löhne • Mobilitätsverbesser • Investitionen ungen • Mangel an Vieh • Intensivierung

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BILD 91: DIE FÜR DIE ANALYSIERTEN ALPEN BEDEUTENDSTEN TREIBENDEN KRÄFTE. DIE GESTRICHELTEN LINIEN DIENEN ZUR ORIENTIERUNG

Wie auf Bild 91 sichtbar, haben zum Teil die gleichen Kräften die Entwicklung der Alpen geprägt. Vor allem die Faktoren, die mit dem Rückgang der Landwirtschaft in der Region Moesa verbunden sind (also der Rückgang von landwirtschaftlichen Betrieben und der Mangel an lokalem Vieh), und die in den 1990er Jahren eingeführten Lebensmittelvorschriften hatten einen ähnlichen Einfluss auf die untersuchten Alpen. Bei Mem und Pian Doss spielten noch die Eigentumsverhältnisse während der ganzen Untersuchungsperiode eine entscheidende Rolle. Allgemein aber hatten weniger die lokalen Initiativen und Einzelheiten einen Einfluss auf die Alpen als vor allem Faktoren mit einer überregionalen und sogar schweizweiten Bedeutung (Subventionen, Agrarstrukturwandel, Verbesserung des Lebensstandards).

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8 DISKUSSION

Zuerst wird in diesem Kapitel die Repräsentativität der ausgewählten Alpen analysiert und kommentiert. Später werden die oben dargestellten Methoden und Informationsquellen besprochen und kritisch betrachtet. Danach werden die Befunde mit der Forschungsdaten aus der Literatur verglichen.

8.1 SIND DIE UNTERSUCHTEN ALPEN REPRÄSENTATIV FÜR DIE REGION? Für diese Arbeit wurden die Veränderungen untersucht, welche seit 1880 auf den ausgesuchten Alpen der Region Moesa stattgefunden haben. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen kleinen Teil der bewirtschafteten Alpen der Region.

Bei der Auswahl der zu untersuchenden Alpen wurde die Frage der Repräsentativität für die gesamte Region nicht berücksichtigt. Die Alpen wurden mehr aufgrund von Beratungen und Verfügbarkeit von historischen Daten ausgewählt. Auch wurde darauf geachtet, dass die ausgewählten Alpen nicht zu nahe zu einander liegen. Die Repräsentativität dieser Alpen für die gesamte Region Moesa wird deshalb grundlegend analysiert. Dafür werden verschiedene Aspekte der Alpen berücksichtigt und anhand der Kriterien von Raaflaub und Durgiai (2010) typisiert. Darausfolgend wird die qualitative Beurteilung der Repräsentativität gemacht.

8.1.1 NATÜRLICHEN GEGEBENHEITEN Die untersuchten Alpen befinden sich alle oberhalb 1’700m.ü.M. Die Alp de Mem liegt sogar fast auf 2’000m.ü.M. Das Ausgangsgestein besteht bei Mem und Cadin/Albion, wie in den grössten Teil der Region, aus Granit/Gneiss, bei Pian Doss hingegen aus Bünderschiefer. Die Zusammensetzung des Bodens und die Weidequalität variieren somit von Alp zu Alp: Pian Doss mit teilweise kalkigem Boden und wenig steinigen Weiden ist produktiver als die anderen Alpen.

8.1.2 ERSCHLIESSUNG Die Alp Pian Doss ist durch eine befahrbare Strasse gut erschlossen, Cadin/Albion nur mässig. Mem ist hingegen nur zu Fuss nach langem Marsch erreichbar und ist als Modell einer schlechten Erschliessung anzusehen.

8.1.3 EIGENTUMSVERHÄLTNIS Die Alpen Mem und Cadin/Albion sind im Besitz der öffentlicher Hand und werden an Private verpachtet. Die Alp Pian Doss wird hingegen durch eine Genossenschaft verwaltet. Unter den Mitgliedern der Genossenschaft sind aber sowohl die öffentliche Hand wie auch Privatpersonen vertreten. Das Eigentumsverhältnis dieser Alp ist somit gemischt. Auch Pian Doss wird an Privatpersonen verpachtet.

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8.1.4 GESÖMMERTE TIERE Alle drei Alpen waren Sennalpen und deshalb für die Milchverarbeitung ausgerüstet. Die Alpen sind dementsprechend auch meistens mit Milchkühen bestossen worden. Heute ist aber nur noch Pian Doss eine Milchkuhalp (mehr als 50% der NST entfallen auf Kühe nach Raaflaub und Durgiai 2010). Mem wird heute vor allem mit Mutterkühen und Schafen bestossen, während Cadin/Albion in den letzten Jahren eine Ziegenalp geworden ist (mehr als 50% der NST entfallen auf gemolkenen Ziegen, nach Raaflaub und Durgiai 2010).

8.1.5 GRÖSSE DER ALP IN NORMALSTÖSSE Alle drei Alpen sind als mittlere Alpen (NST zwischen 40 und 100, nach ALG 2007b) einzustufen. Die Alpen Mem und Pian Doss befinden sich bei dieser Klassierung eher an der oberen Grenze. Die Alp de Mem erreichte zum Teil mehr als 100 Normalstösse.

8.1.6 VERGLEICH IM BEZUG AUF DIE REGIONALEN GEGEBENHEITEN Die restlichen Alpen des Bezirks Moesa wurden nicht im Detail analysiert. Somit fehlen viele Daten über die genaue Situation der einzelnen Alpen. Angaben über geografische Lage, Erschliessung, sowie gesömmerte Tiere sind nur für die analysierten Alpen vorhanden. Daher sind über diese Punkte nur die im Laufe der Arbeit gesammelten groben Aussagen möglich.

Trotzdem können dank dem „Situationsbericht für die Alpregion Moesa“ (ALG 2007b) einige Vergleiche gemacht werden.

In der Region Moesa wurden 2005 noch 48 Alpen gezählt. Davon sind 39 über 10 NST gross und wurden für den erwähnten Bericht aufgenommen. Etwa 30% aller Moesaner Alpen entsprechen von ihrer NST Grösse her den drei untersuchten Alpen. 23 Alpen, was etwa der Hälfte aller Alpen entspricht, sind im Gemeindebesitz, der Rest hat ein gemischtes Eigentum (35%) oder ist privat (5%). 40% der Alpen werden an Private verpachtet. Nur noch auf acht Alpen findet Milchverarbeitung statt, darunter Pian Doss und Cadin/Albion.

Die gesömmerten Tiere in der Region Moesa bestehen heute zu 60% aus Rindvieh (darunter vor allem Mutterkühe und Jungvieh), 30% aus Schafen und 10% aus Ziegen.

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Tabelle 15 fasst diese Werte zusammen und stellt sie denjenigen der analysierten Alpen gegenüber.

TABELLE 15: ZUSAMMENFASSUNG DER MERKMALE DER ANALYSIERTEN ALPEN UND DER UNTERSUCHUNGSREGION Alp de Mem Alp Cadin/Albion Alp Pian Doss Region Moesa (Mittelwert bzw. häufiges Vorkommen) Höhe (m.ü.M.) 1950 1722/1890 1731 - Geologie Gneis/Granit Gneis/Granit Bünderschiefer Gneis/Granit Weide-qualität Mässig Mässig Gut - Befahrbar Nein Nein Ja Nein erschlossen Milchverarbeitung Nein Ja Ja 20% Gehaltene Tiere Mutterkühe/ Ziegen Milchkühe Siehe Bild 17 Schafe Weidefläche (ha) 253 100 100 - NST Grösse Mittlere Alp Mittlere Alp Mittlere Alp Kleinalp Besitzer Öffentlich Öffentlich Gemischt Öffentlich Bewirtschafter Pächter Pächter Pächter Pächter

8.1.7 FAZIT Die drei untersuchten Alpen haben zwar untereinander einiges gemeinsam, unterscheiden sich aber ungleich stark von der am häufigsten vorkommenden, alpwirtschaftlichen Situation der Region Moesa. Dabei wurde aber nur der heutige Zustand berücksichtigt.

Die Repräsentativität der drei Alpen für die Alpwirtschaft der gesamten Region ist schwer zu postulieren. Viel mehr decken die untersuchten Alpen ein relativ breites Spektrum an möglichen Zuständen der Alpwirtschaft ab. Wahrscheinlich existiert heute keine typische Moesaner Alp mehr: die kleinen Alpen, die anfangs des 20. Jahrhunderts noch durch einzelne Bauernfamilien bewirtschaftet wurden sind, sind in den meisten Fällen im Laufe des 20. Jahrhunderts aufgegeben worden. Die Analyse einer solchen Alp hätte wahrscheinlich die Situation der Alpwirtschaft im Laufe der letzten 100 Jahren vollständiger dargestellt.

8.1.8 QUALITATIVE BEURTEILUNG DER REPRÄSENTATIVITÄT Die Alp de Mem könnte wegen ihrer ungünstigen Lage und dem schlechten Erschliessungszustand ein Beispiel einer typischen abgelegenen Alp darstellen, die wegen der schwierigen Bewirtschaftbarkeit und dem Fehlen der nötigen Investitionen und Verbesserungen aufgegeben worden ist. Da sie aber heute immer noch relativ stark genutzt wird, ist die Alp de Mem in diesem Sinne eher eine Ausnahme.

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Trotz der frühen und relativ guten Erschliessung und der wichtigen Verbesserungen der Infrastruktur, die noch vor Kurzen durchgeführt wurden, erlebte die Alp Cadin/Albion im Laufe des 20. Jahrhunderts einen markanten Rückgang der gesömmerten Tiere und also auch ihrer Nutzung. Dafür war vor allem der Mangel an lokalem Vieh verantwortlich, ein Mangel, welcher im ganzen Bezirk wahrnehmbar ist. Cadin/Albion stellt somit ein Beispiel einer Alp dar, welche aufgrund der Abnahme am wirtschaftlichen Interesse für die Alpwirtschaft der Aufgabe entgegengeht.

Die Alp Pian Doss ist für die Alpwirtschaft der Region Moesa wegen ihrer guten Lage und Erschliessung, einzigartigen Nutzungsverhältnisse und hohe Nutzungsintensität nicht repräsentativ. Viel mehr ist sie ein positives Beispiel eines modernen Alpbetriebs.

8.2 METHODEN UND QUELLENKRITIK In diesem Abschnitt werden die verwendeten Quellen und Methoden diskutiert und kritisiert.

8.2.1 SCHRIFTLICHE QUELLEN Die Menge und Qualität an schriftlichen Quellen veränderte sich im Laufe des untersuchten Zeitraums. Die unterschiedliche Verfügbarkeit dieser Quellenart bestimmte zum Teil die Genauigkeit der Rekonstruktionen.

Relevante schriftliche Dokumente, welche aus dem Zeitraum von vor 1900 stammen, wurden wenige gefunden. Viele der älteren Dokumente (deutsche und italienische) waren wegen der Schrift und der Papierqualität schwer und zum Teil gar nicht lesbar. So waren die meisten deutschen Bücher bis in die 1940er Jahre noch in Frakturschrift geschrieben, einige handschriftliche Dokumente waren sogar in Sütterlinschrift verfasst. Informationen aus diesen Dokumenten waren schwer leserlich, für eine genaue Transkription fehlte die Zeit.

Ab den 1950 Jahren nahmen Publikationen wie Bücher und wissenschaftliche Artikel und auch Archivdokumente zum Thema Alpwirtschaft zu, was eine vertiefte Analyse der Entwicklungen erlaubte.

Literatur über schweizweite Veränderungen in der Bewirtschaftung von Alpweiden, ist reichlich verfügbar, nicht aber spezifisch für die Untersuchungsregion. Diese Rekonstruktion musste aufgrund von unterschiedlichen Dokumenten (Bücher, Tabellen, Berichte) zusammengestellt werden und ist somit wegen der verschiedenen Qualität und Quantität an Daten nicht lückenlos.

Die Verfügbarkeit an historischen Daten über die einzelnen Alpen änderte je nach Quellentyp und Alp. Nicht für alle Fragestellungen konnte genug Material für eine quantitative Analyse gefunden werden. Oft konnten nur Annahmen oder qualitativen Beurteilungen gemacht werden, wie im Falle der Veränderung von Herkunft, Bildung und Alter des auf der Alp tätigen Personals.

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Angaben über die Bestossung sind aber sowohl für die gesamte Region wie auch für alle Alpen genug gefunden worden, um Tendenzen bei der Entwicklung zu erkennen.

8.2.1.1 STATISTISCHE ANGABEN ÜBER BESTOSSUNG Die Verfügbarkeit an schriftlichen Quellen über Bestossung ist relativ gross, ist aber nicht über den ganzen untersuchten Zeitraum gleichmässig verteilt. Das gilt vor allem für die Dokumente, die von den Behörden aufgenommen wurden, wie die Alpinspektionen, die Alpkataster und die Sömmerungsbeitragsformulare. Die Alpinspektionen sind die Quellen mit den meisten Informationen (Bestossung, Eigentum, Personal, Zustand von Weiden und Gebäuden) über die einzelnen Alpen. Eine solche Zusammenstellung auf dem Niveau der einzelnen Alpen wurde leider schweizweit nur bei den Alpinspektionen durchgeführt und später nicht wiederholt. Die späteren Quellen (landwirtschaftlicher Produktionskataster, Alpkataster, Sömmerungsbeitragsformulare) enthaltenen weniger Angaben, was heisst, dass viele Informationen durch anderen Quellen (wie z.B. mündliche Mitteilungen) ergänzt werden mussten. Heute stellen die Sömmerungsbeitragsformulare die ausführlichsten Quellen über die Bestossung der einzelnen Alpen dar. Diese sind ab 1980 für jedes Jahr verfügbar, enthalten aber nur Angaben über Bestossung und Sömmerungsdauer.

8.2.2 TOPOGRAPHISCHE KARTEN UND ENTWICKLUNG VON WALDFLÄCHE UND ERSCHLIESSUNG AUF DEN ALPEN Die Karten stellten für diese Arbeit eine wichtige Quelle dar. Anhand von Vergleichen von verschiedenen Kartenjahrgängen konnte die Veränderung der Landschaft verfolgt und quantifiziert werden. Die verwendeten Karten stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten: Herstellungs- und Zeichnungstechnik ändern damit je nach Publikationsdatum.

Die Landbedeckungsveränderungen, die dank dieser Quelle festgestellt wurden, entsprechen nicht immer der Realität: es wird eine Darstellung der Landschaft interpretiert, welche wiederum durch die Interpretierung der Landschaft durch den Kartograph gezeichnet wurde. Die Verzerrung ist somit wegen der subjektiven Wahrnehmungen unterschiedlich gross. Die dargestellten Resultate sind also mehr für die Tendenz der Entwicklung der Untersuchungsgebiete wertvoll als für die berechneten Grössen (wie Waldfläche oder Strassenlänge).

Die grössten Unterschiede bei der Darstellung und Detail der Landschaftselemente konnten zwischen Kartenblättern von unterschiedlichen Kartentypen festgestellt werden, also zwischen Dufour- und Siegfriedkarten und zwischen Siegfried- und Landeskarten. Ein markanten Unterschied ist aber auch zwischen der ersten (also diejenigen der 1870er Jahren) und der folgenden Publikation der Siegfriedkarten feststellbar. Zwischen den Kartentypen ändert, nebst der Darstellung (Form, Farbe, Grösse) auch die Position der Landschaftselemente.

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Mit dem Übergang von der Siegfriedkarte zur Landeskarte änderte sich dazu auch der Massstab der Karten von 1:50’000 auf 1:25’000 und somit der Detaillierungsgrad der Darstellung der Landschaftselemente. Diese werden zum Teil auch anders dargestellt (wie z.B. die Strassenklassen oder die Waldfläche, siehe Kapitel Methoden).

8.2.2.1 WALDFLÄCHE Die Unterschiede der Waldflächen in der Darstellung und ihre Positionierung hatten einen beträchtlichen Einfluss vor allem auf die Analyse der Veränderung der totalen Waldfläche. So kann z.B. der feststellbare Rückgang der Waldfläche, welcher auf allen Alpen zwischen den 1850er und 1870er Jahren stattgefunden hat, auch von der unterschiedlichen Genauigkeit bei der Darstellung auf Dufour- und Siegfriedkarten abhängen. Dasselbe gilt beim Übergang von Siegfried- auf Landeskarten, wo bei zwei Alpen ein markanter Rückgang festgestellt wurde. Dabei spielen aber die Kriterien der Digitalisierung vor allem für die Siegfriedkarten eine wichtige Rolle. Wie in den Methoden vorgestellt, wird die Waldfläche auf den Siegfriedkarten mittels Kreise und auf den Dufour- und Landeskarten mittels farbige Polygone (welche also eine klare Abtrennung zwischen Wald und offenen Fläche aufweisen) dargestellt. Als wie gross die Waldfläche interpretiert wird, hängt davon ab, wie weit von äussersten Punkt die Grenze gezogen wird, und ab wie vielen Punkten eine Digitalisierung durchgeführt wird. Die Waldfläche ändert also stark je nach Interpretation. Das gleiche gilt für die offene Waldfläche bei den Landeskarten, die ebenfalls mit Kreise dargestellt ist. Diese Flächen sind in den analysierten Alpperimetern oft durch geschlossenen Wald abgegrenzt, was die Abgrenzung vereinfacht.

Bei der Digitalisierung wurde versucht, immer mit dem gleichen Ansatz vorzugehen. Der Einfluss der Digitalisierung auf die Ergebnisse kann aber nicht beurteilt werden.

Bei der Waldfläche wurde jeweils auch eine Analyse durchgeführt, um festzustellen, welche Areale über den Untersuchungszeitraum konstant geblieben sind. Da aber die Karten jeweils auf die vorangehenden, aufbauend gezeichnet wurden, besteht ein gewisser Grad an Verzerrung. Trotzdem ist auf den in den Karten konstant eingezeichneten Waldflächen die Wahrscheinlichkeit des effektiven Vorhandenseins von Wald grösser. Diese Methoden erlaubt aber keine Beurteilung der Qualität der verwendeten Karten.

8.2.2.2 STRASSEN Der unterschiedliche Detaillierungsgrad der analysierten Kartentypen hatte auch auf die Digitalisierung der Strassen einen Einfluss. Vor allem zwischen den ersten Siegfriedkarten gab es markante Unterschiede in Kategorisierung und Positionierung der dargestellten Strassen. Wenn sich zwischen zwei Kartenjahrgänge etwas bei einer Strasse veränderte war es oft unklar, ob diese ausgebaut worden ist (z.B. im Fall eines Klassensprunges) und durch eine neue Fahrstrecke ging.

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8.2.2.3 EINFLUSS DES GEWÄHLTEN ALPPERIMETERS Die Aussagen über die Entwicklung von Wald und Strassen beziehen sich immer auf den heutigen Perimeter. Es wird daher angenommen, dass sich der Alpperimeter nie verändert hat. Diese Wahl war vor allem vom Fehlen von genauen Angaben über früheren Perimeter gegeben. Der Alpperimeter blieb aber nirgends konstant, darum kann die Entwicklung des Anteils an Waldfläche im Perimeter nicht durchgeführt werden. Auch können keine Vergleiche mit anderen Quellen gemacht werden, die sich auf andere Perimeter beziehen (z. B. die Alpinspektionen, welche jeweils den Anteil an Waldfläche im Alpperimeter angeben).

8.2.3 LUFTBILDER UND VERBUSCHUNGSENTWICKLUNG Die Analyse der Verbuschung basiert auf Luftbildern aus verschiedenen Jahren. Diese wurden in unterschiedlichen Flugreihen aufgenommen und bilden somit je nach Jahrgang andere Portionen der Landschaft ab. Die Alpen Pian Doss und Mem wurden seit den 1960er Jahren durch drei solcher Flugreihen aufgenommen. Die Analysen wurden aber wegen Kosten- und Zeitgründen nur für Pian Doss durchgeführt.

Die Qualität der Aufnahme (Auflösung, Farbe) hängt vom Jahrgang ab. So sind z. B. die Bilder aus den 1960er und 1980er Jahren schwarzweiss, das aktuellste hingegen farbig. Dazu wird die Auflösung zwischen schwarzweiss und farbig besser. Die Qualität der Luftbilder war aber für alle Jahrgänge genügend ausreichend, um Sträuchergruppen von mindestens 5m2 zu identifizieren. Um diese Sträuchergruppen zu erkennen ist die Betrachtung am Stereobildschirm aber von Vorteil wenn nicht notwendig.

Die Interpretierung der verbuschten Flächen war wegen der schlechteren Auflösung auf den Bildern der 1960er Jahre schwieriger.

8.2.3.1 VERBUSCHUNGSENTWICKLUNG Die Ergebnisse der Verbuschungsentwicklung basieren auf eine limitierte Anzahl vordefinierter Aufnahmeflächen, reichen aber für die Beurteilung der Entwicklung auf der gesamten Alp nicht: Die analysierte Fläche entspricht etwa 0.5% der gesamten Alpfläche und konzentriert sich auf den Teil der Alp Pian Doss, der eher unternutzt ist. Darum können die Ergebnisse für die gesamte Alp nicht repräsentativ sein. Trotzdem konnten die im Kapitel 5.3.8 vorgestellten Tendenzen bei der Entwicklung der Verbuschung festgestellt werden.

Die Digitalisierung der verbuschten Flächen wurde am Stereobildschirm durchgeführt. Die Betrachtung und Beurteilung von Bildern auf diese Weise ist für das Auge sehr aufwendig und gewöhnungsbedürftig. Die Zuverlässigkeit der Interpretation von verbuschten Flächen hängt somit von der persönlichen Erfahrung des Betrachters ab. Da aber für diesen Analysenschritt eine relativ kurze Zeit investiert wurde, ist die Qualität der Interpretation nicht optimal. Vor allem konnte keine Unterscheidung des Verbuschungszustandes (z.B. Alter, Art) gemacht werden.

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Eine grössere Fläche hätte analysiert werden sollen. Optimal wäre die Digitalisierung der gesamten Alp gewesen. Die gleichen Analysen auf die anderen Alpen, auch wenn nicht im ähnlichen Ausmass, hätten vielleicht allgemein gültigere Ergebnisse gebracht.

8.2.4 MÜNDLICHE MITTEILUNGEN Mündliche Mitteilungen wurden unter anderem eingesetzt, um Wissenslücken von anderen Quellen zu füllen. Viele Informationen, die durch diese Quelle gewonnen wurden, standen jedoch allein und konnten somit nicht durch andere Quellentypen bestätigt werden. Es hätte sich also sicher gelohnt, mehr Zeit in die Suche nach Interviewpartner zu investieren, um die gesammelten Meinungen zu bestätigen, zu ergänzen oder zu widersprechen.

Trotzdem stellen die erhaltenen, mündliche Mitteilungen die wertvollsten Quellen für die Rekonstruktion des Lebens auf der Alp dar. Auch konnte dank Interviews eine Art menschliche Dimension in die Arbeit einfliessen, welche sonst vor allem durch die quantitativen oder statistischen basierenden Daten gesättigt wäre.

Die Informationen, die durch mündliche Mitteilungen gewonnen wurden, beschränkten sich dazu nicht nur auf die Aufenthaltsperiode auf der Alp der einzelnen Personen: auch Erlebnisse von Verwandten und Erzählungen fliessen aus dieser Quelle zusammen.

8.2.5 ARCHIVARBEIT Bei den besuchten Archiven wurde meistens eine limitierte Anzahl Dokumente konsultiert, vorwiegend diejenigen, die unter „Landwirtschaft“ oder „Alpwirtschaft“ archiviert waren. Es hätte sich für einige Themen gelohnt (wie z.B. die Entwicklung der Strassen) auch andere Dokumente zu durchsuchen. Dies gilt für die einzelnen Gemeindearchive sowie für das Staatsarchiv.

8.2.6 DISKUSSION DES VORGEHENS Hier wird die Reihenfolge, mit welcher die Daten gesucht und analysiert worden sind, kurz diskutiert.

Die grösste Herausforderung war am Anfang, die Fragestellungen genau zu definieren und die Alpen auszuwählen, welche sich zur Beantwortung am besten eigneten. Bei der Auswahl wurde mehr auf die Verfügbarkeit von historischen Daten geachtet, als auf die Repräsentativität der Alpen für die gesamte Region. Die Suche von historischen Daten wurde zuerst in den Gemeindearchiven durchgeführt, wo aber nur ein kleiner Anteil an relevanten Dokumente gefunden werden konnte. Die für diese Arbeit wertvollsten Dokumente sind in den Alpinspektionen und Alpkataster enthalten. Diese wurden aber erst später berücksichtigt. Es hätte sich vielleicht gelohnt, diese zuerst zu betrachten und die Frage der Repräsentativität und die Auswahl der Alpen vor den Gemeindearchivbesuchen durchzuführen und dazu noch die Meinung von lokalen Experten einzubeziehen.

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Auch die Analysen, basierend auf topographischen Karten (die an der WSL für die gesamten Schweiz vorhanden sind) hätte vor den Archivbesuchen in den einzelnen Gemeinden durchgeführt werden sollen. Somit hätte die Archivrecherche zielstrebiger durchgeführt werden können. Das gilt z. B. für die Entwicklung von Strassen und Waldflächen: wäre deren Entwicklung bereits vor den Archivbesuchen analysiert worden, hätten sich die Recherche auf bestimmte Dokumente konzentrieren können.

8.2.7 QUELLENVERGLEICH Während der Analysen wurden, wo möglich, unterschiedliche Quellen verglichen. Dabei wurden sowohl Quellen des gleichen Typus (z.B. schriftliche mit schriftlichen) als auch unterschiedliche (z.B. Bilder mit Karten) verglichen.

8.2.7.1 STATISTISCHE ANGABEN Ein Vergleich der verfügbaren, statistischen Angaben über gesömmerte Tiere war nicht ganz einfach, da viele Dokumente sich auf die gleichen Quellen (meistens die Alpstatistik oder die Alpkataster) bezogen, was einen Vergleich nutzlos machte.

8.2.7.2 ENTWICKLUNG DER ALPGEBÄUDE Die Entwicklung der Gebäude konnte für die Alp Cadin/Albion auf Landeskarte und für die Alp Pian Doss auf den Luftbildern verfolgt werden. Dabei entpuppten sich die Luftbilder als die genaueren Quellen. Überdies stimmten Angaben der topographischen Karten oft nicht mit den schriftlichen Quellen überein. Vor allem bei den älteren Karten gab es oft Unterschiede zu den Beschreibungen aus der Literatur oder aus den Interviews. Dabei ist aufgefallen, dass das Jahr der Karten selten mit demjenigen von anderen Quellen übereinstimmte. Mündliche Mitteilungen konnten die meisten Entwicklungen auf Pian Doss bestätigen. Dies war für Cadin/Albion wegen den fehlenden Interviewpartner nicht möglich.

8.2.7.3 FLÄCHENANGABEN DER ALPEN Die Analyse der Veränderung der Alpflächen basiert auf schriftlichen Quellen sowie den topographischen Karten. Diese letzten stellten Alpflächen dar, die für den Vergleich mit den schriftlichen Quellen digitalisiert wurden.

Der Vergleich zwischen diesen beiden Quellentypen konnte aufgrund des Mangels von Angaben aber nur für einzelne Alpen und Punktuell durchgeführt werden. Dabei war nicht immer klar, ob sich die angegebenen Flächen auf dem Alpperimeter oder auf die eigentliche Weideflächen bezogen. Wann möglich wurde dies mit den Interviews abgeklärt, viele Angaben (vor allem die älteren, z.B. diejenigen aus dem landwirtschaftlichen Produktionskataster) konnten jedoch nicht verifiziert werden und basieren somit auf Interpretation.

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8.2.7.4 LUFTBILDER-KARTEN VERGLEICH Im Laufe der Analyse wurden die Luftbilder nicht systematisch mit den topographischen Landeskarten verglichen. Hier werden nur für die Alp Pian Doss die vorhandenen Luftbilder von 1962 und 2005 mit den Landeskarten mit dem nächstliegenden Publikationsdatum (1968 und 2006) bezüglich der Ausdehnung von Waldfläche qualitativ verglichen. Dafür wurden jeweils die Karten über die Bilder gelegt und verarbeitet, damit beide zusammen sichtbar sind.

Da ab 1944 nur noch Luftaufnahmen für die Herstellung von topographischen Karten verwendet wurden (Swisstopo 2008b) sollte die Übereinstimmung der Landschaftselemente zwischen Bild und Karte ab diesem Datum gross und nachvollziehbar sein.

Wie auf Bild 92 sichtbar ist, stimmt die Waldfläche auf der Karte (grüner Hintergrund) ziemlich genau mit den auf dem Bild dargestellten Bäumen überein. Dies gilt für die geschlossene wie auch für die offene Waldfläche: Zum Teil sind auch einzelne Baumgruppen bei der Kartographierung erfasst worden.

Die Kriterien, mit welchen zwischen offener und geschlossener Waldfläche unterschieden wird, sind aber nicht immer klar. Die Baumdichte ist wahrscheinlich das meist gewichtete Kriterium, ist aber nicht quantifizierbar. Zum Teil sind grosse zusammenhängende Waldflächen kartographiert worden, obwohl sie klare Lichtungen und offene Stellen aufweisen. Anderswo sind die gleichen Flächen als offenen Wald dargestellt oder es ist an der Stelle gar kein Wald eingezeichnet. Solche unklaren Stellen werden meistens mit einer offenen Waldgrenze abgegrenzt, zum Teil auch dort, wo eine klare Grenze sichtbar ist.

Auch wurde nicht immer gleich die Höhe, und somit das Alter der Bäume, berücksichtigt. Zum Teil wurden Jungwaldflächen (bei welchen eine geringere Bestockungsdichte sichtbar ist), als geschlossener Wald kartographiert, anderswo hingegen als offener Wald.

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BILD 92: DER WALD VON ALP PIAN DOSS AUF DEM LUFTBILD VON 1962 BZW. AUF DER LANDESKARTE VON 1968

Bild 93 stellt den gleichen Landschaftsabschnitt 40 Jahren später dar. Die Einteilung in offene und geschlossene Waldfläche scheint präziser geworden zu sein. Diverse Flächen wurden neu dem offenen Wald zugerechnet. Es bleiben aber noch diverse Stellen, wo die Auswertung unklar ist. Die meisten Waldflächen werden heute als Waldweiden genutzt (Toscano, Interview 2010) und sind daher eigentlich nicht als geschlossen einzustufen. Wären die Kriterien der Kartographierung bekannt, könnte man die einzelnen Interpretationen besser nachvollziehen. Es ist wahrscheinlich auch eine Frage des Massstabes und des Zeitaufwands, mit welchen die Luftbilder analysiert und interpretiert werden.

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BILD 93: DER WALD VON ALP PIAN DOSS AUF DEM LUFTBILD VON 2005 BZW. AUF DER LANDESKARTE VON 2006

8.3 EINBINDUNG DER ERGEBNISSE IN DER FORSCHUNGSLITERATUR Hier werden die Entwicklungen, die während dem Untersuchungszeitraum auf den Alpen festgestellt wurden, vorgestellt.

8.3.1 WALDAUSDEHNUNG Auf allen untersuchten Alpen wurde ein Anstieg der Waldfläche festgestellt. Zwischen der Einführung der Landeskarten (1950er Jahren) und ihrer aktuellsten Ausgabe hat die Waldfläche auf Mem und Cadin/Albion um etwa 6.5% zugenommen. Auf Pian Doss ist die Waldfläche im gleichen Zeitraum um 12% angestiegen. Diese Fakten unterstützten die Ergebnisse von Baur et al. 2007). Dabei können keine genauen Werte verglichen werden aber die Tendenz bleibt dieselbe.

Was hingegen nicht bestätigt werden konnte, ist die Annahme, dass auf ertragsarmen Flächen, die also extensiviert oder eher aufgegeben werden, die natürliche Wiederbewaldung am grössten ist (Baur et al. 2006).

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Pian Doss ist die Alp, auf welcher in den letzten Jahrzehnten der grösste Zuwachs an Waldflächen verzeichnet worden ist. Dabei ist sie unter der analysierten die am intensivsten genutzte Alp. Auf Mem und Cadin/Albion, die eigentlich weniger intensiv im Vergleich zu Pian Doss genutzt werden, ist die Waldfläche in den letzten Jahren weniger angestiegen. Dabei befindet sich Mem allerdings oberhalb der natürlichen Waldgrenze und ist somit kaum von der natürlichen Wiederbewaldung betroffen. Cadin/Albion ist die am wenigsten genutzte Alp und ist zurzeit sogar unterbestossen. Die Ausbreitung der Waldfläche sollte darum hier am grössten sein. Dabei waren 2010 auf Cadin/Albion bereits 60% des Alpperimeters durch Waldfläche besetzt, eine weitere Ausbreitung könnte darum weniger schneller stattfinden.

8.3.2 ENTWICKLUNG DER ERSCHLIESSUNG Eigentlich befahrbar erschlossen (die Strasse kommt bis zu den Alpgebäuden) ist nur die Alp Pian Doss. Diese Alp ist auch die Einzige, auf welcher eine maschinelle Bearbeitung der Fläche (Verbuschungsbekämpfung und Jaucheausbringung) stattfindet. Die Anschliessung ans Strassennetz ermöglichte somit den Einsatz von neuen Technologien, was die Ergebnisse von Pezzati (2001) bestätigt. Auch könnte mit dem Beispiel von Pian Doss bestätigt werden, dass eine bessere Erschliessung eine höheren Nutzungsintensität ermöglicht (Pezzati 2001).

8.3.3 NUTZUNGSENTWICKLUNG Die drei Alpen erlebten im Laufe des untersuchten Zeitraumes unterschiedliche Entwicklungen bezüglich der Nutzung. Eine Nutzungsaufgabe konnte vor allem auf der Alp Cadin/Albion aber auch für einige Zeiträume auf Mem und Pian Doss zwischen den 1940er und 1970er Jahren dokumentiert werden. Diese beiden scheinen von der Einführung der Sömmerungsbeiträge ab 1980 profitiert zu haben, was zum Teil die Ergebnisse von Mack und Flury (2008) bestätigt. Die Lage auf der Alp Cadin/Albion unterstützt hingegen die Ergebnisse von Baur et al. (2007), wo der Rückzug der Landwirtschaft aus der Bewirtschaftung der Sömmerungsgebiete festgestellt wird.

Der Anstieg an gesömmerten Tieren und die Ausbreitung der Waldfläche, welche während den letzten Jahrzehnten auf der Alp Pian Doss stattgefunden haben, unterstützen die Hypothese einer dualen Entwicklung der Nutzungsintensität: effizienter bewirtschaftbare Flächen werden intensiver, Grenzertragsflächen hingen extensiver genutzt (Baur et al. 2007).

8.3.4 MILITÄRISCHER NUTZEN Zwei der drei Alpen waren bis zur Armeereform 1995 militärisch genutzt. Cadin/Albion profitierte wahrscheinlich am meisten von diesem Umstand dank seiner frühen Erschliessung durch die Armee. Mem hingegen, obwohl ein Plan bestand, wurde bis heute noch nicht befahrbar erschlossen. Die Bewirtschafter der Alp konnten aber trotzdem von der Anwesenheit der Armee profitieren, was auch die Ergebnisse von Lauber et al. bestätigen (2008b).

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9 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Alpwirtschaft hat heute im Bezirk Moesa nicht mehr die gleiche Bedeutung wie noch vor 100 Jahren: Als wesentlicher Teil der Selbstversorgungswirtschaft ging im Laufe des 20. Jahrhunderts die Bewirtschaftung der Sömmerungsweiden zürück. Diese Änderungen in der Landnutzung hatten einen markanten Einfluss auf die Landbedeckung: Infolge der Extensivierung und teilweisen Aufgabe von Weideflächen, nimmt die Waldfläche im Sömmerungsgebiet zu, was eine zukünftige Bewirtschaftung erschwert und das Landschaftsbild verändert.

Die Untersuchungen konnten zeigen, wie sich die Nutzung der analysierten Alpen parallel mit den sich ändernden Bedürfnissen der Bevölkerung entwickelte. Wo es als sinnvoll erachtet wurde, sind die Alpen verbessert, erschlossen und intensiviert worden. Weniger einträgliche und zugängliche Alpen sind hingegen extensiviert und aufgegeben worden. Einerseits zeigt dies die Veränderungen, die in der Landwirtschaft der Region Moesa stattgefunden haben, also den Rückgang an landwirtschaftlichen Betrieben mit der daraus folgenden Abnahme an Personal und Tieren für die Bewirtschaftung der Alpen. Anderseits zeigt das auch, dass sich die Alpwirtschaft der Region Moesa laufend an die Bedürfnisse der Bewirtschafter aber auch der gesamten Gesellschaft angepasst hat und es weiterhin tut: es werden neue Nutzungsformen eingeführt, damit die Landwirte weiterhin ihr Vieh auf die Alp bringen können (wie im Fall von Mem) und neue Werte der Alpwirtschaft anerkannt, wie die touristische Relevanz und die Aufrechterhaltung einer kulturell und biologisch wertvollen Landschaft.

9.1 PERSÖNLICHE EMPFINDUNGEN Diese Arbeit ermöglichte einen Einblick in die Disziplin der Landnutzungsgeschichte. Es wurden verschiedene weniger bekannte, an die Alpwirtschaft gebundene Aspekte herausgearbeitet und vertieft. Dazu konnten diverse Methoden für die Untersuchungen der Landschaftsveränderung angewendet werden. Das breite Spektrum an Themen und Forschungsmethoden machte die Arbeit sehr interdisziplinär und damit herausfordernd und spannend.

Besonders interessant waren die Gespräche mit den verschiedenen Interviewpartnern. Diese Interviews waren nicht nur für die Gestaltung der Arbeit unentbehrlich, sondern ermöglichten auch einen Einblick in das alpwirtschaftliche Geschehen aus der Perspektive der Bewirtschafter und der Behörden.

9.2 AUSBLICK UND WEITERE FORSCHUNG Die Veränderungen, die im 20. Jahrhundert stattgefunden haben, stellen die heutige Bewirtschaftung der Moesaner Sömmerungsgebiete vor grosse Herausforderungen. Dafür wird es weiterhin wichtig sein zu verstehen, welche Faktoren zu diesen Veränderungen geführt haben.

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Die vorliegende Arbeit stützt sich für die Rekonstruktion in einem bedeutenden Mass auf das Geschehen auf drei Alpen. Dabei dürfte eine umfänglichere Auswahl von Alpen eine grössere Geltung für die Auswertung der Ergebnisse haben. Auch würden Vergleiche zwischen verschiedenen Alpregionen von einer grösseren Grundlage an historischen Erkenntnisse profitieren. Eine grössere Anzahl untersuchter Alpen würde dazu auch zu einer breiteren Menge an Aspekten der Alpwirtschaft führen und das historische Gesamtbild genauer darstellen.

Allgemein sind grössere Bemühungen in der Quellensuche notwendig als es der Zeitrahmen für diese Arbeit erlaubt hat, denn das Vorhandensein von Angaben bestimmt meistens die Genauigkeit einer Untersuchung. Vor allem wäre eine grössere Einbeziehung von Interviewpartnern sinnvoll.

Eine grössere Verwendung von Bildern als Quellen könnte auch vorteilhaft sein. Dabei sind nicht nur Luftbilder gemeint, sondern auch terrestrische Bilder, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts die gesamte schweizerische Berglandschaft abbilden, aber nie zentral inventarisiert worden sind.

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10 LITERATURVERZEICHNIS

10.1 SCHRIFTLICHE QUELLEN

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11 QUELLENVERZEICHNIS

11.1 MÜNDLICHE QUELLEN

Seghezzi, Alfredo. Das Interview fand am 3. Dezember 2010 in Mesocco statt

Storni, Priska. Das Interview fand am 23. Dezember 2010 in Claro statt

Togni, Reto. Das Interview fand am 30. Dezember 2010 in San Vittore statt

Toscano, Alberto. Das Interview fand am 3. Dezember 2010 in Mesocco statt

Von Wyl, Martin. Das Interview fand am 19. November in Leggia statt

11.2 GESETZLICHE QUELLEN Bodenverbesserungs-Verordnung. Verordnung über die Unterstützung von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten, vom 14. Juni 1971

Flächenbeitraggesetz. Bundesgesetz ü ber Bewirtschaftungsbeiträge an die Landwirtschaft mit erschwerten Produktionsbedingungen, vom 14. Dezember 1979

SR 221.231.2. Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht (LPG), vom 4. Oktober 1985

SR 451.32. Verordnung ü ber den Schutz der Hoch- und U bergangsmoore von nationaler Bedeutung (Hochmoorverordnung), vom 21. Januar 1991

SR 817. Bundesgesetz ü ber Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG), vom 9 Oktober 1992

SR 910.133a. Verordnung ü ber Sömmerungsbeiträge (Sömmerungsbeitragsverordnung, SöBV), vom 7. Dezember 1998

SR 910.133b. Verordnung ü ber Sömmerungsbeiträge (Sömmerungsbeitragsverordnung, SöBV), vom 29. März 2000

SR 910.133c. Verordnung ü ber Sömmerungsbeiträge (Sömmerungsbeitragsverordnung, SöBV), vom 14. November 2007

SR 910.91. Verordnung über landwirtschaftliche Begriffe und die Anerkennung von Betriebsformen (Landwirtschaftliche Begriffsverordnung, LBV) vom 7. Dezember 1998

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11.3 GIS-DATEN

D.E. © 2011 Swisstopo. Digitalisierte Einzelbilder. Lizenz Nr. 5701137301 / 000010

DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo. Digitales Höhenmodell der Schweiz. Lizenz Nr. 5704 000 000

Pixmaps © 2011 Swisstopo. Digitale Landeskarten der Schweiz. Lizenz Nr. 5704 000 000

Swissimage © 2011 Swisstopo. Digitale Orthophotos der Schweiz. Lizenz Nr. 5704 000 000

Swissnames © 2011 Swisstopo. Ortschaften der Schweiz. Lizenz Nr. DV033492

Vector25 © 2011 Swisstopo. Digitales Landschaftsmodell der Schweiz, Stand 2007. Lizenz Nr. DV033492

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12 ANHANG

Anhang I: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp de Mem

Anhang II: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp Cadin/Albion

Anhang III: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp Pian Doss

Anhang IV: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp de Mem

Anhang V: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp Cadin/Albion

Anhang VI: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp Pian Doss

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Anhang I: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp de Mem

Quellen: DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492)

Anhang II: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp Cadin/Albion

Quellen:

DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492)

Anhang III: Karten zur Darstellung der Veränderung der Erschliessung auf der Alp Pian Doss

Quellen:

DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492)

Anhang IV: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp de Mem

Quellen: DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492)

Anhang V: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp Cadin/Albion

Quellen: DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492) Anhang VI: Karten zur Darstellung der Veränderung der Waldausdehnung auf der Alp Pian Doss

Quellen: DTM-AV DOM-AV © 2011 Swisstopo (5704000000), Swissnames © 2011 Swisstopo (DV033492)