Das Berliner Denkmal Für Die Im Nationalsozialismus Verfolgten Homosexuellen Entstehung, Verortung, Wirkung
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2017-08-29 12-14-30 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0270470364476556|(S. 1- 2) VOR3953.p 470364476564 Aus: Anika Oettler (Hg.) Das Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen Entstehung, Verortung, Wirkung September 2017, 182 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3953-7 Weltweit wächst die Zahl von Gedenkstätten und Denkmälern stetig. An ihre Errich- tung sind eine Vielzahl von Erwartungen geknüpft: Sie sollen öffentliche Räume für Trauernde schaffen, die Würde von Opfern wiederherstellen und zugleich Orte der gesellschaftlichen Begegnung und historischen Aufklärung sein. Die Beiträge des Bandes stellen das 2008 in Berlin eingeweihte Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in den Mittelpunkt: Von wem wird es wie wahrgenommen? Für wen ist es ein Ort der Selbstvergewisserung, für wen ein Stein des Anstoßes? Wie wirkt es in das urbane Umfeld hinein? Die Beiträger_innen verfolgen diese Fragen und geben erstmals empirische Antworten. Anika Oettler (Prof. Dr.), geb. 1971, ist Professorin für Gesellschaftliche Entwicklung und vergleichende Sozialstrukturanalyse an der Philipps-Universität Marburg. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Transitional Justice und kollektive Erinnerung. Weitere Informationen und Bestellung unter: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3953-7 © 2017 transcript Verlag, Bielefeld 2017-08-29 12-14-30 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0270470364476556|(S. 1- 2) VOR3953.p 470364476564 Inhalt Einleitung Anika Oettler Ein Denkmal in Berlin | 9 Das Denkmal und die (bundes-)deutsche Geschichte der Aufarbeitung des Nationalsozialismus | 14 Was nützt ein Denkmal? | 17 Eine methodische Annäherung | 20 Wer erinnert für wen? | 26 Zum Aufbau des Bandes | 27 Der rekonstruktive Charakter von kollektiver Erinnerung | 29 Literatur | 30 Die Konflikte. Debatten vor und nach der Erbauung des Denkmals Lisa Schäder | Johanna Zschornack Einleitung | 35 Die Vorgeschichte | 38 Von einer schwulen Initiative zum Bundestagsbeschluss | 40 Die parlamentarische Grundsteinlegung | 50 „Der Block ist schwul.“ Kunst und die Frage der Repräsentation | 54 Die Debatte um die Ausblendung lesbischer Opfer | 57 Einweihung und (politische) Nutzung | 61 Das Denkmal heute: Weiterhin Stolperstein oder bloßes Stadtmobiliar? | 72 Literatur | 74 Die Wirkung. Wie sich Besucher*innen über das Denkmal äußern Miriam Bach | Maria Hartmann | Annika Sterr Einleitung | 81 Das „Denk-Mal“ lesen: Vom individuellen Zugang zur unmittelbaren Reaktion | 85 Analytische Verbindungen zwischen Denkmalästhetik und -inhalt | 94 Gede(a)nken zwischen Vergangenheit und Gegenwart | 98 Von Provokation und Normalisierung, Homophobie und Toleranz | 104 Das Denkmal als Bühne: Selbstinszenierung einer Gesellschaft oder Manifestation politischer Kämpfe? | 111 „Und man hat dieses ziemlich versteckt“ – Über Sichtbarmachung und Sichtbarkeit | 114 „Ich finde, die hatten mehr verdient“ – Soziale Annahmen über Denkmäler | 116 Das Denkmal als Auslöser für die Verhandlung sozialer Diskurse | 121 Fazit | 123 Literatur | 127 Der Raum. Konzeption, Wahrnehmung und Aneignung des Denkmals Lennart Garbes | John Preuss Einleitung: Von Denkmälern und Räumen | 129 Sozialer Raum als dreigeteiltes Ganzes – Die Theorie Lefebvres | 130 Wahrnehmung. Räumliche Praxis des Denkmals | 134 Konzeption. Raumrepräsentationen des Denkmals | 141 Erleben. Repräsentationsräume des Denkmals | 149 Was bleibt vom Raum des Denkmals? | 156 Literatur | 158 Denkmalwirkungsforschung und die Frage der Perspektive Anika Oettler Einleitung | 163 Zur Motivation | 165 Zur Positionalität | 166 Subjektivität im Forschungsalltag | 168 Zum theoretischen Vorverständnis | 170 Fazit: Was nützt ein Denkmal? | 175 Literatur | 177 Autor*innen | 179 Einleitung ANIKA OETTLER EIN DENKMAL IN BERLIN Seit dem 27. Mai 2008 ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen, für das sich seit 1992 eine zivilgesellschaft- liche Initiative eingesetzt hatte, am Rande des Berliner Tiergartens zu sehen. Das von den Künstlern Ingar Dragset und Michael Elmgreen entworfene Denkmal steht auf der anderen Straßenseite des 2005 ein- geweihten Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Die „2.712te Stele“ (Baunetz, 2.5.2006)1 ist in ihrer Formgebung direkt an die von Peter Eisenman entworfene Stelenlandschaft angelehnt. Auch Dragset und Elmgreen haben eine hellgraue Betonstele entworfen, die gleich- wohl wuchtiger ist und zugleich leicht kippt. Ein Guckfenster ermög- licht den Blick auf ein Video, das zwei sich im Park küssende Männer zeigt. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homose- xuellen ist Teil einer Erinnerungslandschaft, die nach dem Fall der 1 http://www.baunetz.de/architekten/wiewiorra_hopp_schwark_architekten_ baunetz_1355319.html (30.01.2017). 10 | DAS DENKMAL FÜR DIE VERFOLGTEN HOMOSEXUELLEN Berliner Mauer grundlegend um- und neugestaltet wurde. Zwischen den neu errichteten Bauten des Hauptbahnhofs, Bundeskanzleramts und Potsdamer Platzes spannt sich ein unübersichtlicher Bogen, der von offiziellen Erinnerungsorten (Gebäude, Denkmäler, Straßennamen, Informationstafeln) und kommerziellen historischen Reminiszenzen (Souvenirläden, Straßenperformances, „Trabi-Verleih“) durchwoben ist. Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist da- rauf, dass im Großen Tiergarten fast 100 „Mahnmale“ und „Kunst- denkmale“ zu sehen seien.2 Darunter finden sich Tierskulpturen ebenso wie historische Figuren (Denkmäler für Goethe, Haydn/ Mozart/ Beethoven, die Amazone zu Pferde, König Friedrich Wilhelm II, Richard Wagner, die 96 ermordeten und verschleppten Reichstagsab- geordneten und „den Krieger, der sich von seiner Familie verabschie- det, in den Krieg zieht, kämpft und zurück kehrt“). Das 2012 eröffnete Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma sowie der 2014 eröffnete Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde sind weitere Manifes- tationen nationaler Erinnerungspolitik. Die dichte Matrix dieser offizi- ellen und nicht-offiziellen Erinnerungspunkte innerhalb des Stadtvier- tels stellt ebenso eine Einzigartigkeit dar, wie der Umstand, dass die Gegend zwischen Spreebogen und Sony-Center zugleich politisches Zentrum des Landes und magischer Anziehungspunkt des Städtetou- rismus ist. Dies bedeutet auch, dass viele dieser Erinnerungspunkte von Tourist*innen eher zufällig entdeckt und beiläufig betrachtet werden. 2 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/berlin_tipps/grosser_tiergarten/de/ sehenswertes/index.shtml (30.01.2017). EINLEITUNG | 11 Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen Foto: Moritz Meißner *** Das Denkmal und die Umgebung LENNART GARBES UND JOHN PREUSS Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen be- findet sich im Bezirk Berlin-Mitte am östlichen Rand des Großen Tiergartens. Der östliche Teil des Berliner Tiergartens wird vom Bundeskanzler*- innenamt, dem Reichstagsgebäude, dem Potsdamer Platz und der Berliner Philharmonie eingerahmt. An seinem Rand begrenzt die vierspurige Ebert- straße, vorbeiführend am Brandenburger Tor und dem Denkmal für die er- mordeten Juden Europas, die Parkanlage. Das Denkmal für die im National- sozialismus verfolgten Homosexuellen steht an einem kleinen, circa 40 Me- ter langen Schotterweg, der die vierreihige Lindenpromenade an der westli- chen Straßenseite der Ebertstraße mit dem östlichsten Rundweg innerhalb des Tiergartens verbindet. An der rechten Seite des Eingangs zum Verbin- 12 | DAS DENKMAL FÜR DIE VERFOLGTEN HOMOSEXUELLEN dungsweg, etwas über dem Boden und umgeben von wegbegrenzenden Büschen befindet sich eine Informationstafel aus Metall. Eine weitere längli- che Informationstafel, die auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen hinweist und auf der eine kurze Geschichte der Verfolgung skizziert wird, steht auf der Lindenpromenade etwas südlich des Eingangs des Schotterwegs. Gegenüber der Einmündung des Verbin- dungsweges, an dem sich das Denkmal befindet, auf der anderen Seite der Ebertstraße, endet die süd-westliche Ecke des Stelenfeldes des Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Die beiden Straßenseiten sind über eine Fußgänger*innenampel miteinander verbunden. Von der Ebertstraße aus betrachtet, führt der Verbindungsweg zum Denkmal durch eine kleine Lichtung. Der helle Schotterweg ist zunächst beidseitig durch Büsche eingegrenzt, öffnet sich aber nach dem ersten Drit- tel an beiden Seiten zu den kleinen, baumfreien Rasenflächen, welche die Lichtung ausmachen. Hinter dem Denkmal mündet der Verbindungsweg in den östlichsten Rundweg des Tiergartens, der Richtung Norden zu einem Goethe-Denkmal und dann zum Brandenburger Tor und gen Süden in den süd-östlichen Teil des Parks weiterführt. Die Weggabelung wird abgesteckt durch zwei Baumgruppen, die vor der Einmündung in den Tiergartenrund- weg stehen. Zusätzlich ist dort eine Karte angebracht, auf der neben dem Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen auch an- dere Denkmäler und Sehenswürdigkeiten im östlichen Teil des Tiergartens verzeichnet sind. Hinter dem Denkmal kürzt ein Trampelpfad die Weggabe- lung in Richtung Süden ab und führt direkt vom Denkmal in Richtung des südlichen Tiergartenrundwegs. Ebenso versteckt integriert sich ein Schein- werfermast in das Waldstück, das die Lichtung im Süden begrenzt, von dem aus das Denkmal bei Nacht angeleuchtet wird. Vom Rundweg im Tiergarten kommend fällt der Blick zuerst auf die Rückseite oder die rückwärtige