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MainSeite 2.934 Bildhauerkunst 3 Seiten, 13'193 Wörter, 93'837 Zeichen Bildhauerkunst (Bildnerei), im weitern Sinn die Kunst, aus gewissen festen, mehr oder weniger harten Stoffen, wie Thon, Elfenbein, Stein, Erz, Menschen- und Tiergestalten und andre Gegenstände körperlich nachzubilden. Hinsichtlich des dazu verwendeten Materials sowie der Art, wie dasselbe zu Bildwerken verarbeitet wird, zerfällt die Bildnerei in die Bildhauerkunst im engern Sinn (Skulptur), welche ihre Werke mit Schlägel und Meißel aus dem harten Stoff, namentlich Stein, heraushaut; in die Formkunst (Plastik), welche ihre Gegenstände aus weichern, aber später sich verhärtenden Stoffen bildet; in die Bildgießerei, welche aus schmelzbaren Stoffen, namentlich Metallen, mittels Gießens derselben in Formen plastische Werke schafft; in die Kunst des Ziselierens und Treibens (Toreutik), welche dehnbare Metalle mittels des Hammers und der Punze zu Kunstsachen verarbeitet; in die Steinschneidekunst, welche auf edlen Steinen mittels Schleifens erhabene oder vertiefte Gebilde hervorbringt, und in die Stempelschneidekunst, welche Ähnliches mittels des Grabstichels in Metallen zum Ausprägen von Münzen bewirkt. Die Werke der eigentlichen Bildhauerkunst sind entweder runde oder solche Figuren, deren Formen von allen Seiten sichtbar sind, wie ganze Körper, Büsten, Vasen etc., oder halbrunde Figuren, welche nur von einer Seite zu betrachten sind und mit der andern auf einer Fläche festsitzen, aus der sie hervorragen (Reliefs). Erstere sind entweder selbständige Kunstwerke, oder sie gehören als Teile zu einem größern Ganzen; letztere dienen zur schmuckvollen Ausstattung größerer Werke der Baukunst und Skulptur und stehen zu diesen in einer der in ihnen ausgesprochenen Idee sich anschließenden symbolischen oder rein dekorativen Beziehung. Die Begriffe Skulptur, Plastik und Bildhauerkunst werden übrigens meist als gleichbedeutend gebraucht. Technisches. Die technische Hervorbringung eines Werkes der Bildhauerkunst zerfällt in die Herstellung des Modells und in dessen Ausführung in dem dazu bestimmten Material, also in Holz, Sandstein, Marmor, Bronze. Beide Akte fallen nur bei Werken von Thon, die im Ofen gebrannt werden sollen und nicht zur Vervielfältigung bestimmt sind, zusammen; bei Werken aus gegossenem Metall ist der erste Akt die Voraussetzung des zweiten, während bei Werken von hartem Stoff, wie Holz oder Stein, die Herstellung eines Kunstwerkes ohne vorherige Modellierung wohl möglich, aber nicht bequem ist. Zwar arbeiteten die Griechen und unter den Neuern Michelangelo vielfach ohne Modell, sondern nur nach einer kleinen Skizze; indessen hat diese Art des Arbeitens, namentlich bei Michelangelo, zur Folge gehabt, daß derselbe von dem zu bearbeitenden Material an manchen Stellen zu viel weggehauen, sich »verhauen« hat. Die eigentlich künstlerische Produktion des Bildhauers besteht eben in der Herstellung des Modells, wobei ein gezeichneter erster Entwurf oder eine kleine Thonskizze vorliegt. Man bedient sich dabei einer leicht zu bearbeitenden Masse, am häufigsten eines fein geschlämmten, von sandigen Bestandteilen gereinigten, plastischen Thons, dem man durch Anfeuchten mit Wasser einen solchen Grad einerseits von Geschmeidigkeit und anderseits von Konsistenz gibt, daß er sich sowohl leicht formen läßt, als auch die ihm gegebene Form beibehält. In älterer Zeit pflegte man wohl vorher eine kleine Modellskizze in Wachs anzufertigen, die manchmal selbst das größere ausgeführte Thonmodell ersetzen mußte. Die Modellierung beginnt mit Herstellung der Formen im Groben und schreitet nach und nach zur Bildung der feinern Formen fort, wobei der Künstler infolge der Leichtigkeit, mit welcher das genannte Material geformt werden kann, jede in ihm aufsteigende Idee plastisch zu verkörpern und seine Arbeit durch beliebige Hinwegnahme des Materials oder Hinzufügung von solchem fort und fort zu ändern und zu bessern im mehr stande ist. Das vollendete, noch feuchte Thonmodell wird in Gips abgegossen, da der Thon beim Trocknen seine Form verändert. Hierauf schreitet der Künstler zum zweiten Teil seiner Aufgabe, zur Übertragung des im Modell fertig vor ihm stehenden Werkes in das bestimmte Material. Diese Arbeit gestaltet sich verschieden, je nachdem dieses Material sich mit schneidenden Werkzeugen behandeln läßt, wie Holz, Elfenbein oder Stein, oder mittels des Gusses in Metall ausgeführt werden soll. Über letzteres Verfahren s. Bronzeguß. Bei der Übertragung in Stein, besonders Marmor, wird folgendermaßen verfahren. Der Marmorblock, der im allgemeinen dieselben Dimensionen hat wie das Modell, wird auf einer soliden Grundlage so festgestellt, daß nicht die mindeste Verrückung zu befürchten steht. Um zu erfahren, wieviel man davon weghauen muß, wendet man die Methode des Punktierens an. Man stellt zu diesem Behuf Modell und Block möglichst nahe nebeneinander und bringt über jenem einen viereckigen, bis über die am weitesten vorspringenden Punkte der Figur übergreifenden Rahmen an, dessen Seiten in eine bestimmte Anzahl gleicher Teile eingeteilt werden, die man numeriert; sodann bringt man über dem Marmorblock, wenn die Statue ebenso groß wie das Modell werden soll, einen ebenso großen und auf dieselbe Weise eingeteilten, wenn die Statue aber kleiner oder größer werden soll als das Modell, einen verhältnismäßig kleinern oder größern Rahmen an. An allen Teilungspunkten läßt man

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Bleilote herabhängen, die dann feste Anhaltspunkte für die Übertragung eines jeden Punktes des Modells auf die richtige Stelle des Blockes abgeben. Man fängt bei den die Gestalt ihrem Umriß nach am allgemeinsten bezeichnenden Punkten (Leitpunkten) an, welche man am Modell durch kleine Messingnägel mit breitem Kopf zu bemerken pflegt. Diese Punkte werden dann auf den Block übertragen, indem man den horizontalen und vertikalen Abstand eines jeden Punktes von den Fäden mißt und diese Maße mit Bleistift auf die Flächen des Blockes überträgt. Hierauf mißt man die Entfernung jedes Punktes von dem entsprechenden Faden nach der Tiefe, bohrt an den bezeichneten Punkten des Blockes mit dem Marmorbohrer ebenso tief ein und schlägt dann die überflüssige Masse hinweg, so daß die Gestalt in den ihre Umrisse umgebenden ebenen Flächen herausgearbeitet wird. Dann fährt man in ähnlicher Weise fort, indem man am Modell immer mehrere der zwischen den Leitpunkten liegenden Punkte mit Bleistift bezeichnet, deren genau gemessene Abstände von den Fäden und Leitpunkten auf die Flächen der grob ausgehauenen Gestalt überträgt und bis zu der erforderlichen Tiefe einbohrt, dann abermals den überflüssigen Marmor abschlägt und so die Gestalt ihren Hauptzügen nach herausarbeitet. Durch Fortsetzung dieses Verfahrens und fortwährende Vermehrung der Punkte kann man die Statue bis zu der Feinheit bringen, daß zuletzt der freien Überarbeitung, welche alles zwischen den Punkten stehen gebliebene Material zu entfernen hat, wenig zu thun übrig ist. Insofern aber die Arbeit des Punktierens eine durchaus mechanische ist, zu der weiter nichts gehört als zweckmäßige Auswahl der Punkte am Modell und Genauigkeit in der Messung und Übertragung derselben, ist sie nicht Sache des Künstlers, sondern wird bloß routinierten Arbeitern, Steinmetzen (ital. scarpellini), überlassen, häufig auch an Ort und Stelle des Marmorbruchs besorgt, wie z. B. in Carrara eine ganze Reihe von Werkstätten ist, worin Marmorstatuen für Bildhauer aller Orte in Punkte gesetzt werden. Dem Bildhauer bleibt somit nur die letzte Überarbeitung der Oberfläche übrig; bei dieser aber kommt es besonders auf fein ausgebildeten Formensinn an, wenn das Werk den Ausdruck individuellen Lebens erhalten soll. Ein andres, mehr auf wissenschaftlichen Prinzipien basiertes Verfahren ist in der neuesten Zeit in Aufnahme gekommen. Nach diesem bestimmt man mit Hilfe eines Instruments zuerst drei der erhabensten Punkte des Modells in ihrer gegenseitigen Distanz voneinander und ihrer verschiedenen Erhebung und bezeichnet dieselben Punkte nach Angabe desselben Instruments auf dem Stein, indem man so viel von seiner Oberfläche wegschlägt, bis man die genügende Tiefe erreicht hat. Von diesen drei Punkten gewinnt man sodann neue Punkte durch komplizierte Dreiecksmessungen, die man auf dieselbe Weise auf den Stein überträgt, und wiederholt dies so lange, bis alle wichtigern Punkte des Modells am Stein genau nach der Lage, die sie an jenem haben, angegeben sind. Man bedient sich dabei eines Krumm- oder Tasterzirkels. Hierauf beginnt erst die eigentliche Ausarbeitung des Steins, zuerst ins Grobe, dann feiner und ins Detail. Bei der Arbeit bedient man sich hauptsächlich verschiedener Arten von Meißeln, glättet dann mit Raspel und Feile und poliert zuletzt mit Bimsstein, Zinnasche, Schmirgel und Fischhaut. Vgl. Stegmann, Handbuch der Bildnerkunst (Weim. 1884); Uhlenhuth, Das plastische Kunstwerk (Berl. 1870); Derselbe, Anleitung zum Formen und Gießen (Wien 1879). Geschichte der Bildhauerkunst. (Vgl. die Tafeln »Bildhauerkunst I-X«, mit Übersichtstabelle.) Die ersten Anfänge der Bildhauerkunst verlieren sich im Dunkel der Urzeit und erscheinen als formlose Gedächtniszeichen, die, nicht von Menschenhänden umgestaltet, sich als ein der Nachwelt überliefertes Andenken an Personen und Ereignisse noch auf den ehemaligen Schauplätzen der vergangenen Weltgeschichte vorfinden. Derartige Denkmäler sind die Monolithen Asiens, Afrikas und Amerikas, die keltischen Steinpfeiler der Bretagne etc. Charakteristische Versuche plastischer Darstellung sind uns in Denkmälern auf mehreren Inseln des Großen Ozeans, namentlich auf Rapanui und Hawai, erhalten. Eine höhere Stufe solcher Bildnerei nehmen die Werke der alten mittel- und südamerikanischen Völker, besonders die der Mexikaner, ein, deren frühste aber erst nach Christi Geburt entstanden sind. Man versuchte es, die Gottheit in menschlicher Gestalt darzustellen, was gewöhnlich zu wundersamen Bildungen führte, wozu allerdings das Streben, das Mächtige und Gewaltige der Gottheit darzustellen, nicht wenig beitragen mochte. Zahlreiche derartige Denkmäler finden sich zu Jochicalco, Palenque, Papantla, Tehuantepec und sonst (s. Tafel »Baukunst I«, Fig. 1-3). Die Bildhauerkunst des Orients. Unter den Kulturvölkern findet sich bei den Ägyptern die älteste Ausbildung der Bildhauerkunst. Sie stand hier in enger Beziehung zur Architektur. Vor allem gilt hier das System der Polychromie, welches man fast überall in der ägyptischen Plastik berücksichtigt findet. Die tief geschnittenen, manchmal auch flach erhabenen Reliefs heben sich durch die Behandlung mit Farbe und gewinnen dadurch den Schein des Lebens, in dessen Nachahmung das Prinzip der Bildhauerkunst liegt. Die Bildwerke der alten Ägypter sind in einem Grad wie keine andern für die Kenntnis der Geschichte des

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1. Relief aus Damanhur. 1500 v. Chr. Ägyptisch. 2. Sphinx aus Theben 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch (). 3. Relief aus Theben 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch. 4. Relief aus Abu Simbal (König seine Feinde tötend). 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch. 5. Löwe an der Kapitolstreppe in Rom. 1500-1200 v. Chr. Ägyptisch. 6. Relief aus Nimrud (König auf der Jagd) 930-900 v. Chr. Assyrisch (London). Reliefs aus Nimrud 930-900 v. Chr. Assyrisch. 7. Gestalt des Königs. 8. Geflügelte adlerköpfige Gestalt. 9. Portalfigur aus Chorsabad, 750-700 v. Chr. Assyrisch (Paris).­ 10. Relief aus Persepolis 521-467 v. Chr. Persisch (London). 11. Relief aus Persepolis (Tribut Darbringende) 521-467 v. Chr. Persisch. 12. Relief aus Ellera (Darstellung Siwas) nach 150 v. Chr. Indisch. 13. Relief aus Elefanta (Siwa und Parwati). Nach 250 v. Chr. Indisch. 14. Göttin der Schönheit. Bangalor. Nach 250 v. Chr. Indisch. 15. Elfenbein-Relief aus Corneto (Oriental. Einfluss). Etruskisch. 16. 1. Westliche Giebelgruppe von Ägina. ca. 490 v. Chr. München. 2. Der Diskuswerfer. Nach Myron, um 470 v. Chr. Rom. 3. Vom Fries des Parthenon. Schule des Phidias, 5. Jahrh. London. 4. Kopf aus attischer Schule. Paris. 5. Eirene mit dem Plutoskinde. Nach Kephisodotos. München. 6. Aphrodite von Melos. Paris. 7. Niobe. Mittelfigur der großen Gruppe in Florenz, um 350 v. Chr. 8. Laokoongruppe von Agesander, Athenodoros u. Polydoros. Rom. 9. Der Farnesische Stier von Apollonios u. Tauriskos. Neapel. 10. Ludovisische Galliergruppe. Pergamenische Schule. Rom. 11. Zeusbüste von Otricoli. Rom. 12. Kopf der Hera (Juno Ludovisi). Rom. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. Kopf der Deidameia. Vom Westgiebel des Zeustempels zu Olympia. 2. Kopf des Apollon. Vom Westgiebel des Zeustempels zu Olympia. 3. Nike von Paionios (Olympia). 4. Ostgiebel vom Zeustempel zu Olympia. Wettstreit zwischen Pelops und Oinomaos. Nach der Restauration von Grüttner. 5. Hermes mit dem Dionysosknaben (Olympia). Ergänzt von Fr. Schaper. 6. Herakles, Atlas und eine Hesperide. Metope vom Zeustempel zu Olympia. 7. Bronzekopf eines olympischen Siegers. 8. Zeus im Gigantenkampf (Pergamon). Nach der Ergänzung von Tondeur. 9. Athene im Gigantenkampf (Pergamon). Nach der Ergänzung von Tondeur. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. Knabe mit der Gans. Etruskisch. Leiden. 2.-4. Griechisch-römische Werke. 2. Der tanzende Faun. Neapel. 3. Wein-Kanne. Neapel. 4. Faun m. d. Bacchuskind. Neapel. 5. Mediceische Venus (Griech.-röm.). Kleomenes. Florenz. 6. Apollo von Belvedere (Röm.). Rom. 7. Borghesischer Fechter. Agasias. Paris. Griech.-römisch.

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8. Herakles Farnese. Glykon. Griech.-römisch. Neapel. 9. Jugendlicher Centaur von Aristeas u. Papias. Rom. Griech.-römisch. 10. Augustus. Römisch. Rom. 11. Balbus (Röm.). Neapel. 12. Ältere Agrippina (Röm.). Rom. 13. Porträtartige Juno-Statue. Römisch. Rom. 14. Relief vom Titusbogen. Rom. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. Petrus. Altchristlich. Rom. 2. Sarkophag des Junius Bassus. Altchristlich. Rom. 3. Relief der Externsteine. Byzant.-roman. Epoche, ca. 1115. 4. 5. Goldene Pforte zu Freiberg. Frühgot. Epoche. 13. Jahrh. 6. Tod der Maria. Strassburg. Frühgot. Epoche. 13. Jahrh. 7. Mosesbrunnen zu Dijon von Claux Sluter, ca. 1400. 8. Grabmal zu Chichester. Spätgot. Epoche. ca. 1400. 9. Relief des Nic. Pisano. Ital. Bildnerei. 13. Jahrh. Lucca. 10. Relief des Jacopo della Quercia. ca. 1430. 11. Relief des Ghiberti, von der zweiten Thür des Baptisteriums zu Florenz. 1427-1447. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. St. Margareta. Um 1361. Frauenkirche zu Nürnberg. 2. Chlodwig am Schönen Brunnen zu Nürnberg, von Heinrich dem Balier 1385-96. 3. Marienbild von Veit Stoss ca. 1438-1533. Nürnberg. 4. Maria. Holzschnitzwerk in der Kunstschule zu Nürnberg. 5. Christuskopf aus der Lorenzer Kirche in Nürnberg. 6. Maria von Adam Kraft ca. 1440-1507. Nürnberg. 7. Christus von Adam Kraft. VII Stationen. Nürnberg. 8. Peter Vischers Porträtstatue am Sebaldusgrab zu Nürnberg. 9. Apostel Paulus von Peter Vischer +1529. Nürnberg. 10. Karyatide am Rathaus zu Amsterdam von Quellinus 1609-1668. 11. Madonne del Fiore von Giov. Pisano. ca. 1280. Florenz. 12. St. Sebastian von Civitali Lucca 1435-1501. Lucca. 13. Pharisäer von Rustici. 1470-1550. Florenz 1511. 14. Taufe Christi von Andrea Sansovino 1460-1529. Florenz 1500. 15. Pietà von Michel Angelo 1475-1564. Rom 1499. 16. Frauenkopf von Begarelli +1565. Modena. 17. Raub der Sabinerin von Giov. Bologna 1524-1608. Florenz. 18. Merkur von Giov. Bologna. Florenz. 19. Gruppe an dem Grabmal der Erzherzogin Christina zu Wien 1805 von Canova 1757-1822. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. 2. Thorwaldsen. Aus dem Alexander-Zuge. Rom, 1811. 3. Rietschel (1804-1860). (Orest von den Furien verfolgt) (früher am Giebelfeld des durch Brand zerstörten Dresdner Theaters) 4. Schwanthaler. Die Hermannsschlacht im nördlichen Giebelfelde der Walhalla. München, 1835. 5. Kiss. Amazone. Berlin, 1843. 6. A. Wolff. Kampf mit dem Löwen. Berlin, 1840. 7. Drake. Nike den Sieger krönend. Berlin, 1853. Zum Artikel »Baukunst«. 1. Rauch. Grabdenkmal der Königin Luise. Charlottenburg. 1813. 2. Rauch. Viktoria in der Walhalla. 1833.

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3. Rauch. 1777-1857. Denkmal Friedrichs d. Gr. in Berlin. 1851. 4. Bläser. Athene den Jüngling in die Schlacht führend. Berlin, 1853. 5. Hähnel. Raffael. Dresden. 6. Fernkorn. St. Georg. Wien, 1852. 7. Hofer. Rossebändiger. Stuttgart, 1848. 8. v. Clodt. Rossebändiger. Berlin 1842. 9. Gibson. Grabmal d. Herzogin v. Leicester zu Longford 1852. 10. Macdowell. Der wachende Traum. 1853. 11. Macdonald. Odysseus. 1855. 12. Fraikin. Der gefangende Cupido. 1851. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. Wagner 1773-1858. Giebelfeld der Glyptothek zu München. 2. Drake. Fries vom Denkmal Friedrich Wilhelms III. Berlin. 1850. 3. Rietschel. Lessing-Statue in Braunschweig. 4. Rietschel 1804-1860. Luther-Statue in Worms. 5. Schilling. Abend. Dresden. 6. Schilling. Nacht. Dresden. 7. Zumbusch. Denkmal Maximilians II. München. 8. Fedi. Raub der Polyxena. Florenz. 1865. Zum Artikel »Bildhauerkunst«. 1. Flora von F. Barzaghi (Mailand). 2. Neapolitanischer Improvisator von F. Duret (Paris). 3. Relief vom Gräfe-Denkmal in Belrin, von R. Siemering. 4. Gänsedieb von R. Diez (Dresden). 5. Jenner, einen Knaben impfend, von G. Monteverde (Genua). 6. Die Kunstindustrie von C. Kundmann (Wien). 7. Der Schwur des Spartacus von E. Barrias (Paris). 8. Goethe-Denkmal in Berlin, von F. Schaper. 9. Denkmal der Grafen Egmont und Hoorn in Brüssel, von A. Fraikin. 10. Caritas von P. Dubois (Nantes). 11. Der Raub der Sabinerin von R. Begas (Berlin). 12. Charlotte Wolter von V. Tilgner (Wien). 13. Pietà von G. Dupré (Siena). 14. Büste vom Liebig-Denkmal in München, von M. Wagmüller. 15. Der Tanz von J. Bildhauerkunst Carpeaux (Paris). Zum Artikel »Bildhauerkunst«. mehr sozialen wie des häuslichen Lebens des Volkes lehrreich; sie geben eine vollständige plastische Chronik. Der Glaube an den strengen Ernst der pharaonischen Zeit schwindet beim Anblick der frischen, heitern Darstellungen aus dem Leben und Treiben des merkwürdigen Volkes, bei dem selbst der Tod seine Schrecken verliert. Fast alle Gegenstände des häuslichen und öffentlichen Lebens, die uns der Wüstensand vielfach in tadellosem Zustand unter seiner Hülle erhalten, sind geschmackvoll und mit seltener Fertigkeit geziert; in sinnreicher Weise sind Vasen, Deckel, Henkel mit tierischen Gestalten, bezüglichen Attributen versehen. Die Gerätschaften des Hauses, der Schmuck der Frauen, Ketten, Spangen etc., tragen alle den Stempel eines wohlgebildeten Geschmacks und technischer Meisterschaft. Die Ornamentik an den öffentlichen Gebäuden, Tempeln etc. ist reich und bedeutungsvoll und, wie die bemalten Reliefs, unter dem Einfluß der textilen Kunst entstanden. Während für die Haltung des menschlichen Körpers bis in die spätern Zeiten hinein ein Typus starrer Gebundenheit, ein statuarischer Kanon maßgebend war, entwickelte sich schon im alten Reich (bis 2100 v. Chr.) in der Behandlung der Köpfe ein Streben nach Naturwahrheit, welches allmählich bis zur realistischen Porträtbildnerei gelangte. Im neuen Reich (von 1600 an) machte die ägyptische Bildhauerkunst wieder einen Rückschritt zu dem durch die Architektur bedingten Typus, obwohl sie in Bezug auf den Umfang und die Großartigkeit der

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Arbeiten unter Ramses II. (1394-28) ihren Höhepunkt erreichte. Zu den bedeutsamsten Gebilden der ägyptischen Bildhauerkunst gehören die Darstellungen von Tieren, namentlich die Reihen der Sphinx- oder Widderkolosse, welche den Zugang zu den großen Tempelbauten bilden. Die Hauptstätten dieser Kunstentwickelung (beginnend um 3000 v. Chr.) sind Memphis und Theben (Karnak, Luksor und Medinet-Habu). (S. Tafel »Bildhauerkunst I«, Fig. 1-5.) Die assyrisch-babylonische Kunst reicht nicht in das Alter der ägyptischen zurück und schließt bereits im 6. Jahrh. Von der babylonischen Bildhauerkunst wissen wir wenig. Die Blüte der assyrischen fällt in die Zeit vom 9. bis 7. Jahrh. v. Chr. Der ältere Stil war ein ernster, strenger und offenbart sich namentlich an den Denkmälern von Nimrud, während der jüngere Stil, der in Chorsabad und Kujundschik vertreten ist, äußerlich reicher ist. Nachdem schon 1811 C. J. ^[Claudius James] Rich genauere Nachrichten über die Ruinen von Babylon gegeben hatte, folgten rasch nacheinander, namentlich durch die Bemühungen Bottas, Layards und Places, die Ausgrabungen bei Chorsabad, Nimrud und Kujundschik etc. Auch hier sind Malerei und Bildnerei die Begleiterinnen der Baukunst, und die Polychromie kam, wie bei den Ägyptern, durchgehends zur Anwendung. In Babylon, wo das passende Material fehlte, scheint man sich mit gemalten Darstellungen geschichtlichen oder religiösen Inhalts auf glasierten und emaillierten Ziegeln begnügt zu haben, während man in Ninive, in dessen Nähe sich große Alabasterbrüche befanden, die Bildnerei sorgsam pflegte. Statuen sind selten ausgeführt worden. Merkwürdig sind die Darstellungen von Mannlöwen, Mannstieren, die so angebracht waren, daß die Seitenansicht ihres Leibes die Tiefe des Portals bildete, Kopf, Brust und Vorderbeine, von vorn gesehen, aber aus der Fassade herausschauten. Von in Reliefs dargestellten Gegenständen finden sich löwenbezwingende Helden, Genien, geflügelte, mit Tierköpfen versehene Gestalten, vor allen aber Königsbilder, von Wagenlenkern und Waffenträgern umgeben und von den Wagen Pfeile gegen den Feind entsendend. Die Darstellung der Thaten, Züge, Triumphe und Jagden dieser Könige bietet ein reiches Feld für den Geschichtsforscher und Ethnographen. Auch die kleinern Darstellungen in Bronze, die Schmuckgegenstände, die Verzierungen an Waffen und häuslichen Gerätschaften, von denen viele in Chorsabad aufgefunden wurden, zeigen die außerordentliche Technik und den Formensinn der assyrischen Künstler. Der knappen ägyptischen Formengebung gegenüber erscheint die der assyrischen Bildhauerkunst weich, manchmal sogar plump; die ganze Auffassung aber ist frischer und lebendiger und die Darstellung dramatischer. Beispiele der ersten Blüte s. Tafel I, Fig. 6-8, der zweiten Fig. 9. Die persische Bildhauerkunst steht, wie die ganze Kunstanschauung, in enger Verwandtschaft mit der assyrischen. Der Portalschmuck, die Mannstiere, die Verkleidung der Kammern mit Reliefplatten sind ihrem Inhalt wie ihrer Ausführung nach mit den Arbeiten in Ninive fast identisch, wenigstens mit denen der jüngsten assyrischen Kunstperiode. Das Blütezeitalter der persischen Bildhauerkunst fällt in die Zeit des Darius Hystaspes und Xerxes (521-467 v. Chr.). Hierher gehören die Denkmäler von Murghab (dem alten Pasargadä) und Merdascht (Persepolis), s. Tafel I, Fig. 10 u. 11. Nirgends tritt in ihnen die Absicht hervor, das einzige zufällige Faktum im Bild festzuhalten; das Einzelne hat hier seine Bedeutung nur im Ganzen, und das Ganze soll nicht etwa den Darius oder Xerxes in ihrer königlichen Macht darstellen, sondern umgekehrt unter dem Bilde des einen oder des andern Fürsten die Bedeutsamkeit, die Kraft, die Macht, die Weisheit der königlichen Herrschaft an sich. Auffassung und Formengebung entsprechen der assyrischen, nur in der Gewandung zeigt sich ein gewisser Fortschritt. Von der Kunst des westlichen Asien ist wenig zu berichten. Die Phöniker und Juden hatten keine selbständige Bildhauerkunst. Die erstern hatten assyrische und ägyptische Elemente der Bildhauerkunst miteinander verschmolzen und sind insofern von großer Bedeutung, als sie dieselben den Griechen vermittelten. Die Bildhauerkunst Kleinasiens wurde von assyrischen und griechischen Einflüssen beherrscht, ebenso wie die cyprische, welche durch die Ausgrabungen Cesnolas bekannt geworden ist und eine Entwickelungszeit von einem Jahrtausend umfaßte. Im östlichen Asien treten die Inder bedeutsam hervor. Auch ihre Bildhauerkunst steht, wie die der Ägypter, in engem Zusammenhang mit der Architektur. Ihrer phantastischen Religion entsprachen ihre Bildwerke, welche meistens religiöse sind. Gewöhnlich finden wir die Häufung von Gliedern, Köpfen, Armen und Beinen sowie die Mischung von Tier- und Menschengestalt. Die menschlichen Gestalten sind weich bis zur Üppigkeit und anmutig bis zur Ziererei. Bedeutende Skulpturen finden sich zu Mahamalaipur, Orissa, Ellora, Salsette, Elephanta etc. (s. Tafel I, Fig. 12 u. 13). Sehr charakteristisch für die indische Bildhauerkunst ist die Darstellung der Lakschmi, der Göttin der Schönheit (s. Tafel I, Fig. 14). Die chinesische Bildhauerkunst nähert sich in religiösen Darstellungen der indischen. Daneben zeigt sich in der Darstellung des gewöhnlichen Lebens eine höchst nüchterne Auffassung, welche jedes künstlerischen Schwunges entbehrt. Die ältesten uns erhaltenen Denkmäler Indiens gehen nicht weiter als bis in die Mitte des 3. Jahrh. v. Chr. zurück, die chinesischen kaum weiter als bis in die Mitte des 1. Jahrh. n. Chr. Die Bildhauerkunst der Griechen. Ihre höchste Entwickelung hat die Bildhauerkunst des Altertums erst bei den Griechen

Seite 6 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 gefunden. Die Anlage mehr des altgriechischen Volksgeistes, welcher seine Vorstellungswelt durchaus in den Grenzen reiner Menschlichkeit hielt und auch das Göttliche nur durch Läuterung und Steigerung der menschlichen Form darzustellen suchte, gab den geeignetsten Boden für eine gesunde Entwickelung der Plastik. In ihren Anfängen stand die bildende Kunst der Griechen unter dem Einfluß der asiatischen (Löwenthor von Mykenä, s. Tafel I, Fig. 16; Funde von Cypern und Mykenä), gelangte aber bald zu eigenartiger Erfassung ihrer Aufgaben. Die älteste Kunst, von der wir hören, diejenige, welche in den Homerischen Gedichten erwähnt wird, hat noch einen wesentlichen dekorativen Charakter, das Kultusbild ist noch nicht Hauptgegenstand der Plastik. Die Lücken der Überlieferung füllt die Sage aus, die von kunstfertigen Dämonen (Cyklopen, Gastrocheiren, Daktylen, Telchinen) mancherlei zu berichten weiß. In der Gestalt des allerorten thätigen Dädalos vereinigt sie die Leistungen menschlicher Handfertigkeit, andre gleichfalls mythische Personen (Trophonios und Agamedes, Peirasos, Eupatamos), deren Namen zumeist sinnvoll erfunden sind, reihen sich ihnen an. Erst seit der Mitte des 7. Jahrh. treten bestimmte Schulen hervor, so die von Chios (Marmorarbeiten, Glaukos erfindet die Lötung des Eisens), Samos (Theodoros und Rhökos erfinden den Erzguß), Kreta und Ägina. Die aus dieser Zeit erhaltenen Überreste sind sehr gering. Die bedeutendsten sind: die Statuen an der heiligen Straße von Milet, das Harpyienmonument zu Xanthos, der Fries vom Tempel zu Assos, die Apollonstatuen von Thera, Orchomenos und Tenea, die altspartanischen Stelenreliefs und die Metopen von Selinunt. Alle diese Denkmäler zeigen trotz ihrer Altertümlichkeit und Steifheit Streben nach individueller und naturgemäßer Durchführung. Mehr noch ist dies der Fall in der Periode nach der 60. Olympiade. Dieser alte Stil zeigt sich vornehmlich in der Starrheit der Gestalt, die nur sehr langsam überwunden wird, in der anfangs noch sehr wenig gelingenden Darstellung der einzelnen Körperteile, die indes nie nach traditionellem Schema, sondern auf Grund immer erneuter Naturbeobachtung gebildet werden, dann in der Behandlung der Gewandung, in welcher, sobald die ersten Schwierigkeiten überwunden sind, sich ein Streben nach streng regelmäßiger Anordnung der Falten (die Ränder in Zickzack gelegt) herausbildete. In der Wiedergabe der Körperformen gelingen zuerst die bestimmter geänderten Teile (Füße, Hände, auch die Kniee) am besten, allmählich auch die feinere Unterscheidung der Muskelpartien, während das Gesicht am längsten in jener maskenhaften Starrheit verbleibt, die der Künstler vergeblich durch übertriebene Hebung der Mundwinkel zu beleben sucht. Hervortretende, meist etwas einwärts gesenkte Augen, deren Lider kaum oder nicht richtig gesondert sind, zu hoch sitzende Ohren, starre, noch nicht geöffnete Lippen sind an ihm charakteristisch. Besonders treten in dieser Periode hervor die Schulen von Sikyon (Aristokles, Kanachos, welcher für Milet die Statue des Apollon fertigte, dessen Nachbildung man in einer Statuette des Britischen Museums vermutet), Argos (Ageladas, der Lehrer des Myron), Ägina (Glaukias, Anaxagoras, Kallon, Onatas), Athen (Endöos, Antenor, Hegias, Kritios und Nesiotes). Unter den erhaltenen Denkmälern stehen obenan die Giebelgruppen des Athenetempels zu Ägina (jetzt in der Münchener Glyptothek; s. Äginetische Kunst und Tafel II, Fig. 1), denen der sogen. Strangfordsche Jünglingstorso des Britischen Museums stilistisch nahesteht. Für die Schule von Athen (attische Schule), welche sich durch individuelle Empfindung auszeichnete, sind besonders bezeichnend der Torso eines kalbtragenden Hermes, das Relief einer wagenbesteigenden Frau, beide zu Athen gefunden, und eine Reihe von Grabstelen, deren besterhaltene von Aristokles herrührt. Die Gruppe der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton von den Künstlern Kritios und Nesiotes ist in einer statuarischen Wiederholung (zu Neapel) und verschiedenen Nachbildungen in Reliefs, Vasenbildern etc. auf uns gekommen. Von den Leistungen der verschiedenen außerhalb Attikas und Äginas thätigen Lokalschulen geben vereinzelte Bildwerke eine mehr oder weniger bestimmte Vorstellung. Für die böotische Kunst ist eine Anzahl von Grabreliefs, für die nordgriechische die Grabstele von Pharsalos charakteristisch. Eine eigentümliche Formenbehandlung zeigen die auf Melos und benachbarten Inseln des Archipels gefundenen Terrakottereliefs. Die erste Blüteperiode der griechischen Bildhauerkunst beginnt im zweiten Viertel des 5. Jahrh. v. Chr. In ihr findet das Streben nach vollkommener Herrschaft über die Körperformen im ruhigen und bewegten Zustand seinen Abschluß. Die Kunst vermag alles, was sie will, mit gleicher Sicherheit auszudrücken, und nur in der Wiedergabe erregter Empfindungen zieht sie sich eine Schranke, die erst die folgende Periode überschreitet. Indem sie nicht nach äußerlichen Formgesetzen, sondern, einem starken Gefühl für die organische Bedingtheit aller Form folgend, ihre Gestalten von innen heraus schafft, erreicht sie in ihren Werken jene Lebensfülle, jene Allgemeingültigkeit, welche sie über die Zufälligkeiten realer Existenz in den Bereich einer idealen Formenwelt erhebt. Eine gewisse Strenge in den Umrissen und in der Modellierung, welche dem Streben nach Anmut, nach Freiheit und Willkür in der Behandlung des Einzelnen aus dem Wege geht, haftet ihr als Erbteil der eben überwundenen Gebundenheit an. Daher ist dieser Stil, auch der hohe Stil genannt, für die Behandlung religiöser Stoffe, für die Schöpfung von Kultusbildern besonders befähigt. Zwei

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Hauptschulen sind in der Kunst dieser Zeit zu unterscheiden: die attische und peloponnesische; jene ist im allgemeinen mehr in den erhabenern Darstellungen der Götterwelt ausgezeichnet, diese mehr in den Darstellungen menschlich athletischer Schönheit. Athen nimmt in der Bildnerei eine bedeutsame Stellung ein; an den großen Monumenten, die in dieser Periode zu Athen ausgeführt wurden, mußte sich eine höchst zahlreiche Schule entwickeln. In Pythagoras von Rhegion (Statue des hinkenden Philoktet) und Kalamis (um die Mitte der 70. Olympiade thätig), dessen Werke sich durch eine gewisse Zierlichkeit und Anmut auszeichneten, und dem Erzbildner Myron (einem sehr vielseitigen Künstler), der Götter, Heroen, Athleten (besonders berühmt sein Diskoswerfer, der uns in mehrfachen Nachbildungen erhalten ist; s. Tafel II, Fig. 2) und Tiere mit gleicher Sicherheit darzustellen wußte, vollzieht sich der Übergang zur vollständig freien Kunst. Alle diese aber verdunkelte Phidias, der seinen Schöpfungen neben der vollendeten Formenschönheit eine unerreichte Ideenfülle einhauchte. Die zahlreichen Werke, welche er ausführte, zeigen ihn in den verschiedensten Gattungen der Bildhauerkunst thätig; aber die bei weitem größte Anzahl seiner Arbeiten bestand aus Götterbildern, und zwar war sein bedeutendstes Werk die Kolossalstatue des thronenden Zeus im olympischen Tempel, aus Gold und Elfenbein gebildet, dessen Gestalt wir auf Münzen von Elis sehen (die Zeusbüste von mehr Otricoli, s. Tafel II, Fig. 11, zeigt eine spätere Umbildung des Ideals). Als weitere Werke des Phidias werden die Bilder der Athene Parthenos und Athene Promachos, der Aphrodite Urania, der lemnischen Athene, des Apollon, eine Gruppe von Erzstatuen (die attischen Landesheroen, Athene und Apollon, dazu Miltiades), welche die Athener infolge des marathonischen Siegs nach Delphi weihten, u. a. genannt. Unter den Schülern des Phidias glänzen namentlich Alkamenes (Werke: Statuen des Dionysos, Asklepios, Ares, Hephästos, der Hera und der Aphrodite, Figuren des Westgiebels vom olympischen Zeustempel, neuerdings wiedergefunden; s. Tafel III, Fig. 1), Agorakritos (Nemesis zu Rhamnus) und Kolotes. Von den Leistungen eines Zeitgenossen, des Päonios von Mende, hat die Wiederauffindung eines Originalwerks, der Marmorstatue einer Nike in Olympia (s. Tafel III, Fig. 2), und der wohl nach seinen Entwürfen von untergeordneten Kräften ausgeführten Gruppe des Ostgiebels vom Zeustempel zu Olympia eine klare Vorstellung gegeben. Daneben blühte auch die Schule des Myron in Lykios, Kresilas, Strongylion u. a. weiter. Andre, wie Kallimachos und Demetrios, stehen mehr selbständig da. Eine nähere Anschauung, als wir durch die Berichte der alten Schriftsteller und durch die spätern Nachbildungen einzelner Meisterwerke von der Kunstbildung dieser Periode gewinnen, geben uns die zur Ausschmückung der Tempel gefertigten Skulpturen, von denen uns zahlreiche Beispiele erhalten sind. Sie führen die schönste Blüte der griechischen Kunst in ihrer wunderbaren Hoheit, in der lautern Einfalt ihres Stils, in der frischen, natürlichen Kraft, die ihr eigen ist, unsern Augen vor; sie, die noch nicht oder nur ausnahmsweise als Arbeiten der höchsten Meister betrachtet werden dürfen, lassen uns ermessen, welche Vollendung die letztern ausgezeichnet haben müsse. Diesen Tempelskulpturen, bei welchen übrigens die vom Orient übernommene Polychromie am umfassendsten durchgeführt wurde, sind sodann noch einige wenige Arbeiten verwandten Stils anzuschließen. Hierher gehören die Skulpturen mehrerer Tempel auf der Burg (Akropolis) von Athen, des Tempels der Nike Apteros, des Parthenons und des Erechtheions, ferner des sogen. Theseustempels in der Unterstadt und des Apollontempels zu Bassä (Phigalia) in Arkadien, des olympischen Zeustempels, Skulpturen, die sich noch teilweise erhalten haben und jetzt sich teils in Athen, teils im Britischen Museum befinden. (Probe vom Parthenonfries s. Tafel II, Fig. 3; daselbst, Fig. 4, ein Kopf aus attischer Schule.) Während in der attischen Kunst frühzeitig ein idealer Zug hervortritt, eine Neigung für schwungvollere, feinere Formen, wodurch sie von selbst dazu geführt wurde, religiöse Stoffe, das Kultusbild vor allem, zu bevorzugen, haftet der bildenden Kunst im Peloponnes ein mehr formalistischer Charakter an; die vollkommenste Durchbildung der Körperformen, die Feststellung eines normalen Ebenmaßes der Verhältnisse wird höchste Aufgabe der Kunst, die das Problem nicht in bewegten Kompositionen, in bedeutungsvollen Vorwürfen, sondern in der Darstellung ruhiger, stehender Jünglingsfiguren zu behandeln liebte. So werden Erzstatuen von Siegern in den Olympischen und andern Spielen ein Hauptgegenstand der peloponnesischen Plastik. In ihnen zeichnete sich auch der Hauptvertreter derselben aus, der Führer der sikyonisch-argivischen Schule, Polykletos von Sikyon (ca. 450-410 v. Chr.). Unter seinen Werken verdienen das Kolossalbild der Hera im Tempel von Argos, von dessen Kopftypus uns der schöne Herakopf zu Neapel, aber nicht der bekannte der Hera Ludovisi (s. Tafel II, Fig. 12), eine Vorstellung gibt, Statuen des Hermes, des Zeus, des Herakles und andrer Götter und Heroen, vor allen aber seine zahlreichen Standbilder aus dem Athletenkreis Erwähnung. In einer der letztern Figuren, dem Speerträger (Doryphoros), schuf er eine Normalgestalt des Jünglingskörpers, die andern Künstlern als Muster diente und daher den Beinamen Kanon erhielt. Sowohl von dieser als von dem sogen. Diadumenos, der Statue eines Jünglings, der sich die Siegerbinde um das Haupt schlingt,

Seite 8 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 sind uns Nachbildungen erhalten, in denen sich die eigentümlich schweren, gedrungenen Formen des Polykletischen Stils ausprägen. Eine große Anzahl von Künstlern gruppiert sich um diesen Meister. Der bedeutendste von ihnen war Naukydes von Argos, der Götter- und Athletenstatuen schuf und seinerseits Schüler (Polyklet den jüngern, Alypos) heranbildete. In der zweiten Blüteperiode der griechischen Bildhauerkunst ist zunächst wiederum die Schule von Athen bedeutend. Sie bleibt insofern ihrer frühern Richtung getreu, als es auch in dieser Zeit vorzugsweise die Gestalten der idealen Welt, die Kreise der Götter- und der Heroenmythen sind, in denen ihre Leistungen sich bewegen. Aber die großen Veränderungen im griechischen Leben, welche durch den Peloponnesischen Krieg hervorgerufen worden waren, bewirkten auch in der bildenden Kunst eine wesentlich verschiedene Auffassung und Behandlung. Ein tiefer erregtes Gefühl, eine mehr innerliche Leidenschaft, ein stärkeres Pathos oder eine feinere Empfindung, ein Zurücktreten des strengen Ernstes der Auffassung hinter einer weichern Anmut machen sich jetzt in den Gebilden der Kunst bemerklich. Demgemäß treten viele der früher behandelten Gegenstände, die den Ausdruck einer höhern Ruhe forderten, von dem künstlerischen Schauplatz zurück; und andre, in denen die neue Richtung sich angemessener ausdrücken konnte, rücken an ihre Stelle. In letzterer Beziehung sind namentlich diejenigen Gottheiten, deren Verehrung aus jener tiefern Erregung des Gefühls entspringt, Dionysos und Aphrodite, und der Kreis der Gestalten, die sich um sie bewegen (Eros, Silene, Satyrn und Mänaden), zu nennen: sie werden jetzt von den Meistern der athenischen Schule mit besonderer Vorliebe gebildet, und es wird ihnen das ganze Gepräge gegeben, welches denselben die ganze folgende Zeit der klassischen Kunst hindurch geblieben ist. Ebenso machen sich auch manche Veränderungen in der technischen Ausführung bemerklich. Es wird auf eine noch weichere, flüssigere Behandlung hingestrebt. Die glänzende Pracht der aus Elfenbein und Gold gebildeten Statuen verschwindet oder erscheint nur noch in vereinzelten Leistungen; auch das Erz ist weniger beliebt, dagegen wird das ebenmäßig klare Material des Marmors (von seiten der attischen Künstler) in den meisten Fällen angewandt, die Darstellung auf die eigentümliche Wirkung des Stoffes berechnet. Den Übergang von der ältern zur jüngern Schule bildet Kephisodotos, Praxiteles' Vater, von dessen Gruppe der Irene mit dem Plutoskind die Glyptothek zu München eine Nachbildung besitzt (s. Tafel II, Fig. 5). Als die bedeutendsten Meister dieser Schule werden Skopas und Praxiteles genannt. Skopas, aus Paros gebürtig und etwa 390-350 thätig, war Architekt und Bildhauer zugleich. So erbaute er den Tempel der Athene Alea in Tegea, einen der größten und prächtigsten im Peloponnes, und versah ihn zugleich mehr mit reichem plastischen Bilderschmuck. Mit den hervorragendsten Künstlern seiner Zeit (Leochares, Bryaxis, Timotheos u. a.) war er an der Ausführung des Mausoleions (Grabmal des Königs Mausolos von Karien) zu Halikarnassos beteiligt, dessen neuerdings ausgegrabene Reste jetzt dem Britischen Museum angehören. Von seinen Werken, denen ein hohes Pathos nachgerühmt wird, sind noch hervorzuheben ein Apollon als Kitharöde, eine Bacchantin und eine große Statuengruppe, welche die Überbringung der von Hephästos für Achilleus gefertigten Waffen darstellte. Die Gruppe der Niobe (s. Tafel II, Fig. 7) mit ihren Kindern wurde schon von den Alten bald ihm, bald dem Praxiteles zugeschrieben. Auch die berühmte Aphrodite von Melos (s. Tafel II, Fig. 6) hat man ihm zuschreiben wollen, doch ohne Wahrscheinlichkeit. Neben Skopas steht der etwas jüngere Praxiteles von Athen (380-340) als derjenige Meister, in welchem sich die neue Richtung der attischen Schule in ihrer ganzen Eigentümlichkeit am vollendetsten entwickelte. Jene Elemente einer schwunghaften Begeisterung, einer pathetischen Auffassungsweise, die bei Skopas hervortraten, machen bei ihm einer weichern Schwärmerei und einer zartern Sinnlichkeit Platz. Er vollendete das Ideal der Aphrodite, deren Reize er unverhüllt zur Anschauung brachte, und wußte in der Gestalt der Liebesgöttin den unmittelbaren Ausdruck der Liebe und schmachtenden Verlangens darzustellen. So war namentlich die berühmteste unter seinen Aphroditestatuen, die von Knidos, gearbeitet. Auf gleiche Weise bildete er das Ideal des Eros und in ihm die schönste Auffassung des menschlichen Körpers im Übergang des Knabenalters zu dem des Jünglings aus. Alle Vorzüge und Reize seiner Kunst treten uns in dem einzigen übriggebliebenen Originalwerk, der in Olympia gefundenen Marmorstatue des Hermes mit dem Dionysoskind auf dem Arm, entgegen (s. Tafel III, Fig. 4). An Skopas und Praxiteles und an ihre Richtung reiht sich die große Schar der übrigen Bildhauer an, welche das 4. Jahrh. hindurch den Ruhm der attischen Schule aufrecht erhalten. Die vorzüglichsten unter diesen sind: Leochares (Ganymed mit dem Adler des Zeus), Timotheos, Bryaxis (Sarapis), Silanion und die Söhne des Praxiteles, Kephisodotos der jüngere und Timarchos. Der Schule von Athen steht auch in dieser Periode die sikyonisch-argivische des Peloponnes gegenüber. Ihre Eigentümlichkeiten beruhen auch jetzt noch auf ihrer ursprünglichen Richtung, die durch die Ausführung der Athletenbilder begründet ist, und in der es vornehmlich auf die fein durchgebildete Darstellung körperlicher Wohlgestalt und heroischer Kraft abgesehen war. Doch macht sich auch hier die veränderte Richtung des künstlerischen Gefühls und Geschmacks bemerklich, sowohl in den Gegenständen selbst als in deren Behandlung.

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Wirkliche Athletenbilder wurden jetzt seltener gefertigt; der schlichte Sinn, der sich in ihrer Errichtung ausgesprochen, genügte nicht mehr; die Zeit forderte Aufgaben, welche den Anschein einer größern Würde hatten, und so sind es die Standbilder einzelner Heroen und die idealisierten Darstellungen mächtiger Fürsten und ihrer Genossen, vor allen des großen Alexander und seiner Feldherren, welche an deren Stelle treten. Ebensowenig genügte das Bildungsgesetz, welches durch Polyklet eingeführt war. Wie man sich in den Einzelheiten mehr den Formen der Natur anschloß und beispielsweise das Haar naturalistisch treuer wiedergab, so bricht sich auch in Bezug auf die Proportionen mehr und mehr die Neigung für schlankere Verhältnisse Bahn, eine Entwickelung, die, von dem auch als Maler bedeutenden Euphranor vom Isthmus vorbereitet, ihren Abschluß durch Lysippos fand, den Zeitgenossen Alexanders d. Gr. und Hauptvertreter der jüngern peloponnesischen Kunst, dessen eigentümlicher Stil den weitreichendsten Einfluß ausübte. Lysippos war ein Künstler von erstaunlicher Fruchtbarkeit und Vielseitigkeit, man schrieb ihm an 1500 Werke zu. Die bedeutendsten sind: die Turma Alexandri (das Geschwader Alexanders), aus 35 Statuen bestehend, der in Erz gearbeitete Zeus zu Tarent, ein Poseidon zu Korinth und verschiedene Darstellungen des Herakles, daneben zahlreiche Ehrenstatuen siegreicher Athleten, denen auch der berühmte Apoxyomenos (Marmorkopie im vatikanischen Museum) beizurechnen sein wird. An Lysippos schloß sich eine zahlreiche Schule an, welcher einzelne noch erhaltene Meisterwerke von ausgezeichneter Schönheit (der sitzende Ares Ludovisi, der betende Knabe in Berlin u. a.) anzugehören scheinen. Im Zeitalter Alexanders d. Gr. hatte die griechische Kunst ihren Ideenkreis ziemlich erschöpft. Für die verschiedenen Gestalten des griechischen Mythus, für die ideale Darstellung von Personen des wirklichen Lebens waren die Typen in einer Weise ausgebildet und festgestellt, daß der freien Erfindung (wollte man von der Bahn der Schönheit nicht geradezu ablenken) zunächst nur noch ein geringer Spielraum übrigbleiben konnte. Ebenso war die Meisterschaft der technischen Behandlung aufs vollständigste entwickelt. Gleichwohl war die künstlerische Kraft noch keineswegs erloschen. Innerhalb der gezogenen Grenzen war wenigstens zu mancherlei geistreichen Modifikationen noch Gelegenheit geboten, noch ließ sich auf eine stärkere Erregung und Erschütterung des Gefühls, auf die Darstellung einer noch bewegtern Leidenschaft hinarbeiten. Solche Zwecke zu erreichen, mußte denn auch die Meisterschaft der Technik in ihrem höchsten Glanz gezeigt werden. Aber indem man die frühern Leistungen der Kunst in ihrer einfachen Größe zu überbieten trachtete, konnte es nicht fehlen, daß dies Streben mehr oder weniger sichtbar ward, daß an die Stelle der frühern Naivität eine gewisse theatralische Berechnung trat, daß man anfing, die technische Meisterschaft als solche zur Schau zu tragen. Mit dieser innern Umwandlung der künstlerischen Richtung standen die äußern Verhältnisse im Einklang. Indem die Kunst an die Höfe der Fürsten, die sich in das Reich Alexanders d. Gr. geteilt, hinübergeführt wurde, indem sie die Bestimmung erhielt, der orientalischen Pracht ihres Lebens zu dienen, mußte nicht minder das Streben nach äußerm Scheine, nach überraschender Wirkung, nach verlockendem Sinnenreiz sich geltend machen. Dennoch aber hatte die griechische Kunst aus den Ursprüngen ihrer Entwickelung eine solche Fülle von Gesundheit und Kraft in sich gesogen, daß sie auch in dieser Zeit trotz der eben berührten Mißstände noch immer im höchsten Grad bewundernswert erscheint. Als Hauptstätten der Kunst sind in dieser Periode, nachdem im eigentlichen Griechenland die unmittelbare Einwirkung des Praxiteles und Lysippos ausgeklungen war, verschiedene Punkte der kleinasiatischen Küstenländer hervorzuheben. Die Eroberungen Alexanders d. Gr. trugen die griechische Kultur in die weitesten Länder; aber im eigentlichen Griechenland traten die bisher herrschend gewesenen Kunstschulen in den Hintergrund. Wie die Grenzländer an politischer Macht zunahmen, wurden sie auch die Erben der künstlerischen Thätigkeit. Die mehr wichtigste Schule dieser Zeit ist die von Pergamon, wo Isigonos, Phyromachos, Stratonikos und Antigonos thätig waren. Werke dieser Schule waren die umfangreichen Statuengruppen, die König Attalos zur Erinnerung an die Besiegung der Gallier auf der Burg von Athen aufstellte, Darstellungen mythischer Kämpfe (gegen Giganten und Amazonen), der Schlacht von Marathon und der Besiegung der Gallier selber, von welchen eine Anzahl Einzelfiguren in Venedig, Neapel, Rom etc. erhalten sind. Dasselbe historische Ereignis gab der Schule auch Gelegenheit zur Schöpfung der Galliergruppe in Villa Ludovisi (s. Tafel II, Fig. 10) und des sogen. sterbenden Fechters im Museum des Kapitols, während der Kampf der Götter gegen die Giganten von ihr nochmals in einem figurenreichen Fries behandelt wurde, der den kolossalen, würfelförmigen Unterbau eines auf der Burg von Pergamon errichteten großen Altars schmückte, und dessen gegenwärtig dem Berliner Museum einverleibte Überreste von den Leistungen der Künstler von Pergamon den höchsten Begriff geben (s. Tafel III, Fig. 5 u. 6). Auch auf Rhodus entwickelte sich eine treffliche Schule, welche durch zahlreiche Künstler vertreten war. Von den Werken derselben sind nur zwei auf uns gekommen. Das bedeutendere ist die herrliche Laokoongruppe im Vatikan (s. Tafel II, Fig. 8), von den Rhodiern Agesandros, Polydoros und Athenodoros gefertigt; das andre die

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Gruppe des sogen. Farnesischen Stiers in Neapel von Tauriskos und Apollonios aus Tralles in Karien (s. Tafel II, Fig. 9). In dieser Zeit entstand auch das Original des berühmten Apollon von Belvedere (s. Tafel III, Fig. 6) und einzelner uns nur durch römische Kopien bekannter Meisterwerke. Mit dem allmählichen Untergang der griechischen Freiheit verfiel auch die Kunst im eigentlichen Griechenland. Um die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. sammeln sich eine Reihe griechischer, zumeist aus Athen gebürtiger Künstler in Rom, welche eine Renaissance der griechischen Kunst herbeiführten. Die daselbst sich bildende sogen. neuattische Schule brachte noch manches herrliche Werk hervor, so die Mediceische Venus zu Florenz von Kleomenes (s. Tafel IV, Fig. 5), den Torso des Herakles im Belvedere des Vatikans von Apollonios, den Farnesischen Herakles zu Neapel von Glykon (s. Tafel IV, Fig. 8). Alle diese Werke sind mehr oder weniger freie Reproduktionen von Werken früherer Meister. Selbständiger tritt die kleinasiatische Kunst in Rom auf, wo besonders Agasias aus Ephesos mit dem Borghesischen Fechter (s. Tafel IV, Fig. 7) zu nennen ist. Kleinasiate ist auch Archelaos von Priene, der Künstler der Apotheose des Homer. Eine eigentümliche Richtung, welche in akademischem Eklektizismus Formen der altertümlichen Kunst mit den mehr eleganten der römischen Zeit verquickte, verfolgte Pasiteles und seine Schule, aus welcher gleichwohl noch ein Werk von der Bedeutung der Gruppe des Menelaos in Villa Ludovisi hervorging. Noch sind Arkesilaos, der Künstler der Venus Genetrix, zu erwähnen und Zenodoros, der den Koloß des Nero fertigte. Zu Augustus' Zeiten lebte der Steinschneider Dioskurides. Den Übergang von der griechischen zur römischen Kunst bildete die der Etrusker. Sind auch die uns von ihnen erhaltenen Werke, namentlich die der Bildhauerkunst, nicht frei von griechischem Einfluß, so finden wir doch das griechische Element auf so besondere Weise modifiziert und begegnen einzelnen Motiven so eigentümlicher Auffassung, daß wir die ursprüngliche Anlage es etruskischen Kunstgeistes zu erkennen vermögen. Der Stil gleicht im allgemeinen dem altgriechischen, ist aber häufig mehr oder weniger von orientalischen Elementen durchsetzt (s. Tafel I, Fig. 15, Elfenbeinrelief aus Corneto). Die umfassendste Thätigkeit der etruskischen Bildner gehört der Arbeit in Thon (namentlich der Fabrikation der verschiedenartigsten Gefäße) sowie dem damit in unmittelbarer Verbindung stehenden Erzguß und der Metallarbeit überhaupt an (s. Etrurien). Eherne Standbilder erfüllten die etruskischen Städte; das einzige Volsinii zählte deren an 2000, als es 265 v. Chr. von den Römern erobert ward. An den Statuen von menschlicher Bildung bemerkt man nur selten ein sorgfältiges Eingehen auf den natürlichen Organismus; es ist vielmehr meist etwas Befangenes, Ängstliches in der Gesamterscheinung dieser Statuen, was mehrfach noch die Nachwirkung altertümlicher Auffassungsweise erkennen läßt. Von größern plastischen Werken kennt man die in Arezzo ausgegrabene Chimära in Florenz, die kapitolinische Wölfin, zu welcher die säugenden Knaben jedoch erst im 15. Jahrh. zugefügt worden sind, den Mars von Todi, den Knaben mit der Gans (s. Tafel IV, Fig. 1), die Statue des Aulus Metellus u. a. Die römische Bildhauerkunst. Die Römer waren von Haus aus kein künstlerisches Volk; aus ihrer Mitte sind auch nur wenige namhafte Künstler hervorgegangen. Dennoch erforderten die großen Städteanlagen, Tempel, öffentlichen Plätze wie Privatbauten zur angemessenen Ausstattung bildnerischen Schmuck. Diesen lieferten zuerst die etruskischen Meister (Volcanius aus Veji wurde z. B. zur Anfertigung der Statue des kapitolinischen Jupiter nach Rom berufen) und ihre Zöglinge, später aber die griechischen Künstler. Von der Nachblüte der griechischen Kunst in Rom war oben die Rede. Neben der griechischen Kunstrichtung und der Nachahmung derselben bildete sich aber auch eine eigentümlich römische Auffassung und Behandlungsweise der Bildhauerkunst. Dies römische Element besteht in einer unmittelbaren, frischen, derben Aufnahme der Erscheinungen und Verhältnisse des äußern Lebens; es faßt die Gestalten des Lebens, wie sie sind, mit scharfer Naturwahrheit und mit feiner und sorglicher Individualisierung auf, aber es ist zugleich eine eigentümliche Größe darin, ein gemessener Ernst, eine männliche Würde, so daß sie vor dem Ausdruck der Gemeinheit bewahrt bleiben. Die römische Kunst im engern Sinn hat nicht jenen idealen Hauch, der die Gebilde der griechischen Kunst erfüllt; sie führt den Beschauer auf die Erde und ihre vergänglichen Interessen zurück. Ihr eigentliches Feld ist die historische Darstellung und das Porträt. Die historische Darstellung entwickelte sich besonders in der Unterordnung unter die Architektur, so an Triumphbogen, Säulen etc. Am bedeutendsten sind durch ihren Bilderschmuck die Bogen des Titus (s. Tafel IV, Fig. 14) und Konstantin (s. Tafel »Baukunst VI«, Fig. 7) und die Trajans- und Mark Aurels-Säule. Die höchste Blüte der römischen historischen Bildnerei fällt unter Trajan; die Seele seiner Kunstunternehmungen war Apollodoros von Damaskus. Im Porträtfach wurde Vorzügliches geleistet. Zu dem Besten gehören die Augustusstatue des Vatikans (s. Tafel IV, Fig. 10), die Statue des Balbus in Neapel (s. Tafel IV, Fig. 11), die der ältern Agrippina (s. Tafel IV, Fig. 12) des Kapitols und die schönen Frauenstatuen aus Herculaneum in Dresden. Auch im Typus von Gottheiten stellte man Personen dar; ein schönes Beispiel davon ist die porträtartige Junostatue (s. Tafel IV, Fig. 13) des Kapitols. Für das Privatleben wurden auch viele

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mehr griechische Werke kopiert, so daß uns manches untergegangene griechische Werk in römischer Kopie erhalten ist. In den Darstellungen der Sarkophage hat sich der griechische Einfluß am längsten erhalten. Eine rein griechische Reaktion trat unter Hadrian (117-138 n. Chr.) ein. Noch ein Ideal bildete die griechische Kunst, das des Antinoos (s. d.), des Lieblings des Hadrian. Die schönsten uns erhaltenen Darstellungen desselben sind die Statuen des Vatikans und Laterans und das Hochrelief der Villa Albani. Charakteristisch für diese Zeit ist die Vorliebe für altertümliche Werke, deren Stil man gern für Gegenstände des Kultus verwendete, ohne imstande zu sein, die naive Ursprünglichkeit desselben zu erfassen und wiederzugeben. Infolge der Einführung fremder Religionen wurden auch die Typen fremder Gottheiten in römisch-griechische umgebildet, wie z. B. die Isisstatue des Kapitols (s. Tafel IV, Fig. 15) zeigt. Um diese Zeit arbeiteten Aristeas und Papias die beiden Centauren des Kapitols in schwarzem Marmor (s. Tafel IV, Fig. 9). Nach der Zeit der Antonine trat wieder die spezifisch römische Kunst in den Vordergrund, erreichte aber nie wieder die frühere Blüte, bis sie schließlich ganz in Verfall geriet, wovon uns der Bogen des Septimius Severus (193-211) u. ein Teil der Reliefs am Konstantinsbogen Beispiele geben. Das beste wurde immer noch im Porträt geleistet. Die Bildhauerkunst des Mittelalters und der Renaissance. Die altchristliche Kunst hat sich aus der antiken entwickelt, was besonders die Sarkophage nachweisen, von denen einer der schönsten der des Junius Bassus (s. Tafel V, Fig. 2) ist. Derselbe Einfluß zeigt sich auch in den wenigen statuarischen Werken, von denen das wichtigste die große eherne Statue des heil. Petrus in der Peterskirche zu Rom (s. Tafel V, Fig. 1) ist. Der byzantinische Stil, anfangs ebenfalls von der Antike ausgehend, wurde bald von orientalischen Einflüssen durchdrungen, erlangte aber keinen selbständigen Charakter und artete wegen Mangels an Ideengehalt in einen trocknen, starren Formalismus aus, welcher sich, getragen durch eine vorzügliche Technik, über das ganze Abendland verbreitete und lange Zeit die Herrschaft behauptete, bis die Innigkeit des germanischen Geistes und ein lebhafteres Naturgefühl zum Durchbruch kamen. Die Bildnerei der romanischen Epoche wurde anfangs von der Malerei in den Hintergrund gedrängt, so daß sie bis in die Mitte des 12. Jahrh. sich fast nur auf die Kleinkunst beschränkte. Besonders sind die Elfenbeinreliefs zu beachten (Diptychon Ottos II. zu Paris). Neben den Arbeiten in edlen Metallen tritt auch der Erzguß hervor (Domthüren zu Hildesheim und Augsburg, der eherne Löwe Heinrichs des Löwen zu Braunschweig). Im 12. Jahrh. nimmt die Steinskulptur einen bedeutenden Aufschwung, indem sie mit der Architektur in Verbindung tritt. Der Einfluß der Antike erlosch fast ganz, aber es zeigen diese Werke trotz mancher Roheit und Plumpheit Lebensfrische und Naivität (Reliefs der Externsteine, s. Tafel V, Fig. 3, in Westfalen; Portale zu Hildesheim, Regensburg, Chartres, Bourges, Le Mans, St. Denis; Fassaden verschiedener italienischer Dome, z. B. Ferrara, Verona). Die Skulpturen zu Wechselburg und die der goldenen Pforte des Doms zu Freiberg (s. Tafel V, Fig. 4 u. 5) bezeichnen den Übergang zur gotischen Epoche. In dieser drängt sich in der Auffassung die Empfindung in den Vordergrund, welche sich allmählich bis zur Sentimentalität steigert. Der Marienkultus und die Frauenverehrung führten besonders zur Darstellung weiblicher Anmut, welche auch häufig auf die Männer übertragen ist. In der äußern Erscheinung haben auch die Werke dieser Epoche die Unterordnung unter das Architektonische mit denen der vorigen gemein. Voran schreitet Frankreich mit seinen trefflichen Skulpturen an und in den Kathedralen zu Reims, Paris, Amiens und Chartres. Um 1400 treten besonders zwei Schulen aus den Niederlanden herbeigerufener Künstler in den Vordergrund: die Schule von Tournai und diejenige von Dijon (Mosesbrunnen daselbst, s. Tafel V, Fig. 7). In Deutschland sind die Ausschmückungen der Dome zu Freiburg, Straßburg (s. Tafel V, Fig. 6), Köln, Bamberg zu nennen. Eine besonders reiche Thätigkeit entwickelte Nürnberg (St. Lorenz, Frauenkirche, s. Tafel VI, Fig. 1; der Schöne Brunnen von Heinrich dem Balier, Tafel VI, Fig. 2). Auch in England entstehen eine Reihe tüchtiger kirchlicher Skulpturen; weit wichtiger aber sind die dieser Zeit entstandenen Grabdenkmäler (Grabmal zu Chichester, s. Tafel V, Fig. 8), von denen auch verschiedene sehr bedeutende Deutschland angehören (Peter v. Aspelt zu Mainz). Erzguß, Elfenbein- und Holzschnitzerei waren ebenfalls in Übung. Unter den Werken der letztern Technik ist besonders der Hochaltar der Stiftskirche zu Oberwesel zu nennen. In Italien war die Bildhauerkunst im 11. und 12. Jahrh. sehr herabgekommen. Sie beschränkte sich auf eine rohe Nachahmung der Antike, bis Nicola Pisano (um 1205 geboren) wieder mit tiefem Verständnis in den Geist und die Formensprache der Antike eindrang. Seine Werke gehören zu den bedeutendsten Erscheinungen, welche die Kunstgeschichte aufzuweisen hat, und mit Recht kann man von ihm die Entwickelung der neuern Bildhauerkunst datieren. Angeregt durch die Antiken des Campo santo zu Pisa, führte er den gewaltigen Umschwung herbei, welcher aber noch nicht gleich allgemein fortwirkte, wie groß auch die Wirkung auf seine Zeitgenossen gewesen sein mußte. Seine bedeutendsten Werke sind: das Relief der Kreuzabnahme im Dom zu Lucca, 1233 (s. Tafel V, Fig. 9), Figuren und Reliefs an der Kanzel im Baptisterium zu Pisa (1260) und an der Kanzel im Dom zu Siena (1266). Seine namhaftesten Schüler sind Fra Guglielmo d' Agnello und Arnolfo di Cambio, welche in seinem Stil weiterarbeiteten. Sein Sohn

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Giovanni (ca. 1250 bis ca. 1328) legte der mehr formalen Richtung des Vaters gegenüber den Hauptnachdruck auf den geistigen Inhalt und seelischen Ausdruck (Fassade des Doms zu Orvieto, Madonna del Fiore zu Florenz, s. Tafel VI, Fig. 11). Seiner Richtung schloß sich eine große Anzahl von Nachfolgern an, deren Mittelpunkt Florenz bildete, wo der vielseitige Meister Giotto (1276-1336) wirkte. Unter seinem Einfluß stand Andrea Pisano, dessen Hauptwerk die südliche Erzthür des Baptisteriums von Florenz ist. Sohn und Schüler des Andrea war Nino Pisano, ein Künstler, der sich durch anmutig zarte und feine Durchbildung auszeichnet. Andre namhafte toscanische Bildhauer des 14. Jahrh. sind: Cinello, Alberto di Arnoldo (um 1360), Niccolò Piero de Lamberti aus Arezzo, Andrea di Cione, genannt Orcagna (1329-1368). In Oberitalien legte sich die Bildhauerkunst des 15. Jahrh. meist auf die Grabdenkmäler, und hierin weisen Ravenna, Venedig, Ferrara viele namhafte Künstler auf, darunter Pietro Lombardo und seine Söhne Antonio und Tullio, Lorenzo und Antonio Bregno u. a. Auch Unteritalien, besonders Neapel, nimmt am neuen Aufschwung teil (Andrea Ciccione). Die lombardische Kunst im 15. und 16. Jahrh. zeigt sich am besten an den Statuen und Reliefs der Kartause in mehr Pavia, wo namentlich neben vielen andern Antonio Amadeo und Andrea Fusina thätig waren. In Toscana macht sich das Streben nach formaler, auf die Gesetze der Antike gegründeter Durchbildung besonders bemerkbar. Als einer derjenigen Bildhauer, welche die auf bewußter Nachahmung der Antike fußende neue Kunstrichtung begründet haben, ist Jacopo della Quercia, aus der Gegend von Siena gebürtig (1374-1438), hervorzuheben. Er steht an der Grenzscheide zwischen dem ältern und dem modernen Stil der Kunst, aber mit großer Kraft weiß er dem letztern Bahn zu brechen. Namentlich in der Anordnung der Gewänder entwickelt sich bei ihm auf der ältern Grundlage ein eigentümlicher großartiger Schwung; auch für das frische körperliche Leben zeigt er einen rege erwachten Sinn. Sein Hauptwerk ist das Hauptportal von San Petronio zu Bologna (s. Tafel V, Fig. 10). Ein zweiter Hauptmeister der toscanischen Bildhauerkunst ist der Erzbildner Lorenzo Ghiberti aus Florenz (1381-1455). Seine frühern Arbeiten haben in den Hauptmotiven der künstlerischen Anlage noch wesentlich das Gepräge des gotischen Stils, nur daß dabei von vornherein eine größere Formenfülle und das Streben nach freier Entwickelung und Bewegung bemerkbar sind. In seinen spätern Werken tritt der Einfluß der Antike hinzu und bringt die anmutvollste und lauterste Umbildung der ursprünglichen Richtung, allerdings mit entschiedener Hinneigung zum malerischen Stil, zuwege. Sein bedeutendstes Werk sind die weltberühmten Bronzethüren (s. Tafel V, Fig. 11) des Florentiner Baptisteriums. An Ghiberti schließt sich zunächst in verwandtem, künstlerischem Sinn Luca della Robbia (geboren um 1400) an, der Marmor und Bronzearbeiten, besonders aber solche in gebranntem Thon, die er mit einem glasierten Überzug versah, lieferte. Als dritter Begründer der modernen Kunst ist Donatello (1386-1468) anzuführen, bei welchem aber trotz eifrigen Studiums der Antike das Streben nach scharfer Charakteristik sich manchmal bis zum Häßlichen und Bizarren versteigt. Dessenungeachtet fand sein dem Zeitgeschmack entsprechendes Streben eine Menge Nachfolger, die aber die von ihm begründete Richtung zum Teil wiederum auf mannigfach eigentümliche Weise umzubilden wußten. Andrea Verrocchio von Florenz (1432-88), Schüler Donatellos, faßte das durch den letztern und seine Zeitgenossen eingeleitete Naturstudium mit großer Gründlichkeit und Tiefe auf und war durch die weitere Ausbildung desselben von bedeutender Einwirkung auf den Entwickelungsgang der gesamten toscanischen Kunst, welche ihren am meisten charakteristischen Ausdruck in der Porträtbildnerei gefunden hat. Unter den übrigen florentinischen Bildhauern, die als Schüler Donatellos genannt werden, sind Nanni di Banco (gest. 1430) und der Architekt Michelozzo Michelozzi zu erwähnen, dessen seltene Bildhauerarbeiten Streben nach zarterer Anmut erkennen lassen. Dasselbe Streben, aber aufs liebenswürdigste durchgebildet und mit einer ansprechend weichen Ausführung vereint, steht man in den Werken des Antonio Rossellino. Derselben Richtung gehören Benedetto da Majano, Desiderio da Settignano und dessen Schüler Mino da Fiesole an. Letzterer trug durch seine vielseitige Thätigkeit viel zur Verbreitung des neuen Stils bei. In Lucca blühte Matteo Civitali (1435-1501, St. Sebastian am Dom zu Lucca, s. Tafel VI, Fig. 12). In der ersten Hälfte des 16. Jahrh. waren die Mittelpunkte der Bildhauerkunst Florenz und Oberitalien, denen sich sodann, wie früher, Neapel anschließt. Um den Beginn des 16. Jahrh. treten uns in Florenz vorerst zwei Meister entgegen, deren Arbeiten, in einer einfach schlichten Würde gehalten, den Anfang des neuen und freiern Strebens bezeichnen: Baccio da Montelupo und Benedetto da Rovezzano. Zu einer höhern Entwickelung führen die Kunst: Giovanni Francesco Rustici, ein Schüler des Andrea Verrocchio (Gruppe des predigenden Johannes zu Florenz; Pharisäer daraus s. Tafel VI, Fig. 13), und Contucci, genannt Sansovino (gest. 1529), welcher sich wie Ghiberti zum malerischen Stil neigte. Eins der schönsten seiner Werke ist die Bronzegruppe der Taufe Christi am Baptisterium zu Florenz (s. Tafel VI, Fig. 14). Als dritter neben Rustici und Andrea Sansovino ist Michelangelo Buonarroti (1475 bis 1564) zu nennen. Die Bildhauerkunst hatte dieser Künstler zu seinem eigentlichen Beruf ersehen. Obgleich er von der Antike ausging, ist doch nicht Schönheit das Ziel seiner Kunst,

Seite 13 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 sondern alles strebt dahin, seinen innersten Ideen, seiner leidenschaftlichen. Subjektivität Ausdruck zu verleihen. Seine Werke sind titanisch, sie überwältigen und reißen mit sich fort, ohne immer einen reinen Genuß zu bieten. Zu den vollkommensten gehören seine Pietà (s. Tafel VI, Fig. 15) und sein Moses, außerdem die Mediceergräber zu Florenz. Für die gesamte Bildhauerkunst der folgenden Zeit ist sein Vorgang entscheidend gewesen. Baccio Bandinelli (1487 bis 1559), obwohl ein persönlicher Feind Michelangelos, stand doch wesentlich unter seinem Einfluß, insofern er ein ähnliches Streben nach Großartigkeit zeigt, doch bereits in völlig manierierter Weise. Selbständiger ist Benvenuto Cellini (1500-1572), dessen Arbeiten aber in der Anordnung wie im Stil einen mehr dekorativen Charakter haben. Anziehende Entwickelungsmomente finden sich zu Anfang des 16. Jahrh. in der oberitalienischen Bildhauerkunst, vornehmlich im Gebiet von Venedig. Sie schließen sich im einzelnen der antiken Darstellungs- und Behandlungsweise sehr nahe an, wozu sie die Anregungen von Florenz her erhielten. Die Künstlerfamilie Lombardi wurde schon oben erwähnt. Antonio Begarelli aus Modena (Frauenkopf, s. Tafel VI, Fig. 16) verfällt stark ins Malerische, während Jacopo Tatti, nach seinem Lehrer Sansovino genannt (1477-1570), seinen malerischen Stil, aber auch unter dem Einfluß Michelangelos, nach Venedig verpflanzte. Die Hauptvertreter der Schule von Neapel sind Girolamo Santacroce und Giovanni da Nola. Unter den Schülern und gleichstrebenden Zeitgenossen des Jacopo Sansovino zu Venedig sind hervorzuheben: Danese Cattaneo, Girolamo Campagna, Alessandro Vittoria, Giulio dal Moro u. a. Unter den lombardischen Meistern des 16. Jahrh. sind der Erwähnung würdig: Agostino Busti, genannt Bambaja, von Mailand, Marco Agrate und Christofano ^[richtig: Cristofano, meistens Cristoforo] Solario il Gobbo. Der nordischen Bildhauerkunst mangelt in dieser Periode jene Größe und Würde der Formen, welche die italienische sich unter dem Einfluß der Antike anzueignen wußte. Dafür zeichnet sie sich aber durch lebensvolle, charakteristische Auffassung und kecke, realistische Darstellung aus. Am bedeutendsten tritt in dieser Epoche Deutschland hervor. Einer der hervorragendsten Meister war Adam Kraft (gest. 1507), der in seinen Werken das auf entschiedene Charakteristik und treue Lebenswahrheit gerichtete Streben der Nürnberger Schule befolgt und zwar in jener Schärfe und Herbigkeit der Behandlung, die zu seiner Zeit auch in der nürnbergischen Malerei hervortrat. Berühmt sind seine Stationen zu Nürnberg (s. Tafel VI, Fig. 6 u. 7) und das Sakramentsgehäuse zu St. Lorenz daselbst. mehr Als ein bedeutender Künstler von verwandter Richtung ist Tilman Riemenschneider von Würzburg zu nennen. Ungleich umfassender als im Bereich eines selbständigen Schaffens tritt uns die deutsche an denjenigen Werken entgegen, die sie in Verbindung mit der Malerei hervorgebracht hat. Dies sind vornehmlich die großen Altarwerke, deren Inneres in der Regel mit bemalter und vergoldeter Bildnerei (in Holz geschnitzt) ausgefüllt ist, während das Äußere durch wirkliche Gemälde nicht selten aus mehrfach übereinander zu klappenden Flügeln gebildet wird. Hier sind besonders die Altarwerke Michael Wohlgemuths in Nürnberg hervorzuheben. Als ein tüchtiger Bildschnitzer erscheint nach jenem in Nürnberg und in Krakau Veit Stoß (1447-1542), der sich durch eigentümlich zarte, naive Anmut auszeichnete, die vornehmlich seinen weiblichen Gestalten ein anziehendes Gepräge verlieh. Sein Hauptwerk ist der Rosenkranz in St. Lorenz (s. Tafel VI, Fig. 3). Im Rathaus zu Nürnberg ist die herrliche Madonna eines unbekannten Meisters (s. Tafel VI, Fig. 4). Weiter sind als Bildschnitzer zu nennen die beiden Syrlin aus Ulm und Hans Brüggemann, der Verfertiger des schönen Altars im Dom zu Schleswig. In einer zum Teil wesentlichen Verschiedenheit von den stilistischen Eigentümlichkeiten der übrigen deutschen Bildnerei erscheint die Mehrzahl der deutschen Bronzearbeiten dieser Periode, namentlich derjenigen, welche durch Peter Vischer (gest. 1529) in Nürnberg und seine Familie geliefert wurden. Sein mit Hilfe seiner fünf Söhne ausgeführtes Hauptwerk ist das Sebaldusgrab zu Nürnberg. Im architektonischen Aufbau ist dasselbe gotisch; in den Figuren vermischt sich die italienische Formengebung mit der realistischen Charakterisierungsart des spätgotischen Stils (s. Tafel VI, Fig. 8. u. 9). In Frankreich bildet die Kathedrale von St. Denis mit ihren Königsgräbern den Mittelpunkt der Thätigkeit (Jean Juste: Grab Ludwigs XII.; Pierre Bontemps: Grab Franz' I.). In den Niederlanden drängt die Malerei die Plastik zurück. Dennoch finden sich einige tüchtige Meister (Jan de Baker: Monument der Maria von Burgund zu Brügge; treffliches Grabmal in St. Jakob daselbst, von einem unbekannten Meister). Der Kamin des Justizpalastes zu Brügge ist ein Meisterstück der Holzdekoration. In England ward die Bildhauerkunst meist von Ausländern geübt. Besonders zu erwähnen ist der Gegner Michelangelos, Pietro Torrigiano (Grabmal Heinrichs VII. und seiner Gemahlin in Westminster). Auch in Spanien entwickelt sich die Bildhauerkunst besonders an den Grabdenkmälern (Gil de Siloë und Berruguete). In der italienischen Bildhauerkunst sehen wir in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. den Stil des Michelangelo vorherrschend, teils so, daß man demselben ganz in der Weise zu folgen sich bestrebte, wie er durch den Meister selbst vorgebildet war, teils so, daß man andre Schulrichtungen nach den Eigentümlichkeiten seines Stils umzuändern suchte. Als die bedeutendsten Bildhauer der

Seite 14 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 erstern Klasse sind Montorsoli, Raphael da Montelupo, Guglielmo della Porta (gest. 1577), Vincenzio Danti (1530-75) und Bartolommeo Ammanati (1511-92) zu nennen. Giovanni Bandini, genannt Giovanni dall' Opera, und Leone Leoni haben eine mehr zierliche Richtung, die sich besonders bei dem letztern zu einer eigentümlich feinen, aber doch in dem damaligen manierierten Zeitgeschmack befangenen Grazie entwickelt. Giovanni Bologna (1524-1608, aus Douai in Flandern) erscheint wiederum als Nachfolger Michelangelos, überragt indessen seine Zeitgenossen durch größere Mäßigung und ein feineres plastisches Formgefühl. Am bekanntesten sind sein Raub der Sabinerinnen (s. Tafel VI, Fig. 17) und sein Merkur (s. Tafel VI, Fig. 18). In der französischen Kunst entfaltete sich durch Benvenuto Cellinis Einfluß das in der Nationalität begründete Streben nach eigentümlicher Grazie und gesuchter Eleganz noch weiter, so daß es öfters in Manier ausartete. Da die künstlerischen Dekorationen des Schlosses Fontainebleau den Mittelpunkt der Kunstbestrebungen dieser Zeit ausmachten, so begreift man den gesamten Kreis der Künstler, welche damals in Frankreich thätig waren, gewöhnlich unter dem Namen der Schule von Fontainebleau, deren Blüte der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. angehört. Durch edle Anordnung, feinen Sinn und zarte, verständige Ausführung zeichnen sich aus: Jean Goujon (gest. 1572), der bedeutendste Meister dieser Zeit, Germain Pilon (gest. 1590), Jean Cousin (gest. 1589), Barthélemy Prieur, Pierre Francheville, Paul Ponce. Die neuere Bildhauerkunst. Zu Anfang des 17. Jahrh. raffte sich die Bildhauerkunst zu einem neuen Aufschwung empor. In ihrem Streben nach Leidenschaft und Effekt überschritt sie aber ihre Grenzen und verfiel vollends ins Malerische. Dieser neue Stil, welcher von Italien ausging, der Barockstil, beherrschte die Kunst fast zwei Jahrhunderte. Als Führer tritt Lorenzo Bernini (1598-1680) hervor. Es ist etwas Rauschendes, ekstatisch Bewegtes in seinen Gestalten und zugleich im Einzelnen der Behandlung eine Naturwahrheit, durch welche diese Glut des Gefühls dem Beschauer unmittelbar nahegerückt wird. Aber die Begeisterung ist bei ihm kein freier Erguß des Innern, sondern sie erscheint wesentlich nur als eine Erhitzung des nüchternen Verstandes, und darum haben seine Darstellungen durchweg ein mehr oder weniger affektiertes Gepräge; zugleich treibt ihn sein Streben nach Naturwahrheit zu einer malerischen Behandlungsweise, in welcher sich die Gesetze des plastischen Stils völlig auflösen. Die Mehrzahl der Zeitgenossen folgte Berninis Spuren, so Alessandro Algardi (1598-1654), Francesco Mocchi (gest. 1646), Ercole da Ferrara u. a. Um so mehr ist es anzuerkennen, wenn Meister wie Stefano Maderna (1571-1636) und François Duquesnoy, genannt il Fiammingo, sich von seinem Einfluß frei zu halten wußten. Eine ähnliche Richtung wie in Italien zeigt die Bildhauerkunst Frankreichs. Dort brachte sie am Hof Ludwigs XIV. manches tüchtige Werk, besonders im Porträtfach, hervor, obgleich sich im allgemeinen das Theatralische, was noch durch das Zeitkostüm gefördert wurde, viel zu breit macht. Nicht ohne anerkennungswerte Energie zeigt sich diese Richtung zunächst in der berühmten Marmorgruppe des Pierre Puget (1622-94): dem Milon von Kroton, der von einem Löwen zerrissen wird (im Louvre). Tüchtige Arbeiter sind: François Anguier (1604-69), François Girardon (1628-1715) und Martin Desjardins (1640-94). Als Meister im Porträt ist besonders Antoine Coyzevox (1640-1720) zu nennen. Allmählich verirrt sich die in eine süßliche Zierlichkeit, als deren Hauptvertreter Frémin und die beiden Coustou zu nennen sind. Hervorzuheben ist noch Jean Baptiste Pigalle (1714-85), der Schöpfer des Denkmals für Moritz von Sachsen in der Thomaskirche zu Straßburg. In den Niederlanden erhielt sich während dieser Zeit ein kräftiger Natursinn, welcher von großem Einfluß auf Deutschland wurde (Quellinus' mehr Karyatide am Rathaus zu Amsterdam, s. Tafel VI, Fig. 10). Hubert Gerhard und A. de Vries wirkten in Augsburg, P. de Witte nebst Gerhard in München. Deutschland war durch den Dreißigjährigen Krieg verhindert worden, an der Entwickelung der Kunst besondern Anteil zu nehmen. Aber schon unter dem Großen Kurfürsten beginnt es sich wieder zu regen. Für seine Schöpfungen ließ er sich holländische Architekten und Bildhauer kommen. Von diesem Einfluß bestimmt, trat Andreas Schlüter (1662-1714) auf, gleich groß als Architekt wie als Bildhauer. Tiefe Auffassung und kräftige, lebensvolle Darstellung treten uns in seinen Werken entgegen, unter denen das Denkmal des Großen Kurfürsten und die Masken sterbender Krieger am Zeughaus in Berlin die bedeutendsten sind. In Wien blühte Raphael Donner (1692-1741). Während der wieder erwachende Sinn für die höhere Aufgabe der Kunst auf der einen Seite zu einem innigern Anschluß an die Natur trieb, veranlaßte derselbe zugleich eine höhere geläuterte Auffassung der Natur, wie sie sich in den Werken aus der Blütezeit der griechischen Kunst kundgibt, zu deren Studium man sich jetzt zurückwandte. Winckelmann brach durch sein tiefes Eindringen in den Geist der griechischen Bildhauerkunst dieser Richtung Bahn. Der Schwede Sergell und der Italiener Canova sind als die ersten Meister zu nennen, welche die Bildhauerkunst nach den Gesetzen, die sie den Werken des klassischen Altertums entlehnt, neu zu gestalten suchten. Namentlich hat Canova eine große Anzahl

Seite 15 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 bewunderter Werke geschaffen, die jedoch, bei großer Vollendung der Technik, nicht ganz frei von italienischer Affektation und süßlicher Sentimentalität sind. Bekannt sind seine Grazien, seine Venus sowie die Grabmäler Clemens' XIII. zu Rom und der Erzherzogin Christina zu Wien (s. Tafel VI, Fig. 19). An diese reihten sich der Franzose Chaudet (1763-1810), die Deutschen Alexander Trippel (1774-93) und Dannecker (1758-1841). In der Individualisierung Vorzügliches leistend, gehören seine Büsten zu den besten der Neuzeit; von andern Werken ist namentlich Ariadne, als Bacchusbraut auf dem Panther reitend, bekannt. Alle aber überragt der Däne Thorwaldsen (1770-1844), dessen Werke das Gepräge klassisch reiner griechischer Erhabenheit und zugleich der anmutigsten idyllischen Zartheit an sich tragen. Hauptwerke sind: Iason in London, der Triumphzug Alexanders (s. Tafel VII, Fig. 1 u. 2), die Basreliefs von Priamos und Achilleus, die Gruppe der Grazien, Ganymed den Adler tränkend, das Reiterbild des Kurfürsten Maximilian I. in München, die Schillerstatue in Stuttgart u. a. War Thorwaldsens Hauptaugenmerk auf die formale Durchbildung gelenkt, so gebührt Gottfried Schadow (1764-1850) das Verdienst, zuerst wieder Wert auf eine tiefere Charakteristik gelegt zu haben (Denkmal des alten Dessauers und Zietens in Berlin, Luthers in Wittenberg). In Deutschland bildeten sich später verschiedene Schulen in München, Berlin, Dresden und Wien aus. In München wirkten Konrad Eberhard (1768-1858), dessen Werke voll religiösen Ernstes sind, Johann Haller (1792-1826) und Ludwig Schwanthaler (1820-48), dessen zahlreiche Arbeiten von seinem unermüdlichen Fleiß und seiner reichen Erfindungsgabe zeugen. Stilvoll und einfach in der Form, ist er der eigentliche Schöpfer der romantischen Bildhauerkunst der Neuzeit; Werke: Kolossalstatue der Bavaria, Ausschmückung der Walhalla bei Regensburg (s. Tafel VII, Fig. 4) u. a. Die gesamte Münchener Bildhauerschule wurde von ihm bestimmt; wir nennen besonders: E. Mayer (1796-1846), Johann Leeb (1790 bis 1863), A. H. Lossow (1805-74), F. Sanguinetti (1800-1870), Xaver Schwanthaler (1799-1854), Ludwig Schaller (1804-65), J. O. ^[Joseph Otto] Entres (1804-1870), F. Schönlaub (1805-83), Anton Sickinger (1807-73), M. Widnmann (geb. 1812), Halbig (1814-82), Brugger (1813-70), Fortner (1822-1862). Durch die großartigen Bauten in München hatten die dortigen Bildhauer vielfach Gelegenheit, nach allen Seiten hin zu wirken und die ihnen eigentümlichen Talente zu verwerten. Leider aber artete diese Richtung in ein fabrikmäßiges Produzieren aus und gelangte nicht zur tiefern Auffassung der Form. Deshalb sind die Denkmäler Münchens im ganzen wenig erfreulich; zu den bessern gehört Widnmanns König Ludwig I. zu Pferde. Bedeutenderes als in der Monumentalplastik leistete diese Schule in der kirchlichen Kunst. Als Erzgießer verdienen in München Stiglmayr und Miller, in Nürnberg Daniel Burgschmiet (1798-1859) erwähnt zu werden. In Berlin ist vor allen Christian Rauch (1777-1857) zu nennen, welcher der Bildnerkunst eine nationale Richtung gegeben hat, ohne sie der freiesten Bewegung nach allen Seiten zu berauben. Nach den Befreiungskriegen schuf er die Standbilder Blüchers, Scharnhorsts, Bülows v. Dennewitz, die Büsten von Goethe, Humboldt, Thorwaldsen u. a. Am bekanntesten sind außerdem das Denkmal Friedrichs d. Gr. (s. Tafel VIII, Fig. 3), das Grabdenkmal der Königin Luise (s. Tafel VIII, Fig. 1) und eine Reihe von Viktoriendarstellungen (s. Tafel VIII, Fig. 2), deren Typus er geschaffen hat. Neben Rauch ist Friedrich Tieck (1776-1851) zu nennen. Rauchs Schule ist eine sehr ausgebreitete und hat ihre Hauptvertreter in Berlin und Dresden (s. unten). In Frankfurt wirkten: Karl Eduard Wendelstadt (1815-41; Figur Afrika an der Neuen Börse und Statue Karls d. Gr. auf der Brücke, Büsten Liszts und Thalbergs), Zwerger, Eduard von der Launitz (1795-1869; Gutenbergdenkmal, Statuen am Börsengebäude etc.), v. Nordheim, zugleich Münzgraveur (gest. 1884); in Stuttgart: Theodor Wagner, Schüler Danneckers und Thorwaldsens, Ludwig Hofer (Reiterstatue des Grafen Eberhard im Bart; Rossebändiger, s. Tafel VIII, Fig. 7), Karl Kopp (geb. 1825), Joseph Kopf (geb. 1827); in Wien: Joseph Klieber, Johann Schaller (1777-1842); in Prag: Joseph und Emanuel Max (Radetzkymonument); in Hannover: Ernst Bandel, der aus der Münchener Schule hervorgegangen ist (Hermannsdenkmal); in Hamburg: O. S. Runge; in Rom: Martin Wagner (1773-1858), der Schöpfer des Walhallafrieses und des Giebelfeldes der Münchener Glyptothek (s. Tafel IX, Fig. 1), Heinrich Im Hof, H. A. G. Kümmel, Matthiä, Julius Troschel, Peter Schöpf, Karl Steinhäuser, Wittich, Achtermann u. a., über deren Leben und Werke die Spezialartikel näheres bringen. Nach Rauchs Tod lebte die Tradition des Meisters in einer großen Schule fort, deren zahlreiche Vertreter Berlin zu der ersten Stätte moderner Bildnerei erhoben haben. F. Drake hat eine der acht Idealgruppen der Schloßbrücke gefertigt, welche Künstler der Schule nach einer Schinkelschen Idee schufen (s. Tafel VII, Fig. 7). Am populärsten ist sein Friedrich Wilhelm III. im , gleich ausgezeichnet durch die schlichte Porträtgestalt des Fürsten wie durch die idyllischen Hochreliefs am Sockel (s. Tafel IX, Fig. 2).

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Schievelbein (1817-67) hat sich durch einen Relieffries (Untergang Pompejis, in der Berliner Nationalgalerie) einen Namen gemacht. Bläsers (1812 bis 1874) Gruppe auf der Schloßbrücke: Minerva schirmt den Jüngling, der in die Schlacht stürmt mehr (s. Tafel VIII, Fig. 4), erntete den größten Beifall unter allen. Er schuf auch das Reiterbild Friedrich Wilhelms IV. für die Eisenbahnbrücke in Köln; seine große Meisterschaft in der Wiedergabe scharf aufgefaßter Persönlichkeit bekundet das Relief der Einweihung der Dirschauer Brücke. Von Albert Wolff rühren das Reiterbild des Königs Ernst August in Hannover und das Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Berliner Lustgarten her. Für die Freitreppe des Berliner Museums arbeitete Wolff die Gruppe eines zu Pferde gegen einen Löwen ankämpfenden Jünglings, als Gegenstück zur Amazone (s. Tafel VII, Fig. 6) von Kiß. Anmutige Erfindung und realistische Lebendigkeit bekundete Hagen durch seine Reliefs an Rauchs Thaerdenkmal in Berlin. August Fischer starb 1866, ohne daß er die Ausführung seiner pathetischen und edel erfundenen Gruppen für den Belle-Allianceplatz erlebte, die von Franz vollendet worden sind. Eine andre Gruppe von Nachfolgern Rauchs hat nicht Werke großen Stils ausgeführt, sondern teils, wie Wichmann, in trefflichen Bildnisdarstellungen sich gezeigt, teils, wie Wredow (Ganymed), genreartige Vorwürfe mit Formsinn und antikem Schönheitsgefühl behandelt. Kalide (1801-63) leistete Bedeutendes in Gruppen, die menschliche und tierische Gestalt in anmutiger Verbindung zeigen. Sein Knabe mit dem Schwan ist durch ganz Deutschland als Fontänenschmuck verbreitet. Andre Arbeiten halten sich oft von bedenklicher Gesuchtheit und Unruhe nicht frei, wie der Knabe mit dem Bock und die Bacchantin auf dem Panther, diese bei aller Keckheit, die bis in das Unschöne streift, doch in der Schilderung bacchischer Lust wahrhaft imposant. Afinger (1813-82) ist der Meister des Arndtdenkmals in Bonn. Kiß (1802-65) brachte in seiner Amazone zu Pferde (s. Tafel VII, Fig. 5), die mit dem Panther kämpft (in Bronze ausgeführt für die Freitreppe des Berliner Museums), ein populär gewordenes Werk hervor. Sein mit dem Drachen kämpfender St. Georg (im Schloßhof zu Berlin) trägt einen mehr romantischen Charakter. Unter seinen Reiterstatuen ist diejenige Friedrichs d. Gr. zu Breslau die bedeutendste. Ein Tierbildner ersten Ranges ist Wilhelm Wolff (geb. 1816), welcher namentlich das Aufbrausen tierischer Leidenschaft und Wildheit großartig zu geben versteht. Hermann Heidel (1812-65), der Schöpfer des meisterhaften Händeldenkmals in Halle, ursprünglich Schwanthalers Schüler, zeichnet sich durch edel und innig behandelte Kompositionen aus dem Kreis der antiken Mythe aus. Die gegenwärtigen Vertreter der in Berlin spalten sich in zwei Richtungen. Die eine hält an der antikisierenden Formensprache Rauchs fest, sucht sie aber zum Teil durch Streben nach Anmut und Gefälligkeit zu mildern, wobei die monumentale Plastik in erster Linie kultiviert wird. Schaper (Goethedenkmal, s. Tafel X, Fig. 8), Siemering (Gräfedenkmal, s. Tafel X, Fig. 3), Encke (Luisendenkmal), Calandrelli, Pfuhl, Keil, Schweinitz sind die erfolgreichsten Vertreter dieser Richtung. Die andre, deren Haupt der geniale Reinhold Begas ist (Schillerdenkmal; Alexander v. Humboldt; Raub der Sabinerin, s. Tafel X, Fig. 11), betont in der Bildhauerkunst das malerische Element im naturalistischen Sinn und führte zu einem bestimmt ausgeprägten Stil, in welchem sich Eberlein, Karl Begas, Hundrieser, M. P. Otto u. a. mit Geist und Geschick bewegen, freilich in der Formenbehandlung oft an das Barocke oder das Rokoko streifend. Aus der Schule Rauchs ging auch der sächsische Meister Rietschel (1804-60) hervor. Seiner Erfindung, zum Teil auch seiner ausführenden Hand, verdankte Dresden die leider zerstörten Giebelfelder des abgebrannten Theaters (s. Tafel VII, Fig. 3) und den plastischen Schmuck des Museums, Berlin die Giebelfelder des Opernhauses. Berühmt sind seine Standbilder: Thaer in Leipzig, Lessing in Braunschweig (s. Tafel IX, Fig. 3), eine realistische Figur im Kostüm ihrer Zeit und doch voll monumentaler Würde, edel, groß und stilvoll; die Goethe-Schillergruppe in Weimar, und endlich das K. M. v. Webers in Dresden. Das Luthermonument für Worms vollendeten seine Schüler Donndorf, Kietz, Schilling, Wittig, Rietschels Gestalt des großen Reformators steht seinem Lessing ebenbürtig zur Seite (s. Tafel IX, Fig. 4); weniger glücklich ist die Gruppierung des Ganzen. Die wunderbare Pietà (Maria mit Christi Leichnam) im Hof der Friedenskirche bei Potsdam beweist, daß auch die heutige Plastik noch der höchsten religiösen Schöpfungen fähig ist. Unter Rietschels Schülern muß Wittig (Hagargruppe) genannt werden. Außerdem wirkt in Dresden, einer strengern Stilrichtung als Rietschel folgend, Hähnel (geb. 1811, bacchischer Fries am Theater, Denkmal Beethovens in Bonn, das Friedrich Augusts II. in Dresden und das Karls IV. in Prag). Sehr bekannt sind seine Reliefs und Statuen zum Schmuck des Dresdener Museums, besonders die Statue Raffaels mit ihrer edlen Durchbildung und dem überaus glücklichen Motiv (s. Tafel VIII, Fig. 5). Johannes Schilling, der Schüler und geistige Erbe Rietschels, schuf die vier Gruppen der Tageszeiten auf der Brühlschen Terrasse in Dresden (s. Tafel IX, Fig. 5 u. 6), die Schillerstatue für Wien und das Nationaldenkmal auf dem Niederwald. In seinem Schüler R. Diez hat auch der kecke Realismus in Dresden seinen Vertreter gefunden (s. Tafel X, Fig. 4). In München besteht Schwanthalers Schule (s. oben) in einzelnen Vertretern immer noch fort. Doch macht sich auch hier in den

Seite 17 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 jüngern Kräften das Streben nach einer freiern Wirkung und einer durchgebildetern Form wahrnehmbar. Dies zeigt sich vor allem bei Kaspar Zumbusch (geb. 1830, Maximiliansdenkmal, s. Tafel IX, Fig. 7), der seit 1873 nach Wien übergesiedelt ist. Schärfer noch schließen sich andre (Wagmüller, Roth, Ungerer) der realistischen Richtung an, haben sich aber zum Teil nicht von unruhigem, allzu malerischem Wesen freizuhalten vermocht. (Die Büste Liebigs von Wagmüller, s. Tafel X, Fig. 14.) Tüchtige Bildhauer der kirchlichen Skulptur sind Joseph Knabl und Joseph Bayrer, die trotz ihres Anschließens an die Gotik eine freiere Formauffassung nicht vermissen lassen. Die neuere Richtung der Wiener Bildhauerei wurde von Fernkorn (1813-1878), der aus Schwanthalers Schule hervorgegangen war, bestimmt. Sein Reiterbild des Prinzen Eugen am Burgplatz ist zwar geschlossener und ruhiger als der ältere, ganz mißglückte Erzherzog Karl; doch ist bei einem Pferde, das sich über stützende und raumfüllende Trophäen bäumend streckt, eine wirklich monumentale Haltung des Ganzen nicht möglich. Von lebendiger Wirkung ist sein St. Georg, den Lindwurm tötend (s. Tafel VIII, Fig. 6). Ein talentvoller Künstler war Hans Gasser (1817-68), dem aber der Sinn für das Monumentale (Statue Wielands in Weimar etc.) gänzlich versagt war. Die neue großartige Bauentwickelung hat auch die Bildhauerkunst (Vinzenz Pilz, kräftig realistischer Künstler) gehoben und eine Menge von ausgezeichneten Werken der dekorativen Plastik (Kundmann, s. Tafel X, Fig. 6) hervorgebracht. Als naturalistischer Porträtbildner ist Tilgner (s. mehr Tafel X, Fig. 12) zu erwähnen. Endlich sind einige jener deutschen Bildhauer zu nennen, die zur dauernden Stätte ihres Wirkens Rom erwählt haben: Emil Wolff (1802-79), der einer antikisierenden Richtung folgt; Steinhäuser (1813-79), einer der wenigen Künstler, welche sich vorwiegend christlichen Stoffen zugewendet, und von dessen Schöpfungen namentlich die Arbeiten für Bremen (Ansgarius, Apostel des Nordens, 1865) zu erwähnen sind; Schubert, welcher ebenfalls in der letztern Richtung Tüchtiges geleistet hat (Grablegung für Hamburg), und Eduard Müller aus Koburg (Prometheus und die Okeaniden). In Frankreich finden wir zunächst eine Reihe von Männern, die in mehr oder weniger streng klassizistischer Richtung die Kunstweise aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts in unsre Zeit herübergeleitet haben. Doch tritt hier entweder der sinnliche Reiz der Erscheinung in den Vordergrund (Pradier aus Genf, 1792-1852), der sich bei Clésinger sogar in bedenkliche Richtungen verliert, oder die kalte Reflexion zeigt uns einen bis ins einzelne der Antike nachgebildeten Genreapparat, dem dann die Bedeutung des Gegenstandes oft schnurstracks entgegensteht (Lemaires Relief des Jüngsten Gerichts am Giebelfeld der Madeleine). Am unglücklichsten sind die öffentlichen Denkmäler dieser Schule. Ein freieres Naturgefühl beherrschte Rude (1784-1855), mehr noch Duret (1804-65), dessen Genrebilder durch Wahrheit und edle Auffassung gleich ausgezeichnete Erscheinungen sind (s. Tafel X, Fig. 2). Ähnliche Stoffe behandelten Jouffroy (1806-82) und eine große Anzahl jüngerer Künstler, deren Namen wir übergehen, weil ihre Werke kaum über Frankreich hinaus bekannt geworden sind. Gewiß ist, daß die Franzosen es in der ideal gehaltenen Genrefigur zu einer bedeutenden Meisterschaft gebracht haben. Der Bahnbrecher des Realismus war David von Angers (1789 bis 1856, Giebelfeld des Panthéon und eine große Anzahl Porträtstatuen und Büsten, auch von großen Männern Deutschlands, die er nach dem Leben modellierte, wie Goethe, A. v. Humboldt, Ludwig Tieck). Die Neuern bewegen sich im antiken Stoffkreis mit entsprechender Formgebung (Millets Ariadne, Perrauds Bakchos, Barrias' Schwur des Spartacus, s. Tafel X, Fig. 7, u. a.), oder sie nähern sich einer mehr genrehaften Richtung (Dubois, s. Tafel X, Fig. 10, Blanchard, Delaplanche), welche durch Carpeaux (s. Tafel X, Fig. 15) einem kühnen Naturalismus zugeführt worden ist. Belgien ist in der Plastik von Frankreich abhängig; dem Standbild des Rubens in Antwerpen von Geefs (1806-83) fehlt es an echt monumentaler Haltung; Ähnliches gilt von Fraikins Gruppe der Grafen Egmont und Hoorn zu Brüssel (s. Tafel X, Fig. 9); das beste der modernen Denkmäler ist vielleicht das Standbild Arteveldes in Gent von Devigne. Im Genre sind einzelne ansprechende Leistungen aufzuführen (Fraikins Cupido, s. Tafel VIII, Fig. 12). - Italien hat eine Reihe von Denkmälern aus neuerer Zeit aufzuweisen, doch nichts von unbedingtem Wert. Auch Pio Fedis (geb. 1815) Raub der Polyxena (s. Tafel IX, Fig. 8) für die Loggia dei Lanzi in Florenz ist nur durch den Gegensatz zu der Menge geringerer Leistungen ausgezeichnet und dem entsprechend gefeiert worden. Außerdem sind besonders Tenerani (1796-1869) und Vela (sterbender Napoleon) zu nennen. Auch Giovanni Dupré verdient Erwähnung (Sappho; Pietà, s. Tafel X, Fig. 5). Merkwürdig ist in diesem klassischen Lande die allen Gesetzen der Plastik widersprechende neuere Richtung auf naturgetreue Wiedergabe des Stofflichen und auf das Malerisch Naturalistische, welche namentlich in Mailand und Rom eigne Schulen begründet hat. Barzaghi (s. Tafel X, Fig. 1), Monteverde (s. Tafel X, Fig. 5), Calvi,

Seite 18 / 19 eLexikon Bewährtes Wissen in aktueller Form Bildhauerkunst | Bildende Künste - Bildhauerkunst Internet: https://peter-hug.ch/lexikon/bildhauerkunst/02_0934 d'Orsi und Biondi sind die Hauptvertreter derselben. - Unter den Schweden sind Byström und Fogelberg, beide der antikisierenden Richtung huldigend, zu nennen. - In keinem Land vielleicht steht die moderne Plastik so tief wie in England. Im Vergleich zu den Standbildern von Feldherren oder Staatsmännern, welche Londons Plätze und Straßen füllen, sind die Denkmäler Münchens wahre Muster an geistvoller Auffassung und monumentalem Stil. Man scheut sich nicht, hochbeinige englische Jagdpferde in Reiterstatuen figurieren zu lassen, man hat hier das Nonplusultra in Stil und Geschmacklosigkeit zu leisten verstanden, indem man Lord Wellington quer über den Triumphbogen am Hydepark reiten ließ. Dagegen muß zugegeben werden, daß im Porträtfach Tüchtiges geleistet wird und namentlich das plastische Genrebild trefflicher Behandlung und glücklicher Erfolge sich erfreut (Wyatt, Marshall u. a.). Der jüngere Spence (gest. 1866) hat bei einem schätzenswerten Reichtum der Erfindung seinem Hang zum Tändelnden nicht immer widerstanden (Findung Mosis und Johanna Deans vor Königin Karoline). In der Idealplastik herrscht im wesentlichen noch die weichlich antikisierende Richtung Canovas vor. Von dieser hat sich auch der bedeutendste englische Bildhauer, John Gibson (1791-1866), nie ganz frei zu machen gewußt, wie er denn auch Canovas Schüler gewesen war, in Rom seine Ausbildung erhalten hatte und hier auch sein Leben beschloß. Der Einfluß Thorwaldsens trieb ihn dazu, sich mehr der Antike selbst und der Natur zu nähern; aber eine gewisse Süßlichkeit und affektierte Grazie, die nun einmal der ganzen Idealskulptur seiner Nation eigen ist, überwand er nicht. Hervorragend ist sein Grabmal der Herzogin von Leicester zu Longford (s. Tafel VIII, Fig. 9). Seine besten Werke gehören dem Genre oder dem idyllisch-mythologischen Gebiet an: Amor als Hirt, Amor mit dem Schmetterling, Psyche von den Zephyrn getragen, Hylas und die Nymphen (London, Nationalgalerie). Höchst beachtenswert sind seine Versuche zur Wiederbelebung der Polychromie, mit denen er namentlich in seiner Venusstatue auf der Londoner Weltausstellung 1862 hervortrat. Noch sind zu erwähnen: Macdowell (s. Tafel VIII, Fig. 10), Macdonald (s. Tafel VIII, Fig. 11), Leighton, J. E. ^[Joseph Edgar] Böhm und Campbell. Besseres vielleicht als von der englischen darf von der nordamerikanischen Bildhauerei erwartet werden. Im ganzen freilich schließen die dortigen Bildhauer sich den herrschenden Richtungen Europas an, ja leben größtenteils, wie Crawford, in Rom. Eine ganz originelle Künstlernatur hat Amerika in Erastus Dow Palmer (zu Albany, geb. 1817) hervorgebracht, der nie über sein Vaterland hinausgekommen und ganz aus dem amerikanischen Leben, aus dem Arbeiterstand, hervorgewachsen ist. In idealen und allegorischen Werken, wie: Morgenstern und Abendstern, Schlaf, Frühling, der gefesselte Friede, weiß er, namentlich bei Büsten und Reliefs, ein feines Seelenleben zum Ausdruck kommen zu lassen. In genrehaften Werken schöpft er aus dem Leben seines Landes, wie: der Indianerhäuptling und die weiße Gefangene, oder er schildert das Kinderleben in anmutigster Weise, wie sein Hochrelief: Guten Morgen! zeigt. Eine Übersicht der Hauptbeispiele der Bildhauerkunst geben unsre Tafeln »Bildhauerkunst I-X«, nebst Tabelle. Litteratur: Neben den Darstellungen der allgemeinen Kunstgeschichte von Kugler, Schnaase u. a. Fortsetzung Bildhauerkunst:=> Seite 2.947 || tet besonders Lübkes "Geschichte der Plastik" (3. Aufl., Leipz. 1880) reiches Material Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892;2. Band, Seite 934 im Internet seit 2005; Text geprüft am 1.2.2008; publiziert von Peter Hug; Abruf am 25.9.2021 mit URL: Weiter: https://peter-hug.ch/02_0935?Typ=PDF Ende eLexikon.

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