Dez.11 / Jan.12
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DEZ.11 / JAN.12 2011 EINSCHLAUFEN Betrifft: Ein Bungalow in Santa Nirgendwo Impressum Nº 10.11 DER MUSIKZEITUNG LOOP 14. JAHRGANG Da wären wir also, kurz vor dem Jahresende, der vorliegenden Ausgabe mit Rückblicken auf und setzen an zu ein paar Momentbeschreibun- ihre aussergewöhnlichen Leben und Werke. Es P.S./LOOP Verlag gen über halbieren Gläsern. Die vergangenen bleibt dabei natürlich bei einer Auswahl, denn Postfach, 8026 Zürich zwölf Monate standen im Zeichen des Auf- es wären noch etliche andere Menschen aus dem Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 bruchs und der anhaltenden Krise. Während die Musikgeschäft zu nennen, allen voran Apple- [email protected] Menschen im Nahen Osten auf die Strasse gin- Gründer Steve Jobs, der mit dem iPod das ganze www.loopzeitung.ch gen, um ein längst verdientes Stück Demokratie Business umgekrempelt hat. Oder die ehemalige einzufordern, kämpften Europa und die USA Dylan-Freundin Suze Rotolo, die einst auf dem Verlag, Layout: Thierry Frochaux gegen den Zerfall von Währungen und den Kol- Cover von «The Freewheelin’ Bob Dylan» ver- laps der Finanzsysteme. So kam es, dass auf ein- ewigt wurde. Oder Clarence Clemons, der impo- Administration, Inserate: Manfred Müller mal die Notenbank-Chefs ungeahnte Berühmt- sante Saxofonist von Bruce Springsteens E Street heit erlangten und sozusagen zu Halbgöttern in Band. Ganz zu schweigen vom grossen Peter Redaktion: Philippe Amrein (amp), Grau avancierten. Echte Durchbrüche sind noch Alexander, von Gerry Rafferty («Baker Street»), Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe nicht auszumachen, und so bleibt vorderhand dem Kabarettsänger Georg Kreisler oder dem alles ist in nassen Tüchern, in Margarine, im ro- österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch. Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), ten Bereich. Sie alle werden schmerzlich vermisst und hinter- Yves Baer, Thomas Bohnet (tb), Eine Rückkehr zur Normalität ist gegenwärtig lassen Lücken im Klanguniversum. Mögen sie in Jean-Martin Büttner, Christoph Fellmann, nicht in Sicht, also bleibt uns einmal mehr nur Frieden ruhen. Christian Gasser (cg), Michael Gasser (mig), der Rückblick – auf die Opfer eines Jahres. Heu- Es dauert nur noch wenige Tage, und das tur- Matthias Krobath (makr), Nino Kühnis (nin), er erwischte es mit Osama Bin Laden ausnahms- bulente Jahr 2011 ist endgültig abgeschlossen Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), weise auch einmal einen Bösen, ansonsten haben – und damit auch der 14. Jahrgang der Musik- Pete Mijnssen, Philipp Niederberger, Markus sich aber vor allem ganz viele Gute aus dem Le- zeitung «Loop». Das gewährt uns eine kurze Schneider, Martin Söhnlein, Kaspar Surber ben verabschiedet. Da wäre beispielsweise der Verschnaufpause, bevor es dann mit dem nächs- Popstar-Tod der Amy Winehouse, der uns diese ten Jahrgang weitergeht – hinein in eine Zeit, die Druck: Rotaz AG, Schaffhausen von John Lennon und Kurt Cobain her bekannte mit den Olympischen Sommerspielen und der Erinnerung an den Ort beschert, an dem wir die Fussball-Europameisterschaft sportliche Gross- Das nächste LOOP erscheint am 26. Januar Todesnachricht erhalten haben. Darob dürfen ereignisse bereit hält. In deren Schatten ziehen Redaktions-/Anzeigenschluss: 19. Januar 2012 jedoch nicht all jene Musikerinnen und Musi- auch wir unsere Kreise. Wir werden nicht ruhen. ker vergessen gehen, die ebenfalls 2011 verstor- Titelbild: Amy Winehouse ben sind. Einigen von ihnen gedenken wir in Guido Greenspan Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 30 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] ABSPANN ZUR REVOLUTION verstand sich stets als performender Dichter, sein Konzept Zuletzt war sein basslasti- Mit Gil Scott-Heron verstarb nicht nur bezeichnete er als «Bluesology», mit dem Blues als Chiffre ger Bariton knorriger und der Black Experience. Als Vorbild galt ihm dabei Langston vernuschelter geworden, ein grosser afroamerikanischer Musiker, Hughes, der als Lichtgestalt der Künstlerbewegung «Har- weil ihm die Drogen die lem Renaissance» bereits in den Zwanzigerjahren eine solch Zähne ruinierten. Auf der sondern auch ein geradezu einzigartiger bluesbasierte Poeto logie angelegt hatte. Bühne und bei Interviews Der Proto-Rap auf seinem berühmten, zornig-ironischen aber war er noch immer politischer Poet. Song «The Revolution Will Not Be Televised» (verewigt auf wach und selbstironisch. dem 1970 veröffentlichten Debüt «Small Talk at 125th & «Wenn man älter wird, Man kann nicht sagen, dass man mit Gil Scott-Herons Tod Lenox Ave») war zunächst als Text in einem Gedichtband passiert eben viel Scheis- nicht rechnen konnte. Jahrzehntelang hat er mit Drogen erschienen; entsprechend gab er sich da noch als Jazzpoet se», sagte er gegenüber der und Alkohol gekämpft, sass das letzte Jahrzehnt drogenbe- vor nervös perkussiver Kulisse. Doch schon auf «Pieces of englischen Zeitung «Guar- dingt immer wieder im Gefängnis und war zudem seit eini- a Man» (1971) trug er seine poetischen Skizzen aus dem dian». «Man kriegt Ärger, gen Jahren HIV-infi ziert – nicht gerade die Voraussetzungen afroamerikanischen Alltag und die sarkastische Politkritik man verliert ein paar Leute. für ein langes Leben. Dennoch kam die Meldung, dass einer in groovenden Songs und souligen Balladen vor. Vielleicht zerbricht die Ehe der wichtigsten afroamerikanischen Poeten und Musiker Dieser Mischung blieb er bis in die Achtzigerjahre treu – und der Kontakt zu Frau seiner Generation am 27. Mai in einem New Yorker Spital und schuf, meist begleitet von Keyboarder und Flötist Brian und Kind. Aber in welchem im Alter von 62 Jahren gestorben sei, überraschend. Denn Jackson – Klassiker wie «The Bottle», die bittere Anklage Leben wäre das nicht so?» in letzter Zeit hatte es so ausgesehen, als ob er wieder in die «Winter in America», das Anti-Atom-Stück «We Almost So gesehen könnte man nun Spur gefunden hätte. Lost Detroit» oder «B-Movie», die funkig-feurige Ab- auch Scott-Herons Tod als 2010 war Scott-Heron nach einer 16-jährigen Album- rechnung mit Ronald Reagan. Ab 1982 wurden Gil Scott- unvermeidliche Entwick- pause wieder aufgetaucht: «I’m New Here» riss schon im Herons Auftritte unzuverlässiger, und es erschien (bis zum lung verstehen. Die Trau- Titel den Neubeginn an. Der Produzent Richard Russell, erwähnten «I’m New Here») nur noch ein Album: das schö- rigkeit würde das jedoch zugleich Chef des britischen XL-Labels, hatte ihn 2007 im ne, unterschätzte «Spirits» von 1994, mit einem Aufruf an kaum mindern. Gefängnis dazu überredet. «I’m New Here» ist ein kurzes, seine Rapper-Epigonen, Verantwortung für die Community wunderbares Album. Zwischen schmerzlichen Blues- und zu übernehmen. Markus Schneider Soulcovern, gesprochenen Gedichten und karg moder- nistischen Beats skizziert es seine künstlerische Auto- biografi e, die er doch lässig in den grossen Zusammen- hang der afroamerikani- schen Community fügt. So erzählt er voll wehmütiger Wärme von seiner Jugend in Tennessee, wo er nach der Scheidung seiner Eltern – die Mutter war Bibliothe- karin und Chorsängerin, der jamaikanische Vater wurde in den Fünfzigerjah- ren der erste schwarze Fuss- ballprofi beim schottischen Spitzenclub Celtic Glasgow – bei der bürgerrechtlich engagierten Grossmutter aufwuchs. SOULIGE SKIZZEN Scott-Heron, in Chicago geboren und seit den Sech- zigerjahren in New York zu Hause, hatte schon immer alle möglichen diaspori- schen Stile zwischen Jazz, Latin und Funk benutzt; später kam auch noch der HipHop dazu. Mit Eh- rentiteln wie «Godfather of Rap», den ihm Anhän- ger von Star-Rappern und -HipHoppern wie Chuck D (Public Enemy), Tupac Shakur oder Kanye West verliehen, hat er sich des- wegen nie wohlgefühlt – er SZENE FÜR MEHR ROCK’N’ROLL IM FUSSBALL! ZWÖLF – das junge Fussball-Magazin. Am Kiosk und im Abo. www.zwoelf.ch Plakataushang und Flyerverteil Sehr gezielt und in jeder Region der Schweiz Telefon 044 404 20 20 www.propaganda.ch SSaisonpauseaisonpause bbisis AAnfangnfang MMärzärz 22012012 /)-4/):+«)*-:6)4 ;+0i6416/51<)*/:j6,-6 *1; /)=5-63167"-16.-;< ,-:>1-4-6;166- am Helvetiaplatz, Tel. 044 242 04 11, www.xenix.ch TODESJAHR 2011 Nach dem Rückzug in die ländliche Abgeschiedenheit der englischen Provinz folgte gemeinsam mit dem Grafi ker und Filmemacher Julian House das programmatisch betitelte Spulenwerk «Broadcast and the Focus Group Investigate Witch Cults of the Radio Age». Auf dieser Klangcollage war der Song beinahe gänzlich verschwunden, und mit ihm auch weitgehend die Stimme von Trish Keenan. Die Kon- zerte, die Broadcast im Anschluss an diese Platte gaben – etwa beim vom Simpson-Erfi nder Matt Groening kuratier- ten ATP-Festival 2010 –, zeigten das Duo im Verbund mit House als Gesamtkunstwerker, die mit Filmprojektionen und erzählerischen Mitteln die Auftritte zu Happenings ausweiteten. Im Frühling 2011 hätten Broadcast erneut beim englischen ATP-Festival auftreten sollen – diesmal als Wunschband des Animal Collective. Durch Keenans Tod legte sich ein Schatten über das Festival. Viele der Bands er- innerten an die Künstlerin – beispielsweise Bradford Cox, der als Atlas Sound die letzte US-Tour von Broadcast eröff- net hat und sein neues Album «Parallax» der Verstorbenen trish keenan widmet. Trish Keenan (1968 – 2011) Eine weitere Erinnerung stammt von einem engen Freund Keenans: Er veröffentlichte online das Mixtape «Mind Im Jenseits schwebend Bending Motorway Mix», das sie ihm kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte, und für das er sich nicht mehr bei Retrofuturistische Sounds, die Suche nach dem Okkulten,