— Dienstag, 23. Oktober 2012 11

Securitas-Präsident Wirtschaft Der Berner Samuel Spreng erhält einen Preis für sein Lebenswerk. 13

Hello-Grounding Das System Suter Ob , «Basler Zeitung» oder Hello: Das Geschäftsmodell von Moritz Suter ist immer das gleiche: Der Pilot steuert Ziele an, Freunde beschaffen das nötige Kleingeld.Romeo Regenass

Es war einer seiner zuletzt selten gewor- denen Auftritte vor Publikum, die Rede Betroffene Passagiere im grossen Hörsaal der Universität Ba- sel. Am Anlass der Vereinigung der Bas- Ersatzflüge gibt es ler Ökonomen hatten sich Prominente aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft noch nicht für alle eingefunden. Moritz Suter schwelgte in beschönigten Crossair-Zeiten, hielt die Die Hello-Flugzeuge stehen seit Sonntag Zeitung «Der Sonntag» fest. am Boden. Betroffen vom Grounding Verständlich. Suter hat stets die Er- sind rund 3000 Passagiere – die allesamt folgsgeschichte «seiner» Crossair vor über Reiseveranstalter ihre Flüge ge- Augen: das kostenbewusste, schlank auf- bucht haben. Hello hat keine Direktkun- gestellte Unternehmen, das der schwer- den. Am stärksten trifft es Hotelplan mit fälligen zeigte, wie das Geschäft 2500 Betroffenen. Der Veranstalter hat zu betreiben war. Nur blendet der bereits für alle Flüge ab Zürich bis und frühere Swissair-Pilot oft aus, dass die mit dem 31. Oktober Ersatzlösungen ge- Crossair just dieser Swissair einen Teil funden. Die Passagiere fliegen an den ge- ihres Erfolgs verdankte. Die «fliegende planten Daten mit oder Air Bank», wie sie damals genannt wurde, Berlin nach Ägypten, auf die Kanari- besass dank diverser Zukäufe eine kom- schen Inseln oder nach Zypern. Für die fortable Mehrheit an Suters Airline und geplanten Ägypten-Flüge ab dem 1. No- liess diese einen Teil des hart umkämpf- vember sowie einen Charterflug ab - Ja ten Europa-Geschäfts betreiben. Kosten- nuar 2013 nach Finnisch-Lappland (Kit- bewusst. tilä) werden noch Lösungen gesucht. Den Vorwurf des Grössenwahns, den Die Volketswiler ITS Coop Travel Suter der Swissair immer wieder machte, sucht noch nach Lösungen, 170 Kunden muss er sich nun selber gefallen lassen. aus dem ägyptischen Marsa Alam zu- Nachdem die Hello-Flotte als Folge der rückzuholen. Weitere 144 Passagiere Finanzkrise 2009 halbiert worden war, wären gestern mit Hello dorthin geflo- wurden die Kapazitäten bereits 2010 gen. Auch für sie werden Alternativen wieder hochgefahren. Seit Frühling 2011 gesucht. Wer möchte, kann sein Arran- waren vier Airbus A320 im Einsatz. Die gement kostenlos annullieren. Bei Kuoni fast 700 Sitzplätze zu füllen, ist für eine und Helvetic Tours sind 100 Kunden be- Schweizer Charterairline kein Spazier- troffen. Für rund 20 Passagiere, die ges- gang, ist sich die Branche einig. tern von Antalya nach Zürich fliegen soll- Bemerkenswert ist Suters Karriere als ten, konnte ein Ersatzflug organisiert Aviatikpionier dennoch. 1943 als Sohn werden. Für alle anderen sucht man eines Musikprofessors in geboren, Bekannt als guter Kommunikator mit grosser Überzeugungskraft: Moritz Suter. Foto: Georgios Kefalas (Keystone) noch nach Lösungen. TUI Suisse flog ges- verlässt Moritz das Gymi ohne Matura. tern mit einer Ersatzmaschine nach An- Den Traum vom Linienpiloten finanziert aber nicht wirklich reichen Suter das ersten Absturz, jenem in Nassenwil, ge- tet. Im Gegenzug rekrutierte die Cross­ talya. Für die nächsten Tage werden ihm sein Grossvater. Wie sein späterer Geld für den Kauf geliehen hatte. stand Suter, viel geweint zu haben. Der air dort Piloten. Heute ist Suter Aktionär noch Lösungen gesucht. 100 Gäste und Weggefährte bei der Crossair, André Bei Hello war es im Dezember 2010 gute Kommunikator war auch als Trau- der privatisierten Moldavian Airlines. fünf Destinationen sind bis Saisonende Dosé, sammelt er erste Erfahrungen als zu einer Erhöhung des Kapitals von 8 auf ernder fassbar, man nahm ihm das Leid Mit im Aktionärsboot sitzt der Zürcher von der Stilllegung betroffen. Pilot beim Besprühen von Feldern mit 22,1 Millionen Franken gekommen. Die ab. Der tragische Unfall war erst noch Wirtschaftsanwalt Georg Wiederkehr, Pflanzenschutzmitteln. Nach wenigen Investoren blieben in Deckung, bis der kurz vor dem 25-Jahr-Jubiläum der ein alter Weggefährte aus Crossair-Zei- Bund und FC Basel betroffen Jahren als Pilot bei der Swissair gründet «Sonntag» den Solothurner Medizinal- Crossair­ passiert, ein Fest mit 1500 gela- ten und Bruder von Alfred Wiederkehr. Das Grounding trifft auch den Bund: er 1975 mit 65 000 Franken die Business technikunternehmer Hugo Mathys als denen Gästen hatte man geplant. Da- Dieser ist ebenfalls Wirtschaftsanwalt, Hello ist eine von mehreren Airlines, die Flyers Basel, die spätere Crossair. Investor outete und der «Bund» ent- raus wurde nichts. Ex-Verwaltungsratspräsident der Cross­ Ausschaffungsflüge durchgeführt hat. hüllte, dass die Familie Blocher ihre air und Hello-Aktionär. Suters Osteuro- Ein wichtiger Partner war Hello auch für Mit Charme zu Millionen Hände mit im Spiel hatte. Als Pionier nach Osteuropa pa-Engagement hört hier nicht auf: Wie den FC Basel, der mit der lokalen Airline Die Kapitalerhöhungen, die das rasante Absolute Tiefpunkte von Suters Kar- Der Unfall in Nassenwil machte Suter auch Georg Wiederkehr ist der Flugpio- zu seinen Europacupspielen zu fliegen Wachstum nötig machen, kann Suter riere waren sicher die zwei Abstürze von auch aus einem anderen Grund beson- nier Aktionär und Verwaltungsrat bei pflegte; ein Airbus des Unternehmens ist nicht alleine stemmen: Wie später bei Crossair-Maschinen 2000 und 2001, die ders betroffen: Er hatte die Crew gut ge- Carpatair, der rumänischen Mutter von gar mit dem FCB-Logo versehen. Unter Hello und bei der «Basler Zeitung» setzt insgesamt 34 Menschenleben kosteten. kannt. Der moldauische Pilot hatte zu- Moldavian. Es soll ihr gut gehen. der immer gleichen Flugnummer er auf sein privates Umfeld – und später Man warf Suter eine dem Spardruck ge- vor die Aufnahmeprüfung bei der Cross­ Für Moritz Suter ist zu hoffen, dass FHE1893 (in Anlehnung an das Grün- wie gesagt auf die Swissair. Der Char- opferte Sicherheitskultur vor. Für den air bestanden, Suter hatte ihn beim der Finanzchef von Carpatair verlässli- dungsjahr des Vereins) sollte auch mor- meur hat Überzeugungskraft und Absturz bei Bassersdorf musste er vors Nachtessen dazu kennen gelernt. «Ein che Zahlen liefert. Wenn es stimmt, dass gen Mittwoch ein Flieger mit Mann- ­Charisma: Er schafft es, Investoren dazu Bundesstrafgericht. Doch die Anklage sensibler, anständiger Mensch», sagte er der Hello-Finanzchef Suter mit falschen schaft, Verantwortlichen und Edelfans zu bringen, Millionen in alles andere als wegen fahrlässiger Tötung blieb folgen- der «Schweizer Illustrierten». Zahlen getäuscht hatte, wäre seine Rede an Bord nach Ungarn abheben, wo der risikolose Unterfangen zu stecken. Das los. Es sei nicht erwiesen, dass in der Zu Moldau hatte Suter schon zuvor im Hörsaal der Uni Basel jedenfalls fast FC Basel am Donnerstag gegen den war bei der Crossair so, es war bei Hello Firma eine Angstkultur geherrscht habe, eine besondere Beziehung. Ende der prophetisch gewesen. Unter anderem FC Videoton aus Sekesfehervar spielt. so, und es war bei der BaZ so. hatte das Gericht damals festgehalten. Neunzigerjahre hatte die Crossair eine hatte er dort nämlich doziert: «Wenn Das Aus von Hello zwang den Club, kurz- Oft bleibt ein Teil von Suters Geldge- Dem als Kostentrimmer bekannten, Kooperation mit der damals noch staat- sich die Menschen nicht mit der Unter- fristig umzuplanen: Hamburg Airways bern dabei anonym. Bei der BaZ rätselte aber durchaus empfindsamen Suter gin- lichen Air Moldavia begonnen und ihr nehmung identifizieren, in der sie arbei- wird den Charterflug übernehmen. man lange, wer dem zwar gut gestellten, gen beide Vorfälle nahe. Kurz nach dem unter anderem eine Maschine vermie- ten, nützt alles Geld nichts.» Wie wahr. (bwi/ derbund.ch/Newsnet) Ist der Finanzchef nur der Sündenbock?

Der Manager, der angeblich Somers hofft aber immer noch, dass där Hugo Mathys – den offiziellen Geld- gefahren würden. Offenbar haben diese nicht funktioniere. Eine Voraussetzung er dank der bisher nur sistierten Flugbe- gebern bei der letzten Kapitalerhöhung negativen Geschäftsentwicklungen zu- für ein zuverlässiges MIS. Sein Brief an die Bilanz beschönigte, willigung (EOC) die Airline verkaufen um 14 Millionen – wurde verworfen. sammen mit höheren Treibstoffkosten die Mitarbeiter endete mit den fast pro- warnte schon vor einem Jahr kann. «Bei einem Konkurs würde das und 5 Prozent tieferen Erträgen der Air- phetisch anmutenden Sätzen: «Vergesst vor Schwierigkeiten. EOC hinfällig», sagt Somers, «so könnte Wertlose Aktien statt Bargeld line das Genick gebrochen. nicht, wir mögen keine Überraschun- es innert Stunden wieder aktiviert wer- So richtig kaufte das Personal Somers die Interessant ist, dass der angeblich gen. Haltet uns auf dem Laufenden über den. Und ich habe fünf potenzielle Inves- Erklärung jedoch nicht ab. Auf Nachfrage fehlbare CFO, der laut Somers alles be- Unregelmässigkeiten.» Arthur Rutishauser toren aus dem Ausland, die wir jetzt prü- gab dieser denn auch zu, dass das zah- schönigte, bereits vor einem Jahr in Das Personal wie auch Stimmen aus Gestern Nachmittag um 13 Uhr war es so fen.» Seinen Mitarbeitern versicherte lungsunfähig gewordene französische einer Mitarbeiterinformation vor Ein- dem Umfeld der Airline sprechen denn weit: Hello-CEO Robert Somers trat vor Somers, auch er fühle sich betrogen vom Reisebüro Starter der Airline 7 Millionen nahmeausfällen von 19 Prozent wegen auch von einem Sündenbock, den man seine Mitarbeiter. Und es war keine gute Finanzchef, der die Situation der Unter- Franken schuldig geblieben sei. Offenbar des hohen Frankens und vor einem im CFO gefunden habe. Angesprochen Botschaft, die er während der folgenden nehmung beschönigt habe. Anstatt wie bekam die Airline von den Franzosen schwierigen Geschäftsgang gewarnt auf diese Widersprüche, sagt Somers, er 90 Minuten verkündete. Zwar habe man in den Managementinformationen (MIS) statt Cash nur wertlose Aktien. Dies hatte. Ende Mai warnte er erneut, der habe im August die wahren Zahlen eben erreicht, dass der Gesellschaft ein Kon- und Liquiditätsberichten vorgegaukelt, wurde offensichtlich, als Starter vor zwei CEO hingegen wandte sich noch im Au- nicht gekannt. Trotz der angeblichen kursaufschub bis Ende Monat gewährt seien nicht mehr 7 Millionen in den Kas- Wochen von der FTI praktisch zum Null- gust mit euphorischen Worten an das Verfehlungen des ehemaligen CFO sagt wurde, was den Eigentümern erlaube, sen der Airline, sondern mehr oder we- tarif übernommen wurde. Zudem ist vor Personal und sprach von einem guten Somers, er habe bisher noch keine Straf- nach einem Käufer zu suchen. Doch das niger nichts. Am Sonntag um 18 Uhr wenigen Wochen bekannt geworden, Geschäftsgang, speziell auch von guten anzeige eingereicht. In den nächsten Ta- ändere nichts daran, dass die Charter- abends sei darum der Verwaltungsrat dass TUI ab nächstem Sommer nicht Buchungen im kommenden Winter. Der gen würde die Vorwürfe intern noch- fluggesellschaft von Moritz Suter seit ges- zum Schluss gekommen, man müsse mehr mit Hello fliegt. Auch Hotelplan hat CFO hingegen sprach von sinkenden Er- mals überprüft und der Betroffene da- tern am Boden steht. Und: Die 140 Ange- den Betrieb per sofort einstellen. Ein angekündet, dass die Kontingente, die trägen, steigenden Kosten und einem mit konfrontiert. «Was das Motiv der stellten der Fluggesellschaft stünden neuerlicher Einschuss von Kapital durch drei Flieger am Flughafen in Zürich zu nicht eingehaltenen Budget. Zudem Falschangaben war, das wissen wir trotz Konkursaufschub auf der Strasse. Moritz Suter, Michael Pieper und Milliar- einem schönen Teil auslasteten, zurück- sprach er davon, dass die Informatik nicht», sagt Somers.