25.09.2013 L’ARPEGGIATA LEITUNG SOPRAN

SAISON 2013/2014 ABONNEMENTKONZERT 1

12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 2 28.08.13 15:16 Mittwoch, 25. September 2013, 20 Uhr MAURIZIO CAZZATI Ciaccona Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal (1616 –1678) L’ARPEGGIATA CHRISTINA PLUHAR LEITUNG „Vieni, vieni in questo seno“ NURIA RIAL SOPRAN Arie der Nerea aus „Rosinda“ (1651)

„L’AMORE INNAMORATO“ „Affl iggetemi, guai dolenti“ ARIE, LAMENTI E SINFONIE Arie der Artemia aus „L’Artemisia“ (1657)

„Che città“ Arie des Nerillo aus „Ormindo“ (1644) FRANCESCO CAVALLI Sinfonia aus „Il Giasone“ (1649) (1602 –1676) Sinfonia aus „L’Eliogabalo“ (1668) O quam suavis aus „Mottetti a voce sola“ (1645) „Dammi morte“ Arie der Oronta aus „L’Artemisia“ „Piante ombrose“ Arie der Calisto aus „La Calisto“ (1651) „L’Alma fi acca svani“ Lamento der Cassandra aus „Didone“ (1641) „Verginella io morir vo“ Arie der Calisto aus „La Calisto“ „Alle mie ruine“ Lamento der Ecuba aus „Didone“

Canzon a 3 aus „Musiche sacre“ (1656) „Ardo, sospiro e piango“ Arie der Artemia aus „L’Artemisia“ „Piangete, occhi dolenti“ Lamento der Climene aus „Egisto“ (1643) „Ninfa bella“ Arie des Satirino aus „La Calisto“

„Non e maggior piacere“ Arie der Calisto aus „La Calisto“ Keine Pause

„Restino imbalsamente“ Das Konzert wird am Freitag, den 4. Oktober 2013, um 20.05 Uhr auf NDR Kultur gesendet. Arie der Calisto aus „La Calisto“ 02 | PROGRAMMABFOLGE PROGRAMMABFOLGE | 03

12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 3 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 4 28.08.13 15:16 L’ARPEGGIATA L’ARPEGGIATA BESETZUNG

Das hochdekorierte Ensemble L’Arpeggiata wurde L’Arpeggiata gastierte u.a. in der Londoner THEORBE UND LEITUNG BAROCKGEIGE VIOLA DA GAMBA, im Jahre 2000 von Christina Pluhar gegründet Wigmore Hall, der New York Carnegie Hall, Christina Pluhar Veronika Skuplik LIRONE und besteht ausschließlich aus virtuosen und in Tokyo und beim Hong Kong Arts Festival. künstlerisch herausragenden Musikern. In Zusam- Rodney Prada menarbeit mit Solisten verschiedenster musikali- Die Einspielungen von L’Arpeggiata wurden mit ZINK scher Herkunft begeistert das Ensemble Publikum zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Doron Sherwin BAROCKCELLO und Presse in der ganzen Welt durch unkonventi- Cannes Classical Award, der Diapason d’Or, der onelle, mitreißende Aufführungen. Benannt nach Edison Price und der Echo Klassik, den Christina Josetxu Obrgegon der gleichnamigen Toccata von Giovanni Girolamo Pluhar und L’Arpeggiata 2009 für das Album PSALTERION Kapsberger hat sich L’Arpeggiata ganz auf die „Teatro d’amore“, 2010 für „Via Crucis“ und 2011 Margit Übellacker PERKUSSION Auf führung der Musik des 17. Jahrhunderts spe- für Monteverdis Vespro della beata vergine er- ziali siert. Dabei treffen überschäumende Spiel- hielten. Ihre neue CD „Los Párajos Perdidos – The David Mayoral freude, Lust am Improvisieren und Experimentier- South American project“ erschien im Januar 2012 LAUTE freudigkeit auf das musikalische Handwerk der bei EMI/virgin classics. Eero Palviainen CEMBALO UND ORGEL historischen Aufführungspraxis. L’Arpeggiata tritt regelmäßig bei bedeutenden Musikfestivals auf, Haru Kitamika darunter die Schwetzinger Festspiele, die BAROCKHARFE Händel festspiele in Halle, die RuhrTriennale, das Sarah Ridy Printemps des Arts de Nantes, die Ludwigsburger Schlossfestspiele und das Musikfest Postdam;

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 5 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 6 28.08.13 15:16 CHRISTINA PLUHAR NURIA RIAL THEORBE UND LEITUNG SOPRAN

Christina Pluhar wurde in Graz geboren. Nach Nuria Rial studierte Gesang und Klavier in ihrem ihrem Studium der Konzertgitarre entdeckte sie Heimatland Katalonien. Sie wechselte nach Basel ihre Liebe zur Renaissance- und Barockmusik und in die Klasse von Kurt Widmer, machte 2003 ihren begann ihr Lautenstudium bei Toyohiko Satoh Abschluss und gewann den Helvetia Patria Jeunes se am Koninklijk Conservatorium in Den Haag. Sie in Luzern für ihre herausragenden Fähigkei ten als erlangte dort 1989 das Solistendiplom für Laute, Sängerin. Sie trat bereits bei den führenden Fes ti- setzte aber ihre Ausbildung bei vals in Europa auf. Als Konzert solistin arbeitete Rial an der Schola Cantorum Basiliensis fort, wo sie mit Dirigenten wie Paul Goodwin, Gustav Leonhardt, 1992 das „Diplom für Alte Musik” erlangt. René Jacobs, Thomas Hengelbrock, Skip Sempé, Barockharfe studiert Pluhar bei Mara Galassi an Laurence Cummings, Pierre Cao. Dabei wurde sie der Scuolo Civica di Milano, der Besuch von zahl- von Spitzenensembles wie Il Giardino armonico reichen Meisterkursen bei Paul O’dette, Jesper The English Concert, Les Musiciens du Louvre, Christensen und Andrew-Lawrence King prägen Concerto Köln, dem , der ihren musikalischen Werdegang. Von 1990 bis Akademie für Alte Musik, La Risonanza, l’Arpeggiata 2000 war Pluhar Mitglied des Ensembles „La oder dem Züricher Kammerorchester begleitet. Fenice“, mit dem sie 1992 einen ersten Preis im Rial sang in wichtigen Opernproduktio nen wie in internationalen Ensemblewettbewerb für Alte Francesco Cavallis „Eliogabalo“ in Brüssel, Monte- Musik in Malmö erlangte und die siebenteiligen verdis „Orfeo“ an der Staatsoper Unter den Linden Reihe „L’heritage de Monteverdi“ bei dem Label in Berlin sowie in Mozarts „Zauberflöte“ in Genua. „Ricercar” einspielte. Pluhars solistische Einspie- Akademia (Françoise Laserre), La Grande Ecurie 2011 übernahm sie die Partie der „Ilia“ aus Mozarts lung mit Werken von Alessandro Piccini erschien et la Chambre du Roi (Jean-Claude Malgoire), „Idomeneo“ auf einer Tournee durch die Schweiz. 1996 bei der Plattenfirma „Empreinte Digitale“. Concerto Cölln (Konrad Junghänel). Unter der Seit 1993 hat sie einen Lehrauftrag an der Kunst- Leitung von René Jacobs, Ivor Bolton, Alessandro Nuria Rial hat zahlreiche CDs für verschiedene universität in Graz und gibt Meisterkurse in di Marchi, Gabriel Garrido u. v. a. sowie als Be- Labels aufgenommen. Darunter die preisgekrönte Deutschland, Belgien und Frankreich. Seit 1999 gleiterin von , Marco Beasley und Figaro-Aufnahme mit René Jacobs. Seit Januar unterrichtet sie eine Klasse für Barockharfe am Dominique Visse war Pluhar zudem bei zahlrei chen 2009 ist sie Exklusivkünstlerin bei Sony Classical/ Königlichen Konservatorium in Den Haag. Festivals zu hören. Sie war außerdem Assistentin BMG Masterworks. Unter den letzten Aufnahmen von Ivor Bolton an Münchner Staatsoper. befand sich eine Händel-CD mit dem Kammer- Seit 1992 lebt Pluhar als freischaffende Musikerin orchester Basel, „Duetti amorosi“ mit dem Counter- in . Sie konzertierte als gefragte Solistin und tenor und Händels „Neun Deut- Continuo-Spielerin mit verschiedenen Kammer- sche Arien“ mit der Austrian Baroque Company. musikensembles und Barockorchestern wie: Ihre CD „Via Crucis“ gewann den niederländi schen La Fenice (Jean Tubery), Hesperion XXI (Jordi „Edison Award“. 2009 erhielt sie den Echo Klassik Savall), Accordone (Marco Beasley), Ricercar für ihre Haydn-CD mit dem Orfeo Barockorchester, Consort (Philippe Pierlot), Concerto Soave und sie bekam einen zweiten Echo Klassik für (Maria Cristina Kiehr), Elyma (Gabriel Garrido), ihren Beitrag auf der CD „Teatro d’Amore“ mit Les musiciens du Louvre (Marc Minkowsky), Christina Pluhar und .

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 7 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 8 28.08.13 15:16 Der Satiriker Ferrante Pallavicino verhöhnte hier an San Marco engagiert. Vier Jahre später wurde KARNEVAL DER LEIDENSCHAFTEN (vorerst) ungestraft den bankrotten Papst und die Cavalli Organist an der Kirche San Giovanni e Paolo, DIE OPERN VON FRANCESCO CAVALLI Inquisition; die Nonne Arcangela Tarabotti klagte ab 1639 bekleidete er das Amt des Zweiten Orga- Francesco Cavalli ist in. Seit der Dirigent Raymond mann (der Geld genug hatte) zugängliche Opern- in Büchern wie „Väterliche Tyrannei“ oder „Convent nisten an San Marco. Hauptberuflich war Cavalli Leppard 1967 bei den Festspielen in Glyndebourne haus, das Teatro San Cassiano, eröffnet. Psycholo- Hölle“ die erzwungene Kasernierung vieler Frauen also sein Lebtag lang Kirchenmusiker, doch Cavallis „Ormindo“ wieder zum Leben erweckte, gisch gesehen mag dies einem Ausbruch der in den Klöstern an. Und an der Universität im von Geschichte schrieb er im Nebenberuf als Opern- erlebt die Musik dieses lange Zeit kaum beachteten Lebenslust nach der überstandenen Depression Venedig aus verwalteten Padua hatte ein gewisser Komponist. 32 Musiktheaterwerke werden Cavalli Großmeisters der venezianischen Oper ein nach- zuzuschreiben sein. Wirtschaftlich betrachtet Galileo Galilei mittels Hightech-Optik Krater auf heute zugerechnet (fünf sind verschollen); mit haltiges Revival. In den ersten 25 Jahren seit ihrer war es ein Geniestreich des venezianischen Stadt- dem Mond und Monde um den Jupiter entdeckt. einer erfolgreichen Oper verdiente er das Zwei- Wiederentdeckung durch Leppard wurde alleine marketings, denn schon damals war der Karnevals- Im Zentrum der liberalen Publizistik in Venedig bis Dreifache seines Jahressalärs als Organist. Cavallis „La Calisto“ 57 Mal nachgespielt. Fast alle tourismus für die Serenissima eine wichtige stand die Accademia degli Incogniti; eine Vereini- Dank solcher Aufträge – und weil er eine reiche seiner 27 überlieferten Opern sind inzwischen Einnahmequelle, und das neu installierte Spektakel gung von Gelehrten und Honoratioren, die 1630 Witwe geehelicht hatte – residierte Cavalli ab 1647 wiederaufgeführt worden, und seit einigen Jahren war auch als zusätzliche Attraktion für die Karne- mitten in der Zeit größter Bedrängnis gegründet umsorgt von einer zahlreichen Dienerschaft in läuft ein großes Editionsprojekt, das Cavallis valssaison gedacht. Das Konzept bewährte sich worden war. Diese freigeistige Accademia betrieb einem eigenen Haus am Canal Grande. Die Chancen Partituren in historisch-kritischen Ausgaben dem glänzend: Vierzig Jahre später zählte Venedig bereits nicht nur ein eigenes Theater, auch mehrere der neuen Gattung Oper hatte er früh erkannt: Musikbetrieb wieder zugänglich macht. Dieser sieben Opernhäuser und die venezianische Oper namhafte Opern-Librettisten gehörten ihr an. 1639, zwei Jahre nach dessen Eröffnung, schrieb Erfolg wirft Fragen auf: Woher kommt nach 350 erwies sich als Exportschlager. Cavalli seine erste Oper fürs Teatro San Cassiano; Jahren des Beinahe-Vergessens diese Begeisterung? DRAMEN MIT MUSIK im Jahresabstand folgten weitere. Als „Dramma Welchen Nerv trifft diese Musik beim heutigen Die Venezianer machten das Konzept Oper, das Francesco Cavalli schwamm auf der Erfolgswelle musicale“ oder „Dramma per musica“ wurden die Publikum? einige Florentiner Gelehrte um 1600 ersonnen der venezianischen Oper obenauf. Maestro Claudio neuartigen Werke damals bezeichnet. Viele von hatten, marktfähig. An den Höfen in Florenz oder Monteverdi selbst hatte den 14-jährigen Cavalli ihnen sind heute nur als Textbücher überliefert, KAUFLEUTE UND FREIGEISTER Mantua diente die Oper dem Fürstenlob und der (alias Pier Francesco Caletti-Bruni) 1616 als Sänger denn offenbar war das Verhältnis von Dichtung Was die frühe venezianische Oper ausmacht, Repräsentation; in päpstlichen Rom legte man versteht man am besten aus den Umständen ihrer den Schwerpunkt auf geistliche Erbauung. Im rein Entstehung. Der Siegeszug der Oper in Venedig privatwirtschaftlich finanzierten, von Konkurrenz begann vor dem Hintergrund zweier historischer angetriebenen venezianischen Opernbusiness lag Katastrophen. Von 1630 bis 1631 wütete die Pest das Augenmerk dagegen auf der Unterhaltung in der Lagunenstadt; knapp 50 000 Menschen, ein eines zahlenden Publikums. Zu den Grundelemen- Drittel der venezianischen Bevölkerung, erlagen der ten der venezianischen Oper zählen so von Anfang Seuche. Auf ihrem Höhepunkt, im November 1630, an Intrigen, Sex und komische Nebenfiguren. forderte die Epidemie fast 15 000 Opfer binnen Man kultivierte das Spiel mit Illusionen und Des- eines Monats. Zur medizinischen Katastrophe kam illusionierung, Verkleidungen, Maskeraden und die militärische: Im Mai 1630 wurde ein venezia- Travestie. Gipfelwerke der venezianischen Oper, nisches Heer in der Schlacht von Villabella vor wie Monteverdis „Krönung der Poppea“, zeichneten Mantua vernichtend geschlagen. Kaum hatte das sich dabei durch einen gnadenlos analytischen venezianische Gemeinwesen sich von diesen Blick auf die menschliche Natur aus. Venedig war Schicksalsschlägen einigermaßen erholt, fand es der Ort, an dem solche Sichtweisen gediehen. Kraft, Lebensfreude und Initiative genug für eine Bereits Anfang des Jahrhunderts hatte man die musikhistorische Großtat: 1637 wurde in Venedig Jesuiten aus der Stadt verbannt; so blieb die „Prozession vor S. Maria della Salute“. (Alljährlicher Besuch des Dogen zur Erinnerung an das Ende der Pest das erste öffentliche, gegen Bezahlung für jeder- Republik lange ein Hort der Publikationsfreiheit. im Jahre 1631), Gemälde von Francesco Guardi, um 1780

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 9 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 10 28.08.13 15:16 und Musik ein anderes als bei späteren „Opern“. der Verwüstung, wie sie uns ähnlich in mehreren ten Lamento aus „Arianna“ (1608) für diesen Typus und verführt Calisto in Frauengestalt. Als Calisto Noch war die Text-Dichtung ein literarisches Opern dieser Zeit begegnet: „Troja steht in Flam- ein Modell geliefert. Cavalli komponierte in „Didone“ sich später der echten Diana zärtlich nähert, weist Kunstwerk eigenen Rechts, keine bloße Komponier- men, in Elend und Ruin gestürzt nach dem Tod von eine eindrucksvolle Sonderform des Typus: das die Göttin sie empört zurück. Denn Diana ist in vorlage. Die Musik entwickelte sich eng am Wort Hector, Paris, Priamus und allen anderen Helden.“ Lamento über einem Basso ostinato. Hekuba, die den Hirten Endymion verliebt, doch der steigt irr- entlang und ging dabei mit größter Beweglichkeit Vor dieser Ausgangslage beginnt die Geschichte der (ehemals) stolze Königin der Trojaner, beklagt tümlich dem als Diana verkleideten Jupiter nach. vom melodisch-biegsamen und sanglichen Text- Königin Dido und ihrer verschmähten Liebe, für die hier den Verlust von Heimat, Königreich, Ehemann Um seine Inkognito nicht preiszugeben, muss der vortrag zu ariosen Partien über. Eine säuberliche Busenello einen weiteren Grundbaustein markt- und ihrer vielen Kinder. Ihre Szene gliedert sich in Götterpatriarch die Annäherung des Naturburschen Teilung von berichtenden Rezitativen und emotio- gerechter Dramaturgie einführte: das Happy End. den Wechsel von freier, rezitativisch vorgetragener über sich ergehen lassen. Jupiters rachsüchtige nalen Arien bildete sich als verbindliches Modell Statt des tragischen Ausgangs in Vergils „Aeneas“ Klage und ariosen Basso-ostinato-Abschnitten. Als Frau Juno fährt derweil vom Olymp herab und ver- erst langsam heraus. lassen Busenello/Cavalli ihre Dido-Oper mit einem Bassmodell wählt Cavalli dabei das archetypische wandelt dessen Lustobjekt Calisto in einen Bären. „Lieto fine“, einem glücklichen Ende, schließen. musikalische Symbol des Schmerzes, die fallende Neben dieser Haupthandlung hat Faustini noch Die Dichter-Persönlichkeiten, mit denen Cavalli für So gelang dem Duo in einer Zeit, in der Opern chromatische Linie. Diese sich unablässig wieder- mehrere Nebenhandlungen und komisches Per- seine Drammi zusammenarbeitete, verraten viel meist kurzlebige Werke für eine Saison waren, mit holende Bassfigur und das strenge Reimschema sonal wie die unbefriedigte Nymphe Linfea, einen über die Entwicklung des neuen Genres. Giovanni „Didone“ eines der frühesten wiederverwertbaren laufen mit mechanischer, geradezu schicksalhaf ter lüsternen Satyr sowie Folter und Notzucht ins Francesco Busenello etwa schrieb Geschichte als und exportfähigen Referenzwerke des Genres: Unerbittlichkeit ab. Geschehen eingewoben. Dichter von Monteverdis „Krönung der Poppea“. 1650 wurde „Didone“ als erste von vielen Cavalli- Im Hauptberuf war der Sohn aus guter Familie Opern in Neapel nachgespielt. JUPITER IN FRAUENKLEIDERN Um allen Konkurrenten zuvorzukommen ließ allerdings Jurist, Vikar und Diplomat. Studiert hatte Am erfolgreichsten und längsten arbeitete Cavalli Faustini „La Calisto“ als eine von zwei Cavalli-Opern der dichtende Rechtsanwalt im nahegelegenen Zu den typischen musikalischen Elementen, die mit dem illustren Giovanni Faustini zusammen. noch vor Beginn der Karnevalssaison im November Padua, und er war Mitglied der honorigen Accade- sich in diesen ersten Jahrzehnten der Entwicklung Anders als der gelehrte und honorige Nebenberufs- 1651 herauskommen. Doch die Oper wurde ein mia degli Incogniti. In seinem Libretto für „Didone“ des Genres Oper etablierten, zählt die Klageszene, dichter Busenello war Faustini ein Theaterprofi – Flop; ein Sänger-Star erkrankte kurz vor der Pre- von 1640 entwarf Busenello eine Vorgeschichte das Lamento. Montverdi hatte mit seinem berühm- und eine zwielichtige Gestalt. Sogar ein Mord – der miere, der Impresario selbst verstarb drei Wochen aber nie polizeilich verfolgt wurde – wird dem darauf. Die Geschäfte des Teatro San Aponal über- Dich ter und Theatermanager nachgesagt. Als einer nahm Faustinis Bruder Marco, der im Hauptberuf der ersten Vertreter des neuen Berufsbildes Jurist und ein grundsolider Buchführer war. So ist „Impre sario“ wirkte Faustini nacheinander am uns von Marcos Hand ein Bilanzbuch überliefert, Teatro San Cassiano, am Teatro San Moisè und am das sowohl über die wenig befriedigende Auslas- Teatro San Aponal, das der Opernunternehmer tung von „La Calisto“ als auch über den enormen 1650 für seine Produktionen anmietete. 14 Libretti Aufwand für Ausstattung und Spezialeffekte schrieb Faustini im Laufe seiner Karriere, 11 davon Auskunft gibt: Zu den Bühnenbildern zählten u. a. für Cavalli. Die heute mit Abstand erfolgreichste eine Wüste, eine Grotte der Ewigkeit und eine Ko produktion der beiden ist „La Calisto“. Deren himmlische Sphäre. Für die Wassernymphe Calisto nur noch locker an mythische Vorlagen angelehnter waren ein Springbrunnen und für die Auf- und Plot verrät die karnevaleske Lust an Parodie, Tra- Abtritte des diversen Götterpersonals Wagen an vestie und dem Kopfstand der sozialen Ordnung: Seilzügen vorgesehen. Göttervater Jupiter kommt in eine verwüstete Welt, um diese wieder zu begrünen. Stattdessen verfällt INTERNATIONALER ERFOLG er den Reizen der Calisto, die zum Gefolge der Nach Faustinis Tod wurde der Graf Nicolò Minato jungfräulichen Göttin Diana gehört. Von Calisto Cavallis wichtigster literarischer Mitarbeiter. Zu „Diana und Calisto“, Gemälde von Peter Paul Rubens, um 1640 zurückgewiesen, verkleidet Jupiter sich als Diana Anfang seiner Karriere war Minato wie Busenello

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 11 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 12 28.08.13 15:16 Jurist im Hauptberuf und Dichter aus Leidenschaft. Eigenheiten der menschlichen Leidenschaften in Später stieg er ganz aufs Theaterfach um, übernahm natürlicher Weise darzustellen“, schrieb Nicolò FRANCESCO CAVALLI die Leitung des Teatro San Salvador und wurde Minato dazu im Vorwort seiner „Artemisia“ – und hauptberuflicher Librettoschreiber. Und das mit fügte hinzu, man möge das Ganze doch lieber O QUAM SUAVIS O WIE SÜSS durchschlagendem Erfolg: 1669 berief ihn Leopold I. auf dem Theater anschauen als es nur zu lesen. als seinen Hofdichter nach Wien. 170 Libretti ver- Genau dies tat das Publikum, die Oper wurde O quam suavis est, Domine, spiritus tuus, O wie süß ist, Herr, Dein Geist, der, um deinen fasste Minato während seiner Wiener Zeit, manche ein voller Erfolg. Nach der Premiere am Teatro qui ut dulcedinem tuam in fi lios demonstrares Kindern deine Milde zu zeigen, du sie sättigest davon hielten sich als Klassiker des Genres bis zu San Giovanni e San Paolo im Januar 1657 wurde pane suavissimo de caelo praestito, mit süßem Brot vom Himmel; der du die Hasses und Telemanns Tagen. Die Oper „Artemisia“ „Artemisia“ im Jahr darauf in Neapel, 1659 in esurientes reples bonis, Hungrigen mit Gütern speisest, und die Reichen war Cavallis und Minatos zweite Kooperation. Palermo, 1663 in Mailand und 1665 in Genua fastidiosos divites dimittens inanes. leer ausgehen lässest. Nebenhandlungen und komische Elemente, wie nachgespielt. Faustini sie als Modell etabliert hatte, finden sich aus „Musiche sacre” auch hier, doch der Grundton ist ernster. – Seit 1657 Ilja Stephan residierten die Jesuiten wieder in Venedig, und die Zeiten allzu großer Freiheiten waren wohl vor- PIANTE OMBROSE SCHATTENSPENDENDE PFLANZEN bei. So kreist Cavalli/Minatos Oper um den typisch-tragischen Grundkonflikt zwischen Staats- Piante ombrose Schattenspendende Pfl anzen, raison und individuellem Glück: Königin Artemisia dove sono i vostri onori? wo ist eure Pracht? verliebt sich in einen vermeintlichen Diener, der Vaghi fi ori Hübsche Blumen, sich als Erzfeind und Mörder ihres pflichtschuldigst dalla fi amma inceneriti, von den Flammen eingeäschert, geliebten Gatten Mausolos entpuppt. „Ich habe es colli, e liti Hügel und Gestade, unternommen, nichts anderes zu tun, als die di smeraldi già coperti vormals smaragden gefärbt, or deserti nun verlassen del bel verde, io vi sospiro: von eurem Grün, ich beweine euch. dove giro, Wohin mein Fuß sich wendet, calda, il piede, e sitibonda, heiß und dürstend wie ich bin, trovo l’onda fi nde ich die Wasser rifuggita entro la fonte, in ihre Quellgründe zurückgefl ohen, nella fronte noch kann ich meine Stirn bagnar posso, ho ’l labbro ardente. darin netzen, oder meine brennenden Lippen. Inclemente: Gnadenlos, ja, si chi tuona arde la terra? verbrennt der Donnergott die Erde! Non più Giove, ah non più guerra. Ende, ach Jupiter, ende deinen Krieg!

aus „La Calisto“, Akt I, Szene 2

Pier Francesco Cavalli: „L‘Egisto“, eigenhändige Partitur. Bereits drei Jahre nach ihrer Uraufführung 1643 in Venedig wurde Cavalis „L’Egisto“ in Paris nachgespielt.

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 13 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 14 28.08.13 15:16 VERGINELLA IO MORIR VO ALS JUNGFRAU WILL ICH STERBEN PIANGETE, OCCHI DOLENTI WEINET, SCHMERZENDE AUGEN

Dunque Giove immortale, So denn, der unsterbliche Jupiter, Piangete, occhi dolenti, Weinet, schmerzende Augen, che protegger dovrebbe, der in heiligem Wirken e al fl ebil pianto mio und bei meinem kläglichen Weinen santo nell’opre,il virginal costume, acceso a jungfräuliche Sittsamkeit schützen sollte, pianga la fonte, e il rio; weine die Quelle und es weine der Fluss; mortal lume, bemüht sich, von irdischem Feuer entzündet, articolate accenti erhebt eure Stimmen, di defl orar procura keusche Körper zu entjungfern frondose, e mute piante belaubte und verschwiegene Pfl anzen, i corpi casti, e render vani i voti und zu vereiteln die Gelübde de’ miei casi infelici Naturzeuginnen di puri cori, a Cinzia sua devoti? reiner, Cynthia ergebener Herzen? selvagge spettatrici. meines Unglücks. Tu sei qualche lascivo, e la natura Du bist nur irgendein Lüstling, und zwingst E narrate pietose Und mit Mitleid erzählet sforzi con carmi maghi ad ubbidirti. die Natur mit Zaubersprüchen, dir zu gehorchen. a chi di qua se n’ passa dem Vorüberkommenden Girlandata di mirti Myrtenkränze wird mich l’empia mia sorte, ahi lassa, mein grausames, ach, elendes Schicksal Venere mai non mi vedrà feconda. Torna, torna Venus nie tragen sehen. e l’altrui tradimento; und wie andere mich verrieten; quell’onda Leite sie zurück, jene Flut, al mesto mio lamento meine wehmütige Klage mögen nello speco natio, in die Höhle ihres Urquells, e Progne, e Filomena Prokne und Philomela che bever non vogl‘io denn ich will nicht trinken accompagnino i loro mit ihren leidvollen de’ miracoli tuoi von deinem Wunderzeug, queruli e tristi canti. und traurigen Gesängen begleiten. libidinoso mago. geiler Zauberer, du! Ah simplicette amanti Oh, naive Liebende, Resta co’ tuoi stupori. Bleib bei deinem Blendwerk! non credete a promesse glaubt den Versprechen Addio mio vago. Ade, mein Hübscher di giovane amatore, des jugendlichen Liebhabers nicht, ch’ha volubile il core, der ein unstetes Herz hat, Verginella io morir vo’. Als Jungfrau will ich sterben! e la sciagura mia und mein Unglück, da er seinen Eid brach, Stanza, e nido Kammer und Nest de’ suoi spergiuri esempio ora vi sia. sei euch nun ein Exempel. per Cupido für Amors Lust del mio petto mai farò. mach’ ich nie aus meiner Brust. aus „Egisto“, Akt II, Szene 6 Verginella io morir vo’. Als Jungfrau will ich sterben! Scocchi amor, scocchi se può Schieße Amor, wenn Du kannst, tutte l’armi alle Waffen per piagarmi, mich zu treffen, ch’alla fi ne il vincerò. denn am Ende sieg ich doch. Verginella io morir vo’. Als Jungfrau will ich sterben!

aus „La Calisto“, Akt I, Szene 2

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 15 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 16 28.08.13 15:16 NON E MAGGIOR KEIN GRÖSSERES VERGNÜGEN moro nella tardanza. und ich sterbe ob deines Säumens. T’attendo, e tu non giungi. Ich erwarte dich, und du kommst nicht. Non è maggior piacere, Kein größeres Vergnügen Luminosa Du Leuchtende, che seguendo le fere gibt es als das Wild verfolgend neghittosa, Gelassene, fuggir dell’uomo i lusinghieri inviti: zu fl iehn der Männer Kosen und Locken; con spine il cor me pungi. stichst mir mit Dornen ins Herz. tirannie de’ mariti Tyranneien eines Gatten Deh vieni, e mi ristora, Also komm und erquicke mich, son troppo gravi, e troppo è il giogo amaro sind zu hart und zu bitter das Ehejoch. moro nella dimora. ich sterbe ob des Verzugs. viver in libertade è il dolce, il caro. In Freiheit leben ist süß mir und teuer. Di fi ori ricamato Blumenbestickte Wiesen aus „La Calisto“, Akt III, Szene 1 morbido letto ho il prato, hab‘ ich als weiches Bett, m’è grato cibo il mel, bevanda il fi ume. als Speise den Honig, als Trank den Bach. Dalle canore piume Von den gefi ederten Sängern VIENI, VIENI IN QUESTO SENO KOMM, KOMM AN DIESE BRUST a formar melodie tra i boschi imparo. lern ich die Melodien im Walde. Viver in libertade è il dolce, il caro. In Freiheit leben ist süß mir und teuer. Vieni, vieni in questo seno, Komm, komm an diese Brust, che sereno die in heitereren Zeiten aus „La Calisto“, Akt I, Szene 4 già t’accolse entro il suo latte. dich mit Milch empfi ng. Le sue, caro, Mein Geliebter, mamme intatte, diese jungfräulichen Brüste, RESTINO IMBALSAMATE MÖGEN SIE UNAUSLÖSCHLICH se già manna a te stillaro, die dich einst nährten, da quei fi ni mit ihrem Manna, Restino imbalsamate Mögen sie unauslöschlich loro rubini. lass ihre Rubine nelle memorie mie mir in Erinnerung bleiben, Vo’, ch‘ambrosia or ti zampillino. nun mit Ambrosia überfl ießen. le delizie provate. diese köstlichen Ereignisse. Sii tranquillino, mio placato e bel Polluce, Sei still, mein schöner Pollux, Fonti limpide, e pure Ihr klaren und reinen Quellen, Le mie sorti alla tua bel luce. lasse mich dein Licht sein. al vostro gorgoglio beim Klang eures Murmelns la mia divina, ed io, werden meine Göttliche und ich, aus „Rosinda“, Akt III, Szene 5 coppia diletta, e cara ein seliges, liebendes Paar, ci baceremo a gara, uns um die Wette küssen, e formeremo melodie soavi, und süße Melodien erklingen lassen, AFFLIGGETEMI, GUAI DOLENTI QUÄLT MICH, SCHMERZVOLLE SORGEN qui dove con più voci Eco risponde, hier, wo das Echo vielstimmig antwortet, unito il suon de’ baci, al suon dell‘onde. der Klang unserer Küsse vereint mit dem Wasser. Affl iggetemi, guai dolenti, Quält mich, schmerzvolle Sorgen, Trafi ggetemi rei tormenti. stecht mich, grausame Foltern. T’aspetto, e tu non vieni Dich erwarte ich, doch du kommst nicht, Dolce speranza, e tu Und du, süße Hoffnung, pigro, e lento träge und langsame Deh non venir a lusingarmi più, rip. schmeichle mir nicht mehr. mio contento; Freude mein; m’intorbidi i sereni; du trübst mir den heiteren Sinn, aus „L’Artemisia“, Akt 2, Szene 12 anima, ben, speranza, meine Seele, mein Schatz, meine Hoffnung,

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 17 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 18 28.08.13 15:16 CHE CITTÀ WELCH EINE STADT DAMMI MORTE LASS MICH STERBEN, ODER LASS MICH FREI

Che città, che città, Welch eine Stadt, Dammi morte, ò libertà, rip. Lass mich sterben, oder lass mich frei, che costumi, che gente welche Sitten, welch verdorbenes Cieco Amor, che tante pene, blinder Amor, denn mein Herz sfacciata, ed insolente: und unverschämtes Pack! Tanti guai, tante catene, kann solchen Scherz nicht ertragen, ognun meco la vole Jeder will etwas von mir Sostener il cor non sa. solchen Gram und solche Haft. con fatti, e con parole. mit Taten und mit Worten. Dammi morte, ò libertà. Lass mich sterben, oder lass mich frei. Che città, che città, Welch eine Stadt, Troppo è dura servitù Zu hart ist der Dienst, che costumi, che gente welche Sitten, welch verdorbenes E martir troppo severo, zu unerträglich die Qual, sfacciata, ed insolente. und unverschämtes Pack! Adorar un Idol fi ero, das grausame Bild Mille perigli, e mille Tausenderlei Gefahren Una rigida beltà. eines fühllosen Mannes anzubeten. mi sovrastano al giorno, drohen mir am Tag, Dammi morte, ò libertà. Lass mich sterben, oder lass mich frei. ho cento insidiatori ognor d’intorno; jede Stunde stellen hundert Leute mir nach. né so il perché capire, Und ich verstehe nicht, weshalb. aus „ L’Artemisia“, Akt 3, Szene 4 chi me ’l saprebbe dire? Wer kann’s mir sagen? Tal le guance mi tocca, Dieser berührt meine Wangen, che non conosco appena den ich kaum kenne, L’ALMA FIACCA SVANI SEINE SEELE ENTFLIEHT seco cortese ognun m’invita a cena, und lädt mich ach so freundlich zum Speisen. né so il perché capire, Und ich verstehe nicht, weshalb. L’alma fi acca svanì, Seine Seele entfl ieht, chi me ’l saprebbe dire? Wer kann’s mir sagen? la vita ohimè spirò, das Leben erlischt in ihm, Ognun tace, e lo sa, Jeder weiß es, und sagt’s doch nicht! Corebo, o dio morì, er stirbt, weh mir, er stirbt che città, che città. Welch eine Stadt, welch eine Stadt. e sola mi lasciò, und lässt mich hier allein. Non vedo l’ora, che ritorni Amida Noch sehe ich die Stunde nicht, in der Amida per sposa ei mi voleva, e io qui piango Er begehrte mich zur Gattin, doch ehe ich Braut in Tremisene per partir di qua. hier fortgeht und nach Tremisene zurückkehrt. prima che sposa, vedova rimango. ward, bin ich in Tränen Witwe geworden. Che città, che città, Welch eine Stadt, La vita così va, Mein Leben ist vertan. che costumi, che gente welche Sitten, welch verdorbenes anco mio padre il re Fiel nicht des Vaters Haupt, sfacciata, ed insolente. und unverschämtes Pack! nel fi n di grave età ward nicht dem alten Mann regno, e vita perdé. Thron und Leben geraubt? aus „Ormindo“, Akt II, Szene 1 Del senso umano o debolezza, o scorno O Elend des menschlichen Geistes, su i secoli disegna, e vive un giorno. Jahrhunderte verachtet er und lebt kaum einen Tag.

Nel tempio io tornerò So muss ich nun zurück i numi a supplicar, In meinen Tempel gehn. altrove andar non so, Ich will nicht mehr das Glück, sia guardia mia l’altar; nur mehr den Tod erfehn. e s’all’altar morrò, vi prego, o dèi, Und fi nde ich den Tod, Götter, hört mein Rufen, le vittime a gradir de’ spirti miei. mein Opferblut färbt rot des Tempels Stufen.

aus „Didone“, Akt 1, Szene 4 18 | TEXT TEXT | 19

12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 19 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 20 28.08.13 15:16 ALLE RUINE DEL MIO AUF DEN TRÜMMERN MEINES KÖNIGREICHES Vipera livida, Neidische Viper, aspide pessimo, giftige Schlangenbrut, Alle ruine del mio regno adunque Auf den Trümmern meines Königreiches mordimi, todimi. nagt mir im Eingeweide. sopravvivo decrepita, e son giunta sitz ich einsam, dem Tode nah, Intime viscere Bittere Tränenfl ut, a riputar il pianto und mit nutzlosen Tränen bezeuge ich, spruzzano, stillano die aus den Augen rinnt, testimon trivial de’ miei dolori! welche Leiden ein Mensch zu ertragen vermag. fervide lagrime. zeigt dir mein Herzensleid. Onde va l’alma mia Wohin geht meine Seele, Crollano, tremano, Tore und Tempelbau cercando oltre le lagrime il tenore vom Klagen erschöpft, um sich auszuweinen ardono, cadono, bersten und brechen schon, di lamentarsi, mentre in questa notte jenseits der Tränen. Ach in einer portici, e tempii. werden der Flammen Raub. in un punto perdei einzigen Nacht hab‘ ich verloren Vassene in polvere, Asche ist nun mein Kleid, regno, patria, marito, e fi gli miei. die Herrschaft, die Heimat, den Gatten und restati in cinere, Purpur und Königsthron, meine Kinder! porpora e imperio. alles zerfällt zu Staub.

Tremulo spirito Zitternde Seele, aus „Didone“, Akt 1, Szene 6 fl ebile, e languido schwach und schmachtend, escimi subito, verlasse mich sofort! vadasi l’anima, Bis in den Erebus, ARDO, SOSPIRO E PIANGO ICH BRENNE, ICH VERZEHRE MICH UND WEINE ch’Erebo torbido wo sie erwartet wird, Cupido aspettala. wandert die Pilgerin. Ardo, sospiro, e piango, Ich brenne, ich verzehre mich und weine, Povero Priamo Wehe dir Priamos, Osservo eterna fè, treu wäre ich in Ewigkeit, scordati d’Ecuba niemand betrauert dich, E pur senza mercè doch ohne Gnade vedova misera. wenn ich gestorben bin. Lassa, rimango, ecc. bleibe ich, klagend. Causano l’ultimo Unseres Untergangs Pensando ogn’ hor: io vò, Immer denke ich: Ich will, orrido esito Ursache waren doch Come fuggir le pene e non lo sò, rip. doch weiß nicht wie dem Gram entfl iehen. Paride, e Elena. Paris und Helena. Peno, languisco, e moro Ich leide, schmachte und sterbe Per chi non ha pietà. für einen herzlosen Mann. Ahi tra tanti nemici Wehe, unter so vielen Feinden Passo mia fresca età Meine Jugend vergeht prova il mio petto solo stehe ich als Einzige aufrecht Senza ristoro. ohne Trost. penuria di ferite, und bin noch ohne Wunden, Pensando ogn’ hor, ecc. Immer denke ich: Ich will, etc. nè cade ancor la mia tra tante vite. ich falle nicht als Opfer unter die Toten. Cassandra, ohimè, Cassandra Cassandra, wehe dir, Cassandra, aus „L’Artemisia“, Akt I, Szene 12 piango, piangi, piangiamo, weine, weine und lass mich mit dir weinen, il caso estremo, in unserer schweren Lage l’alba non rivedremo. wird das Licht nie mehr scheinen.

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 21 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 22 28.08.13 15:16 KONZERTVORSCHAU ABO-KONZERT 2 | NDR DAS ALTE WERK

NINFA BELLA SCHÖNE NYMPHE Dienstag, 29. Oktober 2013, 20 Uhr Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Ninfa bella, che mormora Schöne Nymphe, was murmelt da, LE POÈME HARMONIQUE di marito il tuo genio? dein Sinn von einem Gatten? Claire Lefi lliâtre Sopran S’il mio sembiante aggradati Wenn dir meine Erscheinung zusagt, Jan van Elsacker Tenor in grembo, in braccio pigliami, nimm mich in deinen Schoß, deinen Arm! Serge Goubioud Tenor tutto, tutto mi t’offerò. Ganz, ganz biete ich mich dir dar! Arnaud Marzorati Bass Vincent Dumestre Theorbe und Leitung Molle come lanugine, Weich wie Wolle, Benjamin Lazar Regie e non pungenti setole und keine spitzen Borsten „Venezia dalle strade ai Palazzi” son questi peli teneri, sind diese zarten Haare, Werke von: che da membri mi spuntano: die meinen Gliedern entsprießen; neppur anco m’adombrano auch verdüstert mein Kinn FRANCESCO MANELLI il mento lane morbide, noch keinerlei weiche Wolle, BENEDETTO FERRARI ma sulle guance candide sondern es lächelt auf weißen BIAGIO MARINI i ligustri mi ridono, Wangen mir weißer Ligusterschimmer. 19 Uhr: Einführungsveranstaltung mit Ilja Stephan e sopra lor s’innestano Und darauf sind gepfropft im Kleinen Saal der Laeiszhalle rose vive, e germogliano. frische Rosen, die sprießen. Vincent Dumestre Questa mia bocca gravida Dieser mein Mund, beladen di favi soavissimi, mit süßen Honigwaben ti porgerà del nettare. soll dir Nektar reichen. Das Venedig-Projekt bei NDR Das Alte Werk geht aus „La Calisto“, Akt I, Szene 13 weiter. Auf eine Zeitreise in das Venedig des Goldenen Barock begeben sich Vincent Dumestre und sein Ensemble Le Poème Harmonique: Sie führen uns durch einen Tag in den Straßen und prunkvollen Palästen der „Serenissima“. Der Re- gisseur und Barockspezialist Benjamin Lazar hat hierfür mit Ensemble und Solisten ein szenisches Konzept samt Gestenrepertoire erarbeitet, das ganz dem Vorbild historischer Aufführungen folgt. Dazu gehört auch die Beleuchtung, die sich allein auf den Schein der Kerzen beschränkt und die magische Atmosphäre eines Zeitalters evoziert, in dem die Freiheit der Musik noch nicht durch drakonische Regelwerke beschränkt wurde.

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 23 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 24 28.08.13 15:16 NDR DAS ALTE WERK PODIUM DER JUNGEN NDR SINFONIEORCHESTER NDR DAS NEUE WERK

ABONNEMENTKONZERT ABONNEMENTKONZERTE ABONNEMENTKONZERTE Samstag, 12. Oktober 2013, 20 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio Abo-Konzert 3 Sonntag, 20. Oktober 2013, 18 Uhr! B2 | Donnerstag, 17. Oktober 2013, 20 Uhr THOMAS ADÈS AND THE BAROQUE Mittwoch, 27. November 2013, 20 Uhr Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio A2 | Sonntag, 20. Oktober 2013, 11 Uhr Keller Quartett Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal LA VOIX DU BASSON Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Louis Lortie Klavier VENICE BAROQUE ORCHESTRA NDR Chor Yutaka Sado Dirigent Werke von: Blockfl öte Philipp Ahmann Leitung Roland Greutter Violine THOMAS ADÈS, und Werke von: Paulo Ferreira Fagott Werke von: FRANCOIS COUPERIN , DOMENICO SARRI, Werke von: LEONARD BERNSTEIN, IGOR STRAWINSKY und 19 Uhr: Einführungsveranstaltung TOMASO ALBINONI, LEONARDO LEO und CAMILLE SAINT SAËNS, PHILIPPE HERSANT, SERGEJ PROKOFJEW FRANCESCO GEMINIANI JEAN ABSIL und PHILIPPE SCHOELLER 17.10.2013 | 19 Uhr: Einführungsveranstaltung 20.10.2013 | 11 Uhr: Familienmusik parallel zum Konzert Freitag, 8. November 2013, 20 Uhr 19 Uhr: Einführungsveranstaltung im Kleinen Saal der Laeiszhalle Hamburg, Instituto Cervantes Freitag, 22. November 2013, 20 Uhr Josep-Maria Balanyà Klavier Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio C1 | Donnerstag, 24. Oktober 2013, 20 Uhr JOSEP-MARIA BALANYÀ SONDERKONZERT BUTTONS & KEYS D1 | Freitag, 25. Oktober 2013, 20 Uhr „Un peu à gauche, s.v.p.“ NDR Bigband Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal 11-teiliger Zyklus für Klavier solo Mittwoch, 30. Oktober 2013, 20 Uhr Jörg Achim Keller Leitung Thomas Hengelbrock Dirigent 19 Uhr: Klangradar 3000 mit Schülern der Bucerius Kunst Forum Christian Elsässer Piano Miah Persson Sopran Stormarnschule Ahrensburg „BACCHUS, APOLLON UND DIE GEBURT DER OPER Alexander Hrustevich Bajan (Knopfakkordeon) Detlef Roth Bariton IN ITALIEN“ Werke von: NDR Sinfonieorchester The Harp Consort ANTONIO VIVALDI, SERGEI PROKOFJEW, NDR Chor Marco Beasley Tenor VYACHESLAV CHERNIKOV und „FLYING IN CIRCLES“ RIAS Kammerchor Steven Player Tanz Barockgitarre (NDR BIGBAND featuring CHRISTIAN ELSÄSSER) Werke von: Andrew Lawrence-King Barockharfe Leitung DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH und Werke u. a. von: JOHANNES BRAHMS CLAUDIO MONTEVERDI, FRANCESCO CAVALLI, Einführungsveranstaltungen mit Thomas Hengelbrock LORENZO I. DE’ MEDICI, BIAGIO MARINI, jeweils um 19 Uhr EMILIO DE’ CAVALIERI, CARLO GESUALDO

In Kooperation mit dem Bucerius Kunst Forum

Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de

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12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 25 28.08.13 15:16 12515_DAW_ABO1_13_14_PRO 26 28.08.13 15:16 FrequenzenIn Hamburg unterauf 99,2 IMPRESSUM ndr.de/ndrkulturWeitere Frequenzen unter ndr.de/ndrkultur Herausgegeben vom Fotos: NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK [M] Fotolia; David Wassermann/brandXpictures PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK (Titel) BEREICH ORCHESTER UND CHOR Marco Borggreve (S. 5) Rothenbaumchaussee 132 | 20149 Hamburg Marco Borggreve (S. 6) [email protected] Merçè Rial (S. 7) Foto:Stockbyte,[M] © Stefano Stefani Photodisc,| ccvision akg-images | Erich Lessing (S. 9) Foto:Stockbyte,[M] © Stefano Stefani ccvision Photodisc, | NDR Das Alte Werk im Internet: Album | Joseph Martin (S. 10) www.ndr.de/dasaltewerk akg-images (S. 12) Per Buhre (S. 23) Leitung: Rolf Beck NDR | Markendesign Redaktion NDR Das Alte Werk: Angela Piront Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg Redaktionsassistenz: Annette Martiny/ Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co. Janina Hannig Druck: Nehr & Co. GmbH

Redaktion des Programmheftes: Nachdruck, auch auszugsweise, Dr. Ilja Stephan nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

Der Text von Dr. Ilja Stephan ist ein Originalbeitrag für den NDR.

Die Konzerte vonder ReiheNDR Das NDR Alte Das Werk Alte Werk hören Sie auf NDR Kultur

Hören und genießen 26 | IMPRESSUM

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