11./12.02.2011 „BAROQUE MEETS JAZZ“ L’ARPEGGIATA CHRISTINA PLUHAR THEORBE UND LEITUNG NILS LANDGREN POSAUNE CLAUS STÖTTER TROMPETE FIETE FELSCH SAXOFON, FLÖTE MARCIO DOCTOR PERKUSSION

SAISON 2010/2011 SONDERKONZERT Freitag, 11. Februar 2011, 20 Uhr CLAUDIO MONTEVERDI (1576 –1643) „Si dolce“ Samstag, 12. Februar 2011, 16 Uhr und 20 Uhr LUCILLA GALEAZZI „Sogna, fi ore mio“ Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio TRADITIONELLE Tarantella Italiana – ANDREA FALCONIERO (1585 –1656) Suave melodia „BAROQUE MEETS JAZZ“ ARIEL RAMIREZ (1921 –2010) /FELIX LUNA (1925 –2009) „L’Alfonsina y el mar“ – IMPROVISATION Passacaglia L’ARPEGGIATA SANTIAGO DE MURCIA (1682 –1732) Fandango Theorbe und Leitung: CHRISTINA PLUHAR – HENRY PURCELL (1659 –1695) „Music for a While“ Mitglieder der NDR Bigband: NILS LANDGREN POSAUNE LUCILLA GALEAZZI „Quante stelle“ CLAUS STÖTTER TROMPETE Moresca FIETE FELSCH SAXOFON, FLÖTE – MARCIO DOCTOR PERKUSSION IMPROVISATION Jacaras – LUCILLA GALEAZZI (*1950) „A vita bella“ IMPROVISATION „Turluru“ – – MAURIZIO CAZZATI (1616 –1678) Ciaccona JOHANN KAPSBERGER (1580 –1651) /IMPROVISATION Kapsberger IMPROVISATION Folia Ciaccona LUCILLA GALEAZZI „Voglio una casa“ – – IMPROVISATION „Ninna, nanna sopra la Romanesca“ TRADITIONELLE Tarantella Napoletana – – GIANLUIGI TROVESI (*1944) „Animali in Marcia“ TRADITIONELLE PUGLIESE „Pizzicarella mia“ – IMPROVISATION La Dia Spagnola Auszüge aus dem Konzert werden am Freitag, dem 08.07.2011, um 20 Uhr TRADITIONELLE PUGLIESE „La Carpinese“ auf NDR Kultur gesendet. IMPROVISATION Bergamasca Canario MARCELLO VITALE (*1969) Tarantella a Maria di’ Nardo –

– Keine Pause –

02 | PROGRAMMABFOLGE PROGRAMMABFOLGE | 03 L’ARPEGGIATA L’ARPEGGIATA BESETZUNG

Das Ensemble L’Arpeggiata wurde 2000 von Monats“ bei „Amadeus“ (Italien), „Prix Exellentia“ THEORBE UND LEITUNG GESANG KONTRABASS Christina Pluhar gegründet, die das Ensemble der Zeitschrift Pizzicato (Luxembourg), „Beste Christina Pluhar Lucilla Galeazzi Boris Schmidt auch leitet. L’Arpeggiata widmet sich schwerpunkt- Internationale CD-Produktion des Jahres“ des mäßig der römischen und neapolitanischen Vokal belgischen Radios. 2002 erschien die dritte CD PSALTERIUM PERKUSSION -und Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts. „La Tarantella“ und wurde ebenfalls zum Liebling Elisabeth Seitz David Mayoral von Publikum und Presse: u. a. „CD des Monats“ In Zusammenarbeit mit Solisten verschiedener der deutschen Musikzeitschrift „Toccata“, Cannes CHITARRA BATTENTE CEMBALO musikalischer Herkunft hat L’Arpeggiata seit seiner Classical Award 2004. Die CD „All’Improviso“ Marcello Vitale Francesco Turrisi Gründung mit CDs und Konzerten Publikum und erschien im Juni 2004 und ist in Zusammenarbeit Presse begeistert. Die erste CD des Ensembles mit dem italienischen Jazzklarinettisten Gianluigi ZINK „La Villanella“ mit Vokal- und Instrumentalmusik Trovesi entstanden. Doron Sherwin von Girolamo Kapsberger wurde „Ereignis des Monats“ der Zeitschrift „Répertoire des disques” L’Arpeggiata ist bei zahlreichen Festivals und in (September 2001) und erhielt den veneziani schen großen Konzertsälen Europas vertreten, so u. a. Preis für die beste CD italienischer Vokalmusik, den beim Lufthansa Festival of Baroque Music London, „Premio internazionale del disco per la musica Oude Muziek Utrecht, Festival de Pontoise, Arques- italiana“. Die CD „Homo fugit velut umbra“ mit Arien La-Bataille, Musica Antica Brugge, Emociana und Villanellen von Stefano Landi wurde von der Antigua Madrid, Festival de Sablé, Festival de Presse mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: St-Michel-en-Thierache, Trigonale, Paris Salle „Diaspason D’Or“, „CD der Woche“ der BBC, „CD des Gaveau und St. Petersburg Early Music Festival.

04 |BESETZUNG L’ARPEGGIATA | 05 CHRISTINA PLUHAR LUCILLA GALEAZZI THEORBE UND LEITUNG GESANG

Christina Pluhar wurde in Graz geboren. Nach Lucilla Galeazzi stammt aus Umbrien. Schon wäh- ihrem Studium der Konzertgitarre entdeckte sie rend ihres Studiums an der römischen Universität ihre Liebe zur Renaissance- und Barockmusik und beschäftigte sie sich mit der umbrischen Volks- begann ihr Lautenstudium bei Toyohiko Satoh musik. 1977 wurde sie Mitglied von Giovanna am Koninklijk Conservatorium in Den Haag. Sie Marinis Vokalquartett und wirkte dort bis 1994 erlangte dort 1989 das Solistendiplom für Laute, bei zahlreichen Konzerten und Aufnahmen mit. setzte aber ihre Ausbildung bei 1982 schuf sie ihre eigene Performance, Un sogno an der Schola Cantorum Basiliensis fort, wo sie cosi, die sich italienischen Liedern der Sechziger- 1992 das „Diplom für Alte Musik” erlangt. Barock- jahre widmete. Sie tritt regelmäßig in Produkti- harfe studiert Pluhar bei Mara Galassi an der Scu- onen von Roberto de Simone auf: „Stabat mater“ olo Civica di Milano, der Besuch von zahlreichen für die Oper in Neapel, „Carmina Vivianea“ (1988), Meisterkursen bei Paul O’dette, Jesper Christensen „Processo e martirio di Giovanna d’Arco“ (1989) und Andrew-Lawrence King prägen ihren musika- für die Oper in Pisa, „Requiem per P.P. Pasolini“ lischen Werdegang. für das Teatro San Carlo in Neapel. 1987 gründete sie gemeinsam mit Ambrogio Sparagna und Carlo Seit 1992 lebt Pluhar als freischaffende Musikerin Rizzo die Gruppe Il Trillo. Sie beschäftigt sich mit in Paris. Sie konzertierte als gefragte Solistin und zeitgenössischer Musik ebenso wie mit Jazz. Sie Continuo-Spielerin mit verschiedenen Kammer- arbeitete mit Musikern des ARFI (Association musikensembles und Barockorchestern wie: à la Recherche d’un Folklore Imaginaire) in Lyon, „La Fenice“ (Jean Tubery), „Hesperion XXI“ (Jordi bewerb für Alte Musik in Malmö erlangte und die mit dem Jazz-Posaunisten Giancarlo Schiaffini (Il Giardino Armonico, Concerto Vocale, Concerto Savall), „Accordone“ (Marco Beasley), „Ricercar siebenteiligen Reihe „L’heritage de Monteverdi“ bei (Tautovox), mit dem Bassisten Paolo Damiani und Köln, Ricercar Consort, Capriccio Stravagante, Consort“ (Philippe Pierlot), „Concerto Soave“ dem Label „Ricercar” einspielte. Pluhars solisti sche dem Gitarristen Claude Barthelemy (La gomme) Akademie für Alte Musik Berlin, Zürcher Kammer- (Maria Cristina Kiehr), „Elyma“ (Gabriel Garrido), Einspielung mit Werken von Alessandro Piccini zusammen. Gemeinsam mit dem Jazz-Tubisten orchester, Les Musiciens du Louvre, Sinfonie „Les musiciens du Louvre“ (Marc Minkowsky), erschien 1996 bei der Plattenfirma „Empreinte Michel Godard und dem Cellisten Vincent Courtois Orchester Basel, Kammerorchester Basel, Unga- „Akademia“ (Françoise Laserre), „La Grande Ecurie Digitale“. Seit 1993 hat sie einen Lehrauftrag an gründete sie das Trio rouge. 1991 war sie Solistin risches Sinfonie-Orchester, Barockorchester der et la Chambre du Roi“ (Jean-Claude Malgoire), der Kunstuniversität in Graz und gibt Meisterkurse des European Jazz Orchestra in Strassburg. Schola Cantorum Basiliensis, La Cetra-Barock- „Concerto Köln” (Konrad Junghänel). Unter der in Deutschland, Belgien und Frankreich. Seit 1999 1994 entstand das Album Cuore di terra, 2001 die orchester Basel, Basler Festival Orchester, Leitung von René Jacobs, Ivor Bolton, Alessandro unterrichtet sie eine Klasse für Barockharfe am CD Lunario. Lucilla Galeazzi gibt Meisterkurse Concierto Español, La Real Cámara, Orphénica di Marchi, Gabriel Garrido u.v.a. sowie als Beglei- Königlichen Konservatorium in Den Haag. in Italien und Frankreich. Lyra, u. a.). terin von Andreas Scholl, Marco Beasley und Dominique Visse war Pluhar zudem bei zahlreichen Ihre Erfahrung als Konzertsängerin bezeugt die Festivals zu hören. Sie war außerdem Assistentin Zusammenarbeit mit namhaften Dirigenten, da- von Ivor Bolton an der Münchner Staatsoper. runter Rene Jacobs, Attiglio Cremonesi, Giovanni Antonini, Skip Sempé, Pierre Cao, Salvador Von 1990 bis 2000 war Pluhar Mitglied des En- Brotons, Jan Schultsz, Howard Griffiths, Salvador sembles „La Fenice“, mit dem sie 1992 einen Mas, Antoni Ros-Marbà, Emilio Moreno, Thomas ersten Preis im internationalen Ensemblewett- Hengelbrock sowie bedeutenden Ensembles

06 | LEITUNG GESANG | 07 NILS LANDGREN CLAUS STÖTTER FIETE FELSCH MARCIO DOCTOR POSAUNE TROMPETE SAXOFON FLÖTE PERKUSSION Der Posaunist Nils Landgren wurde 1956 in Deger- Claus Stötter, geboren 1961, begann 1982 klassi- Fiete Felsch, geboren 1967, erhielt ersten Saxo- Marcio Doctor wurde 1965 in Buenos Aires, fors, Värmland, Schweden geboren. Mit sechs sche Trompete an der Musikhochschule Stuttgart fonunterricht bei Herb Geller in Hamburg. Er war Argentinien, geboren. Seitdem er fünf Jahre alt Jahren fing er an, Schlagzeug zu spielen, wechsel- zu studieren. Von 1990 bis 1995 war er Mitglied Gründungsmitglied des Bundesjugendjazzorches- ist spielt er Perkussion. In Buenos Aires studierte te jedoch mit 13 zur Posaune. Von 1972 bis 1978 des „Orchestre National de Jazz“ in Paris. Seit ters unter der Leitung von Peter Herbolzheimer er neben Computer System Analysis bei Horacio studierte er klassische Posaune am Musikkolleg seiner Rückkehr nach Deutschland wirkt er als 1987. 1989 erhielt er ein Stipendium für Jazz Stu- Gianello Schlagzeug und Klavier. Er spielte in in Karlstad bei David Maytan und an der Hoch- Leiter und Komponist seiner Gruppe „Stötter’s dies in den USA an der North Texas State Univer- zahlreichen lokalen Bands, für Fernseh- und schule in Arvika bei Ingemar Roos. Landgren ist Nevertheless“ und spielte u. a. mit Axis, Klaus sity. Dort wurde er als „Most Outstanding Student Theater-Produktionen und tourte mit der Band für seine Vielseitigkeit bekannt. Er spielt Jazz König, Nguyen Le, dem Ricardo del Fra Sextett, in Jazz“ ausgezeichnet und war Gewinner des „Comedia“ durch Argentinien und Brasilien. und Rock, Soul, Hip Hop und Bigband-Sessions Claudio Puntin, Albert Mangelsdorff, Louis Hayes, Saxofonpreises der „North American Saxophone 1990 ließ er sich in Hamburg nieder und studierte und wirkte an Hunderten von Platten mit, u. a. mit Bob Mintzer, Chaka Khan und Marc Ducret. Alliance“ 1990. Nach seiner Rückkehr nach Europa Perkussion bei Mark Nauseef. Schnell etablierte internationalen Stars wie ABBA, den Crusaders, Seit 1999 ist er Solotrompeter der NDR Bigband. spielte er mit Herbolzheimers „Rhythm Combina- er sich als begehrter Studio-Musiker und spielte Bernard ‚Pretty’ Purdie, Tomasz Stanko, Esbjörn Weiterhin arbeitete er mit der Bigband des Süd- tion & Brass“ und wurde 1995 erster Altsaxofo- in zahlreichen internationalen Formationen. 1997 Svensson, Eddie Harris, Wyclef Jean oder Herbie deutschen Rundfunks und mit der „Springtime“ nist der NDR Bigband. Er ist zusätzlich aktiv als reiste er nach New York um bei Glen Velez und Hancock. Landgren war von 1998 bis 2001 festes von Günter Lenz. Stötter erhielt 1990 den Jazz- Studiomusiker und spielt in einem eigenen Quin- Jamey Haddad ethnische Perkussion zu studieren Mitglied der NDR Bigband. Seit Oktober 2006 hat preis Baden-Württemberg. Er war lange Jahre tett mit dem Organisten Matthias Bätzel. Felsch und lernte bei den indischen Percussionisten er eine Professur an der Hochschule für Musik als Dozent für Jazztrompete an der Hochschule ist seit 1999 Professor für Saxofon und Improvi- Trichy Sankaran und T. R. Sundaresan. Seit 1995 und Theater Hamburg inne. Seit August 2008 für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart tätig. sation an der Musikhochschule Hamburg. Er spielte ist Doctor Mitglied der NDR Bigband. Darüber ist Landgren als künstlerischer Berater für die u. a. mit: Clark Terry, Joe Williams, Lee Konitz, hinaus arbeitet Doctor als Komponist und schreibt NDR Bigband tätig. Dieter Ilg, Vince Mendoza und Bob Brookmeyer. Musik für Hörspiele und Theaterstücke.

08 | SOLISTEN SOLISTEN | 09 Frescobaldi, Storace, Zanetti, Giamberti, Caresena, auch in der Instrumentalmusik. Interessant ist, BAROQUE MEETS JAZZ Giramo, Coferati, Briceno, Sanz, Gerau folgen bis dass diese etablierte Charakterdefinition nicht OSTINATE BÄSSE IM LAUFE DER JAHRHUNDERTE ins späte 17. Jahrhundert. konsequent beibehalten wird. Man findet Lamento- Die ostinaten Bässe üben seit jeher eine große pierte Bass entwickelt. Dieser erfreut sich große Texte über Ciacconen („Voglio di vita uscir“ von Faszination aus, die ihre Aktualität bis heute nicht Beliebtheit unter den Komponisten des 17. Jahr- Kapsberger, dieser unglaublich modern anmuten- Ferrari), sowie leidenschaftliche Texte über Passa- eingebüßt hat. Sie waren und sind Basis spanischer, hunderts, die virtuose instrumentale und vokale de Bass ist eine „Erfindung“ des Komponisten caglien („Usurpator Tiranno“ von Sances), was italienischer, portugiesischer und südamerikaner Verzierungen des Schemas schreiben. Girolamo Kapsberger aus dem Jahre 1641, der ihn wiederum auf eine flexible Anpassung des Tempos traditioneller Musik, finden ihren Weg in die höfi- nach seinem eigenen Namen benannte. In ihrer der ostinaten Bässe an den Charakter des Textes sche Musik aller europäischen Nationen, wo sie Die Bergamasca ist ein traditioneller Tanz und Originalität und Modernität ist diese Bassfigur im schließen lässt. vom 16. bis 18. Jahrhundert zu größter Beliebtheit Gesang aus Bergamo. Eine der ersten schriftlichen 17. Jahrhundert einzigartig. Die Ambiguität zwi- gelangen, werden von den Romantikern und zeit- Zeugnisse sind zwei Lieder von Filippo Azzaiolo schen einem suggerierten 6/8, 3/4 oder (synko- ... UND WIE MAN DAMIT UMGEHT genössischen Komponisten wiederentdeckt und im (1569) im bergamaskischen Dialekt. Folia heißt pierten) 4/4 Takt gibt ihr eine erstaunliche Aktua- Es sind nun immer dieselben Fragen, die sich Jazz verwendet. Sie haben die universelle Eigen- „verrückt“ oder „hohlköpfig“. 1611 erwähnt der lität. Das Komponieren neuer ostinater Bässe ist jedem Musiker seit jeher stellen: Ist es unsere schaft, in den verschiedensten musikalischen Spanier Covarrubias Horozco, dass dieser Tanz keine Ausnahme. Neben der großen Beliebtheit der Aufgabe weiterzuentwickeln oder zu konservieren, Sprachen und Kulturen den instrumentalen und deswegen so heiße, weil er so schnell und verrückt aus der traditionellen Musik entnommenen Bässe zu interpretieren oder zu kreieren? Wie viel darf vokalen Improvisationen Raum und künstlerische sei, dass man meinen könnte, die Tänzer seien um findet man auch eine große Anzahl neu erfun de- oder muss man an Neuem einbringen, wo sind Freiheit einzuräumen, und sie bieten Komponisten ihren Verstand gekommen. Der Name Passacaglia ner Bassmelodien bei italienischen Komponisten die Grenzen, wann und vor allem wie müssen und ausführenden Musikern jeder musikalischen setzt sich aus pasar (gehen) und calle (Straße) wie Monteverdi, Cazzati oder Merula und später oder dürfen diese Grenzen überschritten werden? Sprache die Möglichkeit, ihre Kreativität, Fantasie zusammen, was auf einen ursprünglich auf der in Deutschland und Österreich bei Schmelzer, Das Entstehen eines neuen Stiles ist immer End- und Virtuosität unter Beweis zu stellen. Straße verwendeten, prozessionsartigen Gesang Biber, Buxtehude, Bach und Händel sowie zahl- resultat der Perfektionierung eines vorangegange- schließen lässt. Man findet jedoch in den frühen reiche englische „grounds“ von Byrd oder Purcell. nen Stiles, neue Ideen sind immer tief eingebettet DIE GESCHICHTE ... Quellen in Spanien zunächst die ritornello-passa- in bereits gedachte Gedanken. Grenzen wurden Entstehung und Herkunft solcher sich wiederholen- caglia, die eine instrumentale Improvisationen Bei den Vokalstücken über ostinaten Bässen im und werden seit jeher ausgelotet, gesucht und der Bassfiguren lässt sich nur bis zur ersten schrift- zwischen gesungenen Strophen ist. Die ritonello- 17. Jahrhundert gibt es zahlreiche Hinweise auf überschritten, sei es in der rhythmischen Komple- lichen Erwähnung zurückverfolgen, aber die eigent- passacaglia ist noch heute unter dem Namen sehr freie Textunterlegung und improvisatorische xität der ars subtilior des Hochmittelalters, der liche Entstehungszeit liegt vor der schriftlichen „passacalle“ oder „paseo“ in der südamerikani- Freiheit des Sängers. Texte ohne aufgeschriebene 54-stimmigen Polyphonie der Spätrenaissance, Fixierung. Die meisten der im 17. Jahrhundert in schen traditionellen Musik gebräuchlich. Die Melodie in italienisch, spanisch, sowie verschie- dem Entstehen der Monodie und der seconda Italien gebräuchlichen Bässe sind aus Südamerika Romanesca antica findet man im 16. Jahrhundert denen italienischen Dialekten kommen vor. Ein pratica des Frühbarock, der komplexen Verzierungs- und aus dem mediterranen Raum importierte, unter verschiedenen Namen. Ihre wunderschöne Grossteil der italienischen Vokalkompositionen praxis des Hochbarock, dem Ausloten unseres traditionelle, getanzte Gesänge, auf deren harmo- Harmonie wird zum ersten Mal 1530 aufgeschrie- sind durchkomponierte Stücke, in denen der harmonischen Tonsystems der Spätromantik und nische Muster ursprünglich verschiedene Lied- ben. Bei Santiago de Murcia (Mexico, Anfang Komponist den Text ausdrucksstark untermalt. dem Sprengen desselben in der Zwölftonmusik. texte improvisiert wurden. Die Ciaccona etwa ist 18. Jahrhunderts) finden wir zwei Beispiele der Diese Gattung lässt einzig der Begleitung und ein gesungener Tanz südamerikanischer Herkunft, Romanesca antica, die sich rhythmisch voneinan- den instrumentalen Zwischenspielen des Basso Einzigartig in der Musikgeschichte ist aber ein der im 16. Jahrhundert in Peru zum ersten Mal der unterscheiden: Bacas (3/2) und Los Impossi- Continuo Improvisationsfreiheit. Emotion und Nebeneinanderbestehen aller dieser Stile im schriftlich erwähnt wird. Der Tanz findet seinen bles (6/4). Auch die Romanesca antica gibt es Textausdruck spiegeln sich in der Raffinesse der 20. Jahrhundert, eine Unterteilung in „leichte“ und Weg Anfang des 17. Jahrhunderts nach Spanien noch heute in der traditionellen Musik Mexikos. Vokaldiminutionen wider und werden von den „ernste“ Musik und die Unterteilung in Klassik, und von dort über Neapel nach Italien. In Spanien Der Name Espanoletas lässt auf eine spanische Improvisationen der Begleitinstrumente unterstützt. alte und zeitgenössische Musik. Einzigartig ist auch, wird er von Gitarren, Kastagnetten und Tamburin Herkunft schließen, doch die erste gedruckte Der Passacaglia-Bass wird erst durch die ersten dass die so genannte „leichte“ Musik eine rapide begleitet und für komische und obszöne Szenen Fassung findet sich in Italien (Caroso, „Il Ballerino“, Vokalkompositionen in Italien als Lamento-Bass kreative Entwicklung durchlebt, vom klassischen eingesetzt. In Italien wird der melodische, synko- 1581). Zahlreiche Versionen von Negri, Bentivoglio, definiert, und erhält dadurch diesen Charakter Jazz zum Free-Jazz, vom Beat und Pop zum Rock,

10 | PROGRAMM PROGRAMM | 11 Jazz-Rock und Hard-Rock, Heavy-Metal, Techno, Improvisation als Thema im Spagat zwischen zwei NDR DAS ALTE WERK NDR PODIUM DER JUNGEN Rap und Cross-Over. Jene zeitgenössische „leichte“ Stilen wirft natürlich Fragen auf: Darf man das? Musik spricht den Großteil des heutigen Musik- Was genau darf man? Wie heißt der dadurch ent- ABONNEMENTKONZERT Freitag, 25. Februar 2011, 20 Uhr publikums an, während die zeitgenössische standene Stil? Die interessanten Fragen aber sind: Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio „ernste“ Musik sich von den Herzen der Zuhörer wo sind unsere Berührungspunkte? Was ist die Abo-Konzert 5 JUNGE STIMMEN immer weiter entfernt. Die „klassische“ Musik Grundessenz von Improvisation? Was können wir Montag, 21. März 2011, 20 Uhr NDR Radiophilharmonie wird zur „alten“ Musik, in der lange beständiges voneinander lernen? Für einen Musiker, egal wel- Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal Hermann Bäumer Leitung Repertoire interpretiert wird, die Interpretations- cher Herkunft und Kultur, ist Improvisation die Capriccio Stravagante Jeanette Vecchione Sopran möglichkeiten des Musikers aber seit langem zu direkteste Form der Kommunikation mit dem Renaissance Orchestra Anita Watson Sopran überdefiniert sind, um jeder Musikergeneration Zuhörer. Sie ist ursprünglichste Form der Musik zu Skip Sempé Cembalo und Leitung Dimitrios Flemotomos Tenor völlig neue Entdeckungsmöglichkeiten zu bieten. allen Zeiten und in allen Kulturen. Sie exponiert TERPSICHORE: Vuyani Mlinde Bass-Bariton Es ist die „alte“ Musik, die in der Klassik „neue“ unsere innere Stimme, die beeinflusst ist von MUSE DE LA DANSE Arien und Ausschnitte aus Werken von Musik mit sich bringt, und mit ihr das Wiederent- unserer musikalischen Erziehung. Wir haben heute Tänze der Renaissance aus der Sammlung WOLFGANG AMADEUS MOZART, decken der Harmonie, der farbreichen Palette alter die Freiheit der Wahl, und der von uns gewählte „Terpsichore“ (1612) von Michael Prätorius JACQUES OFFENBACH, GEORGES BIZET, Instrumente, der unbeschreiblichen Schönheit der Weg ist Ausdruck unseres tiefsten Seins. Die Musik, sowie von Anthony Holborne, John Dowland, LEONARD BERNSTEIN, GIACOMO PUCCINI diversen Stile und vor allem der Interpretations- mit der wir unsere Emotionen zu kommunizieren Samuel Scheidt u.a. und Improvisationsfreiheit der ausführenden wünschen, wird zum Spiegel unserer Seele. 19 Uhr: Einführungsveranstaltung Musiker – vorausgesetzt diese beherrschen die im Kleinen Saal der Laeiszhalle Freitag, 25. März 2011, 20 Uhr Regeln, in denen sie sich bewegen können. Die Christina Pluhar Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio Regeln einer längst vergangenen Kultur wieder- PIANISSIMO zuentdecken und zu integrieren, die Instrumente SONDERKONZERT Pablo Held Trio jener vergangenen Zeit und die Musik einer lang Pablo Held Piano unterbrochenen Tradition virtuos zu beherrschen, Dienstag, 05. April 2011, 20 Uhr Robert Landfermann Bass ist die unermüdliche und passionierte Arbeit von Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio Jonas Burgwinkel Drums mehreren Generationen, die sich leidenschaftlich „LYRIARTE & IRVINE ARDITTI“ NDR Bigband einen neuen Freiraum geschaffen haben. Im Irvine Arditti Violine Jörg Achim Keller Leitung 21. Jahrhundert scheinen wir an einem Punkt Lyriarte Gwilym Simcock Piano an gekommen zu sein, der Raum und Zeit ver- Rüdiger Lotter Violine und Barockvioline GWILYM SIMCOCK schmelzen lässt und eine Brücke zwischen den Axel Wolf Laute The Hamburg Suite II verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten schafft. Olga Watts Cembalo Nach Jahrhunderte langem Ausloten aller harmo- Werke von nischen und rhythmischen Möglichkeiten unseres J. S. BACH, HEINRICH IGNAZ FRANZ BIBER, Tonsystems steigt unsere Sehnsucht nach einer LUCIANO BERIO, TŌRU TAKEMITSU und universellen, harmonischen Sprache, die sich zu BRIAN FERNEYHOUGH Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Tel. 0180 - 1 78 79 80 (bundesweit zum Ortstarif, maximal 42 Cent pro Minute einer Grundessenz der Musik definieren möchte, aus dem Mobilfunknetz können abweichen), online unter dem Musiker Freiheit einräumt und den Zuhörer In Kooperation mit der NDR das neue werk www.ndrticketshop.de berührt. Grenzen lösen sich auf, Begegnungen lassen gleich einem Kaleidoskop die verschie- denen musikalischen Sprachen zu einem neuen Bild zusammentreffen.

12 | PROGRAMM KONZERTVORSCHAU | 13 In Hamburg auf 99,2 IMPRESSUM Weitere Frequenzen unter ndr.de/ndrkultur Herausgegeben vom NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK BEREICH ORCHESTER UND CHOR Rothenbaumchaussee 132 20149 Hamburg [email protected]

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Fotos: Marco Borggreve (Titel) L‘Arpeggiata (S. 5) Marco Borggreve (S. 6)

L‘Arpeggiata (S. 7) {M}: EastcottFotos Momatiuk | gettyimages Rolf Kißling; Ralph Quinke (S. 8) Ralph Quinke, Steven Haberland (S. 9) NDR | Markendesign Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg Die Konzerte der Reihe NDR Das Alte Werk Litho: Otterbach Medien Druck: Nehr & Co. GmbH hören Sie auf NDR Kultur. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des NDR gestattet.

14 | IMPRESSUM Hören und genießen

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