Ortsgeschichte Die Glonnregulierung
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Haus, Hof und Heimat Ortsgeschichte Die Glonnregulierung von Helmut Größ und Kaspar Hirner, Vierkirchen1 Das Glonngebiet ist Teil des tertiären Hügellan- Wie an vielen anderen Flüssen auch bezweckte des, das großräumig durch die Donau im Nor- die Regulierung der Glonn die Verhütung der den, den Inn im Osten und Südosten, die ständigen Hochwasser und Überschwemmungen Münchner Schotterebene im Süden und den Un- und die Beseitigung der weitreichenden Ver- terlauf des Lechs im Westen begrenzt wird. Es sumpfung des Geländes zur Erhöhung der ist durch sanft geschwungene Hügelzüge und Agrarproduktion. Ein Großteil der Bauarbeiten ein engmaschiges, fein verzweigtes Netz von erfolgte noch in Handarbeit, jedoch wurden für Fluss- und Bachtälern gekennzeichnet. den Ausbau zum Kanal auch erstmals dampfge- Die Glonn ist ein Gewässer zweiter Ordnung mit triebene Schürfbagger eingesetzt. Damit wurden einer Lauflänge von ca. 50 km. Ihre drei Quell- komplett neue Flussrinnen gegraben. Der kanal- bäche entspringen im Südwesten des Gebietes artige Ausbau sorgte für eine schnelle Hochwas- und vereinigen sich bei Mittelstetten zur Glonn. serabfuhr. Der Grundwasserstand ging zurück, Von Westen nach Osten durchfließt die Glonn die Aue wurde über Entwässerungsgräben tro- die Orte Odelzhausen, Erdweg, Markt Inders- cken gelegt. Abgetrennte Flussschleifen verblie- dorf, Petershausen und Hohenkammer und mün- ben an einigen Stellen als Altwasser. Die land- det bei Allershausen in die Amper. wirtschaftlichen Flächen reichten nun bis an das Glonnregulierung, Wasserwirtschaftsamt München, aus Internet: www.lfu.bayern.de/wasser/fachinformationen Die Glonn wurde von 1919 bis 1924 reguliert. Wasser heran. Entlang der Glonn wurden 13 Der ehemals mäandrierende Fluss wurde begra- neue Wehranlagen gebaut – davon 10 im Unter- digt und zur Wasserkraftnutzung ausgebaut. suchungsgebiet von Flusskilometer 36 bis 6. An Durch die Begradigungen wurden die Auen tro- den Wehranlagen wird das Wasser gestaut und ckengelegt und für eine intensive Landwirtschaft über Mühlbäche zu den Kraftwerken geleitet. nutzbar gemacht. In einem Faltblatt des Wasser- In vielen kleinen Mühlen wurden die Wasserrä- wirtschaftsamts München wird die Glonn-Regu- der durch turbinengetriebene Anlagen ausge- lierung beschrieben:2 wechselt. Mehr als 30 Stahlbetonbrücken ersetz- HHH – 8 / 2009 1 Ortsgeschichte ten die vorher verbreiteten Holzkonstruktionen Glonn reguliert. Man begann damit im Oktober über die Glonn und deren Mühlbäche. (Siehe 1919. Es wurden Genossenschaften gegründet. dazu: „Die Glonnbrücke bei Jedenhofen“). Es waren dies Glonn I in Petershausen, Glonn II von der Eisenbahnbrücke bis Markt Inders- Ein Zeitzeugenbericht dorf und Glonn III von Markt Indersdorf bis Unterweikertshofen. Der Vierkirchner Kaspar Durchgeführt wurde die Regulierung durch das Hirner erlebte die Glonn- Kulturbauamt München. Es waren Notstandsar- regulierung als Arbeiter beiten, es herrschte ja große Not nach dem Ers- und Betriebsrat. In der ten Weltkrieg und die Arbeiter bekamen wieder Inflationszeit war er bei Verdienstmöglichkeiten. Finanziert wurde die Lohnverhandlungen drei- Maßnahme vom Staat, wobei aber auch die Ge- mal beim Finanzministe- Kaspar Hirner, † 1988 nossenschaftsmitglieder Raten zu bezahlen hat- rium. Von der Glonnre- Foto: H. Seidl ten. Zunächst wurde in Markt Indersdorf ein gulierung berichtet er im Büro eingerichtet. Der erste Leiter war Bauamt- Jahre 1979 (damals 84 Jahre alt): mann Fischer, dann kamen Ingenieur Pohl und Ingenieur Erdmann. Herr Pohl hatte die Baulei- Durch die vielen kurvenreichen Wasserläufe tung Glonn III, Herr Erdmann Glonn II. Es kam gab es bei längerer Regenzeit und hauptsäch- noch ein Herr Mai, der das Personalbüro führ- lich bei der Schneeschmelze, immer wieder te. In Weichs wurde das Zeichenbüro eingerich- Hochwasser, welches das ganze Tal der Glonn tet, und zwar im Benifiziatenhaus beim Kloster. überschwemmte. Die Straße von Pasenbach Am Bahnhof in Markt Indersdorf entstand ein nach Weichs war dann nicht zu begehen oder zu großes Materiallager. Man brauchte verschie- befahren. Hinter der Mühle in Weichs war stän- dene Materialien: Holz, Stangen, Balken, Bret- dig ein See von etwa 140 Meter im Durchmes- ter, Kohle, Faschinenmaterial. Im Oktober 1919 ser. Im Mülleranwesen in Jedenhofen stand ein- war Baubeginn. Als erstes wurden die Schienen mal das Vieh bis zu 20 cm im Wasser. für die Rollwagen gelegt. Der erste Bauab- Um die Überschwemmungen zu verhindern und schnitt war oberhalb der Engelbrechtsmühle in um besseres Futter zu gewinnen, wurde die Richtung Indersdorfer Glonnbrücke, der zweite oberhalb Asbach in Richtung Weichs, der dritte Dampfbagger und Lorenbahn bei Jedenhofen Foto: Thomas Angermeier HHH – 8 / 2009 2 Ortsgeschichte oberhalb Indersdorf in Richtung Arnbach und Die Dampfbagger hatten als Bedienungsperso- Erdweg. Relativ einfach war der Brückenbau, nal einen Baggerführer oder Maschinisten, da man auf trockenem Gelände wenig Schalung einen Heizer und einen Wasserträger, meist ein brauchte und der Flusslauf erst später ausge- junger Bursche. Die neue Glonn bekam an der graben wurde. unteren Sohle eine Weite von 10 Meter und Die ersten Arbeiten waren sehr mühsam, da al- oben 13 Meter bei einer Böschungshöhe von les mit Schaufeln gearbeitet werden musste. Die 2,50 Meter. Der Bagger konnte eine Böschungs- Arbeiter kamen von der ganzen Umgebung, von seite gleich schräg anlegen und man brauchte Hilgertshausen, Jetzendorf, Röhrmoos, Schwab- an der Gegenseite nur das Erdreich hinunterzu- hausen und den Glonngemeinden. In den Win- stoßen und abzuschrägen. Der Bagger lief auf termonaten war dies natürlich sehr beschwer- etwa 20 Meter langen Schienen langsam hin lich, wenn man nicht mit dem Radl anreisen und her und kippte die Erde in die Rollwagen. Dampfbagger und Arbeiter beim Bau des neuen Flussbettes Foto: Thomas Angermeier konnte. Gearbeitet wurden 48 Stunden in der So ging dies an allen drei Baustellen. Woche. Diese Regelung trat nach dem Ersten Die neue Glonn wurde ziemlich in die Mitte des Weltkrieg in Kraft, vor dem Krieg musste 50 Glonntales gelegt, so dass sie ganz frisch durch Stunden gearbeitet werden. Es wurden auch die Wiesen lief. Zum Baggerbetrieb gehörten 30 Kantinen aufgestellt, bei Glonn und Asbach, so Mann. War ein Teilstück von 20 Metern fertig, dass für Mittagessen gesorgt war. Gearbeitet wurden die Gleise neu verlegt. Anschließend ka- wurde folgendermaßen: Zwei Mann mussten men die Nacharbeiten: Die Böschungen mussten einen Rollwagen beladen. Dieser lief auf Schie- mit eigenen Böschungsschaufeln sauber abge- nen. Er wurde zum nächsten Graben oder zur schrägt werden. Dann kamen die Faschinenar- alten Glonn geschoben und dort hineingekippt. beiter. Sie legten 10 bis 20 Meter lange Weiden- So wurden alle Gräben aufgefüllt, da ja später faschinen an die Sohle der Böschung links und für die neue Glonn schnurgerade Kulturgräben rechts. Sie wurden mit Holzpflöcken befestigt. angelegt wurden. So wurde bis zum Frühjahr Die Faschinen wurden aus Weiden-ästen herge- 1920 gearbeitet. Im Frühjahr 1920 wurden Löf- stellt, die man von den Isarauen geholt hatte. felbagger eingesetzt. Jetzt ging es schneller vor- Sie wurden an der Baustelle mit Draht zusam- an. mengebunden. Zum Schluss kamen die Rasenle- HHH – 8 / 2009 3 Ortsgeschichte ger. Die Rasenstücke mit einer Seitenlänge von wurde das Arbeitslosengeld gesperrt. So waren 30 cm im Quadrat wurden seitlich abgestochen die verschiedensten Berufe vertreten. Es wurden und an der neuen Böschung der Glonn ange- keine Ausnahmen gemacht. Für die Münchner setzt. Zu diesen Arbeiten benötigte man ca. 50 und Dachauer fuhr eigens ein Arbeiterzug nach Mann. Nun war das Flussbett fertig. Die neuen Petershausen. In Esterhofen stieg alles aus. Die Glonnbrücken wurden von der Firma Weitmann Münchner hatten es trotzdem nicht leicht, denn gebaut, und zwar schon vor der Ausbaggerung. der Zug ging bereits um sechs Uhr früh ab und Auch die Wasserwehre konnte man schon vor- mancher musste, wenn er weit vom Hauptbahn- her betonieren. Die Mühlkanäle kamen erst an hof wohnte, früh aus den Federn, weil die Tram- die Reihe, als das Wasser schon die neue Glonn bahn erst um sechs Uhr losfuhr. Abends um hinunterlief, denn die Mühlen bekamen alle sechs Uhr ging der Zug zurück nach München. Wasserturbinen. Die unterschlächtigen Wasser- So hatte mancher einen langen Arbeitstag von räder kamen weg, und es mussten die neuen 14 Stunden und mehr. Die Glonnregulierung Fundamente betoniert werden. Es waren dies wurde mit Inflationsgeld bezahlt. 1919 zahlte die Mühlen Asbach und Weichs. Die Engel- man einen Stundenlohn von 1,30 Mark. Bis brechtsmühle wurde stillgelegt und rausgekauft. 1920 stieg er auf 3,- Mark und kletterte bis 1922 Dann kam Glonn. Die Steigermühle wurde ab- auf 60,- bis 70,- Mark. 1922 wurden anfangs gebrochen (wo die Steigervilla steht). Die Un- 200,- Mark gezahlt und dann ging es Schlag auf termoosmühle wurde ausgebaut, ebenso Arn- Schlag. Für ein Mittagessen zahlte man 200 bach und Erdweg. Im Abschnitt Weichs von der 000,- Mark. Bis Ende September stieg der Stun- Glonnbrücke flussabwärts wurde eine kleine denlohn in Millionen und Billionen. Ab Oktober Dampflok eingesetzt. Zuerst musste der kleine kam die Rentenmark. Die ersten zwei Wochen See mit Ausnahme des Mühlbaches zugeschüttet wurden in Dollar ausbezahlt. In der dritten Wo- werden. Anschließend wurde die heutige Straße che bekamen wir die Rentenmark. Sieben Ren- aufgefüllt. Aber es war nicht möglich, die Roll- tenmark in der Woche - zum Leben zu wenig, wagen mit