Suhrkamp Verlag Leseprobe

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Suhrkamp Verlag Leseprobe Suhrkamp Verlag Leseprobe Kovce, Philip / Priddat, Birger P. Bedingungsloses Grundeinkommen Grundlagentexte Herausgegeben von Philip Kovce und Birger P. Priddat © Suhrkamp Verlag suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2265 978-3-518-29865-7 suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2265 Das bedingungslose Grundeinkommen wird vielerorts diskutiert. Was würden wir tun, wenn unsere Existenz bedingungslos gesichert wäre? Wä- ren wir fleißiger oder fauler? Experimente versuchen inzwischen, darauf eine Antwort zu geben, und Plädoyers für oder gegen das Grundeinkom- men finden breites Gehör. Doch wie hat sich diese Idee entwickelt? Wer hat sie mit welchen Argumenten vorangebracht? Anhand von Schlüsseltexten unterschiedlichster Vordenker des bedingungslosen Grundeinkommens, darunter Thomas Morus, Charles Fourier, Bertrand Russell, John Maynard Keynes und Philippe Van Parijs, dokumentiert dieser Band umfassend die wechselvolle Geschichte einer Idee, die uns auch künftig beschäftigen wird. Philip Kovce ist Research Fellow an der Seniorprofessur für Wirtschaft und Philosophie der Universität Witten/Herdecke. Er befürwortet ein bedin- gungsloses Grundeinkommen. Birger P. Priddat ist Seniorprofessor für Wirtschaft und Philosophie an der Universität Witten/Herdecke. Er lehnt ein bedingungsloses Grundein- kommen ab. Bedingungsloses Grundeinkommen Grundlagentexte Herausgegeben von Philip Kovce und Birger P. Priddat Suhrkamp Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. 2. Auflage 2020 Erste Auflage 2019 suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2265 © Suhrkamp Verlag Berlin 2019 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim Printed in Germany ISBN 978-3-518-29865-7 Inhalt Vorwort ........................................... 9 Philip Kovce und Birger P. Priddat Bedingungsloses Grundeinkommen. Zur Einführung .... 11 Thomas Morus Utopia ............................................ 54 Thomas Paine Agrarische Gerechtigkeit ............................. 78 Thomas Spence Die Rechte der Kinder ............................... 99 Charles Fourier Brief an den Justizminister ........................... 112 Allen Davenport Agrarische Gleichheit ................................ 125 Joseph Charlier Lösung des Sozialproblems oder Humanitäre Verfassung .. 133 Paul Lafargue Das Recht auf Faulheit .............................. 157 Josef Popper-Lynkeus Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage . 177 Walther Marcus Die Verteidigung des Nährpflicht-Programms ........... 207 Bertrand Russell Wege zur Freiheit ................................... 231 John Maynard Keynes Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder .... 246 Hannah Arendt Vita activa oder Vom tätigen Leben .................... 258 Milton Friedman Kapitalismus und Freiheit ............................ 266 Erich Fromm Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle ................................ 273 Joseph Beuys Aufruf zur Alternative ............................... 284 Michael Opielka Das garantierte Einkommen – ein sozialstaatliches Paradoxon? ........................................ 300 Kollektiv Charles Fourier Das allgemeine Grundeinkommen .................... 322 Ralf Dahrendorf Ein garantiertes Mindesteinkommen als konstitutionelles Anrecht ............................ 331 Georg Vobruba Die Entflechtung von Arbeiten und Essen .............. 338 Philippe Van Parijs und Robert J. van der Veen Ein kapitalistischer Weg zum Kommunismus ........... 356 Philippe Van Parijs Warum Surfer durchgefüttert werden sollten ............ 373 André Gorz Arbeit zwischen Misere und Utopie .................... 412 Bernhard H. F. Taureck Die Menschenwürde im Zeitalter ihrer Abschaffung ...... 445 Claus Offe Das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Krise von Arbeitsmarkt und Sozialstaat .......... 454 Ausgewählte Literatur ............................... 481 Textnachweise ...................................... 491 Register ........................................... 494 Vorwort Wer darüber befinden will, ob die Zeit einer Idee gekommen sei, der hat sich nicht nur mit dem herrschenden Zeitgeist, sondern ebenfalls mit der Zeitgestalt der Idee auseinanderzusetzen. Dabei spielen nicht zuletzt folgende Fragen eine Schlüsselrolle: Woher kommt die Idee und wohin geht sie? Wer hat sie vorangebracht und wer trägt sie weiter? Und schließlich: Worauf verweist die Idee? Welche Zusammenhänge, die auf den ersten Blick jenseits ihres Wirkungskreises liegen, werden von ihr dennoch inspiriert? Wer sich diese Schlüsselfragen angesichts des bedingungslosen Grundeinkommens stellt, dem wollen wir mit diesem Band be- hilflich sein. Er dokumentiert die Zeitgestalt der Idee in Form von schriftlichen Zeugnissen ihrer Vordenker; er entfaltet die Geschich- te des Grundeinkommens anhand ausgewählter Grundlagentexte – und schafft damit bestenfalls gute Voraussetzungen, um Gegenwart und Zukunft des Grundeinkommens historisch informiert zu dis- kutieren. Nicht mehr, nicht weniger will dieser Band erreichen. Wir danken allen, die auf ganz unterschiedliche Weise zu diesem Gemeinschaftswerk beigetragen haben. Sie selbst wissen am besten, wofür. Philip Kovce und Birger P. Priddat 9 Philip Kovce und Birger P. Priddat Bedingungsloses Grundeinkommen. Zur Einführung 1. Ordnung des Diskurses Wenn dieser Tage immer wieder vom bedingungslosen Grund- einkommen die Rede ist, dann handelt es sich dabei um einen Vorschlag von geradezu provozierender Schlichtheit. Jeder Bürger eines Gemeinwesens soll, so der Vorschlag, lebenslang ein exis- tenzsicherndes Einkommen beziehen, das ihm als individueller Rechtsanspruch ohne etwaige (Arbeits-)Pflicht oder (Bedürftig- keits-)Prüfung gewährt wird. Alter, Bildung, Beruf, Vermögen – all das soll dabei keine Rolle spielen.1 So radikal dieser Vorschlag klingt, so umstritten ist er auch. Es gibt Unternehmer und Gewerk- schafter, die ihn lautstark befürworten – und ebensolche, die ihn lautstark ablehnen. Er findet ebenso liberal und konservativ wie kapitalistisch und sozialistisch gesinnte Unterstützer – und nicht minder Skeptiker, die ihm aus all diesen Lagern entgegentreten. Das Grundeinkommen bildet, wann und wo immer es diskutiert wird, neue Bündnisse und stellt alte infrage. Wer es fordert, will mit 1 Yannick Vanderborght und Philippe Van Parijs (Ein Grundeinkommen für alle? Geschichte und Zukunft eines radikalen Vorschlags, Frankfurt/M., New York 2005, S. 14) verstehen unter einem bedingungslosen Grundeinkommen – in Anlehnung an das Verständnis des Basic Income Earth Network (BIEN) – »ein Einkommen, das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder ohne Bedürftigkeits- prüfung und ohne Gegenleistung individuell ausgezahlt wird«, während das deutsche Netzwerk Grundeinkommen (Kleines ABC des bedingungslosen Grundeinkommens, Neu-Ulm 2012, S. 11), selbst Mitglied des BIEN, »vier Grundelemente« eines be- dingungslosen Grundeinkommens benennt: »Existenz- und Teilhabesicherung; individueller Rechtsanspruch für alle Menschen; keine Bedürftigkeitsprüfung; kein Zwang zur Arbeit oder zu anderen Gegenleistungen«. Ronald Blaschke (»Grundeinkommen – Was ist das? Eine kurze Begriffsklärung«, in: ders., Adeline Otto, Norbert Schepers (Hg.), Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europä- ischen politischen Bewegung, Hamburg 2012, S. 10-16, hier: S. 13) bemerkt also zu Recht, dass in der Definition des BIEN »das wichtige Merkmal der existenz- und teilhabesichernden Höhe [fehlt]«. 11 denen, die es ebenfalls proklamieren, oftmals nichts zu tun haben, und wer es verwirft, dem ist sein Nachbar, der es ihm gleichtut, noch längst nicht geheuer.2 Dass das Grundeinkommen heutzutage dermaßen polarisiert und integriert, hängt damit zusammen, dass es zwar einerseits in einem bestimmten Sinne radikal, andererseits aber auch äußerst unbestimmt ist. So einfach der Vorschlag, so vielfältig die Wege und Ziele, die damit verbunden sind – von seiner politischen und ökonomischen Ausgestaltung bis hin zu diesen oder jenen erhofften oder befürchteten individuellen und gesellschaftlichen Auswirkun- gen.3 Das Grundeinkommen spiegelt dabei vieles wider, was weni- ger mit ihm selber als mit den gehegten Träumen seiner Anhänger und den gepflegten Vorurteilen seiner Gegner zu tun hat. Dieser Umstand soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natür- lich auch das Grundeinkommen selber ist, welches diese Träume und Albträume hervorruft, indem es sich teilweise quer zu gängi- gen Vorstellungen von Freiheit und Gerechtigkeit stellt und den gewohnten Zusammenhang von Arbeit und Einkommen, Leistung und Verdienst grundsätzlich hinterfragt.4 Will man den Grundeinkommensdiskurs ordnen, lassen sich drei Hauptgründe ausfindig machen, die immer wieder für ein Grundeinkommen angeführt werden. 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