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Sendung vom 09.11.2009, 20.15 Uhr

Dr. Richard David Precht Bestsellerautor im Gespräch mit Jochen Kölsch

Kölsch: Zu unserer Sendung alpha-Forum begrüße ich Sie sehr herzlich, meine Damen und Herren. Wie fühlt man sich, wenn man einen Bestseller geschrieben hat, wenn viele Hunderttausend Exemplare des eigenen Buchs von noch mehr Lesern studiert werden und die einsamen Gedanken, die man sich als Autor gemacht hat, auf einmal die große, die ganz große Öffentlichkeit finden? Zu Gast bei alpha-Forum ist heute der Erfolgsautor Richard David Precht, Schriftsteller, Publizist, Essayist. Wie geht es Ihnen jetzt mit diesem wirklich überwältigenden Erfolg, den Sie in den letzten Jahren erzielt haben? Precht: Das ist natürlich nicht leicht in wenigen Sätzen zu sagen. Mein Leben hat sich durchaus verändert z. B. dadurch, dass sehr viele Veranstaltungen hinzugekommen sind, dass sehr viele Medientermine hinzugekommen sind usw. Aber ich glaube, dass das mit mir selbst nicht so viel gemacht hat. Das war ja bereits mein sechstes Buch und ich kannte die Höhen und Tiefen des Literaturbetriebs bereits vorher schon recht gut. Natürlich rechnet man nicht damit, ein so erfolgreiches Buch zu schreiben. Das kommt einem schon immer noch so ein bisschen wie geträumt oder auch unrealistisch vor. Nachdem das Buch so erfolgreich war und in die Bestsellerlisten aufstieg, war es über mehrere Wochen hinweg nicht lieferbar. Da hätte man sich auch durchaus vorstellen können, man hätte das Ganze nur geträumt, weil man dieses Buch in den Buchhandlungen ja gar nicht zu sehen bekam. Kölsch: Geisteswissenschaftler, und Sie sind ja ein solcher, machen eher selten Karriere, sondern fahren manchmal – das ist fast schon ein Stereotyp geworden – auch Taxi. Was war denn in Ihrem Leben der entscheidende Wendepunkt, sodass sich das gedreht hat? Sie müssen diesen Erfolg ja auch gewollt haben, denn Sie sind ja nicht irgendwie ein einsamer Autor, dem es egal ist, ob er gelesen wird. Precht: Ich glaube, es gibt nur wenige Autoren, denen es völlig egal ist, ob sie gelesen werden oder nicht. Aber ich hatte, da ich ja davor bereits mehrere Bücher mit wechselhaftem Erfolg geschrieben hatte, eine Grundlage, von der ich leben konnte. Das heißt, die Gefahr, mir mein Geld als Taxifahrer verdienen zu müssen, bestand nur am Ende meiner Universitätszeit. Aber ich habe nicht einmal einen Führerschein bzw. ich habe einen, kann aber nicht Auto fahren. Von daher wäre Taxi fahren eh nicht wirklich eine Alternative gewesen. Ich habe vom Schreiben meiner Bücher und von journalistischer Arbeit immer ganz ordentlich leben können, und zwar auch schon vor diesem Buch. Insofern hat mich das Buch jetzt nicht aus einer Existenzkrise gerettet, wie man sich das bei Geisteswissenschaftlern ansonsten vielleicht vorstellen könnte. Es war auch so, dass der Verlag selbst bereits eine gewisse Erwartung hatte, dass sich das Buch ganz gut verkaufen würde, weswegen er auch entsprechend in Vorleistung gegangen ist. Trotzdem wäre dieser Erfolg nicht denkbar gewesen, wenn sich nicht Elke Heidenreich so stark für mein Buch eingesetzt hätte. Das Buch hat sich von September 2007, als es erschienen ist, bis zur Sendung von Elke Heidenreich etwa 10000 Mal verkauft. Das ist für ein philosophisches Sachbuch bzw. Einführungsbuch bereits eine beachtliche Zahl. Aber das ist noch weit, weit entfernt davon, ein Bestseller zu sein. Kölsch: Das heißt, Ihr Buch verkaufte sich ein halbes Jahr lang ganz normal gut. Precht: Es war jedenfalls überhaupt kein bestsellerverdächtiger Verkauf. Durch Elke Heidenreich ist mein Buch dann aber in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Von da an setzte die Mundpropaganda ein, die natürlich durch zahlreiche Auftritte von mir im Fernsehen auch noch verstärkt wurde. Und irgendwann wurde das zu einem Selbstläufer. Kölsch: Nach meiner Einschätzung hatten Sie es aber doch von Anfang an darauf angelegt, ein breites Publikum zu erreichen mit Ihrem Buch "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?". Eigentlich ist das ein sehr origineller, aber gleichzeitig auch schon wieder fast abschreckender Titel. Das Strickmuster, das Sie in diesem Buch verwenden, ist eine Mischung aus Zugänglichkeit und Tiefe und gibt dem Leser sehr viel. Precht: Die ursprüngliche Idee dieses Buchs war nicht, einen Bestseller zu schreiben, sondern ein Buch zu schreiben für meine Stiefkinder. Das stand wirklich am Anfang dieses Buchs. Es sollte also ursprünglich ein philosophisches Einführungsbuch für Jugendliche sein. Ich habe vor zweieinhalb Jahren geheiratet und schon vor vier Jahren kam ich in den Genuss, drei Stiefkinder zu bekommen, die sich unter meiner beruflichen Tätigkeit nicht wirklich etwas vorstellen konnten. Wir hatten dann relativ viele schöne Gespräche zusammen am Sonntagmorgen beim Frühstück oder abends beim Essengehen, wo ich ihnen auch durchaus mal auf der Papiertischdecke eines Restaurants den dialektischen Materialismus erklärte. Dabei konnte ich feststellen, dass das zumindest zeitweilig und bei einigen von ihnen gut funktionierte. Das heißt, sie haben sich das angehört und fanden ganz interessant, was ich gesagt habe. Ich dachte mir dann, dass man die Fähigkeit, einen komplizierten Sachverhalt so erklären zu können, dass Jugendliche ihn spannend finden, tatsächlich umsetzen und so ein Einführungsbuch schreiben sollte. Nachdem ich die ersten Kapitel geschrieben hatte, meinte der Verlag, das sei wunderbar – aber nicht nur für Jugendliche interessant. Und dann habe ich das ausgeweitet als Einführungsbuch für ein erwachsenes Publikum. Gleichzeitig habe ich dabei die Gunst der Stunde genutzt und meine eigenen Gedanken zu all diesen Themen, die ich mir ja schon viele Jahre vorher gemacht hatte, einfach mal zu ordnen und aufzuräumen. So sieht also die Ursprungsgeschichte dieses Buchs aus. Kölsch: Sie haben das sehr leserfreundlich gemacht: Im Grunde genommen ist jedes Kapitel ungefähr zehn Seiten lang und besteht aus einer bestimmten Mischung. Sie stellen das Thema vor und stellen dazu eine Frage, die letztlich jeden irgendwo angeht. Dann kommen Sie auf ein oder zwei spannende Figuren aus der Wissenschaftsgeschichte, aus der Philosophie, aus der Geistesgeschichte zu sprechen, die sich genau damit beschäftigt haben. Man lernt also diese Personen kennen und lernt dabei auch etwas über das jeweilige Thema. Und zuletzt gibt es auch noch praktische bzw. anekdotische und nachvollziehbare Anwendungsbeispiele für den Leser. Ganz am Ende eines Kapitels gibt es wie bei jeder guten Fernsehserie auch einen sogenannten Cliffhanger, der eine gespannte Erwartung auf das nächste Kapitel erzeugt. Das ist dramaturgisch, handwerklich ungeheuer präzise gebaut. Precht: Ich habe und hatte eigentlich schon immer ein starkes pädagogisches Ethos. Natürlich möchte ich, dass der Leser diese Gedanken in der schönstmöglichen Form präsentiert bekommt und Lust hat, das Buch zu lesen. Es gibt ja kein größeres Kompliment – ob man nun Romane schreibt oder Sachbücher –, als wenn einem die Leute sagen: "Ich habe Ihr Buch gerne gelesen." Wenn sie also nicht nur sagen, sie haben daraus etwas gelernt, sondern dass sie gerne etwas daraus gelernt haben. Wir wissen heute über die Psychologie relativ gut, was einen anspricht und was einen nicht anspricht. Wir alle wissen auch ohne wissenschaftlichen Background, dass das reine Ausbreiten von Theorien irgendwann langweilt oder ermüdet. Das heißt, man muss dann zwischendurch Ruhebänke einbauen, bei denen der Leser das Gefühl hat, er könnte sich da neben einen Philosophen setzen und ihn als Menschen ein wenig kennenlernen. Über das Kennenlernen eines Menschen interessiert man sich dann auch für dessen Theorie. Das ist ja auch im Alltagsleben so. Es kommt nur relativ selten vor, dass man sich für irgendeine Theorie an sich interessiert. Stattdessen interessiert man sich zuerst für eine Person und dann erst für das, was diese Person zu sagen hat. Das kommt wirklich häufig genug vor. Genau dieses Prinzip habe ich jedenfalls in meinem Buch umgesetzt. Im Grunde genommen ist das also eine Art von psychologischer Alltagserfahrung, die ich da verarbeitet habe. Das hat aber nichts mit einem kalkulierten Bestseller zu tun, denn ohne Elke Heidenreich wäre das Buch kein Bestseller geworden. Es war auch nicht so, dass ich am Schreibtisch gesessen und mir gedacht hätte: "Mit diesen schönen Tricks, die ich da benutze, schreibe ich einen Bestseller!" Davon war ich wirklich weit entfernt. Nein, ich wollte einfach nur dem Leser Lust machen, dieses Buch zu lesen und dann auch dabei zu bleiben. Kölsch: Ich hatte das auch gar nicht in einem negativen Sinne verstanden, denn ich meine, das ist einfach Handwerk, und zwar gutes Handwerk – so wie ja auch Fernsehserien manchmal gutes Handwerk sind. Sie gehen in Ihrem Buch von der Grundfrage aus: "Wer bin ich?" Diese Frage betrifft ja letztlich jeden Menschen. Und dann schlüsseln Sie nacheinander auf: Was ist Wahrheit, was ist Sprache, was ist Gedächtnis, ob wir andere Menschen brauchen, ob das Leben einen Sinn hat und ob es Gott gibt. Es ist absolut verständlich, wenn Sie sagen, dass Sie Ihren Stiefkindern und überhaupt Jugendlichen diese Grundfragen etwas näher bringen wollen, und zwar so, dass sie das erstens gerne lesen und zweitens auch noch verstehen. Dafür muss es aber, meine ich, irgendwo einen biografischen Hintergrund geben: Wie kommt man auf so etwas? Sie haben Philosophie und Germanistik und dergleichen studiert und lebten dann in dieser universitären Welt, die Sie aber nicht so ganz zufrieden gestellt hat, wenn ich Ihre Äußerungen diesbezüglich richtig deute. Precht: Nun, meine Kritik an der universitären Welt steht in der Einleitung. Ich erzähle dort, welche Erfahrungen ich gemacht habe, als ich an die Uni kam und am Anfang in der Philosophie wirklich das Gefühl hatte, ich begreife gar nichts. Ich fand auch meine philosophischen Lehrer überhaupt nicht spannend. Ich hatte die Vorstellung, dass Philosophen interessante Menschen seien, musste dann aber feststellen, dass die allermeisten Hochschulprofessoren, die ich dort erleben durfte, überhaupt keine interessanten Menschen waren. Das war eine erste gewisse Enttäuschung. Aber es war nicht so, dass ich während meiner ganzen Universitätszeit auf Kriegsfuß mit der Uni gestanden hätte. Ich habe an der Universität promoviert und in einer anderen Fächerkonstellation hatte ich dann sogar noch eine Assistentenstelle an der Uni. Ich habe das sehr gerne gemacht. Mein damaliger Berufswunsch war auch in der Tat, Professor zu werden. Aber ich habe mich auch schon zu Uni-Zeiten darüber geärgert, dass im Grunde genommen jeder Student im Oberseminar, der schon weiter fortgeschritten war, einer eigenen Fachterminologie, quasi einer Fremdsprache verhaftet war: Die Leute im Oberseminar haben sich deswegen so gut wie nicht verstanden. Der eine redete phänomenologisch, der andere konstruktivistisch usw. Und auf diese Weise redete man wunderbar aneinander vorbei. Ich habe mich gefragt, ob es in der Natur der Sache liegt, dass das so ist. Oder kann man dagegen irgendetwas tun? Ein großes Problem der Geisteswissenschaften an den Universitäten ist nämlich, dass Unverständlichkeit den Wert erhöht. Unverständlichkeit wird an deutschen Universitäten vererbt: Man lernt von seinem unverständlich schreibenden Professor unverständlich zu schreiben. Wissenschaftler in Deutschland lieben z. B. Passivsätze; Wissenschaftler in Deutschland vermeiden im Regelfall Anschaulichkeit, und das, obwohl wir doch alle wissen, dass Passivsätze das Verständnis erschweren und ein Mangel an Anschaulichkeit anfängt zu langweilen. Trotzdem vererbt sich das fort: Das ist ein gewisser Dünkel, der darin wohnt. Ihn müsste es aber nicht geben, denn ich habe mich sehr viel mit Philosophen der angelsächsischen Welt befasst und auch welche kennengelernt. Dabei habe ich festgestellt, dass es bei denen weitgehend nicht so ist. Ich glaube aber, dass wir das, was wir hier in Deutschland seit dem Idealismus, also seit dem Ende des 18. Jahrhunderts an den Erbhöfen unserer Universitäten vererben, nämlich Unverständlichkeit und Dünkelhaftigkeit, gar nicht brauchen, dass man stattdessen alle komplizierten Gedanken auch in einer wesentlich schöneren und anschaulicheren Form ausdrücken kann. Kölsch: hatte ja die Messlatte der Schwerverständlichkeit schon recht hoch gelegt. Wie ist denn die Reaktion Ihrer universitären Kollegen auf Ihren Versuch, philosophische Gedanken populär zu machen? Eigentlich müsste die das doch freuen. Precht: Zunächst noch einmal zu dem, was Sie von Kant gesagt haben: Kant gehört nicht zu den besonders unverständlichen Denkern. Kant hat die lateinische Schulgrammatik der damaligen Zeit benutzt, d. h. er war für seine Zeitgenossen nicht allzu schwer zu lesen. Wenn man jedoch heute über Kant im Stil von Kant schreibt, dann ist man unverständlich, weil das eine Sprache ist, die heute niemand mehr versteht, weder in der gesprochenen, noch in der Schriftsprache. Wie die universitäre Welt auf mein Buch reagiert hat, kann ich nur schwer sagen. Ich habe von wenigen Professoren persönlich eine Resonanz bekommen. Sehr viel positive Kritiken habe ich hingegen von fachfremden Professoren bekommen. Das heißt, ich bekomme z. B. Post von habilitierten Ärzten, von Professoren für Orthopädie oder von Ingenieuren, die auch an Hochschulen unterrichten. Sie freuen sich über die Verständlichkeit und auch darüber, wie die Philosophie hier eingesetzt wird als Problemlösungswissenschaft. Denn das ist etwas, was Naturwissenschaftler allgemein sehr stark anspricht. Von geisteswissenschaftlichen Professoren, von philosophischen Professoren habe ich eigentlich gar keine Reaktionen bekommen, keine positiven, aber auch keine negativen. Aber ich habe vor nicht allzu langer Zeit eine Einladung von der Hochschule der bekommen, dort Vorträge zu halten. Und es gibt auch noch zwei andere Universitäten, die nachgefragt haben, ob ich nicht Lust hätte, dort Veranstaltungen zu machen. Im letzten Herbst habe ich eine Veranstaltungsreihe an der Universität Luxemburg gemacht, wo meine zweite Heimat ist. Insofern denke ich, dass man die Reaktion der akademischen Welt, wenn überhaupt dann eher positiv bewerten kann. Kritiker finde ich eher in den Feuilletons als unter Professoren. Kölsch: Da gibt es in der Tat manchmal recht ungnädige Kritiken, aber auch viele positive Kritiken. Um noch einmal auf Kant zu kommen: Sie haben sich bei den Großkapiteln in Ihrem Buch ja auch sehr stark an Kant angelehnt: "Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?" Das sind ja Fragen, die der Gedankenwelt von Kant entstammen. Was war da Ihre Brücke? Warum Kant? Weil Sie als Deutscher über Philosophie schreiben? Precht: Darüber habe ich jetzt nicht explizit nachgedacht. Kant ist sicherlich der Philosoph, mit dem ich mich an der Universität am intensivsten beschäftigt und auseinandergesetzt habe. Das ist auch nicht ungewöhnlich an einer deutschen Universität, wenn man Philosophie studiert. Er ist sicherlich der wichtigste deutsche Philosoph überhaupt gewesen. Sein Ruhm besteht natürlich auch vollständig zu Recht. Es ist schon so, dass sich diese kantischen Fragen – was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Bei Kant selbst gibt es noch eine vierte Frage: Was ist der Mensch? – sehr, sehr schön dafür eignen, den philosophischen Stoff zu gliedern. Deswegen habe ich sie genommen. Ich habe sie übrigens nicht nach dem gleichen Schema benutzt, wie Kant sie benutzen würde, denn dann wäre die Zuteilung der einzelnen Unterkapitel zu den Kapiteln eine andere gewesen. Kölsch: Ich würde gerne noch ein bisschen auf den Inhalt Ihres Buches eingehen. Das ist allerdings recht schwierig, da Sie so viele Kapitel sozusagen über die Kernfragen des Menschseins und der Welt haben, dass man da nur schwer etwas herausgreifen kann. Aber lassen Sie uns z. B. über die Schwierigkeit sprechen, Gefühle in Sprache umzusetzen, damit unsere Zuschauer einen gewissen Eindruck davon bekommen, wie Sie in Ihrem Buch arbeiten. Wir Menschen können also etwas fühlen, ohne dass wir das genau definieren könnten. Völlig unmöglich ist es, unsere Gefühle vorgegebenen Mustern zuzuordnen, sodass man behaupten könnte, das sei nun das Gefühl, das man hat. Sie haben darüber ein sehr schönes Kapitel geschrieben. Precht: Die Erforschung der Gefühle ist meiner Meinung nach im Augenblick wohl das spannendste Thema der Philosophie. Ich habe mich ja nicht nur in diesem Buch, sondern auch in meinem Buch über die Liebe intensiv mit der Frage beschäftigt, was eigentlich Gefühle sind. Denn bei Gefühlen ist es so, dass wir ohne die Naturwissenschaften nicht auskommen, wenn wir versuchen, wollen zu erklären, was ein Gefühl ist oder wie ein Gefühl entsteht. Das ist völlig klar. Insofern meine ich ja auch, dass Naturwissenschaften ohne Philosophie blind sind, aber die Philosophie ohne Naturwissenschaften weitgehend leer ist. Wenn man Gefühle verstehen möchte, muss man zuerst einmal verstehen: Was löst physiologische Erregung aus und warum? Das ist ein naturwissenschaftlicher Bereich und das kann man mithilfe der Kernspintomografie auch relativ gut zeigen. So gesehen gibt es hier eine starke Deutungskompetenz der Naturwissenschaftler. Aber, und jetzt wird es interessant, alle höheren Gefühlszustände, alle komplizierten Gefühlszustände, zu denen der Menschen fähig ist, wie Liebeskummer, Heimweh, Nostalgie usw., sind nicht einfach nur physiologische Erregungen. Man hätte nämlich diese Gefühle gar nicht, wenn man nicht diese Wörter hätte. Diese Wörter wiederum sind abhängig von der Kultur und von der Sprache. Einen Begriff wie "Weltschmerz" gibt es auf Deutsch, im Englischen gibt es ihn gar nicht. Also empfinden die Engländer zwar physiologisch irgendwie etwas Ähnliches, nennen das aber nicht "Weltschmerz" und reagieren auch anders auf diese Gefühle. In dem Moment, in dem man auf eine Erregung ein Etikett klebt, hat man das, was man etikettiert: Man hat nicht mehr nur eine diffuse, namenlose Erregung, sondern dieses Etikett. Und dann wiederum geht man mit diesem Etikett um. Das heißt, wir haben weitgehend die Gefühle, die wir uns selbst zuschreiben. Das ist eine ganz spannende Geschichte, an der im Augenblick von lauter verschiedenen Disziplinen viel geforscht wird: in der Philosophie, in der Psychologie usw. Von dort ist auch noch sehr viel Interessantes zu erwarten. Kölsch: Das bringt uns natürlich auf den schwierigen Punkt, wie Sie als Geisteswissenschaftler mit den Naturwissenschaften umgehen. Die Schwierigkeit besteht ja wohl darin, dass die einen viel erforschen, was sie dann aber nicht hinreichend deutend mit Inhalt füllen können, während die anderen enorm deuten, aber letztlich nicht am konkreten Objekt forschen. Wie kann man das zusammenbringen? Ist hier Ihre Kompetenz ausreichend, um das quasi nutzen zu können? Oder haben Sie da manchmal das Gefühl, Sie durchblicken zu wenig, was Ihnen z. B. die Hirnforschung liefert? Precht: Ich habe das Gefühl, dass ich diese naturwissenschaftlichen Dinge z. T. leichter verstehen kann als viele geisteswissenschaftliche Dinge. Denn wenn es da eine ordentliche Beweisführung und eine klare Darstellung gibt, dann kommt auch etwas heraus, was jeder nachvollziehen kann und nachvollziehen soll. Im Zweifelsfall ist das dann auch noch in einer Sprache geschrieben, die weniger kompliziert ist. Ich habe seit meiner Kindheit ein unglaubliches Faible für Biologie und für Naturwissenschaften. Das ist auch der Grund, warum ich das nicht studiert habe: Ich wollte dieses Faible und diese Leidenschaft nicht verlieren. Ich glaube, es war auch ganz gut so, das nicht zu tun. Aber ich habe beispielsweise auch ein Fach wie Kunstgeschichte studiert, von dem ich relativ wenig verstehe. Es gibt jedoch einige Bereiche in der Biologie, von denen ich weitaus mehr verstehe als von Fächern oder einzelnen Aspekten von Fächern, die ich studiert habe. Insofern ist von meinem eigenen Denken her beides ohnehin sehr eng miteinander verknüpft. Ich mag diese präzise Ingenieurskunst der Naturwissenschaften, dieses objektive Erkenntnisinteresse. Und ich mag das Zweifelnde, das Lächelnde, das abschätzende Sowohl-als-Auch der Geisteswissenschaften in gleichem Maße. Ich glaube tatsächlich, dass diese beiden Disziplinen näher zusammenwachsen sollten. Das muss man sich in der Praxis natürlich nicht so vorstellen, dass man nun Philosophen dazu bringt, irgendwelche Gehirne zu zerschneiden. Das wäre Unsinn. Ich halte es jedoch für unbedingt notwendig, dass Philosophen in ihrem Philosophiestudium zumindest zwei oder drei Seminarscheine machen müssen, in denen sie sich mit den Ergebnissen, Erkenntnissen und Theoremen der Hirnforschung beschäftigen. Ich sehe jedoch in der strengen Trennung, die die Fakultäten gegenwärtig bei uns haben, sehr, sehr wenige Ansatzpunkte dafür, dass so etwas in die Realität umgesetzt werden könnte. Wir leisten uns hier wirklich den unglaublichen Luxus, die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften so voneinander zu trennen, als gäbe es inhaltlich bei beiden keine Überschneidungspunkte. Häufig genug jedoch reden sie über dasselbe Thema – nur mit anderen Mitteln. Kölsch: Sie haben in einem Interview einmal gesagt, wie sehr Sie es bedauern, dass die Geisteswissenschaften oft relativ nutzlos vor sich hin agieren und genau diese Zusammenarbeit mit den konkreten Naturwissenschaften nicht schaffen. Ein anderes Thema, das Sie bearbeiten in Ihrem Buch, ist das Gedächtnis. Sie bescheren dem Leser, und auch mir, immer wieder eine ganze Menge Aha-Effekte, was wahrscheinlich einer der Gründe für den Erfolg Ihres Buches ist. Es interessiert ja jeden Menschen, wie eigentlich diese Synapsen im Gehirn funktionieren: Sie erläutern die Funktion des Gehirns beim Thema "Gedächtnis" und erklären dabei, dass das Gedächtnis konstitutiv für jede Identität ist. Denn die Frage: "Wer bin ich?", hat nun einmal auch sehr viel mit dem Gedächtnis zu tun. Precht: Das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass Geisteswissenschaftler an bestimmten Punkten einfach dazu gezwungen sind, sich mit den Naturwissenschaften auseinanderzusetzen. Es gibt relativ viele neue und gute Erkenntnisse über die Funktionsweise des Kurzzeitgedächtnisses. Beim Langzeitgedächtnis ist eigentlich erst eine winzig kleine Spitze des Eisbergs sichtbar gemacht worden. Man könnte sich ja vorstellen, was es bedeuten würde, wenn wir neurochemisch entschlüsseln könnten, wie das Langzeitgedächtnis funktioniert. Selbstverständlich würden dann Medikamente auf den Markt kommen, mit deren Hilfe wir die Vergesslichkeit eindämmen könnten, und zwar u. U. sogar auf dramatische Art und Weise. Das hätte also unglaublich viele positive Folgen z. B. bei Demenzkrankheiten und möglicherweise auch im Kampf gegen Alzheimer. Wenn in 30 oder 40 Jahren die Menschen ein gesegnetes Alter erreichen, werden sie meiner Meinung nach von Demenzkrankheiten nicht mehr betroffen sein. Das würde in dieser Gesellschaft eine unglaubliche Revolution bedeuten. In negativer Hinsicht bedeutet das natürlich, dass man sein Gehirn optimieren kann und dass man Gehirndoping vornehmen kann. Wann beginnt also der Einsatz gegen Krankheiten und wann beginnt die Optimierung? Denn wenn die Medikamente erst einmal auf dem Markt sind, dann werden garantiert die Eltern nach diesen Pillen fragen, um sie ihren Kindern vor einer Klausur in den Tee geben zu können: damit das Langzeitgedächtnis des Kindes auch ja schön durchleuchtet wird und schön wach bleibt! All diese Techniken bergen also auch enorme Risiken. Und um diese Risiken abschätzen zu können, braucht man Geisteswissenschaftler, Soziologen, Sozialpsychologen usw., die sich mit der Frage auseinandersetzen: "Was machen diese Erkenntnisse in Zukunft mit der Gesellschaft?" Bislang hinkten ja diese Disziplinen den naturwissenschaftlichen Disziplinen immer hinterher. Ich wünsche mir jedoch, dass von Anfang an viel enger zusammengearbeitet wird, dass man unsere Gesellschaft auf diese Umbrüche vorbereitet. Dafür sind Geisteswissenschaftler unbedingt notwendig. Aber dafür werden sie an deutschen Universitäten nicht ausgebildet. Kölsch: Ich würde gerne noch zu Ihrer eigenen Position kommen, die Sie beim Schreiben einnehmen. Das würde ich gerne über die biografische Schiene machen. Ich erlebe Sie als jemanden, der das Material ausbreitet und dann sehr vorsichtig deutet. Aufgewachsen sind Sie ja in einem Elternhaus, das das "Material", das diese Welt anbietet, sozusagen weniger vorsichtig deutete. Sie hatten Eltern, die Kommunisten waren und sich in den 60er und 70er Jahren durchaus politisch aktiv betätigt und auch ihre Kinder dementsprechend sozialisiert haben. Darüber haben Sie ebenfalls ein Buch geschrieben, ein sehr schönes und wirklich lesenswertes Buch mit dem Titel "Lenin kam nur bis Lüdenscheid". Es geht darin um eine deutsche Kindheit in dieser Zeit mit solchen Eltern. Was hat das für Sie bedeutet? Precht: Ich würde nicht sagen, dass meine Eltern im "Hardcore"-Sinne Kommunisten waren, aber sie waren zumindest stark durch die marxistische Theorie inspiriert: und zwar in der Zeit von Ende der 60er bis Mitte, Ende der 70er Jahre. Das war die Zeit, in der ich Kind war und das war die Zeit, in der meine Kindheit doch relativ anders war als die Kindheit vieler anderer Kinder. Da meine Eltern alles, was links war, positiv bewerteten, und alles, was rechts war und, noch schlimmer, alles, was amerikanisch war, negativ bewerteten, bin ich in einem Umfeld aufgewachsen, das sich von dem der Nachbarn doch wesentlich unterschieden hat. Meine Eltern haben Kinder aus Vietnam adoptiert: 1969 war mein Bruder Marcel eines der allerersten vietnamesischen Waisenkinder, das wegen des Kriegs in diesem Land adoptiert wurde. 1972 kam dann noch meine Schwester Luise hinzu. Wenn man zwei Adoptivgeschwister aus Vietnam hat und anhand dieser Kinder "anschaulich" vorgeführt bekommt, was die Amerikaner in Vietnam veranstalten, wenn man als Kind Bilder vom Vietnamkrieg sieht – ich habe als Kind Bilder von Dioxin- und Napalmopfern gesehen –, dann versteht man hundertprozentig, warum die Eltern so antiamerikanisch sind und warum sie ihr Heil im Links-Sein suchen, warum sie diese deutsche Gesellschaft verändern wollen und sich nicht damit abfinden, dass die deutsche Regierung – nachher ja selbst die Sozialdemokratie – kritiklos hinter der amerikanischen Politik steht. Wir sind also frühzeitig quasi moralisiert worden und wir haben sehr frühzeitig gelernt, die Welt in gut und böse einzuteilen. Das lernen andere zwar auch, aber bei uns war das Schema sehr häufig umgekehrt zur allgemeinen Meinung. Das führte dazu, dass man in manchen Kontexten isoliert war: In der Schule gab es natürlich überwiegend Lehrer, die die Welt ganz anders gesehen haben als ich. Aber im Nachhinein kann ich nicht sagen, dass mir das geschadet hätte. Ich habe dadurch nämlich schon relativ früh gelernt, für meine eigene Meinung einzustehen und mir selbst zu sagen: "Egal, was die anderen denken, die Mehrheit muss nicht unbedingt recht haben!" Heute sehe ich die Dinge sicherlich nicht mehr mit genau den gleichen Augen wie als Kind, aber ich würde die Erziehungsmaxime, den Kindern beizubringen, Mehrheitsmeinungen durchaus mal zu misstrauen und im Zweifelsfall auch couragiert für die eigene Meinung einzustehen, durchaus unterschreiben: Das sind positive Werte – bei denen es übrigens völlig egal ist, ob man nun aus einem katholischen, aus einem linken, aus einem linksliberalen oder auch aus einem konservativen Elternhaus kommt. Denn das sind im Grunde genommen zeitlose Werte, die mir da meine Eltern auf sehr plakative und manchmal auch harte Art und Weise vermittelt haben. Aber insofern denke ich, dass die "Ausbildung", die ich da genossen habe, nicht schlecht war. Es ist übrigens interessant, dass viele nachmalige Kommunisten Jesuitenschüler gewesen sind: Stalin war Jesuitenschüler, Castro war Jesuitenschüler usw. Bei mir war es im umgekehrten Fall nun nicht so, dass ich aufgrund meiner linken "Ausbildung" Jesuit geworden wäre, aber ich glaube, dass das doch ein gutes Training für den Geist und auch für die ethische Sensibilität gewesen ist. Kölsch: Irgendwann kommt man dann aber als junger Mensch zu einer eigenen Meinung: In jedem Elternhaus, auch in einem so prononcierten, muss sich irgendwann der pubertäre Protest Bahn brechen. Precht: Nein, das war bei mir nicht der Fall. Ich hatte eigentlich gar keine richtige Pubertät. Der Grund ist: Wenn man so viele Scharmützel nach außen führt, dann leistet man sich nicht auch noch mit den eigenen Eltern einen "Krieg". Ich war ja so stark umzingelt von Leuten, gegen die ich mich aufgelehnt habe, also von so genannten falschen Autoritäten, dass ich da nicht auch noch bei meinen Eltern rebelliert hätte. Man muss allerdings dazusagen, dass auch meine Eltern zu Beginn der 80er Jahre nicht in jedem Punkt noch die gleiche Position vertreten haben, die sie zu Beginn der 70er Jahre vertreten hatten. Das gehört nämlich auch ein Stück weit zur Kulturgeschichte der Bundesrepublik: Meine Mutter hat damals z. B. das Aufkommen der Grünen begrüßt. Ihr waren die "real existierenden" Kommunisten in der bergischen Provinz, in der ich aufgewachsen bin, immer schon zu spießig gewesen und auch zu wenig intellektuell. Das war alles zu festgelegt für sie und zu links-konservativ und langweilig und heimatverbunden. Es gibt nämlich im Bergischen Land eine ganz interessante Verknüpfung zwischen Heimatliebe und Kommunismus, denn die Kommunisten im Bergischen Land waren damals nicht deshalb Kommunisten, weil sie an Universitäten studiert hätten oder weil sie durch ein Klima wie in oder Frankfurt inspiriert worden wären, sondern sie waren deshalb Kommunisten, weil die Eltern Kommunisten waren. Nach dem Verbot der KPD im Jahr 1956 gingen dort alle Kommunisten in die Naturfreundebewegung. Da meine Eltern aber beide nicht aus der Gegend stammten, in der ich aufgewachsen bin, also nicht aus Solingen, nicht aus dem Bergischen Land stammten, war ihnen das ohnehin fremd. Und so gesehen waren sie natürlich froh, dass mit den Grünen eine frische, neue, junge Bewegung entstanden ist, die wieder frischen Wind in die Bundesrepublik gebracht hat. Als ich im passenden Alter war, habe ich bei meiner ersten Wahl dann auch tatsächlich die Grünen gewählt. Kölsch: Ich erlebe Sie als sehr sorgsam im Umgang mit dem Material, im Erläutern einer eigenen Position. Oder sehe ich das falsch? Precht: Ja, ich gehöre keinem politischen Block an. Wenn meine Eltern mir beigebracht haben, einer Mehrheitsmeinung zu misstrauen, dann gilt das bei mir heute nicht nur für die Rechten, sondern auch für die Linken. Wobei man aber sagen muss, dass sich eine Sache wirklich völlig verändert hat. Als ich Kind war, war Links-Sein Avantgarde. Ich bin erzogen worden in dem Bewusstsein, sozusagen die Vorhut eines allgemeinen gesellschaftlichen Wandels zu sein, nicht eines Wandels, der auf Verhältnisse wie in der DDR rauslaufen sollte, aber der zumindest vieles in der Bundesrepublik verändern wollte, der diese falschen Autoritäten absetzen wollte, der eine stärkere Demokratisierung und möglicherweise auch eine Verstaatlichung herbeiführen sollte usw. Es ging also letztlich um all das, was heute der Wirtschaftsminister der CSU macht: Aktionäre enteignen und Banken verstaatlichen. So sahen jedenfalls die Visionen der Linken zu Beginn der 70er Jahre aus: Von heute aus gesehen ist das eine interessante Paradoxie. Wenn man mir als Kind erzählt hätte, dass im Jahr 2009 ein adeliger Wirtschaftsminister von der CSU die Aktionäre der Hypo Real Estate Bank enteignen werde, hätte ich gesagt: "Na ja, so weit wollen wir aber nicht gehen!" Kölsch: Was ist denn die Konstante in all dem, was Sie in Ihrer Autobiografie geschrieben haben? Wenn man mal diesen ganzen ideologischen Kram weglässt, was waren denn die Maximen, die Ihnen geholfen haben, als Erwachsener ein sehr identischer und offensichtlich auch sehr erfolgreicher Mensch zu werden? Precht: Ich denke, erstens war das diese Grundeinstellung, kritisch zu sein, vieles zuerst einmal nicht zu glauben, sondern zu hinterfragen. Damit wurde natürlich auch immer meine Neugier wachgehalten. Der zweite Punkt war, sich auf eigenständiges Denken zu verlassen. Der dritte Punkt war eine gewisse rhetorische Schulung im Elternhaus. Das muss man sich jetzt nicht irgendwie kadermäßig vorstellen, es war lediglich so, dass es da fünf Kinder und ein sehr intellektuelles Elternhaus gegeben hat. Und wir sind sehr, sehr früh ernst genommen worden. Ich kann mich daran erinnern, dass das, was ich jetzt in Luxemburg mit meinen Stiefkindern mache, bei uns zu Hause auch so war: Ich war 12, 13, 14 Jahre alt und wir haben am Frühstückstisch miteinander über philosophische, gesellschaftliche, soziologische Themen diskutiert. Ich rechne es meinen Eltern wirklich hoch an, dass sie uns bereits von einem sehr frühen Zeitpunkt an ernst genommen haben. Sie haben uns das Gefühl gegeben: "Das, was du denkst, ist interessant!" Auf diese Weise konnte sich natürlich das intellektuelle Selbstbewusstsein sehr früh schon sehr gut konstituieren – und bis heute, wie ich denke, auf soliden Füßen steht. Das war also nicht etwas, das man sich gegen das Elternhaus angeeignet, das man sich später erst angelesen hätte und das daher auch leicht erschüttert werden kann. Stattdessen würde ich sagen, ich bin in diese Form der Intellektualität sehr organisch hineingewachsen. Kölsch: Man kann es ja schier nicht glauben, was Sie an Lesepensum bewältigt haben müssen, wenn man sich dieses Buch "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?" anschaut oder auch Ihr Buch "Liebe: Ein unordentliches Gefühl", das ja von der Arbeitsmethode her ähnlich und ebenfalls sehr literaturhaltig gearbeitet ist. Precht: Nun, darauf gibt es eine relativ einfache Antwort. Das Buch "Wer bin ich?" habe ich geschrieben, nachdem ich mich vorher zehn Jahre lang als Wissenschaftsjournalist und Essayist – ich habe in dieser Zeit auch ein paar philosophische Fachaufsätze geschrieben – mit diesen Themen auseinandergesetzt hatte. Das ist sozusagen ein "Best of" einer zehnjährigen Wirkungstätigkeit. Ich habe in den zehn Monaten, in denen ich dieses Buch geschrieben habe, nicht die ganze Literatur gelesen, die hinten in meinem Buch aufgeführt ist. Nein, das hatte ich schon in den zehn Jahren vorher gemacht. Und das gilt auch für das Liebesbuch: All die Literatur über die evolutionäre Psychologie, über biologische Studien zum Verhältnis von Mann und Frau, über Evolutionstheorie ist etwas, das mich seit zehn Jahren beschäftigt. Das heißt, diese Bücher musste ich nicht alle neu lesen für mein Buch über die Liebe. So erklären sich also bei mir diese umfangreichen Literaturverzeichnisse. Ich werde häufig gefragt, wie lange ich an einem Buch gesessen habe. Ich müsste dann korrekterweise antworten: "An jedem dieser Bücher habe ich zehn Monate gesessen." Nicht eingerechnet ist hierbei aber die Leseleistung, die vorher über viele Jahre hinweg stattgefunden hat. Kölsch: Sie setzen ja nicht primär eine neue, eigene Idee in die Welt, sondern Sie greifen diese z. T. seit Jahrtausenden vorhandenen klugen Menschen und Ideen auf, um zu fragen: "Was sagt uns das heute?" Oder tue ich Ihnen damit Unrecht, wenn ich das so formuliere? Precht: Wenn Sie mein Buch "Wer bin ich?" meinen, dann haben Sie zu 100 Prozent recht: Das ist ein Einführungsbuch und zum Charakter von Einführungsbüchern gehört es nun einmal, dass man nicht seine eigene Meinung in den Vordergrund stellt. Es gibt auch solche Einführungsbücher, aber ich hasse sie: Da schreibt z. B. ein Phänomenologe ein Einführungsbuch in die Philosophie und 70 Prozent davon ist Phänomenologie. Genau so etwas wollte ich vermeiden. Bei meinem Buch "Liebe" sehe ich die Dinge doch etwas anders. Ich habe dort nicht nur versucht, Einsichten additiv nebeneinanderzustellen, sondern organisch auseinanderzuentwickeln. Ich wollte aufzeigen, was man biologisch erklären kann und was man eben nicht mehr biologisch erklären kann und warum nicht. Die Frage, was man und warum man etwas nicht mehr biologisch erklären kann, ist vorher eigentlich nicht zureichend beantwortet gewesen. Ich lege hier ja quasi eine Vererbungstheorie vor zu der Frage, wie Liebe überhaupt denkbar ist, wenn sie biologisch sinnlos ist: Wie muss man sich das vorstellen? Wieso transportieren wir in der Evolution eine Fähigkeit weiter, zu der jeder Mensch in der Lage ist, nämlich die Fähigkeit zur romantischen oder geschlechtlichen Liebe, wenn sie biologisch gar keinen Sinn macht? Hier entwickle ich durchaus theoretische Dinge, die es vorher in dieser Form nicht gegeben hat. In diesem Brückenschlag zwischen Biologie und Psychologie sind meiner Meinung nach eine ganze Reihe von Gedanken drin, die ureigene Gedanken von mir sind. Dies natürlich auch wiederum "nur" in einem Gesamtkontext, der sich dadurch konstituiert, dass ich sage: "Das gibt es schon, jenes gibt es bereits, das ist ein interessanter Gedanke und jener auch …" Aber aus all diesen interessanten Gedanken wird dann durchaus etwas Eigenständiges. Das sehe ich schon so. Kölsch: War da Erich Fromm vielleicht auch ein Anreger für ein Buch über die Liebe? Denn sein Buch "Die Kunst des Liebens" war ja ein Weltbestseller. Wenn man wie Sie als kritischer Geist noch ein weiteres Buch zu diesem Thema schreibt, dann braucht man ja doch eine eigene, neue Idee: Mit Ihrem Untertitel von der Liebe als unordentliches Gefühl bringen Sie etwas Neues, das Fromm nicht gebracht hat und das auch all die anderen vielen Bücher zu diesem Thema nicht gebracht haben. Precht: Es gibt einen ganz, ganz wichtigen Unterschied zu Fromm: Fromm vertritt weitgehend den Gedanken, dass der am besten Liebende der selbstlos Liebende ist: Nach Fromm sollten wir anstreben, den anderen nicht zu "haben", sondern sollten in unserem Sein so leben, dass wir quasi aus freien Stücken und ohne bedürftig zu sein uns dem anderen schenken. Diesen Gedanken lehne ich auf der ganzen Linie ab. Ich halte das für wohlmeinenden Unsinn. Ich glaube stattdessen, dass jede Liebe ein egoistisches Interesse ist. Wobei ich aber behaupte, dass lieben aus Egoismus etwas viel Schöneres ist als aus Egoismus jemanden umzubringen oder zu verletzen. Trotzdem besteht auch bei der Liebe der Sinn der Übung darin, dass man selbst etwas davon hat, dass man über den Weg, jemand anderem etwas zu schenken, selbst etwas davon hat, dass man über den Wert, den man jemand anderem verleiht, sich selbst einen Wert verleiht. Das ist aus meiner Sicht die Pointe der Liebe. Deswegen ist selbstlose Liebe im Grunde genommen irreführend. Ich würde auch gerne hinzufügen: Wer möchte schon von jemand anderem selbstlos geliebt werden? Wenn meine Frau zu mir sagen würde: "Ich liebe dich, weil es dir gut tut, aber nicht, weil ich dich brauche, nicht, weil es mir etwas bringt, sondern weil ich sehe, dass das dir so viel bringt und ich das schön finde", dann würde ich wiederum sagen: "Das ist das Ende meiner Ehe!" Das heißt, es ist über lange Zeit nicht nur von Fromm, sondern auch von der psychologischen Nachfolgeliteratur ein Ideal postuliert worden, das niemand haben will. Kölsch: Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann fällt mir ein, dass das Empfinden von Liebe womöglich auch historisch bedingt ist. Der Kernsatz von Ihnen lautet ja, im Glück des anderen sein eigenes Glück zu finden. Es braucht also ausreichende Selbstliebe, um überhaupt lieben zu können. Das könnte natürlich auch ein Zeitphänomen sein, weil wir ja ohnehin eher in einer Zeit leben, die den Narzissmus des Selbst, des Ich in den Vordergrund stellt. Precht: Ich glaube, dass es die Selbstliebe immer schon gegeben hat, aber dass sie früher nicht in dem Maße legitim gewesen ist, wie das heute der Fall ist. Man konnte früher einfach nicht sagen: "Ich liebe mich gerne selbst!" Ich muss aber dazusagen, dass ich auch keineswegs die Position vertrete, die im Augenblick so sehr modisch ist, nämlich zu sagen, es komme in erster Linie darauf an, sich selbst zu lieben, denn nur dann sei man ein guter Liebhaber. Während also Fromm die selbstlose Liebe in den Mittelpunkt gestellt hat, wird heute auf eine andere Art und Weise eine neue Form von selbstloser Liebe in den Mittelpunkt gestellt, indem man sagt: "Du musst dich selbst so sehr lieben, dass es letztlich egal ist, wen du heiratest!" Und so lautet ja auch in der Tat der Titel eines Bestsellers. Diese Idee lehne ich ebenso ab, weil sie ja letztlich noch schrecklicher ist als die Idee von Fromm. Sie bedeutet nämlich: Wenn man sich selbst nicht lieben kann, dann kann man überhaupt nicht lieben. Es ist ohnehin schon eine sehr schwierige Übung, lieben zu lernen und zu können, aber es ist noch sehr, sehr viel schwieriger, sich selbst lieben zu lernen. Meine Befürchtung ist, dass der Mensch sich nur bis zu einem gewissen Grade verändern kann: Wenn man als Kind nicht gelernt hat, sich selbst zu lieben, wenn das also nicht in einem drin ist, dann lernt man das, wie ich fürchte, als Erwachsener nie. Wenn man aber jemandem sagt, man soll erst einmal sich selbst lieben, um andere lieben zu können, dann ist das eine Aufforderung zur Bankrotterklärung, weil man es gerade nicht lernen kann, sich selbst zu lieben. Das Einzige, was man lernen kann, ist zu akzeptieren, dass man sich selbst nicht liebt, damit man leichter damit umgehen kann. Insofern halte ich diese Art von psychologischer Ratgeberliteratur, die im Augenblick einen großen Erfolg hat, für sehr gefährlich: Sie richtet mehr Schaden an, als sie Nutzen bringt. Kölsch: Was wollen Sie Ihrerseits erreichen, wenn Sie ein Buch über die Liebe schreiben? Normalerweise erwartet man ja letztlich auch von Ihnen eine Art Ratgeberbuch mit einer bestimmten Quintessenz – siehe Fromm, der als Psychoanalytiker und Marxist eine bestimmte ideologische Sicht hatte. Ist Ihre Sicht eine unideologische? Haben Sie eine Empfehlung, die diese Gefahren von Fromm und von dieser eben zitierten Ratgeberliteratur vermeidet? Precht: Ich versuche, keine klugen Tipps zu geben und kein Buch zu schreiben, wie man sich am besten helfen sollte in diesen Situationen, weil ich diese Art von Büchern ablehne und ihnen aus den genannten Gründen zutiefst misstraue. Es gibt keine Patentrezepte für gelingende Liebe! Wenn es sie gäbe, dann hätten wir alle kein Problem, denn dann würden wir ja alles wissen und keiner würde in seiner Liebe mehr scheitern. Man muss sogar noch weitergehen und sagen, dass das Scheitern häufig zur Liebe notwendigerweise mit dazugehört: Wer keine negativen Erfahrungen in der Liebe gemacht hat, kann sich auch über die positiven Erfahrungen in der Liebe nicht freuen: Wer das Gefühl von Liebeskummer nicht kennt, kann der wirklich über einen langen Zeitraum glückselig sein? Das heißt, im Leben wie im Glück ist es nun einmal immer so, dass das eine seinen Wert nur vor dem Hintergrund des anderen gewinnt. Das Leben ist nur deswegen schön, weil wir sterblich sind. Wenn wir unendlich lange leben würden, würde uns das Leben unendlich langweilen. In der Liebe ist das relativ ähnlich. Und deswegen gibt es da keine Patentrezepte, mit denen man einen Glückszustand oder einen Liebeszustand herstellen kann, der auf immer und ewig funktioniert. Ich versuche, genau das den Leuten zu erklären: Ich versuche, ihnen zu helfen, intelligenter über sich selbst und über ihr eigenes Liebesverhalten nachzudenken. Und wenn dann im Zweifelsfall am Ende ein Scheitern stehen sollte, dann versteht man viel eher, dass das nicht nur an einem selbst liegt, sondern dass das auch daran liegt, dass wir in der romantischen Liebe z. B. eine Erwartungshaltung haben, die nahezu uneinlösbar ist: Wir wollen in einem einzigen Menschen – und das ist wirklich eine kulturell bedingte Idee – Geborgenheit und Leidenschaft finden, und das nach Möglichkeit auch noch ein Leben lang. Das ist schon rein biochemisch gesehen, und hier helfen uns eben die Naturwissenschaften, eigentlich nicht möglich. Das heißt, die "chemischen Kampfstoffe" für Geborgenheit und diejenigen für Leidenschaft passen im Gehirn nur ausgesprochen schlecht zueinander. Meist ist nur eines von beiden sehr stark vertreten. Auf Dauer kann man jedenfalls den Level von beiden nicht gleichzeitig hoch halten. Insofern sucht man also etwas, was unmöglich ist. Wenn man das lernt, dann wird man vielleicht auch lernen, mit den eigenen Erwartungen und Wünschen etwas gelassener umzugehen. Ich glaube, das ist das Ziel des Buches. Kölsch: Sie merken ja auch kritisch an, dass die übersteigerten Erwartungen an die Liebe heute so hoch sind, dass man sie selbst gar nicht mehr erfüllt, erfüllen kann. Sicherlich steigern sich diese Erwartungen auch durch die Medien. Das Scheitern ist dann programmiert, wenn man nicht einmal selbst diese Erwartungen erfüllen kann. Precht: Die Überforderung seiner selbst ist ein riesengroßes Thema. Wenn früher Liebesbeziehungen scheiterten, lag das häufig an gesellschaftlichen Umständen. Noch in der Generation unserer Großeltern war das so: Die Erwartungshaltung an die Ehe, an die Liebe war relativ gering, weil man für das eigene Leben auch nicht zu 100 Prozent selbst verantwortlich war. Man musste in den Krieg, war abhängig vom Vaterland, war abhängig von den religiösen Vorstellungen, die einem sagten: "Schuster, bleibt bei deinen Leisten. Gott hat dich an diesen Platz gestellt!" Man hat sich also damit abgefunden, nicht Herr des eigenen Lebens zu sein. Heute ist das anders, heute ist man Herr des eigenen Lebens: Das birgt aber auch ein gewaltiges Risiko, denn wenn heute das eigene Leben scheitert, dann liegt das an einem selbst und nicht an den Umständen. Das heißt, wir bedrohen uns ständig mit den Freiheitsmöglichkeiten, die wir haben. Das ist übrigens ein Gedanke, der sich auch bei Erich Fromm findet, und zwar in einem seiner besseren Bücher. Dass Freiheit im Grunde genommen nicht nur etwas ist, was einem neue Möglichkeitsräume eröffnet, muss man zuerst einmal begreifen. Denn Freiheit bedeutet auch, dass man mit jeder Möglichkeit, die man wählt, alle anderen Möglichkeiten verschließt. Deswegen haben wir heute unausgesetzt Angst, an unserem eigentlichen, wahren, glückseligen Leben vorbeizuleben. Das ist eine Ursache für viele Psychosen und Neurosen in unserer Gesellschaft. Freiheit aushalten zu können – und darum ging es ja Fromm in diesem Buch "Die Furcht vor der Freiheit" –, ist eine der allerschwierigsten Angelegenheiten. Das gilt auch für die Liebe. Je mehr Wahlmöglichkeiten man hat, umso mehr Angst hat man, die falsche Wahl zu treffen, und umso leichter ist man im Zweifelsfall bereit, den Partner zu verlassen. Kölsch: In Ihrem Buch über die Liebe enttäuschen Sie den Leser über sich selbst und seine Liebesrituale, indem Sie darstellen, dass man, wenn man – das ist nicht wirklich originell – der Ehefrau rote Rosen oder eine Orchidee mitbringt, nur beweist, dass man sich in ritualisierten und vorgeprägten Mustern bewegt. Damit ist diese ach so individuelle Gefühlsaussage bereits schon wieder etwas Standardisiertes. Precht: Die Krux ist, dass die Liebe, das wichtigste unserer Gefühle, gleichzeitig vermutlich das unkreativste Gefühl ist, das wir in unserer Gesellschaft haben. Wir sind abhängig von Liebescodes: Wenn man symbolhafte Handlungen der Liebe vollzieht, wenn man symbolische Schauplätze der Liebe sucht, ist man abhängig davon, dass der andere das versteht. Würde ich meiner Frau keine roten Rosen mitbringen, sondern einen Philodendron, würde sie denken: "Der hat sie nicht mehr alle!" Sie würde das nicht als ein Liebessymbol sehen, sondern als Gedankenlosigkeit werten. Kölsch: So viel zum Thema "Originalität in der Liebe". Precht: Originalität ist etwas, wofür es in der Liebe nahezu keinen Platz gibt. Wenn wir versuchen, in der Liebe originell zu sein, dann schauen wir uns das im Regelfall im Kino ab. Das gilt übrigens auch für unsere Sexualität. Es ist sehr interessant, welche unglaubliche Wirkung z. B. solche Filme wie "Basic Instinct" oder "9½ Wochen" hatten, denn sie haben mit Sicherheit das Sexualleben der Deutschen massiv beeinflusst im Hinblick darauf, was man sich unter Erotik vorstellt. Da wir auf diesem Sektor keine unmittelbaren echten Vergleichsmöglichkeiten haben, weil wir z. B. im Regelfall nicht unsere Nachbarn beim Sex belauschen, haben wir nur mediale Vorbilder, die uns eine Vorstellung davon geben, wie Sex eigentlich funktioniert. Das gilt für Pornofilme genauso wie für Hollywoodproduktionen oder für Bilder, die wir im Internet sehen: Sie bestimmen unsere Vorstellung von dem, was in der Sexualität normal ist. Woher sollen wir das denn sonst wissen? Das bekommen wir von unseren Eltern aus guten Gründen nicht gezeigt und das gucken wir uns auch nicht bei den Nachbarn ab. Unsere Freunde erzählen uns vielleicht etwas, aber so richtig vorstellen können wir uns unsere Freunde beim Sex auch nicht. Auf diese Art und Weise entsteht natürlich eine Tyrannei, denn die medial vermittelten Bilder von Sexualität haben mit realer Sexualität so viel zu tun wie Donald Duck mit einer echten Stockente. Das sind also quasi Karikaturen menschlichen Verhaltens, die wir aber zum Maßstab unseres eigenen Verhaltens machen. Das gleiche Problem gibt es beim Aussehen. Wir vergleichen uns mit all diesen beschönigten Models, die wir auf den Covern sehen, und bekommen dadurch eine völlig falsche Vorstellung davon, wie man eigentlich aussehen sollte oder aussehen könnte. Die Tyrannei der Attraktivität ist heute deswegen so groß, weil alle anderen Werte auf dem Heirats- oder Liebesmarkt geringer geworden sind. Natürlich ist es immer noch ganz gut, wenn jemand Geld hat: Das findet man deswegen meistens attraktiv, weil das ein interessantes Leben verspricht. Aber der Stellenwert der körperlichen Attraktivität in unserer Gesellschaft ist so hoch wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Er führt dazu, dass sich 90 Prozent der Menschen eigentlich als hässlich empfinden und nicht mehr als schön. Das ist natürlich auch eine sehr bedrohliche Entwicklung. Kölsch: Vermutlich auch für die Liebe. Wir wären jetzt beim Thema "Medien" und könnten die entsprechenden medienkritischen Aspekte nun weiter ausbreiten. Aber wir sind leider auch schon am Ende unserer Sendezeit angekommen. Herr Richard David Precht, ich bedanke mich wirklich sehr herzlich für dieses spannende Gespräch, das ich hier mit Ihnen führen durfte. Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Interesse und hoffe, dass Sie aus der Sendung etwas mitgenommen haben. Auf Wiedersehen.

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