Die Autobahnmeisterei bei Bad Oldesloe

Thorsten Schrolle

„Unverändert drückend sind die Erblasten des Das Konzept der „“ Dritten Reiches. Dessen architektonische Zeug- nisse sind unbequeme Denkmale, die an Tatsa- Bereits in den 1920er Jahren wurden erste Au- chen erinnern, die es besser nicht gäbe, Teile ei- tobahnkonzepte zur Vernetzung der Deutschen nes Erbes das niemand haben will und das doch Großstädte entwickelt und von Lobbyvereini- nicht ausgeschlagen und nicht beschönigt wer- gungen, vor allem vom HAFRABA, dem Ver- den darf.“1 ein zur Vorbereitung der Autostraße „Hanse- Mit der Eintragung der Autobahnmeisterei Bad städte–Frankfurt–Basel“, propagiert. Vorbild Oldesloe in das Denkmalbuch des Landes waren dabei zunächst die in Italien mit Beginn Schleswig-Holstein wurde ein Bauwerk der der Mussolini-Diktatur eingerichteten Schnell- Reichsautobahnplanung der NS-Zeit als Objekt straßen, die jedoch noch nicht die Breite und von „besonderer Bedeutung“ im Sinne des den Ausbaustandard der späteren „Reichsauto- Denkmalschutzgesetzes des Landes Schles- bahnen“ besaßen.5 Die Nationalsozialisten in wig-Holstein unter Denkmalschutz gestellt. Deutschland bekämpften diese Konzepte zu- Die Tatsache, dass es sich beim Bau der Auto- nächst vehement, da derartige, auf technologi- bahnen um ein Prestigeprojekt der Nationalso- schen und industriellen Fortschritt bezogene zialisten handelte, dessen Aufbereitung und Projekte nicht mit der rückwärtsgewandten, Verwertung in der Propaganda unmittelbar zur sich naturverbunden gebenden Ideologie von Konsolidierung der Herrschaft des NS-Re- „Blut und Boden“ vereinbar schienen. Das Auto gimes beitrug2 und dessen tatsächliche Umset- war in dieser Lesart ein industrielles, elitäres zung bereits als Teil einer entfesselten, men- Produkt einer urbanen Industriegesellschaft, schenverachtenden Ausbeutungs- und Vernich- welches im Gegensatz zur angestrebten bäuer- tungsmaschinerie begriffen werden muss 3, lich-handwerklichen, vormodernen und ländli- macht die Autobahnmeisterei zu einem Denk- chen Ständeordnung stand.6 Diese Haltung än- mal, bei dessen Vermittlung besondere Sorgfalt derte sich jedoch schlagartig mit der sogenann- geboten ist.4 Es soll daher im Folgenden ver- ten „Machtergreifung“ von 1933. Die bereits sucht werden, die Autobahnmeisterei im Kon- existierenden Planungen wurden noch im sel- text ihrer Entstehung zu charakterisieren und ben Jahr unter anderem durch ein „Gesetz über damit einige Aspekte ihres heutigen Zeugnis- die Errichtung eines Unternehmens ‚Reichsau- wertes zu skizzieren. Ferner wird über den avi- tobahnen‘ in die Ausführungsphase überführt. sierten konservatorischen Umgang mit dem Formal als eine Tochtergesellschaft der Deut- 1 Autobahnmeisterei Bad Bestand berichtet (Abb. 1). schen Reichsbahn gegründet, unterstand das Oldesloe, Blick über den Fahrhof auf Dienstgebäude und Gerätehalle.

11 Unternehmen jedoch dem „Generalinspektor Reichs autobahnen im Sinne eines „zweckge- für das deutsche Straßenwesen“, , der bundenen“ Kunstverständnisses 13 und unter bis zu seinem Tod unter ungeklärten Umstän- Einbeziehung der von den Nationalsozialisten den 1942 ein enger Vertrauter Hitlers war. 7 Die geförderten bzw. nicht als „entartet“ geltenden direkte Kontrolle durch einen verlässlichen Kunst- und Architekturströmungen. Parteigänger war eine wesentliche Vorausset- Das sowohl in der Propaganda auftauchende, zung für die Rolle des Autobahnbaus als Instru- als auch in der die tatsächliche Umsetzung be- ment der politischen Propaganda. Diese Propa- gleitende Fachdebatte dominierende Leitbild ganda betonte zunächst den Autobahnbau als war die sogenannte „Landschaftliche Einglie- Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, wobei die derung“ der Autobahnen. So wurde bereits die zum Teil unmenschlichen Arbeitsbedingungen Streckenführung vielerorts mit dem Ziel ge- und die trotz des anfangs bewusst vermiedenen plant, dass sich dem Autofahrer auf seiner Fahrt Maschineneinsatzes vergleichsweise geringen möglichst beeindruckende Landschaftspanora- Beschäftigungseffekte ausgeblendet wurden. men bieten.14 Diese Idee wurzelt in den älteren Zwar gab es bei der Projektierung von neuen amerikanischen „Parkway“-Konzepten, bei Strecken gewisse Ausführungsprioritäten, je- dem im Umfeld von Großstädten landschaftlich doch wurde darauf geachtet, dass der Auto- reizvolle reine Fahrstraßen ohne Warentrans- bahnbau gleichzeitig im gesamten Reichsge- porte zum Spazierenfahren für einen über- biet stattfand.8 Neben der dabei angestrebten schaubaren Kreis von wohlhabenden Automo- propagandistischen und beschäftigungspoliti- bilbesitzern angelegt worden waren. 15 Bei den schen Wirkung spielte auch die zügige Bereit- Reichsautobahnen wurden mitunter erhebliche stellung der Autobahnen als militärisch nutz- technische Schwierigkeiten in Kauf genommen bare Infrastruktur eine Rolle. Dieser von Seiten wie etwa auf der Strecke München–Salzburg des Militärs, das nach wie vor auf Eisenbahn- deren ursprüngliche Streckenführung für Last- transporte setzte, als gering eingeschätzte As- wagen kaum zu bewältigende Steigungen bein- pekt wurde damals offenbar vor allem den Kri- haltete, so dass nach dem Krieg eine Korrektur tikern des Projekts aus dem eigenen ideologi- des Streckenverlaufs vorgenommen werden schen Lager entgegengehalten.9 Im weiteren musste.16 Mit der Erfindung des sogenannten Verlauf des Ausbaus wurden zu den Arbeiten an „Autowanderns“ wurde dann die gewünschte den Reichsautobahnen sowie zur Gewinnung Rezeptionsform beim Benutzer der Autobah- von hierfür benötigten Baumaterialien jüdische nen definiert, welche die Ideen der Verknüp- KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsge- fung von Natur und Technik sowie von Tradi- fangene herangezogen. 10 tion und Fortschritt beinhaltet. 17 Um die Widersprüche zwischen den Ansprü- Die Konzeption der Reichsautobahnen entwi- chen der nationalsozialistischen Ideologie und ckelte sich damit rasch von einer rein techni- dem zunehmend industriell und mechanisiert schen Bauaufgabe zu einer Art „Gesamtkunst- ablaufenden Autobahnbau zu kaschieren, wurde werk“18 , dessen beabsichtigte Wirkung über die das Projekt in Fotografien und Gemälden sowie bloße Schaffung schneller Straßenverbindun- in Ausstellungen und Publikationen als Aufgabe gen weit hinausging. der wieder gewonnenen „Volksgemeinschaft“ verklärt und gefeiert. 11 Der zeitgleich entwi- ckelte „KdF-Wagen“, der spätere „VW-Käfer“, Auswirkungen auf die Planer und sollte das Automobil für alle erschwinglich ma- deren Gestaltungsansätze chen und das Vorhaben Autobahnbau vom Ver- dacht des Elitären befreien. Gleichzeitig wurde Die Planungen für den Streckenverlauf lagen in mit dem aufkommenden Autorennsport und den der Verantwortung der von Fritz Todt unmittel- zugehörigen Weltrekorden auf den neuen Auto- bar kontrollierten jeweiligen „Obersten Baulei- bahnstrecken die vermeintliche Überlegenheit tungen Kraftfahrbahnen“ deren Büros in den zu deutscher Technik zelebriert. In der Propaganda einzelnen Bauabschnitten zugehörigen Groß- konnten mit diesen Themen nun auch die dem städten angesiedelt war. Diesen eher technisch industriellen und technischen Fortschritt ver- orientierten Planungs- und Bauleitungsstäben bundenen gesellschaftlichen Gruppen ange- war jeweils ein „Landschaftsanwalt“ zugeord- sprochen werden, wobei jedoch dass Verspre- net, der als freiberuflicher Berater für die Ein- chen einer Motorisierung breiter Bevölkerungs- haltung des Konzepts der „landschaftlichen schichten tatsächlich nicht ansatzweise verwirk- Eingliederung“ sowohl bei der Planung der licht werden konnte. 12 Streckenführung wie auch bei der Ausschrei- Ein weiteres wichtiges Element des Bestrebens bung und Bauausführung konkreter Bauab- nach Überwindung des Widerspruchs zwischen schnitte sorgen sollte. Alle „Landschaftsan- dem fortschrittsfernen, biologistischen und wälte“ waren auf Einladung Alwin Seiferts, scheinbar „naturverbundenen“ nationalsozia- dem „landschaftlichen Berater“ Todts und spä- listischen Weltbild und der neuen Technologie teren „Reichslandschaftsanwalt“, bestellt wor- war die Ästhetisierung jedes Aspekts der den. Seifert, ein bis zum Autobahnbau eher un- 12 auffälliger Dozent an der TH München19 , lud die entwerfenden Architekten bestand darin, ein zunächst aus seinem beruflichen Freundes- eine charakteristische regionale Architekturge- kreis bestehendes Spektrum von Gartenarchi- staltung zu finden, die sich, so Paul Bonatz in tekten und -künstlern mit anthroposophischer der Publikationsreihe „Werkberichte zur Reich- bis völkischer Weltanschauung ein 20 , das später sautobahn, Band 1 – Strassenmeistereien“, um einige etablierte Fachleute erweitert wurde. „nach den Gebräuchen der Landschaft zu rich- Die anthroposophische Richtung wurde in die- ten hat.“29 Trotzdem sollten die Bauten der sem Kreis von einem Mitbegründer der biolo- Reichsautobahn eigenen Gestaltungsprinzipien gisch-dynamischen Wirtschaftsweise, Max folgen und als solche zu erkennen sein, denn so Karl Schwarz21 , vertreten, während mit Her- Bonatz weiter: „Man wird aber die Vorbilder mann Mattern auch ein ehemaliger Kommunist nicht auf dem Dorf suchen. Der Bau für den öf- und Gartengestalter der Moderne an dem Vor- fent lichen Dienst verlangt seinen eigenen Ton.“ haben partizipierte.22 Ausgangspunkt der Tätig- keit der „Landschaftsanwälte“ war dabei weni- ger die vorgefundene Landschaft, als ein Bild Autobahnmeistereien als Bautypus einer „völkischen“ Landschaft das es wieder- der „Reichsautobahnen“ herzustellen bzw. neu zu definieren galt. 23 Auch für den Bereich der Planung von Hoch- Um die neben der Wartung der Fahrbahnen, bauten und Brücken der Reichsautobahnen dem Winterdienst und der gärtnerischen Pflege wurde ein vergleichbares System etabliert und der Pflanzungen entlang der Autobahnen viel- zwar durch Einbeziehung des Stuttgarter Archi- fältigen Unterhalts- und Wartungsarbeiten tekten Paul Bonatz als „künstlerischen Bera- durchführen zu können, wurden Straßenmeis- ter“. 24 Am Anfang des Reichsautobahnprojekts tereien in einem Abstand von 50–60 km einge- dominierten bereits andernorts erprobte Bauty- richtet.30 pologien wie etwa Eisenbahnbrückentypen der Für den Bautypus der Straßenmeistereien wur- Reichsbahn. 25 Diese wurden als reine Funkti- den vom Büro Bonatz zwei Musterentwürfe onsbauten ohne eigenen ästhetischen Wert an- entwickelt, die zusammen mit den „Richtlinien gesehen, obwohl sich darunter – wie z. B. bei für den Entwurf von RAB-Straßenmeistereien“ den Tankstellen – gestalterisch anspruchsvolle den Rahmen für die tatsächlich mit dem Bau Entwürfe in der Architektursprache des Neuen beauftragten Architekten bilden sollten. Aus- Bauens befanden. 26 Die in dieser Phase ausge- gangspunkt beider Musterentwürfe ist die Auf- führten Bauwerke sind jedoch für die avisierte teilung des durch die „Richtlinien“ bis in die Rolle der Autobahn als Instrument der politi- Details, wie z. B. die Anzahl der Namensschil- schen Propaganda im Sinne der „landschaftli- der, definierten Raumprogramms auf vier ei- chen Eingliederung“ rasch als ungeeignet emp- genständige, rechteckige Baukörper: Dienstge- funden worden. Daher bemühte man sich ab bäude, Fahrzeughalle, Gerätehalle und Wohn- 1934 der Architektur der Hochbauten der gebäude. Außerdem wurden zugehörige Ab- Reichs autobahnen unter der Leitung von Bonatz stell- und Rangierflächen zu den jeweiligen einen einheitlichen konzeptionellen Rahmen Gebäuden benötigt. Die Lage an der Autobahn vorzugeben. 27 Dieser Rahmen sah eine Abkehr wurde unter anderem durch das Vorhandensein von den Prinzipien der Bauhausmoderne vor einer Fahrbahnüber- oder Unterführung be- und orientierte sich zunächst an den älteren Ar- stimmt, da die Fahrzeuge der Autobahnmeiste- chitekturströmungen der Reformarchitektur rei möglichst schnell auf beiden Fahrstreifen und des Heimatstils. 28 Die Aufgabenstellung für verfügbar sein sollten.

2 Paul Bonatz, schematischer Lageplan, 3 Paul Bonatz, schematischer Lageplan, Musterentwurf I. Muster entwurf II. 13 Bauens auch im Sinne einer neuen Architektur- sprache künstlerisch zum Ausdruck kamen, adaptiert . Die Arbeit des Architekten und Bau- hausschülers Ernst Neufert, dessen richtungs- weisendes Werk „Bauentwurfslehre“ 1936 erst- mals erschien, dürfte hierbei ebenfalls eine Rolle gespielt haben.33 Die ausgeführten, in „Werkberichte zur Reichs- autobahn – Band 1“ vorgestellten Autobahn- meistereien scheinen auch überwiegend den von Bonatz formulierten Standards zu entspre- chen und versuchen in der Architektursprache ihrer Fassaden auf die gewünschten traditionel- len Vorbilder der jeweiligen Landschaft und die entsprechenden Baumaterialien und Verarbei- tungstechniken zurückzugreifen und zwar in purifizierender, stilisierender Form. Die Bau- ten sollten dabei nicht nur abbilden, sondern für die ländliche Baukultur durch ihre handwerk- liche Präzision Vorbildcharakter haben. 34

Die Autobahnmeisterei Bad Oldesloe

Im Zuge der Verwirklichung der Planungen für die „Reichsautobahn“ wurde 1937 auch das 4 Konstanty Gutschow: Teilstück der Autobahn A 1 von Lübeck nach schematischer Lageplan Musterentwurf I (Abb. 2) zeigt eine im Grund- Hamburg gebaut. Die zugehörige Infrastruktur, Straßenmeisterei Bad riss „hakenförmige“ Anordnung der Baukör- zu der die vom Hamburger Architekten Kons- Oldesloe. per, bei welcher der Fahrzeughalle und der Ge- tanty Gutschow entworfene Autobahnmeisterei rätehalle jeweils eigene Freiflächen zugeordnet Bad Oldesloe zählt, wurde 1939 fertig gestellt. sind. Das zweigeschossige Dienstgebäude und Seine Planung (Abb. 4), die lange vor der Veröf- der gegenüberliegende Wohntrakt bilden ein fentlichung der „Werkberichte“ entstanden ist, weiteres „Gehöft“, das um 90 Grad gedreht, die weist Ähnlichkeiten mit dem hierin publizier- Anlage nach einer Seite abschließt. Dieser Typ ten Musterentwurf II auf. wurde für räumlich eher beengte Situationen, Die Autobahnmeisterei Bad Oldesloe liegt an wie z. B. abfallendem Gelände empfohlen, da der Autobahnstrecke A1 und zwar in Höhe der aufgrund des zweigeschossigen Dienstgebäu- Anschlussstelle 26, Bad Oldesloe, westlich des des eine geringere Tiefe für die Gesamtanlage Fahrstreifens. Sie ist durch Zufahrten mit der benötigt wurde.31 Autobahn und der kreuzenden Bundesstraße Bei Musterentwurf II (Abb. 3) sind die drei 208/Hagenstraße verbunden. Die drei lang ge- Baukörper Dienstgebäude, Fahrzeughalle und streckten Baukörper sind rechtwinklig zuein- Gerätehalle U-förmig um einen großen gemein- ander gruppiert, so dass sich parallel zur Auto- samen Platz gruppiert, während der Wohntrakt bahn ein großes, rechteckiges, platzartiges und wie bei Musterentwurf I auf die Rückseite des gegenüber dem Gelände leicht erhöhtes Plateau in dieser Variante eingeschossigen, aber im ergibt, das mit Granitpflaster versehen ist. Grundriss entsprechend größeren Dienstgebäu- Das Dienstgebäude (Abb. 5) präsentiert sich des bezogen ist. Dem größeren Platzbedarf die- zum Fahrhof, wie der Platz genannt wird, mit ser Anordnung entsprechend, sollte Musterent- einer betont kargen, durch sechs Fensterachsen wurf II in flachen Gegenden zur Anwendung gegliederten Backsteinfassade, die lediglich kommen. 32 durch den asymmetrisch positionierten Ein- Da auch der Platzbedarf für die benötigten gang mit zugehöriger Treppenanlage und ei- Funktionen und die Konstruktionsmaße für die nem rustizierten Portal mit flachem Rundbogen jeweiligen Gebäudetypen in den „Richtlinien“ akzentuiert wird. Das ansonsten ursprünglich recht genau definiert waren, entstand eine Art geschlossene, hohe Satteldach weißt an dieser Baukastensystem, das von den ausführenden Stelle eine einzelne Gaube auf, welche den Ein- Architekten an die jeweilige Situation ange- gang zusätzlich betont. Zur dem Fahrhof abge- passt werden konnte. Insofern wurden hier we- wandten Seite (Abb. 6) sitzen vier Gauben im sentliche Fortschritte im Bereich der Typisie- Dach hinter denen sich Bereitschafts- und rung und Standardisierung des Bauwesens die Wohnräume befanden. Neben einem erhebli- bereits seit der Jahrhundertwende verstärkt ver- chen Bestand an bauzeitlichen Details und Aus- folgt wurden und in der Bewegung des Neuen stattungsmerkmalen in den Büro- und Verwal- 14 5 Dienstgebäude, Blick vom Fahrhof.

tungsräumen verfügt dieses Gebäude auch über Raumprogramm im Gegensatz zu den später mehrere Luftschutzräume aus der Erbauungs- von Bonatz veröffentlichten Vorgaben in einem zeit, die heute als Aktenlager genutzt werden. lediglich eingeschossigen, kompakten Baukör- Bei einem Umbau in den 1950er Jahren wurde per, dessen Keller sowie dem ursprünglich nur eine axial auf den Seiteneingang zulaufende teilausgebauten Dachgeschoss untergebracht Treppenanlage an der Querseite des Gebäudes wurde. Die Architektur des Gebäudes lässt die durch einen Anbau mit einer halbrunden Treppe Einflüsse der norddeutschen, backsteinernen ersetzt. Außerdem wurde seitlich ein Fernmel- Spielart der Heimatschutzarchitektur erkennen, deraum mit schiefwinkligem Erker angebaut deren Schmuckformen und Architekturzitate und der Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter hier benutzt werden, um auf eine Verwurzelung (ursprünglich „Gemeinschaftsraum“) zeitty- des auf der Grundlage von funktionalistischen pisch überformt (Abb. 7). In diesem findet sich Prinzipien entworfenen Baus in der Kulturland- unter einer abgehängten Decke auch noch eine schaft zu verweisen. nahezu vollständig erhaltene bauzeitliche, ver- Die Gerätehalle (Abb. 8) besteht aus einer Fach- leistete Bohlendecke. Die Bedeutung dieses werkkonstruktion mit großen Dachüberstän- Raumes wird auch an der rückwärtigen Fassade den, die auf einem in Stahlbeton ausgeführten ablesbar; seine von der axialen Ordnung abwei- und mit Feldsteinmauerwerk verkleideten Kel- chende Befensterung wird durch Einfassungen lerbauwerk ruht. Zur Pflasterfläche dominiert aus Sandstein betont. eine Laderampe sowie der in den 1950er Jahren Die Grundrissorganisation des Dienstgebäudes angebaute Sandsilo das Gebäude, während es ist von den Betriebsabläufen des Straßenmeis- sich zum abfallenden Gelände als trutzburgarti- tereibetriebs bestimmt, wobei jedoch das ges, wehrhaft anmutendes Feldsteinbauwerk

6 Dienstgebäude, Rückansicht. 7 Dienstgebäude, Aufenthaltsraum der Mitarbeiter, in den 1950er bis 70er Jahren zeittypisch verändert. 15 Bad Oldesloe verweisen diese Bauten zudem auf eine Tradition des Wehrbaus, von der an Ort und Stelle so gut wie nichts überliefert ist.35 Offenbar war zu Baubeginn 1938 die Konzep- tion der Gesamtanlage, die Anordnung der Bau- körper wie auch die interne Verkehrsführung auf dem Straßenmeistereigelände noch nicht abschließend festgelegt, wie es die 1942 er- schienenen Werkberichte von Bonatz und Weh- ner zunächst vermuten lassen. Der auf einem Lageplan des Büros Gutschow skizzierte Alter- nativentwurf eines Mitarbeiters der Obersten Bauleitung der Reichsautobahn – Direktion Hamburg – (Abb. 15) sah eine räumliche Tren- nung von Geräteschuppen und einem deutlich größeren Silobauwerk sowie eine Verlagerung 8 Blick auf Gerätehalle und des Dienstgebäudes in die Nähe der Zufahrt zur Silobauwerk (errichtet um Gesamtanlage vor. Zudem war eine Tankstelle 1955) vom Fahrhof. (Abb. 9) mit kleinen Rundbogenöffnungen prä- auf einem dreieckigen Geländezwickel – offen- sentiert. bar analog zu anderenorts bereits gebauten Ty- Mit gleichermaßen großen Dachüberständen pen – im Bereich der Autobahnzufahrt vorgese- ist die auf einem L-förmigen Grundriss errich- hen. Aus dem Erläuterungsbericht hierzu wird tete Fahrzeughalle (Abb. 10) ausgestattet, die eine scharfe Abgrenzung zu den Entwürfen zusätzlich eine Werkstatt mit Schmiede Gutschows deutlich und es werden vor allem (Abb. 11) und einen Waschraum für die Fahr- betriebliche und technische Gründe für die ver- zeuge aufnimmt. Prägendes Gestaltungsele- änderte Konzeption angeführt. Gutschow selbst ment sind hier die wandhohen, eisenbeschlage- hatte sich seine Planung von Paul Bonatz und nen hölzernen Tore mit diagonal verlaufender Friedrich Tamms noch einmal ausdrücklich be- Schalung (Abb. 12), die ebenfalls an Wehrbau- stätigen lassen, wie aus einem entsprechenden ten bzw. Scheunentore erinnern. Aktenvermerk hervorgeht. 36 Letztlich wurde Sowohl die Fahrzeughalle als auch die Geräte- von den Alternativplanungen nichts umgesetzt, halle greifen damit in ihrer architektonischen bemerkenswert bleibt jedoch, dass der damals Gestaltung Elemente ländlichen Bauens auf, umstrittene Sandsilo an der von Gutschow vor- die sich keiner spezifischen Kulturlandschaft gesehenen Stelle erst in den 1950er Jahren er- zuordnen lassen. Vergleicht man sie mit ihren richtet wurde und sich – abweichend von Gut- Pendants bei anderen Reichsautobahnmeiste- schows Entwurf (Abb. 16) – als roh geschaltes reien (Abb. 13 und 14) wird ihre Entstehungs- Betonbauwerk deutlich von der Architektur- geschichte als Typenbauten deutlicher. Zwar sprache der Autobahnmeisterei absetzt. gibt es Unterschiede im Detail und teilweise in Zur Autobahnmeisterei existiert eine Freiflä- den verwendeten Materialien; Abmessungen chenplanung des für den Bereich der Autobahn und Gliederung der Baukörper weisen jedoch Hamburg–Lübeck zuständigen „Landschafts- 9 Gerätehalle, Seitenansicht mit feldsteinverkleidetem einen hohen Grad an Übereinstimmung auf. In anwalts“ Max Karl Schwarz von 1939 (Abb. 17), Stahlbetonkellerbauwerk. von dem wesentliche Elemente bis heute am Ort zu finden sind. 37 So ist die Autobahnmeiste- rei mit großen Feldahornhecken von der Fahr- bahn der Autobahn abgeschirmt, welche ur- sprünglich die Reichsautobahnen kilometer- lang säumten. Die nordwestlich liegenden Grünflächen bilden einen ausgedehnten Obst- garten mit Apfel-, Kirsch- und Birnbäumen, der von geschnittenen Hainbuchenhecken geglie- dert wird. Ebenfalls aus der Erbauungszeit stammen die Lindenanpflanzungen am Zu- fahrtsweg von der Bundesstraße. Diese Ele- mente sind in Schwarz’ Planung bereits enthal- ten, wenn auch in räumlich anderer Anordnung. Charakteristisches Merkmal des Entwurfs ist außerdem das Bestreben, die Feld und Flur be- grenzenden Knickhecken der unmittelbaren Umgebung auf dem Gelände der Straßenmeis- terei fortzuführen.38 Die Einbindung von Ele- menten eines gärtnerischen Betriebes etwa in 16 Form von Obstpflanzungen, Kompostanlagen, Gehölzeinschlägen und Rasenanzuchten sind zum Einen Teil des Konzepts der „Betriebsor- ganismen“, das eine teilweise Selbstversorgung der Straßenmeistereien vorsah. Zum Anderen sollten damit unter anderem „Musterbeispiele für Obstzucht nach den neuesten für diese gel- tenden biologischen Erkenntnissen“39 geschaf- fen werden. Der in den „Werkberichten“ publi- zierte Entwurfslageplan der Autobahnmeisterei Oldesloe wie auch der Entwurfsplan von Max Karl Schwarz zeigen südöstlich der Fahrzeug- halle eine Reihe von sieben Arbeiterhäusern, die jedoch 1938 nicht zur Ausführung kamen.40 In anderen Straßenmeistereianlagen der Reichs- autobahnen wurden ähnliche Siedlungen so- wohl als Kettenhäuser 41 wie auch als freiste- hende Einfamilienhäuser42 für die Beschäftig- ten gebaut (Abb. 18). Für Schwarz sind diese Anlagen „baulich und gärtnerisch Musterbei- 10 Fahrzeughalle mit spiele der Kleinsiedlung.“43 des Architekten Konstanty Gutschow, der in Werkstatt, Blick vom Fahrhof. Auch im Bereich der Gartengestaltung im Sinne den 1920er Jahren als Mitarbeiter von Hugo der „landschaftlichen Eingliederung“ der Be- Keuerleber und Fritz Höger mit den expressio- triebsbauten ging es also nicht ausschließlich nistischen und frühmodernen Baustilen in Be- um die Rezeption des Vorgefundenen sondern rührung gekommen war, 44 aber gleichzeitig un- teilweise um die Neudefinitionen und die Schaf- ter dem eher konservativen Einfluss der „Stutt- fung von Vorbildern für die Landbewirtschaf- garter Schule“ von Paul Bonatz, Paul Schmitt- tung und Siedlungsformen auf dem Lande. henner, Heinz Wetzel und Anderen stand. 45 Noch 1929 verwirklichte er in Hamburg-Al- tona als erstes Projekt des eigenen Büros einen Der Architekt Konstanty Gutschow Mietwohnungsbau, der die auf das Notwen- digste reduzierten, streng geometrischen und Die Autobahnmeisterei Bad Oldesloe steht weiß gefassten Kubaturen der klassischen Bau- auch für einen wesentlichen Abschnitt im Werk haus-Moderne zeigt.46 Mit seinem Eintritt in

12 Eisenbeschlagene hölzerne Tore der Fahrzeughalle, gegen Verwitterung mit Motoröl imprägniert.

die SA 1933 bezog er jedoch eindeutig Position zugunsten des nationalsozialistischen Regimes und wurde in den folgenden Jahren mit diver- sen, staatlich initiierten Planungen unter ande- rem für Kleinhaussiedlungen in Hamburg be- auftragt.47 Stilistisch vollzog Gutschow nun die Abkehr von der Moderne hin zu einer an die Prinzipien der Heimatschutzarchitektur ange- lehnten Architektursprache. 48 Die bereits seit dem Ende der Kaiserzeit tätigen Protagonisten 11 Schmiede in der Werkstatt. der Heimatschutzbewegung, Paul Schmitthen- 17 13 Fahrzeughalle der Straßenmeisterei Werder, bauzeit- 14 Ansicht der Straßenmeisterei Göttingen mit Dienst- liche Aufnahme. gebäude und Fahrzeughalle, bauzeitliche Aufnahme.

ner und Ernst Schulze-Naumburg, galten an- am Wettbewerb für die Neugestaltung des nörd- fangs als bevorzugte Architekten der national- lichen Elbufers in Hamburg folgte. Auf persön- sozialistischen Führung49 und Gutschow war liche Initiative Hitlers wurde Gutschows Ent- durch seine Ausbildung in mit deren wurf zum Sieger erklärt.51 In diesem verarbei- Entwurfsprinzipien bestens vertraut. Die Be- tete Gutschow seine erst kurz zuvor in den USA sinnung auf lokale handwerkliche Bautechni- gewonnenen Erkenntnisse über den Bau von ken und traditionelle Materialien sowie der Hochhäusern und die Bewältigung von großen spärliche Einsatz von Schmuckformen zeich- Verkehrsaufkommen. Außerdem finden sich neten diese Stilrichtung aus und gaben ihr eine Anklänge an die ab 1936 betriebenen Planun- insgesamt ländliche Prägung. gen von für die „Reichshauptstadt Die Berufung als Vertrauensarchitekt der obers- Germania“ Berlin. Hier wie dort sollten groß- ten Bauleitung der Reichsautobahn 1935 und maßstäbliche Achsen durch die Stadt geschla- 15 Alternativentwurf eines der Aufstieg zu deren „Gebietsarchitekten gen werden, die der Inszenierung einer ins Mo- Mitarbeiters der Obersten Nord-West“50 stellten die erste wichtigen Etap- numentale gesteigerten, neoklassizistischen Bauleitung der Reichsautobah- nen für die Straßenmeisterei pen von Gutschows Karriere im Nationalsozia- Repräsentationsarchitektur dienen sollten. Bad Oldesloe mit Tankstelle in lismus dar, der 1937 die erfolgreiche Teilnahme Nach dem Wettbewerbsgewinn wurde Gut- dreieckiger Zwickellage, 1938. schow 1939 vom Gauleiter für Hamburg zu- nächst zum „Architekten des Elbufers“ ernannt, bis er ab 1941 – als „Architekt für die Neuge- staltung der Hansestadt Hamburg“ mit weitrei- chenden Vollmachten ausgestattet – parallel zur eigentlichen städtischen Bauverwaltung agierte.52 Zum Zeitpunkt der Ausführung des Entwurfs für die Autobahnmeisterei 1938 war Gutschow somit gerade auf dem Weg vom Ar- chitekten im Dienste des Regimes zu einem sei- ner wesentlichen Vordenker im Bereich der Stadt- und Siedlungsplanung. Der Entwurf für die Autobahnmeisterei von Bad Oldesloe ist vor diesem Hintergrund als Beleg für den Willen Gutschows zu betrach- ten, seine Haltung als Planer und Architekt den herrschenden Verhältnissen anzupassen und die gewünschte architektonische Gestal- tung für das Projekt Reichsautobahnen mit zu entwickeln. Sein Verständnis vom „organi- schen Bauen“ 53 , von ihm zeitweise offen als Ausdruck einer biologistischen Weltsicht pro- pagiert 54 , muss wohl als Bindeglied zwischen seinen vielfältigen Planungs- und Bauaktivi- täten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen werden. Hierzu zählen ne- ben den Bauten für die Reichs autobahnen mit ihrer „kulturlandschaftlichen“ Verwurzelung, den Planungen für die „Führerstadt“ Hamburg im Sinne des „lebensgesetzlichen Städte- baus“ 55 auch in die unter seiner Beteiligung re- 18 16 Konstanty Gutschow: Entwurfsplan für Gerätehalle und Silo, 1938.

alisierten Wiederaufbauplanungen 56 und spät- Die Autobahnmeisterei Bad Oldesloe modernen Büro- und Krankenhausprojekte. als Denkmal Kennzeichnend hierfür ist die Anwendung der Prinzipien des funktionalistischen Bauens Die Anlage ist die einzige im Zuge des Reichs- ebenso wie eine jeweils zeitgemäß-opportune autobahnbaus errichtete Autobahnmeisterei im Architektursprache, jedoch – wie im Fall der heutigen Bundesland Schleswig-Holstein und hat sich mit einigen Veränderungen und Anbau- Autobahnmeisterei – unter der Bedingung der 17 „Vorschlag zur landschaft- Preisgabe eines verbindlichen Zusammen- ten in den 1950er Jahren im Wesentlichen bis lichen und gärtnerischen hangs von äußerer und innerer Gestaltung, von heute erhalten. Sie kann daher nach wie vor als Ausgestaltung am Straßen- Form und Funktion. Beispiel für die ambivalente Architekturauffas- meistereigehöft bei Bad Oldesloe, Max Karl Schwarz – Worpswede“, datiert 1939.

19 1960er Jahren war dabei von Pragmatismus ge- kennzeichnet. Fehlende Teile wurden im Stil der jeweiligen Dekade ergänzt und vorhandene und funktionierende Bauten und Freiflächen wurden erhalten, genutzt und gepflegt. Im Rahmen des Eintragungsverfahrens in das Denkmalbuch des Landes Schleswig-Holstein wurden diese Aspekte zur Begründung der „be- sonderen Bedeutung“ der Autobahnmeisterei wegen ihres geschichtlichen, wissenschaftli- chen und die Kulturlandschaft prägenden Wer- tes herangezogen. Dass diese Denkmalwerte 18 Erhaltene Arbeiterhäuser der Straßenmeisterei Erkner, Brandenburg. im vorliegenden Fall keineswegs „positiv“ be- setzt sind, ist gerade mit zunehmender zeitli- cher Distanz zu den damaligen Ereignissen klarzustellen. sung beim Bau der „Reichsautobahnen“ die- Die anstehende Sanierung, welche auch unter nen: Einerseits waren die beteiligten Architek- energetischen Gesichtspunkten durchgeführt ten oftmals bereits vom „Neuen Bauen“ der werden soll, wird vom Landesamt für Denk- 1920er Jahre beeinflusst und setzten in Anbe- malpflege in enger Abstimmung mit den Mitar- tracht der benötigten großen Anzahl an Bau- beitern der Autobahnmeisterei vor Ort beglei- werken in kurzer Zeit und der speziellen Bau- tet. Vorbereitend wurde hierzu von dem mit der aufgaben auch auf die zugehörigen industriel- Planung und Durchführung der Maßnahmen len Fertigungsmethoden im Bauwesen. Ande- beauftragten Architekturbüro Thomas Molt, rerseits sahen sie sich jedoch einer Gestaltung Kappeln, der gesamte Hochbaubestand der An- verpflichtet, die sich vor allem bei Autobahn- lage in Form eines fotografischen Raumbuches raststätten, Autobahnmeistereien, Tankstellen erfasst und sowohl Bauteile als auch Ausstat- und sonstigen Betriebs- und Nebengebäuden tungselemente zeitlich zugeordnet. Auf dieser an einer ideologisch motivierten Interpretation Grundlage erfolgt derzeit die Erarbeitung eines von Kulturlandschaften und deren handwerkli- Konzepts zur behutsamen Modernisierung des chen Traditionen orientierte. 57 Im Gegensatz zu Dienstgebäudes, welche den veränderten Rah- den Brücken, die sich durchaus als stahl- oder menbedingungen des Meistereibetriebs Rech- betonsichtige Ingenieurkonstruktionen präsen- nung trägt. So ist zum Beispiel vorgesehen, bis- tieren durften, wurden hier die wirtschaftlich lang zu Wohn- und Übernachtungszwecken effizienteren, industriell verarbeiteten moder- verwendete Bereiche zu Büro- und Aktenlager- nen Materialien hinter Fassaden aus Ziegel, Na- räumen umzunutzen. Ferner werden Anforde- turstein oder Putz verborgen. rungen aus den aktuellen Brandschutzbestim- Die auf dem Gelände der Autobahnmeisterei mungen und Arbeitsstättenrichtlinien umge- verwendeten Gartenelemente, welche auf dem setzt. Denkmalpflegerische Zielsetzung ist es Konzept von Max Karl Schwarz basieren, for- dabei, sowohl den erhaltenen bauzeitlichen Be- mulieren einerseits den Übergang zur umge- stand so weit wie möglich zu konservieren, wie benden, überwiegend ländlich geprägten Kul- auch wesentliche Veränderungen der Nach- turlandschaft und sind andererseits auch als kriegszeit als eigene historische Schicht zu be- Zeugnisse der ideologisch motivierten Ent- handeln und zu erhalten. wurfshaltung anzusehen: Der „Bauerngarten“ Aufgrund der guten Zusammenarbeit zwischen mit seinen Obstbäumen wurde als ein Element dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr der „Volksgesundung“ und als ein Symbol für Schleswig-Holstein, dem beteiligten Planungs- das „Deutsche Bauerntum“ aufgefasst und büro Thomas Molt und dem Landesamt für diente als Anknüpfungspunkt für ein völkisches Denkmalpflege bestehen gegenwärtig gute Vo- Bild von bäuerlich geprägter Landschaft, dass raussetzungen, dass der dauerhafte Erhalt der mit dem radikalen Modernisierungsprojekt des Anlage sowohl als Zeugnis für die Geschichte Autobahnbaus in Gleichklang gebracht werden der Reichsautobahnplanungen wie auch als sollte. zeitgemäß benutzbarer Betriebsstandort gelin- Die Autobahnmeisterei wird vom Landesbe- gen kann. trieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Hol- stein im Auftrag des Bundes zur Wartung und Pflege der Bundesautobahnen genutzt, was im Anmerkungen Laufe der Jahre zu Veränderungen von Teilen der Innenausstattung und geringfügigen An- 1 Norbert Huse: Unbequeme Baudenkmale – Entsor- passungen an veränderte betriebliche Abläufe gen? Schützen? Pflegen?, München 1997. geführt hat. Der Umgang mit der nach Kriegs- 2 Thomas Kunze/Rainer Stommer: Geschichte der ende unvollständigen Anlage in den 1950er und Reichsautobahn. In: Rainer Stommer (Hrsg.): 20 Reichsautobahn – Pyramiden des Dritten Reiches, 22 Reitsam (wie Anm. 19), S. 79. Marburg 1982, S. 31. 23 Ebda., S. 96. 3 Als Beispiel für die Militarisierung des Vorhabens 24 Paul Bonatz: Leben und Bauen, Stuttgart 1950, sei der von der Propaganda vielfach verwendete Be- S.158 f. griff der „Arbeitsschlacht“ genannt. Die „Organisa- 25 Angela Schuhmacher: „Vor uns die leeren Straßen, tion Todt“, mit Fritz Todt an der Spitze, trieb parallel vor uns die lockende, erregende Ferne“. In: Rainer zum Autobahnbau ab 1938 auch den Bau des soge- Stommer (Hrsg.), Reichsautobahn – Pyramiden des nannten „Westwalls“ voran, wobei auf die Logistik Dritten Reiches, Marburg 1982, S. 80. sowie die Maschinen und Arbeitskräfte des Auto- 26 Ebda., S. 77 f. bahnbaus zurückgegriffen wurde, hierzu Erhard 27 Werner Durth: Deutsche Architekten – Biografi- Schütz und Eckhard Gruber: Mythos Reichsauto- sche Verflechtungen 1900–1970, Neuausgabe Stutt- bahn, Berlin 1996, S. 81 f. gart und Zürich 2001, S. 111. 4 Siehe hierzu z. B. das Merkblatt Hinweise zum 28 Es wurden jedoch weiterhin bereits existierende Umgang mit baulichen Zeugnissen der NS-Zeit, Entwürfe mit explizit funktionalistischer Architek- Kulturausschuss des Deutschen Städtetages, Weimar tursprache ausgeführt, so z. B. der Tankstellentyp 1999. „Fürstenwalde“, siehe hierzu: Ruth Klawun: Die Au- 5 Kunze/Stommer (wie Anm. 2), S. 22 f. tobahntankstelle in Fürstenwalde von Friedrich 6 Ebda., S. 26. Tamms – Bedeutung und Erhaltung. In: Modernes 7 Erhard Schütz/Eckhard Gruber: Mythos Reichs- Bauen zwischen 1918–1933, Bauten in Brandenburg autobahn, Berlin 1996, S. 17 f. und ihre Erhaltung (Arbeitshefte des Brandenburgi- 8 Kunze/Stommer (wie Anm. 2), S. 30, siehe auch schen Landesamtes für Denkmalpflege Nr. 10), Pots- Schütz/Gruber (wie Anm. 7), S. 11 f. dam 1999, und Christian Hirte: Bauten der Reichs- 9 Schütz/Eckhard (wie Anm. 7), S. 19 f. autobahn in Brandenburg. In: Brandenburgische 10 Ebda., S. 84 f. Denkmalpflege 5 (1996), Heft 1, S. 29–41. 11 Kurt H. Lang/Rainer Stommer: „Deutsche Künst- 29 Paul Bonatz/Bruno Wehner: Arbeitshefte zur ler – an die Front des Straßenbaus“. In Rainer Stom- Reichautobahn, Band 1 – Strassenmeistereien, Ber- mer (Hrsg.): Reichsautobahn – Pyramiden des Drit- lin 1942, S. 15. ten Reiches, Marburg 1982, S. 91 f. 30 Ebda., S. 7. Im Gegensatz zur kollektivistischen Idee der „Volks- 31 Ebda., S. 16 f. gemeinschaft“ stehen die Ausführungen E. Neu- 32 Ebda., S. 20 f. manns in seiner Eröffnungsrede zum 1. Deutschen 33 Ernst Neufert: Bauentwurfslehre, 1. Aufl., Berlin Straßenbautag 1934, in denen er unter dem Titel 1936. „Objekt-Subjekt“ die Bedeutung des automobilen 34 Meinhold Lurz: Denkmäler an der Autobahn – die Individualverkehrs und seiner „Freiheit“ als Flucht- Autobahn als Denkmal. In: Rainer Stommer (Hrsg.), möglichkeit der Arbeiter und Angestellten vor den Reichsautobahn – Pyramiden des Dritten Reiches, durchrationalisierten Arbeitswelten hervorhebt, Marburg 1982, S. 182 f. siehe E. Neumann: Objekt-Subjekt – Auszug aus der 35 Zur Fragwürdigkeit der landschaftsgebundenen Eröffnungsrede zum 1. Deutschen Straßenbautag in München: Nation, Kraftverkehr und Straßenbau, Die Architektur im Nationalsozialismus siehe Winfried Bauzeitung, Heft 17, Stuttgart 1934, wiederveröf- Nerdinger: Bauen im Nationalsozialismus. Zwi- fentlicht in: Architektur im Dritten Reich 1933– schen Klassizismus und Regionalismus. In: Archi- 1945, Berlin 1967. tektur der 30er/40er Jahre (Schriftenreihe des Deut- 12 Siehe Joachim Pentsch: Baukunst und Stadtpla- schen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Bd. 48), nung im Dritten Reich, München 1976, S. 145. Bonn 1994, S. 16 f. 36 13 Lang/Stommer (wie Anm. 11), S. 93. Vermerk in den Akten vom 31.08.1938. 37 14 Siehe hierzu u. A. Paul Bonatz: Dr. Todt und seine Fundstelle in Reitsam (wie Anm. 19), S. 199; Ori- Reichsautobahn. In: Die Kunst im Dritten Reich, ginalveröffentlichung: Max Karl Schwarz: Tankstel- München 1942, wiederveröffentlicht in: Architektur len, Straßenmeistereien und Raststätten – Betriebs- im Dritten Reich 1933–1945, Berlin 1967. organismen an der Reichsautobahn. In: Die Straße 6 15 Frank Becker: Autobahnen, Auto-Mobilität. In: (1939), Nr. 23/24, S. 659–662, Abb. 2. Wolfgang Hardtwig (Hrsg.): Politische Kulturge- 38 Ebda. schichte der Zwischenkriegszeit 1918–1939, Göttin- 39 Ebda., S. 662. gen 2005, S. 27 f. 40 In den 1960er Jahren entstanden in vergleichbarer 16 Rainer Stommer: Triumph der Technik. In: Rainer Ausrichtung und Anordnung, jedoch weiter von der Stommer (Hrsg.), Reichsautobahn – Pyramiden des Autobahnmeisterei entfernt, vier kettenartig verbun- Dritten Reiches, Marburg, 1982, S. 54. dene Einfamilienhäuser für Angestellte und ein bau- 17 Becker (wie Anm. 15), S. 47. gleiches, frei stehendes Gebäude für den Leiter der 18 Lang/Stommer (wie Anm. 11), S. 93 sowie Schütz/ Autobahnmeisterei. Eine Beteiligung Konstanty Gruber (wie Anm. 7), S. 124. Gutschows an der Errichtung dieser Gebäude konnte 19 Charlotte Reitsam: Reichsautobahn – Landschaf- bislang nicht nachgewiesen werden. ten im Spannungsfeld von Natur und Technik, Trans- 41 Vgl. Hirte (wie Anm. 28), S. 37 f. atlantische und interdisziplinäre Verflechtungen, 42 Autobahnmeisterei Erkner, E Mail mit Bildmaterial Habilitationsschrift TU München, München und Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege Saarbrücken 2007, S. 71 f. und archäologisches Landesmuseum vom 30.8.2010, 20 Ebda., S. 77. Pläne in Bonatz/Wehner (wie Anm. 29), S. 74. 21 Kurzbiografie unter http://biographien.kulturim- 43 Schwarz (wie Anm. 37), S. 662. puls.org, Forschungsstelle Kulturimpuls, Dornach 44 Durth (wie Anm. 27), S. 66 f. [15.04.2011]. 45 Ebda., S. 54 und 56. 21 46 Abbildung in Jan Lubitz: Architektenporträt. In: Helgoland: Ulrich Höhns: Eine Insel im Aufbau – http://www.architekten-portrait.de/konstanty_gut- Helgoland 1952–62, hrsg. von der Stiftung Nordsee- schow/, 2002 [15.04.2011] museum Helgoland und dem Verein der Architekten 47 Durth (wie Anm. 27), S. 119. und Ingenieure des Kreises Pinneberg, Otterndorf/ 48 Ebda., S. 114 f. sowie S. 101, Gutschows Beitrag Helgoland 1990 (Brosch.), S. 58, Randnotiz 70. zur Ausstellung „Planten un Blomen“ in Hamburg. 57 Siehe hierzu: Schütz/Gruber (wie Anm. 7), 49 Dies änderte sich mit dem Aufstieg Albert Speers, S. 134 f. siehe Durth (wie Anm. 27), S. 121. 50 Ebda., S. 171. 51 Ebda., S. 174. Abbildungsnachweis: Friedhelm Schneider (LfD): 52 Ebda., S. 174 f. 1, 5–12; Brandenburgisches Landesamt für Denk- 53 Ebda., S. 190: „Eine Großstadt ist ein empfind- malpflege und Archäologisches Landesmuseum licher baulicher Organismus …“. (Matthias Baxmann): 18; Akten der Autobahnmeis- 54 Ebda., S. 229 f. terei Bad Oldesloe (Herr Becker): 15, 16; Bonatz/ 55 Ebda., S. 252. Wehner: Arbeitshefte zur Reichsautobahn, Bd. 1: 56 Zu Gutschows Rolle als Preisrichter für die Auf- 2–4, 13, 14; Schwarz: Tankstellen. In: Die Straße 6 bauplanung und Architekt des Krankenhauses auf (1939), Nr. 23/24: 17.

22