The Zone MI 07
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ENTER the zone MI 07. – SO 25.08.2019 MI 07. – SO 25.08.2019 großer Besetzung von Josh „Socalled“ Dolgin (S. 8). Und LIEBE GÄSTE, wer nicht auf Elon Musks Pläne zur Mars-Expedition war- was die Zukunft betrifft, stellt der berühmte Science Ficti- ten will und trotzdem abenteuerwild ist, kann im August on Autor William Gibson („Neuromancer“) klar: ihm gehe es mit den JAJAJAs in andere Sphären abheben (S. 64), in seinen Büchern nicht um Voraussagen oder Spekulatio- oder mit dem Musik- Virtuosen Kid Koala einen gemeinsa- nen, sondern um die „Temperatur der Gegenwart“. Science men Trip in SATELLITE-Umlaufbahnen buchen (S. 42). Fiction ist für Gibson ein literarischer Werkzeugkasten, um Dessen Stück ist relativ sicher für die ganze Familie ge- eine immer verrückter werdende Gegenwart zu beschrei- eignet (S. 70,71), was für einen Besuch im Museum der ben. Wenn wir uns nun – als ein ästhetisch und inhaltlich in norwegischen Gruppe Susie Wang nicht gilt: Im Horror- der Gegenwart tummelndes Festival – mit der Zukunft be- Illusionstheater MUMIENBRAUN (S. 24) ist auf der Bühne schäftigen, liegt die Dystopie auf der Hand. Denn darin eine Ausstellung mit einem schwarzen Loch und außer- werden die katastrophalen Zustände in der Zukunft immer irdischen Objekten zu sehen, welche die schwangere als direkte Folge unseres Handelns im Jetzt beschrieben. Museumsbesucherin besser nicht angefasst hätte. Das Was aber auch heißt, dass wir die absehbare Hölle theore- Stück ist Teil von Susie Wangs Horror-Trilogie über das tisch jetzt noch verhindern könnten. menschliche Verhältnis zur Natur und den weiblichen Das gilt für kein Thema so sehr, wie für den Klimawan- Körper. Wie stark, facettenreich und schillernd der in Zu- del, der alle aktuellen Fragen der Menschheit von Ernäh- kunft aussehen kann, zeigt die feministische Pop-Ikone rung bis Migration umfasst, und eine ganze nachfolgende Peaches, die seit 20 Jahren gesellschaftliche Machtver- Generation nicht nur freitags gegen VW & Co in Stellung hältnisse in Frage stellt, und eine von insgesamt acht Fes- bringt. Die Pflichtlektüre dazu für alle denkenden (und tival-Uraufführungen präsentieren wird (von denen zum vor allem lebenden) Menschen hat der amerikanische Au- ersten Mal drei für die große Halle K6 produziert werden): tor David Wallace-Wells geschrieben: Sein Buch „Die In ihrem Bühnen-Varieté mit fast 40 Beteiligten (S. 20) unbewohnbare Erde“ erscheint kurz vor Festivalstart auf entwirft Peaches eine (weniger dystopische) Vision für Deutsch und ist eine wegweisende Zusammenfassung die Zukunft des Feminismus. Außerdem zeigt die queere von Fakten und wissenschaftlichen Hypothesen zur Erd- Kunst-Pionierin ihre erste institutionelle Einzelausstel- erwärmung. Wallace-Wells wird darüber auf dem Festival lung im Kunstverein (S. 60), und präsentiert ein Rahmen- bei der Konferenz des Investigativ-Journalisten Hannes programm mit Vaudeville Entertain ment für alle (S. 32) Grassegger sprechen (S. 28), außerdem ist der Klimawis- und vier Club-Abenden, die zeigen, dass es sich auch ohne senschaftler Mojib Latif mit einem Vortrag zu Gast (S. 48). #MeToo-Patriarchat lustvoll feiern lässt (S.34-37). Dass Dystopien immer auch große Bilderzählungen sind, Clubs sind ja häufig geschützte Keimzellen für gesell- durch die wir die Zukunft begreifen, zeigen uns der bel- schaftliche Veränderungen und sichere Orte für junge gische Theater-Ikonoklast Kris Verdonck mit einer neuen großen Bühnenarbeit (S. 22) und der frisch berufene Berlinale- Programmchef Mark Peranson mit einer Filmrei- he zum Thema (S. 68). Vielleicht werden die Gottesanbe- terinnen – wie auf dem Cover dieses Programmhefts – die letzten sein, die durch das Wurmloch der post - humanen Schöpfungsgeschichte springen. Insekten sind aber auch die ersten Erschöpften der Erderwärmung. Gut also, dass der Einzelhandelsriese Walmart gerade Roboter-Bienen patentiert hat, Gott ist eh ein Technolo- ge aus dem Silicon Valley, und auch der Mensch hat bald ewigen Urlaub. Oder muss zumindest nicht mehr selbst auf der Bühne stehen, wie der deutsche Best- seller-Autor mit bipolarer Störung, Thomas Melle. Der wird in Rimini Protokolls beeindruckendem Theater- stück nämlich von einem humanoiden Roboter ersetzt – durchaus als positives Zwischenmensch-Beispiel aus Körper und Maschine (S. 44). Vielleicht müssen wir auch einfach größer in die Zukunft denken, wie der große Zukunftsdenker Stephen Hawking, der angesichts der Zerstörung der Erdatmosphäre damit rechnete, dass wir zum Überleben andere Planeten kolonisieren müssen. Dass bei der Menschheitsgeschichte der Kolonisierung eventuell die Außerirdischen auch einen Ton mitzusingen haben, zeigt quietschbunt SPACE – THE 3RD SEASON, der dritte Teil der hinreißenden Puppen-Musical-Serie in 1 enter the zone MI 07. – SO 25.08.2019 MI 07. – SO 25.08.2019 Menschen und Queers auch in repressiven Systemen. So auch der legendäre Club Bassiani (S. 17) in der geor- DEAR GUESTS, gischen Hauptstadt Tiflis, wo brutale Polizei-Razzien as far as the future is concerned, well-known science fic- 2018 europaweit Solidaritätsbekundungen und Proteste tion author William Gibson makes it clear that his books auslösten. Darüber, und über Tanz als Medium friedlichen are not predictions or speculations about what is to come, Widerstands, geht es in MARRY ME IN BASSIANI des but “take the temperature of the present”. For Gibson, französischen Medienkunst-Kollektivs (LA)HORDE, einer science fiction is a literary toolkit to describe an increas- spektakulären Bühnenüberwältigung zur Festivaleröff- ingly wired present. If now this festival – aesthetically and nung in der K6 mit 15 ehemaligen Tänzer*innen des geor- content-wise brimming with the present – deals with the gischen Nationalballetts (S. 6). (LA)HORDE, die gerade future, dystopia is obvious. Because it does describe cat- zum neuen Leitungs-Trio des Tanz-Flaggschiffs Ballet astrophic conditions in the future as direct results of our de Marseille ernannt wurden, bespielen außerdem die rie- present actions. Which also means, that, theoretically, we sige Kampnagel-Vorhalle mit einer Live-Art-Installation now could still prevent the foreseeable hell. über Widerstand und Affirmation (S. 62). Eines von vielen This applies to no other topic as much as to climate Beispielen für den erweiterten Kunstbegriff dieses Festi- change, which encompasses all current human issues vals. Die Impulse, die durch die Überschneidungen der from nutrition to migration, and moves an entire next gen- Genres entstehen, werden auch in der Zusammenarbeit eration against VW and the likes, not only on Fridays. der kanadischen Choreografin Aszure Barton mit dem The American author David Wallace-Wells has written the Musiker Hauschka Bühnenfunken sprühen lassen: Barton, matching compulsory book for all thinking (and especially die weltweit die alte Tante Tanz radikal verjüngt, wird living) people: “The Uninhabitable Earth” is a ground- mit Hauschka und einem großen Ensemble für ihre Festi- val-Weltpremiere WHERE THERE’S FORM (S. 40) zwei Monate in Hamburg proben. Diese und weitere Urauffüh- rungen, wie mit Carsten „Erobique“ Meyer über das unter- belichtete popkulturelle Erbe der 70er Jahre DDR-Musik (S. 10), oder Neu-Entdeckungen wie die vermummten PERHAPS THE russischen Performer von Vasya Run (S. 12) sind nur mög- lich durch großartige Unterstützer*innen (S. 79), und PRAYING MANTISES Kooperationspartner*innen: In der Elbphilharmonie spie- len die drei Kampnagel-Kompliz*innen Soap&Skin, Chilly WILL BE THE LAST Gonzales, der auch ein enger Peaches-Komplize ist, so- wie das Aarhus Symfoniorkester mit dem Bell Orchestre TO JUMP INTO THE (S. 38, 50, 54). Bei letzterem spielt Richard Reed Parry mit, den wir zusätzlich mit einem immersiven Konzert WORMHOLE OF POST- im Hamburger Planetarium in der Reihe NEW INFINITY mit den Berliner Festspielen präsentieren (S. 30, 31). HUMAN GENESIS. Wie immer steckt noch viel mehr Wahnsinn im Festival- programm auf den nächsten 78 Seiten. Die Rakete steht bereit, wir heben jeden Abend im Space-Avant-Garten mit Migrantpolitan & Co (S. 65–67) ab und landen nachts im Club (bei einem ausgedehnten breaking summary of facts and scientific hypotheses Programm von japanischem Psych-Rock (S. 56) bis zur on global warming. Wallace-Wells will talk about this as Avantgarde-Legende Charlemagne Palestine (S. 53)). a guest at the festival conference of journalist Hannes Ein großer Dank an alle, die uns bis hierher vertraut und Grassegger (p. 28), and in addition, climate scientist Mojib unterstützt haben und an Sie, die mit uns in die Zukunft Latif will give a lecture (p. 48). Dystopias though, are of- fliegen werden. ten delivered through big pictorial narratives, through which we first grasp the future. This demonstrates a new large- Bis gleich, scale stage work by the Belgian theatrical iconoclast Kris András Siebold Verdonck (p. 22), and a film program by the newly ap- & das Sommerfestival-Team pointed Berlinale program director Mark Peranson (p. 68). Perhaps the praying mantises – as on the cover of this program booklet – will be the last to jump into the worm- hole of posthuman genesis. Insects, however, are also the first exhausted victims of global warming. So it‘s a good thing that the retail tycoon Walmart has just patented ro- botic bees. God is a Silicon Valley technologist anyway, and humans will soon be on permanent vacation. Or at 2 enter the zone 3 enter the zone MI 07. – SO 25.08.2019 MI 07. – SO 25.08.2019 least they don‘t have to be on stage themselves anymore, juvenates dance worldwide, will rehearse