Historischer Verein für Ermland Pfingsten 2012 I

UNSERE ERMLÄNDISCHE HEIMAT

Pfingsten 2012 Mitteilungsblatt des Historischen Vereins für Ermland Jahrgang 58 Nr. 1/2

Primas und Bischof Maximilan Kaller Zum Tod von Prof. im Kloster der Schwestern der Christlichen Liebe Dipl.-Ing. Ulrich Fox

in Wiedenbrück Was ihm, der nicht von Beruf Histori- Von Hans Jürgen Brandt ker war, die Geschichte bedeutete, das hat er in seiner von vielen hoch ge- Nach sieben Monaten Ehrenhaft in Schwestern um 6.30 Uhr ministrierte, Das Schweigen zur Person des polni- schätzten Autobiographie zum Aus- der sogenannten Burg, dem St. Jo- waren Schwester Oberin, eine kräftige, schen Primas in Deutschland seit 1945 druck gebracht, die den Titel trägt: Süd- sephshaus zu Wiedenbrück, kam der resolute Person, und Kardinal Hlond — nicht zuletzt im Erzbistum Pader- liches Ermland. Aufwachsen, Wegge- polnische Primas Kardinal August eine imponierende Erscheinung. In born — hat seinen Grund. Es hängt mit hen, Ankommen. Die erinnerte Ge- Hlond am 8. April 1945 wieder in Frei- der Distanz von zwei Jahrzehnten be- der Verschiebung der Deutschlandkar- schichte seines Lebens in Alt Warten- heit.* Die Gestapo hatte ihn und seinen zeichnete Pater Filipiak die sieben Mo- te von Ost nach West und der Vertrei- burg unter zwei Diktaturen, im Jahre Sekretär Pater Bolesław Filipiak am 8. nate Internierung bei den Schwestern bung der deutschen Bevölkerung aus 1959 das Abschiednehmen von der Hei- August 1944 im Kloster der Schwestern in Wiedenbrück, wie gleich dargelegt Ost- und Westpreußen, Schlesien und mat, die ihn geprägt hat, die neuen Her- der Christlichen Liebe interniert. Vor wird, als klasztorne wiezienie - Kloster- dem Sudentenland infolge des letzten ausforderungen in der Bundesrepublik - allem die letzten Kriegstage hatten Ner- haft; unter den damaligen Umständen Weltkriegs zusammen. Es war Primas die erinnerte persönliche Lebensge- ven gekostet. So war Erzbischof Lorenz eine selten milde Form von Freiheits- Hlond, der nach seiner Rückkehr aus schichte war für ihn außerhalb seines Jaeger aus Paderborn, als Bauer ge- entzug. Wiedenbrück die deutschen Ordina- eigentlichen Berufes der innerste An- tarnt auf einem Ackerwagen, in der rien in Branitz, Breslau, Frauenburg, trieb für ein vielfältiges gesellschaftli- Burg erschienen und hatte den Primas Ein verschwiegenes Kapitel Glatz und Schneidemühl zur Resignati- ches Engagement. Dafür charakteri- gedrängt, in Zivil zu fliehen. Er habe Merkwürdigerweise hat das Thema on zwang und ausweisen ließ. Den stisch ist sein unermüdlicher Einsatz für Kenntnis, dass ihn die SS auf Befehl Hlond in Wiedenbrück nie das Interes- Danziger Bischof Dr. Carl M. Splett ent- ehemalige KZ- und Ghetto-Häftlinge in Adolf Hitlers vor dem Einmarsch der se der deutschen oder wenigstens der hob er seines Amtes zwei Tage nach Polen und anderen Ländern Ostmittel- Alliierten liquidieren solle. Auch hatte westfälischen Kirchenhistoriker ge- dessen Verhaftung im August 1945. Da- europas im Rahmen des Maximilian- ein Standgericht am Karsamstag den weckt. In Wiedenbrück besitzen weder mit überschritt er bei Weitem die ihm Kolbe-Werkes. Wiedenbrücker Pfarrdechant Emil das Stadtarchiv noch das Pfarrarchiv vom Heiligen Stuhl erteilten Sonder- Nicht zuletzt hat das aus der eigenen Schnüttgen wegen Hissens der weißen von St. Aegidii irgendwelche Hinweise vollmachten, wie er selbst vor seinem Biographie erwachsene Interesse an der Fahne zum Tode verurteilt, allerdings auf die Internierung des polnischen Tod einräumte. Es entbehrt nicht der Geschichte Ulrich Fox zu zahlreichen hi- der zügige Einmarsch der Amerikaner Primas in der Stadt. Fehlanzeige mel- Komik, dass in den gleichen Zimmern storischen Forschungsarbeiten ange- am Ostersonntag die Vollstreckung ver- den auch das Hauptstaatsarchiv Det- der Wiedenbrücker Burg, in denen er regt. Aus vielen Archiven in Deutsch- hindert. Nun warteten der Primas und mold, das die einschlägigen Gestapoak- und sein Kaplan Asyl gefunden hatten, land und Polen hat er umfangreiches sein Sekretär auf die Rückkehr nach ten verwahrt, und das Erzbistumsar- 1946 der von ihm abgesetzte Bischof Quellenmaterial erschlossen und für Polen. Seitdem war eine Woche ver- chiv Paderborn, in dem der Nachlass von Ermland, Maximilian Kaller, und Darstellungen zur kirchlichen Zeitge- gangen, bis auf Initiative von Dechant von Kardinal Jaeger kriegsbedingt nur dessen Kaplan Gerhard Fittkau Unter- schichte Ermlands unter nationalsoziali- Schnüttgen ihre Abreise erfolgen konn- rudimentär erhalten und noch nicht ge- kunft fanden. Dem von Hlond amtsent- stischer und kommunistischer Diktatur te. Ein wörtliches Zitat Hlonds aus die- ordnet ist. Die literarische Hlond-Absti- hobenen Großdechanten von Glatz, ausgewertet. Dabei war ihm besonders sen sieben Monaten überliefert die nenz in Deutschland steht in Gegensatz Monsignore Franz Monse, gab Pfarrde- wichtig zu zeigen, dass trotz der rigoro- Chronik des Hauses. Zu Schwester zur blühenden Hlond-Literatur in Po- chant Schnüttgen im Pfarrhaus von St. sen Minderheitenpolitik der beiden Re- Marciosa, der Oberin, sagte er einmal: len, wo der Episkopat und der Salesia- Aegidii ein Obdach. gime die deutsch und polnisch spre- So ein Kardinal ist ein lästig Ding. Der nerorden, dem der Primas angehörte, chenden Menschen in den Gemeinden Satz lässt darauf schließen, daß Primas dessen Seligsprechung anstreben. Al- Augenzeugenberichte seiner Heimat zumeist friedlich mit ein- Hlond im Wiedenbrücker Exil seine lerdings fällt auf, daß Hlonds Wieden- Über den Aufenthalt Hlonds in Wie- ander gelebt haben. Seine vergleichen- Hände durchaus nicht in den Schoß brücker Exil durchweg nur kurz er- denbrück existieren drei schriftliche de Abhandlung über den Gebrauch der legte und Ansprüche äußerte. Wie sich wähnt wird. Die erträglichen Haftbe- Augenzeugenberichte. Muttersprache im Gottesdienst im südli- ein noch lebender Zeitzeuge erinnert, dingungen im St. Josephshaus passen chen Ermland 1930-1956 erschien 2006 der damals in der Burg bei der mor- offensichtlich nicht in das hagiogra- Erster Bericht in der Festschrift für den polnischen Hi- gendlichen Konventsmessse der phisch-national ausgerichtete polni- Der erste Bericht stammt aus der Fe- storiographen des Ermlands Janusz Ja- sche Hlond-Bild. Die Vermittlerrolle der des Salesianerpaters Boleslaw Fili- sinski. So ist er mit seinen Forschungen der Erzbischöfe Bertram von Breslau piak, der Kardinal Hlond als Kaplan auch ein wichtiger Brückenbauer der * Mit freundlicher Genehmigung des und Jaeger von Paderborn, die das Exil und Sekretär begleitete. Er veröffent- Versöhnung zwischen Deutschen und Autors und des Verlags F. W. Cordier, Hlonds in Wiedenbrück im Sinne einer lichte ihn — hier aus dem Polnischen Polen geworden. Heiligenstadt, leicht gekürzter Nach- Ehrenhaft ermöglichte, kommt gar ins Deutsche übertragen — offensicht- Neben mehreren Beiträgen zu einer druck (ohne Anmerkungen und Ab- nicht zur Sprache. Im Rahmen des Ka- lich anhand von Tagebuchnotizen unter Biographie Maximilian Kallers als Pfar- bildungen) des Beitrags, den unser nonisationsprozesses in der Causa dem Titel Niektóre wiadomosci (Einige rer auf Rügen und als ermländischer Bi- Mitglied Prälat Prof. Dr. Hans Jürgen Hlond, der seit Jahren abgeschlossen Neuigkeiten) im Jahre 1965 in Rom. schof widmete sich Fox der prosopogra- Brandt unter dem Titel So ein Kardi- ist, hätten von den Agenten vorschrifts- Filipiak schreibt: Als die alliierten phischen Erforschung ermländischer nal ist ein lästig Ding! Zur Klosterhaft gemäß auch die noch in Wiedenbrück Luftangriffe immer stärker wurden, sei- Priester im 20. Jahrhundert, ihrer unter des polnischen Primas Hlond lebenden Augenzeugen und das Ar- en Primas Hlond und er am 28. August verschiedenen politischen und gesell- 1944/45 in Wiedenbrück und zur chiv der Schwestern der Christlichen 1944 nach Metz transportiert und im schaftlichen Bedingungen ausgeübten Rolle seines Protektors Erzbischof Liebe zur Person Hlond befragt werden Hotel Cecile untergebracht worden. Die praktischen Seelsorge in den Gemein- Lorenz Jaeger zuerst veröffentlicht müssen — was nicht geschah. Die ein- Mahlzeiten hätten sie unter Aufsicht der den. Eine große Abhandlung über sei- hat in: Jahrbuch für mitteldeutsche schlägigen schriftlichen Zeugnisse zum Gestapo in dem als deutsches Ofliziers- nen Heimatpfarrer Erzpriester Maximili- Kirchen- und Ordensgeschichte 6 Aufenthalt Hlonds im Archiv der kasino dienenden Restaurant des Ho- an Tarnowski als Seelsorger im Deut- (2010) S. 155-176. Dort auch alle Schwestern der Christlichen Liebe wer- Nachweise. den hier erstmals veröffentlicht. Fortsetzung auf Seite II Fortsetzung auf Seite II (Randspalte) II Pfingsten 2012 Historischer Verein für Ermland

Fortsetzung von Seite I (Randspalte) Fortsetzung von Seite I Vom Ende der Internierung Hlonds In der Chronik heißt es wörtlich: Am und Filipiaks heißt es: Den folgenden Mittwoch, dem 18. Oktober [1944], er- schen Reich und in Volkspolen konnte tels Royal eingenommen. Am 30. Au- Nachmittag [6. April] kam ein amerika- warteten wir hohen Besuch. Der Hoch- er noch druckfertig machen, sie wird im gust habe man sie frühmorgens zum nischer Geistlicher, um den Herrn Kar- würdigste Herr Erzbischof Lorenz von diesjährigen Band der Zeitschrift für die Bahnhof des unweit liegenden Hagen- dinal Hlond zu sprechen. Er hatte am Paderborn traf gegen 10 Uhr vormit- Geschichte und Altertumskunde Erm- dingen gebracht, weil Metz wegen der Morgen in der Pfarrkirche zelebriert tags, von Varensell kommend, hier ein. lands veröffentlicht werden. Die Biogra- Luftangriffe gesperrt war. Von dort sei und durch den Herrn Dechanten von Wir Schwestern waren schon in der phie des Geistlichen Rats und Erzprie- es mit der Bahn über Trier, Köln und der Anwesenheit des Herrn Kardinals festlich geschmückten Kapelle versam- sters Josef Lettau, der sich um die Seel- Münster nach Wiedenbrück in Westfa- gehört. Dieser vermittelte die Botschaft melt, als der hochwürdige Herr Pater sorge an der ermländischen Jugend im len gegangen. Nach ihrer Ankunft um an zwei höhere polnische Offiziere wei- Dietrich ihn hereinführte. Er schritt Dritten Reich und nach Flucht und Ver- 21.00 Uhr hätten sie das Kloster der ter, die hinter Köln stationiert waren. zum Altare und sagte dann zu den treibung hoch verdient gemacht hat, Schwestern der Christlichen Liebe als Die beiden Offiziere machten sich so- Schwestern, schon seit langer Zeit habe konnte Ulrich Fox nur für die Zeit bis Bleibe zugewiesen erhalten. Da die gleich auf, legen über 200 km zurück er das Verlangen gehabt, einmal zu uns 1945 fertig stellen. Nach einem langen Schwestern nicht über die Hintergrün- und begrüßten am selben Abend den zu kommen. Schon manchen Brief ha- Leiden ist er nicht unerwartet, aber de informiert waren, seien sie anfangs Herrn Kardinal im Garten. Zuerst stan- be er den Jubiläumsschwestern ge- doch überraschend am 27. April 75-jäh- in der Behandlung ihrer Gäste unsicher den sie in strammer, militärischer Hal- schrieben und dabei den Wunsch ge- rig in seinem Haus in Paderborn gestor- gewesen. Das habe sich aber nach dem tung vor ihm und stellten sich ihm vor, hegt, sie auch persönlich kennen zu ler- ben. Der Historische Verein wird sei- Besuch des Paderborner Erzbischofs dann ließen sie sich auf die Knie nieder nen. Er ermunterte die Schwestern, be- nem bis zuletzt unermüdlich aktiven Jaeger sehr gebessert. In Haus und und küßten seinen Ring. Nach mehr- sonders die alten und kranken Schwe- Mitglied in großer Dankbarkeit ein eh- Park hätten sie sich frei bewegen kön- stündiger Unterredung verabschiede- stern zum Beten und Opfern. Die Welt rendes Andenken bewahren. nen, doch seien Briefkontakte und ten sie sich mit dem Versprechen, in rufe immer: arbeiten, arbeiten! Aber sie Empfang auswärtiger Besucher verbo- drei Tagen wiederzukommen, um über lebe nicht bloß von der Arbeit, sondern ten gewesen. Die Einhaltung der Vor- seine Abreise nach Rom Bescheid zu auch vom Gebete. Alles Menschen- Abschied von schriften habe die Schwester Oberin gehen. Am anderen Morgen, als Herr schaffen ohne Gebet führe ins Verder- [Marciosa] des Hauses überwachen Kardinal seine Danksagung nach der hl. ben und in den Tod. Das sehe man ja Alfred Hinz müssen. Hätten sie zum Arzt oder Fri- Messe hielt, kamen die zwei Offiziere heutzutage bei den großen Errungen- seur gewollt, habe sie ein deutscher schon wieder und meldeten, in einer schaften der Technik. Die alten und Er gehörte zu den Ermländern, die Polizist begleitet. — Die Freiheit hätten Stunde werde das Auto da sein, um kranken Schwestern dürften nicht den- zehn Jahre nach Kriegsende aktiv an sie nach sieben Monaten Aufenthalt in Herrn Kardinal nach Haltern zum Flug- ken, sie seien unnütz in der Welt, nein, der Wiederbegründung des Histori- Wiedenbrücker Klosterhaft — klasztor- platz zu bringen. Von dort werde er sie könnten jetzt noch mehr wirken als schen Vereins für Ermland beteiligt wa- nego wiezienia w Wiedenbrück— am 1. über Paris nach Rom fahren. Nun be- in jungen Jahren und in verantwor- ren. Seine Unterschrift steht unter dem April 1945 wiedererlangt. Am 3. April gann ein stürmisches Einpacken. Wir tungsvollen Stellungen. In den Familien Aufruf zum Eintritt in den Geschichts- sei er, Filipiak, in die Stadt zum Orts- Schwestern stellten uns im Kapellenflur würden die Alten und Kranken den an- verein, den der durch den Ermländerrat pfarrer gegangen. Er habe es heute auf. Seine Eminenz erschien in freudig- dern oft zur Last. Aber im christlichen erweiterte alte Vereinsvorstand im Som- nach sieben Monaten tun können und ster Aufregung. Er bedankte sich noch Raum, in der Kirche, sei es nicht so. So mer 1954 in den Ermlandbriefen veröf- ihn gebeten, nach Stabilisierung der La- einmal von ganzem Herzen für alle Lie- habe er immer eine große Ehrfurcht fentlichte. Gerade nach der Vertreibung ge die Amerikaner über die Anwesen- be und alles Gute, das er hier im Hause und Hochschätzung dem Alter gegen- aus der alten Heimat sei es notwendiger heit des Primas und seines Kaplans zu empfangen habe. In launiger Weise über bewiesen. — Nach seinem begei- denn je, so hieß es darin, einem mög- informieren. Am 5. April habe sie nach setzte er hinzu, es sei gut für uns, daß sternden Vortrag besuchte der Hoch- lichst großen Kreis von Ermländern ei- dem Mittagessen der amerikanische er fortkomme, denn er sei ein Vaga- würdigste Herr die Kranken in den Zim- ne eingehende Kenntnis ihrer jahrhun- Feldgeistliche Father Stephan Paul Ken- bund, ein Friedens- und Ruhestörer, mern. Dann besichtigte er das ganze dertealten Geschichte zu vermitteln, um ny, ein Passionistenpater, und der ge- der überall Unruhe verursache, so ha- Haus. Alles hat ihm sehr gut gefallen. so in ihnen die Liebe zur alten Heimat bürtige Pole Rafal Jeka vom amerikani- be er es auch hier sieben Monate lang Mit freundlichen Grüßen an seine Mut- und das Bewusstsein der Zusammenge- schen Bureau des Renseignements auf- getrieben. „So ein Kardinal ist ein lästig ter und unsere Schwestern, die ihm hörigkeit lebendig zu erhalten. Auch die gesucht. Am 6. April seien Father Ken- Ding", hatte er schon vorher zu Schwe- den Haushalt führen, trat er um 2 Uhr geschichtlichen Ursachen der Vertrei- ny und der Sekretär des Generals Simp- ster Marciosa gesagt. Dann gab er uns die Rückreise nach Paderborn an. Die- bung und ihre bösartigen Auswirkungen son namens Morgenstern erschienen. nochmals seinen Segen und versprach, ser denkwürdige Tag wird uns allen un- sollten den kommenden Generationen Am Samstagabend, dem 7. April, hätten in Rom unsere Häuser zu besuchen vergeßlich bleiben. vermittelt werden. sie der polnische Verbindungsoffizier und unsere Grüße zu überbringen. Alfred Hinz war dabei, als am 5. Janu- Kapitän Hempel und Oberst Theodor, Das war am Sonntagmorgen, dem 8. Hlonds Persönlichkeit ar 1955, dem Vortag seines 29. Geburts- ein Amerikaner, zusammen mit dem April 1945. versiert in Polnisch und Deutsch tages, eine Versammlung von zehn Erm- Zugführer Tadeusz Gronowski aus War- Ein Foto im Archiv des Päderborner ländern in Münster die Neugründung schau aufgesucht. Am 8. April, dem Dritter Bericht Mutterhauses der Schwestern der des Vereins beschloss, die neue Satzung Weißen Sonntag, hätten sie um 9.00 Uhr Eine dritte Version mit Erwähnung Christlichen Liebe zeigt den polnischen genehmigte und einen Vorstand unter Wiedenbrück verlassen und eine Strek- des Besuchs von Paderborn enthält Primas Hlond mit seinem Sekretär Fili- dem Vorsitz von Dr. habil. Hans ke von 150 km bis zum amerikanischen die Chronik der Schwestern der Christ- piak im Park des St. Josephshauses. Es Schmauch wählte. Als einzigen Nichthi- Standort in Dorsten zurückgelegt Von lichen Liebe der Deutschen Provinz dürfte beim Abschied aus Wieden- storiker und einen der Jüngsten ernann- dort sei es vierzig Kilometer weiter zum 1936-1944. [...] brück aufgenommen sein. Hlonds Ach- te der neue Vorstand den jungen Ge- Flugplatz der IX. Armee gegangen. Paris tung gebietende Gestalt wird unterstri- schichtsfreund zu einem der insgesamt habe man nachts um 3.30 Uhr erreicht. Erzbischof Jaeger chen durch das Kardinalsbirett auf sei- sieben Beisitzer. besucht Primas Hlond nem Kopf und seinen Sekretär, der re- Zeit seines Lebens hat der Verstorbe- Zweiter Bericht Ein Besuch von Erzbischof Lorenz spektvoll einen Schritt von ihm ent- ne die Aktivitäten des Vereins mit gro- Der zweite Bericht stammt von Jaeger bei Primas Hlond wird in dem zi- fernt, rechts hinter ihm geht. Beide wir- ßer Anteilnahme verfolgt, oftmals an Schwester Wilburgis Rodemeyer, der tierten Augenzeugenbericht des bi- ken gelöst. Der Kardinal lächelt, sein Se- den Jahresversammlungen teilgenom- Chronistin des St. Josephshauses: Am schöflichen Kaplans Filipiak bezeugt, kretär lacht übers ganze Gesicht. Fremd men. Eine tiefe Heimatverbundenheit Abend des 30. August 1944 kam der ohne dass ein Datum genannt ist. Die dürften sich beide in Wiedenbrück und das persönliche Interesse an den Hochwürdigste Herr Kardinal Hlond Chronik des St. Josephshauses berich- nicht gefühlt haben. Beide stammten Beziehungen zwischen Deutschen und mit seinem Begleiter, dem hochwürdi- tet ausführlich über einen offiziellen Be- gebürtig aus dem preußischen Teil Polen in Vergangenheit und Gegenwart gen Herrn Dr. Thilipick [!], zu uns. such Jaegers in der Burg am 18. Okto- Oberschlesiens, der zum Bistum Bres- motivierten den in Wormditt Geborenen Nach der Eroberung Polens im Sep- ber 1944, ohne, allerdings einen sol- lau gehörte. Sie waren sogenannte gemeinsam mit dem ehemaligen Worm- tember 1939 mußte der Herr Kardinal chen bei Primas Hlond ausdrücklich zu „Utraquisten“, das heißt, sie beherrsch- ditter Kaplan Gerhard Reifferscheid zu seine Erzdiözese Posen-Gnesen verlas- erwähnen. Gegen Ende des Berichtes ten sowohl die polnische als auch die seinem unermüdlichem Einsatz für ma- sen und sich nach Frankreich bege- heißt es — nach beendigter Andacht deutsche Sprache von Kindheit an. terielle und kulturelle Projekte in der al- ben. Nach der Besetzung Frankreichs und dem Besuch der schätzungsweise August Josef Hlond (sprich Chlond) ten Heimat. wurde er nach Deutschland gebracht 100 kranken Schwestern — lapidar: wurde am 5. Juli 1881 als zweites von elf Die fast sechs Jahrzehnte der Mit- und durfte mit Erlaubnis der Reichsre- Dann besichtigte er das ganze Haus. Al- Kindern des Bahnarbeiters Johann gliedschaft des Verstorbenen umspan- gierung bei uns in Wiedenbrück woh- les hat ihm sehr gut gefallen. Aus dieser Hlond und dessen Ehefrau Maria Imie- nen die Epoche der Vereinsgeschichte, nen. Beide Herren waren äußerst ge- unter den politischen Umständen gebo- la im oberschlesischen Brzenskowitz in der die historisch fundierte Selbstver- wissenhaft in Ausführung aller Vor- tenen, verklausulierten Formulierung (Brzeczkowice) bei Kattowitz im Deut- gewisserung der Ermländergemein- schriften seitens der Reichsregierung. darf man zwingend den Besuch Jaegers schen Reich geboren. Vom Gymnasium schaft für die Angehörigen seiner Gene- So haben sie während ihrer Internie- bei Hlond folgern. Ebenso selbstver- in Myslowitz wechselte er 1893 nach Ita- ration ein wesentliches Element ihrer rung hier nie Haus und Garten verlas- ständlich ist zu folgern, dass Erzbischof lien, wo er bei den Salesianern in Turin geistig-kulturellen Existenz gewesen ist. sen, nie einen Brief geschrieben oder Jaeger, der um 14.00 Uhr nach Pader- seine Gymnasialstudien abschloss und Viele von ihnen begleiteten den am 2. empfangen. Vor und nach jedem Spa- born zurückfuhr, das Mittagessen zu- 1897 die Ewigen Gelübde ablegte. Wie April 2012 Verstorbenen zu seiner letz- ziergang im Garten machten sie einen sammen mit dem Hausgeistlichen Pater er, so traten drei seiner leiblichen Brü- ten Ruhestätte auf dem alten Friedhof in Besuch in der Kapelle. Wir Schwe- Alois Dietrich, Primas Hlond und des- der später dem Orden bei. Das Univer- Königswinter-Oberdollendorf. Der Histo- stern freuten uns täglich auf die drei sen Kaplan Filipiak eingenommen hat. sitätsstudium an der Gregoriana in Rom rische Verein gedenkt seiner Treue in hl. Messen. Nun fand die für uns so Eine gemeinsame Tafel mit den Schwe- Dankbarkeit. schöne Zeit ein jähes Ende ..." stern untersagte die Ordensregel. Fortsetzung auf Seite III Historischer Verein für Ermland Pfingsten 2012 III

Fortsetzung von Seite II hen Gastes rief unter den Polen, die die Einreisegesuch des Vatikans für Primas den seien. So habe Eminenz einmal das polnische Nationalhymne „Gott, der du Hlond nach Polen lehnte die deutsche Bett hüten müssen, während das Zim- krönte er 1900 mit dem Doktorat in Phi- Polen " anstimmten, eine große Begei- Reichsregierung am 13. Oktober mit Ver- mermädchen reinigte. Nach Paris sei losophie, konnte aber das Studium der sterung hervor. An diesem Tage emp- weis auf Hlonds Rede in Radio Vatikan Hlond deswegen gebracht worden, weil Theologie dort nicht anschließen, weil fing der Kardinal den Bischof [Wilhelm wegen dessen deutschfeindlicher Ein- die Gestapo mit ihm über die Bedingun- ihn sein Orden benötigte. Die Priester- Berning] aus Osnabrück. Abends fand stellung ab. Vier Tage später bestätigte gen seiner Rückkehr nach Polen ver- weihe empfing er 1905 in Krakau. Der ein großer Empfang beim Oberbürger- Vatikanbotschafter Diego von Bergen handeln wolle. Hlond sollte für die Nazi- vielseitig talentierte Pater August Hlond meister von Essen, dem früheren Un- dem päpstlichen Staatssekretariat den propaganda gewonnen werden, habe arbeitete dann als Erzieher und Redak- terstaatssekretär Dr. Franz Bracht, statt. ablehnenden Bescheid und schlug den sich aber entschieden widersetzt. Er sei teur, er betätigte sich musisch und stu- An dieser Abendgesellschaft nahmen Schneidemühler Prälat Franz Hartz als seit 17 Jahren Kardinal und wünsche dierte Germanistik sowie Slawistik an der polnische Konsul Dr. Brodzki und Apostolischen Administrator für Gne- nichts anderes — und allein das könnten der Krakauer Jagiellonen-Universität, Vertreter der politischen und wirt- sen und Posen vor. Statt seiner ernann- sie mit ihm machen: c'est de me faire bis er 1907 die Leitung des Ordenshau- schaftlichen katholischen Welt des te Papst Pius XII. 1941 den Posener mourir pour ma Patrie — fiir mein Vater- ses in Przemysl (Galizien) und 1909 die Ruhrgebiets teil. Domkapitular Dr. Joseph Paech zum land zu sterben. Laut Filipiak hätten die der Neugründung in Wien übertragen Dem Osnabrücker Bischof Berning Apostolischen Administrator der Deut- Deutschen hiernach ihre Hoffnung, den erhielt. Als nach dem Ersten Weltkrieg dürfte an einer Begegnung mit Kardi- schen im Reichsgau Warthegau, nach polnischen Primas umzustimmen, be- die Ordensprovinz in eine polnische nal Hlond aus folgendem Grund gele- dessen Resignation 1942 den erwähnten graben. und eine deutsch-österreichisch-ungari- gen gewesen sein. Im selben Jahr 1927, bayerischen Franziskaner-Minoriten Hi- Waren schon die Haftbedingungen sche Provinz geteilt wurde, übernahm als Hlond den Kardinalshut erhielt, larius Breitinger als Nachfolger. HIonds und seines Kaplans in Paris Hlond als Provinzial die 1919 in Mün- hatte die Fuldaer Bischofskonferenz und Bar-le-Duc, gemessen an den politi- chen gegründete deutsch-österrei- Berning mit der Sorge um die deut- Verhaftung und Verhandlung schen Umständen, moderat, so erschei- chisch-ungarische Provinz mit Sitz in schen Katholiken im Ausland beauf- Primas Hlond verließ am 9. Juni 1940 nen die in Wiedenbrück geradezu als Wien. Mit Hlonds Namen verbinden tragt. Die Querelen zwischen Polen Rom und reiste über Marseille nach human. Wie der Hausgeistliche Pater sich Neugründungen der Salesianer un- und Deutschen in den an die polni- Lourdes im unbesetzten Frankreich. Alois Dietrich, so bewohnte auch Pri- ter anderem in Bamberg, Benediktbe- sche Republik gefallenen Bistümern Hier blieb er bis zum 6. April 1943. An- mas Hlond drei Zimmer in der ehemali- uren, Essen-Borbeck, Helenenberg bei Gnesen-Posen, Kulm- und dem schließend waren er und seine Sekretä- gen Villa eines Landrats, die als Seiten- Trier, München, Passau und Regens- von Breslau abgetrennten neuen Kir- re, die Salesianerpatres Anton Baraniak flügel in das später angebaute St. Jo- burg; auch bemühte er sich um eine chensprengel Kattowitz boten ausrei- und Boleslaw Filipiak, Gäste in der Be- sephshaus architektonisch integriert Niederlassung in Berlin. Kurz gesagt, chend Gesprächsstoff. Bischof Berning nediktinerabtei Hautecombe in Savoy- war. Kaplan Filipiak war vermutlich in Hlond war der Experte des Ordens für wurde wenig später Päpstlicher Pro- en. Dort verhaftete die Gestapo den Pri- einem der Gästezimmer der Villa unter- die deutschen Verhältnisse, sein Herz tektor der Auslandsdeutschen in Süd- mas und Pater Filipiak am 3. Februar gebracht. Die Hauskapelle, in der aber schlug für das wieder erstandene osteuropa, blieb folglich mit den Pro- 1944 und brachte sie nach Paris, wo sie Hlond und Filipiak allmorgendlich Polen. blemen des deutsch-polnischen Ver- bis zum 4. April in einem Hotel de Ge- nacheinander unter Teilnahme von Or- Der deutsche Provinzial August hältnisses eng vertraut. Das Bistum Pa- stapo untergebracht wurden. Vom 5. densschwestern die hl. Messe zele- Hlond erfreute sich in ganz außeror- derborn betrifft eine Hlond-Aktivität April bis zum 28. August 1944 waren brierten, befand sich im gegenüberlie- dentlicher Weise der Hochschätzung des ausgehenden Jahres 1927, also beide dann in einem Kloster in Bar-le- genden Flügel des Hauses. Zwar waren des ersten Päpstlichen Nuntius im wie- noch vor seiner Deutschlandreise. In Duc einquartiert. Dort ersuchte Primas der Empfang auswärtiger Besucher und der errichteten Polen, des Italieners einer an den in Dortmund tagenden Hlond schriftlich die Gestapo um Geld Briefkontakte zur Außenwelt untersagt, Achille Ratti. Dieser hatte sich, was aus katholischen deutschen Friedenskon- für seinen Lebensunterhalt. Sekretär Fi- doch führte — wie bereits oben erwähnt dem üblichen Rahmen fiel, seine Bi- gress gerichteten Botschaft rief Primas lipiak bestätigte am 5. Juni 1944 dem — die Aufsicht über die Einhaltung die- schofsweihe in Warschau erteilen las- Hlond Deutsche und Polen zu gemein- Standartenführer der SS namens Bick- ser Vorschriften lediglich die Schwester sen; 1922 bestieg er als Pius XI. den samen Anstrengungen für den Frieden ler in Paris den Empfang von 50 000 Oberin des Hauses. Eine solche Lösung Stuhl Petri. Hlond wurde in letztge- im Rahmen ihrer Nationen auf. Francs für den Kardinal. Den Hinter- — Klosterhaft unter den Augen einer nanntem Jahr zunächst Apostolischer grund bildete das Bemühen des Reichs- Nonne - stammte sicherlich nicht von Administrator, dann 1925 erster Bi- Flucht und Odyssee über führers-SS Heinrich Himmler, den Pri- der Gestapo. Sie verdankt sich zweifels- schof des neu errichteten Bistums Kat- Rumänien, Rom und mas für die Aufstellung polnischer ohne dem Verhandlungsgeschick von towitz. Bereits im folgenden Jahr er- Frankreich nach Wiedenbrück Kampfverbände gegen die Bolschewi- Erzbischof Jaeger, der in der Kette der hielt er als Erzbischof von Gnesen und Unmittelbar nach Kriegsausbruch sten zu gewinnen. Augenscheinlich mit der Causa Hlond in den letzten Posen die Würde des polnischen Pri- setzte sich Primas Hlond am 3. Septem- stand Himmler das französische Bei- Kriegsjahren befassten politischen und mas übertragen und 1927 von Pius XI. ber 1939 über Warschau ins Ausland spiel vor Augen, wo er in Paris Kardinal kirchlichen Stellen das entscheidende, den Kardinalspurpur verliehen. Mit 45 ab. Seine Flucht gab der nationalsoziali- Alfred Henri-Marie Baudrillart als Pro- letzte Glied gebildet hatte. Jahren war er das jüngste Mitglied des stischen Propaganda Gelegenheit, Halb- tek­tor der an der Seite der Wehrmacht Dabei bestand zwischen dem Erzbi- Heiligen Kollegiums. Auf seinen wahrheiten und Gerüchte über Hlonds kämpfenden (LVF) Légion des Volontai- schöflichen Palais, dem Paderborner Wunsch hin empfing er das Kardinals- zweifelhaftes priesterliches Ethos in res Français contre le bolchevisme hat- Mutterhaus der Liebesschwestern, wie birett aus den Händen des polnischen Umlauf zu setzen. So soll er mit seinem te gewinnen können. In diesem Zusam- sie der Volksmund nannte, und der Staatspräsidenten Moscicki in der Wagen an den Kolonnen der von der menhang ist folgende Nachricht durch- Wiedenbrücker Burg ein kurzer Draht. sächsischen Kapelle des Warschauer polnischen Miliz in Konzentrationslager aus glaubhaft. Ein deutscher General Denn nach seinem Amtsantritt hatte Schlosses. Als römische Titelkirche er- getriebenen Volksdeutschen ungerührt habe Primas Hlond in Wiedenbrück Erzbischof Jaeger drei Schwestern der bat und erhielt er von Pius XI. die ne- vorbeigefahren sein. Der Posener Deut- aufgesucht und ihn bedrängt, bei Adolf Christlichen Liebe mit der Haushalts- ben der deutschen Nationalkirche San- schenseelsorger P. Hilarius Breitinger, Hitler vorzusprechen. Als Hlond dieses führung in seinem Palais beauftragt. In- ta Maria dell'Anima gelegene Kirche der zu den damaligen Opfern gehörte, ausschlug, habe ihm der General ge- wieweit die Belegung des sogenannten Santa Maria della Pace zugewiesen. bestätigte das nicht. sagt: Eminenz, Sie haben ein großes Schutzengelhauses der Burg mit Solda- Nachdem Kardinal Hlond von seiner Über Bukarest und Triest gelangte Spiel verspielt! Die Werbung und Ver- ten der Wehrmacht eine Rolle für den römischen Titelkirche Besitz ergriffen Hlond am 19. September nach Rom, wo wendung polnischer Freiwilliger, die ab Schutz oder die Kontrolle von Primas hatte, besuchte er Deutschland. Offiziell er zwei Tage später über Radio Vatikan Herbst 1944 gezielt betrieben wurde, Hlond spielte, ist aus den Unterlagen galt seine Aufwartung, wie es hieß, den seine Landsleute zum Widerstand ge- zeigte nur ein mäßiges Echo. Dem Plan nicht ersichtlich. Allgemein ist daraus drei deutschen Kardinalen, Michael gen die deutsche Besatzung aufrief. Sei- schließlich, eine ordentliche Polnische aber zu folgern, dass dadurch der Zu- von Faulhaber in München, Karl Jo- ne Rede fand im Ausland ein großes Legion aufzustellen, kam der Ein- gang der Gestapo zum St Josephshaus seph Schulte in Köln und Echo. Die Nationalsozialisten rächten marsch der Roten Armee innerhalb we- erschwert war. in Breslau, sowie dem Apostolischen sich mit Repressalien und Exzessen am niger Tage in Polen zuvor. Nuntius Eugenio Pacelli in Berlin. Hier polnischen Klerus. Hlonds Flucht aus Zur Schlüsselrolle wurde er nach einer mit polnischen seinem Bistum wirft einen tiefen Schat- Haftbedingungen von Erzbischof Lorenz Jaeger und deutschen Gesängen gestalteten ten auf seine Biographie. Wie er, so hat- Von den Haftbedingungen HIonds in Für die Motive der Überführung Morgenandacht in der St. Hedwigskir- te einzig der Bischof von Pelplin beim Paris und Bar-le-Duc vermittelt der Be- Hlonds ins Deutsche Reich — konkret che von Erzbischof Pacelli, dem späte- Einmarsch der Deutschen das Weite ge- richt des stellvertretenden Bürgermei- dann nach Wiedenbrück — gibt es zwei ren Papst Pius XII., zu einem Frühstück sucht. Erzbischof Adam Stefan Sapieha sters von Commercy/Dép. Meuse, An- Versionen, die sich ergänzen dürften. empfangen. Im Nebenprogramm be- von Krakau, eine Säule des polnischen dré Perron, vom 25. September 1944 ei- Die erste Aussage stammt vom Gene- suchte Kardinal Hlond etliche Häuser Episkopats, und die übrigen Oberhirten nen anschaulichen Eindruck. Der Kardi- ralgouverneur des Generalgouverne- des Salesianerordens. Über seinen Auf- waren bei ihrer Herde geblieben. Wie nal und sein Sekretär Filipiak seien am ments Polen Reichsminister Dr. Hans enthalt in Essen berichtet die in Berlin man im Vatikan Hlonds Flucht bewerte- 6. April von Paris nach Bar-le-Duc ge- Frank, in Krakau. In seinem Dienstta- verlegte polnische Zeitung Dziennik te, lässt sich an folgenden Schritten able- bracht worden. Am Pfingstsonntag, dem gebuch notierte Frank unter dem 6. Berlinski ausführlich: Am Sonntag, dem sen. Pius XII. gab am 30. September den 9. April, habe er dort Kardinal Hlond ein März 1944 die Mitteilung an den Kra- 12. Februar 1928, hielt der Kardinal-Pri- in Rom weilenden Polen in Castel Gan- erstes Mal getroffen. Dieser habe ge- kauer Erzbischof Sapieha, dass er mas Hlond, nachdem er die Weihe ei- dolfo eine Audienz, ohne dass Primas lacht und sei voller Optimismus gewe- beim Reichsführer-SS Heinrich Himm- ner Kapelle im Salesianerinstitut in Bor- Hlond in ihr das Wort ergreifen durfte. sen. Sekretär Filipiak habe ihm erzählt, ler die Freilassung Hlonds erreicht ha- beck vollzogen hatte, einen Festgottes- Bereits am 1. Oktober hieß es im Päpst- unter welchen Umstanden sie in Haute- be. Offensichtlich hatten zwischen Sa- dienst ab, worauf er den im Hofraume lichen Staatssekretariat, dass Hlond auf combe verhaftet, nach Paris in ein hotel pieha und Frank zuvor Gespräche zum versammelten etwa 5000 Polen seinen Wunsch des Papstes zur Rückkehr nach de Gestapo gebracht und dort unter un- Segen erteilte. Das Erscheinen des ho- Polen bereit sei. Ein entsprechendes würdigen Bedingungen behandelt wor- Fortsetzung auf Seite IV IV Pfingsten 2012 Historischer Verein für Ermland

Fortsetzung von Seite III zung verfolgte Kirchenpolitik und die kleinen Kinder, die Mütter kratzten den der ihm beim Hochwürdigen Herrn De- Repressalien in den annektierten Schnee ein wenig weg und legten ihr to- chanten in Wiedenbrück überlassenen Thema Hlond stattgefunden. Freilas- Grenzgebieten Elsass, Lothringen, Lu- tes Kind hinein. Über die zurückgeblie- Wohnung — in unserm St. Josephshau- sung kann in diesem Zusammenhang xemburg, Slowenien und Warthegau bene Bevölkerung fielen die Russen se zu Gast... Der Hochwürdigste Herr nur heißen, dass Reichsminister Frank protestiert werden. Die Passage über her. Männer, Frauen und Kinder wur- Bischof Kaller und sein Sekretär, Hoch- den Reichsführer-SS Himmler davon die Kirchenverfolgung im Warthegau den zusammengestellt und hinter die würden Herr Dr. Fittkau, fanden im Juli abbrachte, Hlond in einem KZ zu inter- nimmt darin einen bemerkenswerten russische Front gebracht. Sie mußten 1946 bei unseren Schwestern in Wie- nieren und ihn statt dessen für den Umfang ein. Unterschrieben wurde die vor und neben den Wagen der Russen denbrück einstweilen ein Zuhause. Seit Kampf gegen den Bolschewismus zu von Jaeger verfasste Denkschrift von herlaufen, 200 km weit. Viele starben Januar 1945, als er seine geliebte Bi- gewinnen. In der polnischen Öffent- Kardinal Bertram. Wie Hitler reagierte, unterwegs, auch sein 8ojähriger Dom- schofsstadt Frauenburg/Ostpreußen lichkeit wurden solche kirchenpoliti- ist nicht bekannt. Bei Reichspropagan- herr. Sein Kaplan, der kranke Herr Dr. verlassen mußte, teilte er das harte Los schen Interna nicht bekannt. daminister Joseph Goebbels löste allein Fittkau, ist wie durch ein Wunder zu- der Flüchtlinge. Sein starker Glaube, Nach der zweiten Lesart entgingen die Tonart der Denkschrift, die alles rückgekommen, von Kopf bis Fuß mit das unerschütterliche Gottvertrauen Hlond und sein Kaplan der Einweisung Maß verloren hat, einen Wutanfall aus. Geschwüren bedeckt, infolge des Hun- und die tiefe Kreuzesliebe waren Unge- in das KZ Sachsenhausen auf Initiative gers und der großen Entbehrungen. zählten seiner Diözesanen, die mit ihm des Vatikans durch die Intervention Kardinal Hlond zwingt Hinter der Front wurden die Armen den gleichen Weg der Armut und Ent- des Vorsitzenden der Gesamtdeut- Bischof Kaller von Ermland und verladen und nach Sibirien gebracht. In behrung gingen, Richtschnur und Halt. schen Bischofskonferenz, des Breslau- Großdechant Monse von Glatz Ostpreußen plünderten indessen die Nachstehende kurze Aufzeichnungen er Kardinals Adolf Bertram, sowie des zur Abdankung, Russen, nahmen den Bewohnern alles, aus einer Predigt, die Exzellenz an un- Kommissars der Bischofskonferenz bei die in Wiedenbrück gastliches auf dem Lande auch das Vieh, steckten sere alten Wiedenbrücker Schwestern den Berliner Reichsbehörden, Bischof Obdach finden die Städte und Dörfer an, verwüsteten hielt, bezeugen so recht seine volle Hin- Heinrich Wienken, und des Paderbor- Mit dem Namen des polnischen Pri- die Felder, sodaß das Land einer Ein- gabe an den göttlichen Willen, auch im ner Erzbischofs Lorenz Jaeger. mas Kardinal Hlond verbindet sich öde glich. Am schlimmsten hatten die tiefsten Leid: „Die hl. Kirche singt am Das diplomatische Tauziehen um aufs Engste das Schicksal der Heimat- Frauen und Kinder zu leiden, die von Karfreitag: ,Seht das Kreuz, an dem das den Verbleib Hlonds muß spätestens vertriebenen aus dem deutschen den Russen aufs schrecklichste verge- Heil der Welt gehangen!' Vom Kreuz al- Mitte August 1944 zugunsten Jaegers Osten. Unter vorgeblicher Ermächti- waltigt wurden. Auch Schwestern ent- so ist uns Heil, Erlösung und Segen ge- beendet gewesen sein, der sich bereit gung durch den Heiligen Stuhl erzwang gingen diesem Schicksal nicht. Nach kommen. So ist es auch heute noch. erklärt hatte, Primas Hlond in seinem er die Resignation der deutschen Ober- dem Abzug der Russen kamen Polen Gott führt die Menschen auf den Kreuz- Erzbistum aufzunehmen. Nur so ist die hirten und ihre Ausweisung aus den dorthin. Diese waren von den Russen weg, um sie in den Himmel zu führen. übereilte Überführung Hlonds von polnisch besetzten Bistümern Ost- aus dem Gebiete vertrieben, das Polen Die Flüchtlinge müssen den Kreuzweg Metz nach Wiedenbrück Ende August deutschlands. Die Vorgänge sind von an Rußland abtreten mußte. Die Leute, der Leiden gehen, die Verschontgeblie- zu erklären, von der auch der Vatikan deutscher und polnischer Seite unter- die sich vor den Russen versteckt hat- benen den Kreuzweg der Liebe. Sie offensichtlich überrascht wurde. Nach- schiedlich aufgearbeitet. In unserem ten, wurden nun von den Polen ausge- müssen den Flüchtlingen so viel geben, dem das Päpstliche Staatssekretariat Zusammenhang verdienen Bischof Ma- plündert, zwangen sie zu schweren Ar- daß es ihnen zu heiliger Gotteslast mit einer Note vom 18. September 1944, ximilian Kaller von Ermland und Groß- beiten, ließen sie ohne Geld und Nah- wird. Wenn wir in Vereinigung mit dem die Pius XII. am folgenden Tag autori- dechant Franz Monse von Glatz beson- rung. Es war nicht das gläubige polni- Heiland den Kreuzweg der Leiden oder sierte, die Reichsregierung um Aus- derer Erwähnung, weil beide nach ih- sche Volk, sondern die Kommunisten, Liebe gehen, wird auch für uns ein gro- kunft über den Verbleib Hlonds ersucht rer Vertreibung vorübergehend Unter- die so hausten. Der Hochwürdigste ßer Segen aus dem Kreuze hervorge- hatte, antwortete die Deutsche Bot- kunft in Wiedenbrück fanden. Herr sagte: „Wir müssen uns immer hen und uns sicher zu den Freuden des schaft beim Heiligen Stuhl am 2. Okto- In der Chronik des St. Josefshauses wieder fragen: Warum hat Gott dieses Himmels führen." - Vom St. Jo- ber 1944: Sie habe auf ihre entsprechen- heißt es dazu: Der folgende Monat [Juli furchtbare Leid geschickt? Die heilige sephshause aus betreute der gute Hirt de Anfrage vom Auswärtigen Amt in 1946] brachte uns eine große Überra- Kirche, die uns so herrliche Lehren seine zersprengte Herde, die zum größ- Berlin die Mitteilung erhalten, dass für schung, indem der liebe Gott uns am 2. gibt, singt am Karfreitag: ,Seht das ten Teil im protestantischen Norden den Kardinal und seine Begleitung Juli wieder einen hochstehenden Gast, Kreuz, an dem das Heil der Welt gehan- Deutschlands untergebracht war. Kein durch Vermittlung Seiner Eminenz des den Hochwürdigsten Herrn Dr. Maximi- gen.’ Vom Kreuze also ist uns Heil, Erlö- Opfer war ihm zu groß, kein Weg zu Kardinalerzbischofs Bertram und Sei- lian Kaller, Bischof von Ermland in Ost- sung und Segen gekommen. So ist es weit im Dienste seiner Ermländer. Am ner Exzellenz des Erzbischofs Jaeger preußen, zusandte und seinen Sekre- auch heute noch. Gott führt die Men- 8. Oktober nahm der Hochwürdigste Räume in einem religiösen Heim in der tär, den hochwürdigen Herrn Dr. Fitt- schen auf den Kreuzweg, um sie in den Herr Bischof Abschied vom Jo- Erzdiözese Paderborn zur Verfügung kau. Als die Russen im Jahre 1945 im Himmel zu führen.“ Die Flüchtlinge sephshause, um den Auftrag des Heili- gestellt worden seien. Nuntius Cesare Januar in Ostpreußen einrückten und müßten den Kreuzweg der Leiden ge- gen Vaters: Sorge für die Ostflüchtlinge Orsenigo sei durch das Auswärtige Amt auch seine Bischofsstadt Frauenburg hen, die Verschontgebliebenen den — nachzukommen. Ein schweres Pro- von Vorstehendem unterrichtet. beschossen, befand sich der Hochwür- Kreuzweg der Liebe ... blem — die Lösung der Flüchtlingsfrage. Warum, so fragt man sich, spielte aus- digste Herr bei den 300 Flüchtlingen, Die Provinzchronik der Schwestern Bischof Kallers Einsatz wurde den gerechnet der Paderborner Erzbischof die in seinen Kellerräumen Zuflucht ge- der Christlichen Liebe in Paderborn be- Flüchtlingen zum Segen ... Jaeger eine Schlüsselrolle in dem bri- funden hatten. Während die Kanonen leuchtet die bedrückenden Vorgänge Bischof Maximilian Kaller, den Papst santen Vorgang? Ein Blick hinter die di- an den Mauern seines Hauses prallten, ähnlich: Schwerer und drückender Pius XII. zum Päpstlichen Sonderbe- plomatischen Kulissen gibt die Ant- betete er mit ihnen und spendete ihnen noch wurde die ohnehin große Notlage auftragten der deutschen Ostvertriebe- wort: Weil Jaeger in der Gesamtdeut- die hl. Communion. Von dieser heiligen und Bedrängnis durch den täglich an- nen ernannt hatte, verblieben nur Mo- schen Bischofskonferenz der von Kar- Handlung wurde er fortgerufen, es sei- wachsenden Strom von Flüchtlingen, nate, seiner schweren Aufgabe nach- dinal Bertram autorisierte Fachmann en drei Herren da, die ihn sprechen die, zu Millionen und Abermillionen zukommen. Am 22. Juni 1947 sprach er für kirchliche Belange der besetzten Ge- wollten. In der Meinung, es seien aus den Gebieten jenseits der Oder und 25 000 Vertriebenen im oberbayeri- biete war. Schon bald nach seinem Flüchtlinge, begab er sich zu ihnen. Da Neiße vertrieben, bei ihren Brüdern schen Altötting, am folgenden 29. Juni Amtsantritt hatte der junge Paderbor- stand er den Männern von der Gestapo und Schwestern im „Altreich" Unter- 15 000 Flüchtlingen im westfälischen ner Erzbischof ungeschönte Einsicht in gegenüber, die sich mit Maschinenpi- kunft, gütiges Verstehen und barmher- Werl und am 6. Juli Abertausenden die katastrophalen kirchlichen Verhält- stolen vor, neben und hinter ihn auf- zige Liebe suchten. 0 diese Armen, von von heimatlosen Landsleuten im frän- nisse im besetzten Polen, insbesondere stellten und sagten, sie hätten den Auf- Haus und Hof Verjagten! War ihr Los kischen Vierzehnheiligen Trost und des Warthegaus, in dem die nach der trag, ihn fortzubringen. Er weigerte nicht weit härter und bitterer als das Mut zu. Der Tod ereilte ihn am folgen- Flucht Hlonds bischöflich verwaisten sich, mitzugehen. Nach einer Stunde der Ausgebombten? Sie hatten nicht den Tage in am Main. Seine Erzbistümer Gnesen und Posen lagen, Hin- und Herredens nahmen sie ihn ge- nur Hab und Gut verloren wie wir, ih- letzte Ruhe fand er in Königstein im erhalten. Die von den bereits oben er- fangen und führten ihn gewaltsam fort. nen hatte man alles, auch die Heimat Taunus. Das Requiem feierte für ihn wähnten Interimsverwesern in Gnesen Nach langer, langer Reise, auf der er bei genommen. Schon Anfang Januar 1945 der Kölner Erzbischof Josef Kardinal und Posen, Paech und Breitinger, an jeder neuen Wache neue Verhöre be- begann diese gewaltsame, vom Leid ge- Frings, die Totenpredigt hielt der Pa- Kardinal Bertram gelangten haarsträu- stehen mußte, viel Kälte, Hunger und zeichnete große Völkerwanderung, wie derborner Erzbischof Lorenz Jaeger. benden Lageberichte hatte dieser am 6. Durst litt, kam er in [a. d. Saale] die Weltgeschichte sie bisher noch Was mag der Bischof gelitten haben, Oktober 1941 durch einen Boten zu an, das von den Amerikanern besetzt nicht erlebt hatte. In brutalster Weise, als er sein Bistum verlor, als die Lei- Nuntius Orsenigo nach Berlin bringen war. Sie boten ihm ihre Hilfe an. Auf sei- unter unmenschlichen Härten, Verde- den über die Seinen kamen! — fragte lassen. Dieser wiederum hatte sie um- ne Bitte halfen sie ihm, in Begleitung mütigungen und Quälereien wurden al- Jaeger rhetorisch. Es drängt sich die gehend an den Vatikan weitergeleitet. polnischer Schwestern fur einige Tage le Deutschen aus Schlesien, Pommern, Frage auf unsere Lippen: Warum? Von dort waren sie Ende Mai/Anfang in seine Heimat zurückzukehren. Er Ost- und Westpreußen des Landes ver- Wohl sind wir die Totenklage in Juni 1942 Primas Hlond in Lourdes zur wandte sich an den polnischen Erzbi- wiesen. Priester und Ordensleute teil- Deutschland gewöhnt, aber soviel ge- Kenntnis gebracht worden. schof von Posen-Gnesen, an den Herrn ten das Schicksal ihrer Landsleute, u. a. klagt, wie um diesen Toten, ist noch Auf der Plenarkonferenz der Bischö- Kardinal Hlond; auch er hieß ihn, seine auch der Hochwürdigste Herr Weihbi- selten im deutschen Land. fe Großdeutschlands in Fulda hatte sich Diözese zu verlassen. In Ostpreußen schof Ferche aus Breslau, der Hoch- Die Heiligen haben zwei Leben, so am 19. August 1942 der junge, erst seit sah er die furchtbaren Leiden der Be- würdigste Herr Bischof Kaller aus Erm- heißt es im Volksmund: eines vor und einem dreiviertel Jahr amtierende Pa- völkerung, insbesondere der Flüchtlin- land/Ostpreußen sowie der Hochwür- eines nach dem Tod. Wie für den pol- derborner Erzbischof Jaeger bereit er- ge. Durch die SS wurden die Leute mit digste Herr Generalvikar der Grafschaft nischen Primas Hlond, so läuft auch klärt, den Entwurf für eine Denkschrift Gummiknüppeln bei 21 Grad Kälte aus Glatz/Schlesien, Monse; ersterem bot für Bischof Kaller der Seligsprechungs- an zu verfassen. In ihr soll- ihren Wohnungen auf die Flucht getrie- Köln eine neue Heimat. Letzterer war prozess. Man darf gespannt sein, was te gegen die von der deutschen Besat- ben. In der bitteren Kälte starben die 1946 kurze Zeit — bis zur Herrichtung die Zukunft bringt.