Die Fibelgräber Der Frühmittelalterlichen Nekropole Von Petting (Oberbayern)
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Bayerische Vorgeschichtsblätter 78, 2013, S. 205–234 Die Fibelgräber der frühmittelalterlichen Nekropole von Petting (Oberbayern) Brigitte Haas-Gebhard und Franz Weindauer, München Der Fundort Petting spielte in der Erforschung der früh- Fundgeschichte mittelalterlichen Siedlungsentwicklung Südbayerns bis- lang kaum eine Rolle. Grund dafür ist eine ausgespro- chen problematische Fundgeschichte, die dazu führte, Die Ausgrabung des frühmittelalterlichen Gräberfeldes dass das Gräberfeld im Rahmen einer archäologisch-his- von Petting wurde notwendig, weil das Areal als Bau- torischen Auswertung nur unzureichend zur Kenntnis gebiet ausgewiesen worden war. Da die Grundstücke genommen werden konnte. für den Bau von Einfamilienhäusern bereits vor der Grabung an verschiedene Bauherren verkauft worden waren, ergab sich aufgrund der in Bayern bestehenden Rechtslage der Fall, dass der Freistaat Bayern als Finder Lage und Ausgrabung (= Ausgräber) den hälftigen Anteil an allen Fundstücken erworben hatte. Die andere Hälfte des Fundanteiles lag dagegen in den Händen von insgesamt 19 Grundei- Der Ort Petting befindet sich etwa 1 km südlich des Süd- gentümern, mit denen Verhandlungen über den end- ufers des Waginger Sees (Abb. 1). Der Abstand zu den gültigen Verbleib der Funde zu führen waren. Diese nördlichsten Ausläufern der Berchtesgadener Alpen be- Situation war zugegebenermaßen nicht ganz einfach trägt rund 10 km, zur Salzach 8 km, bis Salzburg sind es und konnte erst nach mehreren Anläufen von der Ar- etwa 25 km und bis nach Waging am See 7 km. chäologischen Staatssammlung und dem Bayerischen Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege Landesamt für Denkmalpflege im Jahr 2010 gelöst wer- führte in den Jahren 1991 bis 1993 eine großflächige den. Nur Dank des Einsatzes des Ersten Bürgermeisters archäologische Grabung auf der Flur „Am Mühlfeld“ in von Petting, Karl Lanzinger, und seinen Mitarbeitern Petting durch. Die Gräber kamen rund 200 m östlich der kam es zu einer Eigentumsübertragung aller Objekte Pettinger Pfarrkirche St. Johannis zum Vorschein. an den Freistaat Bayern. Aufgrund der bis 2010 nicht Sie wurden damals in einen feucht-lehmigen Un- geregelten Eigentumsverhältnisse waren seit Ende der tergrund eingebracht bei dem es sich um Sedimentreste Ausgrabung so gut wie keine Restaurierungsmaßnah- des ehemaligen Südteils des Waginger Zungenbecken- men an den Funden von Petting vorgenommen wor- sees handelte. Dieser naturgeografische Umstand führ- den. Nur wenige Objekte, die sich heute im Bajuwaren- te dazu, dass sich Holz, Leder, vor allem aber Textilien museum Waging befinden, wurden restauriert. Das Ma- ungewöhnlich gut erhalten haben. Derzeit wird durch terial aus den 721 Bestattungen blieb deshalb der For- Dipl. Rest. Ina Schneebauer-Meißner eine Dissertation schung bisher weitgehend unbekannt. Lediglich zwei zu den Textilbefunde der Männergräber von Petting Bestattungen des 7. Jahrhunderts wurden vorab im Jahr- verfasst. Ohne ihrer Arbeit vorgreifen zu wollen, muss buch „Das Archäologische Jahr in Bayern“ vorgestellt2. bereits an dieser Stelle betont werden, dass die Befun- Aber nicht nur die lange Zeit ungeklärten Eigentums- de von Petting den Forschungsstand über frühmittel- verhältnisse hatten Einfluss auf die Behandlung des alterliche Textilien zukünftig maßgeblich beeinflussen Gräberfeldes. Als nahezu fatal erwies sich, dass wenige werden. Jahre zuvor das Bayerische Landesamt für Denkmalpfle- Während der zweijährigen Grabungstätigkeit ge im nur 7 km Luftlinie entfernt liegenden Waging mit konnten 721 Bestattungen geborgen werden. Mit ledig- 239 Gräbern Teile eines größeren frühmittelalterlichen lich 24 bereits zuvor zerstörten Gräbern gelang eine fast Gräberfeldes ausgegraben hatte. Dessen Fundmate rial vollständige Untersuchung des Gräberfeldes. Mit dieser wurde unter erheblichem Aufwand unmittelbar im Anzahl an Bestattungen rangiert Petting hinter dem Anschluss daran vom Bayerischen Landesamt für Denk- mutmaßlich doppelt so großen Gräberfeld von Bad Rei- malpflege komplett restauriert und ab 1998 weitgehend chenhall-Kirchberg auf Rang zwei der großen Reihen- gräberfriedhöfe in den Regionen des oberbayerischen Alpenvorlandes, des Salzburger Landes und Tirol1. 1 Einen ersten Einblick zur Nekropole liefert die im Druck be- Franz Weindauer findliche Dissertation des Verf.: Weindauer 2012, 39 f., 143, 310 f., 320; eine Auflistung der bisher erschienenen Literatur findet sich unter 536 f. 2 Reimann 1991; Knöchlein/Reimann 1992. 205 Brigitte Haas-Gebhard und Franz Weindauer Abb. 1. Die Lage des Fundortes Petting und anderer frühmittelalterlicher Reihen- gräberfelder. o. M. in einem eigens dafür errichteten Museumsbau in Wa- Unmittelbar nach der Übergabe des Pettinger ging ausgestellt. Ronald Knöchlein erarbeitete einen Ka- Fundmaterials an die Archäologische Staatssammlung talog zu diesem Gräberfeld3, der allerdings noch einer im Jahr 2010 war klar, dass aufgrund des hohen Zeitauf- Publikation harrt, so dass auch für das Gräberfeld von wandes und zahlreicher weiterer ebenfalls zur Restau- Waging die Fachwelt bislang auf einige Einzelstudien rierung anstehender Reihengräberfelder nicht alle Fun- und einen populär gehaltenen Museumsführer ange- de einer konventionellen Restaurierung unterzogen wiesen ist4. werden konnten. Ein schnelles Handeln, um den Be- Es erscheint verständlich, dass nach dem Kraftakt stand zu sichern, tat aber Not, denn an den Eisenobjek- der Restaurierung eines kompletten Reihengräberfeldes ten zeichnete sich bereits ein deutlicher Materialverlust das Interesse an zeitgleichem Material aus ein- und der- ab, dem es entgegen zu treten galt. Die Funde wurden selben Region erlahmt war. Zudem galt das Gräberfeld deshalb im Rahmen des an der Archäologischen Staats- von Waging mit einer Beraubungsquote von 7 % als sammlung entwickelten Erstversorgungsprogramms wenig beraubt5, während das von Petting zu 50 % als für Reihengräberfunde restauratorisch versorgt8. Ziel beraubt erschien6. Hinzu kam, dass man das Gräberfeld dieses Programms war eine langfristige Sicherung der von Petting als eher ärmlich ausgestattet betrachtete, noch vorhandenen Substanz unter ökonomischen Ge- da die Anzahl der fibelführenden Gräber in Waging mit sichtspunkten bei gleichzeitiger Gewährleistung einer 13 Bestattungen prozentual natürlich viel höher ausfiel leichten Zugänglichkeit und der Möglichkeit einer wis- als in Petting mit seinen 12 fibelführenden Gräbern. senschaftlichen Bearbeitung der Funde. Auch die museal besonders attraktiven und für die Ein- Dazu wurden die meisten Objekte geröntgt, die ordnung besonders wichtig erscheinenden Bügelfibeln Perlen gereinigt und fotografisch dokumentiert, Mün- sind in Waging mit acht Exemplaren aus sechs Gräbern zen soweit freigelegt, dass eine Bestimmung möglich zahlenmäßig viel stärker vertreten als die drei Exempla- war und anschließend stabilisiert, sowie die Edel metall- re aus zwei Gräbern von Petting7. objekte gewogen. Die Funde befinden sich heute ge- Es ist also festzuhalten, dass das durchaus bedeu- skinnt auf Tableaus im Frühmittelalter-Depot der Ar- tende Gräberfeld von Petting aus verschiedenen Grün- chäologischen Staatssammlung. Die Fibelgräber sollen den in der Forschung bislang nicht richtig zur Kenntnis hier vorab vorgelegt werden. Da die Materialmenge und genommen werden konnte, obwohl es in einer wichti- die Spezialisierung im Frühen Mittelalter immer mehr gen Siedlungskammer im unmittelbaren Umfeld von ansteigt, wurde die wissenschaftliche Einordnung auf Salzburg liegt. Seine komplette Auswertung verspricht zwei Wissenschaftler verteilt: F. Weindauer nahm die u. a. neue Erkenntnisse zum Verhältnis der alt einge- Einordnung der Fibeln vor, B. Haas-Gebhard die der an- sessenen Provinzialbevölkerung – hier als Romanen deren Beigaben. Beide arbeiteten unabhängig voneinan- bezeichnet – zu den neu hinzugekommenen Bevölke- der und verglichen ihre Einschätzungen erst im letzten rungsteilen im 6. Jahrhundert. Arbeitsschritt. 206 Fibelgräber von Petting Anzahl und Lage der Fibelgräber gut dokumentiert ist9. Einzeln getragene Kleinfibeln liegen an einer dieser beiden Stellen, entweder auf der Brust (Grab 311, 459, 630) oder am Hals (Grab 388, 625). Aus 12 Gräbern wurden drei Bügelfibeln und 16 Klein- Obwohl die Nadelausrichtungen der Kleinfibeln auf fibeln geborgen, wobei in keinem Fall eine vollständige der Grabung nicht festgehalten wurden, machen es die Vierfibeltracht vorliegt(Abb. 2). Grabzeichnungen wahrscheinlich, dass die Kleinfibeln Die 12 Gräber konzentrieren sich weitgehend in weitgehend mit der Nadel waagerecht oder leicht schräg einem etwa 15 m breiten N-S-verlaufenden Streifen zur Körperlängsachse getragen wurden. Die Bügelfibeln etwa in der Mitte des Gräberfeldes (Abb. 3). Es lassen in den Gräbern 190 und 377 liegen mit der sog. Kopf- sich grob drei Areale, nämlich die Gräber 340, 361 und platte nach Osten jeweils zwischen den Oberschenkeln 388 im Norden, die Gräber 625 und 630 im Süden, so- der Bestatteten. Die beiden Exemplare in Grab 190 sind wie die mittig gelegene Gruppe der Gräber 172, 174, vertikal übereinander ausgerichtet. Zwischen den Ober- 182, 190, 311 und 377 unterscheiden. In einem deutli- schenkeln ist dies die charakteristische Lageposition chem Abstand von allen diesen Gräbern liegt etwa 20 m von Bügelfibeln frühestens ab dem 2. Drittel des 6. Jahr- westlich als solitäres Fibelgrab die Bestattung Grab 459. hunderts10, während typologisch ältere Formen eher im Auffallenderweise sind drei der Fibelgräber Teile einer Taillen- oder Hüftbereich und auch