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eimatkundliche Publikation Nr. 17

AMMERN

d seine politische Entwicklung

Vor zehn Jahren wurde Mammern als Darum ist es nicht weiter erstaunlich, eigenständige Politische Gemeinde kon­ dass Mammern am Jubiläumsfest «200 stituiert. Daher feiern wir dieses Jahr Jahre Thurgau» als eine der Hauptat­ nicht nur 200 Jahre Thurgau, sondern traktionen einen politischen Stammtisch auch zehn Jahre Politische Gemeinde mit verschiedenen Persönlichkeiten aus Mammern. dem öffentlichen Leben veranstaltet. ln diesen" zehn Jahren wurde viel er­ Das Engagement und die Initiative, wel­ reicht; eine effizi.ente und schlanke Ver;_ che hinter dem gesamten Auftritt von waltung wurde aufgebaut, der Steuer­ Mammern in Frauenfeld steckt, ist ein fuss konnte kontinuierlich gesenkt wer­ Zeichen für die Identifikation und Ver­ den, die Versorgungsinfrastruktur ist auf bundenheit mit Mammern. Allen Verei­ modernstem Stand. Mammern beweist nen und Personen, die an diesem Auftritt im täglichen Leben immer wieder, dass mitwirken, sei hier ein herzliches Danke­ auch heute kleine Einheiten nicht nur . schön gesagt. Wir alle freuen uns auf überlebensfähig sind, sondern auch effi­ zahlreiche interessante und spannende zient und bürgernah funktionieren kön­ Begegnungen und Gespräche in der nen. Die direkte Demokratie wird beson­ Mammerner Festwirtschaft «Aieböck>>. ders intensiv in kleinen Einheiten gelebt. · Anita Däh/er-Enge/, Gemeindeammann Mammern am Kantonsjubiläum

Von Markus Germann So liegt es nahe, auch in der Festbeiz i Frauenfeld politische Diskussionsfo ln Mammern bestand von Anfang an zu veranstalten und dabei namhafte eine sehr positive Grundstimmung zum sönlichkeiten des öffentlichen Lebens grossen Jubiläumsfest Bei der Präsen­ Kanton in die Gespräche einzubeziehen tation in Frauenfeld konzentriert man Kantonsrat Hansjörg Lang ist an den sich auf Bereiche, welche typisch für Jubiläumstagen für die einstündigen unser Dorf sind. Rege Diskussionen an kussionen verantwortlich und freut den Stammtischen in den überregional auf interessante Gesprächsrunden. bekannten Gasthäusern waren und sind wichtig für das politische Leben im Dorf. Stammtischgespräche pflegen Zum Thema «Tourismus und Verkeh nehmen am Freitag von 17 bis 18 Regierungsrat Hanspeter Ruprecht u Ex-Nationalrat Ernst Mühlemann PI am Stammtisch in der Mammerner wirtschaft «Aieböck». Am Samstag gleichen Zeit stehen Ständerat Dr. Phi lipp Stähelin und Regierungsrat Dr. par Schläpfer Rede und Antwort «Wirtschaft und Soziales». Der « Wirtschaft» gewidmet ist die dritte sprächsrunde am Sonntag von 1 0 bis 1 Uhr. Bei Moderator Dr. Hansjörg werden die Bauernsekretärin Dr. Herm ne Hascher und Ständerat Dr. Hni'YY"I�n.­ Bürgi Platz nehmen. Die Gesp den sollen aufzeigen, wie in Mammern Beispiel einer kleinen Gemeinde m hohem politischem Selbstverständnis Föderalismus und Eigenständigkeit pflegt werden.

Singen und Schiessen Singen hat in Mammern seit mehr einhundert Jahren bei den Männern dition. Die Jahresunterhaltungen in Mehrzweckhalle ziehen im Januar weils ein grosses Publikum aus nah fern an. Die sangesfreudigen Frauen Mammern und Umgebung haben letzten Jahr einen Frauenchor gegründ und können bereits auf einige erfol ehe Auftritte zurückblicken.

2 Deshalb wird die im Unterseedorf beste­ Gut speisen im «Aieböck» hende Gesangskultur an allen drei Fest­ Kulinarisch kann man sich in der Fest­ tagen hochgehalten beim «Offenen Sin­ Wirtschaft «Aieböck» verwöhnen lassen. gen» mit Claudia Hugentobler. Sie leitet Diese ist am Freitag zwischen 1 0 Uhr seit vielen Jahren erfolgreich den Män­ und 2 Uhr, am Samstag zwischen 1 0 nerchor und seit der Gründung des Uhr und 4 Uhr sowie am Sonntag von 1 0 . Frauenchors auch diesen. Das Singen Uhr bis zum Festschluss am Abend findet am Freitag und Samstag von 19 offen. Angeboten werden Fischknusperli bis 20 Uhr statt, am Sonntag von 13 bis mit Sauce Tartar, hausgemachter Kar­ 14 Uhr im Anschluss an den Frühschop­ toffelsalat, Hamburger, Grillspiessli so­ pen, der um 11 .30 Uhr beginnt. wie zum Dessert Apfelstrudel mit Vanille­ Im Frühling 2003 feierte die Feldschüt­ sauce. Die Bar ist jeweils ab 20 Uhr zengesellschaft Mammern ihr 125-Jahr­ geöffnet. Jubiläum, welches in der Heimatkundli­ chen Publikation Nummer 16 gewürdigt wurde. Auf spielerische Art bieten die Der Bezirk Steckborn präsentiert erfolgreichen Schützen und Schützinnen sich in Frauenfeld unter dem Motto mit dem Laserschiessen die Möglichkeit, «SEE, RHY - NaTHUR PUR» im den Schiesssport kennen zu lernen. Dreieck hinter der Post, der Kanto­ Bildhauerin Heidi Beerli aus Mammern nalbank und dem Swisscom-Ge­ und Matthias Schneider aus Berlingen bäude. Der Festplatz der Seege- . stellen während drei Tagen ihr Hand­ meinden Berlingen und Mammern werk vor. Zwei grosse Steinplatten wer­ befindet sich im . Hof der Liegen­ den bearbeitet und nach dem Fest als schaft «Kesselring» und ist über ei­ Kunstwerke in den Gemeinden als Erin­ nen Hochwassersteg zu erreichen. nerung an das Jahrhundertfest platziert.

3 Die «kleine Helvetik» - Ein paar Überlegungen zur Medi tionszeit im Thurgau 1803 bis 1813 ; Von Andre Sa!athe, Staatsarchivar Kantone waren die Baumeister des Bu desstaates; für sie war die Mediation vori Am 19. Februar 1803 unterzeichnete Na-' 1803 nicht eine «kleine poleon I. in Paris die sogenannte Media­ (als Vorläuferin der «grossen Restaurati­ tionsakte: 1 9 Kantonsverfassungen und on» von 1815), sondern viel eher eine Bundesverfassung für die «Schwei­ «kleine Helvetik» gewesen. I ,..,U,JVVI zerische Eidgenossenschaft». re für den Thurgau: Er verdankte der H Am 10. März hörte die 1798 aufgerich­ vetik seine Existenz, der Mediation tete «eine und unteilbare Helvetische Re­ Unabhängigkeit. publik», dieses in der Geschichte der Schweiz einzigartig dastehende «Labo­ Chronologie der Ereignisse 1802-1 ratorium der Moderne», zu existieren auf; Auch auf dem Boden der 2. H unser Land mutierte vom topmodern sehen Verfassung gelang es der Ze gedachten, aber wenig verankerten Ein­ regierung nicht, stabile Verhältnisse heitsstaat zur Föderation von 1 9 souve­ der Schweiz herzustellen. Als Fran ränen Kantonen; an die Stelle des Paria- im Sommer 1802, nicht ohne Hinterg \ ments trat wieder ein Gesandtenkon- danken, seine Truppen aus der gress, die Tagsatzung. Zwar setzte Na­ abzog, schritten die gegenrevol poleon 1803 mit der Mediation auf den nären föderalistischen Kräfte zum Föderalismus als dem für die Schweiz stand. Binnen kürzester Zeit wurde gleichsam von der Natur vorgegebenen offensichtlich, dass die Schweiz u System, die Reaktion billigte er aber den gegebenen Umständen nicht nicht: Neben der Wiederherstellung der war, sich selber zu regieren. Landsgemeinde- und der Städtekanto­ Der 1 . Konsul der Französischen Re ne garantierte er vielmehr die Existenz blik, Napoleon Bonaparte, wartete d von sechs neuen Ka'ntonen, ·darunter halb nicht lange zu: Bereits am 30. fünf, die aus früheren Untertanengebie­ tember erliess er eine Proklamation, ten gebildet wurden: Aargau, St. Gallen, der er unter Drohung erneuten mi Thurgau, Tessin und Waadt. Sie verkör­ sehen Eingreifens seine Vermittlung perten fortan die Erbschaft der Revoluti­ diation) ankündigte und eine on, wirkten in einer wieder konservativ netenversammlung (Konsulta) zu gewordenen Eidgenossenschaft als En­ nach Paris beschied, um mit ihr zu klaven des helvetischen Fortschrittsgeis­ men die künftige verfassu tes weiter - auch noch, als nach dem Grundlage der Schweiz zu Sturz Napoleons 1813 die Restaurati­ Obgleich mehr Unitarier als Föderal onszeit vollends anbrach und das Rad dieser Konsulta angehörten, d der Geschichte allenthalben in Europa Napoleon eine föderalistische zurückgedreht wurde. Dass es genau sung. diese Kantone waren, die sich 1830/31 dann schnell «regenerierten», das heisst, Bildlegende zu Seite 5: ln der Mediationsakte 19. Februar 1803 befinden sich die von Napoleon wieder an die Mediation und die Helvetik naparte diktierten 19 Kantonsverfassungen sowie anknüpften und in der Folge zielstrebig Bundesverfassung. Die Druckschrift wurde durch Unterschrift des Landammanns der Schweiz auf einen schweizerischen Bundesstaat bigt. Ein Exemplar befindet sich im Staatsarchiv hinarbeiteten, ist kein Zufall. Die neuen Kantons Thurgau in Frauenfeld

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5 Der Seerücken zwischen Frauenfeld und Mammern mit der noch ungebändigten Thur auf der Dufourkarte von 1850

Die am · "19. Februar i 803 verabschiede­ tend beurteilt. Allgemein wird herausge­ te sogenannte Mediationsakte gliedert strichen, dass es sich dabei um ein Dik­ sich in fünf Teile: tat Napoleons gehandelt habe; die Ver­ "1. Präambel (von Napoleon im Pluralis fassung sei von der betroffenen Bevöl­ majestatis abgefasst) kerung - entgegen dem von Frankreich 2. Kapitel "1 bis "19: Kantonsverfassun­ Jahre zuvor verkündeten Selbstbestim­ gen Appenzell- Zürich, wobei zwi­ mungsrecht der Völker- nicht abgeseg­ schen Landsgemeindekantonen, Städ­ net gewesen. Andererseits wird konze­ tekantonen und neuen Kantonen un­ diert, die Mediationsakte habe der terschieden wird; Graubünden muss Schweiz eine zehnjährige Phase relativ als Spezialfall angesehen werden. ruhiger Entwicklung beschert. Der Zür:. 3. Kapitel 20: Bundesverfassung eher VerfassungsgeschichtlerAlfred Kölz 4. Übergangsbestimmungen 1: Ernen- etwa beurteilt die Mediationsakte zwar nung des Landammanns der Schweiz als politisch geschickten, verfassungs­ und der kantonalen Regierungskom­ rechtlich aber doch sehr unvollkomme­ missionen (Übergangsregierungen) nen Kompromiss in bewegter Zeit, doch 5. Übergangsbestimmungen 11: Tilgung bestehe kein Grund, «der Mediationsak­ der National-Schulden der Helvetik te als Verfassungswerk verklärend einen Leitbildcharakter für spätere geschicht­ Der Kanton Thurgau - einer der liche Perioden zuzusprechen; solche Erben der Helvetik Urteile» hätten «sich vor allem in der Die Mediationsakte wird von der heute rückblickenden Sicht durch die Brille massgeblichen gesamtschweizerischen noch unbefriedigenderen Bundesvertra­ Geschichtsforschung eher zurückhal- ges von "18"15 gebildet».

6 Misst man die Mediationsverfassung aus Zunächst wird eine Behörden- und Ver­ gesamtschweizerischer Sicht an den waltungsorganisation auf die Beine ge­ staatstheoretischen Leistungen der Hel­ stellt, die in ihren Grundzügen bis heute vetik und an den Bundesverfassungen besteht: von 1848 und 187 4, kann dem zwar • Legislative (Grosser Rat), durchaus beigepflichtet werden - der • Exekutive (Kleiner Rat, heute Regie­ Geschichte der fünf neuen Kantone, ins­ rungsrat), besondere deren Rolle, die sie im • Judikative (Appellationsgericht, heute 19.Jahrhundert in Bezug auf die Moder­ Obergericht; Verwaltungsgericht). nisierung des Bundes spielen sollten, Die Gewaltentrennung ist zwar nicht wird Kölz' Urteil aber nicht gerecht. ln konsequent durchgeführt, indem bei­ Bezug auf sie würde man von der Media­ spielsweise die Regierungsmitglieder tion besser von einer «kleinen Helvetik» zugleich dem Parlament angehören, im sprechen. Denn «die untergegangene Vergleich zu den Landsgemeindekanto­ Helvetische Republik lebte», wie Ulrich nen und den Städtekantonen, die weit­ Im Hof richtig festgestellt hat, «Weiter in gehend zu ihren Oligarchien, Patriziaten den fünf neuen Kantonen von 1803». und Zunftregimenten zurückkehren, weist der Thurgau aber eine moderne Dass in diesen Kantonen an eine Rück­ Behördenorganisation auf. Die relative kehr zu den vorrevolutionären Verhält­ Modernität des Kantons zeigt sich viel­ nissen überhaupt nicht mehr zu denken leicht am besten daran, dass er jetzt war, als die Mediations-Bundesverfas­ über ein Verwaltungsgericht verfügt- ein sung mit Artikel 3 jedes Untertanenver­ Zustand, der, nachdem das Gericht mit hältnis unter den Kantonen au?schloss, der Restauration 1815 abgeschafft wur­ liegt auf der Hand. So wurden in diesen de, erst 1984 wieder erreicht werden Kantonen zentralistische Repräsentativ­ sollte. Demokratien etabliert, die in einem aus der Rückschau schier unglaublichen Am weitaus meisten zum Erfolg der Tempo darangingen, moderne Staats­ neuen Staatsverwaltung trägt aber mit wesen aufzubauen. Sicherheit bei, dass der Kanton Thurgau die Bezirks- und Kreisbehörden aus der Wer die zehn zwischen 1803 und 1812 Helvetik übernimmt. Den Distriktsstatt­ erschienenen Bändchen des «Tagblatts haltern und Distriktsgerichten sowie den der Beschlüsse, Dekrete und Verord­ Friedensrichtern und Friedensgerichten nungen, welche zufolge der Mediations­ kommt bei der Durchsetzung des mo­ Aktevon dem Grossen und dem Kleinen dernen verwaltungsmässigen Zugriffs Rath des Kantons Thurgau ausgegan­ auf die Bevölkerung ausschlaggebende gen» durchblättert, kommt aus dem Bedeutung zu. Staunen über die stürmische, innovative, Vom direktdemokratischen System von auf die Ideen der Helvetik munter zu­ 1869 ist man allerdings noch weit ent­ rückgreifende kantonale Gesetzgebung fernt. Die Rechte des Grossen Rates nicht mehr heraus. sind verhältnismässig eingeschränkt; die Was hier - und in den anderen Mediati­ Stellung des Kleinen Rates ist sehr domi­ onskantonen - passiert, ist nichts ande­ nant. Überdies gelangt in die verschie­ res als der gelungene Beginn der Ver­ denen Behörden nur, wer über je vorge­ wirklichung des gescheiterten helveti­ schriebene Vermögenswerte verfügt - schen Programms. ein Staat der Eigentümer ohne vollstän-

7 dig durchgeführte Rechtsgleichheit also; gung geht der Thurgau zeitlich sogar allerdings einer, der zwischen 1803 und voran. Und setzt mit Artikel 216 ein Pro7 1813 ein gewaltiges Modernisierungs­ gramm in seine neue Verfassung, das pensum bewältigt. verfassungsges�hichtlich ein Unikum ist, Der Mediationskanton Thurgau die Gründung des Bundesstaats vor­ • initiiert und führt eine eigene Aussen­ denkt: politik, • baut einen eigenen Finanzhaushalt mit «Der Kanton erklärt sich gegen die indirekten und direkten Ste.uern auf, schweizerischen Mitstände geneigt: während die Zehnten und 'Grundzin­ a) für gemeinschaftliche Aufstellung ei'­ sen langsam abgelöst werden' nes obersten Gerichtshofes; • baut (gegen Widerstände) eine eigene b) für Errichtung gemeinschaftlicher Kor,. Miliz auf, rektions- und Arbeitshäuser; • gründet die Kantonspolizei (1803), c) für Zentralisierung alles politischen • gründet die Gebäudeversicherung Verkehrs mit dem Auslande; (1806), d) der Posten; • gründet die Zucht- und Arbeitsanstalt e) der Münzen, des Gewichtes und des Tobel (1809/11), Masses; • organisiert die Gemeinden (1803 bis � des Militärwesens; 1816), g) der Zölle und Weggelder.» • legt zielstrebig ein Netz von Kunst­ strassen an (1803 bis 1813), So geht es denn mit diesen helvetischen • fördert gezielt die Landwirtschaft, Postulaten munter auf den Bundesstaat • professionalisiert das Gesundheitswe­ zu. Der Thurgau hat, als einer der Haupt­ sen (Sanitätsrat), nutzniesser der Helvetischen Revolution • hebt das Erziehungswesen markant von 1798, an vorderster Front für den (Erziehungsrat). Bundesstaat von 1848 gekämpft und damit an der Erfolgsgeschichte dieses Kurz: Der Kanton Thurgau gehört mit Bundesstaates - zusammen mit deh den Kantonen Aargau, St. Gallen, Tessin anderen Mediationskantonen - einen und Waadt zusammen schon bald ein­ grossen Anteil gehabt. mal zu den am modernsten organisier­ Das erkennt man etwa daran, dass die ten Kantonen der Schweiz. 181 5, als beiden Redaktoren der Bundesverfas­ nach dem Sturz Napoleons die soge­ sung aus der Waadt () und nannte «grosse Restauration» kommt, dem Thurgau (Johann Konrad Kern) wird es zwar auch in diesen Kantonen stammten. Oder dass im ersten Bun­ ein gutes Stück konservativer, landesvä­ desrat neben dem Zürcher , terlicher, miefiger; an den zwischen dem Berner Ulrich Ochsenbein und detml 1803 und 1813 geschaffenen staatli­ Solothurner der Aar­ chen Strukturen kann aber nicht mehr gauer Friedrich Frey-Herose, der Tessi­ gerüttelt werden. ner Stefano Franscini, der St. Galler Mat:­ thias Naeff und der Waadtländer D Der Thurgau als Geburtshelfer der sassen. Kern wäre, möglicherweise ,an"' modernen Schweiz stelle Munzigers, ebenfalls gewählt wor:­ 1830/31 gehören die neuen Kantone zu den, hätte er es nicht vorgezogen, den ersten, die sich regenerieren (Tessin Präsident des - noch nicht ständigen - schon 1829). Mit der Bornhauser-Bewe- Bundesgerichts zu werden.

8 Auch später sind die Mediationskantone eigene Verfassung von 1869, dann auch prominent in der Landesregierung ver­ in die revidierte Bundesverfassung von treten; der Thurgau von 1875 bis 1880 187 4 einzuführen. mit Fridolin Anderwert, von 1883 bis So kann man denn durchaus sagen, 1912 mit und von 1920 dass der Kanton Thurgau bis ins dritte bis 1934 mit Heinrich Häberlin. Drittel des 19. Jahrhunderts hinein einer DassAnderwert und Deucher in die Lan­ der modernsten Kantone der Schweiz desregierung Einzug hielten, hängt mit war.' Erst mit der zweiten Industrialisie­ der sogenannten Demokratischen Be­ rungswelle am Ende des 19. Jahrhun­ wegung der 1860er- und 1870er-Jahre derts geriet er dann zunehmend ins Hin­ zusammen, als der Thurgau wieder an tertreffen, wandelte er sich zu einem vorderster Front mit dabei war, direktde­ eher beschaulichen, wenn auch nie mokratische Elemente zuerst in seine rückständigen Kanton.

Ausschnitt aus der Karte der HerrschaftMammern von 1755: Das Original wird im Staatsarchiv des Kantons Zürich aufbewahrt, eine Fotografie im Massstab 1:1 hängt im Keller des Schulhauses Mammern.

9 Politik im Kanton Thurgau

Von Dr. Hansjörg Lang, Kantonsrat Frauenfeld. Sitzungslokal ist jeweils das Rathaus dieser Gemeinden. Die Wahl­ Der Kqnton Thurgau ist ein souveräner kreise sind die acht Bezirke, denen je Staat der Schweizerischen Eidgenos­ gernäss ihrer Zahl der Stimmberechtig.: senschaft.Grundlage sind die Demokra­ ten Sitze zustehen. Gewählt wird im Pro­ tie und die Gewaltentrennung. Die ge­ porzsystem, das heisst, die politischen setzgebende Behörde oder Legislative Parteien gewinnen Sitze proportional zu ist der Grosse Rat. Die ausführende Be­ den für die Partei abgegebenen Stim­ hörde oder Exekutive ist der fünfköpfige men. Regierungsrat. Die richterliche Behörde Parteienstärke: Im Kanton stehen der oder Judikative ist das Obergericht res­ SVP zurzeit 43 Sitze, der CVP 27, der pektive das Verwaltungsgericht FDP 24, der SP 22, der Grünen Partei GP 8, der Evangelischen Volkspartei Der Regierungsrat EVP 5 und der Eidgenössisch Demokra­ Er wird vom Volk im Majorzsystem ge­ tischen Union EDU 1 Sitz zur Verfügung. wählt, das heisst, die fünf Männer und Die Kantonsräte der gleichen Partei bil­ Frauen mit den meisten Stimmen im den eine sogenannte Fraktion, wenn sie Kanton sind gewählt. Jeder Regierungs­ über fünf oder mehr Sitze verfügen. Der rat steht einem Departement vor: Inne­ Bezirk Steckborn hält zehn Sitze, vier res und Volkswirtschaft, Erziehung und werden besetzt durch die SVP, je zwei Kultur, Justiz und Sicherheit, Bau und durch die CVP und FDP, je einen durch Umwelt, Finanzen und · Soziales. Die die SP und die GP. Die nächsten Wahlen Staatskanzlei und damit die Infrastruktur finden im Jahre 2004 statt. für die kantonalen Behörden führt der Staatsschreiber,. der «sechste Regie­ Verfassung, Gesetze, Verordnungen rungsrat». Er nimmt ohne Stimmrecht an Grundlage unseres politischen Systems de·n Regierungsratssitzungen teil. Der ist die Verfassung. Sie enthält alle Rech­ Regierungsrat ist, eine Kollegialbehörde, te und Pflichten des Volkes und ihrer das heisst, wenn ein Beschluss mit Behörden. Dabei beschränkt sie sich auf Mehrheit gefasst ist, ,spricht in der Öf­ die Grundsätze und das Fundamentale. fentlichkeit keiner dagegen. Jede kleinste Änderung der Verfassung Die Schweizerische Volkspartei SVP muss vom Volk in einer Abstimmung stellt zur Zeit zwei Regierungsräte, die genehmigt werden.· Christlichdemokratische Volkspartei Die Grundsätze, die in der Verfassung CVP einen, die Freisinnig-Demokrati­ verankert sind, werden durch den Gros­ sche Partei FDP einen und den Staats­ sen Rat in Gesetze gekleidet. Darin wer� schreiber sowie die Sozialdemokrati­ den Ziel, Details der Durchführung und sche Partei SP einen Regierungsrat. rechtliche Konsequenzen bei Übertre­ ,.. tungen festgehalten. Die Gesetze wer­ Der Grosse Rat den durch den Regierungsrat aufgestellt Er besteht aus 130 Kantonsrätinnen und und den Kantonsräten mit einer er­ Kantonsräten, die auf vier Jahre gewählt klärenden Botschaft übermittelt. Eine werden. Sitzungsort ist im Winterhalb­ meist 13-köpfige, nach Fraktionsstärke jahr Weinfelden, im Sommerhalbjahr zusammengesetzte vorberatende Kom'"

' 10 mission befasst sich intensiv mit der ber, dass der Regierungsrat nicht eigen­ Vorlage, nimmt Änderungen vor und ver­ mächtig neue Aspekte ins Spiel bringt. tritt die beschlossene Fassung an der Auch darf er eine Verordnung nur erlas­ Grossratssitzung. Wie schon in der sen, wenn ihn das Gesetz ausdrücklich Kommission wird im Parlament jedes dazu ermächtigt. Gesetz zweimal beraten, die sogenann­ te 1. und 2. Lesung. Politische Möglichkeiten der Nach einer nur noch formalen Überar­ Kantonsrätinnen und Kantonsräte beitung durch eine Redaktionskommis­ (Der Einfachheit halber wird im folgenden sion wird in einer Schlussabstimmung Abschnitt nur die männliche Form ver­ das ganze Gesetz angenommen oder wendet.) Jeder Kantor)srat darf sich zu verworfen. Angenommene Gesetze wer­ jedem Geschäft äussern. Er gibt bei den rechtskräftig, wenn nicht ein Refe­ Abstimmungen durch Erheben vom Sitz rendum ergriffen wird. Die Stimmen von seine Zustimmung bekannt, ist er ande­ 30 Kantonsräten und Kantonsrätinnen rer Meinung, bleibt er sitzen. Er kann Ein­ oder die Unterschriftenvon 2000 Stimm­ sitz nehmen in einer Kommission, wenn bürgerinnen und Stimmbürgern sind seiner Fraktion ein Sitz .zusteht und er nötig, damit ein Gesetz dem Volk zur von der Fraktion gewählt wird. Es gibt Abstimmung vorgelegt wird. sogenannte Spezialkommissionen, die Die technischen Details zur Anwendung nur für eine bestimmte Vorlage einge­ eines Gesetzes bestimmt der Regie­ setzt und dann wieder aufgelöst werden. rungsrat in einer Verordnung. Dabei Für die Bewältigung grösserer Brocken wacht der Grosse Rat sehr streng darü- und von Geschäften, die jährlich wieder-

11 kehren oder kontinuierlich zur Debatte Die stärkste Form des persönlichen Vor­ stehen, werden ständige Kommissionen stosses ist die Motion. Auch sie wird auf vier Jahre gewählt: Kontrolle der Ver­ schriftlich formuliert und begründet und waltung und der· Finanzen, Raumpla­ vom Regierungsrat schriftlich beantwor­ nung oder Gemeindeorganisation. tet. Eine Diskussion im Rat ist obligato­ Mit persönlichen Vorstössen kann ein risch. Am Schluss der Debatte findet Kantonsrat ein politisches Thema in den eine Abstimmung darüber statt, ob die Grossen Rat einbringen, das ihm am Motion erheblich sei oder nicht. Stimmt Herzen liegt oder ihn besonders interes­ eine Ratsmehrheit der Motion zu, muss siert. Mit einer Einfachen Anfrage ver­ der Regierungsrat innert zwei Jahren langt er vom Regierungsrat Auskunft. Er das Anliegen in eine Gesetzesvorlage reicht sie schriftlich ein und erhält eine kleiden und dem Rat vorlegen. schriftliche Antwort. Eine Diskussion im Persönliche Vorstösse werden oft und Rat findet nicht statt; im Gegensatz zur vor allem in Wahlzeiten zu Wahlzwecken Interpellation. Diese wird ebenfalls missbraucht. Man will sich in die Presse schriftlich eingerei"cht, vom Regierungs­ bringen und greift dazu ein aktuelles rat schriftlich beantwortet und auf Problem auf, auch wenn der Grosse Rat Wunsch des Interpellanten mündlich dis­ zum Thema nichts zu sagen und nichts kutiert, wenn eine Mehrheit des Grossen zu entscheiden hat. Dies führt zu un:. Rates einer Diskussion zustimmt. fruchtbaren und eigentlich unnötigen Anschliessend ist das Thema erledigt, stundenlangen Debatten. Fallen sie in Beschlüsse werden nicht gefasst. die Nachmittagsstunden, ist die Lange-

Der Grosse Rat des Kantons Thurgau tagt im Winter in Weintelden (oben), im Sommer in Frauenfeld (Seite 11).

12 weile total. Zurzeit erleben wir eine Infla­ Bund und Kanton Thurgau tion von Vorstössen, die auf die Grass­ Die Verfassung und die Gesetze in den ratswahlen 2004 zielen. Kantonen müssen eidgenössisches Recht einhalten und dürfen ihm nicht Zeitliche Belastung widersprechen. Leider wird je länger je Ausserhalb der Ferienzeit findet alle zwei intensiver das Bundesrecht ausgedehnt Wochen eine Grassratssitzung statt. Sie und der Spielraum der Kantone enger. dauert in der Regel von 9.30 Uhr bis Statt die Probleme auf der unteren Stufe 12.30 Uhr. Bei grosser Belastung wer­ zu lösen und die Flexibilität der kleinen den Ganztagessitzungen abgehalten Einheiten auszunützen, wird das Ein­ und die Debatte um 14 Uhr bis etwa um heitsgesetz angestrebt, das im ganzen 17 Uhr nochmals aufgenommen. Aller­ Land Gleichheit schafft. Genannt seien dings sind Nachmittagssitzungen wenig Krankenversicherung, Schulen und Spi­ beliebt und auch nicht sehr ergiebig, da täler, Sozialgesetze und Steuerrecht. Ist nach dem Mittagessen die Konzentrati­ . es sinnvoll, im Kanton Appenzell und im

onsfähigkeit stark nachlässt. · Kanton Genf dieselben Kinder- und Vor der Grassratssitzung - bei den Frei­ Familienzulagen auszubezahlen? sinnigen von 7.15 Uhr bis 9.20 Uhr- fin­ Ein aktuelles Beispiel von übertriebener det eine Fraktionssitzung statt, in wel­ Einmischung des Bundes in die Domäne cher die Ratsgeschäfte aus Sicht der der Kantone und Gemeinden ist die neue Partei durchleuchtet und Abänderungs­ Verordnung über die Zivilstandsämter. anträge formuliert und diskutiert werden. Nicht nur Professionalität und Anwen­ Durch diese Vorbereitung verlaufen die dung der EDV wird gefordert, sondern Ratssitzungen wesentlich speditiver. gleichzeitig wird bestimmt, jeder Zivil­

Die Vorbereitung einer Grassratssitzung standsbeamte\ müsse zu mindestens 40 nimmt mehrere Stunden in Anspruch. Prozent als solcher angestellt sein. Dies Die Interpellationen, Motionen und Bot­ führt dazu, dass kleinere Gemeinden das schaften des Regierungsrates müssen Zivilstandsamt nicht mehr selber führen

· studiert werden und man muss sich eine dürfen, ein Unsinn sondergleichen und Meinung bilden. Besonders aufwendig ein absolut unerlaubter Eingriff in Struk­ wird es, wenn man eine Vorlage in der turen, deren Organisation dem Kanton Fraktion und im Rat vertreten muss. Es zusteht. Der Grosse Rat des Kantons wollen Manuskripte verfasst werden, Thurgau hat sich zu Recht gewehrt und denn die wenigsten Kantonsräte beherr­ beschlossen, diese Verordnung nicht sehen die Kunst der freien Rede. auszuführen. Man darf gespannt sein auf Wer mehr Zeit aufwenden kann und will, das Resultat unseres berechtigten Wi­ meldet sich in eine Kommission. Beson­ derstandes gegen diesen Übergriff der ders aufwendig ist die Geschäftsprü­ Eidgenossenschaft. fungs- und Finanzkommission. Sie be­ sucht die Verwaltung und diskutiert mit Politische Kultur pflegen den Regierungsräten und den Chefbe­ Im kantonalen Parlament wird zur Sache amten auftretende Probleme. Sie nimmt gesprochen. Nur wenige Kantonsrätin­ das Budget auseinander und diskutiert nen und Kantonsräte zielen mit ihren es, ebenfalls die Staatsrechnung. Wer in Voten gegen ihre Kollegen oder gegen einer solchen Kommission sitzt, wendet andere Parteien. Dies führt zu einem dafür gut und gern einen zusätzlichen sehr angenehmen Klima und Freund­ Tag in der Woche auf. schaften über die Parteien hinweg.

13 Politisch aktiv auf kantonaler und eidgenössischer Ebene

Von Markus Germann nur wenige aus Mammern. Die Mam­ merner Politiker machten dafür teilweise Aus Mammern nehmen derzeit Frau auch auf eidgenössischer Ebene Karrie­ Gemeindeammann Anita Dähler-Engel re, nämlich Dr. med. Oscar Ullmann als (CVP) seit i 999 und Landarzt Dr. Hans­ Nationalrat (siehe Seiten i 5 bis i 7) jörg Lang (FDP) seit i 984 Einsitz im Erich Ullmann als Ständerat (siehe Seiten i 8 bis i 9). Weitere Grassratsmitglieder aus Mammern waren gemäss Kar­ teifunden Waldemar Ullmann (i 94i bis i 944) sowie Landwirt und Ortsvorsteher 'Walter Sigwart, der Vater des späteren Ortsvorstehers gleichen Namens (i 944 bis zum Tod im Dezember i 945).

Lehrer und Grossrat Heinrich Lang, charismatischer schullehrer von i 944 bis zur Pensionie'" rung im Frühling i 986, setzte sich als FDP-Politiker stark für die Belange der Untersee-Region ein und ebnete mit zahlreichen Vorstössen den Weg Mam­ merns zur Selbständigkeit. ln seiner als Grassrat von i 965 bis i 984 nahm er Einsitz in vielen Kommissionen, welch er teilweise auch präsidierte, beispiels­ weise die Begnadigungskomm Viele Jahre gehörte er dem Büro als Sekretär und Stimmenzähler an.

Für seine grossen Verdienste als Dorfschullehrer und freundschaftliche Atmosphäre über d Kantonalpolitiker erhielt Heinrich Lang mit seiner Frau . Parteien hinweg in diesem «Vorstan Fridel Lang-Meier das Ehrenbürgerrecht der Gemein­ de. Eine Würdigung seiner Tätigkeit folgt in der Publi­ des Grossen Rates war wie auf sei kation Nummer 19 (Mammern und seine Schule). gemütliches Wesen zugeschnitten. Heinrich Lang ist am i 5. Juni i 993 ver Grossen Rat des Kantons Thurgau. Bis starben. Mit grosser Freude konnte

vor kurzem war mit Zahnärztin Dr. Mar­ am i . Janwar i 993 noch die Gebu . · tha Kuster (FDP) gar eine weitere Ein­ stunde der Politischen Gemeinde wohnerin als Grassrätin im Einsatz. Die­ mern miterleben sowie die Wahl von se Häufung findet man in der Vergan­ nem Sohn Hansjörg Lang zum genheit nicht. Bei der Durchsicht der präsidenten im Mai desselben Jahres Karteikarten seit i 803 im Staatsarchiv Als wertvolles Andenken schenkte des Kantons Thurgau finden sich viele Mammerner Ehrenbürger der Gemein Politiker- bis vor wenige Jahrzehnte wa­ das grossformatige Ölgemälde von ren es ja nur, Mär:mer- aus den Gemein­ Meier, welches heute das Sitzungszirn den Eschenz, Steckborn, Berlingen und mer im Gemeindepavillon schmückt.

"14 Dr. med. Oscar Ullmann (Nationalrat von 1911 bis 1935)

Von Dr. A. 0. Fleisch 1888 ihren schönen Oscar zu heiraten. Sofort nach dem Studium ging Oscar Mein Grossvater, Oscar Ullmann, wurde Ullmann nach Mammern und wurde als ältestes von vier Kindern am i 9. Mai Assistent bei Dr. Maienfisch, dem Eigen­ 1862 in Mammern geboren. Sein Vater, tümer und Arzt der damaligen Wasser­ Sebastian Ullmann, war Dorfschullehrer heilanstalt. Die Wasserheilanstalt war in Mammern, und sein kärgliches Gehalt immer nur einige Monate im Sommer genügte nicht, um eine sechsköpfige Fa­ offen, und Oscar Ullmann benützte den milie durchzubringen. Deshalb suchte er einen Nebenver­ dienst: Sebastian Ullmann und seine Frau fabrizierten selbst Schulhefte und Tinte, die er nebst anderen Schulmate­ rialien in den Ferien an di� umliegenden Gemeinden verkaufte. Später eröffnete seine Frau einen Dorfladen, der vom Ehepaar Ullmann gebaut wurde und noch bis zum Herbst 2003 besteht. Oscar Ullmann war ein sehr intelligenter, aufgeweckter Knabe, und als er in der Sekundarschule war, insistierte Pfarrer Hanhart bei seinen Eitern, dass man ihn in die Kantonsschule schicke und nicht wie vorgesehen ins Seminar. Er durchlief die Kantonsschule ohne irgendwelche Schwierigkeiten, war aktives Mitglied des Turnvereins Konkordia, dem er sein Leben lang treu blieb. Er wohnte im Kon­ vikt bei eher armseliger Verköstigung, so dass Oscar um jeden zusätzlichen Teil er Suppe dankbar war. Winter zur Fortbildung an verschiedenen Nach der Matura ging er nach Zürich, Universitäten. Er war bei Bernheim in um Medizin zu studieren, wobei ihm ein Nancy und bei Charcot in Paris, den Onkel mit einem Darlehen das Studium berühmtesten Neurologen dieser Zeit, ermöglichte. Er musste später das Dar­ und Dr. Ullmann galt fortan als ausge­ lehen mit Zins und Zinseszinsen zurück­ zeichneter Kenner der neurologischen zahlen. ln Zürich war er ein sehr aktiver Krankheiten. Diese Zeit benützte Bertha Student, wurde Mitglied des Studenten­ Ullmann, um im Hotel Baur au Lac in gesangvereins, Präsident des Vereins Zürich ein Praktikum als zukünftige Ho­ und später auch Präsident der ganzen teliere zu absolvieren. Studentenkorporation. Auf einem Mai­ Als Assistent von Dr. Maienfisch hatte bummel traf er seine spätere Frau Bert­ Oscar Ullmann grossen Erfolg bei seinen ha Saager, die eine Ausbildung zur Kon­ Patienten. Eine reiche Dame ermunterte zertsängerin unterbrach, um im Jahre ihn, die schlecht gehende Wasserheilan-

15 Von der einstigen Wasserheilanstalt zur modernen Klinik von Weltruf (im Bild die Westseite des neuen Seeflügels) stalt zu kaufen und selbst zu führen. Im «Nervenkrankheiten». Es handelte sich Herbst 1889 kaufte Oscar Ullmann die um leicht hysterioforme, psychosomati­ serbelnde Wasserheilanstalt zu einem sche Erkrankungen, bei denen er durch horrenden Preis von 350 000 Franken, seine optimistische, fröhlich suggestive wobei ihn diese Patientin mit einer gros­ Art durchschlagende Erfolge erzielte. Es sen ·Hypothek unterstützte. Unter der gelang ihm einmal, sogar eine hysteri­ Leitung von Dr. Oscar und Bertha Ull­ sche Bjindheit zu kurieren. Doch nach­ mann entwickelte sich die Wasserheilan­ her kamen richtige Blinde zu Oscar Ull­ stalt sehr schnell. Oscar Ullmann war ein mann, bei denen er machtlos war. begnadeter Arzt, hatte ein grosses Cha­ Die ökonomische Seite des Betriebes risma und eine liebenswürdige, char­ wurde von seiner Frau Bertha glänzen<:! mante, positiv suggestive Persönlichkeit. geführt. Sie war eine klar denkende, vor­ Bald stellte sich ein riesiger Erfolg ein, ausschauende und sparsame Hausfrau, und sein Ruf ging bis nach St. Peters­ die den Betrieb genau übersah und kon­ burg. trollierte. Oscar war sehr freigiebig und splendid, gab jedem Bettler etwas und Durchschlagende Erfolge wäre nach seinen Worten verlumpt, Er wandte die damals noch recht be­ wenn er nicht seine sparsame Frau zur scheidene Pharmakopoe sehr geschickt Seite gehabt hätte. Er selbst gab zu: «En an. Er milderte die klassische Hydrothe­ Güdie mues en Sparer ha.» Einmal kam rapie von Kneipp zu einer sanften Mam­ ein Bankkassier und bat Oscar um 5000 merner Hydrotherapie um. Den grössten Franken. Kurz nachher kam der Kassier Erfolg aber hatte er bei den sogenannten wegen Unterschlagung ins Gefängnis,

16 und Nationalrat Dr. 0. Ullmann wurde der Freimaurerei und gesegnet mit dem nach Frauenfeld aufgeboten wegen Bei­ Weihwasser der katholischen Kirche ins hilfe zur Unterschlagung. Als er den Ge­ Grab hinunter - der letzte Kompromiss richtssaal in Frauenfeld betrat, brach des so kompromissfreudigen Dr. Oscar schallendes Gelächter aus, der Weibel Ullmann. fragte, ob er die Luxuszelle herrichten Mein Grassvater hatte schon als Kind soll. Dann stand der Angeklagte auf und einen grossen Einfluss auf mich gehabt, erklärte, jedermann kenne die Güte und und ich hatte ihn grenzenlos bewundert. Freigiebigkeit von Dr. Ullmann, und er Er war klein von Statur, ging immer sehr finde es ungerecht, ihn als Angeklagten aufrecht, trug lange einen Cutaway, nun vor Gericht zu sehen. dunkle Anzüge, Vatermörder-Krawatten, Röllchen-Manschetten, eine Perle in der Idealistisch, grasszügig und tolerant Krawatte und immer eine Blume im Politisch war mein Grassvater schon früh Knopfloch, auf dem Kopf eine Melone, sehr engagiert. Als Erstes wurde er über den Schultern ein grosser Über­ Sekretär der Brunnenkorporation Mam­ hang. Für mich und -so glaube ich - mern. Später war er über 30 Jahre in der auch für viele andere war er der. König Ortskommission und über 30 Jahre im von Mammern. Er war im Dorf extrem Kantonsrat, den er auch präsidierte. populär, besuchte regelmässig im Tur­ 1911 wurde er als Freisinniger in den nus die verschiedenen Wirtschaften, Nationalrat gewählt, ein Amt, das er bis bestellte einen Zweier, von dem er einen 1935 inne hatte. Er war ein Ffeisinniger Schluck trank und den Rest stehen liess, von altem Schrot und Korn; idealistisch, um das nächste Restaurant mit seiner grasszügig und tolerant gegenüber allen Anwesenheit zu beehren. Er wurde anderen Richtungen. Er hatte sehr viele Ehrenbürger von Mammern und als Krö­ Freunde in allen Parteien, selbst der nung seiner Laufbahn Ehrenmitglied der sozialistischen, was dazumal verpönt Eschenzer Blasmusik! war. Er wurde berühmt durch seine Kompromissfreudigkeit in allen Proble­ Um drei Tage getäuscht men und war der «Kompromisslima­ Oscar Ullmann starb 1949 im 87. Alters­ cher» der Freisinnigen. jahr. Geistig klar bis zum letzten Augen­ Doch war er ganz besonders mit dem blick, verabschiedete er sich von seiner Königsmacher, dem konservativen Na­ Familie und dankte allen; als er am tionalrat Walther, befreundet. Walther nächsten Morgen noch aufwachte, be­ war auch jedes Jahr sein Gast in Mam­ merkte er nur: «Ich habe mich ge­ mern wie auch andere Parlamentarier täuscht.»- doch nur um drei Tage! und die Bundesräte Schulthess, Motta Mein Grassvater hat mich geprägt und und andere. Dessen ungeachtet war er mein ganzes Leben beeinflusst. Als ich auch Freimaurer, Mitglied der Freimau­ etwa fünf Jahre alt war, nahm er mich rerloge Akazia in Winterthur. Die Frei­ und stellte mich in die Mitte des Hofes maurerei wurde erst bei seiner Beerdi­ der Kuranstalt und sagte: «Die wichtigste gung offenkundig, als ein Mitglied den Persönlichkeit in Mammern bist du!» Bruder Oscar in den ewigen Osten ein­ Damit hatte er mich verpflichtet. Ich bin gehen liess und drei Nelken auf seinen seinem Ruf gefolgt. Es freut mich auch Sarg legte. Daraufhin musste der- katho­ für ihri, dass die Leitung nun in den Hän­ lische Pfarrer das Grab segnen, und der den der vierten Generation liegt und die Sarg ging geschmückt mit den Nelken fünfte im Anmarsch ist.

17 �rich Ullmann (Ständerat von 1939 �is 1963)

Von Dr. A. 0. Fleisch Die Primarschule in Mammern und das kantonale Gymnasium in Frauenfeld ab� Erich Ullmann war ein intelligentes, be­ solvierte er ohne Schwierigkeiten und gabtes, originelles und oft eigenwilliges ohne Begeisterung. Doch war er ein be­ Kind. Schon sehr früh zeigte sich seine geisterter Konkordianer und blieb dem Liebe zur Natur und zu den Tieren. So Kantonsschulverein bis ins Alter. treu. fühlte sich Erich in jedem Mammerner Dem Wunsche seines Vaters entspre­ Stall zu Hause, kannte jede Kuh und chend immatrikulierte er sich, wie sein konnte schon als Dreikäsehoch den Bruder Waldemar, an der medizinischen Bauern Ratschläge über Tierhaltung er­ Fakultät Genf, doch sattelte er rasch auf teilen. Als er zehn Jahre alt war, schenk­ sein Lieblingsgebiet, die Landwirtschaft, ten ihm seine Eltern eine Kuh, die er sei- um. Er studierte die ersten Semester am Polytechnikum in Zürich und beendete sein Studium an der Universität Leipzig. Sofort nach Abschluss des Studiums übernahm Erich Ullmann den Gutsbe­ trieb Neuburg bei Mammern. Seine Schwester llse führte ihm bis zu ihrer Verheiratung den Haushalt. Bald darauf verheiratete er sich mit Johanna Bridler. Erich Ullmann war ein begeisterter Land­ wirt und interessierte sich für alle Neue­ rungen auf dem Gebiet der Tierhaltung. Schriftliche Arbeiten und Buchhaltungs­ arbeiten lagen ihm nicht, und er lehnte sie - oft zum Nachteil seines Betriebes - mit der ihm eigenen Vehemenz ab. Erich

· Ullmann, ein äusserst gütiger, offener und gerader Mensch, sprach die Spra:­ che des Volkes und liebte die urchigen, starken Ausdrücke seiner Umgebung. Dabei blieb er freundlich und kamerad­ schaftlich zu allen. So war er zu einer politischen Laufbahn prädestiniert, die in ber besorgte. Seiner Schwester erklärte der Gemeinde begann und ihn über den er, der Kuhschwanz sei das beste Hand­ Kantonsrat in den Ständerat führte, wo tuch, und wischte sich die Hände am er während 24 Jahren seinen Kanton Kuhschwanz ab. Er hängte im Park Nist­ vertrat. kästchen für die Vögel auf und wusste, wie man deren Feinde, die Krähen, ver­ Befürworter des Frauenstimmrechts giftete, ohne den übrigen Lebewesen zu Als fortschrittlicher Landwirt kam er in schaden. Später war ihm als Jäger der den leitenden Ausschuss des Thurgaui­ Abschuss einer Krähe jedesmal ein be­ schen Milchverbandes, wurde dessen sonderer Triumph. Präsident und als solcher Vorstandsmit..,

18 glied des Zentralverbandes schweizerischer Milchprodu­ zenten. Wo Milch floss, war Erich Ullmann ein führendes Mitglied der Organisation, so war er Mitglied des Verwal­ tungsrates der Schweizeri­ schen Käseunion und der Aktiengesellschaft schweize­ rischer Milchproduzenten. Seine öffentlichen Reden for­ mulierte er klar, prägnant, ge­ wandt und mit Geist und Hu­ mor. Er war dafür bekannt und geschätzt, auch nicht populäre Meinungen und Forderungen zu vertreten. So sprach er bei der ersten schweizerischen Abstimmung über die Ein­ führung des Frauenstimm­ rechtes im Jahre 1959 entge­ gen der Parole seiner Partei als . Befürworter. Er erntete don- Erich Ullmann, Waldemar Ul/mann, I/se Ullmann nernden Applaus und schloss seine Rede mit dem Schlusssatz: «Ich Fehrbelliner Reitermarsch über das affe- kenne euch; jetzt gebt ihr mir recht, aber ne Grab schmettern zu lassen. morgen stimmt ihr Nein.» Seine letzte Rede im Ständerat soll ein Kleinod Geehrt und geliebt gewesen sein. Als Kommissionsreferent Seine mit viel Widerspruchsgeist gewürz­ für das neue Jagdgesetz vertrat er die­ te Diskussionsfreudigkeit belebte die ses mit so viel Kenntnis, Witz, Feuer und Familientreffen, die aber oft ein gewitter­ Geist, dass die Ständekammer mit haftes Ende nahmen, indem er mit dem zuhörenden Nationalräten überfüllt war­ Ruf «Ebe grad nid» das Zimmer verliess. ein glänzender Abgang vom. Bun­ Die manchmal rauhe Schale konnte nie deshaus! seine tiefe menschliche Güte und Wär- Als Landwirt wurde Erich Ullmann der me verdecken. So wurde er mit seinen Kavallerie zugeteilt und war als Kom­ Fehlern und Tugenden als wertvoller mandant der Guidenschwadron 7 ge­ Mensch von allen, die ihn kannten, ge­ schätzt und beliebt. Seine Qualitäten als ehrt und geliebt. Als er starb, zeigte es Truppenführer und sein Organisationsta­ sich, dass diese Wertschätzung und Zu­ lent Iiessen ihn zum Obersten im Gene­ neigung weit über seinen Familien- und ralstab avancieren. Freundeskreis hinausging und dass der Seine Treue zu der Kavallerie äusserte ganze Kanton um Erich Ullmann trauer­ sich in seinem letzten Wunsch, den te.

19 Rede des Bundespräsidenten Adolf Deucher anlässlich der 1 00-Jahr-Feier des Kantons Thurgau

Von Marianne Germann-Leu Rede des Herrn Bundespräsidenten Dr. Deucher an der thurg. Zentenar­ Die ersten einhundertJahre des Kantons feier. Thurgau hatte man 1903 würdig gefei­ ert. Beim Kantonalfest in Frauenfeld hielt Eidgenossen! Thurgauerl der damalige Bundespräsident Dr ..Adolf Im Namen des Bundesrates und des Deucher die Festrede, welche nachfol­ gesamten Schweizervolkes entbiete ich gend aus dem «Boten vom Untersee» Volk und Behörden des Kantons Thur­ vom 26. September 1903 wiedergege- gau freundeidgenössischen Gruss und � ben wird. herzliche Glückwünsche zur heutigen Manche Passagen mögen· heute zum Festfeier. Schmunzeln anregen - oder vielleicht Sei mir gegrüsst, du Thurgau, vom blau­ Anlass zum Ärgern sein. Allein schon die ,en See und grünen Rheinstrom bis zum Begrüssungsworte lassen vermutlich waldbekränzten Hörnli, mit dem reichen vielen einen kalten Schauer über den Kranz deiner blühenden Ortschaften, Rücken fliessen. ln der ganzen Rede deinen flussdurchlauschten Tälern, dei­ kommt die starke Veränderung gesell­ nem fruchtbaren Hügelland, herrlichen schaftlicher Werte und Ansichten zum Rebgelände und prächtigen Obstwald, Ausdruck. So scheint es auch, dass die mit a/1 deinen heute im reichen Schmuck Frauen bei diesem Jubiläumsanlass gar einer gesegneten Herbstlandschaft nicht dabeigewesen waren - höchstens prangenden Gefilden! Und du, Frauen­ wahrscheinlich als Blumen tragende De­ feld im Festgewande, reichgeschmückt koration des Bundesrates. Und wer hät­ zum Empfang und zur Ehre der Eidge:.. te heute schon Freude daran, als brav nassen! und bieder bezeichnet zu werden? Die Sei mir gegrüsst, du Volk von echtem bundesrätlichen Worte sind jedoch Spie­ Schrot und Korn, brav und bieder, intel­ gelbild des Zeitgeistes und werden un­ ligent, arbeitsam und ausdauernd und gekürzt in der damaligen Schreibweise dabei empfänglich für alles wahrhafte zitiert. Gute und Schöne, gegrüsst am heutigen Im Jubiläumsjahr 2003 hält Bundesrat Ehrentage, diesem bedeutungsvollen die Festrede in Frau­ Markstein im Werdegang deiner Ge­ enfeld. Es dürfte interessant werden, schichte, wo eine hundertjährige, nicht eine sicherlich pointiert verfasste An­ ruhmlose Entwicklungsperiode einen sprache zu hören und sie mit derjenigen schönen Abschluss findet! von Bundesrat Dr. Adolf Deucher zu ver­ Allerdings hatte schon im Jahre 1 798, gleichen. als der Sturm der grossen Revolution das ganze feudale Europa mit elementa­ rer Gewalt erschütterte, die alte Eidge­ Auf den Seiten 24 und 25 dieser nossenschaft ruhmlos zusammengebro­ Publikation wird der aus Steckborn chen war und eine neue Zeit der Freiheit stammende Adolf Deucher durch und Gleichheit anzubrechen schien, das Andre Salathe, Staatsarchivar des bisherige Untertanenland die Ketten ge., Kantons Thurgau, vorgestellt. brachen und sich frei erklärt; aber erst 1803, nach dem Sturm und Drang, den

20 Hoffnungen und Enttäuschungen und allmählich der reine demokratische den unsäglichen Wirren der Helvetik Staatsgedanke entwickelte, der in der wurde auch der Thurgau durch die Verfassung vom Jahre 1869 seinen voll­ Mediationsverfassung den XIII alten Or­ gültigen praktischenAusdruck fand. ten in gleichen Rechten und Pflichten So schritt der Thurgau schon im ersten angegliedert und zu gemeinsamer Eid­ Jahrhundert seiner Selbständigkeit kräf­ genossenschaft verbunden. tig und zieh/bewusst den Weg hinan und Diese der Schweiz vom ersten Konsul hat sich zu einem wohlgeordneten, blü­ gegebene Verfassung wurde namentlich henden Staatswesen entwickelt. in den neuen Kantonen mit Freuden be­ ln dem früher nur Landwirtschaft trei­ grüsst; sie bildete ein föderatives Band, benden Kanton, welch letztere, mit den stark genug, um gemeinsame Arbeit Anforderungen der Zeit stets Schritt hal­ möglich zu machen, lose genug, um die tend, heute in der nationalen Ausstellung freudige Tätigkeit und die selbständige den vollgültigen Beweis ihrer Leistungs­ Entwicklung der einzelnen Bundesglie­ fähigkeit abgelegt hat, gelangte im Laufe der nicht zu hemmen. der Jahre eine vielseitige gewerbliche Jahrhundertelang als gemeinsame Herr­ Tätigkeit und eine reich entwickelte In­ schaft durch Landvögte regiert, deren dustrie zur Geltung. Hauptsorge in ihrer eigenen Bereiche­ Neben einer tadellosen Rechtspflege er­ rung bestanden, trat der Thurgau arm möglichte eine solide, musterhafte Ver­ und ohne nennenswerte Hilfsmittel in die waltung dem jungen Kanton ohne zu Reihe der übrigen Kantone. Um ihnen starke Steuerbelastung der Bürger, den ebenbürtig zu werden, musste alles, ja Anforderungen eines modernen Staates alles im Staate erst geschaffen werden. auf allen materiellen und ideellen Gebie­ - Und es wurde geschaffen! Im Be­ ten gerecht zu werden und so nament­ wusstsein erneuterJugend rang sich der lieh auch auf demjenigen der Erziehung Kanton zu kräftigem Leben empor. Ste­ und Volksbildung, der Grundlage des tig, wenn auch langsam ging es vor­ demokratischen Freistaates, jene Opfer wärts, und selbst in den trübsten Zeiten zu bringen, die nötig sind, um ein allsei­ europäischer Reaktion fanden die ander­ tig tüchtiges, charaktervolles junges Ge­ wärts verpönten freiheitlichen Ideen und schlecht heranzubilden. Bestrebungen hier eine Zufluchtsstätte. Aber nicht nur im engen Rahmen kanto­ Und dann, als mit Beginn der dreissiger nalen Lebens, auch auf dem weitern und Jahre ein frischer Freiheitsodem Europa wichtigen Gebiete der Pflege und Ent­ durchwehte, war es Thurgau, der den wiekJung des Gesamtvaterlandes trat Reigen kantonaler Umgestaltungen er­ der Thurgau von Anfang an in den Vor� öffnete. Der Ruf Thomas Bornhausers: dergrund nationalen Strebens. Wesent­ «Der Hahn hat gekräht, die Morgenröte lieh betätigt an der Schöpfung und Aus­ bricht an, Thurgauer wachet auf!» zün­ gestaltung des neuen Bundes, unent­ dete weit über die Grenzen des Kantons wegt einstehend für jeden gesunden hinaus. ln diesem selbst fand er mächti­ Fortschritt, immer bereit, die Macht und gen Widerhall, und so entstand zum die Kraft und die Ehre des Bundes zu erstenmal aus freiem innerem Triebe des wahren, bekundete das Thurgauer Volk Volkes, aus einer Bewegung von unten stets ein warmes Herz und treue Liebe herauf, ein neues Grundgesetz, dessen zum gemeinsamen Vaterland. Schöpfungen grundlegend blieben bis Eine Tat dieses eidgenössischen Sinnes zur Gegenwart, aus denen heraus sich war auch die Uebernahme der schwei- zerischen landwirtschaftlichen Ausstel­ Die Schweiz, als demokratischer Frei­ lung durch den thurgauischen Landwirt­ staat, soll ein kräftig organisiertes, nach schaftliehen Verein. Es war das keine aussen handlungsfähiges Land sein; sie kleine Aufgabe, und es brauchte Mut, soil auch im lnnem befähigt sein, ihre dieselbe zu übernehmen. Aber einmal politische und kulturelle Mission zu erfül­ gewagt, trat nicht nur die thurgauische len und die nationalen Bedürfnisse jeder Bauernsame, sondern die gesamte Be­ zu befriedigen. Die Wehrkraft der Nation völkerung, Kanton und Gemeinde, dafür ist zu erhalten und zu vervollkommnen, ein, das grosse Werk mit Ehren durchzu­ sie bildet mit eine Grundlage unserer führen und dem schweizerischen Bau­ Freiheit und Selbständigkeit. Zu Tage ernvolk und den Erzeugnissen seiner getretene Mängel sind mit unerschütter­ Arbeit und seines Fleisses eine würdige licher Energie und ohne persönliche Stätte zu bereiten. Das Werk ist gelun­ Rücksichten zu beseitigen. gen, und ich freue mich, meinem Hei­ Wir sollen danach streben, dass im matkanton auch hiefür einen besonde­ Kampf der Interessen und der Meinun­ ren Ehrenkranz winden zu dürfen. gen, wie sie sich notwendigerweise er­ Wenn sonach der Kanton mit Befriedi­ geben aus der Verschiedenheit unseres gung, ja mit gerechtem Stolz, auf die ver­ Volkes nach seiner historischen Entwick­ gangenen hundert Jahre zurückblicken lung, nach Sprache, Sitte und Religion,

' " kann, so verdankt er dies dem Charak­ nicht eigensüchtige Regungen und klei­ f ter, der Tüchtigkeit, dem praktischen ne Leidenschaften über die reine Liebe Sinn und der Freiheitsliebe seines Vol­ zum Ganzen die Oberhand gewinnen. kes, der Arbeit und der Gewissenhaftig­ Das stolze Wort: «Die Schweiz den keit seiner Behörden und dem Umstan­ Schweizern» soll nicht die Losung bilden de, dass es ihm nie an geistig hochste­ zum Kampfe einzelner Volksklassen henden Männern fehlte, die in der He­ gegeneinander, der Städte gegen die bung des Volkswohles und der Volksver­ Länder, sondern das hehre, heiligeSym­ edelung die wahre Befriedigung ihres bol der Zusammengehörigkeit aller, die Lebens fanden. berufen sind, wenn auch in verschiede­ Nach diesem Rückblick in die Vergan­ nen Lebensstellungen, doch jeder an genheit dürfen wir als Thurgauer und als seinem Orte und nach seiner Kraft am Eidgenossen des Ausblickes in die Zu­ Wohle des Landes zu arbeiten. kunft nicht vergessen; gilt doch für uns Zu diesen Berufenen gehörst auch du, alle, mehr als je, das Wort der Stauff­ mein Thurgauer Volk, mit deiner Liebe acherin: «Sieh vorwärts, Wemer, und deiner Hingebung und Anhänglichkeit an nicht hinter dich!» Es ist hier nicht der das eine, grosse, freie, unentwegt vor­ Ort, aller Aufgaben zu gedenken, die wärtsstrebende Vaterland! Dir aber, ihrer Lösung harren; aber einigen Ge­ Thurgovia, bringt Helvetia heute, an dei­ danken die sich dem Patrioten aufdrän­ nem Ehrentage sich selbst und ihre gen, möchte ich heute Ausdruck geben: besten Wünsche entgegen, auf dass du Die neue Zeit tritt mit ungeheuer erhöh­ blühest, wachsest und gedeihest auf ten Ansprüchen an alle Staaten, seien immerdarf " sie gross oder klein, heran, und wer wohl Des zum Zeichen erhebe ich den Becher bestehen will in dem gewaltigen Wettlauf -und trinke auf das Wohl des Kantons der Nation, der muss seine Lenden gür­ Thurgau und seines braven Volkes. ten und bereit sein zu jeglicher Leistung Bote vom Untersee, Steckborn vaterländischer Tatkraft. Nr. 77, Samstag, 26. September 1903

22 M77 26. September 1903. :Bote oom Hnter ce. $ubUfa.tiou�·Otgrtu füt bett �e�itf �tedborn. �r(djelttt jcbcu �llittwodj ttub g;amstag tnlf bcm llru(lricrfcn g;onnfaosOCatt.

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23 Porträt des Steckborner Bundesrates Adolf Deucher

Von Andre Salathe, Staatsarchivar ist die Frage, ob die Bahnlinie Ror­ schach-Kreuzlingen über Amriswil, wo­ Adolf Deucher wird am "15. Februar "183"1 für Eduard Häberlin und seine Anhänger in Zürich-Wipkingen geboren, wo sein plädieren, oder über Romanshorn, wofür Vater, Dr. med. Guntram Arbogast Deu­ sich Anderwert, Labhart und Deucher cher, eine Arztpraxis führt. Bald siedelt einsetzen, geführt werden soll. die Familie in den Heimatort Steckborn Der Kampf wird umso erbitterter ausge­ über. Hier verbringt Adolf Deucher seine fochten, als es zunehmend darum geht, Kindheit. Nach der Primar- uhd der Se­ den Einfluss Eduard Häberlins ("1820 bis kundarschule im Städtchen besucht er "1884), der als Alfred Escher des Thur­ die Klosterschule in Fischingen, bevor er gaus gilt, um jeden Preis zu brechen; in Konstanz die Maturität ablegt. "1847 Häberlin sitzt zwar nicht in der Regie­ bis "185"1 studiert er in Heidelberg, Prag, rung, verfügt als Staatsanwalt, Präsident Wien und Zürich Medizin; "185"1 erwirbt des Erziehungsrats, Ständerat und Di­ er sich den Doktortitel. Noch im gleichen rektor der Schweizerischen Nordost­ Jahr eröffnet der junge Arzt in Steckborn bahn aber über eine grosse Machtfülle. eine bald gut gehende Praxis. "1860 ver­ "1868 ist Deucher Mitinitiant der Verfas­ heiratet er sich mit Paulina Schnebli aus sungsrevision. Im Verfassungsrat tritt er Baden AG. Bald betätigt er sich auch für den sogenannten Häberlin-Artikel, politisch. Im erbittert geführten Steck­ der die Ämterkumulation verhindert, dq.s borner Schulhausstreit gehört er der un­ Initiativrecht, das obligatorische Geset­ terliegenden Partei an. Wie der Schul­ zesreferendum, die Volkswahl der Re­ präsident, Pfarrer Johann Georg Kreis, gierung und eine Kantonalbank ein. verlässt Deucher Steckborn aus einer Nachdem die neue Verfassung ange;. gewissen Verärgerung heraus; "1862ver­ nommen ist, amtiert er "187"1/72 als Prä., legt er seine Praxis in den Kantons­ sident des Grossen Rates. hauptort (bis "1879) - zweifellos auch Als Nationalrat ("1869bis "1872) kämpft deshalb, weil es sich von Frauenfeld aus mit typisch zentralistischen und demo­ besser politisieren lässt. Deucher ist, ob­ kratischen Postulaten für die Totalrevisi­ gleich Katholik, radikal freisinnig gesinnt. on der Bundesverfassung; wegen frakti:. Als Kantonsrat (ab "1858) tritt er sowohl ansinterner Differenzen tritt er jed für die Zivilehe als auch für die Beibehal­ bereits "1872 wieder zurück. tung konfessionell gemischter Schulen betätigt er sich weiterhin politisch, so ein. "1869 setzt er sich dagegen für den Mitbegründer des Schweizersichen Frei­ Erhalt des letzten thurgauischen Klos­ sinnigen Volksvereins, dessen thurgaui;_ ters, St. Katharinental, ein. Die kantona­ sehe Sektion er ab "1873präsidi ert. "1 le Politik der "1860er-Jahre ist von der wird er in den Regierungsrat gewählt, sogenannten Demokratischen Bewe­ er das Erziehungs-, das Sanitäts­ gung geprägt. Deucher gehört zwar das Kirchendepartement übernimmt. nicht zum «inner circle» der Bewegung Gleichzeitig tritt er wieder in den N wie Fridolin Anderwert und Philipp Gott­ nalrat ein, den er "1882/83 präsidiert. lieb Labhart, doch ist er sozusagen "10. April "1883schafft Deucher bereits.i . deren Erster Sympathisant. Hauptge­ ersten Wahlgang den Sprung in genstand des politischen Kräftemessens Bundesrat. "1883 führt er das Justiz-

24 Polizeidepartement, 1884 das Post- und Eisenbahndeparte­ ment, 1885 das De­ partement des lnnern; von 1887 bis zu sei­ nem Rücktritt 1912 steht er dem Han­ dels-, Industrie- und Landwirtschaftsde­ partement vor - nur unterbrochen in den Jahren 1886, 1897, 1903 und 1909, wo er als Bundesprä­ sident automatisch das Politische De­ partement leitet. Als Volkswirtschaftsmi­ nister erwirbt sich Deucher grosse Ver­ dienste um den Aus­ bau des schweizeri­ schen Sozialstaats: Nach jahrzehntelan­ ADOLF DEUCHER gen Bemühungen von STECKBORN, Kmüon Thurg.au. kommen 1911 end­ Mitglied des H�gieruugsnithes des Kantons Tlmrgau I879;_1883. Regierungspriisident Illllo. lich die obligatori­ Mitglicd ,des N�tionallithes 1867-'-1873 und 18 79-1883. Präsident desselben 1882/83. sche . Unfallversiche- 1\Ii!!!lied des Bundcsrathes seit 188-t. · Buntlespr1lsi�lcnt 1886. rung sowie die Sub- ventionierung der Krankenkassen zu­ hältnisse ungewöhnliche Popularität. stande. Den Arbeiterschutz treibt er 1886 wird er Ehrenbürger von Frauen­ durch das Phosphorverbot in der Zünd­ feld, 1896 Ehrenbürger von Genf. Deu­ holzindustrie (1898) und die Revision des cher stirbt am 1 0. Juli 1912 nach kurzer Fabrikgesetzes (1904 bis 1912) voran. Krankheit im Amt. Der Erste Weltkrieg Durch Abschluss zahlreicher günstiger und der unmittelbar folgende Landes­ Handelsverträge leitet er eine Blütezeit streik lassen die von Deucher durchge­ des schweizerischen Aussenhandels ein. setzten frühen Anfänge des Sozialstaats Den Übergang vom Freihandel zur schnell in Vergessenheit geraten. Erst gemässigten Schutzzollpolitik markieren 1996 wird sein Wirken von Elmar Fischer die Zolltarife von 1884, 1887, 1892 und wissenschaftlich untersucht und unter 1902. Unter Deucher wird 1893 das dem Titel «Bundesrat Dr. med. Adolf erste Landwirtschaftsgesetz erlassen Deucher (1831 bis 191 2). Zwischen Libe­ und 1898 die Landwirtschaftliche Ver­ ralismus und Staatssozialismus» darge­ suchsanstalt Liebefeld BE gegründet. stellt; da kein persönlicher Nachlass Gegen Ende seiner Karriere geniesst Deuchers erhalten geblieben ist, bleiben «Papa Deucher» eine für damalige Ver- allerdings bis heute viele Fragen offen.

25 Persönliche Gedanken zum Jubiläum «1 0 Jahre Politische Gemeinde Mammern»

Von Emil Meier, Gemeindeammann bis Fleisch hat den Rückgrat unserer Ge­ Ende Juni 2003 meinde wesentlich und nachhaltig ge­ stärkt. Überall im Kanton und gar natio­ Ein kleines, selbständiges Dorf mit sehr nal kennt man Mammern und weiss, wo speziellem Charakter kann jubilieren. unser Dorf liegt. Dies ist nicht selbstverständlich, wenn DIE «KOBEM» (Kommission für die Bil­ man in die Achtzigerjahre zurückgeht. dung einer Einheitsgemeinde Mammern) hat mit dazu beigetragen, dass die schwierige Abstimmungshürde im Gros­ sen Rat genommen werden konnte. Nur dank fraktionsübergreifender Uneinigkeit (Edi Minder, Hansheiri Müller als SP-Be­ fürworter) wurde das Resultat pro Mam­ mern erreicht. Eine lange, sehr lange Vorbereitungsphase unter dem Motto «Steter Tropfen höhlt den Stein» trug sei­ ne Früchte.

An der letzten von Emil Meier geleiteten Gemeindever­ sammlung am 21 . Mai 2003 konnte der Steuerfuss der Politischen Gemeinde Mammern um 20 Prozent ge­ senkt werden.

Politisch hat auf kantonaler Ebene Hein­ rich Lang immer gegen die Motion «Scheuber» gekämpft und parteiüber­ Unter dem Motto «Der Lotse verlässt das Schiff» wür� digte Gemeinderätin Anna Frey-Baur auf sehr persönli� greifend in allen Fraktionen im Grossen ehe Artdas Wirken von Emil Meier. Rat für unsere Selbständigkeit plädiert. Mit grossem Applaus genehmigte die Gemeindever� sammlung den Antrag des Gemeinderates, EmilMeier Als Nachfolger hat sein Sohn Hansjörg und seiner Frau Hedy Meier-Mettier das Ehrenbürger­ Lang mit seinem politischen Feingefühl recht der Gemeinde Mammern zu verleihen. und dem Bekanntheitsgrad als Landarzt mit stetigen politischen Vorstössen un­ Mammern hat die Geburtswehen sere Selbständigkeit untermauert. Das Bravour überstanden. Wir bilden eine 1 00-Jahr-Jubiläum der Klinik Schloss Einheit, strotzen vor Selbstbewusstsein Mammern AG und das kontinuierliche und sind doch auf dem Boden geblie­ wirtschaftliche Wachstum dieses Unter­ ben. Mammern, eine kleine Unterseege:­ nehmens unter der Leitung von Dr. A. 0. meinde, welche sich täglich bewähren

26 und sich gegen alle Attacken von Fusio­ Menschen, wir sind politisch frei und un­ nen und Zentrumsgedanken wehren abhängig. Ich finde immer noch, dass es muss. Wir bilden eine Gemeinschaft mit sich lohnt, dafür zu kämpfen und danach hoher politischer Kultur und interessier­ zu handeln. ten Stimmbürgern und Stimmbürgerin­ Mit einem lachenden und einem weinen­ nen und verfügen über Personen, wel­ den 'Auge nehme ich Abschied von der che für Öffentlichkeitsarbeit die Verant­ so geliebten Gemeindepolitik. Viel Frei­ wortung wahrnehmen und sich für alle zeit und Familienleben wurde für das «Ämtli» zur Verfügung stellen. Die Dorf­ öffentliche Gemeinwesen geopfert. Ich politik lebt, dies wurde und wird mit reger ziehe Bilanz über Erfolg, Niederlagen, Teilnahme an Gemeindeversammlungen Freundschaften, Feindschaften, persön­ stets unterstrichen. Nur so ist es möglich liche Kontakte. Ich bin reich an Erfahrun­ zu jubilieren und 1 0 Jahre Politische gen und möchte keinen Tag missen. Ich Gemeinde zu feiern. Man stelle sich vor, bin aber auch froh, dass ich das nicht 200 Jahre Kanton Thurgau ohne eigen­ immer leichte Amt in andere Hände ständige Gemeinde Mammern! geben konnte und bin sicher, dass wir Zusammenfassend konnte Mammern auf dem richtigen Weg sind. und der Bevölkerung nichts Besseres als der Gang in die Eigenständigkeit passie­ Ich wünsche meiner Nachfolgerin Anita ren. Wir pflegen unser Dorf in jeder Be­ Dähler-Engel viel Freude und persönli­ ziehung und sind überall akzeptiert und che politische Erfolge, damit Mammern spüren mancherorts sogar etwas Neid. noch lange selbständig bleibt und kom­ Freiheit ist das wichtigste Gut für den petent geführt werden kann.

Hedy Meier-Mettier und Emil Meier freuen sich über die Vergabe des Ehrenbürgerrechts der Politischen Gemeinde Mammern.

27

10 Jahre Politische Gemeinde Mammern (1 993 bis 2003)

Von Emil Meier, Gemeindeammann bis Im Rückblick darf gesagt werden, dass Ende Mai 2003 wir unser gestecktes Ziel erreicht, ja bei weitem übertroffen haben. Statt der Be­ Am 1 . Januar 1993 haben wir als erste fürchtung, dass wir unsere vielen Aufga­ Politische Gem�de im Kanton Thurgau ben nur über einen Finanzausgleich lö­ eine grosse Herausforderung wahrge­ sen könnten, mussten wir im Jahr 2002 nommen. Aus der Ortsgemeinde Mam­ zum ersten Mal als finanzstarke Gemein­ mern wurde die Politische Geme.inde ge­ de 110 000 Franken abliefern. Was sich bildet. Eine grosse Aufgabe musste im doch in zehn Jahren alles ändern kann! Alltag umgesetzt werden. Es galt den Unser klares Ressortsystem, welches in Beweis zu erbringen, ob dieses Kücken vielen Gemeinden Nachahmung fand, lebensfähig sei. Es galt aber auch, sich hat sich in der Behörde bewährt und im Kanton Thurgau, bei der Regierung wird von allen geschätzt. Die Verantwor­ und bei den umliegenden Gemeinden tung für jedes Gemeinderatsmitglied die nötige Akzeptanz zu verschaffen. Der wurde grösser und die Arbeit interessan­ «Sündenfall» Mammern hatte im Gros­ ter und vielfältiger. Nur so war es mög­ sen Rat ein Imageproblem und durfte lich, das Amt als Gemeindeammann in sich keine groben Fehler leisten. Teilzeit und teilweise während meiner

Regierungsratspräsident Hanspeter Fischer gratuliert zur Selbständigkeit nach der Unterzeichnung des Ablö­ sungsvertrages zwischen der Munizipalgemeinde Steckborn und der Ortsgemeinde Mamrnern.

30 Freizeit zu bewältigen. Mit einem aufge­ zen Abständen, alle diese wichtigen Be­ stellten und gut ausgebildeten Gemein­ reiche in die Gemeinde zu integrieren depersonal betreiben wir eine schlanke, und die nötigen Investitionen für 'eine gut funktionierende Verwaltung. Jeder­ sehr gute Infrastruktur einzuleiten. Im mann kann seine «Sörgeli» anbringen, Trinkwasserbereich wurden mit dem wird freundlich empfangen und ange- Neubau des Reservoirs und der auto-

1. Januar 1993: Der erste Gemeinderat der Politischen Gemeinde Mammern beginnt seine Amtszeit - Emil Meier, Erwin Siegwart, Marianne Germann-Leu, Franz Weber, Charles Diacon (von links nach rechts). hört. Man kennt einander und kann ent­ matischen Überwachung Meilensteine sprechend reagieren. Dies zeugt von für unser wichtigstes Gut, dem Wasser, Lebensqualität und kann nur in kompak­ gelegt. Zwar liegt dieses Werk in den ten, überschaubaren Einheiten gelebt Finanzen noch schwer auf, doch mit werden. einer weitsichtigen Gebührenordnung Im Finanz- und Rechnungswesen sowie wird es nach dem Verursacherprinzip bei Steuern und Gebühren werden so­ längerfristig kostendeckend sein. wohl die Bewohner und Bewohnerinnen, Auch im EW-Bereich haben wir eine aber auch die kantonale Verwaltung Infrastruktur, die sich sehen lassen kann. pünktlich und qualitätsbewusst bedient. Die Niederspannungsverteilung ist meist Die Rückstände liegen im normalen Rah­ verkabelt, die Trafostationen sind neu, men. Dies ist nicht selbstverständlich und die Nennspannungen sind stabil. und zeugt von Selbstverantwortung und Für die soviel zitierte Globalisierung im Engagement. Strombereich sind wichtige Grundlagen ln den frühen Neunzigerjahren wurden wie Netzanalysen und Bewertungen vor­ die Werke und der Friedhof noch mit handen. Strassen und Kanalisationen Korporationen geführt. Es gelang in kur- wurden stetig ausgebaut, erneuert und

31 Der Bau des Seeradweges von Mammern nach Steckborn erfolgte in den Jahren 199 7/9 8. Die Eröffnung fand am 16. Mai 1998 statt (von links nach rechts): Konrad Fü llemann (Stadtpräsident von Steckborn), Regierungsrat Hans­ peter Ruprecht, Emil Meier (Gemeindeammann von Mammern) und Jürg Baerlocher (Chef des Kantonalen Tief­ bauamtes).

belasten die Gemeinderechnung nicht. Sehr früh wurde der Radweg West-Ost Die sich noch im Bau befindliche See­ projektiert. Viele Hürden mussten ge­ strasse wird ein Bijou und wird hoffent­ nommen werden. Östlich vom Camping lieh für viele zu einer neuen Begeg­ . Guldifuss war vom Departement DBU nungsstätte. der Radweg direkt dem See entlang

32 geplant. Ein Unterfangen, welches von Geschichte ist längst vergessen. Einer der Behörde und den Grundeigentü­ der schönsten Radwegabschnitte am mern nicht akzeptiert werden konnte. Untersee wurde realisiert und ist bei allen Einer der schönsten Uferabschnitte vom Radsportfreunden und Wanderern be­ Untersee sollte mit einem Radweg er­ liebt und sehr stark frequentiert. Man schlossen werden. Im Weitern waren stelle sich vor, Mammern ohne diesen Einsprachen bis vor Bundesgericht vor­ Radweg in beide Richtungen! programmiert. Mit einer penetranten Das Rad steht nicht still; und vor kurzem Sturheit beharrten wir auf der Variante wurde auch die Primarschule in die Poli­ Bahnlinie Süd, sowohl nach Westen wie tische Gemeinde eingegliedert. Anzei­ nach Osten. Brachliegendes SBB-Land chen haben sich erhärtet, dass die konnte neu genutzt werden und alle Schulen zukünftig als Volksschulge-

1993 wurde der Bahnhof Mammern in eine unbediente Station umgewandelt. Das alte Bahnhofgebäude wurde durch die Bildhauerin Heidi Beerliim Baurecht übernommen und mustergültig renoviert. Architekt Donatus Lauener setzte mit seinem im Auftrag der Gemeinde Mammern erstellten Warteraum einen prägnanten Kontrapunkt.

landwirtschaftlichen Grundstücke konn­ meinden geführt werden sollen. Dies ten der Bahn entlang erschlossen wer­ könnte bedeuten, dass so kleine Primar­ den. Dies führte zu konstruktiven Ge­ schulen wie Mammern aufgelöst und sprächen für Landabtretungen bei den durch eine zentrale Schule Steckborn Bauern. Nicht überall, musste doch im geleitet werden könnten. Ein Sprichwort westlichen Teil des Radwegs mit Zenti­ sagt, dass die Schule in die Gemeinde metermass- Sie lesen richtig, nicht mit gehört. Wir dürfen keine Schlafgemeinde Metermass - für einen gewissen Ab­ werden und müssen unsere Verantwor­ schnitt Pflock um Pflock abgesteckt tung wahrnehmen und auch danach werden. Es ist dort etwas · eng, aber die handeln.

33 Mit der Verschmelzung von Schule und Und doch gibt es negative Entwicklun­ Politischer Gemeinde haben wir viel gen im Dorf, welche die Lebensqualität mehr Gewicht, können die Finanzen für nichtmobile Bewohner und Bewoh­ wesentlich effizienter regeln und haben nerinnen massiv beeinträchtigen. Der eine einzige Drehscheibe für die Bevöl­ ganze Dienstleistungsbereich wird stark kerung und andere Ansprechpartner. reduziert. Unser Dorfladen der Familie Der Betrieb unserer Immobilien ist einfa­ Nonini schliesst Ende September 2003 cher und das Personal für Unterhalt und die Tore und die Post ist der Poststelle Umgebung hat klare Führungsstruktu­ Eschenz angegliedert worden. ln der ren. Landwirtschaft gibt es nur noch einen

I I I I I I

Das bisher grösste Bauwerk der Politischen Gemeinde Mammern ist das ReservoirStörenberg, welches am 13. Mai 2000 eingeweiht wurde und die Wasserversorgung auch in einem niederschlagsarmen Sommer wie 2003 gewähr­ leistet. Die Umgebung des Reservoirs wurde in der Zwischenzeit wieder aufgeforstet.

'34 Als Nachfolgerin von Marianne Germann-Leu wurde Flandrina C. von Salis im Frühling 1997 in den Gemeinderat gewählt. Em il Meier, Flandrina C. von Salis, Hansueli Weibel, Anna Frey-Baur und Paul Pfister (von links nach rechts) stossen auf eine gute Zusammenarbeit an. einzigen milchproduzierenden Betrieb. zen. Ich danke allen, welche zum heuti­ Es gehen laufend Arbeitsplätze verloren, gen Mammern beigetragen haben. Wir eigene Exi9tenzen gehen ein. Der Bahn­ dürfen stolz darauf sein und das Ju­ hofvorstand, der Grenzwächter, die biläum «1 0 Jahre Politische Gemeinde» Metzgerei, die Milchhütte sind nur ein wie gewohnt ausgiebig feiern. paar Beispiele von Nostal- gie. Diese Entwicklungen sind nicht aufzuhalten, aber sie müssen mit ver­ nünftigen Mitteln bekämpft � werden. Unsere Dreh­ scheibe, die Gemeinde­ kanzlei, darf nicht «scheib­ chenweise» wieder abge­ baut werden. Wir sind eine von 80 Gemeinden im Kanton und haben eine politische Verantwortung wahrzunehmen. Das Erreichte zu behalten wird nicht einfach sein. Aber unser politischer Wille sitzt tief in der Bevölke­

rung. Mit innerer Einigkeit Stabwechsel bei der Politischen Gemeinde Mammern En de Mai 2003: können wir Berge verset- Emil Meier übergibt die Leitung an Anita Dähler-Engel.

35 Ein Vierteljahrhundert geprägt - Emil Meier

Von Anna Frey-Baur, Gemeinderätin und es wurden Abwasser- und Abfall­ entsorgungsfragen gelöst. Durch Ver­ Emil Meier wurde im Jahre 1979 zum ordnungen und Gesetzesänderungen Ortsvorsteher von Mammern gewählt. des Kantons wurde zwischen den Jah­ Aus heutiger Sicht spreche ich den ren 1960 und 1970 die Einwohnerkon­ Wählern für die damals getroffene Wahl trolle, der Steuerbezug, die Fürsorge ein Kompliment aus, hat doch Emil Mei­ und das Militärwesen den Munizipalge- er mit seinen jeweiligen Behördemitglie­ dern in den 24 Jahren seiner engagierten Tätigkeit eine gesunde politische Ein­ heitsgemeinde mitgestaltet ·und das in ihn gesetzte Vertrauen mehr als bewie.: sen.

Ortsvorsteher von 1979 bis 1992 Auf die letzten 1 00 Jahre zurückblickend ist Emil Meier der fünfte Ortsvorsteher von Mammern und seit der Gründung der Politischen Gemeinde Mammern im Jahre 1993 der erste Gemeindeam­ mann. Wie seine Amtsvorgänger Konrad Sigwart (1883 bis 1904), Carl Beerli (1904 bis 1928), Walter Sigwart (1928 bis 1945) und Walter Sigwart-Bamert (1946 bis 1979) ist auch Emil Meier Bür­ ger von Mammern. Von Amtes wegen vertrat Emil Meier die Interessen der Ortsgemeinde Mammern bis zur Gründung der Politischen Ge­ meinde im Gemeinderat der Munizipal­ gemeinde Steckborn. Diese Behörde Vor 24 Jahren übernahm der damals 27-jährige Emil setzte sich aus den Ortsvorstehern von Meier die Führung der Ortsgemeinde Mammern. Gündelhart-Hörhausen, Mammern, Sa­ len-Reutenen, Steckborn und drei frei meinden übertragen. Auch die Feuer­ gewählten Mitgliedern aus Steckborn wehr wurde bis 1980 von Steckborn zusammen. gesteuert. ln Mammern selber bestand Die Aufgaben der Ortsgemeinde um­ einzig ein Löschzug. fassten bis etwa 1950 die Wasserver­ Etwa ab 1965 plante der Kanton grosse sorgung, das Strassenwesen, die Ar­ Einheitsgemeinden. Mammern bekun­ menpflege, die Landwirtschaftspolitik, dete wie schon 1815 den Willen, eine den Steuerbezug, die Einwohnerkontrol­ Einheitsgemeinde zu bilden. Es ist er:. le, die Feuerwehr und das Militärwesen. staunlich, dass sich die Mammerner fast Zwischen 1950 und 1980 wurde haupt­ 200 Jahre lang für eine politische Eigen­ ·sächlich in den Strassenbau investiert, ständigkeit einsetzen mussten!

36 Gemeindeammann von 1993 bis 2003 Während seiner ganzen Behördentätig­

· B'eim Amtsantritt galt Emil Meiers Auf­ keit schenkte Emil Meier den gesunden merksamkeit den Finanzen. Neu wurde Gemeindefinanzen besondere Aufmerk­ im Zusammenhang mit der Zonenpla­ samkeit. Der gesamtwirtschaftliche Auf­ nung Seeufer West ein Gebührenregle­ schwung, ein starkes Wachstum der Kli­ ment für Abwasser und Kanalisation nik Schloss Mammern, die Entwicklung geschaffen, Perimeter- und Anschluss­ zur ausgezeichneten Wohngemeinde, gebühren wurden mit rückwirkenden gute Gaststätten, Campingplätze und Verfügungen eingezogen, und auch die Gewerbebetriebe in der intakten Land­ Ferienhausbesitzer entlang dem See schaft waren Bausteine, die aus finanzi­ mussten sich an den Kosten der wichti­ eller Sicht eine eigenständige Gemein­ gen Infrastrukturen beteiligen. Mit diesen destruktur möglich machten. Wichtigster Einnahmen wurde das Loch in der Ge­ wirtschaftlicher Rückhalt bildet ganz klar meindekasse gestopft. die Klinik Schloss Mammern.

Die Ersch!iessung neuer Wohnquartiere - unter anderem der Gebiete Torgge/ (oberer Bildrand), Breite (unten links) und Huebacker (Bildmitte) - /iess die Einwohnerzahl von Mammernauf über 540 Personen ansteigen.

37 Folgende für die Gemeinde bedeuten­ 1984 bis 1988 wurden die meisten Par­ den Projekte wurden in der 24-jährigen zellen verkauft und in den Folgejahren Amtszeit von Emil Meier realisiert: Aus­ nach und nach bebaut. bau Seestrasse mit Trottoir vom Hecht Im Baubereich sind hervorzuheben der Richtung Guldifuss, Ausbau Torggel­ Bau des Werkhofes im Jahr 1987 und strasse mit gleichzeitiger Erschliessung die Erstellung des Schulhauses bezie­ der bereits bestehenden Liegenschaften hungsweise Mehrzweckgebäudes. Um und Ouartiererschliessung Huebacker. den grösseren Raumbedürfnissen der Die Ortsgemeinde war an einem Wachs­ Schule zu entsprechen, wurde mit der tum des Dorfes interessiert. Die Landbe­ . Planung von Schulhaus, Mehrzweckge­ sitzer Fritz Frei und Teresa Baur waren bäude und Zivilschutzräumlichkeiten be­ bereit, ihr Land im Huebacker zu verkau­ gonnen. Am 25. Juni 1985 stimmten 99 fen. Von der Ortsgemeinde wurden die Stimmberechtigte der Schul- und Orts­ Quartierplanung und das Festlegen von gemeinde einem Neubau zu. Als Stand­ Perimeterbeiträgen und Anschlussge­ ort wurde das bisherige Schulareal be­ bühren bearbeitet. Die Gemeinde kaufte stimmt.

Schlüsselübergabe bei der Schulhauseinweihung am 28. August 1988 (von links nach rechts): Primarschulpräsi­ dent Johannes Lauener, Architekt Rene Antoniol und Baukommissionspräsident Emil Meier zwei, die Schulgemeinde eine Landpar­ Den Projektwettbewerb gewann das zelle. Diese Landstücke wurden später Architekturbüro Antonioi+Huber in Frau­ an die Familien Joseph Dähler und Armin enfeld. Das bestehende Schulhaus wur­ Siegwart sowie an Marianne und Markus de abgebrochen, um an gleicher Stelle Germann weiterverkauft. ln den Jahren das Mehrzweckgebäude und südlich

38 ln den drei «Schulhäuschen» werden momentan je zwei Primarschu/klassen unterrichtet. Seit knapp einem Jahr ist der Kindergarten infolge vermehrten Platzbedarfs in die· Nachbar/iegenschaft.ausquartiert worden. vorgelagert einen dreiteiligen Schultrakt Gründung der Politischen Gemeinde zu erstellen. Als Präsident der Baukom­ Mammern 1993 mission wurde Ortsvorsteher Emil Meier Am 30. Juni 1987 wurde die KOBEM gewählt. Die Stimmbürger stimmten (Kommission zur Bildung der Einheitsge­ einem Projektierungskredit von 80 000 meinde Mammern) gebildet. Die Kom­ Franken zu. Am 17. November 1986 mission bereitete die Abstimmung zur wurde einem Kredit von 2,2 Millionen Bildung der Einheitsgemeinde Mam­ Franken für das nun im Detail vorliegen­ mern im Jahre 1989 vor, betrieb Wer­ de Projekt LOGO zugestimmt. Die bung_ und Öffentlichkeitsarbeit für die nachträglich beschlossene Unterkelle­ künftige Politische Gemeinde, arbeitete rung des Turnhallentraktes erhöhte die eine definitive Gemeindeordnung aus Gesamtkosten auf rund drei Millionen und bereitete den Besuch der grassrätli­ Franken. Die staatlichen Subventionen chen Kommission am 22. Januar 1992 betrugen 600 000 Franken. Bis zum vor. Baubeginn wurde der Unterricht ins alte Am 26. November 1989 wurde Mam­ Bahnhofgebäude verlegt, und der Schul­ mern mit 1243 zu 653 Stimmen aus dem pavillon wurde neu westlich der Villa Munizipalverband Steckborn entlassen. Flora platziert. Die Kosten für verschie­ Am 28. November 1989 stellte die Orts­ dene Anpassungen und Neuerungen kommission an den Regierungsrat das bezahlte die Ortsgemeinde, die den Gesuch zur Bildung einer Einheitsge­ Pavillon nach Bauabschluss zu Büro­ meinde gernäss neuer Kantonsverfas­ räumlichkeiten umnutzte. Anfang März sung, die am 1. Januar 1990 in Kraft trat. 1987 wurde das alte Schulhaus abge­ . Der Regierungsrat legte dem Grossen brochen und mit dem Neubau begon­ Rat Grundsätze zur Bildung von Politi­ nen. Schon am 27./28. August 1988 schen Gemeinden vor. fand eine grosse Einweihungsfeier mit Diese Richtlinien wurden von einer grass­ Ehemaligentreffen und Dorffest statt. rätlichen Kommission vorberaten. Nur

39 mit Ach und Krach wurde die Richtlinie Detaillierte Informationen über Mam.­ von mindestens 600 Einwohnerinnen mern als Politische Gemeinde können in und Einwohnern für künftige Einheitsge­ der Heimatkundlichen Publikation Nr. 5 meinden aus den Grundsätzen gekippt. nachgelesen werden.

Am 22. Januar 1992 besuchte eine 15- � köpfige Kommission, die für den Gros­ Grosse Vorhaben realisiert sen Rat das Traktandum «Bildung Politi­ Weitere grosse Vorhaben in der Amtszeit scher Gemeinden» vorbereitete, die Ge­ von Emil Meier waren der Bau eines meinde Mammern. Diese Kommission Bahnhofgebäudes mit Warteraum, öf- ' befürwortete am 10. Februar 1992 das fentlicher WC-Anlage, Billettautomat Mammerner Begehren und folgte so der und Veloständer (1995), die Integration Empfehlung des Regierungsrates, der in d�r Friedhofkorporation (1995) in die seiner Botschaft die künftige Selbstän­ Gemeinde, die Erstellung des Radweges digkeit Mammerns ebenfalls unterstütz­ Mammern-Eschenz (1993) und Mam­ te. mern-Steckborn (1997 /1998), die lnte­ Am 29. Juni 1992 stimmte der Grosse gratiqn der Wasserkorporation (1997) in Rat dem Gesuch der Ortsgemeinde die Gemeinde und der Neubau des Mammern zur Bildung einer Politischen Reservoirs Störenberg (1999). Gemeinde zu . Seit dem 1. Januar 1993 Die Politische Gemeinde übernahm An­ ist Mammern nun eine Politische Ge­ fang 1997 die Verantwortung für die meinde. Der aus fünf Mitgliedern beste­ Wasserversorgung von der Wasserkor­ hende Gemeinderat arbeitete in zugeteil­ poration mit dem Wissen, grosse Sum­ ten Ressorts mit Finanzkompetenzen men investieren ;z:u müssen. ln der Bud- . gernässBudget und Gemeindeordnung. getversammlung Anfang 1998 stimmten Folgende Personen engagierten sich im die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen ersten Gemeinderat: Gemeindeammann einem Projektierungskredit von 80 000 Emil Meier (Finanzen, Personal, Vertreter Franken für ein neues Reservoir zu. der Gemeinde in der Altersheimauf­ An einer Informationsveranstaltung am sichtskommission, Zivilstandsbeamter), 23. September 1998 stellte Ingenieur Vize-Gemeindeammann Paul Pfister Gerhard Kiefer das grosse Sanierungs­ , (Bauwesen, Verbindungsmann zu Zivil­ vorhaben der Wasserversorgung Mam­ schutz und den bestehenden Korpora­ mern vor. Kernstück des Projekts war tionen, Vertreter der Gemeinde im Re­ ein Reservoirneubau im Wald parallel zur gionalverband Untersee und Rhein), Störenbergstrasse. Gemeinderätin Marianne Germann (Ent­ Sichtbar werden sollte nur das Schieber­ sorgung und Recycling, Delegierte im haus, Lösch- und Brauchwasserspei­ Kehrichtverband Mittelthurgau und De­ cher von insgesamt 500 Kubikmeter legierte KVA Weinfelden), Gemeinderat sollten eingedeckt werden. Das Burstei­ Erwin Siegwart (Gesundheitswesen, De­ reservoir wurde aufgehoben und das legierter und Rechnungsprüfer Abwas­ Reservoir Hanhartholz dient künftig als serverband Stein am Rhein), Gemeinde­ Rohwasserspeicher. Das neue Reservoir rat Franz Weber (Gemeindestrassen, wird hauptsächlich von frei laufenden Gemeindebad, Bojen, Trockenplätze, Quellen gefüllt. Bei Bedarf kann Wasser Verbindungsmann zum Verkehrsverein). vom Reservoir Hanhartholz oder von der Der damalige Gemeinderat wurde in Grundwasserfassung Müligarten hoch­ seiner Tätigkeit von der Gemeinderats­ gepumpt werden. Um die heutigen ge­ schreiberin Monika Frei unterstützt. setzlichen Qualitätsanforderungen zu er-

40 Marksteine gesetzt Wichtige Marksteine in der jüngeren Ge­ meindegeschichte sind die Integration Elektra-Korporation(1999) , die Integrati­ on von Kindergarten und Primarschule (2002) sowie das Leitbild der Politischen Gemeinde Mammern (2003). Erstmals legt die Gemeindebehörde ein Leitbild vor. Es enthält die gemeinsamen Wert­ und Zielvorstellungen des Gemeinde­ rates. Es soll als politisches Führungs­ instrument dienen und das künftigeHan­ deln des Gemeinderates beeinflussen und mithelfen, Tagesentscheide an län­ gerfristigen Zielen auszurichten. Es zeigt die wünschenswerte Entwicklung von Mammern in den kommenden Jahren

·, auf. Es ist in Teamarbeit zwischen dem ·Gemeinderat, den Mitarbeiterinnen der Gemeindeverwaltung und unter Einbe­ ziehung einer Umfrage bei der Bevölke­ rung von Mammern entstanden. Grosse Bedeutung werden der Unabhängigkeit füllen, wurden zwei UV-Anlagen und eine _ und Eigenständigkeit der Politischen Ge­ Chlordosierungsanlage eingebaut. Die meinde Mammern beigemessen. gesamte Wasserversorgung wurde weit­ Bei den aufgelisteten Zielen und Mass­ gehend automatisiert und mit einer mo­ nahmen hat sich der Gemeinderat an fol­ dernen Steuerung versehen. Die Ge­ genden Leitgedanken orientiert: samtkosten beliefen sich auf rund 1,5 • transparente, volksnahe Politik; Millionen Franken. Die-Gemeinde konnte • Pflege der hohen Wohn- und Lebens­ mit rund 300 000 Franken Subventionen qualität; von der Gebäudeversicherung rechnen, • aktive Dorfgemeinschaft; da künftig die erforderlichen Druckwerte • Erhalt und Ausbau der notwendigen für Löschzwecke erreicht werden. Am Infrastrukturen; 23. Oktober 1998 wurde mit nur einer • Förderung des lokalen Gewerbes. Gegenstimme dem grossen Bauprojekt mit einem Kreditbegehren von 1,4 65 Mil­ Ich bedanke mich ganz persönlich bei lionen Franken zugestimmt. Ebenfalls Emil Meier für sein enormes Engage­ befürwortetedie Stimmbürgerschaft den ment für sein und unser Mammern. Die Beitritt zum Zweckverband Wasserver­ Zusammenarbeit im Gemeinderat war sorgung Seerücken West. Im Zweckver­ jederzeit geprägt von Respekt, Toleranz band sichert sich Mammern die Wasser­ und gemeinsamem Verantwortungsge­ bezüge für Notsituationen und haupt­ fühl. Es ist mir wichtig, auf Emil Meiers sächlich Löschreserven. Grossherzigkeit hinzuweisen. Ich denke, Am 13. Mai 2000 wurde das Reservoir dass genau diese Charaktereigenschaft Störenberg eingeweiht (siehe Heimat­ den wirklich erfolgreichen Politiker aus­ kundliehe Publikation Nr. 14). macht.

41 Mitglieder der Ortskommission und des Gemeinderates .

Zusammengetragen von Anna Frey-Baur 1975 bis 1979: Walter Sigwart senior (Ortsvorsteher), Walter Meier senior (Vi­ 1946 bis 1949: Walter Sigwart senior ze), Kurt Beerli, Paul Pfister junior, Hans . (Ortsvorsteher), Altred Wattinger (Vize), Ribi August Bauer, Walter Hess, Ernst Ull­ mann 1979 bis 1983: Emil Meier (Ortsvorste­ her), Paul Pfister junior (Vize), Kurt Beer­ 1949 bis 1952: Walter Sigwart senior li, Charles Diacon, Hans Ribi (Ortsvorsteher), Altred Wattinger (Vize), August Bauer, Walter Hess, Walter Mei­ 1983 bis 1987: Emil Meier (Ortsvorste­ er senior her), Paul Pfister junior (Vize), Charles Diacon, Fritz Frei, Franz Weber 1952 bis 1955: Walter Sigwart senior (Ortsvorsteher), Alfred Wattinger (Vize), 1987 bis 1991 : Emil Meier (Ortsvorste­ August Bauer, Walter Hess, Walter Mei­ her), Paul Pfister junior (Vize), Charles er senior Diacon, Markus Labhart, Franz Weber

1955 bis 1958: Walter Sigwart senior 1991 bis 1993: Emil Meier (Ortsvorste­ (Ortsvorsteher), Altred Wattinger (Vize), her), Paul Pfister junior (Vize), Charles August Bauer, Walter Hess, Walter Mei­ Diacon, Marianne Germann-Leu, Franz er senior Weber .

1958 bis 1961 : Walter Sigwart senior 1993 bis 1995: Emil Meier (Gemeinde­ (Ortsvorsteher), Alfred Wattinger (Vize), ammann), Paul Pfister junior (Vize), Franz August Bauer, Paul Fässler, Walter Mei­ Weber, Marianne Germann-Leu, Erwin er senior Siegwart

1961 bis 1964: Walter Sigwart senior. 1995 bis 1999: Emil Meier (Gemeinde­ (Ortsvorsteher), Altred Wattinger (Vize), ammann), Paul Pfister junior (Vize), Mari­ August Bauer, Edgar Hess, Walter Meier anne Germann-Leu (bis Ende 1 996), An­ senior na Frey-Baur, Flandrina C. von Salis (ab 1 997), Hansueli Weibel 1964 bis 1967: Walter Sigwart senior (Ortsvorsteher), Altred Wattinger (Vize)., 1999 bis 2003: Emil Meier (Gemeinde­ August Bauer, Edgar Hess, Walter Meier ammann), Anna Frey-Baur (Vize), Ruth senior Lang-Kolb (Primarschule, ab 2002), Joa:. chim Marx, Flandrina C. von Salis, Hans­ 1967 bis 1971: Walter Sigwart senior ueli Weibel (Ortsvorsteher), Walter Meier senior (Vi­ ze), Kurt Beerli, Edgar Hess, Hans Ribi ab Juni 2003: Anita, Dähler-Engel (Frau Gemeindeammann), Anna Frey-Baur, 1971 bis 1975: Walter Sigwart senior (Vize), Ruth Lang-Kolb (Primarschule), (Ortsvorsteher), Walter Meier senior (Vi­ Joachim Marx, Flandrina C. von Salis, ze), Kurt Beerli, Edgar Hess, Hans Ribi Hansueli Weibel

42 Im Frühsommer 2003 konnte bereits die neu gestaltete Seestrasse zwischen Latschari-Piatzund dem Parkplatzbei der Schifflände dem Verkehr übergeben werden.

Auf dem Latschari-Piatzim Dortzentrum wird im Herbst 2003 wieder eine Schatten spendende Kastanie gepflanzt.

43 Rechte und Pflichte der Bürgerinnen und Bürger \: i Von Hansueli Weibel, Gemeinderat • Recht auf Niederlassung, Aufenthalt und Einbürgerung Bezüglich Recht und Pflichten der Ein­ • Handels und Gewerbefreiheit (Ein­ wohnerinnen und Einwohner gilt es zu schränkungen im Interesse aller) unterscheiden zwischen Menschenrech­ • Versammlungsfreiheit ten, bürgerlichen Rechten und politi­ • Sprachenfreiheit schen Rechten. Wer Rechte wahrneh­ men will, muss sich aber auch bewusst Politische Rechte sein, dass es Pflichten zu erfüllen gilt, Sie stehen den stimmberechtigten Män­ welche nachfolgend ebenfalls stichwort- . nern und Frauen über achtzehn Jahren artig aufgeführt werden. ,zu. • Daq Rec�t zu wählen (aktives Wahl­ Menschenrechte . recht) Die Menschenrechte, auch Grundrechte • Das Recht, gewählt zu werden (passi­ genannt, dienen dem Schutz des Men­ ves Wahlrecht) schen, seiner Würde, seiner Sicherheit • Das Stimmrecht und seiner freien Entfaltung. Sie gelten • Das Referendumsrecht, das heisst für alle Einwohnerinnen und Einwohner das Recht, zu verlangen, dass Geset­ des Landes, unabhängig von der Staats­ ze und allgemein verbindliche Bundes­ zugehörigkeit. beschlüsse sowie Konkordate und • Recht auf Leben Grassratsbeschlüsse im bestimmten • Freiheitsrechte: Persönliche individuel­ Rahmen der Volksabstimmung unter­ le Freiheit; Freiheit und Schutz des Pri­ breitet werden vat- und Geheimbereichs; Glaubens­ • Das Initiativrecht, also das Recht, im und Gewissensfreiheit; freie Ausübung Bund Änderungen der Bundesverfas­ gottesdienstlicher Handlungen (Kul­ sung und im Kanton Änderungen von tusfreiheit); Recht auf Eheschliessung Verfassung und Gesetzen vorzuschla- (Ehefreiheit); Recht, Vereine zu grün­ gen . den (Koalitions-, Vereinigungs- und • Das Recht auf Abberufung des Natio­ Versammlungsfreiheit); Pressefreiheit nal- und Ständerates, des Regie­ (Informationsfreiheit); Petitionsfreiheit; rungsrates oder des Thurgauer Gros­ Schutz von Rechtswillkür; Freiheit der sen Rates Meinungsäusserung • Recht auf Eigentum Staatsbürgerliche Pflichten • Recht auf öffentliche Hilfe in der Not Die Teilnahme aller Bürger und Bürgerin­ nen am politischen Leben ist eine Vor­ Bürgerliche Rechte aussetzung der Demokratie. Im wesent­ Diese Rechte sind mit der Staatsbürger­ lichen beschränken sich unsere Pflichten schaft verbunden und kommen Einwoh­ auf die folgenden: nern und Einwohnerinnen der Schweiz • Die Pflichten zur Selbstsorge: Persön­ zu, welche das Bürgerrecht besitzen. lich für sich und die Familie: Unterhalt, • Gleichheit aller vor dem Gesetz Krankheit, Not und Alter - Wirtschaft­ (Rechtsgleichheit, gilt auch für Auslän­ lieh: Produktionspflicht, Lagerpflicht . der und Ausländerinnen). und kriegswirtschaftliche Dienstpflicht

44 • Pflicht zur Mitbestimmung im Rahmen • Steuerpflicht der demokratischen Verantwortung • Wehr- und Schutzdienstpflicht • Schulpflicht (unentgeltlicher Unterricht • Pflicht zur Übernahme eines öffentli­ in öffentlichen Schulen) chen Amtes

ln den über 60 Jahren, die zwischen diesen Aufnahmen liegen, hat sich vieles geändert: Das Frauenstimmrecht wurde endlich eingeführt, das Stimmrechtsalter auf 18 Jahre gesenkt - und Mammern ist nach langem, langem Bemühen in die Selbständigkeit entlassen worden.

45 Wahrnehmen der politischen Bürgerrechte

Von Waldemar Gerber, Urnenoffiziant Das Wahlbüro besteht aus dem Ge­ meindeammann oder der Frau Gemein­ Wahlen und Abstimmungen finden laut deammann als Präsident beziehungs­

Gemeindeordnung an der Urne' statt. weise Präsidentin, dem Gemeinde­ Darunter fallen eidgenössische Wahlen, schreiber oder der Gemeindeschreiberin kantonale Wahlen, Bezirkswahlen und als Aktuar/in sowie zwei Urnen-Offizian­ Kreiswahlen, die Wahl des Gemeinde­ ten für das Wahllokal (Stimmenzählen­ rates, des Gemeindeammanns oder der de). Die Stimmbürger/innen haben die Frau Gemeindeammann, des Vize-Ge­ Möglichkeit, ihre Stimmen vorzeitig meindeammanns und ebenso die Wahl schriftlich auf der Kanzlei oder per Post

Der Abstimmungssonntag vom 25.126. November 1989 hat fü r Mammern historische Bedeutung: Mit 1243 Ja - zu 653 Nein-Stimmen wurde die Ortsgemeinde aus dem Munizipalverband Steckborn entlassen. der Rechnungsprüfungskommission so­ abzugeben oder das Stimmrecht direkt wie der Urnen-Offizianten. Die Abstim­ an der Urne auszuüben. Das Wahlbüro mungen finden in der Gemeindekanzlei ist am Abstimmungs-Wochenende am an der Huebackerstrasse 30 in Mam­ Samstag jeweils von 18 bis 19 Uhr und mern statt. am Sonntag von 1 0 bis 11 Uhr geöffnet.

46 Walter Bertschinger (links) und Waldemar Gerber amten seit vielen Jahren als Urnenoffizianten. Die Wahlurnen ste­ hen im Warteraum der Gemeindekanzlei Mammern.

Das Wahlbüro überwacht die Stimmab­ gabe. Es ermittelt das Wahlresultat und sorgt für die Publikation innerhalb der Gemeinde sowie ausserhalb in die Staatskanzlei des K?ntons Thurgau. Die Übermittlung nach Frauenfeld erfolgt mit Fax oder Mail. Bei kantonalen und eid­ genössischen Abstimmungen kann das Wahlbüro erst nach Bestätigung des Resultates durch die kantonale Wahl­ behörde entlassen werden.

Grossrats- oder Nationalratswahlen wa­ ren bis vor kurzem zeitmässig �die auf­ wendigsten Wahlen zur Ermittlung des Resultates. Unterdessen hilft auch hier eine EDV -Software für schnellere und sichere Zählergebnisse. Mammern zählt zur Zeit etwa 330 Stimmberechtigte. Durchschnittlich nehmen 140 bis 180 Personen pro Urnengang ihre Bürger­ rechte wahr. Dies entspricht einer Stimmbeteiligung zwischen 45 und 60 Prozent in den letzten 10 Jahren.

47 Politisches Interesse wecken und erhalten

Von Flandrina C. von Salis, Gemeinde­ Wie hat dir die Jungbürgerfeier gefallen? rätin Fandest du es gut, dass ihr das Pro­ gramm selber bestimmen durftet? Ja, Wir alle waren einmal eingeladen zu einer mir hat alles sehr gut gefallen. Von mei­ Jungbürgerfeier und gingen dahin, nicht nen Kollegen aus anderen Gemeinden weil wir an der Politik so sonderlich inte­ habe ich gehört, dass sie mehrheitlich in ressiert waren, sondern weil wir eingela­ eine grosse Halle oder einen Mehr­ den waren und alle anderen auch gin­ zweckraum eingeladen wurden; ein gen. Wir waren damals noch 20 Jahre alt Buch über die Gemeinde erhalten haben oder wurden es in demselben Jahr. und soviel trinken durften, wie sie moch­ Am 1 . Januar 1996 trat ein neues Bun­ ten. Dabei hat mir gerade auch das Mit­ desgesetz in Kraft, das junge Menschen gestalten viel Spass gemacht. Ich habe in Gemeinde-, Kantons- und Bundesan­ mich deshalb sehr auf den Anlass ge­ gelegenheiten bereits ab 18 Jahren als freut. volljährig erklärt. Dieser doch entschei­ dende Moment im Leben wird in jeder Gemeinde mit einer Jungbürgerfeier ehrenvoll - und mehr oder weniger fan­ tasievoll - zelebriert. ln Mammern wird die Feier nur jedes zweite Jahr durchgeführt, damit mehre­ re Jugendliche gemeinsam mit dem Gemeinderat einen schönen Abend ver­ bringen können. Vor Jahren wurde auch entschieden, dass die Jugendlichen den Anlass selber gestalten sollen. Als Auf­ takt erfolgt jeweils ein Kontakt mit den Behörden, oftmals ist es der erste dfeser Emil Meier, Gemeindeammann bis Ende Juni 2003, · Art, der auch immer einen Blick hinter die sowie JungbürgeTin Rasmarie Siegwart auf der Fa hrt Kulissen einer Gemeindeverwaltung in­ zum Musical «Deep» in Zürich, nachdem sie bereits auf klusive Steuerbehörde und Zivilstands­ der Gokart-Bahn in Fimmelsberg schnelle Runden gedreht haben. amt ermöglicht. Auch der letztjährige Anlass der Jung­ bürger und Jungbürgerinnen für die Jah­ Welches sind die Erwartungen einer re 2001 und 2002 wurde sehr abwechs­ Jungbürgerin beziehungsweise eines lungsreich gestaltet. Von Käthi Dietrich Jungbürgers? Eigentlich habe ich keine wollte ich stellvertretend für die Jungbür­ grossen Erwartungen. Viel hat sich noch gerinnen und Jungbürger wissen, was nicht verändert, ausser dass ich jetzt ab­ sie mit Politik verbindet, inwiefern sie stimmen darf. Viel interessanter in dem sich für Politik interessiert und was sie Alter ist, dass man die Autoprüfung able., zur Situation der Jugendlichen in Mam­ gen darf. Übrigens habe ich gerade heu, mern zu sagen hat. Hier Auszüge aus te die praktische Prüfung abgelegt, was dem Gespräch: mich wirklich riesig freut. Gut an der Voll-

48 jährigkeit ist der Umstand, dass man ren, damit wir nach wie vor vieles eigen­ handlungsfähig ist und Verträge wie zum ständig und für uns in der Schweiz stim­ Beispiel Lehr.: oder Arbeitsverträge sel­ mig entscheiden können. ber unterschreiben darf. Demokratie - was bedeutet das für dich Wie hast du dich gefühlt, als es im Alter und deine politische Einstellung? Dank von 18 Jahren möglich war, bei Abstim­ der Demokratie kann das Volk mitreden, mungen mitzureden? Ich finde es gut, und zwar bis tief in die jeweiligen The­ dass ich jetzt mitbestimmen darf, was in men hinein. der Schweiz entschieden wird.

Gehst du regelmässig abstimmen? Ja, eigentlich immer.

Beurteilst du das Abstimmen als eine Pflicht oder als ein Recht? Ich beurteile es als beides, denn wir haben das Recht abzustimmen und die Pflicht, etwas für die Schweiz zu tun.

Wie bildest du dir deine Meinung? Ich lese in erster Linie die Abstimmungsbei­ lagen und befrage bei Unklarheiten Lehr­ personen, Eltern und Kollegen. ln der Schule haben wir ein Fach, wo wir die aktuellen Themen auch immer diskutie­ ren.

Wirst du mit politischen Fragen konfron­ tiert? Manchmal diskutiere ich mit mei­ nen Freunden über politische Themen, die mich beschäftigen.

Wie verhalten sich deine Kollegen? Sie sind offen und stimmen auch regelmäs­ sig ab.

Was denkst du von unserer Politik? Ehr­ Käthi Dietrich (links) und Barbara Pfi ster lich gesagt habe ich den Überblick nicht. Politik ist nicht mein Spezialgebiet Auch fehlt es mir an Zeit, mich intensiv mit den Was wünschst du dir als Jugendliche für Themen auseinander zu setzen .. ein Dorf wie Mammern? Für Jugendliche ist es schwierig, abends ohne Auto weg­ Was denkst du von der Stellung unseres und später wieder nach Hause zu kom­ Landes gegenüber dem Ausland? Ich men. Ein Ausbau des Angebotes der finde es gut, dass wir nicht in der EU sind öffentlichen Verkehrsmittel auch nachts und wir unsere Unabhängigkeit bewah- wäre sehr von Vorteil.

49 50 Tage im Amt - Ausblick auf künftige Herausforderungen

Von Anita Oähler-Enge/, Frau Gemeinde­ Legislaturplanung und ein Finanzplan. ammann Eine Legislaturplanung, welche die an­ gepeilten Ziele der nächsten vier Jahre Für Mammern ist das laufende Jubi­ grob festhält, ist für die Umsetzung der läumsjahr ein besonderes Jahr. Vor ge­ Leitbildziele sehr dienlich. nau zehn Jahren wurde Mammern als Dank einer soliden Ausgabendisziplin eigenständige Politische Gemeinde kon­ und den gestiegenen Steuereinnahmen stituiert. Daher feiern wir nicht nur 200 konnte Mammern im letzten Jahr den Jahre Kanton Thurgau, sondern auch i 0 Steuerfuss um 20 Prozent-Punkte sen,. Jahre Politische Gemeinde Mammern. ln ken und gehört damit zu den fünf steu­ den letzten zehn Jahren wurde viel er­ ergünstigsten Gemeinden im Kanton. reicht. Mammern beweist im täglichen Bei der Gesamtsteuerbelastung (ohne Leben immer wieder, dass auch heute Kirchensteuer) liegen am Untersee nur kleine Einheiten nicht nur überlebens­ noch die Gemeinden Salenstein und fähig sind, sondern auch effizient und Gottlieben vor Mammern. Diese ausser­ bürgernah funktionieren können. Nach­ ordentlich gute Position möchten wir folgend möchte ich einige Gedanken als gerne halten. Es ist aber anzumerken, Frau Gemeindeammann, welche seit dass diese Steuersenkung durch Mehr� ungefähr 50 Tagen im Amt ist, äussern. einnahmen erst zu kompensieren ist, Es versteht sich von selbst, dass nach wenn die Politische ·Gemeinde ihre Auf­ 50 Tagen eine Gesamtschau noch gar gaben weiterhin qualitativ auf diesem nicht möglich ist. guten Niveau erfüllen will.

Leitbild und Finanzen Verwaltung, Werke und Feuerwehr Mit grossem Elan wurde in den letzten Kurz- bis mittelfristig wird uns sicher die Jahren ein Leitbild für die Politische Ge- Reorganisation des Zivilstandsamtes - meinde Mammern erstellt. Nun gilt es, beschäftigen. Mit einer Auslastung von die darin festgelegte Stossrichtung in ungefähr vier bis fünf Stellenprozenten konkrete Massnahmen umzusetzen. ist die Weiterführung der bisherigen Or­ Mittelfristig werden dazu neue Füh­ ganisation bundesrechtlich nicht mehr rungsinstrumente geprüft, so etwa eine zulässig. Hier steht die Frage der Zusam-

Die Mitglieder des Gemeinderates ab Juni 2003 (von links nach rechts): Flandrina C. von Sa/is, Hansue/i Weibel, Anita Dähler-Enge/, Ruth Lang-Kalb, Anna Frey-Baitr, Achim Marx

50 menarbeit mit Nachbargemeinden im Schülerzahlen und das neue Schulfinan­ Vordergrund. Spätestens bei der Ein­ zierungsmodell stellen gerade für kleine­ führung der elektronischen Verarbeitung re Gemeinden eine grosse Herausforde­ von Personendaten wird diese Frage rung dar. Da die Primarschulbelange in hochaktuell. Trauungen können weiter­ die Politische Gemeinde integriert sind, hin in der Gemeinde durchgeführt wer­ sollen diese hier auch zur Sprache kom­ den, doch die zivilstandsamtliche Regis­ men. trierungen nicht mehr. Eine Kommission prüft die Einführung Mammern verfügt über eine moderne einer Tagesschule ab August 2004. Falls Versorgungsinfrastruktur. Die Wasser­ die Gemeinde bereit ist, dafür eine Defi­ versorgung ist durch das neue Reservoir zitgarantie zu übernehmen, wird in einer qualitativ hoch stehend gesichert. Auch Wohnung in der gemeindeeigenen Lie­ in einem niederschlagsarmen Sommer genschaft «Trautheim» für Kinder im Kin­ wie in diesem Jahr war die Wasserver­ dergarten- und Schulalter eine ganztägi­ sorgung permanent mit eigenem Was� ge Betreuung vorgesehen. Die Kinder ser sichergestellt. Bereits ist der grösste werden gegen eine Gebühr vor und nach Teil der Höfe an die Abwasserkanalisati­ dem Schulunterricht und über die Mit­ on angeschlossen. Als einer der letzten tagspause betreut. fehlt noch KlingenzelL Dieser Anschluss Der Besuch der Tagesschule ist freiwillig, ist baldmöglichst vorzusehen. sie steht insbesondere auch auswärti­ Die Rekrutierung neuer Feuerwehrfrauen gen Kindern offen. Wir hoffen, damit die und -männer erweist sich als nicht im­ dritte Lehrstelle sichern zu können. Je­ mer ganz einfach. ln Mammern nimmt des zusätzliche Kind, welches in Mam­ die Feuerwehr neben ihren gesetzlich mern den Schulunterricht besucht, wirkt zugewiesenen Aufgaben auch eine ge­ sich mit dem neuen Schulfinanzierungs­ sellschaftliche Stellung ein. Die Planung modell positiv auf die finanzielle Lage der der Einführung des Atemschutzes ist auf Schule aus. gutem Weg. Die Basisstufe vereinigt die zwei Kinder­ gartenjahre mit den ersten zwei Schul­ Kultur, Jugend und Schule jahren. Unterrichtet werden die Schüle­ Der Gemeinderat hat beschlossen, die . rinnen und Schüler von einer Kindergärt­ Erbschaft von Johanna Spuhler nicht in nerin und einer Primarlehrerin mit insge­ die allgemeine Rechnung fliessen zu las­ samt 150 Stellenprozenten. Immer mehr sen, sondern damit einen Fonds für Kul­ bringen die Kinder die unterschiedlichs­ tur und Jugend ins Leben zu rufen. Ziel ten Voraussetzungen bei der Einschu­ ist es, das Geld zweckgebunden für spe­ lung mit. Die einen können bereits lesen zielle Einrichtungen oder Anlässe im und rechnen, andere sprechen kaum Bereich der Kultur und der Jugend ein­ Deutsch oder sind noch sehr verträumt. zusetzen. Damit möchte der Gemeinde­ Mit der Basisstufe sollen diese unter­ rat einerseits die kultureller Aktivitäten schiedlichen Voraussetzungen aufge­ noch stärker unterstützen und anderer­ fangen werden. Im Kanton Thurgau wer­ seits den Jugendlichen in Mammern den ab August 2003 in verschiedenen neue Möglichkeiten bieten. Gemeinden Pilotklassen geführt. Die Ge­ Im Schulbereich stehen wir in Mammern meinde Mammern prüft einen Einstieg sicher vor den grössten Veränderungen als Pilotschule ab Schuljahr 2004. Der und Herausforderungen. Neue Entwick­ Pilotversuch wird finanziell vom Kanton lungen in der Bildungspolitik, sinkende unterstützt.

51 Bürgergemeinden zwischen Gemeinde- und Vereinsstatus

Von Andre Salathe, Staatsarchivar aus; wer etwas zu verlieren droht, vertei­ digt es gewöhnlich und kann etwas ret-:­ Den Begriff der Gemeinde gibt es seit ten. ln diesem Fall heisst das: Die alten Jahrhunderten, weil es seit Jahrhunder­ Dorfgemeinden, die eigentlich Dorfbür­ ten Gemeinden gibt. Das Kompositum gergemeinden sind, werden nicht ein., Bürgergemeinde dagegen ist ein Kind fach durch Dorfeinwohnergemeinden des i 9. Jahrhunderts; es kommt erst auf abgelöst, sondern durch Ortseinwoh­ beziehungsweise kann erst aufkommen, nergemeinden (später Ortsgemeindet'l als sich das revolutionäre Prinzip der genannt) und Ortsbürgergemeinden Gleichheit auch auf kommunaler Ebene (später Bürgergemeinden genannt). durchzusetzen beginnt: Jetzt werden die Der reichlich komplizierte Vorgang, der bisherigen Hintersassen, die Zugezoge­ im Thurgau i 798 beginnt und i 87i nen, diejenigen, die hinten sitzen und abgeschlossen ist, ist unter dem Titel

Holzgant im Jahre 1940 in Mammern, aufgenommen von Hans Baumgartner nichts zu sagen haben, denjenigen «Über den thurgauischen Gemeindewirr., gleichgestellt, die immer schon hier wa­ warr» in Nummer 5 der Heimatkundli­ ren, verbürgert sind, vorne sitzen, be­ chen Publikationsreihe von Mammern stimmen. Und da passiert, was immer bereits dargestellt worden und soll hier passiert, wenn ßolche, die bisher glei­ nicht wiederholt werden. Nur so viel: cher waren, nur noch so gleich sein sol­ i.869 bis i 87i gehen mit der Güteraus"' len wie diejenigen, die vorher etwas scheidung die politischen Aufgaben an weniger gleich waren: Sie setzen alles die Ortsgemeinden über, während die daran, wenigstens in einem Teilbereich Bürgergemeinden noch das verbleiben-: doch auch weiterhin noch etwas gleicher de Bürgergut verwalten und - die politi­ zu bleiben. Einebnungsprozesse lösen sche Konzession - das Bürgerrecht ver­ nur zu oft neue Abschottungsprozesse geben. Mit dem Gemeindeorganisati-:

52 .<#. ., ' , '-..... � ) I, I\ ' . / .

onsgesetz von 1944 nimmt man den Kantonsverfassung vom 16. März 1987 Bürgergemeinden auch noch dieses mit dem Satz: «Die Bürgergemeinden Recht: Jetzt beginnen sie auszubluten, verwalten das Bürgergut» doch eher nur weil, wer von der Ortsgemeinde einge­ beiläufig erwähnt worden sind (§ 57, bürgert wird, nicht mehr automatisch Absatz 4). Mitglied der Bürgergemeinde ist. Die Bürgergemeinden, argumentieren Regierung und Verband der Bürgerge­ Neuer Status der Bürgergemeinden meinden, besässen «aus einer histori­ Dass anlässlich der Vorberatung des schen Überlieferung» nicht selten be­ Gesetzes über die Gemeinden vom deutende Gebäude und/oder umfang­ 5. Mai 1999 dann das Votum fällt: «Ich reichen Landbesitz, vor allem Wald, und sehe nicht ein, dass die Bürgergemein­ hätten «demnach in gewissem Sinn einer den im neuen Gesetz weiterhin geregelt treuhänderischen Pflicht nachzukom­ werden sollen, nur weil sie einen wohl­ men, die geregelt sein soll». Das über­ tätigen Zweck verfolgen. Die Bürgerge­ zeugt. Ganz ungeschoren kommen die meinden könnten zum Beispiel in einen Bürgergemeinden allerdings nicht da­ privatrechtliehen Verein umgewandelt von, indem als Konsequenz der Aufhe­ werden», kann vor diesem Hintergrund bung des Gemeindedualismus bezie­ kaum überraschen. Doch folgen die vor­ hungsweise der Bildung von neuen Poli­ beratende Kommission und der Grosse tischen Gemeinden in § 4 7, Absatz 1 Rat dem Antrag der Regierung, die Bür­ bestimmt wird: «ln jeder Politischen Ge­ gergemeinden im Gemeindegesetz als meinde besteht höchstens eine Bürger­ öffentlich-rechtliche Körperschaften zu gemeinde. Diese trägt den Namen der verankern, während sie von der neuen Politischen Gemeinde.»

53 Die renovierte Ruine Neuburg mit Steckborn im Hintergrund, aufgenommen im Frühja hr 2003

Da es mehr Bürgergemeinden gibt als etwas weniger weisen mehr als 200 Mit­ Politische Gemeinden (ohne dass es in glieder auf. Besonders rosig wird die Zu­ jeder Politischen Gemeinde eine Bürger­ kunft vieler Bürgergemeinden also auch gemeinde gibt), sind Zusammenschlüs­ nach der Flurbereinigung, an deren Ende se unumgänglich; bis 201 1 haben die es voraussichtlich deren 60 geben wird, fraglichen Bürgergemeinden Zeit dazu. nicht aussehen. Umgekehrt gibt es Bürgergemeinden, Die Mobilität der Bevölkerung nimmt die jetzt per Gesetz plötzlich ein wesent­ nach wie vor zu, und nur wenige Bürger lich grösseres Territorium beschlagen wohnen noch an ihrem Bürgerort - als sie es vorher getan haben. Denn, zunehmend vor allem diejenigen, die sagt § 47, Absatz 2: «Der Bürgerge­ sich, nicht weil sie Bürger genau dieser meinde gehören die in der Politischen Gemeinde, sondern weil sie Schweizer Gemeinde wohnhaften Gemeindebürger oder Schweizerin werden wollten, eben und Gemeindebürgerinnen an, die das von der Politischen Gemeinde haben Anteilsrecht am Bürgergut besitzen.» einbürgern lassen. Nur ein Bruchteil von Wer dieses Anteilsrecht nicht schon hat, ihnen tritt hernach auch der Bürgerge­ kann es für höchstens 1000 Franken er­ meinde bei. werben- (§ 51 , Absatz 2). Die Einkaufsta­ Umgekehrt hätten lange im Ort wohn:­ xe ist vergleichsweise niedrig angesetzt, hafte Schweizerinnen und Schweizer, weil viele Bürgergemeinden rückläufige die aber anderswo verbürgert sind, mit­ Mitgliederbestände aufweisen und Zu­ unter Interesse an einem Mittun. Da und wachs dringend nötig haben. dort fördern daher die Politischen Ge­ 1998, als das Gesetz vorberaten wird, meinden die Einbürgerung·von Schwei­ gibt es noch 97 Bürgergemeinden. 35 zerinnen und Schweizern; in einem zwei­ Bürgergemeinden haben 8 bis 50 Mit­ ten Schritt profitieren dann auch die ent­ glieder, 35 Bürgergemeinden 50 bis sprechenden Bürgergemeinden davon 1 00, 15 Bürgergemeinden 1 00 bis 200, (Uesslingen 1991).

54 Ohne Zweifel misst skh die Attraktivität Silvesternachmittag im Rathaus ein einer Mitgliedschaft bis zu einem weitge­ Mass Wein oder Traubensaft, die offen henden Grad an der öffentlichen Rolle, abgegeben werden, ein Paar Bürger­ die eine Bürgergemeinde am Ort spielt, wü�ste und ein Pfund Weissbrot in Emp­ an der Ausstrahlung, die ihre Veranstal­ fang nehmen. Nicht selten leisten die tungen auf die Gemeinde und über die Bürgergemeinden bedeutende Beiträge Gemeinde hinaus haben. Wo die Bür­ zu einem intakten Landschafts- und gergemeinde ein Schattendasein fristet, Ortsbild: Sie bewirtschaften und pflegen dürfte sie vom Aussterben bedroht sein, . grosse Waldflächen, restaurieren und wo sie sich für die Gemeinde engagiert, unterhalten bedeutende Baudenkmäler, dagegen weiterhin attraktiv bleiben. Im­ erstellen und erneuern Dorfbrunnen und mer noch gibt es auch im Thurgau ein­ Ruhebänke und Grillplätze und was der zelne Bürgergemeinden, die es durch Dinge mehr sind. jährlich wiederkehrende Veranstaltungen, Im Grenzbereich von Sozialem und wenn man so will «Events», verstehen, Erziehung ist das Anerkennungsstipen­ ihre Leute bei der Stange zu behalten. dium angesiedelt, das die Bürgerge­ Besonders bekannt sind der . Märstetter meinde Arbon seinen in Ausbildung ste­ Hilariustag am 13. Januar oder der Frau­ henden Mitgliedern p.usrichtet. Wer ein enfelder Bechtelistag der Konstablerge­ entsprechendes Gesuch samt Beleg sellschaft am dritten Montag im Januar; einreicht, hat, solange er in Ausbildung beliebt auch der Weinfelder Bürgertrunk. ist, Anspruch auf jährlich 1000 Franken. Vielerorts geht es etwas bescheidener Manche Bürgergemeinden initiieren und her und zu,' versammeln sich die Bürger­ unterstützen auch ·Publikationen über gemeinden an bestimmten Daten, etwa die Ortsgeschichte; Beispiele aus der am Nachmittag des 2. Januar (Amlikon) jüngeren Zeit sind Thundorf (1 982), oder am Nachmittag des Fastnacht­ Weintelden (l983), Aadorf (1 987), Bürg­ dienstags (Mammern), um nur zwei Bei­ len (1 996), EHenhausen (1 999) und spiele zu nennen, wobei hier wie dort Tägerwilen (1 999). (und andernorts) die obligate Salzisse So mag man denn zusammenfassend und ein bestimmtes Quantum an Wein sagen, dass den Thurgauer Bürgerge­ nicht fehlen dürfen. Wenn die Mammer­ meinden, welche seit dem 3. November ner Schüler und Schülerinnen am Nach­ 1994 in einem Verband zusammenge­ mittag immer noch frei bekommen, schlossen sind, kaum eine grosse Zu­ obgleich die Bürgergemeinde unterdes­ kunft bevorsteht; aber wenn sie sich den sen gar nicht mehr im Schulzimmer tagt, verschiedenen Herausforderungen von und verkleidet und singend durchs Dorf Gegenwart und Zukunft mit einer Vor­ ziehen, so dürfte damit mehr für ein dörf­ wärtsstrategie stellen, dürften sie in den liches Gemeinschaftsgefühl über die Dörfern auch weiterhin wichtige Funktio­ Generationen hinweg geleistet sein als nen ausfüllen und damit wohl auch ein durch manche aufwendige Aktion unter nächstes Gemeindegesetz überstehen, ' diesem Titel. ohne zu privatrechtliehen Vereinen her­ Mit der. Bürgerversammlung verbunden abgestuft zu werden. ist meist auch die Ausschüttung des- oft Der Autor dankt Regierungsrat Dr. Clau­ nur noch symbolischen - Bürgernut­ dius Graf-Schelling, Arbon, Bürgerpräsi­ zens, der hier ein Ster Holz, dort ein paar dent Walter Keller, Weinte/den, und Su­ Fränkli betragen mag. ln Bischofszell sanne Tob/er, Amlikon, für wichtige Hin­ dürfen die Bürgerinnen und Bürger am weise und kritische Durchsicht.

55 f!er Tourismus spielt für fv!.ammern wie für alle anderen Seegemeinden eine sehr wichtige Rolle. Entsprechend kri­ tisch werden gesetzlicheAnderungen aufgenommen, die bisherige Rechte einschränken oder ausser Kraftsetzen.

Früher erschienene Publikationen Vorstand des Verkehrsvereins Mam­ Nr. 1: Mammern und sein Verkehrsverein mern im Vereinsjahr 2003/04 Nr. 2: Mammern und die Präsident: Alfred Nutz Klinik Schloss Mammern Aktuar: Marcel Gassmann Nr. 3: Mammern und seine Kassier: Jürg Weber Ortsgeschichte Revisorinnen: Brigitte Beerli Nr. 4: Mammern und seine Post Flandrina C. von Salis Nr. 5: Mammern als Wanderwege: Stefan Weber Politische Gemeinde Info-Stellen: Walter Siegwart (Post) Nr. 6: Mammern und sein Bahnhof Carina Meile (Gemeinde) Nr. 7: Mammern während des Zweiten Weltkrieges Nr. 8: Mammern, seine Flurnamen und Impressum die Ruine Neuburg Auflage: 2000 Stück Nr. 9: Mammern und seine Kirchen Herausgeber: Verkehrsverein Mammern Nr. 10: Mammern und der Tourismus und Politische Gemeinde Nr. 11: Mammern vor 200 Jahren - Mammern und heute Redaktion: Marianne und Markus Nr. 12: Mammern und die Germann-Leu Unterseeschiffahrt Layout und Marianne Germann-Leu Nr. 13: Mammern und die Feuerwehr Korrektur: (Compedit GmbH) Nr. 14: Mammern und seine Druck: Druckerei Steckborn AG Wasserversorgung Fotografien: Hans Baumgartner Nr. 15: Mammern und das Bauen (Seiten 45 oben, 52, 53) früher und heute Dieter Füllemann Nr. 16 Mammern und die Feldschützen­ (Seiten 37, 54, Mittelseite) gesellschaft Marianne Germann-Leu (Seiten 1, 2, 3, 11, 12, 16, Solange vorrätig, sind diese Nummern so­ 30, 33, 39, 41 , 43, 5� wie die aktuelle Nummer 17 bei der Post Markus Germann oder im Gemeindebüro zu beziehen. (Seiten 26, 27 31 , 32 oben, 34, 35 unten, 45 unten, 46, 47, 50) Geplante Publikationen Staatsarchiv Nr. 18 Mammern und seine Vereine und (Seiten 5, 25) Organisationen (2004) Flandrina C. von Salis Nr. 19 Mammern und seine Schule (2005) (Seiten 48, 49)

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