1-2/2009

gedenke. johann. grenzenlos. steiermark.

EUR 5,- ISSN 0039-1042 1-2/2009 Ganz weit weg einen Blick d´rauf werfen, langsam sich der Sache nähern, sich der Aussagekraft des Gesehenen bewusst werden, und dann ganz tief eintauchen. Eintauchen in die Steiermark und zugleich das, was sie besonders macht, Vom steirischen All~Tag zu den steirischen berichten emporheben, aufzeigen und für das Heute und Morgen festhalten. Darin finden sich die steirischen berichte, die zurückblicken auf über 50 Jahre Geschichte.

Von den steirischen berichten zum steirischen Prinzen

Kleider machen Leute, sagt ein Aphorismus. Das mag zu einem Teil wohl stimmen. Auch wir haben sie herausgeputzt, die steirischen berichte. Doch halt, achten Sie vielmehr auf Inhalte. Sie sprechen mit Ihnen, regen Ihre Gedanken und Fantasien an, zeichnen fantastische Abenteuer im Kopf. Das, ja genau das, wollen wir erreichen, mit jeder Ausgabe, die wir Ihnen gerne nach Hause bringen Vom Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern und Sie damit einladen, auch in naher Zukunft sie weiterhin zu lesen, die steirischen berichte. Vom steirischen All~Tag zu den steirischen berichten

Geschichte hat er geschrieben, Geschichten werden über ihn geschrieben. Er, der steirische Prinz, hat uns inspiriert. Seinen Gedanken haben wir aufgenommen für dieses und für künftige Hefte. Von den steirischen berichten zum steirischen Prinzen Sie finden es im Blattinneren, in den Texten und Bildern, im gesamten Auftritt der steirischen berichte. Innovation, das ist, wofür Erzherzog Johann und das neue Kleid dieses Magazins stehen.

Vom Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern 8 15 52 Fo t o : La n d St e i e r m a r k Fo t o : St e i e r m ä r k i s c h e s Landesarchiv Fo t o : Su p p a n

5 Vorwort von Kurt Jungwirth 21 Die Erben des steirischen Prinzen 34 Erzherzog Johann und die Eisenstraße Familiengeschichtliche Gerhard Sperl gedenke. Seitenblicke auf die Nachkommen 36 Tunnelbau auf Österreichisch Erzherzog Johanns 6 Erzherzog Johann: Stationen seines TU Graz und Montanuniversität Peter Wiesflecker Lebens im Überblick Leoben - gemeinsamer Lehrgang Silvia Renhart 24 Wenn Gott mit mir, was gegen Gertraud Hopferwieser mich? 38 Architektonische Spuren 7 Steiermark 2009: Erzherzog Johann Der Brandhofer und sein Glaube – Martin Müller - Ein Gedenken und ein Bedenken, ein Interview mit Ururenkelin Silvia Renhart Maria Cäcilia Trauttmansdorff 40 Die Kammermaler des Erzherzogs Bettina Messner 8 Erzherzog Johann 09 Gertraud Schaller-Pressler Interview mit dem steiermark. 42 Erzherzog Johann und die 1. Landeshauptmann-Stellvertreter (Volks-)Musik Hermann Schützenhöfer 26 Dynamischer Wirtschaftspolitiker, Eva Maria Hois Gerald Gölles Reformer und Motor des Fortschritts 44 Die Steiermärkische Landesbibliothek Erzherzog Johann aus der Sicht der Christoph H. Binder 10 Termintipps Wirtschafts- und Sozialgeschichte, zum Erzherzog-Johann-Jahr Gerald Schöpfer grenzenlos. 12 Geist & Gegenwart 28 Innovation auch in turbulente 45 Im gemeinsamen Interesse handeln Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009 Zeiten – Interview mit Gestern wie heute Herausforderung auf Schloss Seggau, Leibnitz LR Christian Buchmann Sabina Cimerman 13 Erzherzog Johann 30 Der „steirische Prinz“ 46 Erzherzog Johann Wein und auf Schritt und Tritt und seine Bauern – Überlegungen Kulturreise Claudia Pronegg-Uhl abseits von Idealisierungen und 47 Gradec – Marburg johann. Ideologisierungen 14 Der Mensch „Johann“ Hans Putzer 48 Was geschah jenseits der Silvia Renhart steirischen Grenzen? wissenschaft. Kurt Jungwirth 15 Eure kaiserliche Hoheit – theurer, 50 Andreas Hofer liebster, bester Mann. kunst. Monika Mader Anna Plochl und Erzherzog Johann kultur. Elke Hammer-Luza 52 Der Zufall machte ihn zum 32 „Joanneischer Geist“ Prinzen der Steirer 18 „Gerichte mit Geschichte“ und die Gegenwart Patrizia D’Alessandro Hildegard Giselbrecht 33 Die Pflanzenwelt im Trockenen 54 Vier Frauen und ein Zugereister 20 Bücherecke Kurt Zernig Corinna Steinert

Titelbild: Erzherzog Johann am Hochschwab Fo t o : J. Ko i n e g g , Landesmuseum Jo a n n e u m , Ne u e Ga l e r i e Gr a z a m Landesmuseum Jo a n n e u m gedenke. johann. grenzenlos. steiermark.

Erzherzog Johann 2009

„Gott kann die Geschichte nicht ändern, Historiker können es.“ Dieser Satz gilt nicht nur für Geschichtsforscher, das lässt sich in Jubiläumsjahren, die derzeit beliebt sind, leicht beobachten. Je näher die vergangenen Ereignisse noch sind, umso mehr mischen sich die Heutigen in die Fo t o : Ju n g w i r t h Vergangenheit ein. Fakten werden nicht nur zusammengetragen, sie werden je nach jetzigem Wissen und neuen Interessen auch interpretiert und dargestellt. Die Versuchung ist groß, moralisierend Geschichte zu schreiben. Es ist erstaunlich, wie genau manche Leute wissen, was man vor 30, 50, 100 oder mehr Jahren nicht hätte tun dürfen und was man hätte tun müssen. Solchen Sittenrichtern muss man mindestens zwei Überlegungen sagen. Erstens sollten sie keineswegs sicher sein, dass sie selber damals im Sinne ihrer heutigen Ratschläge gehandelt hätten, und zweitens ist es möglich, dass eine nächste und übernächste Generation wütend auf unser heutiges Agieren sein wird. Was wir heute mit zeitgeistiger Überzeugung für gut und richtig halten, kann in 50 Jahren als ein Bündel grober Verirrungen dastehen. 150 Jahre nach seinem Tod wird in der Steiermark Erzherzog Johanns gedacht. Es ist wohl kein Irrtum, ihn als eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einer außerordentlich bewegten Epoche zu verstehen. Aus unserer heutigen Sicht war jedenfalls seine frühe Zeit von Personen und Ereignissen in Europa geprägt, die auf längere Sicht die Welt veränderten. Persönlich hätte er sich sein Leben vermutlich leichter und angenehmer einrichten können, als er schließlich selber wollte. Dass ihn, den Fremden, Ereignisse und Entschlüsse in die Steiermark verschlugen, war wohl eine glückliche Fügung für das Land. 1959 gab es im Joanneum eine Gedächtnisausstellung für den Erzherzog im Stil einer ehrfürch- tigen Huldigung. 1982, 200 Jahre nach seiner Geburt, wurde er in der großen Landesausstellung auf Schloss in weitere Horizonte gerückt. So stellten wir damals Büsten des steirischen Prinzen in Wien, in Frankfurt und in Florenz auf. Es wird interessant sein, wie das Jahr 2009 Erzherzog Johann sieht. Das vorliegende Heft der steirischen berichte soll Anregung zum Nach- forschen und Nachdenken bringen.

Kurt Jungwirth

Impressum: Medieninhaber und Herausgeber: Die „steirischen berichte“ sind Steirisches Volksbildungswerk ein Organ des Volksbildungswerkes. Obmann: Prof. Kurt Jungwirth Geschäftsführer: Kamillo Hörner Wer Abonnent werden will … Redaktionsteam: ZVR-Zahl: 968800187 … hat es leicht! Die „steirischen Mag. Gerald Gölles (Chefredakteur), berichte“ kosten Dr. Gertraud Schaller-Pressler, Bankverbindung: im Jahr als Abo nur 15 Euro. Dr. Silvia Renhart, Raiffeisenlandesbank Steiermark, Mag. Eva Heizmann, Graz, Tummelplatz, Beziehen können Sie das Abo Dr. Gernot Peter Obersteiner Kontonummer: 7 27 28, im Steirischen Volksbildungswerk, Bankleitzahl 38000 8010 Graz, Herdergasse 3. Layout und Bildbearbeitung: Telefon 0 31 6 / 32 10 20 Anita Schöberl, Hart bei Graz Schauen Sie ins Internet, dort finden Fax 0 31 6 / 32 10 20-4 Sie Näheres über uns. [email protected] Druck: Medienfabrik Graz www.steirische-berichte.at gedenke. Erzherzog Johann – Stationen seines Lebens im Überblick

1782 Johann Baptist wird als 13. Kind des 1819 Gründung der Steiermärkischen Großherzogs Leopold von Toskana und seiner Landwirtschaftsgesellschaft. Begegnung Gattin Maria Ludovika in Florenz geboren mit Anna Plochl. (20. Jänner). 1820 Protektorat über den Steiermärkischen 1790 Leopold II. übersiedelt als Nachfolger seines Musikverein. Bruders, Kaiser Josef II., mit seiner Familie 1822 Erwerbung eines Radwerkes in Vordernberg. nach Wien. Beginn der Förderung der steirischen Eisen- 1792 Tod der Eltern (Vater 1. Feb./Mutter 15. Mai), industrie. Ankauf des Weingutes Pickern bei Johanns älterer Bruder Franz besteigt Marburg. den Thron. 1828 Ankauf eines Grundstückes in Graz. 1796 Beginn der militärischen Ausbildung. Ein Gründung der Wechselseitigen Brandschaden- Ausflug nach Mariazell bringt Johann zum Versicherungsanstalt. ersten Mal in die Steiermark. 1829 Trauung Erzherzog Johanns mit Anna Plochl 1800 Die Vorbereitung der Volksbewaffnung führt auf dem Brandhof. zur Bereisung Tirols. Übernahme des Armee- 1832 1. Gewerbe- und Industrieausstellung in Graz. kommandos. Niederlage bei Hohenlinden. 1833 Errichtung des landwirtschaftlichen Anna-Plochl-Dirndl, 1803 Weitere Reisen durch die Steiermark, Versuchshofes in Graz. Festtagstracht, gefertigt Besteigung des Hochschwabs, Besuch von 1836 Erzherzog Johann wird zum Feldmarschall im Steirischen Vordernberg und des Erzbergs. ernannt. Heimatwerk 1804 Aufbau des Verteidigungssystems von 1839 Erzherzog Johanns Sohn Franz wird geboren. Fo t o : To n i Mu h r Innerösterreich und Tirol. Erster Besuch in 1840 Kauf von Schloss und Herrschaft Stainz. Graz. Erste Begegnung mit Andreas Hofer. Gründung der Montanschule in Vordernberg. 1805 Übernahme des Armeekorpskommandos 1842 Die Familie bezieht das Palais in Graz. Beginn in Tirol. Befohlener Rückzug der Armee nach des Baues der Eisenbahn Mürzzuschlag–Graz. Innerösterreich. Friede von Preßburg. Tirol 1843 Gründung des Historischen Vereines für geht verloren. Innerösterreich. 1807 Ankauf des Schlosses Thernberg (NÖ). 1844 Schloss Schenna in Südtirol angekauft. Eröff- Beginn seiner naturwissenschaftlichen und nung der Eisenbahnlinie Mürzzuschlag–Graz. landwirtschaftlichen Studien. 1845 Gründung der Realschule in Graz. 1808 Tätigkeit im Kriegsministerium. Aufbau der Gründung des Montanistischen Vereines für Landwehr in Innerösterreich. Innerösterreich in Vordernberg. 1809 Johann leitet als Armeekommandant die 1848 Ankauf des Blechwalzwerkes Krems in militärischen Operationen in Oberitalien. der Weststeiermark. Erzherzog Johann eröffnet Sieg bei Sacile. Befohlener Rückzug bis als erster Kurator die Akademie der Wissen- Preßburg. Johanns Armee kann bei Wagram schaften in Wien. Eröffnung des konstituie- nicht mehr eingreifen. Friede von Wien. renden Reichtages in Wien als Vertreter des 1811 Schenkung der Sammlungen und Gründung Kaisers. Wahl zum deutschen Reichsverweser. des Joanneums. Beginn der Kulturtätigkeit in 1849 Erzherzog Johann legt das Reichsverweseramt der Steiermark. zurück. 1813 Vorwiegender Aufenthalt in Schloss 1850 Rückkehr nach Graz. Bürgermeister von Stainz. Thernberg. Alpenbund. Johann als 1852 Gründung des Steiermärkischen Forstvereines. „Alpenkönig“ verdächtigt. 1854 Eröffnung der Eisenbahn über den Semmering. 1815 Wiener Kongress. Kommando der Belagerungs- 1857 Einführung der Landarbeiter- und armee von Hüningen (Schweiz). Übergabe der Dienstbotenordnung. Festung. Reise nach England (über Paris). 1859 Erzherzog Johann stirbt in Graz (11. Mai). Neu kreierter 1817 Wirtschaftliches Notjahr in der Steiermark. 1869 Überführung nach Südtirol – Schloss Erzherzog-Johann- Gründung einer Kartoffelbeitragsanstalt. Schenna. Anzug (Ausschnitt) von Hubert Fink. 1818 Ankauf des Brandhofes. Errichtung einer Fo t o : Do n n e r Leseanstalt am Joanneum. Silvia Renhart

6 steirische berichte 1-2 /09 Steiermark 2009: gedenke. Erzherzog Johann Ein Gedenken und ein Bedenken

150 Jahre ist es her (11. Mai Grazer Wechselseitige Versicherung. 1859), dass Johann Baptist Johanns Spuren sind selbst im 21. Jahrhundert Erzherzog von Österreich, noch unauslöschlich und für die Steiermark Förderer und Visionär der prägend. So ist es nur natürlich, dass auch dieses Steiermark, im Palais Meran Todesjahr zum Gedenken und auch Bedenken in Graz – in den Armen seiner genutzt wird. Nach dem Motto „Nobody is perfect“ geliebten Anna – verstarb. soll man wohl auch an die Persönlichkeit Johanns Erzherzog-Johann- Es wird berichtet, dass Anna herangehen und eine objektive, wissenschaftliche Jahreslogo Zeit ihres Lebens das Stück Analyse anhand aller noch vorhandenen und zum Fo t o : Vo lk s k u l t u r Tapete, auf welches Johanns Teil bis dato unpublizierten Fakten vornehmen. St e i e r m a r k Gm b H letzter Blick fiel, fortan bei Eine Vereinnahmung bzw. Verurteilung von Vertre- sich getragen haben soll. Diese tern „extremer Lager“ kann zwar nicht verhindert, Links: große, tragische Liebe, von der aber unter Berücksichtigung sämtlicher Einfluss- Die Erzherzog- heute noch landauf, landab größen fassbarer gemacht werden. Johann-Statue erwacht 2009 und gesprochen wird, trug begleitet durch das sicherlich viel dazu bei, dass Das Jahresthema Gedenkjahr. dieser Mythos „Johann“ noch Fo t o : Vo lk s k u l t u r so präsent ist. Die Volkskultur Steiermark GmbH betreut im St e i e r m a r k Gm b H Natürlich leistete er zu einer Auftrag des Ressorts für Volkskultur (Landeshaupt- Zeit, als die Steiermark – mann-Vize Hermann Schützenhöfer) dieses Jahres- wie gesamt Innerösterreich – thema und wirkt als Vernetzungs-, Vermittlungs-, wirtschaftlich darniederlag, Informations-, Koordinations- und Organisations- Ungewöhnliches. Als guter stelle für alle Vereine, Verbände und Institutionen, Netzwerker verstand er es, die sich beteiligen. trotz der Widerstände aus Der Auftakt des Erzherzog-Johann-Gedenkjahres Wien, die Menschen zu moti- erfolgte am 20. Jänner anlässlich seines wieder- vieren und anzuspornen. kehrenden Geburtstages. Im von der Volkskultur In zahlreichen Abhandlungen Steiermark GmbH herausgegebenen Erzherzog- wird das Leben und Wirken Erzherzog Johanns Johann–Reisepass und auch auf der Homepage beleuchtet und wird er seiner großen Bedeutung www.erzherzogjohann.steiermark.at werden die für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart Termine aller Feierlichkeiten und Veranstaltungen gemäß ausführlich geehrt. präsentiert. Genau 50 Jahre ist es her, dass ein fünf Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge Kilometer (!) langer Festumzug Erzherzog Johann und dergleichen werden das gesamte Gedenkjahr zu Ehren als Abschluss des Steirischen Gedenk- über abgehalten. jahres 1959 durch Graz zog. Er war einerseits als Zahlreiche Bücher erscheinen und versuchen den letzte Dankeskundgebung an den großen Wohltäter bis heute sehr beliebten „steirischen Prinzen“ ins des Landes gedacht, und andererseits sollte er auch rechte Licht zu rücken. Rechenschaft darüber ablegen, was aus dem Erbe Beiträge in Film- und Printmedien widmen sich Erzherzog Johanns in den vergangenen 100 Jahren ihm und seinem Lebenswerk. erwachsen war. Institutionen, deren Gründung auf ihn zurück- So wollen wir auch 2009 daran anknüpfen und geht, beteiligen sich dabei genauso wie Vereine, haben alle steirischen Regionen zur Teilnahme Verbände und Schulen. aufgerufen. Es soll wie damals kein historischer So wurden beispielsweise von ihm begründet, Umzug sein, sondern die Darstellung der Landes- unterstützt, auf- und ausgebaut: das Landesmuse- teile im Hier und Heute sowie im Morgen – basie- um Joanneum, die Montanuniversität Leoben, rend auf dem „Input“, den dieser Mensch diesem die Technische Universität Graz, die Steiermärki- Land beisteuerte. sche Landesbibliothek, das Steiermärkische Landes- archiv, die Landwirtschaftskammer und die Silvia Renhart

1-2/09 steirische berichte 7 gedenke. Erzherzog Johann 09 Interview mit dem 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer

Die steirischen berichte widmen sich dieses Jahr dem Thema „Erzherzog Johann“. Die Hefte tauchen damit für die Leserinnen und Leser in die Landesgeschichte ein.

steirische Das Jahr 2009 steht im Zeichen des „Steirischen großen „Wahlsteirer“ verweisen. Das Ergebnis ist berichte Prinzen“. Was ist der Anlass für dieses Gedenkjahr? ein vielfältiges Veranstaltungsangebot, das von Wie stehen Sie zum Gedenkjahr? Bad Aussee über Leoben, Mariazell und Graz bis

nach Stainz reicht. Aber auch viele Orte, in denen LHStV. Erzherzog Johann war eine außergewöhnliche Per- Erzherzog Johann nicht unmittelbar gewirkt hat, Hermann sönlichkeit – er hat der Steiermark bleibende Werte haben sich seines Lebenswerkes angenommen und Schützenhöfer hinterlassen, sowohl materielle als auch immate- Veranstaltungen organisiert. Jede dieser Aktivi- rielle. Sein 150. Todestag am 11. Mai gibt Anlass, täten hat ihre Besonderheit, zeigt unterschiedliche seiner und seinem Lebenswerk zu gedenken. Doch Facetten aus seinem Leben auf, hat einen indivi- wir wollen im Gedenken nicht in der Vergangenheit duellen Zugang. Um Erzherzog Johann in seiner stehen bleiben. Vielmehr soll das Erzherzog-Jo- Vielfältigkeit erfassen zu können, kann ich nur hann-Jahr als Anregung gesehen werden, im Heute empfehlen, so viele Veranstaltungsangebote wie Visionen zu leben und Projekte mit Nachhaltigkeit möglich wahrzunehmen. zu starten und zu fördern. Es waren nicht zuletzt Besonders erwähnen möchte ich außerdem, dass sein Weitblick und sein vernetztes Denken, die es wir bei Steiermark Tourismus anlässlich des Ge- ermöglichten, dass die Gründungen und Initiativen denkjahres Sonderpakete für Ausflüge und Reisen des „Steirischen Prinzen“ bis heute ihre Spuren geschnürt haben: Das Paket „Wir sind Erzherzog - ziehen. Auf den Spuren von Erzherzog Johann in der Die von Ihnen initiierte und im letzten Jahr gegrün- Steiermark“ führt zu vielen Orten, an denen er dete Volkskultur Steiermark GmbH fungiert als gewirkt und Spuren hinterlassen hat. Koordinationsstelle für das Erzherzog-Johann-Jahr. Die „Rundreise - Auf den Spuren von Erzherzog Wofür steht dieses junge Kompetenzzentrum? Johann von Stainz nach Maribor und retour“ ist Was bietet diese Einrichtung den Steirerinnen und eine Wein- und Kulturreise, bei der Zusammen- Steirern? hänge damaliger Errungenschaften und heutiger Traditionen entdeckt werden können. Die Volkskultur Steiermark GmbH soll sowohl für Erzherzog Johann hat mit viel Weitblick in der alle Steirerinnen und Steirer als auch für unsere Grünen Mark nachhaltig gewirkt. Viele bis heute Gäste Anlaufstelle für ihre Anliegen und Anfragen weithin anerkannte Institutionen wie etwa die sein und so zur Lebendigkeit unserer Kultur beitra- Montanuniversität Leoben, das Landesmuseum gen. Neben dem Service- und Beratungsbereich be- Joanneum und auch die Landwirtschaftskammer treibt die Volkskultur Steiermark GmbH mit ihrem gehen auf sein Wirken zurück. Mit der Landwirt- Sitz im ältesten Gebäude der Grazer Sporgasse das schaftskammer eng verbunden ist das Engagement Steirische Heimatwerk und das Steirische Volks- für den ländlichen Raum. Gerade hier gelingt liedarchiv. mit der Gründung der steirischen KLEINREGIONEN Im Erzherzog-Johann-Jahr wirkt die neue Gesell- Großartiges. Welche positiven Beispiele und schaft als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informa- Innovationen gibt es hier? tions-, Koordinations- und Organisationsstelle. Die Mit der Gründung Einbindung aller steirischen Regionen und eine der steirischen Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Steiermark zur KLEINREGIONEN enge Zusammenarbeit mit jenen Institutionen, die lebenswertesten und innovativsten Region Europas gelingt Großartiges. auf Erzherzog Johann zurückgehen, liegen mir bei zu machen. Der ländliche Raum ist einem starken Fo t o : Kl e i n r e g i o n dieser Arbeit besonders am Herzen. Wandel und großen Herausforderungen unterwor- Ök o r e g i o n Ka i n d o r f fen. Die Kleinregionen sind die ideale Struktur, um Im Tourismusland Steiermark verweisen dieses die kommunale Infrastruktur auch für die Zukunft Jahr zahlreiche Aktivitäten, Ausstellungen und abzusichern, da die Gemeinden gemeinsam stärker Veranstaltungen auf sein Lebenswerk. Welche sind. Darüber hinaus engagieren sich die Kleinregio- dieser Ausflugsziele können Sie empfehlen? nen bereits intensiv in den Bereichen Klimaschutz Dank des Engagements vieler einzelner Menschen und erneuerbare Energien, da sie nahe genug beim und Einrichtungen ist es gelungen, in der ganzen Bürger sind, um in Zusammenarbeit mit bewährten Steiermark Aktivitäten zu initiieren, die auf diesen Institutionen wie Landwirtschafts- und Wirtschafts-

8 steirische berichte 1-2 /09 kammer realistische und sofort umsetzbare Projekte anzugehen. Ich denke hier an kreative Kleinregio- nen wie etwa die Ökoregion Kaindorf, das Almen- land oder an die Kleinregionen im Vulkanland, wo der ländliche Raum sich zum innovativen Zukunftsraum mit Lösungsideen zur Energie- und Klimafrage entwickelt. In zahlreichen Kleinregio- nen werden auch die Betriebsansiedelungen oder die gemeinsame Nutzung von Veranstaltungshallen und Sportanlagen geplant und gemeinsam umge- setzt. Wir stehen hier am Beginn einer sehr guten Entwicklung. Überall in der Steiermark haben sich Kleinregionen gebildet, am Ende werden es rund 80 bis 90 Kleinregionen sein.

Der Geburtstag Erzherzog Johanns am 20. Jänner 2009 bildete den Auftakt für dieses Gedenkjahr. Sie haben an diesem Tag einen Erzherzog-Johann- Anzug mit Stolz getragen. Mit Stolz, weil er von einem Schneidermeister aus Gratkorn angefertigt wurde und so für Handwerk und steirische Arbeits- plätze steht. Auch das Steirische Heimatwerk ist ein Spezialist für steirische Trachten. Was gibt es dazu zu erzählen?

Ich hege eine tiefe Bewunderung für Handwerks- kunst und jene Menschen, die hinter jedem hand- gefertigten Produkt mit ihrem Können und ihrer Kreativität stehen. Handwerk hat sich im Laufe der Wie stehen Sie zu diesem Fest? Was leistet dieser 1. Landeshauptmann- Jahrtausende differenziert und spezialisiert, hat Tag für die steirische Volkskultur? Stellvertreter neue Berufe, Fertigungstechniken und Produkte Hermann hervorgebracht. Im Mittelpunkt steht aber immer „Aufsteirern“ bietet Steirisches für alle Sinne: Schützenhöfer bei der Auftaktveranstaltung der Mensch – ob er nun traditionelle Werkzeuge Unsere Kultur zum Erleben, Anschauen, Kosten, zum Erzherzog- oder einen Computer bedient. Schmecken, Fühlen und Hören. Dieses Fest zeigt die Johann-Jahr. Das Steirische Heimatwerk kann als ein Zentrum enorme Bandbreite auf, die das Steirische zu bieten Fo t o : La n d St e i e r m a r k für Handwerkskunst bezeichnet werden. Als hat, und präsentiert das reiche Schaffen der unzäh- Verkaufsstelle für Kunsthandwerk und mit haus- ligen Vereine und Verbände. Diese Vielfalt, wie eigenem Schneidereibetrieb und individuell ge- wir sie in der Steiermark erleben, spiegelt sich fertigten Trachten spiegelt es die Identität unserer auch in Europa, ja weltweit, wider. So ist es mir ein Regionen wider. besonderes Anliegen, in das Festprogramm jedes Jahr Gruppen aus den Nachbarländern einzubinden. Das Gedenkjahr wird mit dem steirischen Fest Dieser länderübergreifende Austausch lässt „Aufsteirern“ in Graz, am 20. September, einen uns Kultur in einem größeren Zusammenhang würdigen Abschluss finden. „Aufsteirern ist das erleben und bildet einen wichtigen Beitrag zum Fest für all jene, die steirisch denken, leben, „Aufsteirern“, dem Fest der Vielfalt, des Mitein- reden, singen, tanzen oder einfach nur das typisch ander und der Begegnung. ‚Steirische’ lieben. Einen Tag lang wird die Grazer Altstadt zur Bühne, kurzum zum Dorfplatz, wenn Wir danken für das Gespräch. zahlreiche Mitwirkende zu einem Streifzug durch die Vielfalt der weiß-grünen Volkskultur einladen.“ Gerald Gölles

1-2/09 steirische berichte 9 gedenke. Termintipps zum Erzherzog-Johann-Jahr

26. April bis 31. Oktober 2009 11. Mai 2009, 17 Uhr 4. Juni 2009, 9 Uhr Kulinarische Aktion „Anna kocht …“ Gedenkgottesdienst anlässlich des „Erzherzog Johann und seine Brüder“ Die Mitgliedsbetriebe der BÖG 150. Todestages von Erzherzog Johann Wissenschaftliches Symposion (Beste österreichische Gastlichkeit) Baptist von Österreich „Erzherzog Johann: Tagebuch kochen Gerichte aus der Zeit Erzherzog Dom, Hofgasse/Burggasse, 8010 Graz der Englandreise 1815/16“ Johanns und nach Aufzeichnungen Info: Volkskultur Steiermark GmbH, Buchpräsentation seiner Frau Anna Plochl Tel. 0316 / 90 85 35, Wartingersaal des Landesarchivs, In vielen steirischen BÖG-Betrieben www.volkskultur.steiermark.at Karmeliterplatz 3, 8010 Graz Info: BÖG Steiermark, Info: Historische Landeskommission Tel. 0664 / 849 13 23, www.boeg.at 16. Mai 2009, 17 Uhr für Steiermark, Tel. 0316 / 877-3013, „Erzherzog Johann und sein Glaube“ www.hlkstmk.at 30. April bis 31. Oktober 2009 Festvortrag von Maria Cäcilia Ausstellung „modellhaft. Trauttmansdorff 18. bis 21. Juni 2009 Erzherzog Johann“ Schloss Stainz, 8510 Stainz Bergmannsschach „Erz im Feuer“ Jagdmuseum Schloss Stainz /Landes- Info: Pfarre Stainz, Tel. 03463 / 22 37 Erzherzog Johann und das Schachspiel museum Joanneum, Schlossplatz 1, der Berg- und Hüttenleut’ – 8510 Stainz, Di–So 9–17 Uhr 20. bis 24. Mai 2009 Ein Spectaculum mit Musik Info: Jagdmuseum Schloss Stainz, Reise „Die Familie Erzherzog Johanns Hauptplatz, 8700 Leoben Tel. 03463 / 27 720, und die Toskana“ Info: Museumsverbund Steirische www.museum-joanneum.at Unter der Leitung von Univ.-Prof. DI Eisenstraße, Tel. 03842 / 4062-408, DDr. Gerhard Sperl (Historiker und www.bergmannsschach.at 1. Mai bis 31. Oktober 2009 Montanist) werden der Geburtsort Ausstellung „Bürgerin – Bäuerin – Erzherzog Johanns und die 19. Juni 2009, 10 bis 17 Uhr Kuchldirn. Frauenalltag zur Zeit Wirkungsstätten der Habsburger in der „Zukunft braucht Herkunft: EH Erzherzog Johanns“ Toskana besichtigt. JOHANN – FH JOANNEUM“ Österr. Freilichtmuseum Stübing, Reiseroute: Graz–Toskana–Graz FH JOANNEUM Kapfenberg, 8114 Stübing, täglich 9–17 Uhr Info: Österr. URANIA für Steiermark, Werk-VI-Str. 46, 8605 Kapfenberg (ab 14. 9.: montags geschlossen) Tel. 0316 / 82 56 88, www.urania.at (Weiterer Termin: 26. Juni 2009, Info: Österr. Freilichtmuseum Stübing, 16–21 Uhr, FH Joanneum Graz, Tel. 03124 / 53700, www.stuebing.at 27. bis 29. Mai 2009 Alte Poststraße 147, 8020 Graz) Pfingstdialog „Geist & Gegenwart“ – Info: FH JOANNEUM, 7. Mai bis 27. November 2009 Der Geschmack Europas Tel. 0316 / 5453-8835 oder 8816, Ausstellung „Erzherzog Johann – Der zum dritten Mal stattfindende www.fh-joanneum.at Mensch und Mythos“ Pfingstdialog ist vom joanneischen Steiermärkisches Landesarchiv, Geist geprägt und widmet sich in 24. Juni 2009, 18 Uhr Karmeliterplatz 3, 8010 Graz einer Spezialveranstaltung „Erzherzog Flott – Feurig – Steirisch Mo, Di, Do 9–17 Uhr; Mi 9–19 Uhr, Johann – Herausforderung 2020“. Trachtenpräsentation, Volkstanzfest Fr 9–13 Uhr Schloss Seggau, Seggauberg 1, und Johannisfeuer – zum Namenstag Info: Steiermärkisches Landesarchiv, 8430 Leibnitz Erzherzog Johanns Tel. 0316 / 877-4031, Tagungsbüro: die Organisation, Schloss St. Martin, Kehlbergstraße 35, www.landesarchiv.steiermark.at Tel. 0316 / 69 55 80, 8054 Graz www.geistundgegenwart.at Info: Schloss St. Martin, 8. Mai 2009, 11 Uhr Tel. 0316 / 28 36 55, Akademische Feier „Erzherzog Johann – 29. Mai bis 26. Oktober 2009 www.schlossstmartin.at Begründer der TU Graz“ Festvortrag Ausstellung „Erzherzog Johann – mit Enthüllung der Originalwerkzeuge Radmeister in Vordernberg“ 25. Juli 2009, 20 Uhr für den Spatenstich zur „Alten Radwerk IV, Peter-Tunner-Straße 2, „Er zwängt den Geist in keine Technik“ und akademische Ehrungen. 8794 Vordernberg Schranken.“ Erzherzog Johann – Eine Technische Universität Graz, Mo–So 9–17 Uhr Annäherung Rechbauerstraße 12, 8010 Graz Info: Informationsbüro Steirische Reinhard Schlüter zeichnet im Stil Info: Technische Universität Graz, Eisenstraße, Tel. 03849 / 832, eines Hörbildes den Lebensweg Tel. 0316 / 873 6001, www.tugraz.at www.radwerk-vordernberg.at Erzherzog Johanns nach. Musikalische

10 steirische berichte 1-2 /09 Fo t o : Jo h a n n e s Ge ll n e r Vo lk s k u l t u r St e i e r m a r k Gm b H.

Umrahmung: Ausseer Bradlmusi sich im Ennstal und Ausseerland von 20. September 2009 Kurhaus, Kurhausplatz 144, August bis Oktober dem Leben und „AUFSTEIRERN 8990 Bad Aussee Wirken des steirischen Prinzen. im Erzherzog-Johann-Jahr“ Info: Kulturreferat der Stadtgemeinde Steinitzen-Alm, 8984 Pichl-Kainisch Das steirische Fest in Graz Bad Aussee, Tel. 03622 / 52511-99, Info: „Herbst mit den Bäuerinnen“, Grazer Innenstadt, 8010 Graz www.badaussee.at Tel. 0676 / 94 59 817, Info: Aufsteirern, www.herbst-baeuerinnen.at Tel. 0316 / 22 52 38, 5. August 2009, 19.30 Uhr www.aufsteirern.at Vortrag: „Durch die Schladminger 15. bis 16. August 2009, Tauern.“ Auf den Spuren der Reise jeweils ab 11 Uhr 2. Oktober 2009 Erzherzog Johanns 1810 Säumer, Seiler und Kesselflicker: Salla, Tagung „Visionäre und Visionen in Von OStR Prof. Mag. Harald Matz ein Dorf zur Zeit Erzherzog Johanns der Landwirtschaft“ Schloss Trautenfels / Landesmuseum Ein weststeirisches Bergdorf ver- LFZ Raumberg-Gumpenstein, Joanneum, 8951 Trautenfels 1 wandelt sich für zwei Tage in einen Raumberg 38, 8952 Irdning Info: Schloss Trautenfels, historischen Ort. Dorfplatz, 8592 Salla Info: LFZ Raumberg-Gumpenstein, Tel. 03682 / 222 33, Info: Gemeinde Salla, Tel. 03682 / 22 451-243, www.museum-joanneum.at Tel. 03147 / 206, www.raumberg-gumpenstein.at [email protected] 7. und 8. August 2009 5. November 2009, 19 Uhr „Das Leben, ein Tanz – 2009. 18. August 2009, 20 Uhr „Erzherzog Johann und die Religion“ Erzherzog Johann von Österreich“ „Wenn Du nur schon bey mir wärest…“ Vortrag von Mag. Dr. Elke Hammer-Luza Gastspiel der Vereinigung Wiener Franz Meran und Barbara Frischmuth Info: Pfarrheim Stainz, 8510 Stainz Staatsopernballett im Ausseerland lesen unveröffentlichte Briefe von Kaiserzelt, 8992 Altaussee Erzherzog Johann an Anna Plochl. Weitere Termine finden Sie unter Tickethotline: Tel. 0664 / 422 11 12, Musikalische Umrahmung: Ausseer www.erzherzogjohann.steiermark.at www.ballett.at Geigenmusik und im „Reisepass durch das Literaturmuseum Altaussee, Erzherzog-Johann-Jahr“. Reisepass 9. August 2009, 11 Uhr Fischerndorf 61, 8992 Altaussee anfordern: Volkskultur Steiermark Auftaktveranstaltung zur Reihe Info: Literaturmuseum, GmbH, Sporgasse 23, 8010 Graz, „Herbst mit den Bäuerinnen“ Tel. 0664 / 444 10 69, Tel. 0316 / 90 85 35, Eine Fülle von Hoffesten widmet www.literaturmuseum.at [email protected]

1-2/09 steirische berichte 11 gedenke.

Geist & Gegenwart

Das Heft in der Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009 Das Symposium „Geist und Gegenwart“ steht Hand haben junge heuer unter dem Leitwort „Der Geschmack Studierende beim auf Schloss Seggau, Leibnitz Europas“. Dieses europäische Forum, das vom vielsprachigen „Der Geschmack Europas“ soll nach dem Willen Land Steiermark und der Diözese Graz-Seckau in Pfingst-Dialog auf der Veranstalter beim dritten Pfingst-Dialog auf Kooperation mit dem Joanneum Research und Schloss Seggau: Schloss Seggau in aller Munde sein: Denn Fragen dem Club Alpbach Steiermark veranstaltet wird, Das interdiszipli- ist nicht nur zeitlich, sondern seinem Wesen nach näre Forum widmet zur Ernährung, vom Überfluss bis zum Welthunger, mit dem Pfingstfest verbunden. Angesichts zu- sich Fragen zur von den Rohstoff- und den Lebensmittelpreisen, nehmender sozialer und kultureller Erosionen Zukunft Europas aber auch zu einem nachhaltigen und verantwor- darf man von diesem Pfingst-Dialog Impulse für und lädt zu tungsvollen Umgang mit Ressourcen stehen auf mehr Humanität und mehr Geist in Europa und internationalem dem diesjährigen Programm. Und nicht zuletzt: Meinungsaustausch wie Nicht-Europäern dieses Europa „schmeckt“. darüber hinaus erhoffen. auf höchstem Die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen, Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau Niveau. sozialen und ethischen Herausforderungen werden Der Pfingstdialog Geist & Gegenwart ist zu Fo t o : wieder in Plenarveranstaltungen und „Insieme“- einer guten Tradition geworden – für den offenen Ge i s t & Ge g e n w a r t Gruppen diskutiert werden. Dialog zu wichtigen Fragen der Gegenwart und Neben vollwertiger Geistesnahrung wird aber auch Zukunft über Grenzen hinweg und als Impuls- konkret Essen auf den Tisch kommen und analy- Schloss Seggau, geber für Reform- und Innovationsprozesse. siert: Nach dem Motto „Das Auge isst mit“ werden Fo t o : Ki r c h e n g a s t Also eigentlich ganz in der vorbildlichen Haltung die Autoren des Buches „Food Design“, Honey & Erzherzog Johanns, der für uns ständige Heraus- Bunny, die kulturell unterschiedlichen Farbreize forderung ist. von Speisen etwa in Asien (weiß) und Österreich Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer (rot) aufzeigen. „Das Interesse am Pfingst-Dialog ist auch heuer Geist & Gegenwart – Der Geschmack Europas besonders groß“, freuen sich die Organisatoren, Pfingst-Dialog, 27.–29. Mai 2009, Schloss Seggau, „aufgrund der vielen Anmeldungen vor allem von Leibnitz Studierenden sind wir bereits um eine Erhöhung ReferentInnen: Wolfgang Benedek, Sihem Benesedrine, unserer Aufnahmekapazitäten bemüht.“ Warnfried Dettling, Christian Felber, Benita Ferrero- Waldner, Franz Fischler, Barbara Gerl-Falkovits, Und da sich „Geist & Gegenwart“ unter der Mariella Gruber, Franz Harnoncourt-Unverzagt, Schirmherrschaft von Diözesanbischof Dr. Egon Mats Hellstroem, Honey & Bunny, Waldemar Hummer, Kapellari und Landeshauptmann-Stv. Hermann Dieter Hundt, Valentin Inzko, Egon Kapellari, Monika Kircher-Kohl, Michael Krüger, Richard Kühnel, Schützenhöfer von Beginn an auch von Jadran Lenarcic, Manfred Lütz, Joseph Marko, „joanneischem Geist“ durchweht sieht, ist 2009 Reinhard Marx, Meinhard Miegel, Leopold Neuhold, ein eigener Schwerpunkt zum Thema „Erzherzog Fred Ohenhen, Bernhard Pelzl, Klaus Poier, Johann – Herausforderung 2020“ geplant. Manfred Prisching, Susanne Scholl, Kurt Scholz, Margit Schratzenstaller, Hermann Schützenhöfer, Ali Soleiman, Wenn auch Sie auf den Geschmack Europas Dieter Spoeri, Hans Staud, Herwig Sturm, Lojze Wieser. gekommen sind: Sie sind herzlich willkommen! Teilnahmekosten, Anmeldung & Info: Gertraud Schaller-Pressler Tagungsbüro Geist und Gegenwart, c/o die Organisation, Opernring 12/1, 8010 Graz, Tel: +43/(0)316 /69 55 80, [email protected], www.geistundgegenwart.at

12 steirische berichte 1-2 /09 Erzherzog Johann gedenke. auf Schritt und Tritt Fo t o s : Di eGr a z Gu i d e s

Der Jahresregent Erzherzog Johann erweitert heuer auch das Angebot von DieGrazGuides – Fremdenführerclub für Graz und die Steiermark. Bereits zum 13. Mal laden die engagierten FremdenführerInnen zu ihrer beliebten Aktion „Graz für Grazer“ und widmen dabei gleich zwei unterschiedliche Spaziergänge dem Leben und nachhaltigen Wirken des steirischen Prinzen.

Den 30 Mitgliedern von DieGrazGuides Gegenwart. Das Jahr der Astronomie des Erzherzogs quer durch die Innen- liegen nicht nur Gäste von auswärts veranlasst DieGrazGuides, den Spuren stadt führt. sondern auch die GrazerInnen und Johannes Keplers zu folgen ... . Ein Folder mit den genauen Terminen SteirerInnen am Herzen. Um deren der Aktion „Graz für Grazer“ liegt ab Wissensdurst nach spannenden, unbe- Und Erzherzog Johann? In zwei Spa- Ende April bei der Graz Tourismus kannten, oft kuriosen Aspekten der ziergängen – garniert mit Zitaten Information, Herrengasse 16, auf. Stadt zu stillen, präsentieren DieGraz und amüsanten Anekdoten – wird der Natürlich können alle Führungen Guides von Mai bis Ende September volksverbundene Mensch und wissen- bei DieGrazGuides auch individuell „Graz für Grazer“ im Detail. Da lockt schaftliche Visionär Johann Baptist gebucht werden. eine Fahrt im Cabrio Bus ins „grüne von Österreich näher vorgestellt. Dabei Graz“ mit seinen Parks, Schrebergärten ergeben sich erstaunliche Parallelen und paradiesisch bepflanzten Innenhö- zwischen seiner und unserer Zeit. Weitere Informationen: fen. Kastner&Öhler offenbart histori- Unter dem Titel „Wissen für jedermann“ DieGrazGuides – Fremdenführer-Club sche Substanz und heitere Geschichten geht es von der Technischen Universität für Graz und die Steiermark, abseits vom Shopping. „Europa in Graz“ zur Kunstuniversität, während „Neue Telefon: 0316 / 58 67 20, beleuchtet identitätsstiftende äußere Ideen für das Land“ zu zahlreichen, Fax: 0316 / 57 53 10, E-Mail: info@ Einflüsse in Vergangenheit und noch heute florierenden Gründungen grazguides.at; www.grazguides.at Gewinnen Sie eine Sie haben gewonnen Erzherzog-Johann-Führung durch Graz

Wie gefallen Ihnen die neuen steirischen berichte? 5 Bücher Wir laden Sie ein, uns darüber Ihre Meinung „Wie’s g’wesn is“ schriftlich mitzuteilen. wurden mit den steirischen berichten Unter allen Einsendungen verlosen wir 15 Eintritts- 6/2008 verlost. karten für die von den GrazGuides zur Verfügung „Wie’s g’wesn is. gestellte Erzherzog-Johann-Führung Vom Leben auf dem Land“. am Samstag, 16.Mai 2009, in Graz Inge Friedl/Neues Land. Beginn: 11.00 Uhr 176 Seiten. Treffpunkt: Hauptplatz/Rathauseingang 2008, Kennen lernen können Sie dabei auch das 24,95 Euro. Redaktionsteam der steirischen berichte. Erhältlich auch über Bitte schicken Sie uns Ihre Antwort NEUES LAND, Reitschulgasse 3, bis spätestens 30. April 2009 8011 Graz, per Post, Fax oder E-Mail an Tel. 0316 82 63 61-11, Steirisches Volksbildungswerk [email protected] 8010 Graz, Herdergasse 3 oder www.neuesland.at. Fax (0 31 6) 32 10 20-4 [email protected] Die Gewinner der Bücher sind Eintrittskarten und Informationen zur Führung erhalten Sie • Frau Helga Kopeinig aus Graz in der Steiermark mit der Post. Die Preise können nicht übertragen oder in • Herr DI Josef Suppan aus Graz in der Steiermark bar abgelöst werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ihre • Frau Ingrid Paul aus Jagerberg in der Steiermark eingereichten Angaben werden vertraulich behandelt und ohne Frau Maria Stahl aus Stohlberg in Deutschland Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben. • Mit der Teilnahme am Wettbewerb stimmen Sie zu, dass Ihr • Herr Dipl.-Bwt. Josef-H. Hasenmüller aus Berlin Name im Rahmen der steirischen berichte veröffentlicht wird. in Deutschland

1-2/09 steirische berichte 13 johann. Der Mensch „Johann“

auf einer Reise nach Mariazell Land und Leute. Am Abhange des Riedenberges. Hier sind die Häuser schon mit Stroh gedeckt, auch viele halb mit Holz und halb mit Stein gebaut … Die Bauerntracht ist verschieden und hat ihren eigenen Geschmack; man glaubt sich in eine andere Welt versetzt. Genaue Kenntnis des Landes, der Bewohner, deren Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie der Leistungen der öffentlichen Einrichtungen erlangte er durch eine statistische Landesaufnahme. Darauf baute und begründete er seine Reformen. Vision und Inspiration holte er sich auf seinen zahl- reichen Studienreisen durch Europa und Kontakten zu bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit. 1801 beschrieb er auf seiner Reise durch Salzburg und Tirol Bauernhäuser, Lebensweise, Mahlzeiten, Tracht, Charakter, Körperbeschaffenheit, Religion, Volksspiele, Volkslied, Musik und Liebesleben der Bevölkerung. 1802 führte ihn sein Weg durch die Steiermark, wo er sich Jodler und Volkslieder vorsingen ließ und damit seine Liedersammlung begründete. Bereits 1804, als er noch mit seinen militärischen Plänen befasst und auf Tirol konzentriert war, bereitete er eine Arbeit über „Sitten, Gebräuche und Charakter der deutschen Alpenbewohner“ vor. Zugleich erteilte er Naturforschern, Zeichnern und Antiquaren den Auftrag zu forschen und zu sam- meln. Nach seiner „Verbannung aus Tirol“ durch- wanderte und beschrieb er im August 1810 die Aus- seer und Schladminger Alpen: Die Almhütten sind niedrig aber geräumig; die heftigen Winde, welche hier herrschen und oft den Boden furchen, lassen Leopold Kupelwieser, Aufgrund seines Standes erfuhr Erzherzog Johann kein hohes Gebäude zu. Die Dächer sind flach und Erzherzog Johann im eine umfassende (globale) Erziehung – beeinflusst mit Steinen beschwert … Abends waren Geiger und Rock mit grünem und geprägt durch verschiedene Kulturkreise und Pfeifer da und von Schladming kamen Bauern mit Aufschlag, 1828. Fo t o : Ne u e Ga l e r i e Gr a z Mentalitäten Europas. ihren Alpenhörnern („Wurzhörnern“). Sie sind wie a m Landesmuseum Als Kind seiner bewegten Zeit war er nicht nur Posaunen gemacht, von Lärchenholz mit Bast um- Jo a n n e u m von den Naturwissenschaften, sondern auch vom geben und geben einen reinen, angenehmen aber Gedankengut der Aufklärung, dem Fortschritts- zugleich traurigen Ton … glauben sowie von der beginnenden Industrialisie- Im Oktober 1810 durchstreifte er die untersteiri- rung angespornt und vom allgemeinen Aufkeimen schen Weingegenden und schrieb Beobachtungen des Interesses am Volksleben inspiriert. über Weinbau, Weinlesefeste, Pressen, Keller und Er zeichnete Erlebnisse und Geschichten auf seinen Winzerbräuche nieder. Reisen durch die Alpenländer auf. Gerne durch- Dies gab ihm anscheinend Anstoß, fortan für die streifte er auch als einfacher Jäger die Steiermark Steiermark tätig zu sein, und begeistert schrieb er und gesellte sich unters gemeine Volk. Durch seine 1811 in sein Tagebuch: Heirat mit der Ausseer Postmeisterstochter Anna Aus den Gebirgen entspringen die Wasser, die die Plochl und das Tragen der einfachen Jägerkleidung Ebene beherrschen, dort ist noch der Menschheit auf seinen Streifzügen fand er die gewünschte Nähe Kern, von da muß Rettung kommen! zu den Menschen des Steirerlandes. Mit 14 Jahren bereits interessierte und beschrieb er Silvia Renhart

14 steirische berichte 1-2 /09 „Eure kaiserliche Hoheit – johann. theurer, liebster, bester Mann.“ Anna Plochl und Erzherzog Johann

Die Beziehung zwischen Erzherzog Johann und Anna Plochl ist mit Sicherheit die bekannteste Liebesgeschichte der Steiermark, birgt sie doch alle Bestandteile einer märchenhaften Romanze in sich: Ein Kaisersohn und eine Postmeisters- tochter verlieben sich ineinander, trotzen im ländlichen Idyll allen Widerständen und dürfen nach jahrelanger Prüfung endlich den Bund für das Leben schließen.

Spätestens seit dem Kinofilm „Erzherzog Johanns einander näher. Im Sommer 1822 tat der Habsburger große Liebe“ war dieses kitschig-süße Bild in einer schließlich den entscheidenden Schritt und erklärte breiten Öffentlichkeit festgeschrieben. In der sich der Bürgerstochter. Die Verbesserung seiner Realität zeigte sich die Beziehung des Habsburgers finanziellen Situation durch eine Erbschaft sowie zu seiner mehr als 20 Jahre jüngeren Gefährtin der Ankauf von Realitäten in Vordernberg trugen aus dem Bürgerstand freilich viel facettenreicher daran nicht unwesentlichen Anteil. Nachdem sich und mit einer Reihe von Problemen belastet, unter das Paar bald einig war, suchte Johann Anfang denen vor allem die junge Frau zu leiden hatte. 1823 bei seinem kaiserlichen Bruder, Franz I., um die Heiratserlaubnis an. Der Kaiser erteilte zwar Die Postmeisterstochter Nanni seine grundsätzliche Zustimmung, wollte die Heirat jedoch bis auf Weiteres aufgeschoben wissen. Anna Maria kam als ältestes Kind des Postmeisters Wie stellte sich diese Situation nun für Anna Plochl Jakob Plochl und seiner Frau Maria Anna, geb. Pilz, dar? Die junge Bürgerstochter hatte bei der ersten am 6. Jänner 1804 in Aussee zur Welt. Sie hatte Zusammenkunft mit dem Erzherzog sicher niemals zwölf Geschwister, wobei ihre Mutter nach der daran zu denken gewagt, in eine nähere Beziehung Geburt des jüngsten Kindes 1821 verstarb. Familie mit dem so viel höherstehenden und älteren Mann Plochl besaß in Aussee ein bürgerliches Haus und zu treten. Tatsächlich knüpfte das lebenslustige galt als durchaus angesehen. Erzherzog Johann Mädchen zunächst Bekanntschaft zu einem jungen lernte die Postmeisterstochter im Sommer 1819 am Mann ihres Standes. Es war dies der Leobener Toplitzsee kennen und fand an dem jungen Mädchen Bäckermeisterssohn Vinzenz Pfeifer, der als Ange- Zeitgenössische Gefallen. Im den folgenden Jahren trafen die beiden stellter in einem Vordernberger Radwerk arbeitete. Genre-Darstellung immer wieder zufällig zusammen und kamen Die beiden korrespondierten nicht nur miteinander, „Anna als Postillion“

1-2/09 steirische berichte 15 johann. sondern tauschten auch kleine Geschenke aus; Die Hausfrau des Erzherzogs unter anderem besaß Vinzenz von Anna eine Rose und einen Ring. Wie lange dieses Verhältnis ge- Am 20. September 1823 führte Johann seine Anna dauert hatte und aus welchen Gründen es letztlich nach Vordernberg – um sie nach wenigen Tagen zerbrach, wissen wir nicht; der Bürgerssohn galt bereits wieder allein zu lassen. Die vielfältigen jedoch als leichtlebiger Frauenheld. Nachdem Anna Geschäfte des Habsburgers ließen es nicht zu, dem Erzherzog diese Episode erzählt hatte, setzte längere Zeit in Ruhe an einem Ort zu verweilen. der Habsburger alles daran, die Spuren der ehe- Das hieß für Anna, dass sie lernen musste, Wochen maligen Beziehung zu beseitigen, um das Anse- und sogar Monate in einsamer Zurückgezogenheit hen seiner Auserwählten nicht zu gefährden. Über zu verbringen. Für ein junges Mädchen, das ge- Vermittlung des Bäckermeisters Pfeifer übergab der wohnt war, im Kreis einer großen Familie mit vielen junge Mann alle von Anna herrührenden und diese Kindern zu leben, musste das eine gewaltige Um- unter Umständen kompromittierenden Gegenstände stellung bedeuten. Selbstverständlich trug Johann an den Habsburger. Damit nicht genug, wurde dafür Sorge, dass Anna in seiner Abwesenheit Vinzenz Pfeifer auch der Abschied aus Vordernberg Gesellschaft hatte, allerdings nur durch einen von nahe gelegt. Mit Hilfe von Erzherzog Johann erhielt ihm ausgewählten Personenkreis. Mit anderen, ihm er einen Studienplatz an der Bergakademie in nicht vertrauenswürdig erscheinenden Menschen Schemnitz, die Reise- und Aufenthaltskosten über- sollte sie hingegen keine engeren Kontakte pflegen. nahm der Habsburger. Zum Leidwesen Annas hatte der Erzherzog auch Trotz aller Diskretion blieben das Werben von Vorbehalte gegen ihre Schwestern und gegen ihren Erzherzog Johann, die Vater, so dass sie hin- und hergerissen war zwischen plötzliche Abreise der Liebe zu ihrer Familie und dem Pflichtbewusst- Vinzenz Pfeifers und die sein gegenüber Johann. Der Habsburger handelte letztlich gescheiterten dabei natürlich aus reifer Überlegung, wusste er Hochzeitsvorbereitungen doch nur zu gut, wie rasch Anna in ihrer ohnehin in Aussee nicht unbe- unsicheren Position durch unbedachte Handlungen merkt. Klatsch und gänzlich desavouiert werden konnte. Tratsch blühten, wobei Für das damals 19jährige Mädchen waren die Be- vorzugsweise Anna vormundungen des Erzherzogs jedoch schwer zu Plochl die Zielscheibe ertragen. Anna sah sich wegen der ständigen, bis- des Spotts bildete. Neider weilen übertrieben scheinenden Bedenken immer und Übelwollende gab wieder um jede Freude und Zerstreuung gebracht, es genug, die ihr vor- um so mehr, da sie bisher eine begeisterte Tänzerin warfen, sich anmaßend gewesen war, die kaum einen Ball ausgelassen über ihren Stand erheben hatte. Der schon in die Jahre gekommene Erzherzog zu wollen. mied hingegen nach Möglichkeit solche Veranstal- Das Gerede zog so weite tungen, die er als höchst verderblich und gesund- Kreise, dass sogar Staats- heitsschädlich ansah. Hier zeigten sich die kanzler Metternich in Wesensunterschiede, aber auch die Altersdifferenz Wien von seinen Po- zwischen dem ungleichen Paar besonders augen- Herrenhaus lizeispitzeln genaue Berichte über die Person der fällig, was auch Anna bewusst war: Willst Du mir in Vordernberg Postmeisterstochter einforderte. Aus einer denn gar die Freude nicht mehr erlauben, daß ich Fo t o : StLa gewissen Naivität und schwärmerischen Verliebt- nicht mehr tanzen soll. […] Du wirst Dir halt den- heit heraus gelang es Anna anfangs, sich ihren ken, jung, jung! Leider freylich jung, darum auch Optimismus zu bewahren. Doch zum Druck der noch gerne lustig. Umgebung kam zunehmend auch der Druck Erzherzog Johann hatte in der Wahl seiner Ge- innerhalb ihrer eigenen Familie. Jakob Plochl fährtin ein unverdorbenes Geschöpf aus dem Volk sorgte sich um den Ruf seiner ältesten Tochter – gesucht, das er in gewisser Weise noch nach seinen und suchte zugleich handfeste materielle Vorteile Vorstellungen formen konnte. In diesem Sinn ver- für sie herauszuholen. suchte er auch auf Anna einzuwirken, vor allem, Erst im September 1823 fand dieser unhaltbare was einfache und schlichte Lebensführung betraf. Zustand ein Ende, und Anna sollte mit Zustim- Auch wenn die Bürgerstochter alles andere als an- mung ihres Vaters als Wirtschafterin des Erzher- spruchsvoll war, hatte sie doch eine gewisse Freude zogs tätig werden. Damit begann ein neues Kapitel an Putz und Zierrat, was der Erzherzog jedoch nicht in ihrem Leben, das für sie – neben der ersten verstehen wollte. So rügte er sie in harten Worten, Freude über die erreichte Zweisamkeit mit einem dass sie sich bei einem Ausflug nach Graz unter- geliebten Menschen – sehr viele Schattenseiten standen hatte, drei Hüte mitzunehmen: Für Dich aufweisen sollte. wäre ein Gewand für alle Tage und immer das näm-

16 steirische berichte 1-2 /09 liche, eines für Visiten oder ein Überrock und Dein Die Frau ohne Namen johann. schwarzer Mantel hinlänglich gewesen, denn das viele Kleiderwechseln ist eine unzeitige Eitelkeit, Die Eheschließung mit Erzherzog Johann bedeu- die ich nicht will. Wegen dieser und ähnlicher tete für Anna freilich nur die Legitimierung ihrer Zurechtweisungen vergoss Anna viele Tränen. Sie Beziehung und keine Aufnahme in die Familie hatte mitunter das Gefühl, von den Freunden und des Habsburgers. Es sollte noch lange dauern, bis Vertrauten des Habsburgers überall überwacht sie in Wien überhaupt Zutritt zur kaiserlichen Hof- und kontrolliert und wie ein Kind mit Warnungen burg erhielt. Wir können nur Vermutungen darüber überhäuft zu werden. Andererseits wollte sie ihrem anstellen, wie sich die im ländlichen Aussee aufge- „Herzensmann“ alles recht machen und ängstigte wachsene Frau, die keine angemessene Erziehung sich, seinen Unwillen hervorzurufen. genossen hatte und keine Erfahrung mit höfischer War Erzherzog Johann endlich ein paar Tage zu Etikette besaß, hier fühlen musste. Gerade in den Hause, so gestaltete sich das Zusammenleben zwi- ersten Jahren waren sicherlich alle Augen auf sie schen Anna und ihm auch nicht immer erfreulich. gerichtet und jede Ungeschicklichkeit ihrerseits Wiewohl das Paar ständig brieflich miteinander in wurde peinlich genau notiert – und wohl auch aus- Verbindung stand, trat während der langen Abwe- führlich kommentiert. Dazu kam die Verlegenheit, senheiten doch eine gewisse Entfremdung auf, die dass man anfangs nicht wusste, wie man die Frau es immer wieder abzubauen galt. Zugleich durfte des Erzherzogs überhaupt anreden sollte. Erst 1834 Anna Freiin aber auch nicht zu viel Nähe aufkommen, peinlich erhielt sie den Titel einer Freifrau von Brandhofen von Brandhofen. genau musste darauf geachtet werden, dass man zuerkannt. So nimmt es nicht wunder, dass Anna trotz aller Bedürfnisse über das kameradschaftliche die Zeit am liebsten in ihrer steirischen Heimat Verhältnis nicht hinausging. Der Erzherzog wurde verbrachte. Aber auch hier bewegte sie sich in ge- wisser Weise zwischen den Welten: Zum Bürger- durch diese allseits unbefriedigende und peinigende Johann, Anna und Situation in schwere Depressionen gestürzt und stand gehörte sie nicht mehr, und selbst der Land- beider Sohn Franz. glaubte, durch sein Versprechen adel behandelte sie nicht als Fo t o : StLa gegenüber Anna Schuld auf sich ihresgleichen. Neben diesen geladen zu haben. In der ersten äußeren Zurücksetzungen litt Jahreshälfte 1824 war Johann Anna unter der anfänglichen in so düsterer Stimmung, dass Kinderlosigkeit ihrer Ehe, erst er in seinen Tagebüchern sogar 1839 stellte sich der lang erwar- Selbstmordgedanken äußerte. tete Sohn ein. Bis aufs äußerste angespannt Es scheint, dass Anna durch und oft krankhaft gereizt, war ihre Mutterschaft eine gewisse er von Selbstzweifeln zerfressen Eigenständigkeit erlangte, die und stellte bisweilen sogar Annas sich bisweilen auch mit einem Liebe in Frage. Diese fühlte sich energischen Auftreten paarte – mit der düsteren Schwermut ihres allerdings nur innerhalb der Gefährten oft überfordert, eigenen vier Wände, die sie als zumal sie ja selbst mit der beste- ihre Welt ansah. In der Öffent- henden Lage alles andere als glücklich war. Es lichkeit, wie etwa in Frankfurt 1848, fühlte sie sich zeugt von der Charakterfestigkeit des Paares, dass gänzlich fehl am Platz: Ich bin für die hiesige Welt es diese schwere Zeit miteinander meistern konnte. viel zu einfach […]. Auch ihre Standeserhöhung zur In der Tat hat es den Anschein, als ob Anna und Gräfin von Meran 1850 sollte daran nichts mehr Johann nach dem ersten Jahr ihres Zusammenle- ändern. bens immer besser lernten, miteinander umzugehen Nach dem Tod von Erzherzog Johann 1859 lebte und sich an ihre Situation zu gewöhnen. Wie in Anna vor allem in Graz, wo sie als Wohltäterin in jeder Beziehung wechselten auch hier bessere und Erscheinung trat; am 4. August 1885 starb sie schlechtere Tage einander ab, letztlich sollten sich in ihrem Geburtshaus in Aussee. die Gegensätze zwischen den beiden aber immer Elke Hammer-Luza mehr abschleifen. Freilich ist zu erwarten, dass Verwendete Quellen und Literatur (in Auswahl): die junge Anna hier mehr Zugeständnisse machen musste als ihr Radmeister. Die trotzig zur Schau ge- Johann Erzherzog von Österreich, Der Brandhofer und seine Hausfrau. 3. Aufl., bearb. u. eingel. von Walter Koschatzky, stellte Prinzipientreue des Erzherzogs beeindruckte Graz 1978. letztlich auch seinen kaiserlichen Bruder, der 1829 Renate Basch-Ritter, Anna Plochl. Die Frau an der Seite endlich seine Zustimmung zur Heirat bekräftigte. Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte, Am 18. Februar heirateten Anna und Johann in der Graz 2005. Kapelle des Brandhofes, nachdem sie fünfeinhalb Elke Hammer, Anna Plochl und Erzherzog Johann – Kehrseiten Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt hatten. einer „lieblichen Romanze“. In: MittStLA 48 (1998), 299–332.

1-2/09 steirische berichte 17 johann. „Gerichte mit Geschichte“

Fo t o s : Gi s e l b r e c h t Es ist rund 150 Jahre her, dass Anna Plochl, die Krapfen wie Schneeballen und Spagatkrapfen waren bürgerliche Ehefrau des Erzherzogs Johann von auf dem „Speiszettl“ angeführt. Hirn, Milz und Österreich, ihren Gemahl mit viel Gefühl und Liebe Leber galten damals als geheime Liebesextrakte. „bekochte“. So änderte sich im Laufe der Jahrzehnte das Image Kein Wunder, dass es fast ein Jahrhundert dauerte, von Innereien, und sie finden heute seltener den bis erzherzögliche Gerichte nachgekocht werden, Eintritt in die Menüauswahl. Steirische Küche am denn massige Mengen von Schmalz und 18 Eiern Hof war bekannt für Markigkeit und Kraft! hinterließen einen bombigen Eindruck. Werden die Mengen aber auf vier Personen umgerechnet, so Das Kochbuch – verlieren die Gerichte viel an Kalorienschreck. Erst „ein heiliges Buch“ mussten Umrechnungen von Loth, Quintel, Vier- ting, Pfund, Seidel und Maß vorgenommen werden, Alle Ehre den Dirnd’ln der damaligen Zeit, da bis sich die Mengen aus der Anna-Plochl-Küche wurden Rezepte penibel genau in das Kochbuch nachempfinden lassen. eingetragen. Ein gut geführtes Kochbuch war für Die reiche Ernährung adeliger und bürgerlicher Zeit eine junge Frau quasi wie ein Bewerbungsbrief an mag vielleicht auch an der Lebensfreude, die uns den Zukünftigen. Vergleicht man die Zeilen der aus Volkstänzen und Walzern entgegenschwingt, Rezepte aus der Zeit von Anna Plochl, so ist es zu tun haben. Germspeisen, Salsen und Sulzen, lustig zu erlesen, mit welcher Muße die Gerichte Bratensäfte und Brieschen finden sich zum Abend- beschrieben wurden. mahle ein, bitte zu Tisch auch für Fasansuppe und Zum Beispiel die Hühnerpüreesuppe: Eine alte Ente mit kleinen Zwiebeln. Henne, eine junge Henne, Rindsuppe, ein abgezoge- Mit Chips oder Pommes Frites hätte die Adelsküche nes Kalbshirn, im Mörser gestoßen, 20 abgezogene keine großen Schlagzeilen gemacht, umso spannen- gestoßene Mandeln, mit Obers angefeuchtet, eine der die Gerichteküche, in der viele internationale ganze abgeriebene, in Obers geweichte Semmel, 6 und traditionelle Speisen aus der Pfanne gezaubert Eidotter von hartgesottenen Eiern, ebensoviel But- wurden. So verraten Pastete à la Plochl und ter, wenig Mußkatnuß, als Einlage Semmelcroutons Parmesankrustenbraten französisch-italienische oder Konsumé. Kochneigungen, ohne dass bei den teuren Zutaten Die Art der Zubereitung gleicht fast einer kleinen gespart wurden, hatte dennoch der Wert der Wirt- geheimen Geschichte, um deren Kräuter und Zuta- schaftlichkeit im Haushalt eine bedeutende Stel- ten sich der Hochadel berät. lung. Nicht zu vergleichen mit dem „Arme-Leute- In Anna Plochls Kochbuch verstecken sich zwischen Essen“ der Bauersleut’, die noch in jenen Tagen mit den Zeilen geheime Liebesbeweise. Wohl wissend, Hungersnöten und Missernten kämpften. dass niemand in das Kochbuch einsehen darf, außer ihrem Liebsten. Je nach Seelenstimmung Gerichte verwendete Sie das Kochbuch wie einen stillen „Postillion d’amour“ (Liebesbotschafter): Trends in der Biedermeierküche waren vor allem Wenn schon Entfernung macht, daß du auf mich Rahm und eierreiche Speisen, sogar an Zucker hat- vergisst, so denke dann und wann, die unterschrie- te man sich nichts vom Mund abgespart. Aus dem ben ist. Nany Erzherzog-Johann-Kochbuch ist herauszulesen, Nach einem Rezept „Tiroler Strudel“ schrieb die dass es vor allem das Brot war, dem eine besondere auch mit dem Spitznamen „Nany“ genannte Anna Wertschätzung zukam. So wurde Brot in Form von Plochl: Lustig wohlauf in Steuerinnen Brauch, und Mehlspeisen, Pofesen, Semmelbrösel, Panadel der meinige auch. (Semmelbrei, Weißbrotsuppe) veredelt. Auf Panier hatte man in diesen Tagen noch eher verzichtet, Geduld im Leiden, sonst mutig und schweigen, nicht doch war die Fleischzubereitung, auf Wurzelwerk ohne Noth klagen, mehr denken als zagen. aufgesetzt, nicht aus der Küche wegzudenken. Hildegard Giselbrecht

18 steirische berichte 1-2 /09 Frühlingssuppe von Anna Plochl johann. Aus dem Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl

Original Rezept: Kleinste junge gelbe Rübchen, Petersilwürzchen, 3 Hände voll gezupfter Salat, ebensoviel Sauerampfer, 1 Handvoll Kerbel- kraut, ebensoviel grüne Petersilie, wenig zu dünnen Stückchen geschnittenen jungen Porre, in kurze Stäbchen geschnittener Schneidespargel, 1 Seidel feinste grüne Erbsen, Consommé, Salz, Muskatnuß, gebähte Semmel, 1 Maß gute Suppe

Quelle: Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl. Erhältlich im Kammerhof Museum Bad Aussee (Tel: 0676 83 62 25 20) und im Steirischen Heimatwerk in 8010 Graz, Sporgasse 23 (Tel..: 0316 82 71 06)

Heute: 10 dag junge Karotten, zu Stäbchen geschnitten, 5 dag junge Petersilwurzeln, 2 Händevoll Zupfsalatblätter, 1 handvoll Sauerampferblätter, 1 Handvoll Kerbelkraut, 1 handvoll grüne Petersilie, ½ Handvoll grüner Porre, in Scheibchen geschnitten, H. Gi s e l b r e c h t m i t i h r e r Fa m i l i e 1 Handvoll grüner dünner Spargel, in kleine Stücke geschnitten, ¼ l junge grüne Erbsen, Salz, weißer Pfeffer, Wächst unterirdisch – schmeckt 1 Messerspitze Muskatnuß, Eierstich, in Butter angeröstete Semmelstückchen, ¾ l Rindsuppe, Karotten und Petersilwurzeln überirdisch in guter Suppe bissfest kochen, Porre, Spargelstückchen, Erbsen, Ein schweres Unterfangen war das, bis sich die Erdäpfel dazufügen und köcheln. Zuletzt die gehackten Kräuter beigeben über die Anden von Peru nach Europa durchringen konnte. und kurz mitsieden. Der Wert der Anerkennung stieg mit zunehmenden Hun- Eierstich bereiten: 2 Eier fest versprudeln, salzen und würzen, gersnöten, und so erging 1767 vom Kaiser eine Instruktion in gebutterte Förmchen gießen und im Wasserbad stocken über den Anbau und die Verwendungsmöglichkeiten der lassen. Die Suppe über in Butter gerösteten Semmelstückchen Erdäpfel in Österreich. Noch während theresianisch- und dem zierlich zerteilten Eierstich anrichten. josefinischer Zeit wird im Hofdekret festgestellt, dass Hildegard Giselbrecht Untertanen 2 Gulden für das Tagwerk zur Aufmunterung des Anbaus der Erdäpfel bekommen, vor allem in rauhen Ihr Habsburger könnts vielleicht Gegenden, wo sich Misswachs des Getreides eingestellt hat. 1810 schreibt Erzherzog Johann in sein Tagebuch, dass er besser regieren, aber kochen können einen Bauern getroffen hat, der minutiöse Berichte über wir Plochls besser! Anna Plochl den Anbau und den Ertrag der Erdäpfel verfasst hat. Paul Adler vlg. Christoph, Grundbesitzer in Mühlreith, nähe Bad Mitterndorf – stand dem Erzherzog als Berater bei. Dipl.-Päd. Hildegard Giselbrecht ist im Bezirk Liezen Fachberaterin 1816 und 1817 bereiste Erzherzog Johann die Obersteier- für Urlaub am Bauernhof, Ernährung und Erwerbskombination. mark und verteilte Erdäpfel an Hungerleidende. Durch Bild unten: Blüten der Kartoffel (Solanum tuberosum) Fo t o : kk die von ihm gegründete Kartoffelbeitragsgesellschaft und die Landwirtschaftsgesellschaft, die nachfolgend der heutigen Landwirtschaftskammer gleicht, konnte der Erdäpfelanbau gefördert werden. Er wirkte damals als großer Aufklärer, denn der Anblick der Not, die Hilflosigkeit der Bauern, ihre Betriebe aus eigener Kraft ertragreicher zu gestalten, ließen sein Konzept reifen: Das Ziel ist die wirtschaftliche und moralische Unter- stützung des alpenländischen Raumes. 1831 ist der Erdäpfelanbau weitgehend durchgedrungen.

In der Eintracht Vieler liegt die Kraft, die das Gute bewirkt. Dazu beizutragen ist eines Jeden Aufgabe. Erzherzog Johann, 1846

1-2/09 steirische berichte 19 johann. Bücher zum Thema

Zahlreiche „Klassiker“ zu Leben und Wirken Erzherzog Standardwerk ist und bleibt Hans Magenschabs Biographie Johanns sind fast nur mehr im Antiquariat zu erwerben des Erzherzogs, 1981 noch mit dem Untertitel „Habsburgs oder in Bibliotheken zu benützen. „Der Brandhofer und grüner Rebell“ erschienen, 2008 in überarbeiteter und seine Hausfrau“, herausgegeben von Alfred Wokaun 1959 textlich umgruppierter Gestalt zu „Erzherzog Johann. Bauer, und seither von Walter Koschatzky mehrfach neu aufgelegt, Bürger, Visionär“ mutiert. Der reich bebilderte Band von gehört ebenso dazu wie die umfassende, aber leider nur bis Renate Basch-Ritter, „Anna Plochl. Die Frau an der Seite zum Jahre 1811 reichende Biographie aus der Feder von Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte“ Viktor Theiss („Leben und Wirken Erzherzog Johanns“, Neu- führt als „Porträt einer außergewöhnlichen Frau“ Leben auflage 1981) und die Festschrift „Erzherzog Johann von und Nachwirkung der aus dem Bürgerstande stammenden Österreich. Sein Wirken in seiner Zeit“ zum 200. Geburtstag Ehefrau Erzherzog Johanns vor. 1998 brachte Victoria von anno 1982 herausgegeben von Othmar Pickl. Wohlfeil anti- Haan das Reisetagebuch ihres Vorfahren Leopold von Haan quarisch zu haben sind auch die material- und informations- als Begleiter Erzherzog Johanns 1837 in Russland und der reichen Kataloge zu den Gedächtnis- bzw. Landesausstellun- Türkei mit Dokumenten aus dem Familienarchiv Meran gen der Jahre 1959 (Graz, Joanneum) und 1982 (Stainz; kombiniert heraus, und im Frühsommer 2009 wird die hrsg. v. Grete Walter-Klingenstein und Peter Cordes). Historische Landeskommission für Steiermark eine Auswahl Mit „Erzherzog Johann. Mythos und Wirklichkeit“ hat aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns über seine England- sich 1982 der inzwischen verstorbene Publizist Günther Reise 1815/16 präsentieren, als er wichtige Aufschlüsse über Nenning beschäftigt, in romanhafter Form – neben anderen die Industrialisierung Großbritanniens gewann und später – schon 1950 Hans Gustl Kernmayr („Erzherzog Johanns in der Steiermark umsetzen ließ. Und auch die Ergebnisse große Liebe“) und 1980 der langjährige Kulturredakteur der heurigen Symposien zu Leben und Wirken Erzherzog der „Südost-Tagespost“ Wolfgang Arnold unter dem Titel Johanns werden in Buchform vorgelegt werden, um weitere „Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman“. Der Grazer Forschungen anzuregen. Leopold Stocker Verlag hat diesen Roman nunmehr in Gernot Peter Obersteiner zweiter Auflage herausgebracht; für ein Publikum, das abseits von Jahreszahlen, aber auch einen literarischen Zugang zur Persönlichkeit des steirischen Prinzen LEOPOLD STOCKER VERLAG sucht, sehr empfehlenswert, wollte der Autor doch „das Romanhafte im Leben dieses volkstümlichsten aller österreichischen Erzherzoge, diese … so stark verkitschte Liebesgeschichte mit der Postmeisterstochter Anna Plochl auf das richtige Maß reduzieren“.

ISBN 978-3-7020-1228-1 Charlotte Keil-Meran FRANZ MERAN Der Sohn im Schatten von Erzherzog Johann 120 Seiten, zahlrei- che Abbildungen, Hardcover � 29,90 Renate Basch-Ritter Anna Plochl Charlotte Keil-Meran, die Urenkelin von Franz Meran, Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch hat mit viel Liebe zum Detail und Wissen über ihre zwei Jahrhunderte. Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz, Vorfahren ein Buch zusammengestellt, das Franz Meran 2005 (ISBN: 3-201-01845-7) aus dem Schatten seines Vaters Erzherzog Johann her- austreten lässt. Es zeigt Franz Meran als liebenden Erzherzog Johann/Leopold von Haan Ehemann, fürsorglichen Vater, leidenschaftlichen Jäger Eine russisch-türkische Reise im Jahre 1837. Aus den Hand- und intelligenten Verwalter seiner Güter. Daneben wird schriften der Tagebücher erstmals hrsg. von Victoria von Haan. auch auf die nachfolgenden Generationen der Familie Verlag Karolinger, Wien und Leipzig 1998 (ISBN 3-85418-083-7) Meran eingegangen, die mittlerweile mehr als 1.000 Mitglieder zählt. Hans Magenschab Erzherzog Johann. Bauer, Bürger, Visionär Styria, Wien–Graz–Klagenfurt 2008 (ISBN 978-3-222-13255-1) Leopold Stocker Verlag 8011 Graz, Hofgasse 5, Wolfgang Arnold Tel.: 0316/821636, Fax: 0316/835612 Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman E-Mail: [email protected] 2. Auflage, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart 1980 Internet: www.stocker-verlag.com (ISBN 978-3-7020-0365-4)

20 steirische berichte 1-2 /09 Die Erben des johann. steirischen Prinzen Familiengeschichtliche Seitenblicke auf die Nachkommen Erzherzog Johanns

die 1847 in der Errichtung eines Fideikommisses Links: Die Witwe mündeten, das jedoch 1853 vom Erzherzog wider- Erzherzog Johanns, Anna Gräfin Meran, rufen und 1855 neuerlich errichtet wurde. Dieses mit ihren Enkeln gebundene Vermögen, das nur in männlicher Linie Karoline, Rudolf nach dem Recht der Erstgeburt vererbt werden und Albrecht sollte, umfasste das Palais Meran in Graz, Gut im Jahre 1879. StLA Schenna mit dem Gut Ober- und Unterthurn bei Schenna und ein Kapital von 700.000 Gulden, das überwiegend in Staatsschuldverschreibungen angelegt war. Die 1840 erworbene Herrschaft Stainz wie auch der Brandhof waren freier Besitz. Auch die Suche nach einem passenden Namen für das neue Geschlecht gestaltete sich schwierig. Es war der steirische Archivar Josef Wartinger, der den Erzherzog auf die mittelalterlichen Herzöge von Andechs-Meranien hinweisen sollte. Der Herzogstitel rührt allerdings nicht vom tirolischen Meran her, sondern von der Bezeichnung für die Die direkte Nachkommenschaft Erzherzog Johanns küstenländischen Besitzungen dieser Familie. umfasst heute mehr als 900 Personen. Sie sind über Trotzdem war ein Bezug zu Tirol gegeben, da die alle Kontinente verteilt und naturgemäß in den Habsburger als Nachkommen der tirolischen Görz- unterschiedlichsten Berufen tätig. Meinhardiner auch von den Andechs abstammten. Ihr zweiter Stammvater ist neben dem steirischen Am 29. April 1844 (Diplom vom 30. Dezember Prinzen dessen einziger Sohn Franz (1839–1891), 1845) erhob schließlich Kaiser Ferdinand I. den der 1844 Namen und Titel eines Grafen von Meran aus der morganatischen Ehe mit der Freyin von erhalten hatte. Die Ehe Johanns mit der bürgerlichen Brandhofen entsproßenen Sohn Franz [seines Postmeisterstochter Anna Plochl war unbeschadet Onkels] in den österreichischen Grafenstand mit ihrer kirchenrechtlichen Gültigkeit nach dynasti- dem Namen eines Grafen von Meran, Freyherrn von schen Gesichtspunkten nur eine sog. morganatische Brandhofen. Sechs Jahre später wurde auch Anna Ehe, d. h. sowohl Anna als auch ihrem gemeinsamen Plochl von Ferdinands Nachfolger Franz Joseph I. Sohn kam ein anderer Rang zu als ihn der Ehemann in den Grafenstand erhoben. und Vater besaß. Erzherzog Johann hatte zur Versorgung Annas Der Sohn des Erzherzogs den Brandhof ausgesetzt, gleichzeitig sollte ihr der Adel verliehen werden. Doch erst fünf Jahre nach Die Stellung des Sohnes des steirischen Prinzen am der 1829 erfolgten Eheschließung regelte man am Wiener Hof war delikat. Als Sohn eines Habsburgers Wiener Hof die künftige Stellung der erzherzog- war er unzweifelhaft ein habsburgischer Dynast, lichen Gemahlin. Mit kaiserlichem Handschreiben zugleich jedoch der Spross aus standesungleicher vom 14. März 1834 wurde ihr und etwaigen Kindern Ehe und damit nicht Mitglied des kaiserlichen aus ihrer Ehe mit dem Erzherzog der Freiherren- Hauses. Als kaiserlicher Offizier – er quittierte den stand mit dem Namen von Brandhofen verliehen. Dienst im Rang eines Majors – und vor allem als Nach der Geburt seines Sohnes beschäftigte sich Geheimer Rat, der er seit 1881 war, besaß er Zutritt Johann nicht nur mit der Frage, welcher Name und bei Hof. Seiner Herkunft aus kaiserlichem Geblüt welcher Rang seinem Sohn künftig zukommen trug man seitens des Hauses Habsburg auch inso- sollten, sondern natürlich auch mit der finanziellen fern Rechnung, als ihm und seinem Haus 1861 ein Sicherstellung. Bereits 1840 nahm der Erzherzog erblicher Sitz im Herrenhaus, dem Oberhaus des mit dem Wiener Hof Verhandlungen darüber auf, österreichischen Reichsrates, verliehen wurde.

1-2/09 steirische berichte 21 johann. Fernab der rigiden Strenge des Hofzeremoniells sident der Grazer Wechselseitigen Versicherung lässt sich in feinen Nuancierungen die tatsächliche und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums Stellung ausmachen, die der Graf am Wiener Hof Joanneum. Auch seine besondere Leidenschaft einnahm. 1869 wurde Franz Meran in den Orden gehörte der Jagd. Vor allem der Brandhof, auf dem vom Goldenen Vlies aufgenommen, der bis heute er und seine Frau Ladislaja Gräfin Lamberg alljähr- als einer der vornehmsten abendländischen Ritter- lich ihre mehr als 40 Enkelkinder zum Sommer- orden gilt und dem neben den Prinzen des kaiser- aufenthalt versammelten, und die ausgedehnten lichen Hauses und katholischen ausländi- Reviere in Ungarn, die seine Gemahlin in die Ehe schen Souveränen und Dynasten eingebracht hatte, boten den entsprechenden waid- die höchsten Würdenträger des männischen Rahmen. Johann Meran war zudem Wiener Hofes und Herren des alten Gründungsmitglied und späterer Ehrenpräsident des und vornehmlich hohen steirischen Waldbesitzerverbandes, langjähriger Adels der Donaumonarchie Landesoberschützenmeister von Steiermark und angehörten. Zu Familienfeiern Ehrenmitglied der steirischen Jägerschaft. im Kaiserhaus wurde Franz Im Unterschied zu ihm hatte sein jüngerer Bruder Meran wiederholt zugezogen, Franz (1868–1949) eine Karriere als Militär einge- vor allem dann, wenn sie schlagen. Am Ende des alten Österreich finden einen intimeren Charakter wir ihn als Direktor des k. k. Gestüts in Piber, ehe besaßen, so etwa anlässlich er mit Kriegsende als Oberst pensioniert wurde. der Vermählung der Kaiser- Aus dem Erbe nach seinem Vater war ihm eines tochter Marie Valerie mit der drei sog. Meran-Häuser in der Elisabethstraße Erzherzog Franz Salvator zugefallen. Franz Meran war seit 1902 mit Marie 1890 in Bad Ischl, wo der Kreis Prinzessin von und zu Liechtenstein, der Tochter der geladenen Gäste, zu denen des sog. „roten Prinzen“ Aloys Liechtenstein auch der Graf gehörte, bewusst eng verheiratet, der zu den Wegbereitern der christlich- gezogen worden war, so dass man sozialen Bewegung in Österreich gehört hatte. Aus gleichsam en famille war. dieser Ehe stammten sechs Kinder, von denen im Franz Graf Meran Franz Merans persönlicher Wirkungskreis blieb Übrigen Sohn Albrecht (geb. am 26. April 1908) StLA weitestgehend auf die Steiermark beschränkt, von 2008 seinen hundertsten Geburtstag feierte und Reisen und den gesellschaftlichen Verpflichtungen, damit nicht nur der erste Nachkomme Erzherzog die ihn an den Wiener Hof führten, abgesehen. Johanns ist, der ein so hohes Alter erreicht hat, Jenen Institutionen, die sein Vater in der Steiermark sondern überhaupt der erste habsburgische Dynast, ins Leben gerufen hatte, war auch er verbunden, der auf ein volles Jahrhundert Lebenszeit zurück- etwa der Wechselseitigen Versicherungsanstalt, blicken kann. Franzens jüngerer, mit Johanna deren Präsident er war, oder dem Landesmuseum Prinzessin Auersperg verheirateter Bruder Rudolf Joanneum. Das Grazer Stadtpalais, das Salzkam- (1872–1959) schlug nach einem rechtswissenschaft- mergut und der Brandhof mit seinen ausgedehnten lichen Studium die Laufbahn eines Verwaltungs- Revieren waren die bevorzugten Aufenthaltsorte beamten ein, die ihn mehrfach in Spitzenpositionen des ersten Grafen Meran. einzelner Kronländer der Monarchie führen sollte. Ein schweres Magenleiden machte zahlreiche So war er Landespräsident der Bukowina und Kuraufenthalte im Süden notwendig. In Abbazia schließlich Statthalter von Tirol und Vorarlberg. ist Franz Meran am 27. März 1891 wenige Tage Der jüngste der vier Enkel Erzherzog Johanns, nach seinem 52. Geburtstag gestorben. Ebenso wie Albrecht Meran (1874–1928), war ursprünglich seine Eltern haben auch Franz Meran und seine ebenfalls Militär, studierte dann jedoch Theologie Gemahlin Theresia Gräfin Lamberg (1836–1913), und wurde 1902 zum Priester geweiht und 1904 die er 1862 geheiratet hatte und dank der sich dem zum Kuraten der Herz-Jesu-Kirche in Grundlsee Sohn des steirischen Prinzen zahlreiche Verbindun- bestellt, die er bis zu seinem Tod betreute. Anna gen zu Familien des österreichischen Hochadels (1864–1935), die älteste Tochter des ersten Grafen erschlossen, ihre letzte Ruhestätte im Mausoleum Meran, wurde 1892 die Frau von Alfons Stefenelli von Schenna gefunden. von Prenterhof und Hohenmauer, eines Offiziers Das Meransche Fideikommiss und der damit ver- des Grazer Hausregiments IR 27 König der Belgier, bundene erbliche Herrenhaussitz, die Herrschaften und heiratete 1896 in zweiter Ehe den 1917 ge- Stainz und Brandhof und das südsteirische Weingut adelten kaiserlichen OffizierJohann (von) Radey, bei Marburg gingen auf seinen ältesten Sohn Dr. dessen Vater Franz Landeshauptmannstellvertreter Johann Graf Meran (1867–1947) über. Wie seinen von Steiermark gewesen war. Ihre Nachkommen Vater finden wir auch ihn an führender Stelle leben heute in Kanada. Ihre Schwester Marie (1865– in den von Erzherzog Johann begründeten 1933) blieb unverheiratet. Karoline (1870–1944), Institutionen. So war auch dieser Graf Meran Prä- die jüngste Enkelin Erzherzog Johanns, wurde 1893

22 steirische berichte 1-2 /09 die Gemahlin des niederösterreichischen Adeligen gedenke. Heinrich Freiherrn von Doblhoff-Dier. Dieser Zweig johanneischer Deszendenten ist heute erloschen. Noch zu seinen Lebzeiten hatte Familienchef Johann Meran die Verwaltung von Stainz seinem ältesten Sohn Franz übergeben, der seinem Vater später auch im Besitz von Schenna und Brandhof folgte. Aus der Ehe von Johann Meran und Ladislaja Lamberg stammten insgesamt zehn Kinder, vier Söhne und sechs Töchter. Zwei Söhne, Philipp und Hans, wurden von ihrer Mutter mit Teilen ihres ungarischen Be- sitzes ausgestattet, der nach 1945 verloren ging, da- Liturgiewissenschafter und Universitätsprofessor Familientreffen runter die für ihre Jagdreviere bekannte Herrschaft Philipp Harnoncourt, finden wir einen Nachkommen in den 1960er Jahren. StLA Csákbéreny, die Philipp Meran zugefallen war. Sein Erzherzog Johanns unter den derzeitigen Mitglie- Sohn Philipp, der langjährige Leiter des steirischen dern des Grazer Domkapitels. Jagdmuseums, hat in seinen zahlreichen Büchern Der Besitz von Schenna, Stainz und dem Brandhof zum Thema Jagd den steirischen Jagdherren, Jägern blieb auch unter Dr. Franz Meran (1891–1983) in der und Revieren ein bleibendes Denkmal gesetzt. Hand des Familienchefs vereinigt. Dieser hatte als Oberleutnant am 1. Weltkrieg teilgenommen und Ein starker Familienzweig anschließend Rechtswissenschaften studiert, ehe er die Verwaltung des Stainzer Familienbesitzes über- Unter den Nachkommen Erzherzog Johanns ist jener nahm. Zwischen 1934 und 1938 war Franz Meran Zweig, der von seinem gleichnamigen Enkel, dem Mitglied des Steiermärkischen Landtages, vor 1938 zweiten Familienchef, herrührt, der an Mitgliedern zudem Präsident des steirischen Forstvereines, stärkste. Seine älteste Tochter Maria Theresia wurde Obmann des Forstausschusses der Kammer für Land- 1912 die Gemahlin von Karl Graf Kottulinsky auf und Forstwirtschaft, Obmann des Zentralkomitees Neudau. Beider Sohn Dipl.-Ing. Hans Kottulinsky ge- österreichischer Waldbesitzerverbände und Vize- hörte von 1945 bis 1949 und von 1953 bis 1959 dem präsident der österreichischen Landwirtschaftsge- österreichischen Nationalrat an. Maria Anna Meran sellschaft. Nach 1945 fungierte er als Obmann des heiratete 1919 Friedrich Freiherrn Mayr von Melnhof, Verbandes steirischer Waldbesitzer, war seit 1951 dem die Salzburger und oberösterreichischen Besitz- Präsident und später Ehrenpräsident des Steirischen ungen dieser steirischen Familie zugefallen waren. Jagdschutzvereines, Präsident der Grazer Wechsel- Ihr Sohn Dipl.-Ing. Friedrich Mayr-Melnhof war seitigen Versicherung und durch ein Vierteljahr- von 1983 bis 1986 Salzburger Agrarlandesrat. hundert (1946–1971) Präsident des Kuratoriums des Dessen Tochter Doraja Eberle ist gegenwärtig als Landesmuseums Joanneum. Das Land Steiermark Landesrätin Mitglied der Salzburger Landesregie- würdigte die Verdienste des Stainzer Schlossherrn rung. Zu den Nachkommen von Friedrich Mayr- durch die Verleihung der höchsten Landesauszeich- Melnhof und Marianne Meran zählen auch der deut- nung, des Ehrenringes des Landes Steiermark. Franz sche Wirtschaftsminister Karl Theodor Freiherr von Meran war seit 1923 mit Wilhelmine Prinzessin und zu Guttenberg und Marianne Fürstin Sayn- Auersperg verheiratet. Beider Sohn Johann (1934– Wittgenstein, die Grande Dame der Salzburger 1978) übernahm 1972 von seinem Vater Stainz und Gesellschaft. Über ihre Schwiegertochter, die den Brandhof. Die von ihm und seiner Frau, der Schauspielerin Sunnyi Melles, die zwischen 1990 gebürtigen Stainzerin Ingrid Messner, eingeleiteten und 1993 die Rolle der Buhlschaft im Jedermann Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen übernommen hatte, lässt sich sogar ein Bogen von ermöglichten eine breitere Nutzung von Schloss den Nachkommen Erzherzog Johanns zu den Stainz, in dem heute das Bauernmuseum und steiri- Salzburger Festspielen schlagen, so man diese sche Jagdmuseum untergebracht sind. Heute ist sein Verbindung nicht über den Dirigenten Nikolaus älterer Sohn Franz Besitzer von Stainz und Chef des Harnoncourt, den Sohn von Ladislaja Meran, Hauses Meran, während dessen jüngerem Bruder ohnehin herstellen könnte. Diese war seit 1928 mit Friedrich der Brandhof zugefallen ist. Gut Schenna dem späteren Leiter der Kulturabteilung des Landes in Südtirol wird heute von der ältesten Schwester Steiermark Eberhard (Graf de la Fontaine und d’) des gegenwärtigen Familienchefs, Dr. Johanna Harnoncourt-Unverzagt verheiratet. Beider Sohn Spiegelfeld-Meran, und ihrem Mann Franz Franz ist heute – wie vor ihm sein Onkel Franz Spiegelfeld verwaltet. Peter Wiesflecker Meran, sein Groß- und Urgroßvater – Aufsichtsrats- vorsitzender der Grazer Wechselseitigen Versiche- Peter Wiesflecker, Aus der Geschichte der Familie Meran. In: Eleonore Steinbauer (Hg.), Stainz. Aus der Vergangenheit in rungen und Mitglied des Kuratoriums des Landes- die Gegenwart, Stainz 2009, 82–89. Ders., „Mein Sohn würde museums Joanneum. Mit seinem Bruder, dem dadurch der erste seines Stammes und Namens werden …“.

1-2/09 steirische berichte 23 johann. „Wenn Gott mit mir, was gegen mich?“ Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit Ururenkelin Maria Cäcilia Trauttmansdorff

Der Wahlspruch Erzherzog Johanns

steirische Frau Trauttmansdorff, Sie befassen sich seit länge- hinter den Seeberg. Überall sieht man sie, und berichte rem mit dem Thema „Erzherzog Johann und interessant: Sie rosten nicht. sein Glaube“ – auf welche Quellen und Familien- Links in der Kapelle sehen Sie eine Muttergottes erzählungen können Sie zurückgreifen? aus dem 15. Jahrhundert, die aus dem Schloss Thernberg, einem früheren Besitz des Erzherzogs, Es gibt eigentlich sehr wenige Familienerzählungen, stammt. Der Tabernakel wurde nach einem Entwurf das beste Dokument ist der Brandhof selber – hier von Schnorr von Carolsfeld angefertigt. Er ist aus hat Erzherzog Johann seinen Glauben am deut- Zedernholz. Erzherzog Johann hat einmal im Auf- lichsten dokumentiert, würde ich sagen. Vor allem trag der Regierung eine Orient-Reise unternehmen mit dem Bau der Kapelle: In diesem Raum und im müssen und dabei auf der Rückreise den Patri- angrenzenden großen Saal gibt es an der Wand archen von Antiochien kennen gelernt. und an den gemalten Fenstern Spruchbänder mit Er erzählte ihm vom Bau der Kapelle, worauf hin Worten aus der Heiligen Schrift, die ihm offenbar ihm der Patriarch das Zedernholz als Geschenk Orientierung für sein Leben gegeben haben. Dass dafür mitgab. man sich an der Bibel angehalten hat, war ansons- Maria Cäcilia ten aber zu Erzherzog Johanns Zeit ganz unüblich. Was bedeutet diese Kapelle seinen Nachkommen? Trauttmansdorff Fo t o : Sc h a ll e r -Pr e s s l e r Woher hatte er diese ungewöhnliche Gestaltungs- idee, Bibelsprüche auf Spruchbändern an der Wand zu verewigen?

Er dürfte sie in England kennen gelernt haben, denn wie ich selbst erst kürzlich erfahren habe, ist es etwas typisch Anglikanisches, Bibelsprüche in Bauten anzubringen. Für uns Kinder waren sie so etwas wie ein stummer Religionsunterricht.

Inwieweit hat Erzherzog Johann sich selbst um die Ausgestaltung seiner Hauskapelle gekümmert?

rechtes Bild: Kapelle Für die Kapelle hat er vom Wiener Bildhauer Innenansicht Böhm seinen Namenspatron, Johannes den Täufer, 3 Fo t o s : Ke ll n e r schnitzen lassen. Vom selben Künstler stammt auch ein Vortragskreuz für eine Dankwallfahrt mit seinem ganzen Hausgesinde nach Mariazell, das heute noch bei Familienwallfahrten mitge- tragen wird. Solche Zeichen zu setzen war ihm ganz wichtig. Am Hauptaltar steht – in Anlehnung an den Fischer-von-Erlach-Altar in Mariazell – ein weiteres Kreuz auf einer Weltkugel, angefertigt aus vergoldetem Gusswerker Eisen. Gusswerk hat zu dieser Zeit ein sehr bedeutendes Kunsthandwerk gehabt und schwarze Eisenkreuze produziert, die in der ganzen Gegend aufgestellt wurden; bis Weichselboden hinaus und ebenso bis weit

24 steirische berichte 1-2 /09 Das Beten in dieser Kapelle hat uns, also meine johann. Generation, in der Jugend sehr stark geformt. In den großen Ferien hat es täglich Messen gegeben, denn meine Großmutter und auch noch meine Eltern haben in den Sommermonaten immer einen Priester eingeladen, der dort seinen Urlaub ver- bringen konnte. Es ist natürlich keiner von uns gezwungen worden, die heilige Messe zu besuchen, aber wir haben es gerne getan. Im Sommer waren von den 45 Enkeln meiner Großmutter oft bis zu 30 am Brandhof oben. Der Brandhof war auch immer von einer starken, natürlichen religiösen Atmosphäre geprägt. Unsere Großmutter hat uns immer eine halbe Stunde vor dem Mittagessen zusammengefischt und mit uns – immer vor dem Hintergrund ihres sehr starken Glaubens – religi- öse Gespräche geführt; auch darüber, wie man mit verschiedenen Lebenssituationen fertig wird. Ein Tischgebet war selbstverständlich. Und Mariazell war für uns wie auch für die nächste und über- nächste Generation der Ort, wo man gerne hinge- pilgert ist. Oft haben meine Vettern und Cousinen gesagt: So, morgen gehen wir nach Mariazell. Das war ein vier- bis viereinhalbstündiger Weg, und Votivbild mit dem Brandhof. wir mussten früh aufstehen, dass wir rechtzeitig zur Acht-Uhr-Messe dort waren.

Ist Erzherzog Johann regelmäßig gewallfahrtet? sprochen hat. Es war vielmehr eine Selbstverständ- lichkeit, dass man aus dem Glauben heraus gehan- Das kann ich nicht sagen. Die Wallfahrten haben delt hat. Und der Glaube ist so vorgelebt worden, zu dieser Zeit gerade erst wieder begonnen. Unter dass man nicht viel darüber sprechen musste. Kaiser Josef II. waren sie ja verboten. Zu Erzherzog Ein Ausspruch von Erzherzog Johann ist allerdings Johanns Zeiten hat man sich allerdings nicht mehr ziemlich bekannt, den er vor dem Bau der Kapelle daran gehalten. Es gibt übrigens ein schönes Bild, tätigte: „Am Hause meines Herrn will ich selbst wo Erzherzog Johann auf einer Wallfahrt zu sehen mit Hand anlegen.“ Er hat auch tatsächlich selbst ist: kniend, den Gnadenort schon in der Weite als Maurer mitgearbeitet. Außerdem hat er gesagt: erblickend. Dieses Motiv wird in Mariazell auch als „Beim Bau des Brandhofs soll die Kapelle die Mitte Postkarte verkauft. des Hauses ausmachen.“ Offensichtlich war es ihm Und wie sieht es aus mit persönlichen Glaubens- sehr wichtig, dass eben der Herrgott den Haupt- aussagen Erzherzog Johanns? Platz in seinem Haus hatte – mit der Kapelle als einem Ort der Geborgenheit für eine zukünftige Man hat zu dieser Zeit nicht so viel über Religion große Familie. in der Gesellschaft gesprochen – auch in meiner Kindheit war das noch nicht üblich. So wie man Ich danke für das Gespräch. auch über intimere persönliche Dinge nicht ge- Gertraud Schaller-Pressler

… darum gehe ich bald auf den Brandhof arbeiten, wie jeder andere, an dem Haus meines Gottes, an dem schönsten Teil meines Gebäudes; da arbeite ich als Maurer wie jeder andere und denke dabei an den Gott, dem ich so vieles zu danken habe, Friede, Ruhe und sie meine Th: N: [teure Nani], die er mir gab, um mich sonderbar zum Guten zu führen.

Er z h e r z o g Jo h a n n v. Ös t e r r e i c h . Se i n Wi r k e n i n s e i n e r Ze i t , Fe s t s c h r i f t , h r s g . v. O. Pi c kl , Gr a z 1982.

1-2/09 steirische berichte 25 steiermark. Dynamischer Wirtschafts- politiker, Reformer und Motor des Fortschritts Erzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Dabei kam ihm sein großes Wissen zugute. Schon früh war er an Natur, Technik und Wirtschaft interessiert und hatte mit wissenschaftlicher Akri- bie Sammlungen angelegt.

Warum waren Reformen in Österreich bitter notwendig?

Während sich in England bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Industrielle Revo- lution und der Liberalismus durchgesetzt hatten, Eine der ersten Erzherzog Johann war ein nachhaltiger Erneuerer, war Österreich noch bis 1848 von der bevormun- Dampfmaschinen. dessen Leistungen bis heute spürbar sind. Mehrere denden Wirtschaftspolitik des Merkantilismus Fo t o : kk Zufälle bewirkten, dass der 1782 in Florenz gebo- geprägt. Es herrschte ein Klima der Unfreiheit, bis rene Prinz in die Steiermark kam. Die Toskana war 1848 war die Zeit des „Vormärz“ und des Bieder- unter der habsburgischen Verwaltung eine hoch meier von Repression gekennzeichnet. Das geistige entwickelte Region. Hier hatte sich die Wirtschaft Leben war von internationalen Strömungen abge- gut entfaltet und man war im Bank- und Manufak- schottet, selbst Erzherzog Johann hatte Probleme turwesen sehr fortschrittlich. Erzherzog Johanns mit der Zensur, wenn er sich ausländische Bücher Vater hatte als toskanischer Großherzog Pietro besorgte. Staatliche Eingriffe behinderten die freie Leopoldo viele Reformen durchgeführt. Nach dem Entfaltung, dazu kamen noch die mächtigen Zünfte, Tod seines Bruders Josef II. musste der Großherzog die bei uns erst 1859 abgeschafft wurden. Sie nach Wien, um als Kaiser Leopold II. ein schweres beherrschten den Markt, verhinderten Konkurrenz Erbe anzutreten. Er regierte nur kurz, 1792 starb er und waren innovationsfeindlich. Aber auch die überraschend; doch es war ihm gelungen, die Refor- Struktur der Landwirtschaft war antiquiert; denn men seines Bruders mit Augenmaß weiter zu führen. es gab noch bis 1848 die Grunduntertänigkeit. Hier Erzherzog Johann war das 13. Kind von Leopold II. waren fast alle europäischen Staaten fortschrittli- – damit war klar, dass er weder für die Kaiser- cher. Man litt aber auch unter den Missernten von würde, noch für die des Großherzogs der Toskana 1816 und 1817, die zu Hungersnöten führten. Dazu bestimmt sein würde. Dies relativiert auch seinen kamen noch die ökonomischen Probleme, welche formellen Thronverzicht, den er wegen seiner un- mit den Franzosenkriegen verbunden waren. Viele standesgemäßen Heirat erklären musste. Johann Manufakturen waren zugrunde gegangen. Die für war für eine militärische Karriere vorgesehen. In die Steiermark wichtige Eisenindustrie litt unter der von den Wirren der Napoleonischen Kriege ge- den durch die Kriegswirren verstopften Absatz- prägten Periode wurde er Feldmarschall und Gene- wegen. Doch es gab auch Strukturprobleme: Die raldirektor für das Genie- und Fortifikationswesen. steirische Eisenindustrie war lange im Spitzenfeld Es gab blutige Schlachten und die nüchterne Europas angesiedelt, doch durch die Industrielle Erkenntnis, dass man Napoleons strategischen Revolution geriet die Steiermark ins Hintertreffen. Fähigkeiten nicht gewachsen war. Auch politisch Die Welt stand im technologischen Umbruch, aber gab es für Erzherzog Johann Misserfolge: Sein man hielt noch an veralteten Produktionsmethoden Engagement für den erfolglosen Tiroler Freiheits- fest und hatte den verpasst. Aber auch krieg und den „Alpenbund“ wurden vom Hof abge- die Finanzsituation des Staates spitzte sich zu; die lehnt, und Kaiser Franz I. verbot ihm, sich in Tirol Lasten der Kriege und die ungünstigen Konditionen aufzuhalten. Dies bewirkte Johanns Hinwendung der Friedensschlüsse brachten einen Ruin der zur Steiermark, wo er sich – ohne offiziellen Auf- Staatsfinanzen. Im Jahr 1811 kam es sogar zum trag dazu – für viele Reformen einsetzte. österreichischen Staatsbankrott.

26 steirische berichte 1-2 /09 Batthyány, in England moderne Spinnereimaschi- steiermark. nen am Schwarzmarkt zu erwerben. Man ging ein hohes Risiko ein, als man diese nach Hamburg schmuggelte. Dort wartete ein Ochsengefährt für den langen Transport in die Oststeiermark. Dies war der Start Links: der modernen Spinnereiindustrie in Österreich; Erzförderung mit Hilfe eines die damals begonnene Textilfabrikation war ein sog. Sackzuges. Vorläufer der heutigen Firma Borckenstein. Fo t o : kk Großbritannien versuchte Exporte von Know-how zu verhindern. Es war britischen Technikern unter- sagt, ihr Wissen weiterzugeben, und aus Angst vor Mutig und kreativ Wirtschaftsspionen gab es Besichtigungsverbote gegen die Krisen für britische Fabriken. Dennoch gelang es Erzherzog Johann 1815/16 wäh- Gerade in der Krise bekämpfte Erzherzog Johann rend eines dreimonatigen Aufenthalts in England den Niedergang mit mutigen Initiativen. So kann zahlreiche Industriebetriebe zu besichtigen. Der es als Lehrstück aufgefasst werden, dass er gerade Bogen reichte von Eisenwerken, Dampfmaschinen- im dramatischen Jahr 1811 das Joanneum als Lehr- fabriken, chemischen Fabriken, Whiskybrennereien und Forschungsanstalt begründete, die später Keim- bis zu Infrastruktureinrichtungen, wie beispiels- zelle der Technischen Universität in Graz war. Er weise dem legendären Bridgewater-Kanal. Für setzte auch Initiativen zur Schaffung der späteren sein Besichtigungsprogramm legte er sich englische Montanuniversität. 1827 war er wesentlich an der Kleidung zu, um nicht als Ausländer erkennbar zu Wiedererrichtung der Grazer Universität beteiligt, sein. Er lehnte viele Einladungen zu Hofereignissen die, bereits 1585 begründet, unter Josef II. zum ab, um mehr Zeit für Industriebesuche zu haben. Lyzeum abgesunken war. Johann setzte Marksteine Oft besuchte er sogar mehrere Fabriken am Tag und in Richtung einer modernen Wissensgesellschaft. analysierte genau die dort angewandten Technolo- Es ist deutlich, dass ihm die Hebelwirkung von gien. Viele der neu gewonnen Erkenntnisse setzte Forschung und Entwicklung bewusst war und er er in der Steiermark um. seiner Zeit vorauseilte. Heute entspräche dies den Er zählte auch zu den ersten heimischen Unter- Zielsetzungen der „Lissabon-Strategie“. Er setzte nehmern, welche bereits Dampfmaschinen einsetz- sich auch für die Kunst ein. So war er Protektor des ten. Er sandte den Techniker Peter Tunner auf eine Steiermärkischen Musikvereines: Daraus ging später zweijährige Studienreise zu Betrieben in ganz die Hochschule bzw. Universität für Musik und dar- Europa. Es kann dies als eine staatliche Lenkung stellende Kunst hervor. Er wusste auch um die der Industriespionage betrachtet werden. Erzherzog Bedeutung moderner Interessenvertretungen und Johann war auch ein Vorkämpfer für die Moder- trug zu den Grundlagen für die ab 1848 nach aus- nisierung der Infrastruktur. Seine Intervention ländischen Vorbildern begründeten Handelskammern bewirkte, dass die Trasse der Südbahn nicht über bei, aber auch die Vorläufer der Landwirtschafts- Deutsch-Südwestungarn (= heutiges Burgenland) kammer tragen seine Handschrift. Er war auch geplant wurde. Er war ein wirksamer Lobbyist für Erzherzog Johann Begründer der Grazer Wechselseitigen Versicherung. die Steiermark. Ohne ihn wäre der Aufschwung von Österreich. Er setzte sich für die Modernisierung der Eisenerzeu- des Mur- und Mürztales undenkbar gewesen. Dabei Gemälde von gung ein und wirkte selbst in Vordernberg als Leopold Kupelwieser. war man vom unbegrenzten Vertrauen in die Fo t o : kk Radmeister. Er kümmerte sich auch um die soziale Technik getragen, denn die Semmering-Strecke Situation der Arbeiter und setzte sich für die Bruder- wurde von Carl Ritter von Ghega geplant, als es laden der Berg- und Hüttenarbeiter ein, die eine Vor- mit solchen Steigungen einer Gebirgsbahn noch läuferfunktion für die Sozialversicherungen hatten. keine Erfahrungen und keine geeigneten Lokomo- tiven gab. Man war zuversichtlich, dass dies bis Durch Industriespionage zur Fertigstellung der Trasse gelöst sein würde – Anschluss an und man behielt Recht. neue Technologien Erzherzog Johann darf nicht zum Universalgenie verklärt werden, doch er hatte als Politiker die In Österreich erkannten führende Persönlichkeiten Gabe, die fortschrittlichsten Ideen seiner Zeit bereits vor 1800, dass es wichtig wäre, wieder den aufzugreifen und die besten Köpfe für deren Anschluss an neue Technologien zu gewinnen und Umsetzung zu gewinnen. In diesem Sinne wäre den Briten nachzueifern. Um den Rückstand auf- der joanneische Geist auch heute noch wichtig. zuholen war die Wirtschaftsspionage ein proba- tes Mittel. Bereits 1789 gelang es dem Grafen Gerald Schöpfer

1-2/09 steirische berichte 27 steiermark. Innovation auch in turbulenten Zeiten Wirtschafts- und Innovationslandesrat Dr. Christian Buchmann im Interview mit den steirischen berichten

Die Steiermark ist ein Innovations- und Wissensstandort. Diese Position will die Steiermark auch in wirtschaftlich turbulen- ten Zeiten halten und nach Kräften ausbauen. Spätestens seit Erzherzog Johann, dem „steirischen Prinzen“, beweisen die Steirerinnen und Steirer, dass „hier Innovation aus Tradition“ gelebt wird, dies gilt es gerade im Erzherzog-Johann-Gedenk- jahr 2009 besonders zu beachten. „Im Wirtschaftsressort des Landes wurden deshalb wesentliche Initiativen zur Unterstüt- zung von Unternehmen und zur Dynamisierung des Wirtschaftsstandortes gesetzt“, betont der Landesrat im Interview.

steirische Im Jahr 2009 feiert die Steiermark eine ihrer Was darf man sich unter Kompetenzzentren berichte wesentlichsten Identifikationsfiguren, Erzherzog vorstellen? Johann, sieht sich aber andererseits mit den realen Problemen der Wirtschaft konfrontiert. Wie geht Kompetenzzentren sind „Innovations-Schmieden“. es dem Wirtschaftsstandort Steiermark so zwi- Von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen schen Tradition und Krise? finanziert, wird in Kompetenzzentren Grundlagen- forschung so weit spezialisiert, dass sie durch an- Die Auswirkungen der Finanzkrise sind von der gewandte Forschung letztlich in am Markt umsetz- Wall Street in der Main Street angekommen. Die bare Innovationen mündet. Das Wirtschaftsressort steirischen Unternehmen spüren das nachhaltig, unterstützt die Kompetenzzentren in den nächsten beinahe täglich erhalte ich die Meldung, dass Jahren mit 100 Millionen Euro, auch mit der wieder ein Unternehmen Mitarbeiter zur Kurzarbeit Absicht, das Thema Innovation in der Steiermark anmeldet oder im schlimmsten Fall sogar kündigen zu verbreiten. Es müssen mehr kleine und mittlere muss. Das ist bitter. Ich bin aktuell sehr viel in den Unternehmen die Schwellenangst vor dem Thema Regionen, in den steirischen Bezirken, bei Betriebs- verlieren und sich in Innovationsprozesse einklin- besuchen unterwegs, um Mut zu machen, und ma- ken. Derzeit haben wir in der Steiermark 25 von 66 che dabei auch viele positive Erfahrungen. So gibt Kompetenzzentren in Österreich. es etwa 30 Unternehmen in der Steiermark, die in der nächsten Zeit bis zu zwei Millionen Euro inves- Die Steiermark hat schon jetzt die höchste Innovationslandesrat tieren möchten. Das spannt aus meiner Sicht auch regionale Forschungs- und Entwicklungsquote, Dr. Christian den Bogen zum Erzherzog: Wenn nicht gerade hier lässt sich das noch steigern? Buchmann. in der Steiermark, der grünen Mark, immer wieder Fo t o : Fr a n kl Die Steiermark konnte in Zeiten der Hochkonjunk- Menschen beheimatet gewesen wären, die sich über tur eine Forschungs- und Entwicklungsquote von alle Regeln hinweggesetzt haben und den Mut 3,9 % erreichen, das ist die höchste regionale Quote hatten, Neues zu schaffen, wären wir heute nicht in Österreich. Die F&E-Quote errechnet sich am das Forschungsland Nummer eins in Österreich. Bruttoregionalprodukt, Ziel ist selbstverständlich Die Montanuniversität in Leoben geht auf eine Ini- diese Quote zu halten oder sogar wirklich an den tiative von Erzherzog Johann zurück. Hat er trotz 4 %, die wir uns in der Wirtschaftsstrategie des der heute nicht mehr im wirtschaftlichen Ausmaß Landes „Innovation serienmäßig“ für 2010 als Ziel vorhandenen Bodenschätze richtig gehandelt? gesetzt haben, zu kratzen. Denn auch in den aktuell wirtschaftlich äußerst turbulenten Zeiten Er hat in jedem Fall richtig gehandelt, weil er etwas halten wir am Ziel, Innovation serienmäßig zu möglich gemacht hat. Er hat Rahmenbedingungen leben, fest. Wie bereits erwähnt, werde ich bei geschaffen, die von den Fachleuten perfekt genutzt meinen Betriebsbesuchen laufend mit der paradoxen worden sind. Das zeichnet den Erzherzog aus, das Situation konfrontiert, dass Unternehmen einerseits zeichnet aber auch jeden Politiker von heute aus. Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, anderer- Die Montanuniversität ist seit ihrem Bestehen eine seits aber qualifizierte Fachkräfte zum Beispiel für Hochburg technologischer Innovation. Im Bereich den Engineeringbereich suchen. Bei Magna werden der Werkstoffe, wo die Montanuni österreichweit seit einigen Monaten 200 Ingenieure gesucht. führend ist, ist es uns aufgrund der ausgezeichne- ten Leistungen von Expertenteams gelungen, eines Was kann die Politik tun, was können Sie konkret von drei genehmigten Superkompetenzzentren als Wirtschaftslandesrat in der Steiermark in der nach Leoben zu holen. aktuellen Situation tun?

28 steirische berichte 1-2 /09 Um die steirischen Unternehmen auf ihrem Weg auch Kreativwirtschaft, die nicht nur auf Design steiermark. durch turbulente wirtschaftliche Zeiten zu unter- beschränkt ist, gilt seit meiner Verantwortung für stützen, wurden im Wirtschaftsressort des Landes das Wirtschaftsressort im Jahr seit 2005 verstärkte Steiermark noch im Dezember 2008 wesentliche Aufmerksamkeit. Maßnahmen beschlossen. Das Ziel der Wirtschafts- In der Steiermark entsteht jeder zweite Arbeits- strategie, die Steiermark zur Meisterin der am Markt platz durch den Export. Jetzt sind exportintensive umgesetzten Innovation zu machen, gilt gerade in Wirtschaftszweige besonders betroffen, wie lässt diesen Zeiten, um Wertschöpfung am Standort sich da gegensteuern? Steiermark zu ermöglichen. Es ist aber zu erwarten, dass durch die Turbulenzen Die Erfolge der exportorientierten Unternehmen einige steirische Unternehmen zunehmend Restruk- haben der Steiermark in den letzten Jahren einen turierungsbedarf aufweisen werden, deshalb enormen Aufschwung ermöglicht, 2007 beliefen installierte das Wirtschaftsressort des Landes in sich die Exporte auf über 16 Milliarden Euro, die Kooperation mit der Wirtschaftskammer einen Steiermark hatte damit immerhin einen Österreich- „Beraterpool“, mit dem Ziel, gerade für kleinere anteil von 14 Prozent. Ich möchte künftig die Unternehmen mit Liquiditätsbedarf Bonitätsbera- Internationalisierung der steirischen Wirtschaft tungen durchzuführen. weiter vorantreiben und so stark auf die Steiermark Außerdem stehen steirischen Unternehmen vermehrt aufmerksam machen, dass Unternehmen ihre Zen- die Instrumente der Haftung und der Garantien tralen im „Neuland Steiermark“ ansiedeln. In den zur Verfügung: Insgesamt 25 Millionen Euro für nächsten Jahren sollen insbesondere know-how-in- Oben: Versuch im Haftungen und Garantien stehen für steirischen tensive Unternehmen oder Unternehmensteile von Grazer Kompetenz- Unternehmen bereit, um ihnen aus der Kreditklem- internationalem Format vor Ort angesiedelt werden. zentrum „Virtual me zu helfen. Im Auge haben wir im Wirtschaftsressort soge- Vehicle“. Zudem ergreift die Steiermark als eines der ersten nannte Headquarters, also Zentralen internationa- Unten: Forschung Bundesländer in Österreich die von der Europä- ler Unternehmen, und Centers of Competence, das an Enzymen ischen Union eingeräumte Möglichkeit zur sind die Technologie- bzw. F&E-Zentren interna- im Grazer Installierung einer Dachrichtlinie „Überbrückungs- tionaler Konzerne, um Stärkefelder der steirischen Kompetenzzentrum Wirtschaft zu stärken und damit Arbeitsplätze zu „Angewandte maßnahmen während der Finanz- und Wirt- Biokatalyse“. schaftskrise im Geltungsbereich des Bundeslandes sichern und falls möglich neue zu schaffen. Steiermark“. So können die Mitgliedsstaaten insbe- Gerald Gölles Fo t o s : Fr a n kl sondere zu erleichterten Bedingungen Zinsenzu- schüsse, Kreditbürgschaften mit günstigeren Prämien, höhere Risikokapitalbeihilfen für KMU und direkte Zuwendungen gewähren. Nur wer schnell hilft, hilft nachhaltig – das Wirtschafts- ressort des Landes Steiermark hat als erstes in Österreich umgehend die Förderungsinstrumen- tarien an dieser Richtlinie orientiert!

Hat man sich in der Steiermark zu sehr auf den Exporthit „Auto“ verlassen?

Ein Viertel der steirischen Wertschöpfung und rund 40.000 Arbeitsplätze hängen mit der Automobil- produktion zusammen. Die aktuelle Situation hat gezeigt, dass der Wirtschaftsstandort aufgrund seiner hohen Konzentration auf den automotiven Sektor verletzbar ist und nicht alle gesetzten Maß- nahmen der 80er und 90er Jahre heute im Zeichen des Lichts stehen. „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ sagte schon der Titelheld in Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“. Dennoch: Das Arbeiten in Clustern und Netzwerken haben wir Steirer zwar nicht erfunden, aber in den vergangenen Jahren europaauffällig gelebt. Durch die starke Konzentration auf das Automobil wurden aber Wachstumschancen in anderen Bereichen un- terschätzt. Diesen wachstumsintensiven Bereichen wie Humantechnologie, Umwelttechnologie oder

1-2/09 steirische berichte 29 steiermark. Der „steirische Prinz“ und seine Bauern Überlegungen abseits von Idealisierungen und Ideologisierungen

Am 23. Oktober 2004 hat die Steirische Landwirt- ändert ebenfalls nichts, dass der vermeintliche schaftskammer in einer zünftigen Feierstunde im Höhepunkt in Johanns Leben, die Bestellung zum Grazer Kongress ihr 75jähriges Bestehen gefeiert, deutschen Reichsverweser 1848, von der realpoli- heuer gedenkt auch sie – wer eigentlich nicht in tischen Bedeutung her betrachtet letztlich kaum unserem weiß-grünen Land? – ihres eigentlichen Gewicht in der deutschen Geschichte findet. Aber: Urhebers Erzherzog Johann, der am 28. März 1819 Wir sind Erzherzog Johann! die Gründungsversammlung einer steirischen Der „steirische Reformator wider Willen“, wie ihn „Landwirtschaftsgesellschaft“ präsidierte. Nicht Gerfried Sperl in seiner „knappen Geschichte eines nur agrarpolitische Insider erinnert diese eigenar- üppigen Landes“ zu Recht bezeichnet, der „liberale“ tige Inkonsistenz historischer Zuschreibungen an Habsburger, dessen Liberalität wohl auch mit die im Mai 1999 in den Kasematten seinem Platz in einer der hinteren Reihen in der des Grazer Schlossberges groß ins- Hierarchie des Herrscherhauses korrespondiert, zenierte Hundertjahrfeier des nach- verdankt sein – sagen wir es modern – hervor- weislich am 13. Juni 1945 gegrün- ragendes Image zwei im öffentlichen Diskurs deten Steirischen Bauernbundes. nur schwer zu differenzierenden Entwicklungen. Natürlich, man kann das alles Zum einen hat er als Person die Zeichen der wohlfeil argumentieren: 1899 hat Zeit nicht nur erkannt, sondern dieses Erkennen Franz Hagenhofer den „Katholisch- in Taten auch manifest gemacht. Damit wurde conservativen Bauernverein für Erzherzog Johann selbstredend zu einer her- Mittel- und Obersteiermark“ gegrün- ausragenden, aber nicht unbedingt einzigarti- det, der in hier nicht weiter zu erörternder Weise gen Persönlichkeit der weiß-grünen Geschichte. durch Monarchie, Weltkrieg, Erste Republik Zum anderen aber, und das ist sein eigentliches und Austrofaschismus Bestand hatte und als Alleinstellungsmerkmal, haben ihn Entwicklungen Wurzelstock der politischen Neupositionierung der Landesgeschichte insbesondere nach 1945 der konservativ-christlichen Bauernschaft zur Ikone werden lassen. Zur Erinnerung: Das wie auch der national-liberalen Landbund- große Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 1959, das Nachfolger Platz in der ebenfalls neu gegründeten in einer Generalkodifizierung des „Steirischen“ Volkspartei fand. Selbstverständlich lassen sich mündete, war nicht zuletzt auch die weiß-grüne auch genügend Entwicklungslinien von der ange- Selbstversicherung, dass Begriffe wie Heimat, sprochenen Landwirtschaftsgesellschaft bis zur Boden und Bauernstand ihre braune Punzierung Kammergründung 110 Jahre danach konstruieren. nicht mehr länger verdienten. Einfacher gesagt: Und es ist halt allemal attraktiv, im gleißenden Erzherzog Johann war und ist bis heute der unver- Licht einer steirischen Ikone wie Erzherzog Johann dächtigste Steireranzugträger geblieben. durch Feste sowie Gedenktage und -jahre Fakten zu setzen. Bauer – Bürger – Visionär Steirischer Reformator Hans Magenschab nennt den Erzherzog Johann wider Willen in seiner 2008 wiederaufgelegten Biografie im Untertitel „Bauer, Bürger, Visionär“. Das, was wir Die Bedeutung des „steirischen Prinzen“ für das heute oft recht gedankenlos den „ländlichen Raum“ Land ist unbestritten. Daran ändert auch nichts, nennen, war für den Erzherzog eine Gegenwelt dass Erzherzog Johann in die Steiermark überhaupt zur erfahrenen städtischen Realität von Intrigen erst nach seinem weitgehend missglückten poli- und Machtkalkül. Es wird heute gerne übersehen, tischen und militärischen Engagement im Tiroler dass die Gründung der Landwirtschaftsgesellschaft Freiheitskampf gekommen ist. Sein Bruder Kaiser (1819) in einem untrennbaren Zusammenhang Franz I. hatte ihm den Aufenthalt im Land des mit der Gründung des Joanneums (1811) steht. Andreas Hofer schlicht und einfach verboten, und Der wissenschaftlich-pädagogischen Absicht einer die Steiermark „wäre ein Pflaster auf die Wunde, Darstellung der Natur, ihrer Vielfalt und ihres welche mir der Verlust von Tirol schlug“. Daran Reichtums, auch im ökonomischen Sinn, ließ

30 steirische berichte 1-2 /09 gedenke.

Johann durchaus schlüssig Instrumente zur Stärkung schen Landesregierung leitet, hat auch Erzherzog Die Schwarzen- jener entwickeln, die diese Natur bestellten. Das Johann den ländlichen Raum als Schicksalsge- seealm (links) und der Schwarzensee „Selbstdenken“ ist dabei einer seiner Schlüsselbe- meinschaft aller hier Lebenden verstanden. Er (rechts) laden zum griffe, der Johanns Texten ihre ungebrochene war der, der die Bauern zu bilden und die großen Verweilen im Aktualität verleiht. Sein Interesse galt weniger Grundherren aus ihrem ständisch-selbstzufrie- steirischen der Landwirtschaft insgesamt als vielmehr jenen denen Dünkel herauszuholen versucht hat. Kleinsölktal ein. Fo t o s : Gi s e l b r e c h t Höfen, die sich dem Fortschritt verpflichtet fühlten, Erzherzog Johann, der sein Amt stets auch als weniger einer in sich abgeschlossen lebenden Dienst verstanden hat, wollte die „Herren vom Bauernschaft, sondern jenen, die als Mitgestalter Land“ als Dienstleister für die Allgemeinheit einer sich neu und aus den Idealen der Aufklärung verstanden wissen. Das war – rückblickend formierenden ländlichen Gesellschaft agierten. betrachtet – zumindest ebenso bedeutsam wie die Vielzahl der auf ihn direkt zurückgehenden Schicksalsgemeinschaft agrarischen Neuerungen, wovon eine Reihe von Musterbetrieben beredtes Zeugnis gibt. So wie heute der steirische Landesrat Hans Seitinger, der das „Lebensressort“ der Steiermärki- Hans Putzer

1-2/09 steirische berichte 31 wissenschaft. kunst. „Joanneischer Geist“ und kultur. die Gegenwart

Landesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder zu Besuch Steirischer Forschungsrat in steirischen Forschungs- Seit 2006 wird die Steiermärkische Landesregierung einrichtungen. Deren durch den „Steirischen Forschungsrat“ (Forschung, Gründung geht Innovation und Technologie für die Zukunft) in zu einem großen Teil auf den strategischen Fragen für künftige Herausforderun- Erzherzog zurück. gen beraten und begleitet. Dieser setzt sich aus Fo t o : Fi s c h e r international angesehenen Persönlichkeiten aus Der vielbeschworene „joanneische Geist“ – also die Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zusammen. Besinnung auf das zukunftsorientierte Denken Nach 18 Monaten seiner Tätigkeit hat der Rat und Handeln des „steirischen Prinzen“ Erzherzog zunächst der Landesregierung und im Herbst 2008 Johann – ist in der Wissenschafts- und Innovations- der Öffentlichkeit die bisherigen Ergebnisse seiner politik der Steiermark nicht nur wohlklingende Beratungen präsentiert. Der Rat bescheinigt der Leerformel, sondern in weiten Bereichen erfolgreich Steiermark im Österreich-Vergleich eine hervor- gelebte Realität. ragende Stellung bei Forschung, Innovation und Die für Wissenschaft und Forschung in der Steier- Technologie, und zeigt auch sehr gute Möglichkeiten märkischen Landesregierung zuständige Landesrätin zu weiteren Verbesserungen in acht Handlungs- Mag. Kristina Edlinger-Ploder stellt stolz fest: „Mit feldern auf. Daran werden wir uns – so Edlinger- einer Forschungs- und Entwicklungs-Quote von Ploder – im besonderen Maße orientieren. über 3,9 % ist die Steiermark seit Jahren nicht nur In der Tat ist die steirische Bildungs- und For- an der Spitze der österreichischen Bundesländer, schungslandschaft in ihrer reichen Vielgestaltigkeit sondern unter den Top-Regionen Europas. und Breite beeindruckend: fünf Universitäten, zwei Wir liegen damit über dem Österreich-Schnitt von Fachhochschulen, zwei Pädagogische Hochschulen, 2,46 % und haben damit auch das für 2010 von der Joanneum Research; die meisten Christian-Doppler- EU proklamierte Barcelona-Ziel signifikant über- Labors. Dazu kommen die meisten Kompetenz- troffen. Das ist in erster Linie dem Forschergeist zentren Österreichs, sowohl im abgelaufenen exzellenter steirischer WissenschafterInnen, aber als auch im neu gestarteten Förderprogramm: In vor allem auch überdurchschnittlich innovativer Graz angesiedelte Institute der Österreichischen Unternehmen, gezielten Investitionen und der Akademie der Wissenschaften, zahlreiche private forcierten Förderung von Wissenschaft und Forschungseinrichtungen und die überproportionale Forschung zu danken.“ steirische Beteiligung an den EU-Forschungs- Diese Forscherpersönlichkeiten wirken zu einem Rahmenprogrammen zeugen davon. großen Teil in Institutionen, deren Gründung auf Internationale Studien und Vergleiche belegen: den Erzherzog zurückgeht. Bekanntlich sind sowohl Je höher die Forschungsquote, umso besser für die Technische Universität als auch die Montanuni- Arbeitsplätze, Wachstum, Wohlstand, Lebens- versität Leoben in ihren Wurzeln joanneische qualität und Zukunftsaussichten. Gründungen, aber auch die Karl-Franzens-Uni- Daher bekennt sich Edlinger-Ploder zur konse- versität Graz verdankt dem steirischen Prinzen die quenten Fortsetzung der gezielten steirischen Rangerhöhung von einem Lyzeum, zu dem sie unter Förderungspolitik: „Wir wissen, dass Bildung und Kaiser Joseph II. herabgestuft worden war, zu einer Wissenschaft, Forschung und Entwicklung unsere Volluniversität. Und das Palais Meran in Graz, der entscheidenden Standortvorteile im Wettbewerb heutige Hauptsitz der Kunstuniversität, war der der Regionen sind. Sie sind wichtige Wege in die letzte Grazer Wohnsitz des Erzherzogs. Zukunft. Gerade in Krisenzeiten ist der Förderung Die größte landeseigene Forschungsgesellschaft der Innovation absoluter Vorrang zu geben. Österreichs wurde bewusst programmatisch „Joan- Wer an Forschung und Entwicklung spart, gefähr- neum Research“ genannt. Das Motto von Joanneum det die Zukunft – besonders das können wir von Research lautet „Innovation aus Tradition“. Auch Erzherzog Johann lernen, der in einer besonders das ist ein joanneisches Leitmotiv: Seit Erzherzog krisenhaften Entwicklung im 19. Jahrhundert Johann hat Innovation in der Steiermark Tradition die Weichen für einen neuen Aufschwung der und wächst Innovation aus Tradition. Steiermark stellte.“

32 steirische berichte 1-2 /09 wissenschaft. Die Pflanzenwelt k u n s t . im Trockenen kultur. „Carex firma. Das Herbarium am Landes- Steifes Riedgras. Gesammelt auf museum Joanneum und seine dem Pfitschjoch und Bedeutung für die Forschung dem Zemergebirge im Julius 1802.“ Einer der rund „8000 getrocknete Pflanzen in 60 großen Foliobän- 8000 ersten den“ überließ Erzherzog Johann im Jahr 1811 dem Herbarbelege des Joanneums. Joanneum und begründete damit das Herbarium Fo t o : Landesmuseum des Landesmuseums. Schnell wuchs die Sammlung, Jo a n n e u m insbesondere durch zahlreiche Schenkungen, an. Herbarium ein unverzichtbares Werkzeug. Das Herbarium diente anfänglich – wie übrigens Botaniker aus anderen Fachbereichen greifen in das gesamte Joanneum – vor allem der Ausbildung ihrer Forschung, wenn auch in geringerem Ausmaß, und Forschung, oder, wie es der Gründer selbst ebenfalls auf Herbarbelege zurück. formulierte, „zum Behufe praktischer Studien Das pflanzliche Material selbst ist zwar getrocknet gemeinnütziger Wissenschaften, und zur Bildung und gepresst, aber viele Merkmale der Pflanze der Jugend“. bleiben erhalten oder rekonstruierbar. Die Form von Ein Herbarium ist eine Sammlung konservierter, Blättern, die Anzahl der Blütenblätter, ob und wie meist gepresster und getrockneter Pflanzen, die der Stängel behaart ist – all das und noch Vieles jeweils auf einem Papierbogen aufgeklebt sind. Ein mehr kann man auch an getrockneten Pflanzen Etikett mit der Information von wem, wann und analysieren; sogar DNA-Analysen von Herbar- wo die jeweilige Pflanze gesammelt wurde, macht material sind heute möglich. Damit lässt sich z. B. aus der getrockneten Pflanze einen Herbarbeleg, die evolutionäre Entwicklung bzw. die verwandt- ein für die Wissenschaft wertvolles Dokument. Bei schaftliche Beziehung von Pflanzen oder gar die entsprechender Aufbewahrung und sorgsamem genetische Vielfalt innerhalb einzelner Pflanzen- Umgang sind Herbarbelege unbegrenzt haltbar. populationen erforschen. Die rasant fortschreitende Im Laufe der Zeit wuchs das Herbarium durch An- Entwicklung der Molekularbiologie verspricht für käufe, die Sammeltätigkeit von angestellten Botani- die Zukunft weitere spektakuläre Möglichkeiten. kerinnen und Botanikern sowie durch zahlreiche Ein Herbarbeleg ist ein Dokument, welches das Schenkungen von seiner Gründung bis heute auf Vorkommen der gesammelten Art am Fundort zum rund 500.000 Belege an. Und es wächst weiter – noch Sammelzeitpunkt nachweist. Stehen für eine immer hauptsächlich im Rahmen von Schenkungen. Untersuchung viele Herbarbelege einer Art zur Beispielhaft seien hier etwa die mit 80.000 Belegen Verfügung, so lassen sich mit dieser örtlichen von Moosen besonders umfangreichen Sammlungen und zeitlichen Verankerung von Herbarbelegen von Johann Breidler und Julius Glowacki genannt. Verbreitungskarten erstellen; ebenso können zeit- Anfänglich wurden Pflanzen zu Lehr- und Lern- liche Entwicklungen wie die Ausbreitung rekons- zwecken getrocknet und gepresst. Dank dieser truiert oder – in letzter Zeit viel häufiger – das Technik konnten Schüler die Merkmale einer Zurückgehen oder Aussterben von Arten dokumen- Pflanze im direkten Vergleich zu ähnlichen Arten tiert werden. studieren, und Lehrer verfügten – unabhängig von Das Herbarium ist dem Botaniker, was das Archiv der Jahreszeit – über Anschauungsmaterial für den dem Historiker ist. Ein Herbarbeleg – und sei er Unterricht. Herbarbelege, insbesondere solche von noch so alt – kann immer wieder von Neuem Pflanzen aus fernen Ländern, dienten (und dienen untersucht werden, und das vor dem Hintergrund immer noch) als Vorlagen für botanische Illustra- des gerade aktuellen Wissens und mit den jeweils tionen in wissenschaftlichen Werken. modernsten Methoden. Aber: Jede Forschungsakti- vität in einem Herbarium beruht auf der Ein unverzichtbares Werkzeug Sammlungstätigkeit der Vorfahren. Daraus ergibt sich für uns die moralische Verpflich- Obwohl naturkundlichen Sammlungen allgemein tung gegenüber den nächsten Generationen, mit und Herbarien im Besonderen oft ein verstaubtes heutigen Aufsammlungen den Grundstock für zu- Image anhaftet, ist für jene Teildisziplinen der Bo- künftige Untersuchungen zu legen. tanik, die sich im weitesten Sinne mit Biodiversität, also mit der Artenvielfalt, beschäftigen, das Kurt Zernig

1-2/09 steirische berichte 33 wissenschaft. kunst. Erzherzog Johann und kultur. die Eisenstraße

Freund des Berg- und Hüttenwesens, Urgründer der Montanuniversität

Schon in Kindheit und Jugend zeigte Erzherzog Johann ausgeprägtes Interesse an der Natur und ihren Erscheinungen in Gesteinen, Flora und Fauna. Seine umfangreichen Sammlungen bildeten 1811 den Grundstock für das Joanneum, das einer- seits der musealen Präsentation dienen, andererseits aber als Lehranstalt Bildung und Wissenschaft vermitteln sollte. Wich- tige Innovationen des Erzherzogs und seiner Berater auf dem Gebiet des Berg- und Hüttenwesens wirken bis heute nach.

Die Englandreise 1815/16 meteoriten 1808 noch heute weltweit jedem Eisen- metallographen ein Begriff ist. Nach dem Wiener Kongress 1815 reiste Erzherzog Auf ihn gehen die frühesten Anschliffe an Guss- Johann als Vertreter des Kaisers mit seinem Bruder eisen, u. a. aus Vordernberg, zurück. Ludwig nach England, wo sich sein besonderes Johann hatte ihn auch als Fachmann auf dem Gebiet Interesse dem Berg- und Hüttenwesen, vor allem des Eisenwesens in England zum ersten Professor dem Eisenhüttenwesen, zuzuwenden begann, denn für Eisenhüttenkunde in Graz vorgeschlagen, doch England galt damals als führend in der Technik. Widmannstetten winkte aus Altersgründen ab. Wohl Der Erzherzog besuchte dort auch die modernen auf Anregung Johanns brachten die Kuratoren des Berg- und Hüttenbetriebe, so den berühmten Eisen- Joanneums das Problem der Lehre des Bergbaues bezirk um Ironbridge/Telford, worüber er in seinem und der Hüttenkunde 1828 wieder aufs Tapet, und Reise-Tagebuch ausführlich berichtet. Wurzbach Kaiser Franz antwortete mit der Aufforderung, die schreibt darüber: „Sie besuchten nun die wichtig- Erfordernisse zu präzisieren; dem folgten die sten Fabriksstädte und in denselben die großartigen Kuratoren unter dem Abt von Rein, Ludwig, mit Manufacturanstalten, Maschinenwerkstätten, Eisen- einem ausführlichen Gutachten. und Stahlwaaren-Fabriken, Spinnereien, Webereien Es dauerte noch bis 1836, bis feststand, dass die u. dgl. m. … Seine Reise nach England hatte nach- geplante Lehranstalt in Vordernberg, im Mittelpunkt haltige Folgen für die Steiermark. Er nahm überall des Eisenwesens der Steiermark und nicht in Graz Muster der Erzeugnisse, Pläne, Zeichnungen und am Joanneum, eingerichtet werden konnte. Modelle, welche er bei seinem Eintreffen in Gratz (15. Mai 1816) in den Räumen des Joanneums zur Erzherzog Johann in Vordernberg Hauptansicht des Einsicht und Benützung niederlegte …“ Neubaus der k. k. Nach Verhandlungen mit dem Grundbesitzer in Montanistischen Vordernberg, Josef Fürsten von Schwarzenberg, Hochschule Leoben, Vom Joanneum zur konnte 1837 mit dem Bau der „steiermärkisch- vollendet 1910, Montanuniversität Architektur- ständischen Lehranstalt in Vordernberg“ begonnen zeichnung 1906. Auf dieser Reise hatte den Erzherzog auch der ge- werden, die feierlich 1840 eröffnet wurde. Daneben Fo t o : Or i g i n a l i n d e r bürtige Grazer Alois von Widmanstetten begleitet, hatte der erste Professor Peter Tunner, der auf Vor- Universitätsbib l i o t h e k , schlag von Erzherzog Johann vom Schwarzenbergi- Ko p i e a u s Ga h l e i t n e r letzter Vertreter der Grazer Druckereidynastie, 1990 der durch die Entdeckung der Struktur in Eisen- schen Hammer in Katsch bei Murau an diese Stelle berufen worden war, auch Vorschläge zur Einrich- tung der „Lehrfrischhütte“, ein „Zerrennfeuer mit Hammerschlag“, auf den Gründen der Handlschen Schmiede unterbreitet, die Zustimmung der Stände erreicht, 1840 die Pläne vorgelegt und 1842 den Lehrbetrieb aufgenommen. Johanns Braut Anna Plochl hatte ihm schon seit 1823 in Vordernberg im Gewerkenhaus des Rad- werkes II, das einst dem Gewerken Stampfer und seiner „Stampferin“ (jener mit dem „Hausbüchl“) gehörte, den Haushalt geführt, während sich Johann persönlich um die Entwicklung des Vordernberger Eisenwesens kümmerte – durch Modernisierung seines Radwerkes II und durch Bemühungen, die altehrwürdige „Radmeisterkommunität“ wieder zu

34 steirische berichte 1-2 /09 beleben. Die Zusammenfassung der Abbautätigkeit Erhebung zur k. k. Bergakademie anderen univer- wissenschaft. am Vordernberger Erzberg (oberhalb der „Eben- sitären Einrichtungen weitgehend gleichgestellt k u n s t . höhe“), die Organisation des Erztransportes und und erhielt mit der Aufwertung zur k. k. Montanis- die Errichtung der Erzförderbahn durch Johann tischen Hochschule 1904 das Promotionsrecht. kultur. Dulnigg zwischen 1835 und 1845 waren ebenso Sie wurde 1975 im Zuge einer Universitätsreform ihm zu verdanken. zur „Montanuniversität“ umgetauft.

Peter Tunner, der erste Professor Erzherzog Johann als Gründer der Montanlehranstalt Aber Erzherzog Johann war umfassend aktiv, man Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des könnte ihn heute als „Workaholic“ für die Steier- Eisenwesens in Mitteleuropa waren die Bildungs- mark bezeichnen: Neben den wissenschaftlichen reisen des Peter Ritter von Tunner; dieser war am und industriellen Interessen förderte er auch die 10. Mai 1809, heuer vor 200 Jahren, in (Deutsch-) Landwirtschaft, ähnlich wie es schon sein Vater Feistritz nahe Graz geboren und starb am 8. Juni Leopold und sein Bruder Ferdinand in der Toskana 1897 in Leoben. Aus einer Familie stammend, die taten, er kümmerte sich um ein modernes Geldwesen schon über Generationen mit dem Eisenwesen ver- und um soziale Einrichtungen für die Bevölkerung bunden war, entdeckte ihn Erzherzog Johann 1834 unseres Landes. Der Bau der Eisenbahnen in als bereits anerkannten Hüttenmeister in Katsch bei der Steiermark, vor allem der Semmeringbahn, ist Murau. Auf Vorschlag des Erzherzogs wurde er seiner Initiative zu verdanken, da er die Umfahrung 1835 als Professor für Bergbau und Hüttenkunde der Obersteiermark durch eine Trasse im ebenen vereidigt. Mit diesem Titel reiste er nun, wie Osten fürchtete. 1844 wird die Strecke Mürzzu- zwanzig Jahre früher Erzherzog Johann, durch schlag–Graz eröffnet, 1854 die Bahn über den die wichtigsten Industriegebiete Europas, um sich Semmering, die für die Eisenindustrie der Mürz- die grundlegenden Kenntnisse zur Förderung des Mur-Furche von besonderer Bedeutung war und alpinen Eisenwesens zu erarbeiten. ist. Seine Funktion als „General-Geniedirektor“ der Nach dem Beginn der „Kurse“ in Vordernberg 1840 kaiserlichen Armee war dafür sehr hilfreich. war er lange der alleinige Lehrer an der „steier- Die Eisenindustrie Vordernbergs ging mit der Grün- märkisch-ständischen Montanlehranstalt“, deren dung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft Gründung mit den Ständen der Steiermark eng 1881 allmählich an die ÖAMG. Das heutige „voest– verbunden blieb, bis 1848/49 durch den Zuzug der alpine“-Werk Donawitz ist der lebende Nachfolger deutschsprachigen Studenten aus dem magyarisier- der Vordernberger Eisenindustrie, die der Erzherzog ten Schemnitz (ungar. Selmecbanya, slowakisch einst zu neuem Schwung brachte. Die Radwerke Vor- Banska Stiavnica) der Eisenmarkt zu klein wurde. dernbergs, Hochöfen des 19. Jahrhunderts, sind mit Die Stadt Leoben bot das „Neue Seminargebäude“ dem Radwerk IV, dem Ofenstock des Radwerkes X an, das bis zur Errichtung des heutigen „Peter- und anderen Denkmälern des Eisenwesens, wie den Tunner-Gebäudes“ (1883/85) Sitz der Lehrtätigkeit zahlreichen historischen Gewerkenhäusern, so das der nunmehrigen „k. k. Montanlehranstalt“ wurde; Meranhaus (zum Radwerk II), noch heute Attraktion Tunner blieb lange im alten Gebäude, in dem auch für die Technikgeschichte Mitteleuropas und ein der erste Professor für Hüttenkunde, Franz Sprung, wichtiges Standbein für den Kulturtourismus an wohnte. Damals begann auch Albert Miller (von der „Steirischen Eisenstraße“. Gerhard Sperl Hauenfels) seine Lehrtätigkeit für Bergbaukunde. Literatur: Tunner unterrichtete bis 1866 Eisenhüttenkunde Anton Schlossar, Auszugweise Abschrift der „Denkwürdigkeiten“, und blieb bis 1874 Direktor der Montanlehranstalt. Lebensbericht Erzherzog Johanns. Diese Schrift befindet sich Er war bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätig jetzt im Besitze des Heimatmuseums Aussee. Alfred Gahleitner, Baugeschichte der Montanuniversität, in: und als Eisenhüttenfachmann weltweit anerkannt. 150 Jahre Montanuniversität Leoben 1840–1990, Die k. k. Montanlehranstalt wurde 1861 mit der hrsg. v. Friedwin Sturm, Graz 1990. Hans Jörg Köstler, „Dem großen Meister und Lehrer“. Das Denkmal für Peter Ritter von Tunner (1809–1897) in Leoben, Leoben 2008. Bild: Kaiser Ferdinand besucht Gerhard Sperl, Erzherzog Johann in England; in: Katalog der 1841 Erzherzog Ausstellungen in Vordernberg 1982, S. 60–67. Johann und seine Gerhard Sperl, Die Metallographie des Alois Beckh von Familie in Widmanstätten (1754–1849); Vortrag und Abstract der Vordernberg im 42. internationalen Materialographie-Tagung in Jena am 18. Gewerkenhaus September 2008; Publikation in BHM 2009 in Vorbereitung. zum Radwerk IV Viktor Theiss, Leben und Wirken Erzherzog Johanns, 2 Bände, (Meranhaus). Graz 1960–69. Ausschnitt eines Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Bildes im Privatbesitz. Kaiserthumes Österreich, Wien 1856–1891. Fo t o : Sp e r l

1-2/09 steirische berichte 35 wissenschaft. kunst. Tunnelbau auf Österreichisch kultur. TU Graz und Montanuniversität Leoben starten gemeinsamen Lehrgang

Ob Sie mit der U-Bahn in Wien, London, Washington oder São Paolo unterwegs sind, Sie fahren durch einen Tunnel, der mit Hilfe der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode errichtet wurde, im internationalen Sprachgebrauch als NATM – New Austrian Tunneling Method – bekannt. Es könnte auch ein Eisenbahn-, Kraftwerks- oder Autobahntunnel sein. Oder der in Bau befindliche Gotthard-Tunnel in der Schweiz, der mit 57 Kilometer Länge der längste Tunnel der Welt sein wird. Oder der zweiröhrige Koralmtunnel zwischen Graz und Klagenfurt, der mit seiner beachtlichen Länge von 32,8 Kilometer voraussichtlich 2017 fertig sein wird, als Teil der adriatisch-baltischen Achse von Venedig nach Gdansk in Polen. Etwa 50 Prozent aller Tunnel weltweit werden „auf österreichische Art“ erbaut.

Pionier aus St. Kunigund gestörten Materialien. Ein Labor für Gesteins- prüfungen ist im Institut integriert. Die Planung Neu ist relativ. Einer der Pioniere war Ladislaus von eines Tunnelbaus muss alle eventuellen Möglich- Rabcewicz, der, 1893 in St. Kunigund bei Marburg keiten abdecken, ein Geologe steht zu Beobachtun- geboren, in Graz und Wien Bauingenieurswesen gen und Messungen auf jeder Baustelle bereit. studierte. Er war beim Eisenbahnbau in Java und in Bei der Auswertung der Messdaten und ihrer Inter- der Türkei tätig, beim Kraftwerksbau in Reutte in pretation ist das Grazer Institut weltweit Markt- Tirol, anschließend im Iran, wo er es zum Chef der führer. Das erzählt Professor Schubert eher Bahnerhaltung der Persischen Staatseisenbahnen nebenbei, als wäre es für ihn und sein Institut brachte. Die Kluft zwischen Theorie und Praxis selbstverständlich, international gehört zu werden. ließ ihn den Kontakt zur Technischen Hochschule Er, der unter anderem vier Jahre beim U-Bahnbau Wien suchen, an der er dann, während des Zweiten in Seoul in Korea leitend mitgewirkt hat, bringt Weltkrieges, Ordentlicher Professor war. seine reichen praktischen Erfahrungen in Forschung Von 1956 bis 1958 setzte er als UNO-Berater in und Lehre ein und setzt seine wissenschaftlichen Venezuela seine Forschungserkenntnisse bei Auto- Erkenntnisse wieder bei der Betreuung von bahn- und Eisenbahntunneln konsequent um. Das Baustellen um. Diese Wechselwirkung hätte sein waren die ersten Tunnel nach der neuen Bauweise. Großvater Ladislaus von Rabcewicz gutgeheißen. Ab 1958 wirkte er weltweit als freischaffender Ziviltechniker. Mit den Salzburgern Leopold Müller und Franz Pacher verhalf er der Neuen Österreichi- Lehrgang zum schen Tunnelbaumethode zu ihrem heute anerkann- „NATM-Engineer“ ten Baustandard. Durch den großen Erfolg der Neuen Österreichischen Sicher und kostengünstig Tunnelbaumethode ist ein gravierender Mangel an hoch qualifizierten Tunnelbauingenieuren entstan- Jeder beliebige Tunnelquerschnitt kann mit dieser den. Die TU Graz und die Montanuniversität Leoben Methode ausgebrochen, „vorgetrieben“, werden und bilden nun gemeinsam in einem postgradualen wird sofort durch Spritzbeton gesichert. Mitte Lehrgang Experten zum „NATM-Engineer“ aus. 1950 war die Technologie des Spritzbetons so weit Ingenieure mit bau- oder bergbautechnischer Aus- entwickelt, dass er für diese Bauvorhaben geeignet bildung, Geotechniker oder Ingenieurgeologen war. Weder Verschalungen noch riesige Tunnelbohr- erhalten berufsbegleitend in vier Semestern – ab maschinen waren mehr notwendig. Mit dem Bau September 2009 – eine zusätzliche Spezialisierung sind immer Verformungen des Gebirges verbunden, in Tunnelbau. Für drei Wochen pro Semester die ständig messtechnisch überprüft werden. kommen die Teilnehmer nach Graz oder Leoben, Danach richtet sich der Einsatz von Stützmitteln, Englisch ist Unterrichtssprache. Die Zusammen- wobei der Baugrund mitgenutzt wird, um den arbeit zwischen den beiden Universitäten Hohlraum zu stabilisieren. Sicherheit und Wirt- funktioniert ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Dr. mont. schaftlichkeit machen den großen Erfolg dieser Robert Galler leitet das Partnerinstitut „Subsurface Methode aus. Engineering“, das früher Geomechanik, Tunnelbau Dipl.-Ing. Dr. mont. Wulf Schubert leitet an der und konstruktiver Tiefbau geheißen hat. TU Graz das Institut für Felsmechanik und Tunnel- Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt im bau, innerhalb der Fakultät für Bauingenieur- Langzeitverhalten von Geomaterialien, wobei es um wissenschaften. Prognosen über einen Zeitraum von rund hundert Die Forschungen befassen sich überwiegend mit Jahren geht. Tunnelbau im schlechten Gebirge, in schlechten, Die Nachfrage nach Absolventen dieses Lehrgangs

36 steirische berichte 1-2 /09 gedenke.

wird enorm sein, sie werden sich ihre Stellen aus- wurde bereits eine Einführung in den Tunnelbau Links: suchen können. Auf- oder Ausbau von Infrastruktur abgehalten, eine Wiederholung ist geplant. Wulf Schubert (rechts) und der in exotischen Regionen für Abenteurer, U-Bahnbau Geologe Kurt Klima, in den großen Metropolen für Weltenbummler, Bildung als Existenzgrundlage beide TU Graz, bei Kraftwerksbau für Naturverbundene und für einer Exkursion im Vielseitige: ein Projekt nach dem anderen … Sowohl die Technische Universität Graz als auch Semmeringgebiet. Fo t o : kk die Montanuniversität Leoben gehen auf Erzherzog Übrigens: Frauen Johann zurück. 1811 stiftete er seine naturkund- Rechts: lichen Sammlungen den steirischen Landständen Eisenbahntunnel Nicht nur bei den Wiener Philharmonikern, auch zur Gründung des „Innerösterreichischen National- durch den Wiener- im Berg- und Tunnelbau war die Zulassung von wald, in Fertig- museums“, das ihm zu Ehren den Namen „Joanneum“ stellung. Frauen ein heiß diskutiertes Thema, das seine erhielt. Diese Sammlungen sollten Grundlage für Fo t o : Sc h u b e r t Brisanz verloren hat. Derzeit studieren an der TU eine Lehranstalt mit naturwissenschaftlichen Graz etwa 15 Prozent Frauen Bauingenieurwesen, Schwerpunkten sein, zunächst Physik, Chemie Tendenz leicht steigend, an der Montanuniversität Mineralogie und Botanik. Die Absicht dahinter war sind es geringfügig weniger. eine fundierte Ausbildung für Landwirtschaft und Durch die sich ständig weiter entwickelnde Com- Industrie. Nach und nach wurde der Unterricht um putertechnologie werden viele Baustellen nicht technische Fächer erweitert, schließlich wurde 1874 mehr vor Ort betreut, Messdatenauswertung und die Technische Hochschule in Graz vom Staat über- Planung sind in einem Büro, in einem Institut nommen. Dabei wurde die Abteilung für Land- und möglich, durchaus auch in leitender Position. Forstwirtschaft aufgelassen und der 1872 gegrün- deten Hochschule für Bodenkultur in Wien Kooperationen mit Shanghai, eingegliedert. 1975 wurde aus der Hochschule Singapur und Kuala Lumpur die Technische Universität Graz, ein Jahr darauf beschloss der Senat den Beinamen „Erzherzog- In China sind in den nächsten Jahrzehnten tau- Johann-Universität“. sende Kilometer Tunnel zu bauen. Das Institut für In Vordernberg wurde 1840 auf Anregung von Felsmechanik und Tunnelbau hält schon jahrelang Erzherzog Johann die „Steiermärkisch-Ständische Kontakt zur Tongji University in Shanghai. Diese Montanlehranstalt“ gegründet. Bereits 1849 wurde renommierte Universität soll nach chinesischer sie als „Kaiserlich-königliche Montan-Lehranstalt“ Planung zu den 33 weltbekannten Universitäten nach Leoben verlegt und vom Staat übernommen. aufgebaut werden. Keine schlechte Ausgangs- 1904 wurde sie zur Montanistischen Hochschule und position für die Grazer. 1975 zur Montanuniversität. Erzherzog Johann hat Der Stadtstaat Singapur nimmt mit über vier in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Lehranstalten, Millionen Einwohnern den größten Teil einer Insel Bildungsstätten, gegründet, um die wirtschaftliche ein. Für eine Erweiterung der Stadt bleibt nur noch Existenz der Menschen zu sichern. Er war Platz in größeren Tiefen, die auf Fels anstehen. Als vermutlich einer der ersten Politiker, der Bildung Experten wurden bereits zwei Mal Prof. Schubert in den Mittelpunkt seiner gesellschaftspolitischen und der Geologe Prof. Kurt Klima, ebenfalls von der Überlegungen stellte. TU Graz, nach Singapur geholt, die dritte Auflage Zeitgemäß. Nachahmenswert. eines einwöchigen Kurses wird im November erfolgen. Auch in Kuala Lumpur, Malaysien, Gertraud Hopferwieser

1-2/09 steirische berichte 37 wissenschaft. kunst. Architektonische Spuren kultur.

Zahlreiche Bauten dokumen- Pickern/ Pekre bei Marburg/Maribor ein, wo 1832 tieren bis heute das Wirken eine Winzerschule folgte. und die breit gefächerten Die erzherzogliche Tätigkeit blieb aber nicht Interessen Erzherzog Johanns, nur auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern der sich auch mit dem Bauwesen das Interesse Johanns galt auch dem Bergbau intensiv beschäftigte, besonders und der Industrie. Aus diesem Grund erwarb er im Dienste der Verteidigung der 1822 in Vordernberg das Radwerk II sowie das habsburgischen Länder. zugehörige Radmeisterhaus, wodurch er in die Im Wesentlichen lassen sich Vordernberger Radmeisterkommunität eintrat und die erhaltenen Gebäude des in weiterer Folge die steirische Eisenproduktion Der Brandhof wurde Erzherzogs in drei zweckbedingt unterschiedliche beeinflussen konnte. 1837 folgten das Radwerk V vom Erzherzog Gruppen teilen, wobei Johann fast durchwegs in Vordernberg, 1848 das Blechwalzwerk Krems zu einem bei Voitsberg, das Hammerwerk Obergraden bei landwirtschaftlichen bereits vorhandene Anwesen oder Betriebe kaufte Musterbetrieb und diese umgestalten bzw. adaptieren ließ. Voitsberg und Kohlengruben im Raum Maria ausgebaut und Lankowitz, Pichling und Köflach. Während in künstlerisch Vordernberg von den Radwerken des Erzherzogs ausgestattet. Vorbildhaftes nichts mehr vorhanden ist, hat sich doch mit dem Fo t o : Tr i b u t s c h Die erste Gruppe wird von den Mustergütern und Herrenhaus zum Radwerk II, dem so genannten -betrieben gebildet, die vorbildhaft-didaktisch „Meranhaus“, ein eng mit Johann und Anna wirken, aber zum Teil auch als private Wohnsitze Plochl (1804–1885) verbundener Bau erhalten. dienen sollten. Die Gemahlin des Erzherzogs wohnte hier vor Als bestes Beispiel kann hier wohl der Brandhof in ihrer Verehelichung über mehrere Jahre. Das der Gemeinde Gußwerk bei Mariazell herangezogen zweigeschoßige, gedrungen wirkende Gebäude werden. Das 1390 erstmals erwähnte Bauerngut wurde 1684 nach einem Brand neu errichtet und wurde 1818 vom Erzherzog erworben und in den besitzt einen straßenseitig vortretenden Turm mit folgenden Jahren zu einem landwirtschaftlichen Zeltdach. Die klassizistisch veränderte Fassade Musterbetrieb ausgebaut. Bis 1828 erfolgte eine zeigt ein besonders bemerkenswertes Portal. Neben großzügige Umgestaltung des Haupthauses, wobei dem „Meranhaus“ wurde auch das so genannte die künstlerische Ausgestaltung in den Händen „Prinzen-Amts-Haus“ 1822 vom Erzherzog als des nazarenischen Künstlers Ludwig Ferdinand Verwaltungs- und Personalwohnhaus angekauft. Schnorr von Carolsfeld (1788–1853) lag. Der lang gestreckte und blockhafte, mit Schopfwalmdach Persönlicher Einsatz gedeckte Bau besitzt eine neugotische Kapelle, die an der östlichen Traufseite mit ihrem polygonalen In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und Grundriss, den gliedernden Strebepfeilern und wissenschaftlichen Interessen Erzherzog Johanns dem steilen Zeltdach auffällig in Erscheinung tritt. steht auch die zweite Gruppe an Bauten. Es handelt Auch wenn der Brandhof insgesamt zurückhaltend sich dabei um Bauwerke, die nicht direkt vom gestaltet ist, finden sich vor allem im Inneren sehr Erzherzog, jedoch aufgrund seines persönlichen wohl Details, wie etwa habsburgische Wappen, Einsatzes errichtet wurden. die verraten, dass der Besitzer kein „gewöhnlicher“ Johann war ständig bemüht, die Steiermark zu Steirer war. modernisieren, und im Zeitalter der beginnenden Der Brandhof war aber nicht der einzige Musterhof, Industrialisierung erkannte er die Bedeutung von den Erzherzog Johann initiierte. So begründete er gut ausgebauten Verkehrswegen. Er förderte daher 1822 mit dem „Steirisch ständischen Versuchshof“ nicht nur den Straßen- und Brückenbau, sondern in Graz die erste landwirtschaftliche Schule der setzte sich zudem bereits ab 1825 für den Bau von Steiermark. Sie erstreckte sich mit ihren Obst- und Eisenbahnlinien ein. Mit einer ihm unterstellten Weinbauanlagen von der Annenstraße bis zum Ingenieurtruppe konnte er zum Beispiel Lösungen Plabutsch, wobei das 1833/1834 nach Plänen des für die Trassierungsprobleme bei der Errichtung Architekten Franz Xaver Aichinger errichtete der Südbahn erarbeiten, so dass diese letzten Hauptgebäude bis zum Neubau eines Möbel- bzw. Endes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, über Modehauses an der Ecke Annenstraße/Eggenberger Westungarn, sondern über den Semmering nach Gürtel noch zum Teil erhalten war. Ebenfalls im Triest geführt wurde. 1844 erfolgte die Aufnahme Jahr 1822 richtete Erzherzog Johann das Weingut des Verkehrs zwischen Mürzzuschlag und Graz,

38 steirische berichte 1-2 /09 1854 die Betriebsaufnahme des Streckenabschnitts seine Reformgedanken auch in Stainz um, was dazu wissenschaft. Gloggnitz–Mürzzuschlag, die gesamte Bahnstrecke führte, dass er 1850 zum Bürgermeister der k u n s t . wurde 1856 in Betrieb genommen. Auch für die Marktgemeinde gewählt wurde. erst nach seinem Tod verwirklichte Graz-Köflach- Das heute die Kunstuniversität beherbergende kultur. Bahn entwarf der Erzherzog selber Trassenskizzen Palais Meran im Grazer Stadtteil St. Leonhard hat und stellte Kostenüberschläge für die zugehörigen die selbe Bedeutung wie Schloss Stainz, schließlich Bauten an. trägt es sogar den Namen der Familie des Zudem beeinflusst Erzherzog Johann mit den von Erzherzogs. Johann ließ es zwischen 1841 und 1843 ihm begründeten Institutionen bis heute das Bild der durch Baumeister Georg Hauberrisser d. Ä. (1791– modernen Steiermark und das auch in architektoni- 1875) errichten. Der spätklassizistische Bau zeigt scher Hinsicht. Unter anderem bilden die Gebäude zwar zurückhaltend gestaltete, dem Zeitgeschmack der Montanuniversität Leoben, der heutigen Erzher- entsprechende Fassaden. Die Gesamtdisposition zog-Johann-Universität (Technische Universität mit dem dreigeschoßigen Mitteltrakt und Graz) oder des Landesmuseums Joanneum wichtige, zweigeschoßigen Flügelbauten macht deutlich, dass ganze Stadtviertel prägende Körper, die immer wie- es sich hier um ein hochherrschaftliches Gebäude der ergänzt, erneuert und weiterentwickelt werden. handelt. Zudem ist die Haupt- und Schauseite zur Als jüngstes Beispiel kann hier die Neugestaltung Stadt hin orientiert und kündet mit dem Wappen des Grazer „Joanneumsviertels“ zwischen Neutor- im Giebelfeld des Frontispizes vom erzherzoglichen gasse, Kalchberggasse und Raubergasse anlässlich Besitzer. In diesem Palais verstarb der Erzherzog der 200-Jahr-Feier des Landesmuseums 2011 dienen. am 11. Mai 1859, und es stellt insofern eine Beson- derheit dar, als dass es der einzige Wohnsitz ist, Kampf um die Anerkennung den Erzherzog Johann komplett neu errichten ließ.

Die letzte, wohl am privatesten motivierte Bau- Denkmäler im Land gruppe wird vom Schloss Stainz und dem Palais Meran in Graz gebildet. Die Wahl dieser großen, Insgesamt hat Erzherzog Johann von Österreich repräsentativen Bauten als Wohnsitze liegt wohl im wie kaum ein anderer Habsburger vor oder nach Kampf um die Anerkennung der Familie Johanns ihm die Steiermark mitgestaltet, was sich auch in bei Kaiser und Adel begründet. vielen Bauten ausdrückt. So verwundert es nicht, Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Stainz dass nach seinem Tod zahlreiche Denkmäler im Repräsentative war bereits um 1229 gegründet und 1785 durch Land errichtet wurden. Das aufwändigste ist der Bauten wie Kaiser Joseph II., den Onkel Erzherzog Johanns, am Grazer Hauptplatz stehende und nach einem das Schloss Stainz (links) und das säkularisiert worden. Am 8. April 1840 kaufte Entwurf von Franz Pönninger gestaltete Erzherzog- Palais Meran (rechts) Erzherzog Johann die barocke, im 17. Jahrhundert Johann-Brunnen, der 1878 enthüllt wurde. Aber dienten Johann gestaltete Anlage, nicht nur um seiner Nachkom- auch in Bad Aussee (im Kurpark überlebensgroße als Wohnsitze und menschaft einen repräsentativen Wohnsitz zu Bronzefigur von 1882), Vordernberg (Hauptplatz, verweisen auf seine hochherrschaftliche bieten, sondern auch um ihre Stellung zu unter- Büste von Hans Zeilinger, 1982), in Laßnitzhöhe Herkunft. streichen. Dem gräflichen Titel und seiner Liebe (bei der Pfarrkirche, Büste von Fred Pirker) oder Fo t o Sc h l o s s St a i n z : zu Tirol entsprechend erwarb Johann 1845 auch in Leoben (Postpark, Büste von Erwin Huber, Landesmuseum das Schloss Schenna bei Meran, wo er beigesetzt 1982) erinnern Ehrenmäler an den „steirischen“ Jo a n n e u m , Ni c o l a s La c k n e r wurde. Johann ließ Schloss Stainz in den Jahren Erzherzog. Fo t o Pa l a i s Me r a n : nach dem Ankauf aufwändig renovieren und setzte Martin Müller Mü ll e r

1-2/09 steirische berichte 39 wissenschaft. kunst. Die Kammermaler kultur. des Erzherzogs Johann Bildnerische Dokumentaristen ihrer Zeit

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte Erzherzog Johann, der Tradition der Hof- und Kammermaler folgend, eine Reihe von Künstlern, u. a. Johann Kniep, Jakob Gauermann, Karl Russ, Matthäus Loder und Thomas Ender. Seine Beweg- gründe waren durch neue aufklärerische Ideen geprägt.

Die Kammermaler sollten im Sinne von volksbild- damit verbundenen Möglichkeiten sah man auch nerischen und naturwissenschaftlichen Interessen die Nachteile dieses Prozesses: Verstädterung und die Landschaft der Steiermark und deren Bevölke- Landflucht, Anonymisierung und Mechanisierung rung möglichst wirklichkeitsgetreu erfassen, wofür der Gesellschaft, Verlust des traditionellen sozia- der Erzherzog genaue Anleitungen vorgab. Dies len Lebens. Die Natur wurde hierzu als Gegensatz war eine neue Herausforderung und Aufgabe für stilisiert. die akademisch geschulten Künstler. Erzherzog Johann ist in diesem Sinne ein Mensch Zwischen 1801 und 1848 entstanden so zahlreiche des Biedermeier: Obwohl er sehr fortschrittsbe- Landschaftsbilder, meist Aquarelle, die die Stim- zogen und zukunftsgläubig war – so studierte er mung des Biedermeier einfangen. So sind die z. B. in London alles, was für Ökonomie und die Landschaften sowohl durch einen ausgeprägten maschinelle Entwicklung nützlich und übertragbar Realismus in der Darstellung geprägt, als auch von zu sein schien: Maschinenwerkstätten, Gusswerke, einer romantischen Sehnsucht nach einem Ideal Stahlöfen, Hammerwerke etc. –, war er überzeugt, durchdrungen. Diese bildnerischen Landschaftsbe- dass damit auch die Werte seiner Zeit wie Gemein- schreibungen bildeten den Kern der Kunstsamm- sinn, Glauben, Familie usw. verloren gingen. lung des 1811 gegründeten Joanneums. Sein Bestreben war daher, einerseits die Wirtschaft durch Modernisierung anzukurbeln, aber auch Zwischen Aufklärung und Romantik: den Menschen durch Arbeit „menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen“. Fortschrittsglaube und Damit verbunden war der tiefe Glaube an das das „Eigene“ als Verteidigung „Eigene“, das es, beeinflusst vom Krieg Österreichs gegen Frankreich, zu verteidigen galt und das man Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Natur ins in der Natur, verkörpert durch die alpine Bergwelt, Zentrum gestellt, sie wurde zum Symbol für das gespiegelt sah. Die Entdeckung dieses „Eigenen“ Abdruck der drei Schöne und Reine. Die Sehnsucht nach einer sollte einen nationalen Stolz entfachen. Basis Faksimiles unberührten, ursprünglichen Natur steht in engem dieses Strebens waren Beschreibungen von mit freundlicher Zusammenhang mit der zunehmenden Industriali- Genehmigung der Landschaften und Bewohnern und deren Sitten, Steiermärkischen sierung, welche das 19. Jahrhundert prägte. Trotz Habitus und Kleidung. Landesbibliothek. aller Begeisterung für den Fortschritt und die

40 steirische berichte 1-2 /09 Bilder eines persönlichen Lebens Matthäus Loder war, wie viele Künstler seiner Zeit, wissenschaft. tuberkulös und starb früh, 1828 in Vordernberg, k u n s t . wohin er mit seiner Frau gezogen war. Die Kammermaler hatten neben der anstrengenden Das dokumentarische Programm des Erzherzogs kultur. Erfassung des Landes mittels Fußmärschen auch aber musste weitergehen. Er übergab Loders Skiz- die Aufgabe, das persönliche Leben des Auftragge- zen und Aquarelle zur Fertigstellung dem bereits bers zu dokumentieren. Jener Künstler, der diesbe- erfolgreichen Maler Thomas Ender, der sein letzter züglich am berühmtesten und über ein Jahrzehnt Kammermaler wurde. Ender reiste ab 1829 zwanzig zu Johanns engstem Vertrauten wurde, war Jahre umher und schuf nach einem systematischen Matthäus Loder (1781–1828). Plan ein wichtiges Gesamtwerk österreichischer 1819 traf der 37jährige Johann auf einer seiner Ansichten. Einen so engen Kontakt wie Loder er- Wanderungen beim Toplitzsee auf Anna Plochl, reichte jedoch kein anderer Maler, auch begründet die Tochter des Ausseer Postmeisters, damals 15 in der Tatsache, dass sich Johann immer mehr von Jahre alt, und verliebte sich in sie. Loder wurde den Wanderungen zurückzog und durch seine wirt- der künstlerische Historiograph der Beziehung. schaftlichen Vorhaben sesshafter geworden Der Künstler schuf u. a. ab 1826 eine Anzahl von Bettina Messner miniaturhaften Aquarellen, vom Künstler auf eine goldverzierte Unterlage montiert, das sogenannte war. li.: Anna und Erzherzog Johann, im Hintergrund Stammbuch der Anna Plochl, heute im Familienbe- sein Radwerk in Vordernberg. Anna ist im Vordergrund sitzend mit einer jüngeren Schwester dargestellt. Die sitz der Grafen Meran. Das Stammbuch wurde zu Kleine reicht dem Erzherzog, der aufrecht im Hinter- Annas Geburtstag begonnen und zeigt die wich- grund steht, einen Blütenkranz. Neben Anna befindet tigsten Momente der Liebe zwischen Erzherzog sich ein Korb mit Rosen als Sinnbild der Liebe, und mit Lilien, die für die Unschuld stehen. Hinter Anna bildet Johann und ihr. Die Geschichte dieser Liebe wurde eine Ranke ein Oval, das ein J., das Monogramm des schon zu Lebzeiten romantisch verändert. Erzherzogs, umschließt. Johann wird dargestellt auf Johann gab hierfür genaue Anweisungen, wie aus dem Weg von der sachlichen Arbeit, seinem Radwerk im Hintergrund, zu Anna, seiner Liebe und Gefühlswelt: einem Brief vom 3. Jänner 1826 ersichtlich wird: Nur noch eine letzte Hürde, in Form einer Holzlatte, ... und für dein Stammbuch nach der Aussicht die die Felsen überbrückt, trennt ihn von den freudig von Aussee und deines väterlichen Hauses, das Wartenden. Johann gleicht einer Erscheinung. In dieser Zeit wurde das heute noch vorherrschende „Idealbild“ erste Sehen am Gössl, am Toplitzsee … ich bringe des Erzherzogs im grauen Rock geprägt. die Fortsetzung mit, es wird eine Geschichte in Die Szene wird zum Abbild romantischer Gefühlsstim- hübschen Bildern werden. So oft ich allen dem zu- mungen, die realistisch geschilderte Landschaft spielt hier nur eine Nebenrolle. rückdenke, habe ich eine innige Freude. Hoffentlich mi.: Abschied beim Gatter ober der Traunmühle werden noch viele Bilder folgen, die ich im Kopfe 1819 war Johanns erste Begegnung mit Anna bei einer habe, die mich noch weit mehr freuen werden … Wanderung. Das Bild zeigt den Abschied nach der (zit. nach: Matthäus Loder, 1978, S. 36–37.) ersten gemeinsam verbrachten Zeit. Johann und Anna reichen einander die Hände, hinter Anna stehen drei Acht Blätter in einer Mappe mit Faksimile-Wieder- Freundinnen, hinter Johann seine Begleiter. Die Szene gaben im Originalformat „Aus dem Stammbuch der ist eingebettet in eine realistische, klare Naturschilde- Anna Plochl“ befinden sich in der Steiermärkischen rung. Der wichtigste Moment, die Berührung der beiden Liebenden, wird durch natürliche Elemente, die dahinter Landesbibliothek, das Umschlagbild stammt von ersichtliche Baumgruppe, optisch hervorgehoben. einer Glückwunschkarte an Anna, datiert 1824 und 1823 gestattete der Kaiser seinem erzherzoglichen Bru- vom Künstler signiert. Drei dieser Blätter werden der, die bürgerliche Anna zu heiraten. Doch Intrigen- spiele des Hofes vereitelten durch Rufschädigungen den hier kurz vorgestellt. Plan. Johann griff seinerseits zu einer List: Er stellte Anna als Haushälterin für sein Wohnhaus in Vordern- berg ein. Nach sechs Jahren wurde ihm die Heirat doch noch gewährt. re.: Anna und Johann auf dem Gipfel des Erzberges Ab 20. September 1823 lebte Anna als Haushälterin beim Erzherzog. Am 1. Oktober gehen die beiden allein auf den Erzberg. Die Darstellung der beiden Gestalten auf dem überdimensionalen und steinigen Erzberg, schon auf einem Gipfel, aber noch nicht beim Gip- felkreuz, spiegeln ihre Gefühle wider: Auch wenn die ersehnte Hochzeit nicht stattfinden kann, können die Liebenden doch gemeinsam ihre Zeit verbringen. Die detaillierte Naturschilderung jedoch überragt und über- dauert die menschliche Geschichte. Literatur, (in Auswahl): Walter Koschatzky, Erzherzog Johann. Die Kammer- maler, Ausstellungskatalog, Galerie und Auktionshaus Hassfurther, Wien 1996. Inge Schwarz, Einleitung. Aus dem Stammbuch der Anna Plochl. Faksimile-Wiedergaben im Originalformat, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1982.

1-2/09 steirische berichte 41 wissenschaft. kunst. Erzherzog Johann kultur. und die (Volks-)Musik

Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) war tation der steirischen Volkskultur zu Beginn des der einfachen Bevölkerung Zeit seines Lebens ver- 19. Jahrhunderts. Etwa 70 Einsendungen, darunter bunden. Diese Haltung dürfte er von seinem Vater auch reine Notenhandschriften, wurden aufgrund Leopold (1747–1792) übernommen haben, der mein- des Aufrufs nach Graz geschickt; sie werden heute te, für einen Regenten sei es wichtig, „sich leutselig zum Großteil im Steiermärkischen Landesarchiv zu verhalten, ohne Unterschied alle Leute zu grü- verwahrt. Die Sammlung umfasst an die 3.000 Titel, ßen, auch die Angehörigen des niederen Volkes, […] darunter deutsche und steyerische Tänze, Märsche bei den Volksfesten zu erscheinen, […] den Tanz- und Menuette, Liebes-, Standes-, Hochzeits- und festen“.(1) Getreu dieser „Weisung“ notierte Johann Weihnachtslieder, die zum Teil aus dem heutigen etwa am 31. August 1817: „In der Scheuer war ein Slowenien stammen. In den 1830er Jahren war Bub der schlecht leierte, da tanzten wieder andere, eine Publikation des Sammelgutes geplant, für die kurz alles war herzlich lustig. Ich sah mit Vergnü- Johann Nepomuk Geiger (1805–1880) ein Titelblatt gen zu, da ich diese Leute sehr gern habe.“(2) anfertigte. Zu den bedeutendsten und umfangreichsten Einsen- Angeregt von frühen volkskundlichen dungen zählt Johann Felix Knaffls (1769–1845) Beschreibungen wie einer ähnlichen Versuch einer Statistik vom kameralischen Bezirke Aktion in Frankreich ließ Johann im Fohnsdorf im Judenburger Kreise aus dem Jahr Jahre 1811 eine landesweite Bestands- 1813.(4) Knaffl überlieferte hier unter anderem aufnahme durchführen. Dazu wurden ländliche Bräuche und die damit in Zusammenhang Fragenentwürfe an sämtliche steyer- stehende Musik, die er aber nicht nur so „verhunzt“ märkische Werbbezirke zum Behufe wiedergab, wie er sie gehört hatte, sondern auch in einer physikalischen Statistik dieses einem seiner Meinung nach „richtigen Sa[t]z“. Landes mit etwa 90 Fragen zu den Somit ist diese Handschrift ein wertvolles Doku- Themen Topographisch-Politisches, ment für die ländliche Musizierpraxis am Beginn Physikalisch-Naturhistorisches des 19. Jahrhunderts. und Medizinisches, Forstwirt- 1819 unterstützte Erzherzog Johann die von der schaftliches, Ökonomisches, Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter Montanistisches sowie Kommer- Joseph Sonnleithner (1776–1835) österreichweit zielles verschickt. Im ebenfalls abgefragten Bereich durchgeführte Volksliedsammlung.(5) Zeitgleich Religiös-Sittliches wurde besonders auf die „Be- sandte er neuerlich eine eigene „Einladung an schreibung vorzüglicher Lieblingsunterhaltungen Schullehrer und Musikfreunde“, worin es hieß: „Es und Vergnügungen, ländlicher Spiele und der- sollen alle Lieder, geistlichen oder weltlichen In- gleichen des Volkes, mit Mitteilung der gewöhn- halts, als Kirchenlieder, Weihnachts-, Leichen- und lichsten oder jedem Ort eigenen Volksgesänge, Hochzeitsgesänge, Spottgedichte, Gsetzln, Gstanzeln Nationalmelodien, womöglich mit beigefügter in deutscher oder windischer Sprache mit ihrer Musik, der Tänze u. a. m[it] Angabe der üblichen Singweise – auch alle Tänze älterer und neuerer musikalischen Instrumente“ Wert gelegt, wobei Zeit, Märsche, Tafelstücke u. s. w. – aufgeschrieben alles genau so niedergeschrieben werden sollte, wie werden. […] Sie sollen ja nichts für zu gering oder es die Menschen sangen und spielten. Der vor allem unbedeutend oder anstößig halten, da es sich hier naturwissenschaftlich und historisch umfassend alles zu besitzen handelt.“(6) Dieser Sammelaufruf ausgebildete, aber auch von Tanzmeistern und war nun auch mit einer „Preisverteilung“ verbunden. Musikern unterwiesene Prinz interessierte sich laut Im Dezember 1840 veranstaltete der Erzherzog im eigenen Tagebucheintragungen bereits seit 1802 für Rahmen einer Feier für die Landwirtschaftsgesell- das Volkslied, seine Sammlung, Verbreitung und schaft einen „Volksmusik-Wettbewerb“, der wiede- somit auch Bewahrung; seiner Meinung nach sollte rum die Bedeutung des Sammelns bewusst machen es „nicht verloren gehen!“(3) sollte. Ein Verzeichnis listet die aus vielen Teilen der Steiermark stammenden TeilnehmerInnen auf, Wertschätzung des Volkslebens darunter SängerInnen und MusikantInnen aus Aussee, Rottenmann, Gröbming, St. Lambrecht, Schon mit diesem ersten Sammelaufruf bezeugte der Unzmarkt, Bruck, Graz, Judenburg, Stainz und dem Erzherzog seine Wertschätzung des Volkslebens heute zu Slowenien gehörenden Obernburg/Gornji und initiierte zugleich eine einzigartige Dokumen- Grad.(7)

42 steirische berichte 1-2 /09 Mehr oder minder bedeutende Komponisten wid- meten dem Erzherzog Stücke wie die „Alpen- Klänge“ (Josef Gungl) oder die „Erzherzog Johann! Marsch-Polka“ (Theodor F. Schild), die heute al- lerdings weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Im Gegensatz dazu werden einige der so genannten Erzherzog-Johann-Lieder(8) – einst Zeichen seiner Beliebtheit bei den einfachen Menschen – auch heute noch gerne gesungen, allen voran das be- rühmte „Wo i geh und steh“. Der Text dieser „Älp- lerballade“ wurde 1830 vom Beamten und Mund- artdichter Anton Schosser (1801–1849) in Schärding verfasst und 1849 unter dem Titel „’s Hoamweh“ in seinen Naturbildern aus dem Leben der Gebirgsbe- wohner abgedruckt; die Melodie dazu dürfte aus Tirol stammen. In seiner späteren Version mit dem kunstvollen Bravourjodler, der wiederum auf ein Wiener Flugblattlied zurückgehen könnte,(9) ist dieses Lied heute vielleicht sogar die heimliche steirische Landeshymne. Vielen SängerInnen sind aber auch einfachere Volkslieder wie das auf den vom Erzherzog erworbenen Brandhof am Seeberg gedichtete „Von der Steiermårk san ma außer“(10) bekannt, die oft das vom Prinzen geliebte Jagen und/oder die Natur thematisieren.

Die bürgerliche Kunstmusik

Erzherzog Johann bemühte sich aber auch um die damals aufstrebende bürgerliche Kunstmusik. So übernahm er 1819 das Protektorat des erst einige Jahre zuvor ins Leben gerufenen „Musikvereins von Steyermark“ und meinte dazu scherzhaft: „Wenn es nach dem Sprichworte gehet, welches sagt, wem Gott das Amt giebt, dem giebt er den Verstand, so werde ich noch ein gewaltiger Virtuos werden, und wenn nicht auf irgend einem aus- gezeichneten Instrument, doch vielleicht auf der Titelblatt der Maultrommel oder dem Hackbrettel.“(11) Womit Erzherzog-Johann- Sammlung von wir wieder bei der Volksmusik gelandet wären. J. N. Geiger, Eva Maria Hois Volkskundemuseum.

(1) Zitiert nach Hans Magenschab: Erzherzog (6) Zitiert nach Hannes Lambauer: Kommentar (10) „Der Brandhof“ wurde bereits 1833 Johann. Bauer – Bürger – Visionär, zum „Titelblatt zur Volksliedersammlung mit drei Strophen in einer oberbayrischen Graz 2008, S. 22. Erzherzog Johanns“. In: Helfried Handschrift notiert. (2) Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: Valentinitsch (Hg.): Steiermark Archiv: Franz Blümel veröffentlichte eine Variante Der erste Tourist. Mit Erzherzog Johann Wissenschaft, Literatur und Musik, in Steirerlieder, Graz 1889, S. 13, Rudolf durch die Steiermark, Graz 2003, S. 128. 1995 ff., STA 0350. Schwarz und Emil Seidel publizierten ihn (3) Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: (7) Vgl. Viktor v. Geramb: Erzherzog Johanns in Steirische Volkslieder, Graz – Wien Der erste Tourist, S. 128. Verdienste um das Volkslied. In: Das deut- 1981, S. 22. (4) Viktor von Geramb: Die Knaffl-Hand- sche Volkslied 18, Wien 1916, S. 120. Im Steirischen Volksliedarchiv gibt es eine schrift, eine obersteirische Volkskunde (8) Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. Niederschrift (um 1910) von Johann Gollob aus dem Jahre 1813 (= Quellen zur Erzherzog-Johann-Liedtraditionen vor, in, (1850–1923) aus Ingering im Bezirk Knit- Deutschen Volkskunde 2), Berlin 1928. neben und nach „Wo i geh und steh“, telfeld (StVLA Mappe 398). (5) Vgl. Klaus Petermayr: Lieder und Tänze Mürzzuschlag 1996. (11) Zitiert nach Hannes Lambauer: Die Anfän- um 1800 im Hausruckviertel aus der (9) Gertraud Pressler: (Rez.) Helmut Brenner: ge des Musikvereins für Steiermark. In: Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft Gehundsteh Herzsoweh. In: Michael Weber Grete Klingenstein (Hg.): Erzherzog Johann der Musikfreunde in Wien, redigiert und und Thomas Hochradner (Hg.): Identität von Österreich. Beiträge zur Geschichte ergänzt von Walter Deutsch und Eva Maria und Differenz. Beiträge zur vergleichenden seiner Zeit. Katalog zur Landesausstellung Hois (= Corpus Musicae Popularis - und systematischen Musikwissenschaft 8. Mai bis 31. Oktober 1982, Schloß Stainz, cae 18), Wien – Köln – Weimar 2006, (= Musicologica Austriaca 17), Graz 1982, S. 271. S. 11–26. Wien 1998, S. 220–226.

1-2/09 steirische berichte 43 wissenschaft. kunst. Die Steiermärkische kultur. Landesbibliothek Rückblick und Ausblick

trotz der rigorosen Zensur während der Metternich- Ära 16 verbotene ausländische Zeitungen aufgelegt werden konnten. Der 1819 genehmigte „Leseverein am Joanneum“, der durch seinen hohen Mitglieds- beitrag und durch die große Zahl seiner Mitglieder erheblich zur Popularität und zur Bestandsver- mehrung beitragen konnte, festigte bis zu seiner Auflösung 1871 die Verankerung der Bibliothek im Bewusstsein der bildungsbeflissenen Kreise der Bevölkerung des Landes, so dass auch die Verselb- ständigung der Montanistischen Lehranstalt 1840 und der Technischen Hochschule 1864/65, die zu- nächst zu einer existenziellen Krise der Bibliothek geführt hatte, letztlich zur Identitätsfindung und Außenansicht Als am 26. November 1811 die von Erzherzog weitreichenden Absicherung des Institutes beitrug. der Steiermärkischen Johann am 16. Juli desselben Jahres unterfertigte Der 1825/26 erfolgte Anbau an der Südseite des Landesbibliothek. Stiftungsurkunde für das „Innerösterreichische Lesliehofes wurde abgetragen; am 26. November Fo t o : Sc h e ll n e g g e r Nationalmuseum“, das bald darauf nach seinem 1893 konnte der nach den Plänen von August Gründer „Joanneum“ genannt werden sollte, im Gunolt errichtete Neubau eröffnet werden, der Rahmen eines feierlichen Aktes an die steirischen sich von Anfang an als zu klein und wenig zweck- Stände im Landtag überreicht und damit der mäßig erwies. Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung der technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsstätte Zeitgemäßes Ambiente in Sicht gelegt wurde, kamen nicht nur seine umfang- reichen Sammlungen, sondern auch ein Großteil Der 1948 unter der Direktion von Julius Franz seiner privaten Bibliothek in den Besitz des Landes. Schütz herausgegebene Führer der Landesbiblio- So konnte noch vor Beginn der Lehrtätigkeit zu thek vermerkt lapidar, dass das Bibliotheksgebäude Jahresanfang 1812 die „Lese-Anstalt“ Joanneum „in den letzten Jahren so unzureichend geworden ihren Betrieb eröffnen. (ist), dass ein Neubau oder eine Erweiterung immer Die Buchbestände, die schon in den folgenden Jah- dringender nötig wird“. Mehr als sechzig Jahre ren durch zahlreiche umfangreiche Schenkungen danach steht die Steiermärkische Landesbibliothek meist adeliger Gönner, wie etwa der Grafen Egger, nun vor der Realisierung dieses Projektes, das Brigido und Saurau, und ständige weitere allein im Hinblick auf die Bestandszahlen jeder Zuwendungen durch den Erzherzog selbst einen allfälligen Kritik trotzen kann: 1827 wies die Bib- beträchtlichen Umfang annahmen, waren von liothek 20.000 Bände auf, um 1900 etwa 145.000, Anfang an nicht nur auf die Unterstützung des 1937 etwa 300.000, und gegenwärtig sind es mehr Lehrbetriebes, sondern auch auf alle geistes- und als 700.000, gelagert im bestehenden Gebäude so- kulturwissenschaftlichen Bereiche ausgerichtet. wie in mehreren Außendepots. Als wissenschaftli- Die Joanneums-Bibliothek sollte sich entsprechend che Bibliothek, als eine den Bedürfnissen aller Be- den Statuten „nicht lediglich auf das unmittelbare völkerungsschichten gerecht werdende öffentliche Bedürfnis der Lehranstalt einschränken, sondern …, Bibliothek, als Behördenbibliothek und vor allem da sie als eine der wichtigsten Quellen der Beleh- als Bewahrerin steirischen Schrifttums wird sie rung, des Unterrichtes und der Bildung überhaupt nach Fertigstellung des das gesamte Joannneums- anzusehen ist, sich auch auf andere Gegenstände viertel umfassenden Projektes endlich wieder in erstrecken, wenn sie nur nicht gänzlich außer dem einem zeitgemäßen Ambiente den Erfordernissen Wirkungskreis des Institutes liegen“. Betrug die Zahl eines modernen Bibliotheksbetriebes und dem der aufliegenden Journale 1812 noch 35, konnten joanneischen Bildungsauftrag gerecht werden 1844 bereits 207 Titel eingesehen werden. können. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass Christoph H. Binder

44 steirische berichte 1-2 /09 Im gemeinsamen Interesse grenzenlos. handeln Gestern wie heute Herausforderung, Chance und Bereicherung

In Zeiten schrumpfender Budgets zur Förderung schaftlichen und sozialen Ziele öffentlicher Anliegen hat die Europäische Kommis- nur dann erreichbar sind, wenn sion die finanziellen Mittel zur Förderung grenz- die Projekte im gemeinsamen überschreitender Programme erneut erhöht. Wie sie Interesse und im guten Einver- dies seit Beginn dieser Förderprogramme tut und nehmen umgesetzt werden. Und wie sie, wenn man dem derzeitigen Planungsstand sie lernen praktisch, dass wir an trauen kann, das auch für die Zukunft beabsichtigt. der Grenze zwischen Österreich Mit gutem Grund. Denn diese Programme zur Stär- und Slowenien zwar eine durch kung der bilateralen und transnationalen Zusam- viele Jahrhunderte hindurch menarbeit sind ein Beitrag zu einem der grundle- gemeinsame Geschichte haben, gendsten Ziele der europäischen Union. Sie sind ein dass aber der Blick zurück sehr Beitrag zur nachhaltigen Friedenserhaltung. Sie unterschiedlich sein kann. Zum ermöglichen allen Beteiligten, deren interkulturelle Teil durch kollektive Wahr- Kompetenz zu entwickeln, zu schulen und zu leben. nehmung und zum Teil durch Denn wir werden uns in Zukunft mit zwei auf den individuelle Erfahrung der ersten Blick gegensätzlichen Trends auseinander Geschichte. Dass wir zwei Spra- setzen müssen. chen haben, die uns trennen, Auf der einen Seite wird die Globalisierung das dass aber gerade Slowenien sich Eigenkulturelle in jedem von uns ansprechen der Bedeutung der Mehrspra- bzw. verstärken. Wir werden uns stärker mit einer chigkeit sehr bewusst ist und Gruppe identifizieren und deren kulturelle Eigen- diese in der formalen Bildung heiten pflegen und leben. Denn dies stärkt unser eine große Rolle spielt. Dass Zugehörigkeitsgefühl und gibt uns Sicherheit die Geschäftsgepflogenheiten (wie man jemanden Menschen, und Gelassenheit. Auf der anderen Seite werden anredet, wie weit im Voraus Termine vereinbart die man kennt, schenkt man leichter wir herausgefordert, uns mit Mitgliedern anderer werden, kommuniziert man per E-Mail oder Post Vertrauen. Gruppen auseinander zu setzen und darüber hinaus usw.) zum Teil sehr unterschiedlich sind, dass man Fo t o : kk mit diesen erfolgreich zusammen zu arbeiten und sie aber mit gutem Willen und vor allem Offenheit zu leben. Dazu müssen wir diese Herausforderung und Dialog überwinden kann. Und sie lernen vor als Chance, als Bereicherung sehen. Mit interkultu- allem, dass der Aufbau persönlicher Beziehungen rellem Verständnis und entsprechender Handlungs- den nachhaltigsten Erfolg und den größtmöglichen kompetenz kann uns dies gelingen. Nutzen bringt.

Interkulturelle Grenzüberschreitende Handlungskompetenz Zusammenarbeit

Was ist nun interkulturelle Handlungskompetenz? Die Programme zur Förderung der grenzüberschrei- Es ist die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kultur- tenden Zusammenarbeit zwischen Österreich und kreise erfolgreich zu kommunizieren und zu inter- Slowenien gibt es seit mehreren Jahren. Sie haben agieren. Die Basis bildet das Kennen der eigenen den Menschen, die sich daran beteiligen, die Gele- Kultur und ein gesundes Maß an Selbstsicherheit genheit gegeben – und werden dies auch in Zukunft und emotionaler Stabilität. Damit im Gleichgewicht tun –, ihre Nachbarn und deren Lebensweise ken- sollten aber auch Kenntnisse und Erfahrungen nen zu lernen, sie haben zu einer schnelleren und betreffend andere Kulturen, die Fähigkeit, sich in intensiveren Öffnung der Grenze und zum Aufbau andere zu versetzen, Offenheit und Interesse für wirtschaftlicher Beziehungen beigetragen. Und so das Andere und die Bereitschaft im gemeinsamen kommen wir wieder zur Mission der Friedenserhal- Interesse zu handeln, stehen. tung zurück. Menschen, die man kennt, schenkt Genau diese Fähigkeiten erwerben alle, die an man leichter Vertrauen. grenzüberschreitenden Projekten arbeiten. Sie verstehen sehr bald, dass die gemeinsamen wirt- Sabina Cimerman

1-2/09 steirische berichte 45 grenzenlos. Erzherzog Johann Wein & Kulturreise Auf den Spuren des Erzherzog Johann von Stainz nach Maribor

Im Erzherzog Johann Gedenkjahr 2009 bietet Kultur und Kulinarik hier und dort das Weinland Steiermark seinen Gästen eine Spurensuche. Über Spielfeld begeben wir uns ins Pößnitztal, wo Gemeinsam mit dem Tourismusverband Maribor wir zum Beispiel beim Gasthaus Siker einkehren. führt man – entlang von steilen Weingärten und Das Gebäude wurde 1870 errichtet, im eigenen durch Hopfenäcker – auf eine Reise durch die Museum kann man ländliche Transportmittel und Weinbauorte und damit auch durch die Geschichte bäuerliche Arbeitsgeräte besichtigen. des Weinbaus in der Steiermark und in Slowenien. Wir starten in Stainz (Schloss Stainz mit Jagd- Nun geht es weiter nach Maribor. Die Stadt ist von museum und Sonderausstellung Erzherzog Johann Weingärten umgeben wie selten eine Hauptstadt oder Besuch bei den Traditionswinzern) im Wein- und liegt direkt an der Drau. Das Haus zur alten baugebiet Weststeiermark und lassen uns auf Rebe am Lend mit der neuen Vinothek gehört zu unserer Reise durch ein Stück weinbäuerliche Kul- den „musts“ bei der Weinkulturreise. Ebenso wie tur führen. Wie damals zu Zeiten des Erzherzogs – ein Besuch des Regionalmuseums. ohne Grenzen auf der Suche nach Traditionen und Unser nächstes Ziel ist das, von Erzherzog Johann besonderen Menschen. 1822 gekaufte, Gut in Meranovo, wo er ein Muster- Auf der Reise Richtung Süden machen wir Halt in weingut errichten ließ, welches nachhaltigen Kitzeck im Sausal. Im Weinbaumuseum vor Ort Einfluss auf den steirischen Weinbau hatte. wird vor allem die weinbäuerliche Lebens- und Auf dem Anwesen steht das schöne ehemalige Wohnkultur längst vergangener Tage anschaulich Wohnhaus mit Weinkeller. präsentiert. Erzherzog Johann ist es zu verdanken, dass wir Ein Wein, der den Namen „Steirische Hoheit“ trägt, heute einerseits auf eine Vielzahl an schriftlichen Bild links: zeugt in Kitzeck von großer Hochachtung, zumal Aufzeichnungen zum Thema Weinbau aus seiner Unterwegs mit ja immer nur der beste Wein des Jahrganges unter Zeit zurückgreifen können, andererseits aber auch Erzherzog Johann Steirischer Hoheit auf den Markt kommt. durch seine Aktivitäten wie zum Beispiel die durch das Errichtung einer Rebschule auf eine besondere Weinland Steiermark Die Spurensuche führt uns weiter an die Südsteiri- und Slowenien. sche Weinstraße. Hopfenanbau in Leutschach, ein Weinbautradition zurückblicken können. Weinmuseum im Schloss Gamlitz, welches viele Zurück in die Steiermark über Svecina – zum Bild rechts: Fragen zum Thema Erzherzog Johann und den Beispiel um die Weinbauern Gaube, Kuster und Das Haus zur alten Rebe am Lend Weinbau in der Steiermark beantworten wird, und Valdhuber zu besuchen, oder ein Abstecher nach in Maribor mit die Erzherzog Johann Weine in Ehrenhausen sind Sveti Urban – um die Aussicht zu genießen, die neuen Vinothek. hier unsere Stationen. Immer begleitet von bezau- auch den Erzherzog damals „Wunschlos glücklich bernden Landschaften, ausgezeichneten Weinen und in einem verzauberten Land“ sein ließ … Fo t o s : www.weinkulturreise.at Er z h e r z o g Jo h a n n kulinarischen Besonderheiten (z. B. Gerichte aus We i n & Ku l t u r r e i s e dem Anna Plochl Kochbuch in Abels Wirtshaus). Claudia Pronegg-Uhl

46 steirische berichte 1-2 /09 Gradec–Marburg grenzenlos.

71,8 Kilometer oder 61 Minuten Zugfahrt: Diese meister über die Zukunft der Städte. In einer zum Foto links: Bgm. Kleinigkeit trennt Graz und Maribor, und dennoch Bersten gefüllten Umetnostna galerija Maribor – Siegfried Nagl und dessen scheint die gefühlte Distanz ein Vielfaches zu der eigens für die Veranstaltungsreihe angemie- Marburger Kollege betragen. Dabei bilden die beiden Städte eine der tete Gratis-Shuttlebus von Graz nach Maribor war Franc Kangler am schnellsten wachsenden Regionen an der ehe- binnen eines Tages ausgebucht – untermauerten zeigen sich erfreut bei der maligen Ost-West-Grenze Europas. Vorstöße, diese die DiskutantInnen Peter Pakesch, die Leiterin der Auftaktveranstaltung Distanz zu verringern, gab es in der Vergangenheit Umetnostna galerija Maribor, Breda Kolar Sluga, in Maribor. bereits zuhauf. 1987 unterzeichneten der damalige der Grazer Architekt Klaus Kada, sowie die Bürger- Grazer Bürgermeister Alfred Stingl und der Prä- meister Siegfried Nagl und dessen Marburger Foto rechts: Breda sident der Bürgerversammlung von Maribor, Emil Kollege Franc Kangler das Vorhaben, beide Partner- Kolar Sluga (links), Tomazic, eine Städtepartnerschaftsurkunde mit städte „mit Dynamik in die Mitte Europas hinein- Peter Pakesch dem Ziel, die freundschaftlichen Beziehungen zuführen“. Die Veranstaltungsreihe Gradec – und Fabian zwischen den BürgerInnen beider Städte nicht Maribor jedenfalls ist ein weiterer Wegweiser auf Wallmüller (rechts) präsentieren stolz die nur zu erhalten, sondern weiter zu vertiefen. Mit dem Weg zu einer grenzenlosen Kulturlandschaft. Veranstaltungsreihe der 2001 gegründeten Europa-Region (Euregio) Gradec-Marburg. Graz-Maribor setzte man einen weiteren Schritt Weitere Termine: Fo t o s : Lu n g h a m m e r in der Zusammenarbeit. Entwicklungshemmnisse 14. 04. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Su j e t : Landesmuseum auf beiden Seiten sollten abgebaut, Netzwerke von Universitäten/Kunstakademie Jo a n n e u m Beziehungen zwischen den Gemeinden, der Wirt- schaft, den BürgerInnen, Vereinen und Verbänden 12. 05. 2009, 19:00 Uhr, aufgebaut werden. Umetnostna galerija Maribor Und die Technologieachse, die sich in den letzten Twin Cities – Metropolitanregion Graz-Maribor Jahren zu einer Dachmarke für technologieorien- tierte Kooperationen entwickelt hat, zeigt vor allem 09. 06. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz die wirtschaftlichen Chancen auf, die eine grenz- Alternative Szenen und große Institutionen überschreitende Verbindung mit sich bringt. 08. 09. 2009, 19:00 Uhr, Im Hinblick auf das bevorstehende Kulturhaupt- Umetnostna galerija Maribor stadtjahr Maribor 2012 gibt es nun endlich auch Alternative Szenen und große Institutionen auf kultureller Ebene eine neue Initiative: Mit 13. 10. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Gradec – Marburg möchte Joanneum-Intendant Kulturhauptstadt Peter Pakesch in Kooperation mit dem Haus der Architektur Graz und der Umetnostna galerija 10. 11. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija Maribor unsichtbare Grenzen sprengen und die Dy- Maribor namik der grenzüberschreitenden Region anhand Universitäten verschiedener Diskussionen aufzeigen. Es geht vor allem darum, Erfahrungen auszutauschen und 15. 12. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus Graz Schnittstelle, Drehscheibe und Wegbereiter für die Bürgermeister über die Zukunft der Städte Zusammenarbeit zwischen steirischen und slowe- nischen Kulturinstitutionen zu sein. Für alle Diskussionen, die in der Umetnostna galerija Maribor stattfinden, steht ein kostenloser Interkultureller Austausch Shuttlebus von Graz nach Maribor bereit. Abfahrt ist jeweils um 17:00 Uhr vor dem Kunsthaus Graz. Dass das Thema des interkulturellen Austausches Wir bitten um rechtzeitige Anmeldung. auf breites Interesse stößt und viele Menschen bewegt, bewies die Auftaktveranstaltung Bürger- Kontakt: Tel.: 0316 / 8017 - 9238

1-2/09 steirische berichte 47 grenzenlos. Was geschah jenseits der steirischen Grenzen?

Im folgenden Kalender soll in sehr gedrängter Form an Personen und Ereignisse jenseits der steirischen Grenzen erinnert werden, die für die Beurteilung Erzherzog Johanns, seiner Persönlichkeit und seines Wirkens von Bedeutung sind.

k 1790 Er stabilisiert in Paris die Revolution In Wien stirbt Kaiser Josef II., Johanns und führt im Namen der neuen Frei- Vater wird als Leopold II. römisch- heiten Krieg gegen halb Europa. h u t t e r s t o c deutscher Kaiser. Der achtjährige : S 1800

o t o Johann kommt an den Hof in Wien. Der dynastischen Tradition ent- 1792 sprechend muss Johann das Kriegs- handwerk lernen, das er wenig liebt. Florenz F Johanns Vater und Mutter sterben. Als junger Erzherzog wird er gegen 20. Jänner 1782 Sein ältester Bruder Franz wird Kaiser eine französische Armee in den Johann kommt in Florenz zur Welt. und ist für die Erziehung des zehn- jährigen Waisenkindes zuständig. Die Kampf geschickt. Seine Truppen Sein Vater ist Großherzog in der werden in einer blutigen Schlacht bei Toskana, wo er als volksnaher, aufge- glückliche Zeit von Johanns Kindheit ist vorbei. Hohenlinden, östlich von München, klärter Fürst regiert. Seine Mutter ist geschlagen. die spanische Infantin Maria Ludovika. 1793 Er verlebt seine frühe Kindheit im 1804 mächtigen Palazzo Pitti. Die Revolution in Paris radikalisiert Napoleon krönt sich in Paris zum sich. König Ludwig XVI. wird enthaup- Kaiser der Franzosen. Johanns 14. Juli 1789 tet. Auch die Königin Marie Antoinette, Bruder Kaiser Franz II. begründet das In Paris bricht die Französische Revolu- Johanns Tante, endet vor der Volks- österreichische Kaisertum. tion aus. Sie rüttelt an der Herrschaft menge unter der Guillotine. der großen Fürsten. Aus Untertanen Ab den neunziger Jahren gibt es Krieg 1806 sollen freie Bürger werden. In Europa zwischen Frankreich und europäischen Franz II. legt in Wien die deutsche beginnt eine lange Periode von Unruhe K oa l i t ione n . E i n j u n ge r G e ne r a l s t e i g t w ie Kaiserkrone nieder und bleibt und Krieg. ein Meteor auf: Napoleon Bonaparte. als Franz I. Kaiser von Österreich.

Bild: Die Krönung Napoleons in Notre Dame (1804), Gemälde von Jacques-Louis David 48 steirische berichte 1-2 /09 grenzenlos.

3 Fo t o s : kk

1809 sammlung wählt in Frankfurt Erz- Österreich schließt nach einem verlore- herzog Johann in Abwesenheit zum nen Krieg Frieden mit Frankreich. Reichsverweser, das heißt zum vorläu- Johann sympathisiert jedoch mit Tirol, figen Inhaber der Zentralgewalt in der das sich gegen die Franzosen und ihre Erwartung, dass sich unter seinem bayrischen Vasallen, die dieses Land Vorsitz deutsche Einheit konstituie- besetzt halten, erhebt. Johann unter- ren möge. Ein unlösbares Vorhaben stützt den Aufstand, der nach anfäng- angesichts der auseinanderstrebenden lichen Erfolgen zusammenbricht und Interessen Preußens, anderer deutscher mit der Hinrichtung Andreas Hofers in Fürstentümer und des Vielvölkerreiches Mantua endet. Fürst Metternich der Habsburger, mit dem Hintergrund 1815 sozialer Spannungen zwischen Aris- 1809–1814 Der Wiener Kongress beendet ein tokratie, Bürgertum, Bauernstand und Territorien in Kärnten, im heutigen Vierteljahrhundert von Kriegen und aufsteigender Arbeiterschaft. Slowenien, in Kroatien und Italien bis Konflikten in Europa. Die Dynastien nach Triest werden als Illyrische Pro- können aufatmen, wenngleich die 1849 vinzen Teil des Französischen Empire. Ideen der französischen und engli- In die Steiermark heimgekehrt, wirkt Fünf Jahre lang grenzt die Steiermark schen Aufklärer weiterwirken. Johann Johann weiter in seinem Land und ist direkt an Frankreich. folgt diesen Visionen nicht politisch, sich nicht zu schade, auch als gewählter 1810 wohl aber ist er vom neuen Ideal des Bürgermeister in Stainz für das lokale Napoleon ist mehr oder weniger Herr Fortschritts überzeugt: „Unaufhör- Gemeinwesen zu wirken. über den Europäischen Kontinent. liches Fortschreiten ist das Ziel des In Wien verbietet der Kaiser seinem Einzelnen, jedes Staatsvereins, der 11. Mai 1859 Bruder Johann, das geliebte Land Tirol Menschheit.“ Erzherzog Johann stirbt in Graz in dem zu betreten, um nicht neue Schwierig- Jahrzehntelang leistet Johann in der von ihm errichteten Palais Meran. keiten mit Napoleon zu bekommen. Steiermark Großes als Gründer eines Ein Glück für die Steiermark – Johann für seine Zeit modernen Landes. Er holt wendet ihr sein Interesse zu. Im Zug sich Informationen in weiten Reisen, einer politischen Annäherung besonders aus dem England der frühen zwischen Wien und Paris heiratet Industriellen Revolution. Napoleon Johanns Nichte, Marie Louise Metternichs Polizei beobachtet miss- von Österreich, Tochter des Kaisers. trauisch Johanns Wirken. Er bleibt 1811 jedoch loyal und gehorsam gegenüber Erzherzog Johann stiftet seine Samm- seinem kaiserlichen Bruder, später auch lungen den Steirischen Landständen. gegenüber seinem Großneffen, Kaiser Das ist der Gründungsakt des Joanne- Franz Joseph. Er ist der Katholischen ums als einer Stätte von Wissenschaft Kirche verbunden. Zugleich wird sein und Forschung, die sich später in meh- Wirken aus zwei großen Zeitströmun- rere Richtungen verzweigt. Er beginnt gen verständlich: einerseits aus der sein Aufbauwerk in der Steiermark im Vernunft der Aufklärung, andererseits Sinne von Vorbildern in Frankreich haben seine Liebe zur Natur und seine und in England. Es geht um neue Bil- Zuneigung zum einfachen Volk auch dung, neue Technik, neue Wirtschaft. ihre Wurzeln in Rousseaus „Zurück zur Natur“ und in der Romantik. 1812 Das Mausoleum des Erzherzogs in Schenna, Es gibt wieder Krieg. Napoleon ist der 1848 Südtirol erste europäische Politiker, der an der Wieder bricht in Paris eine Revolution Illusion, Russland militärisch besiegen aus, die auf Europa, auch auf Wien 1869 und erobern zu können, scheitert. Sein übergreift. Politische Kräfte in Deutsch- Heimkehr in seine frühe Liebe Tirol. Stern beginnt zu sinken und geht land hoffen nach dem Vorbild der Überführung aus dem Mausoleum Graz schließlich in der Verbannung auf französischen Nation auf ein einiges zur Grabstätte in Schenna bei Meran. St. Helena unter. Deutsches Reich. Eine Nationalver- Kurt Jungwirth

1-2/09 steirische berichte 49 grenzenlos. Andreas Hofer Junge Stimmen zum „Freiheitshelden“ der Tiroler

Vor bald 200 Jahren, am 20. Februar 1810, starb Andreas Hofer, der Wirt am Sand aus Passeier. Er wurde auf Befehl Napoleons zum Tode verurteilt und in der Festung zu Mantua erschossen. Damit wurde ein endgültiger Schlussstrich unter die Aufstandsversuche der Tiroler gegen die napoleo- nisch-bayrische Fremdherrschaft gezogen. Für Jahre versank das Land in Depression und Armut. Der 14jährige Tobias aus der Mittelschule St. Leon- hard in Passeier, dem Heimatort Hofers, schreibt: Wir, als Passeierer sollten ihn nicht vergessen, er Kreidezeichnung ist unser Denkmal. von Placidus Altmutter Inspiriert durch die beginnenden offiziellen Feier- (1780–1819) Fo t o : kk lichkeiten zum 200jährigen Gedenkjahr an die Freiheitskämpfe der Tiroler widerspiegelt diese Aussage die Meinung vieler Jugendlicher. Keine Rechts: Andreas- Hofer-Gedenktafel andere historische Persönlichkeit im Lande ist von 1909 am ihnen mit seinem Namen und Aussehen so vertraut Goldenen Adler wie der Sandwirt Andre Hofer. in Innsbruck. Er war und ist der Inbegriff für die männliche Franz Raffl ist historisch belegt, wurde aber in be- Fo t o : Ja r i t z Tapferkeit, die bereit ist, auch in den Tod zu gehen, sonders moralisierender Weise in einen religiösen aber auch für die unkritische, gottesfürchtige, loyale Kontext gebracht. Dabei war die mentale Nähe Ergebenheit seinem „angestammten“ Kaiserhaus Hofers zur Jesusgestalt beabsichtigt. Die Betroffen- Österreich gegenüber. Dieser Wert der Treue der heit über dieses verwerfliche Tun verfehlt auch politischen und religiösen Institutionen gegenüber heute nicht ihre erzieherische Wirkung. ließ Hofer für die Tiroler Nation bis heute Die Gefahr einer unreflektierten Zuordnung zu Gut unsterblich werden. und Böse, wobei Hofer das unerreichbare und Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde makellos Gute versinnbildlicht, ist groß. Dadurch besonders dieser Wert herangezogen, um Hofer mit wurden der einhaltlosen Mystifizierung keine einem glorifizierenden Mythos zu umgeben, der ihn Grenzen gesetzt. Deshalb ist es heute an der Zeit, zum „wahren Tiroler“ hochstilisiert. ein objektives, historisches Bild von Hofer, seinen Im Gedenken an sein schicksalhaftes Leben ver- Mitstreitern und seiner Zeit zu vermitteln. fehlt er bis heute nicht seine Wirkung. Die Gefahr Im Heimattal Hofers ist die Ahnung über seinen der Vereinnahmung durch parteipolitisches, rechts- Charakter und seine Beweggründe lebendig und orientiertes, populistisches Gedankengut ist heute nachvollziehbar, weshalb es wie ein gutes Omen wieder sehr groß. anmutet, dass hier die wissenschaftlichen Impulse Besonders männliche Jugendliche auf der Suche mit der neu gestalteten Dauerausstellung „Helden& nach verbindender Gemeinschaft erliegen ihr leicht, Hofer“ im Museum Passeier aufgegriffen und denn das „gemeinsame harte Schicksal“ – für wel- umgesetzt werden. Die Ausstellungseröffnung fand ches „unser Hofer“ steht – schweißt zusammen. am 21. Februar 2009 statt. So zeigt sich unter den Jugendlichen ein indif- Ein objektiveres Geschichtsbild in Bezug auf das ferentes Bild über den Helden. Das historische Jahr 1809 und seinen „Helden“ tut Not, um ihm nach Faktenwissen ist sehr oberflächlich und beschränkt 200 Jahren Verzerrung die ihm gebührende objek- sich oft auf verzerrende, unreflektierte Episoden tive, persönliche Erinnerung zukommen zu lassen. aus Hofers Leben. So kann auch bei den Jugendlichen wieder Interesse an seiner Person und seiner Zeit geweckt werden. Verrat Hofers Die 13jährige Sandra meint: Ich finde es schön, dass zum 200jährigen Jubiläum so viel von ihm geredet Eine besondere emotionale Betroffenheit löst auch wird, obwohl es mich nicht so viel interessiert. Aber bei den Jugendlichen der Verrat Hofers durch einen vergessen sollte man ihn nicht. In der Schule soll „unguten“ Landsmann aus. Die Gestalt des Verräters man schon etwas von ihm gelernt bekommen.

50 steirische berichte 1-2 /09 Glorifizierendes Bild für sein Land Tirol begeistern. Durch den jungen grenzenlos. Erzherzog Johann an ihn herangetragen, wurde er Das unwirkliche, glorifizierende Bild Hofers trug in zu dessen politischem Instrument. Er war der füh- den letzten Jahrzehnten in intellektuellen Kreisen rende Kopf, der die Aufstandspläne im Geheimen und auch in der Schule dazu bei, ihn durch Verdrän- unter die Leute brachte, der die Tiroler Schützen gen zu vergessen. Der aufdringliche Anachronismus als ernannter Oberkommandant in die Schlachten rief nicht selten eine abweisende, peinliche Beschä- führte und der für zwei Monate die Landesregent- mung hervor. schaft in der Innsbrucker Hofburg übernahm. So verlor sich auch das Wissen um Hofers 41 Le- Er war eine gute und überzeugende Wahl für das bensjahre vor dem Aufstandsjahr 1809, welches Land gewesen. Mit seinem einfachen ohnehin nur spärlich historisch belegbar ist. Einen und ehrlichen Wesen verkannte er wichtigen Beitrag dazu wird die vom jungen Histo- im Herbst des Jahres 1809 nun aber riker Andreas Oberhofer verfasste Biografie leisten. die kriegspolitische Realität Europas, Damit kann allmählich auch im Geschichteunter- zumal Tirol darüber durch die öster- richt ein Umdenken zu Gunsten unseres „armen reichische Regierung in Wien lange Helden“ geschehen. Zeit im Unklaren gelassen wurde Denn ob wir es wollen oder nicht, Hofer bleibt eine (Friedensschluss vom 14. Oktober in höchst politische Identifikationsfigur im Lande, die Schönbrunn). auch weiterhin zur trennenden Polarisation der In seinem Bestreben, es allen recht Gesellschaft im dreisprachigen Südtirol oder zum machen zu wollen, ließ er sich durch radikale und Andreas Hofers gemeinschaftlichen Verständnis der sozialen, wirt- starrköpfige Gruppen zu Fehlentscheidungen ver- Erschießung am 20. Februar 1810 schaftlichen und politischen Beweggründe aller leiten. Im zu späten Erkennen derselben entschied in Mantua in Beteiligten der damaligen Zeit, wie auch heute, er, die gottergebene Buße für sein Tun auf sich zu Oberitalien, beitragen kann. nehmen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. nachdem er auf Wissen schafft Interesse bei den Jugendlichen, und Trotz allem hoffte er bis zum Ende auf eine unwirk- der Pfandleralm in Südtirol gefangen so glaubt auch Lisa: Wenn ich vielleicht mehr wüss- liche Hilfe von seinem Kaiser Franz. genommen te, einen Film gesehen oder Bücher gelesen hätte, worden war. würde mich sein Leben mehr interessieren! Zuviele Opfer Fo t o : kk Hofer war 1767 am Sandhof geboren worden, verlor früh seine Mutter und den Vater, lernte leidlich lesen Nachdem die letzten Kämpfe im Passeiertal blutig zu und schreiben und übernahm, nachdem er Anna Ende gegangen waren und das Tal endgültig mit Ladurner aus Algund geheiratet hatte, als einziger französischen Truppen besetzt wurde, floh er bis zu Sohn das Wirtshaus am Sand. Zuvor hatte er, wie seiner Verhaftung am 29. Jänner 1810 auf die Pfand- in Bürgersfamilien in Tirol üblich, einige Jahre als ler Alm, nicht weit von seinem Sandhof entfernt. Lehrjunge am italienischen Nonsberg verbracht So hat Hofer dazu beigetragen, die Kampfhandlun- und lernte dabei die italienische Umgangssprache gen seiner Tiroler unnötig zu verlängern, wodurch und Sitten. Dieses Wissen kam Hofer als Wein- und die Zahl der Toten um ein Vielfaches anstieg. Viehhändler, der rastlos viel im ganzen Lande un- All zu oft wird auch heute noch diese Endphase des terwegs war, sehr zugute. Aufstandsjahres als tapferer Freiheits- und Verteidi- Dieses historisch-biografische Wissen, von den gungskampf der Tiroler dargestellt und die Sinn- Italienischlehrerinnen aufgegriffen und in den losigkeit jeder kriegerischen Auseinandersetzung Unterricht eingebaut, blieb bei den Jugendlichen in mit dem damit verbundenen menschlichen Elend lebendiger Erinnerung. Es widerspiegelt eine real- nicht wahrgenommen. wirtschaftliche, soziale Offenheit unseres „Helden“, Er hat für sein Land gekämpft, deswegen ist er welche ihm im Hinblick auf seine deutschnationale auch so bekannt, schreibt David. Judith meint: Vereinnahmung nicht zugestanden worden wäre. Ich weiß nicht ganz genau, ob er es war, der das Es kann einen kleinen Beitrag zu einer etwas gelös- Herz-Jesu-Feuer erfunden hat, damit Gott ihm teren Haltung vieler Jugendlicher im Erlernen der hilft, den Kampf gegen Napoleon zu gewinnen. zweiten Landessprache leisten. Die Zerrbilder seiner Heldengestalt zu hinterfragen, Hofer, Vater von fünf Kindern, war ein leutseliger wird die Aufgabe der Zukunft sein. Damit er zu und gottesfürchtiger Mann mit einem imposanten einer identitätstiftenden Gestalt für junge Menschen Äußeren, der es mit seinem charismatischen Wesen werden kann und Tobias sagen kann: Ich freue verstand, seine Landsleute zu begeistern. Er bekam mich, dass es ihn gegeben hat, damit Passeier auch mit ihnen den wirtschaftlich-politischen Nieder- einmal bekannt wird. gang des Landes in der bayrischen Verwaltungszeit Monika Mader zu spüren. Wagemutig, und auf die Hilfe des öster- Weiterführende Informationen zum Andreas-Hofer- reichischen Kaisers vertrauend, ließ er sich von Gedenkjahr 1809-2009: den schwärmerischen Ideen des Freiheitskampfes www.museum.passeier.it, www.1809-2009.eu

1-2/09 steirische berichte 51 grenzenlos. Der Zufall machte ihn zum Prinzen der Steirer

Weit über die grüne Mark hinaus weiß man um die Verdienste des Erzherzogs für sein geliebtes Steirerland, doch weniger bekannt ist der von Zufällen geprägte Weg zu dieser ungewöhnlichen Liebe.

strenge Schule seines um 14 Jahre älteren Bruders Franz kennen, der zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Er ließ seine jüngeren Geschwister unter- richten; Strenge statt Zuwendung und Liebe standen nun an der Tagesordnung. Graf Mottet, ein gebürtiger Schweizer, weckte in Erzherzog Johann die Liebe zu den Naturwissen- schaften, aber auch Geschichte und Geografie waren seine Lieblingsfächer. Mit Johannes von Müller, einem Schweizer Historiker, bahnte sich eine enge Freundschaft an. Früh wurde bereits der Grundstein für die Naturverbundenheit und das Interesse am Leben der einfachen Menschen gelegt. Die aufgeklärten Ideen, die Johann aus Florenz mit- gebracht hatte, hatten keinen Platz am Wiener Hof, Blick über Florenz, Johann Baptist von Habsburg-Lothringen, besser denn seine Ausbildung war vor allem auf die eine Stadt am Fluss bekannt als Erzherzog Johann von Österreich oder militärische Ebene fixiert. Sein Bruder, Kaiser Arno, die für ihre Kunst und als „steirischer Prinz“, erblickte am 20. Jänner 1782 Franz, war von der französischen Revolution 1789 Kultur bekannt ist. im Palazzo Pitti in Florenz das Licht der Welt. Sein geschockt und versuchte, das Land durch die Fo t o : kk Vater, der Großherzog Leopold von Toskana, war Wirren der Napoleonischen Kriege zu führen. Die ein Sohn Maria Theresias. Maria Ludovica von Bevölkerung erlebte dies durch strenge Zensur und Bourbon-Parma, seine Mutter, war die Tochter Eingriffe in das Privatleben. König Karls III. von Spanien, und schenkte 16 Mit 18 Jahren übertrug der Kaiser seinem jüngeren Kindern das Leben. Johann war das 13. Kind der Bruder die Aufgaben eines Armeekommandanten. beiden. Seinen Namen verdankte Johann dem Dieser kaum gewachsen, verlor Österreich die Stadtpatron von Florenz, Johannes dem Täufer. Die Schlacht bei Hohenlinden in Bayern (1800). Die Taufpaten waren ein armer Florentiner Bürger und Schuld wurde Johann gegeben, obwohl er nur ein Kapuzinermönch. formell den Oberbefehl hatte. Seine Kindheit verbrachte Johann teilweise auf den Der militärische Unglücksfall mündete 1801 in Lustschlössern der Familie in der Toskana und im Johanns Ernennung zum „Generaldirekteur des Palazzo Pitti, unweit der herrlichen Boboli-Gärten. österreichischen Fortifications- und Geniewesens“. Somit stellte die Natur schon von Kindesbeinen In dieser Funktion konnte er das Land bereisen und an ein wichtiges Element im Leben des späteren Leute und Natur studieren, wonach er schon immer Erzherzogs dar. gestrebt hatte. Er wollte in Tirol seine Ideen, die auf dem Regierungskonzept seines Vaters aufbauten, Die Jugendjahre des Prinzen verwirklichen. Doch wieder kam es anders, Johann unterstützte Andreas Hofer im Freiheitskampf um Erst im Alter von fünf Jahren erlernte Johann die Tirol. In der Schlacht bei Wagram erlitt Österreich deutsche Sprache, bis dahin sprach er Italienisch 1809 jedoch eine entscheidende Niederlage gegen und Französisch. Mit sechs Jahren erhielt er von Napoleon, und der Friede von Schönbrunn, samt unterschiedlichen Personen Unterricht. Neben Verlust Tirols und Übergabe des Grazer Schloss- Pädagogen übernahmen auch frühere Heeresan- bergs an die Franzosen, wurde geschlossen. gehörige die Erziehung des Prinzen und gaben ihm Erzherzog Johann wurde an dieser Niederlage Einblicke in naturwissenschaftliche und physika- Mitschuld gegeben, und sein Bruder verbot ihm lische Bereiche. nach der Hinrichtung Andreas Hofers im Jahr Mit dem Tod Kaiser Josephs II. übernahm Johanns darauf, jemals wieder Tirol zu bereisen. Einmal Vater Leopold 1790 die Kaiserkrone, und die Familie noch wollte Johann gegen Napoleon auftreten und musste nach Wien übersiedeln. Bald darauf starben Österreich und die Schweiz zu einem „Alpenbund“ Johanns Eltern, und der junge Erzherzog lernte die zusammenspannen, um gegen Napoleon zu kämp-

52 steirische berichte 1-2 /09 fen. Doch sein Plan flog auf, er wurde beschuldigt, grenzenlos. ein „Königreich Rätien“ gründen zu wollen, und daraufhin verurteilt. Nach dieser erneuten Nieder- lage zog er sich endgültig aus allen militärischen Das Radwerk IV in Angelegenheiten zurück und widmete sich fortan Vordernberg am Fuß des Präbichl in den der Steiermark, die er aufgrund seiner zahlreichen Eisenerzer Alpen Reisen während des Aufbaus der Landwehr kennen dient heute als gelernt hatte. Bereits 1805 hatte er einen Landsitz Museum und ist der in Thernberg in der Buckligen Welt erworben, dort einzige noch vollaus- Die beiden hatten einen Sohn, Franz Ludwig Johann gestattete konnte er nun seinen Studien nachgehen. Baptist, der 1839 zur Welt kam und 1845 als Graf Holzkohlenhochofen von Meran geadelt wurde. Johannes Müller hatte Österreichs. Voller neuer Ideen für die Fo t o : Ma r k t g e m e i n d e Erzherzog Johann seinerzeit auf das Leben der ein- Vo r d e r n b e r g Steiermark fachen Bevölkerung aufmerksam gemacht. Johann gab von 1810 bis 1840 eine Studie in Auftrag, in Ursprünglich wollte Erzherzog Johann seine natur- der er die Verhältnisse der steirischen Bevölkerung wissenschaftlichen Sammlungen und Aufzeichnun- untersuchen ließ. Über ausgeschickte Fragebögen gen der Innsbrucker Universität überlassen, doch wollte er Einblick in Dinge wie Aberglaube, Brauch- die angesprochenen militärischen und politischen tum bei Taufen, Heirat, Tod, Rebsorten, Dienstboten- Wendungen zwangen ihn, sich neu zu orientieren. lohn, Kost, Wohnhaus, Stall und Wirtschaftsge- Er erkannte, dass es in der Steiermark, genauer bäude gewinnen. Pfarrer, Ärzte oder Herrschafts- gesagt in Graz, lediglich ein Lyzeum, eine höhere verwalter nahmen sich dieser Befragung an, die zu Schule zur Ausbildung von Staatsbeamten, gab und jener Zeit als einmalig galt. Das Tragen des Steirer- widmete sich ab nun der Bildung und Ausbildung anzugs, der heute mehr Beliebtheit denn je genießt, in der Steiermark. Er sprach mit dem Kaiser über drückte die Verbundenheit des Prinzen mit der die Idee, dem Lyzeum in Graz seine Sammlungen steirischen Bevölkerung aus. zu schenken und war davon besessen, ein eigenes Noch einmal, während der großen Revolution Institut zu gründen. 1811 wurde eine Schenkungs- des Jahres 1848, wurde Erzherzog Johann in die urkunde ausgestellt, und die ersten Kuratoren des Ereignisse der Weltgeschichte verstrickt. Nachdem Museums Joanneum traten ihr Amt an. der beliebte Habsburger kurze Zeit die Übergangs- Nachdem es 1815 zur endgültigen Niederlage regierung in Wien geleitet hatte, wurde er wegen Napoleons gekommen war, reiste Johann mit seiner liberalen Anschauungen von der in Frank- seinem Bruder Ludwig nach England und konnte furt neu einberufenen Nationalversammlung zum dort die Erneuerungen der industriellen Revolution Deutschen Reichsverweser gewählt. Doch schon eingehend studieren. Heimgekommen mit einem 1849 legte Johann dieses Amt nieder, um in „seine“ Rucksack voller neuer Ideen, wollte er Industrie und Steiermark zurückzukehren. Landwirtschaft durch eine verbesserte Ausbildung Am 11. Mai 1859 starb Erzherzog Johann 78jährig der Bevölkerung fördern. in seinem Palais in Graz, dem heutigen Palais 1816 kehrte Erzherzog Johann nach Graz zurück. Meran. Er wurde im Mausoleum in Graz beigesetzt, Auf einer seiner zahlreichen Wanderungen durch 1869 überführte man den Leichnam jedoch nach das Salzkammergut lernte er 1819 Anna Plochl, Schenna (Südtirol). Auch seine 1885 verstorbene Tochter eines Ausseer Postmeisters kennen. In den Gattin und sein Sohn Franz mit seiner Frau folgenden Jahren trafen die beiden einander immer Theresia fanden dort ihre letzten Ruhestätten. wieder zufällig bei festlichen Anlässen und lernten Rückblickend betrachtet waren es seine nicht gerade sich so kennen und lieben. Anna musste nach dem erfolgreichen Verstrickungen in die damaligen Tod ihrer Mutter den Haushalt führen, und so Ereignisse der Weltgeschichte, die Johann zum konnten sich die Liebenden immer nur zu Besuchen Glücksfall für die Steiermark werden ließen, wo er des Prinzen im Ausseerland treffen. Im August letztlich auch seine wirkliche Berufung und sein 1822 verlobten sich die beiden auf der Ennsbrücke persönliches Glück fand. bei Irdning. 1822 kaufte der Prinz ein Radwerk in Patrizia D’Alessandro Vordernberg und war damit Radmeister geworden. Verwendete Literatur (Auszug): Er holte Anna als Wirtschafterin ins Vordernberger Lieselotte Jontes, Erzherzog Johann von Österreich Radmeisterhaus. Nach anfänglichem Missfallen des (1782–1859). Zum 225. Geburtstag des Steirischen Prinzen (= Universitätsbibliothek der Montanuniversität Leoben. Kaisers gegen eine Heirat fand im Februar 1829 die Ausstellungskataloge 11), Leoben 2007. kirchliche Hochzeit in der Kapelle des sich seit 1818 Anton L. Schuller, Erzherzog Johann … und was von ihm blieb. im Besitz des Prinzen befindlichen Brandhofes bei Graz 1981. Mariazell statt. 1834 wurde Anna zur Freifrau von Viktor Theiss, Erzherzog Johann. Der steirische Prinz. Brandhofen und 1850 von Kaiser Franz Joseph zur Zweite, erweiterte Auflage herausgegeben von Gräfin von Meran erhoben. Grete Klingenstein, Wien 1981.

1-2/09 steirische berichte 53 grenzenlos. Vier Frauen und ein Zugereister

„Wat kieckst’n so?“ Man wurde nicht der Österreicher gegenüber den Deut- ausdrückte. Nach seinem damaligen alle Tage mitten auf dem Grazer Haupt- schen zu sprechen kamen und ihn schön Fauxpas, als er, ganz wie der Berliner platz von einer echten Berliner Schnauze auf Distanz hielten, manche Ressenti- eben, die vier Frauenfiguren für die Mu- angesprochen, und so dauerte es einen ments saßen eben tief. Bernhard ver- sen des Erzherzogs gehalten hatte, hatte Moment, bis Bernhard Löffler merkte, zichtete darauf, mit gleichen Geschüt- Bernhard die Geschichte seiner Wahl- dass er gemeint war. Er hatte den Mann zen, sprich Vorurteilen, aufzufahren, heimat aufmerksam studiert, war aber mit dem sympathischen Bierbauch wohl obwohl ihm da gleich einmal ein paar nie ganz vertraut mit ihr geworden. ein bisschen zu offensichtlich – und eingefallen wären. Es machte eben doch einen Unterschied, zu amüsiert – angestarrt. Dessen laute Der Blick des Berliners verfinsterte sich, ob man mit der Geschichte eines Landes Bemerkung über die Frauenfiguren, die denn Bernhard starrte immer noch. Er aufgewachsen war oder nur über sie das Denkmal des Erzherzogs Johann wollte nicht übertreiben, andere gelesen hatte. Im Gespräch mit seinen umringten („gleech vier Frauen auf mochten Grund zur Klage haben, er Freunden merkte er immer wieder, dass eenmal, na, dat hätt’ ick ooch jerne!“), ganz sicher nicht. Er fühlte sich wirk- sie im Grunde über verschiedene Dinge hatte ihn an seine ersten Tage in Graz lich, wirklich wohl in Österreich. Die redeten, denn Bernhards Assoziationen erinnert, als er, der frisch zugereiste Angebote seines früheren Arbeitgebers, waren oft ganz andere als die seiner „Piefke“, den gleichen Anfängerfehler wieder zurück nach Deutschland zu Freunde: Redete man über Bruno gemacht hatte. Bereitwillig hatte ihn ein kommen, lockten ihn nicht. Wer die Kreisky, kam ihm Willy Brandt in den freundlicher Grazer belehrt, dass die schönen Seiten Österreichs kennen Sinn, sprach man über Staatsvertrag und Frauen die vier Flüsse symbolisierten, gelernt hatte, trennte sich schwer. Die Neutralität, dachte er an Wiederbewaff- die zu Zeiten des Erzherzogs durch das Landschaft (wenngleich es davon in nung. Für ihn war der Beginn der Herr- damalige Territorium der Steiermark Deutschland natürlich auch reichlich schaft der Nationalsozialisten Machter- geflossen seien, nur zwei davon seien gab), der Charme, die vielgerühmte greifung und nicht Anschluss. Er wusste, auch heute noch steirisch. Damals Gemütlichkeit – ja, die Österreicher wer die Weimarer Republik ausgerufen hatten ihm diese geographischen Erläu- lebten um einiges entspannter, das hatte, aber wenig über Karl Renner, terungen natürlich nichts gesagt, und Klima war weniger rau, weniger hek- und obwohl Johann als Reichsverweser auch der Erzherzog war ihm kein Begriff tisch, man war, auch wenn man es der ersten gesamtdeutschen National- gewesen, aber inzwischen war er bes- partout nicht wahrhaben wollte, um versammlung auch in deutschen Ge- tens, um nicht zu sagen voll informiert. einiges zufriedener. schichtsbüchern auftauchte, war ihm „Wat kieckst’n so?“ Bernhard zuckte „Warum schauen Sie so?“ Um astreines der Erzherzog in diesem Zusammenhang zusammen, als er merkte, dass er die Hochdeutsch bemüht, formulierte der doch eher Fußnote als Begriff. Berliner Schnauze immer noch anstarr- Berliner die Frage neu, denn es konnte Gerade bestieg der Mann aus Berlin te und diese das gar nicht mehr lustig ja sein, dass Bernhard ihn nicht verstan- eine Straßenbahn, die ihn zur nächsten fand. Seit mehr als zehn Jahren lebte den hatte. Weshalb war ihm der Tourist Grazer Sehenswürdigkeit bringen sollte. er nun schon in Graz, hatte gut Fuß noch einmal aufgefallen? Ach ja, der Der österreichischen Geschichte nahm gefasst und auch die eine oder andere Erzherzog und die Frauen. Die Steirer es nichts von ihrer Bedeutung, dass sie Eigenart der Österreicher angenommen mochten ihn wirklich, ihren Johann, Bernhard immer ein bisschen fremd (ausschließlich des Dialektes, der ihm und hatten auch allen Grund stolz auf geblieben war, und auch ihn hatte es nur bedingt von den Lippen kam), und ihn zu sein. Seine nahezu rastlose Ge- nicht daran gehindert, sich hier schön er fragte sich, wie er damals wohl auf schäftigkeit und sein Grenzgängertum, langsam zu verwurzeln. Wen störte es andere gewirkt haben mochte. Auch so mit dem er sich über alle Konventionen also, wenn ein Tourist nur schaute und forsch? Gerade in den ersten Jahren hinweg gesetzt hatte, imponierten – und genoss, aber nicht wirklich wusste, wo- hatte es öfter mal geheißen, er müsse das ganz besonders in Zeiten, in denen rauf er da blickte? Als die Straßenbahn wohl ein Deutscher sein, wenn er, etwa man mit den – drücken wir es vorsich- anfuhr, jodelte er der Berliner Schnauze bei einem Behördengang oder auch nur tig aus – Irrungen der Politik nicht ganz im Geiste noch ein „Wo i’ geh’ und steh’“ an der Wursttheke einen Drängler da- so glücklich war. hinterher – und als der Berliner sich tat- rauf aufmerksam gemacht hatte, dass er Die Berliner Schnauze schüttelte jetzt sächlich noch einmal zu ihm umdrehte, nun an der Reihe sei – die Deutschen, so den Kopf und wandte sich ab, erfreu- rief er (in nicht ganz perfektem Dialekt): hatte er erfahren, bestünden ja gerne licherweise war der Mann nicht „auf „Na, da schaust!“ auf ihrem Recht. Ab und zu traf er auf Krawall gebürstet“, wie man das in Menschen, die sofort auf die Vorzüge Deutschland umgangssprachlich gerne Corinna Steinert

54 steirische berichte 1-2 /09 Fo t o : Su p p a n Der steirische Prinz

Zitate: 4.b-Klasse der Volksschule Viktor Kaplan in Graz Andritz