D e r W e p r e u ß e Begegnungen mit einer UNSER europäischen Kulturregion DANZIG 69. Jahrgang Heft 3 März 2017 € 6 (D) 8 zł (PL)

EMIL VON BEHRING – ein Nobelpreisträger aus Hansdorf im Kreis Rosenberg

DAS »MERKEL-HAUS« Die westpreußischen Wurzeln einer deutschen Politikerin Aus dem Inhalt

FORUM 3 vorab 3 Damals war's

4 vorgestellt Słodownik Lech 5 Auf ein Wort Foto: Foto:

POLITIK UND GESELLSCHAFT 6 Geschichtspolitik per Gesetz? 7 Bestand KIRCHLICHER SUCHDIENST im Bundesarchiv in Bayreuth nutzbar 7 Nachrichten

PANORAMA 8 Das »Merkel-Haus« in Elbing 10 Notizen aus Danzig, Elbing, Marienburg, Kulm, Thorn und Emil Drange und 13 Kultur-Informationen aus dem »Land am Meer« das „Leiermannhaus“ 

GESCHICHTE UND KULTUR 14 Emil von Behring – Wissenschaftler, Nobelpreisträger, Unternehmensgründer 20 Die Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule in Elbing 21 hörens-, sehens- und wissenswert Die Kaiserin-Auguste- Viktoria-Schule in Elbing  KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN 22 Museum in Krockow : Jerzy Bahr 22 WLM: Veranstaltungshinweis 22 Blick über den Zaun

RUBRIKEN 2 Impressum © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg Philipps-Universität © Behring-Nachlass, 5 Leserpost 23 TV-Tipps und Anzeigen Dem „Retter der Kinder“ 24 Zum guten Schluss zum . Todestag  Foto: H.-J. Schuch

IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: Redaktionelle Mitarbeit an den Landsmannschaftlichen Nachrichten: Sibylle Dreher Landsmannschaft Westpreußen e. V. ([email protected]) und Heidrun Ratza-Potrÿkus – Bundesorganisation – ([email protected]) Mühlendamm 1, 48167 Münster-Wolbeck Telefon 02506/3057-50, Fax 02506/3057-61 Verlagsleiter: Armin Fenske Verlags- und Redaktionsadresse: Der Westpreuße Postbank : IBAN DE13200100200150957204 48167 Münster-Wolbeck, Mühlendamm 1 BIC PBNKDEFF oder Telefon 02506/3057-50, Fax 02506/3057-61 Sparkasse Münsterland Ost, Münster: [email protected] IBAN DE59400501500034024851 www.der-westpreusse.de BIC WELADED1MST erscheint einmal im Monat. Der Bezugs- Redaktionssekretariat, Abonnementverwaltung und Der We preuße preis beträgt vierteljährlich € 18,– und im Ausland jährlich Anzeigenannahme: Karin Miethe und Esther Lüchtefeld € 86,40. Die MwSt. ist mit 7% enthalten. Bestellungen beim ([email protected]) Verlag. Der Bezug kann nur mit einer Frist von mindestens Titelbild Emil von Behring nach einem Gemälde Leiter des Redaktionsteams: Ulrich Bonk drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. Bei ([email protected]) Nicht belieferung bestehen im Fall höherer Gewalt keine von Friedrich Klein-Chevalier () Redaktionelle Mitarbeit: Prof. Dr. Erik Fischer Ansprüche gegen den Verlag. Mit Namen oder Kürzeln © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg (e. [email protected]) gezeichnete Artikel geben nicht in jedem Falle die Meinung Ressorts Forum sowie Politik und Gesellschaft: des Verlages oder der Redaktion wieder. Nachdruck nur mit Passwörter für die digitalen Fassungen Tilman Asmus Fischer (t. [email protected]) Genehmigung des Verlages. – Zurzeit gelten die beiden Anzeigenpreis listen Nr. 1. der letzten drei Westpreußen-Ausgaben Korrespondentinnen und Korrespondenten : Peter Neumann (Troisdorf ) für Danzig, Piotr Olecki (Toruń) Januar  : heft---edr Satz, Layout und Bildbearbeitung: Dirk Kohlhaas, Bonn für Thorn und Kujawien-Pommern, Bodo Rückert (Köln) Herstellung und Verlagsauslieferung: Lensing Druck Februar  : heft---waw für Marienburg, Lech Słodownik (Elbląg) für Elbing und GmbH& Co. KG, Westenhellweg 86–88, 44137 Dortmund März  : heft---evb Joanna Szkolnicka (Elbląg) für die »Kultur-Informationen« ISSN: 0043-4418, Auflage: 1.500 Exemplare

2 Der We preuße 3/2017 FORUM

cher – Positionen abdecken : von zustimmen- Darüber hinaus möchten wir der vor- vorab den und ermutigenden Worten bis zu Briefen, liegenden Ausgabe noch eine Anmerkung in denen kritische und tiefgreifende Überle- vorausschicken. Zum ersten Male weichen gungen angestellt werden. Sie zielen zuweilen wir im Format der Hauptartikel von unse- auf grundsätzliche Fragen nach den  emen, rer bisherigen Norm von höchstens vier Zei- die eine Zeitung wie Der We preuße – Unser tungsseiten ab : Für den Beitrag über Emil Liebe Leserinnen, liebe Leser, Danzig regelmäßig anbieten oder im Umkehr- von Behring haben wir sechs Seiten für ein schluss gerade grundsätzlich nicht berücksich- einziges  ema reserviert. Der Grund liegt in der letzten Ausgabe haben wir an dieser tigen sollte, oder nach spezi schen Sichtwei- darin, dass wir zu unserer großen Freude die Stelle von einem Artikel gesprochen, der im sen, von denen teilweise erwartet wird, dass Leiterin des von der Deutschen Forschungs- November  erschienen war und durch sie viel »parteiischer« sein könnten – oder so- gemeinscha geförderten und an der Univer- den wir einerseits einen zusätzlichen Abon- gar gleich ganz auf »politische Korrektheit« sität Marburg beheimateten Projekts Emil von nenten hinzugewonnen haben, der anderer- verzichten müssten. Behring (–). Person, Wissenscha ler, seits aber auch eine seit Jahren treue Leserin Aus diesen Korrespondenzen gewinnen wir Unternehmer (Behring-Biographie) als Auto- veranlasst hat, umgehend den Westpreußen eine Fülle von wichtigen Informationen für rin gewinnen konnten und deshalb die selte- abzubestellen. Aus dieser Erfahrung heraus unsere weitere Arbeit, und wir möchten auch ne Chance nutzen wollten, Ihnen in größerer hatten wir Sie darum gebeten, gerade auch andere bitten, sich doch ebenfalls an diesen Zahl noch unbekannte Dokumente aus dem bei Artikeln, die kontrovers aufgenommen Debatten zu beteiligen. Wir wären sehr froh, Behring-Archiv – sowie die prächtige Nobel- werden, Ihre Meinung zu äußern und mit wenn wir gelegentlich aufgrund eines noch preis-Urkunde – bieten zu können. Wir hof- uns in einen Dialog einzutreten. größeren Meinungsspektrums ein »Pro & fen, dass diese Entscheidung auch in Ihrem Diese Anregung ist auf fruchtbaren Boden Contra« zusammenstellen könnten, um die Sinne gewesen ist. gefallen. Wir haben mehrere Zuschri en er- verschiedenen Erwartungen transparent zu halten, die eine erfreulich große Spannbreite machen und die Diskussion ö entlich weiter- Die DW-Redaktion unterschiedlicher – und durchaus gegensätzli- zuführen. Wir sind gespannt !

Liebe Leserinnen und Leser, wie war das damals vor 60 Jahren? Bei einigen von Ihnen werden Erinne- Damals war's rungen an die 1950er Jahre wach – für andere eröffnet der Blick in die Vergangenheit neue Perspektiven. Daher geben wir an dieser Stelle monatlich exemplarische Artikel aus dem Westpreußen vor 60 Jahren wieder – nun also aus einer März-Ausgabe des Jahres 1957.

M MÄRZ  BEWEGTE EIN ABKOMMEN zurückliegenden Entwicklungen ein deut- zwischen der Volksrepublik Polen und liches politisches Signal setzte : Die Mani- der Sowjetunion die Gemüter der deut- festierung der in Anspruch genommenen schen Heimatvertriebenen. Den Grad Zugehörigkeit der deutschen Ostgebiete zu dieser Erregung lässt die nebenstehende den beiden Bruderstaaten des Warschauer I„Kurznachricht“ erkennen, deren Rhetorik Paktes. mehrfach die Grenze zwischen Meldung Dass dem Vertrag zudem innerhalb des und Kommentar überschreitet. Den Hinter- kommunistischen Lagers symbolpolitische grund bildete das „in seiner Gesamtheit von Bedeutung zukam, deutet die Kurznach- den Vertriebenen ohnehin abgelehnt[e]“ richt gleichfalls an. Die hier getroff ene Potsdamer Abkommen der alliierten Sie- Regelung vermochte zugleich, der polni- germächte von , das die Oder-Nei- schen Öff entlichkeit – in der es  landes- ße-Gebiete unter polnische bzw. sowje- weit zu Protesten gegen die kommunistische tische Verwaltung stellte, die Frage einer Regierung gekommen war – gemeinsame abschließenden Grenzziehung oder gar territoriale Interessen Moskaus und War- Abtretung der Ostprovinzen jedoch dezi- schaus plausibel zu machen. In der dama- diert off en hielt. ligen Zeit innenpolitischer Schwäche war Bereits  hatte die Sowjetunion es in der Volksrepublik Anfang der er begonnen, mit der Eingliederung Nord- Jahre sogar zu einer offi ziellen Anerken- Ostpreußens in die Russische Sozialisti- nung einer deutschen Minderheit gekom- sche Föderative Sowjetrepublik Fakten zu men – zu politisch motivierten „kleinen schaff en und die vorläufi gen Potsdamer Geschenken“, die in dem Text erwähnt wer- Regelungen auf Dauer zu stellen. Das  den. Nachdem die Regierung jedoch wie- diskutierte Abkommen sollte nun den Ver- der erstarkte, leugnete Warschau bald dar- lauf der Demarkationslinie zwischen dem auf erneut die Existenz einer deutschen sowjetisch und dem polnisch verwalteten Volksgruppe. Diese Entwicklung könnte der Teil Ostpreußens klären und festschreiben. Verfasser sogar vorausgeahnt haben, als er Dies war ein Vorgang, der zwar auch unter mahnend auf das Schicksal dieses Perso- den Voraussetzungen einer Fremdverwal- nenkreises hinwies. tung Ostpreußens von praktischem Nutzen war, der jedoch vor dem Hintergrund der

Der We preuße 3/2017 3  P    – vor allem auch touristisch – als Land der vorgestellt Ordensburgen großer Beliebtheit. Seine dabei o übersehene Bedeutung für die Weh- rarchitektur jüngerer Epochen ru der Katalog über Befestigungen zwischen Weichsel Kulturzentrum Ostpreußen (Hg.) undD Memel –  in Erinnerung, der eine gleichnamige Ausstellung des Kulturzentrums Historia w kamieniu i betonie. Ostpreußen dokumentiert. Nach einem knappen historischen Abriss über die Geschichte des Fortyfikacje między Wisła a Festungsbaus in den östlichen Provinzen Preußens gibt das Buch einen Überblick über die Niemnem – / jeweiligen Festungen und sonstigen Befestigungen in West- und Ostpreußen. Den Abschnitten Geschichte aus Stein und Beton. sind jeweils kurze Einführungen zu den Spezi ka der Befestigungstypen vorangestellt. Für den Befestigungen zwischen Weichsel westpreußischen Raum dokumentiert der Katalog die Festungen Danzig, Marienburg, Grau- und Memel –  denz,  orn, die Feste »Weichselmünde«, die Forti kationen der Stadt Elbing, die Brücken- Ellingen ,  Seiten mit farbigen köpfe Dirschau, Münsterwalde, Culm und Fordon sowie die »Weichselbatterien«. Sehr hilf- Abbildungen € 8,– reich ist – gerade für den militärgeschichtlichen Laien – das Glossar sowie – für Leser, die an zu beziehen über das Kulturzentrum tiefer gehenden Informationen interessiert sind – das Literaturverzeichnis. Da das Buch selbst Ostpreußen (www.kulturzentrum- eher schlaglichtartig die wichtigsten Fakten vermittelt, ist eine solche ergänzende Lektüre zu ostpreussen.de). empfehlen. Auch wenn man sich bisweilen mehr Kontext informationen wünschte, bietet das Buch doch durchaus erste wichtige Einblicke in den  emenbereich west- und ostpreußischer Wehrarchitektur. Tilman A. Fischer

Erich R. Andersen       J  hat die Auseinandersetzung mit den Schicksalen und Kriegsjunge Hänners Erfahrungen der Kriegskinder- und Kriegsenkelgeneration einen reichen publizistischen Kriegskindbilder Ertrag hervorgebracht – von autobiogra schen Texten bis hin zu wissenscha lichen ,  Seiten mit farbigen Analysen.I Erich Andersen nimmt nun mit seinem Büchlein Kriegsjunge Hänners Kriegskinder- Abbildungen € ,– bilder Zeichnungen seines Kindheitsfreundes Johannes Bartosch –  in Danzig geboren – ISBN ---- zum Ausgangspunkt einer persönlich gehaltenen Auseinandersetzung mit den Erfahrungswel- ten dieses westpreußischen Flüchtlingskindes im Norddeutschland der Nachkriegszeit. Auch wenn seine Betrachtungen keinen übermäßigen Abstraktionsgrad erreichen bzw. die Ver- suche, die durch die Kriegszeit geprägten Mentalitäten einzuordnen, eher apologetisch und zuweilen unbeholfen wirken, regt der Autor doch nachhaltig zu einer Auseinandersetzung mit Bildquellen als Medien kindlicher Kriegs- und Nachkriegserfahrungen an. (Einzelne Passa- gen, die vor dem Hintergrund historischer Zusammenhänge gegenwärtige gesellscha liche Entwicklungen kritisieren, erscheinen allerdings von Attitüden besetzt und wären durchaus entbehrlich.) Die umfangreich dokumentierten Bilder zeugen einerseits von etablierten Narra- tiven von Flucht und Vertreibung, andererseits aber auch von individuellen Erfahrungen des Protagonisten. Die von ihnen ausgehenden Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit eines Einheimischen und eines Flüchtlings entfalten zugleich eine persönliche Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit, die über das spezi sche Schicksal der Heimatvertriebenen hinausweist. Tilman A. Fischer

Annette Pussert  G  und hinterlässt schon nach kurzer Zeit keine spürbare Nord Nord Ost Lücke. Lediglich ihre Enkelin Hanna, zu der eine besonders enge Beziehung bestan- Frankfurt a. M.: Michason & May den hat, sucht die Nähe zur Welt der Verstorbenen, beschä igt sich mit deren Nach- Verlagsgesellschaft:  lassE – vor allem mit Alben und Zigarrenkisten voller Fotos – und versucht, sich mit Hilfe der  Seiten € , Bilder die Menschen und Situationen, über die sie früher gemeinsam mit der Großmutter gesprochen hat, zu vergegenwärtigen. Das Bedürfnis, die eigene Geschichte zu begreifen und auch beim Abschluss ihres Studiums neuen Halt zu  nden, wird bei Hanna dadurch verstärkt, dass jüngst eine enge Partnerscha zerbrochen ist. – Aus dieser Grundkonstel- lation entwickelt Annette Pussert in ihrem Debüt-Roman eine vielschichtige Komposi- tion. In beständigem Szenenwechsel werden Vorgänge aus unterschiedlichen Zeiten gebo- ten : Neben den Jahren, die Auguste (die Großmutter) und Hanna gemeinsam verbringen, steht das noch unbeschwerte Leben, das Auguste vor dem Zweiten Weltkrieg einst in Elbing geführt hat, die beklemmenden Ereignisse des Kriegsendes und der brutalen Vertreibung, die Wiederbegegnung mit ihrer alten Heimat, die Auguste fast  Jahre später, , wagt, oder die Reise, die Hanna nach weiteren  Jahren – und erst nach dem Tode der Großmut- ter – ihrerseits nach Elbing und Westpreußen unternimmt. Dieses Wechselspiel der Zeit- ebenen und Perspektiven führt zu einer hohen Verdichtung des Geschehens und fasst nicht nur die deutsche Geschichte der letzten hundert Jahre wie in einem Brennspiegel zusam- men, sondern gewährt tiefe Einsichten in die Dialektik von Schuld und Leid wie in die Pro- blematik der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen. Neben dem höchst kunstvollen Arrangement des Handlungsau aus zeichnet sich dieses Buch zudem durch seine gleicher- maßen präzise wie poetische Sprache aus : es wird niemanden nach der Lektüre unbeein- druckt zurücklassen. Erik Fischer

4 Der We preuße 3/2017 FORUM

aus o vernachlässigten – pol- zurückstellen ? – Nein ! Gerade das wäre schäd- A   W nischen Perspektive schaen lich ! – Es ist besonders im politischen Diskurs wollte, dies zeigt sich jetzt wichtig, eine klare Sprache zu wählen und oen O   D  um das Zen- ebenso bei der gegenwärti- miteinander zu sein. Ein permanentes Ausklam- trum gegen Vertreibungen bzw. später um die gen PiS-Regierung, die bei ih- mern unerwünschter emen führt zu vielem, – Stiung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ab- ren Zielsetzungen noch einmal nur in der Sache führt es nicht weiter. Dabei muss geklungen sind, gibt es weiterhin andauernde ge- deutlich oensiver vorgeht. man sich aber schon die Mühe machen, sich auch schichtspolitische Koniktfelder zwischen Polen Die Diskussion um die deutsche Fernseh-Serie jenseits der puren historischen Fakten mit der Ge- und Deutschland. Unsere Mütter, unsere Väter ( ) und die darin schichtskultur des anderen Landes auseinander- In Deutschland wird die bis weit in die Zeit des enthaltenen Szenen, die den Antisemitismus bzw. zusetzen, um das Gegenüber überhaupt angemes- Kommunismus zurückreichende Sorge, dass Polen die Gleichgültigkeit gegenüber dem Holocaust in sen verstehen zu können. von einem Opfer des Zweiten Weltkrieges zu ei- Teilen (!) der polnischen Heimatarmee zeigen, ist Daher sollte beispielsweise die Stiung Flucht, nem der Täter gemacht werden soll, allerdings o auch für diejenigen Polen ärgerlich, die keinem Vertreibung, Versöhnung selbstbewusst und – so- unterschätzt. Diese Befürchtungen kulminieren in schlichten binären Geschichtsbild anhängen. Hier weit möglich – mit polnischer Beteiligung das dem jüngst verabschiedeten „Gesetz zum Schutz geht es vielmehr darum, dass man sich in Polen Vertreibungsgeschehen im . Jahrhundert aufar- des guten Rufes Polens“ (das in der Rubrik P- zwar durchaus mit diesem Geschehen auseinan- beiten. Nur auf Basis der historischen Forschung,   G  genauer diskutiert wird). dersetzt (nicht zuletzt im neuen Jüdischen Muse- einer oenen Aussprache und des ernsthaen Be- Aus deutscher Perspektive mag diese Initiative um in Warschau), aber aus nachvollziehbaren his- mühens um ein wechselseitiges Verständnis kann akademisch oder kleinlich scheinen, es ist aber ein torischen Gründen keine Belehrungen oder »gut es zu einem konstruktiven Dialog kommen. Wer weiterer Beleg dafür, dass Polen sich geschichts- gemeinte« Hinweise vom selbsterklärten »Vergan- sich davor scheut und gegenüber allem und jedem politisch immer wieder herausgefordert sieht und genheitsbewältigungsweltmeister« Deutschland in falscher Rücksichtnahme verharrt, wird am sich dementsprechend auch aktiv einsetzt. Das wünscht, selbst wenn sie im Kern der Sache kor- Ende nichts bewegen. Einem sehr selbstbewussten war bei der liberalkonservativen Vorgängerregie- rekt oder unproblematisch sind. Partner sollte ebenfalls selbstbewusst – aber glei- rung so, die mit dem Museum des Zweiten Welt- Worauf möchte ich hinaus, wenn ich von dieser chermaßen respektvoll – begegnet werden. krieges in Danzig ein attraktives Weltmuseum auf polnischen Perspektive und deren Empndlich- Vincent Regente, dem modernsten Stand der Wissenscha inklusi- keiten spreche ? Soll die deutsche Seite deshalb Stellvertretender Vorsitzender ve der – zugegebenermaßen international durch- stets übervorsichtig sein und jedes kritische Wort der Kulturstiung Westpreußen

Briefe an Vorankündigung der Frühjahrstagung [email protected] der Landsmannschaft Westpreußen Ihre Meinung ist uns wichtig! BETR.: Das Weichsel-Museum in Dirschau vom . bis . Mai  in Warendorf/Westf. Per E-Mail: ( / ) Da hat sich die Ausstellungslei- [email protected] tung aber selbst ein Beinchen gestellt mit der Beschränkung auf nur einsprachige WESTPREUSSEN ZWISCHEN Informationstafeln. Das wäre vielleicht DEUTSCHLAND, POLEN BETR.: Kultur-Informationen: Westpreußi- angängig gewesen, stände die Ausstellung, UND RUSSLAND sche Wurzeln eines englischen Schriftstel- sagen wir mal, in Krakau. So hätte wohl lers ( / ) Herr Ryszard Derdziński hat mancher Besucher unserer westpreußi- Mit der Frühjahrstagung der Landsmannschaft West- vollkommen Recht mit Tolkien. Es ist ein ural- schen Heimat gern einen Abstecher nach preußen laden wir  zu einem deutsch-polnischen ter pruzzischer Name und bedeutet »Dolmet- Dirschau gemacht, sich die Ausstellung und Nachdenken über die aktuellen ostpolitischen Her- scher«. Die Meinung, die Familie stammte die Geschichte der Weichselflößerei nebst ausforderungen ein. Hierbei stellen wir das untere aus Sachsen und hieß früher Tollkühn, ist also Klonowics Poem anzusehen, vielleicht sogar Weichsel land als Ostseeanrainer, der von den aktuellen nicht zutreffend. Die Träger des Namens Tol- eine ganze Busreisegesellschaft. Dirschau politischen Spannungen unmittelbar betroen ist, ins kien lebten auch noch im . Jahrhundert in mit seinem Museum ist doch eine Adresse ! Zentrum der Tagung und nehmen es zugleich als Aus- Graudenz. (Dazu in Kopie ein Fragment aus Sprachbarriere ? Die haben auch wir oft zu gangspunkt für weiterführende Überlegungen. dem Graudenzer Kirchenbuch von .) beklagen, aber mindestens sind doch die Andreas Billert, Frankfurt (Oder) Informationstafeln in gängigem Polnisch Es referieren unter anderen: geschrieben, so dass sie auch in Englisch Bernd Posselt MdEP a.D. (Osteuropa zwischen alten oder Deutsch hätten sein können. Schade, Nationalismen und neuem russischen Machtstreben), dass uns das Museum so den Rücken zuge- Professor Dr. Johannes Reimer (Gesellschafts - kehrt hat ; die Touristikwerbung ist da transformation im ehemaligen Ostblock), beweglicher. Günter Hagenau, Detmold Brigadegeneral a.D. Dr. Klaus Wittmann (Polen und die Sicherheit der östlichen NATO-Mitglieder) Leserbriefe geben die Meinung der Verfasserinnen und Verfasser wieder, die sich nicht unbedingt mit derje- Einladungen erfolgen separat. Für Rückfragen steht die nigen der Redaktion deckt. Zudem können nicht alle eingehenden Schreiben veröentlich werden; und die Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Westpreußen Redaktion behält sich vor, Zuschriften auch sinnwah- zur Verfügung. rend zu kürzen.

Der We preuße 3/2017 5 Geschichtspolitik per Gesetz? FÜNF FRAGEN AN PIOTR NIEZGÓDKA

In kurzer Zeit wird in der Republik Polen Welche Folgen kann das Gesetz, das sich vor- ein neues »Gesetz zum Schutz des nehmlich gegen mögliche Meinungsäußerun- gen im Ausland richtet, für Akteure etwa in der guten Rufes Polens« verabschiedet Foto: NRG Legal Foto: Bundesrepublik Deutschland haben ? werden. Piotr Niezgódka – Rechts- Die neue Regelung ist tatsächlich vor allem anwalt in Warschau und Doktorand gegen Handlungen im Ausland ausgerichtet. Dementsprechend enthält sie Instrumente, an der Universität dortselbst – erläutert die aufgrund des polnischen Rechts eventu- im Interview die neuen rechtlichen elle Hürden auf dem Weg zur Einleitung eines Regelungen und ihre Konse quenzen Verfahrens in Polen beseitigen sollen. Ein Strafverfahren in Polen kann unabhängig vom für Geschichtspolitik und Meinungs- Prinzip der sogenannten doppelten Strafbar- freiheit. keit geführt werden, also auch dann, wenn das ausländische (z. B. deutsche) Recht dieselbe Handlung nicht unter Strafe stellt. Ebenfalls für eventuelle Zivilklagen hat der Gesetzgeber Mit welchen Instrumenten will das neue Gesetz Regierung kritisiert und darin zum Beispiel vorgesehen, dass sie immer auf der Grund- den »guten Ruf Polens« schützen bzw. was eine Gefährdung der Prinzipien des demokra- lage des polnischen Rechts untersucht wer- genau wird hier straf- und zivilrechtlich sank- tischen Rechtsstaats erkennt, auf einen Zivil- den sollen. Über all diese Streitfälle werden tioniert ? prozess vorbereitet sein. Erst das Gericht wird somit polnische Gerichte entscheiden können. Erstens soll es zu einer Straat werden, ent- in jedem einzelnen Fall entscheiden müssen, Kurz gesagt : Akteure in der Bundesrepublik weder dem polnischen Volk oder dem pol- wo die Grenze des Erlaubten verläu. Deutschland müssten nach Inkratreten des nischen Staat eine Verantwortlichkeit oder Gesetzes mit der Möglichkeit einer rechtlichen Mitverantwortlichkeit an Nazi-Verbrechen Besteht die Gefahr einer Instrumentalisierung Auseinandersetzung in Polen rechnen. zuzuschreiben oder die Verantwortlichkeit des Gesetzes für die Durchsetzung von Paradig- der tatsächlichen Täter zu schmälern. Zwei- men, die die Geschichtspolitik der gegenwärti- Wie verhalten sich die neuen gesetzlichen Rege- tens soll das Gesetz Zivilklagen gegen die gen polnischen Regierung prägen ? lungen zu europäischen Rechtsnormen – vor sogenannte »Herabwürdigung des polnischen Aus der Begründung des Gesetzentwur- allem zum Schutz der Meinungsfreiheit ? Und Staates oder Volkes« ermöglichen. fes geht hervor, dass die neuen Vorschrien drohen hier neuerliche Auseinandersetzun- der historisch unwahren und für Polen verlet- gen über die Rechtsstaatlichkeit in der Repub- Wie eng oder weit fasst der Gesetzgeber die zenden Bezeichnung der deutschen als »pol- lik Polen ? »Herabwürdigung des polnischen Staates oder nische« Konzentrationslager entgegenwirken Sowohl das polnische Oberste Gericht Volkes« ? Wo verläu nach der neuen Gesetz- sollen. Dabei ist aber nicht allein diese spezi- als auch der polnische Beauragte für Bür- gebung die Grenze zwischen sachlicher Kritik elle Handlung sanktioniert worden, sondern gerrechte haben die neuen Regelungen unter eines Journalisten oder der kontroversen ese die weitaus breiter gefasste »Herabwürdigung anderem wegen des zu weit gehenden Eingris eines Historikers auf der einen und einer sol- des polnischen Staates oder Volkes«. in die Meinungsfreiheit kritisch beurteilt. Die- chen »Herabwürdigung« auf der anderen Seite ? Ist es nicht merkwürdig, dass die neuen ser Auassung kann ich mich nur anschlie- Das ist die größte Gefahr, die das Gesetz Vorschrien ideal zum Schlagwort der Durch- ßen. Es bleibt abzuwarten, wie die polnischen mit sich bringt, nämlich die Unvorhersehbar- setzung einer »neuen historischen Politik« Gerichte aufgrund der geplanten Vorschrif- keit der Folgen seiner Einführung. Kontro- passen, mit dem die Partei »Recht und Gerech- ten entscheiden werden. Sollten sie eventuel- vers sind hierbei vor allem die zivilrechtlichen tigkeit« (PiS) unter anderem an die Macht len Klagen stattgeben, wird erst eine Prüfung Vorschrien, erstens wegen der Unbestimmt- gekommen ist ? der polnischen Maßnahmen durch den Euro- heit des Begris einer solchen »Herabwürdi- Die wirklichen Ziele des Gesetzgebers wird päischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gung«, zweitens wegen des fehlenden direkten man erst nach Verabschiedung und Inkra- einer abschließenden Bewertung des Gesetzes Ausschlusses einer Haung bei wissenscha- treten des neuen Gesetzes feststellen können. führen. lichen, journalistischen oder beispielsweise Als Jurist kann ich aber bereits jetzt sagen, dass ■ Die Fragen stellte Tilman Asmus Fischer. künstlerischen Aussagen. Es sind also keine der Wortlaut des Gesetzes, vor allem seiner Grenzen zwischen erlaubter Kritik und sankti- zivilrechtlichen Vorschrien, eine Instrumen- In der juristischen Fachzeitschrift Neue Justiz onierter Herabwürdigung festgesetzt worden. talisierung nicht ausschließen lässt. (NJ /, S. –) ist eine ausführliche Ana- eoretisch sollte also jeder, der in irgendei- lyse von Piotr Niezgódka über das Gesetz zum ner Weise die Handlungen der polnischen Schutz des guten Rufes Polens erschienen.

6 Der We preuße 3/2017 POLITIK UND GESELLSCHAFT

Bestand »KIRCHLICHER SUCHDIENST« NACHRICHTEN im Bundesarchiv in Bayreuth nutzbar + + + Gericht stärkt Einsatz Die Bestände B  »Kirchlicher Suchdienst« und B  KARTEIEN »Karteien für Volksgruppenrechte des Kirchlichen Suchdienstes« sind seit dem . Januar  im Lastenausgleichs- BMI/DW – Am . Februar hat das Gericht der Euro- archiv LAA vollständig nutzbar. päischen Union (EuG) die Entscheidung der Euro- päischen Kommission aufgehoben, die Europäische er Kirchliche Suchdienst (KSD) nahm von gleichsarchiv benden. Neu hinzugekommen sind Bürgerinitiative „Minority SafePack“ nicht zu regist- August  ­€ bis zu seiner Auösung am nun im Wesentlichen die bislang noch fehlenden rieren. Die Bürgerinitiative war  unter anderem D‚ƒ. September ƒ€ unter der Trägerscha Ergänzungen zu den Heimatortskarteien für das von der Föderalistischen Union Europäischer Nati- der kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Sudetenland, Danzig-Westpreußen, War theland- onalitäten auf den Weg gebracht worden. Mit ihr Diakonie den Aurag der Nachforschung und Aus- Polen und das Baltikum sowie die Spätaussiedler- würden erstmals angestammte Rechte autochtho- kunserteilung hinsichtlich vermisster deutscher kartei für Oberschlesien. ner Minderheiten auch im Gemeinschaftsrecht der und deutschstämmiger Zivilpersonen aus den ehe- Seit dem . Januar ƒ† sind alle Teile der bei- Europäischen Union verbindlich festgeschrieben. maligen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten den Bestände im Lastenausgleichsarchiv im Rah- wahr. Darüber hinaus betätigte er sich im such- men der benutzungsrechtlichen Vorschrien + + + traf Vertreter dienstlichen Aufgabenbereich für Spätaussiedler recherchier- und nutzbar. Die neu erhaltenen Teil- der deutschen Volksgruppe und deren Nachkommen. bestände werden dabei bereits in der Recherche- SdP/DW – Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB Als zentrales Hilfsmittel für die Erledigung sei- anwendung invenio des Bundesarchivs zur Verfü- traf am . Februar in Warschau mit Vertretern der ner Aufgaben unterhielt er seit  ­† die so genann- gung stehen. Noch nicht in die Invenio-Recherche deutschen Volksgruppe in Polen zusammen. Dieses ten Heimatortskarteien (HOK), die als „Einwoh- eingeschlossen sind die HOK-Bestände, die sich Treffen fand statt im Zusammenhang mit Gesprä- nerverzeichnis des deutschen Ostens“ bekannt bereits vor August ƒ‡ im LAA befanden. Für chen über die aktuelle politische Lage in Polen, über wurden. Der Kirchliche Suchdienst war mit der diese gilt das Recherche- und Bestellverfahren Forderungen des deutsch-polnischen Runden Tisches  €‚ vom Bundesministerium des Innern in Auf- bis auf weiteres wie bisher. sowie die Unterstützung der deutschen Minderheit trag gegebenen Gesamterhebung zur Klärung des durch die Bundesregierung. An den Gesprächen mit Schicksals der deutschen Bevölkerung beauragt. Tagung und Workshop am 10. und 11. Mai der Kanzlerin nahm unter anderem der Präsident des Mehr als ƒ Millionen Personen sind in seinen Unter dem Titel »Suchdienste und Archivar- Verbandes der Sozial-Kulturellen Gesellschaften der Karteien registriert. beit – Eine humanitäre Mission im Bewusstsein Deutschen in Polen, Bernard Gaida, teil. Die Archivierung der Unterlagen des Kirchli- der Nachkriegsgesellscha und in der Gegen- chen Suchdienstes nach dem Abschluss der ihm wart« richtet das Bundesarchiv am ƒ. Mai ƒ† + + + Bundeskanzlerin emp ng BdV-Präsidium übertragenen Aufgaben regelt das Gesetz über die in seiner Außenstelle Lastenausgleichsarchiv in BdV/DW – Am . Februar  empfing Bundes- zentrale Archivierung von Unterlagen aus dem Bayreuth eine wissenschaliche Tagung aus. Die kanzlerin Dr. Angela Merkel MdB das Präsidium des Bereich des Kriegsfolgenrechts vom ‡. Januar  ˆˆ. Tagung geht inhaltlich über den Kirchlichen Such- Bundes der Vertriebenen zu einem Gespräch im Sie nden vor allem bei Genealogen und Erben- dienst hinaus und befasst sich auch allgemein mit Bundeskanzleramt in Berlin. Im Zentrum des Tref- ermittlern reges Interesse, bergen aber auch rei- Suchdienstaufgaben infolge des Zweiten Welt- fens standen Themen wie das Risiko der Altersar- ches Potential für die Auswertung durch die his- kriegs, mit dem Phänomen der Vertreibung und mut bei Spätaussiedlern, die Kulturförderung nach torische Forschung. Spätaussiedlung sowie dessen Rezeption in der §  des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsge- Gesellscha und in den Archiven der Herkuns- setzes, das verständigungspolitische Engagement Bestand B 530 Kirchlicher Suchdienst und Zielländer der Betroenen. Ferner befasst sich der deutschen Heimatvertriebenen sowie die Situ- Bei diesem Bestand handelt es sich um die die Tagung mit archivwissenschalichen Aspekten ation der deutschen Minderheiten in den Heimat- Unterlagen, die im August ƒ‡ aus den letzten der Erschließung und Überlieferungsbildung von und Herkunftsgebieten. beiden verbliebenen Stellen des Kirchlichen Such- Suchdiensten und ihren Unterlagen. dienstes – in Stuttgart und Passau – übernommen Für den . Mai ƒ† ist ein thematisch wei- + + + Linke will „neue Ostpolitik“ worden sind, wobei die Karteien ausgenommen ter eingegrenzter Workshop unter dem Titel hib/DW – Die Bundestagsfraktion Die Linke macht sind. Darin enthalten sind unter anderen umfang- »Suchdienste und Archivarbeit – Das Wirken sich für eine „neue Ostpolitik Deutschlands“ stark. reiche Unterlagen zu deutschen Flüchtlingen in des Kirchlichen Suchdienstes im Bewusstsein der Der entsprechende Antrag stand am . Februar erst- Lagern in Dänemark sowie zu Spätaussiedlern. Nachkriegsgesellscha und Gegenwart« zur wis- mals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums: Ferner enthält der Bestand Gemeindeseelen- senschalichen Auswertung der Archivbestände Die Politik der Sanktionen und der Gesprächsein- und Gemeindevermisstenlisten im Umfang von des Kirchlichen Suchdienstes als Anschlussveran- schränkungen sei gescheitert, eine Neuausrichtung ca. .€ƒƒ Verzeichnungseinheiten, die unter ande- staltung geplant. Bundesarchiv der Beziehungen zwischen Deutschland bzw. der EU rem auch das Sudetenland und das Gebiet des ehe- und Russland unverzichtbar. maligen Protektorats Böhmen und Mähren abde- cken. Dieser Teil des Bestands ergänzt zugleich Weitere Informationen zur Tagung am . und + + + Basil Kerski beim „Gesprächskreis Polen“ zum Workshop am . Mai: www.bundesarchiv.de/ BMI/DW – Seit Januar  besteht der Christdemo- den Bestand Ostdokumentation ‚. Angereichert ist fachinformationen// der Bestand B €‚ƒ zudem mit Ortsplänen. kratische Gesprächskreis Polen, dem Bundestags- abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion angehören. Bestand B 530 KARTEIEN Gesprächspartner der jüngsten Sitzung im Feb- Dieser Bestand beinhaltet die Heimatortskar- ruar war Basil Kerski, Direktor des Europäischen teien sowie alle weiteren kleineren Karteien des Zentrums der Solidarność, Danzig. Im Mittelpunkt Kirchlichen Suchdienstes, von denen sich die standen die innenpolitische Lage in Polen und der meisten bereits seit längerer Zeit im Lastenaus- zurückliegende Besuch der Bundeskanzlerin.

Der We preuße 3/2017 7 Das renovierte Haus in der Aleja Grunwaldzka (Tannenberg-Allee) Das »Merkel-Haus« in Elbing

Seit geraumer Zeit wird in Reise-Magazinen auf eine weitere touristische Attraktion in Elbing hingewiesen : auf das »Merkel-Haus«. Zu diesem Namen kam das auffällige, gegenüber dem Hauptbahnhof stehende Gebäude offenbar, weil an ihm immer noch unübersehbar die familiären Beziehungen deutlich werden, die von Angela Merkel aus zum deutschen Osten bestehen. Nachdem die Politikerin  zur Bundeskanzlerin gewählt worden war, fand ihre Familiengeschichte tiefergreifende Aufmerksamkeit, und so stieß man auch auf ihren Urgroßvater, Emil Drange, der  jenes Haus erworben und mit seiner großen Familie bezogen hatte. Bei dieser Wurzelsuche haben sich allerdings einige Missverständnisse und Verkürzungen ergeben. Zudem ist es sicherlich gerade für Leserinnen und Leser des Westpreußen von Interesse, die Stationen einer Familiengeschichte genauer kennenzulernen, die von einem Oberstadtsekretär in Elbing bis zur faktisch mächtigsten politischen Amtsträgerin in Deutschland führt. Deshalb haben wir unseren Korrespondenten Lech Słodownik gebeten, diese Zusammenhänge aufgrund der vorliegenden gesicherten Quellen zu erläutern.

Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Dorothea am . März  in Unruhstadt (), Emil Drange entschloss sich im April , das Merkel wurde bekanntlich am . Juli  in Kreis Bomst () in der Provinz , unmittelbar gegenüber dem Hauptbahnhof Hamburg geboren und wuchs, nachdem ihre geboren, sowie Emma Drange, geb. Wachs, die gelegene Haus in der Tannenbergallee  (Ale- Eltern wenige Wochen später in die DDR am . Oktober  in Rietschütz (Jerzmano- ja Grunwaldzka) zu kaufen. übergesiedelt waren, mit ihren Geschwistern wice), Kreis Glogau/Niederschlesien, zur Welt Das Haus war und ist in Elbing unter dem Marcus und Irene in , einer Klein- kam. Beide heirateten in Glogau (Głogów), wo Namen »Leiermannhaus« bekannt. (Gelegent- stadt in der Uckermark, auf. Ihr Vater war der auch vier ihrer Kinder geboren wurden :  lich hörte man auch »Leiermannsches Haus«.) evangelische eologe Horst Kasner, der – als Gertrud,  Paul,  Anna und  Gün- Es trug diesen Namen wohl nach einem Leier- Horst Kaźmierczak – am . August   in ther, bei dessen Untergewichtigkeit die Ärzte mann, der in Russland mit seinem Instrument Berlin geboren worden war und am . Sep- zunächst Zweifel hatten, ob er den beabsich- so viel Geld verdient hatte, dass er  dieses tember  dortselbst verstarb. Bereits ihre tigten Umzug von Glogau nach Elbing überle- große Haus bauen lassen konnte. Bevor der Mutter hingegen stammt aus dem deutschen ben würde. Kurze Zeit später () verließ die Neubau errichtet wurde, hatte auf dem Grund- Osten, denn sie wurde als Herlind Jentzsch Familie aber Niederschlesien und wohnte nun stück bereits ein anderes Gebäude gestanden.   in Danzig-Langfuhr geboren. Die Eltern in Elbing : zunächst in der Schottlandstraße b Weitere Informationen über den Leier mann wohnten dort im Steensweg . (ul. Czerniakowska), später in der Talstraße  sind nicht bekannt. Im Elbinger Einwohner- Von ihrer Provenienz aus betrachtet, rückt (ul. Wyspiańskiego) und schließlich am Äuße- buch ndet sich  als Angabe des Eigentü- sogleich Elbing in den Blick, denn hier leb- ren Mühlendamm  (ul. Traugutta). mers der Name August Behrendt. ten die beiden ihr vorausgehenden Genera- Die Familie wurde noch größer, denn Gün- Dass das Haus ausschließlich Wohnzwecken tionen vom Ende des . Jahrhunderts bis ins ther folgten jetzt die weiteren Kinder Elisa- diente, war in jener Zeit nicht selbstverständ- Jahr  , als Herlinds Mutter Gertrud, geb. beth, Georg, Emmy und Eva. Nun erschien der lich. Der repräsentative Bau mit seinem klassi- Drange, nach Danzig zog. Deren Eltern, Ange- Raum, den eine Mietwohnung bot, für derart zistischen Stuck, dem Wappendekor sowie den la Merkels Urgroßeltern, waren Emil Drange, viele Personen als nicht mehr zureichend, und schmiedeeisernen Balkonen ist äußerst solide

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Grabsteine von Emil und Emma Drange im Lapidarium auf dem ehemaligen Johannis- friedhof am Baumschu- lenweg (ul. Sadowa), in der Nähe der Hinden- Wappendekor am . Stockwerk, der »Beletage«, auf der burg-Straße (ul. Gene-

die Familie des Hausbesitzers Drange wohnte. Słodownik Lech Fotos: Alle rała Józefa Bema) gebaut. Zum Glück hat er den Krieg überdau- Emil Dranges Witwe wurde nun Besitzerin fen, Kreis Bitterfeld/Sachsen, und war dort am ert und wurde  sogar aufwändig reno- des Leiermannhauses, konnte es jedoch nicht . Mai  geboren worden. (Die gelegentlich viert. (Allerdings nicht, wie einige vermutet lange halten und musste es verkaufen. Neuer geäußerte Annahme, dass er Pole gewesen sei, hatten, mit Mitteln aus Deutschland.) In der Besitzer wurde der Fabrikant Fritz Bienert. Sie ist anscheinend rein spekulativ.) Nach seinem Mitte der äußeren Fassade stand bis zum Ende blieb dort aber als Mieterin wohnen, und von Abitur in Weißenfels und Studien in Göttin- der deutschen Zeit der Spruch : »Deutsches hier zogen die Kinder dann nach und nach gen und Halle zog es ihn nach Westpreußen, Haus, Deutsches Land – Schirm es Gott mit aus. Am . August  verstarb auch Emma wo er in Elbing das Seminarjahr und anschlie- starker Hand«. Heute ist dort zu lesen : »Re- Drange nach längerer Krankheit im Diakonis- ßend in Dirschau das Probejahr absolvierte, nov. A. D. «. Das Haus ist vier Stockwer- senkrankenhaus an der Großen Zahlerstraße bevor er am Kronprinz-Wilhelm-Realgymna- ke hoch, oben benden sich ein Dachgeschoss (ul. Związku Jaszczurczego) und wurde wie ihr sium in Danzig Langfuhr fest in den preußi- mit Böden und Fremdenzimmern sowie ein Mann auf dem Friedhof der Kirchengemeinde schen Staatsdienst übernommen wurde. Dort Dachgarten, der durch ein eisernes Gitter ge- St. Johannis am Baumschulenweg beigesetzt. fand dann die Hochzeit mit Gertrud statt, und sichert ist, so dass die Drange- Kinder dort ge- Die Grabsteine blieben erhalten und benden in Danzig wurde am . Juli   auch Herlind, fahrlos spielen konnten. sich heute auf dem von der Stadtverwaltung die Mutter der Bundeskanzlerin, geboren. Beeindruckend ist auch der große Garten errichteten Lapidarium. Auch wenn sie somit keine Elbingerin ist, mit Gartenhaus und Spielgeräten. Auf einem Gertrud, das älteste der Drange-Kinder, hat auch Herlind dort gleichwohl noch eine Rondell standen dort einst in der Mitte zwei war am . Juli  noch in Glogau geboren kürzere Zeit verbracht, und zwar vom Herbst Edeltannen, um die der kinderliebe Vater für worden. In Elbing besuchte sie die Kaiserin-  bis zum Sommer , als sie mit ihrer jedes der acht Kinder ein Tannenbäumchen Auguste-Viktoria-Schule, eine Höhere Schu- Mutter und ihrer Schwester Gunhild evaku- gep anzt hatte. Die Familie Drange bewohnte le für Mädchen, und entschloss sich (wie spä- iert worden war. Sie wohnten bei Gertruds die erste Etage mit etwa  qm Wohn äche. ter auch ihre jüngere Schwester Elisabeth), Schwester Elisabeth in der Wrangelstraße  Überdies lebten in dem Haus die Familien Lehrerin zu werden. Volksschullehrerinnen- (ul. Szwoleżerów) in der Nähe der Danzi- Baginski, Jochem (Georg), Jochem (Ernst), Seminare als Einrichtung der Weiterbildung ger Kaserne. Ebenso wie ihre Mutter etwa  Klimmeck, Kuels, Unruh, van Drage, Wessel für Mädchen waren zu der Zeit in Westpreu- Jahre zuvor besuchten Herlind und Gunhild und Wiebe, so dass der Hausbesitzer gewiss ßen fast immer mit Höheren Mädchenschulen während dieser Zeit die Kaiserin-Auguste- nicht unerhebliche Mieteinnahmen verzeich- bzw. Lyzeen verbunden, und die einzige Schu- Viktoria- Schule, um den schulischen An- nen konnte. le, die dafür in Elbing zur Verfügung stand, war schluss nicht zu verpassen. Zu ihrer Schule Emil Drange war in Glogau Magistrats- eben die Kaiserin-Auguste- Viktoria- Schule, so konnten sie mit der Straßenbahn der Linie beamter der unteren Laufbahn gewesen. Ehr- dass Gertrud Drange im Anschluss an ihr Abi- von der Endhaltestelle Langemarck-Hinden- geizig, wie er war, versprach er sich von einer tur unmittelbar an der gleichen Anstalt ihre burgstraße bis zur Poststraße fahren. Noch größeren Stadt bessere Aufstiegschancen und Seminarausbildung erhielt. Als sie sich gera- rechtzeitig vor dem Kriegsende und der ver- hatte sich deshalb nach Elbing hin orientiert. de im Examen befand, starb der Vater. Ab dem heerenden Nachkriegszeit haben die Mitglie- Hier wurde er zunächst als Registrator im Rat- Schuljahr / bis zum Ende des Schuljahrs der der Familie Jentzsch Elbing verlassen und haus eingestellt, bald jedoch zum Stadtsekre-  /  war sie als Lehrerin an der Luisen- sind von hier aus nach Hamburg gelangt, wo tär mit eigenem Büro, einem Registrator und schule in der Schottlandstraße (ul. Czernia- Herlind später ihren Mann Horst Kasner ken- mehreren Büroassistenten befördert. Schließ- kowska) tätig, einer nach Königin Luise von nenlernte. – Mit der Ankun in dieser Stadt lich wurde er (wie die Inschri seines Grab- Preußen benannten Volksschule für Mädchen, endet mithin zugleich der genealogische Weg, steins belegt) auch noch Oberstadtsekretär. nur ein paar Minuten vom Wohnhaus in der der – bildlich gesprochen – über vier Gene- Seine Dienstzeit fand allerdings ein vorzeitiges Tannenbergallee entfernt.   verließ sie El- rationen vom Leiermannhaus in Elbing nach Ende, denn er wurde, wie ein Verwaltungsbe- bing und heiratete im gleichen Jahr in Danzig Berlin ins Bundeskanzleramt führt. richt ausweist, krankheitsbedingt schon zum den Gymnasiallehrer Willi Jentzsch, den sie Herrn Dr. Klaus-Heinz Hinz (Düren) sei herzlich da- . Juli , d. h. mit  Jahren, pensioniert und über Freunde in Elbing kennen gelernt hatte. für gedankt, dass er für diesen Artikel Dokumente verstarb drei Jahre später, am . April . Ihr Mann, Angela Merkels Großvater, hatte und Unterlagen zur Verfügung gestellt und auch Dies war für seine Familie ein herber Schlag, zuvor nur kurze Zeit in der Stadt am Elbing- die Ausarbeitung hilfreich unterstütz hat. waren die jüngsten Kinder doch gerade erst , uss gelebt. Er stammte aus einer alteingeses- zehn, neun und sieben Jahre alt. senen deutschen Gutsbesitzerfamilie in Wol- ■ Lech Słodownik

Der We preuße 3/2017 9 ANGEBOTE FÜR OBDACHLOSE In der Nähe der der „Tiger“ bekannt, ist in seiner Heimatstadt, in die Notizen aus … Mottlau ist neben einer Obdachlosenunterkunft er nach seinem Karriere-Ende zurückgekehrt war, auch eine kostenfreie Badeanstalt eingerichtet wor- neuerlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er soll den. Hier können die Betreuten auch Handtücher (nicht zum ersten Male) Drogen und im Übermaß und Seife erhalten sowie ihre Wäsche waschen und auch Alkohol konsumiert haben. Zudem ist von fami- Danzig trocknen. Gleichfalls kostenlos sind auch ein Haar- liärer Gewaltanwendung die Rede. Dem Vernehmen schnitt und ein heißer Tee. Diesen Service bietet die nach hat die Ehefrau den „Tiger“ angezeigt, und nun GUTE PLATZIERUNG Auch für das Jahr  wurde Stadt in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft des ermittelt die Polizei. eine Analyse des Lebensstandards aller europäischen Hl. Adalbertus an. Gerade in den Wintermonaten be- Städte über . Einwohner durchgeführt. Bei müht sich die Verwaltung verstärkt, die Bevölkerung WAŁĘSA NEUERLICH BETROFFEN In Danzig-Oliva der Bewertung durch den Internetdienst Numbeo für die Probleme der Obdachlosen zu sensibilisieren, gab es im Pelonkerweg (ul. Polanki) einen Feuer- wurden Faktoren wie Verdienst, Kaufkraft, Mieten, und macht in den Medien immer wieder die Adres- alarm : In unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses Sauberkeit der Umwelt und Qualität der medizini- sen und Telefonnummern der Hilfsstationen publik. von Lech Wałęsa waren zehn Löschzüge der 06 schen Versorgung oder der Kinderbetreuung berück- Feuer wehr im Einsatz. Gleichwohl brannte das be- sichtigt. Die ersten fünf Plätze belegten Edinburgh, troffene Wohngebäude völlig aus. Zwei Personen Wien, Eindhoven, Zürich und München. Danzig er- erlitten Rauchvergiftungen, und der Pelonkerweg reichte in diesem Ranking immerhin den . Platz. musste weiträumig umfahren werden.

NACH DEM EMBARGO Nach dem Ende der in- JUNGE LEBENSRETTERIN Die -jährige ternationalen Sanktionen gegen den Iran ist das Informatik- Studentin Karolina Lewandowska ist vom Tankschiff VILAMOURA bereits zum wiederholten Male Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz für ihre Opfer- mit . t Rohöl im Danziger Terminal eingelau- bereitschaft und ihren außergewöhnlichen Mut mit fen. Die Ladung war jeweils auf der iranischen Insel einer Ehrenurkunde und einem Geschenk ausge- Charg aufgenommen worden und wurde in Danzig Wikimedia Reiner via Andreas Foto: zeichnet worden. Sie ist seit drei Jahren im freiwil- binnen  Stunden gelöscht. Wie die Ölkonzerne „TIGER“ IN SCHWIERIGKEITEN Der mittlerweile ligen Rettungsdienst tätig und hatte am . Januar Orlen und Lotos bekanntgaben, will man jetzt mit -jährige, aus Danzig stammende Boxer Dariusz einer -jährigen Frau, die in selbstmörderischer verstärkten Einfuhren aus dem Iran den Anteil russi- Michalczewski –  bis  Weltmeister im Halb- Absicht vom Brösener Seesteg bei heftigem Sturm in scher Importe reduzieren. schwergewicht, kurzzeitig Weltmeister im Cruiserge- das eiskalte Wasser gesprungen war, das Leben ge- wicht und in Deutschland auch unter dem Namen rettet. Peter Neumann

Bewohner der Stadt – insbesondere diejenigen, die DER . JAHRGANG Vor kurzem erschien der Elbing sich für die Geschichte Elbings interessieren – haben . Band von Rocznik Elbląski – einem lokalen wis- sich gegen den Abriss dieses historischen Gebäudes senschaftlichen Periodikum, das seit  herausge- ausgesprochen. geben wird und stets ein hohes wissenschaftliches Niveau aufweist. Zurzeit wird das Jahrbuch zusam- KRAFTPAKET VERABSCHIEDET Am . Februar men mit der lokalen Abteilung des Polnischen Histo- wurde in der GE Power Turbine Factory (den frühe- rischen Vereins von der Elbinger Bibliothek heraus- ren Schichau-Werken), die zu der Veranstaltung gegeben und von der Stadt mitfinanziert. Der neue Foto: Lech Słodownik Lech Foto: eingeladen hatte, der Versand einer Dampfturbine Band enthält – neben wissenschaftlichen Artikeln, für das PGE-Kraftwerk in Oppeln (Opole) gefeiert. einer Besprechung und zwei Berichten – auch einen Mit diesem Produkt wird eine weitere Stufe eines Nachruf auf Dr. Stefan Hartmann – einen Geschichts- Projekts abgeschlossen, bei dem in Schlesien zwei forscher und Archivar, der Mitglied des wissenschaft- Kraftwerke (Nr.  und ) errichtet werden und für das lichen Beirats von Rocznik Elbląski war (und an den die GE die Gesamtplanung übernommen hat. GE ist auch DW / erinnert hat). Der Text stammt von RETTET DIE THIESSENVILLA! Die Stadtverwal- auch die Lieferantin der zentralen Infrastruktur wie Professor Andrzej Groth, dem Redakteur von Rocznik tung hat einen neuen Plan für den Abriss kommu- der Generatoren, Dampfturbinen und Kessel. An der Elbląski und nahen Bekannten des Verstorbenen. naler Gebäude vorgelegt, der die Jahre von  offiziellen Feier nahmen Vertreter der zentralen und Einer der beiden Berichte, der von Joanna Szkolnicka bis  umfasst.  Häuser, die der Stadt gehö- lokalen Behörden, Repräsentanten des Investors und verfasst wurde, ist der gemeinsamen wissenschaft- ren, sollen aus dem Straßenbild verschwinden. Die der Partner von General Electric sowie Vertreter der liche Konferenz der Historischen Kommission für ost- Bewohner erhalten zwar Ersatz-Angebote, etliche übrigen an dem Projekt beteiligten Firmen teil. und westpreußische Landesforschung und der Coper- haben aber keine Neigung, sich tatsächlich darauf nicus Vereinigung für Geschichte und Landeskunde einzulassen. Die Mehrzahl dieser Gebäude, bei de- Westpreußens gewidmet, die am . und . Mai  in nen es sich um frühere deutsche Miethäuser handelt, Warendorf abgehalten worden ist (vgl. DW /). sind bereits über  Jahre alt und lassen sich nicht – Die Vorstellung des neuen Bandes fand am . Fe- mehr mit wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen bruar in der Elbinger Bibliothek statt und wurde von renovieren. Dazu gehört allerdings auch die (auf Professor Wojciech Zawadzki vorgenommen. Dabei dem Foto abgebildete) sogenannte W.-Thiessen- gedachte der Referent auch seinerseits des verstor- Villa, die einem Sägewerk-Besitzer gehörte. Sie liegt benen Stefan Hartmann und hob nochmals dessen an der ulica Warszawska  A (der früheren Berliner ausgezeichnete Polnischkenntnisse und gute Kon- Chaussee). Hier hat aber der Elbinger Denkmal- takte zu polnischen Wissenschaftlern hervor. pfleger Vorbehalte angemeldet, und auch manche Lech Słodownik Foto: Michał Kalbarczyk

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mit Streichhölzern genannt. Der Schaden wird auf ze bieten. Die Fertigstellung ist für das erste Quartal Marienburg . Złoty geschätzt.  geplant. Bei der Kultivierung des Geländes wur- de jetzt auch die in der Nähe des Bauplatzes befind- EINE NEUE STADTFLAGGE Der Burgführerverein DEUTLICHE BAUFORTSCHRITTE Im Sommer  liche frühere Pumpstation des Klärwerks abgebaut und das städtische Tourismusbüro streben gemein- begann der Neubau eines Viersterne-Hotels, der jetzt und entsorgt. sam die Anschaffung einer Stadtfahne an, die bei zügig voranschreitet. Bauherrin ist die deutsche, allen besonderen Anlässen auf dem Rathaus gehisst aus Meckenheim stammende Unternehmerin Maria KLEINER GRENZVERKEHR WEITERHIN werden kann. Sie soll  ×  cm groß sein, auf Prior- Nowak. Sie und ihr Ehemann Andrzej aus Posen BLOCKIERT Der Rat der Stadt möchte gerne, dass der Vorderseite das Wappen der Stadt und auf der sind Eigentümer des Marienburger Unternehmens der kleine Grenzverkehr mit Russland wieder auf- Rückseite die lateinische Inschrift Civitas Malburgum Prino-Plast, das medizinische Watte-Erzeugnisse her- genommen wird ; das polnische Innenministerium tragen. Dieses Vorhaben wird von der Bevölkerung stellt und weltweit vertreibt. Das Hotel wird im Mari- sieht keine Möglichkeit dazu. Es geht dabei weiterhin nachdrücklich begrüßt. Die dabei entstehenden Kos- enburger Stadtwald in unmittelbarer Nähe der Nogat davon aus, dass die drohende „Destabilisierung der ten sollen durch Spenden aufgebracht werden. errichtet. Es soll über  Zimmer verfügen und (vor Republik Polen und eventuelle Vergeltungsmaßnah- allem im Servicebereich) etwa  neue Arbeitsplät- men“ die weitere Blockade unvermeidlich machten. ERNEUTER GROSSER FEUERWEHREINSATZ In Für den Vorsitzenden des Stadtrats, Arkadius Mrocz- einem unter Denkmalschutz stehenden Haus am kowski, ist diese Begründung nicht nachvollziehbar, Mühlengraben war ein Brand ausgebrochen, der denn in den vier Jahren, in denen die vereinfachten den Einsatz der Marienburger Berufsfeuerwehr und Regelungen im Grenzbereich zwischen Polen und der Freiwilligen Wehren aus Miehlen und Heubuden dem Königsberger Gebiet in Kraft waren, hätten sich erforderlich machte. In relativ kurzer Zeit gelang es, keinerlei Gründe für derartige Befürchtungen erge- das Feuer im Treppenhaus einzudämmen und einen ben. Stattdessen sehen die polnischen Kommunen, Vater mit seinen drei Kindern über eine Feuerwehr- dass die Entscheidung des polnischen Innenministe- leiter aus der obersten Etage des Hauses zu retten. riums ihnen weiterhin spürbare – vor allem ökonomi-

Als Brandursache wurde ein fahrlässiges Hantieren Gilewski Andrzej Foto: sche – Nachteile beschert. Bodo Rückert Kulm STADT DES . FEBRUAR Schon seit  Jahren ist Fotos: Piotr Olecki Piotr Fotos: Kulm im Februar zu einem Reiseziel vieler junger (und auch älterer) Leute geworden, denn in Polen ist die Stadt längst als „Stadt der Verliebten“ be- kannt. Dieses werbewirksame Motto beruht darauf, dass in der Pfarrkirche St. Marien eine Reliquie des Hl. Valentin aufbewahrt wird, der – mit einigen Ver- kürzungen – inzwischen allgemein als Patron der Rathaus und Marktplatz – von Herzen dominiert Liebenden gilt und dessen Heiligenfest am . Fe- bruar begangen wird. Woher die Reliquie stammt und wann sie nach Kulm gebracht worden ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Schon im . und . Jahrhundert aber wurde sie in besonderer Weise verehrt. Am Vorabend des . Februar überführte man sie in einer Prozession in die Heilig-Geist-Kirche und bot sie den Gläubigen dort auf dem Hauptaltar dar. Am . Februar wurden dann mehrere Messen gelesen, bis die Reliquie schließlich in einer weite- ren Prozession in die Pfarrkirche zurückgebracht Straßentransparent für den wurde. – Die mit dem Valentinstag verbundenen . Kulmer Valentinslauf Veranstaltungen begannen in diesem Jahr bereits am . Februar. Von diesem Tage an fanden – bis zum . Februar – in St. Marien Rekollektionen für Paare statt. In der Peter-und-Paul-Kirche gab es Ausstellungen Mit der Reliquie ausgestatteter Altar des und Musikkonzerte. Am Sonntag, dem . Februar, Hl. Valentin in der Pfarrkirche St. Marien konnten die Stadtbesucher u. a. am „Lauf der Verlieb- ten” teilnehmen. Am Montag standen eine Theater- aufführung in der Stadtbibliothek sowie ein Chorkon- zert in der Garnisonskirche (mit Chören aus Schwetz Ihr Ende fanden die Festtage mit Konzerten, einem und Kulm) auf dem Programm, und am . Februar Zumba-Marathon und vor allem einer bunten wurde u.a. in der Schule in Grubno ein gastrono- Valentinsparade auf dem Marktplatz, bei der die mischer Workshop und Wettbewerb mit dem Titel Stadtbewohner und Touristen gemeinsam eine gro- Geschmückte Parkbank mit dem erfolgreichen „Alchemie und Amouren in der Küche” organisiert. ße Herzform gebildet haben. Piotr Olecki Motto der „Stadt der Verliebten”

Der We preuße 3/2017 11 . US-Dollar und überdies einen Startplatz für Thorn die IAAF World Indoor Championships  in Bir- mingham. Foto: Piotr Olecki Piotr Foto: KRANKENHAUSERWEITERUNG Dank eines Kredits GEWINN UND VERLUST Seit Juni  erhält die der Europäischen Investitionsbank entsteht inner- Culmer Chaussee eine neue, moderne Gestalt, durch halb der nächsten drei Jahre im Thorner Stadtviertel die sich die Verkehrsmöglichkeiten erheblich ver- Weißhof (Bielany) ein neuer Komplex des Woiwod- bessern. Die Straße wird verbreitert ; geplant ist ein schaftshospitals. Das bereits bestehende Hauptge- in beiden Richtungen jeweils zweispuriger Ausbau. bäude wird gänzlich modernisiert, und es werden Zudem soll die Straßenbahnlinie reaktiviert werden. daran neue Flügel angebaut. Zusätzlich entstehen Dieses Vorhaben findet erwartungsgemäß erheb- weitere Gebäude : eine Klinik für Infektionskrank- Tour gehören elf Sportdisziplinen, von denen bei je- lichen Zuspruch ; aber für alte Thorner und für alle heiten, mehrere psychiatrische Abteilungen, die dem Meeting mindestens acht durchzuführen sind. Liebhaber der Stadtgeschichte bildet es keinen Krankenhausverwaltung, die Apotheke sowie eine In Thorn wurden Wettkämpfe in folgenden Diszipli- Grund zur Freude : Fast jede Woche verschwinden drei etagige Autogarage. Auf dem Dach des Hospi- nen ausgetragen : Bei den Frauen die Laufstrecken am Rande der Culmer Chaussee gelegene Backstein- tals wird ein Landeplatz für Rettungshubschrauber  und  m sowie der Stabhochsprung und der häuser – alte Bäckereien, Läden und Wohnhäuser – eingerichtet. Dieses neue Hospital wird zu den mo- Dreisprung ; bei den Männern die Läufe über  aus dem Stadtbild. – Die Modernisierung der ganzen dernsten in Polen gehören. Am . Januar hat der Mar- und  m, der -Meter-Hürdenlauf und der Hoch- Straße soll  abgeschlossen werden. schall der Woiwodschaft, Piotr Całbecki, den „ersten sprung. Bei jedem IAAF Indoor Tour Meeting erhalten Spatenstich“ ausgeführt. die besten vier Sportler jeder Disziplin Punkte für die Gesamtwertung. Ein Weltrekord wird zusätzlich mit COPERNICUS CUP  Am . Februar trafen sich drei Bonus-Punkten honoriert. Teilnehmen können Foto: Piotr Olecki Piotr Foto: in der Sport- und Messehalle Arena die Stars der in- die Athleten an allen fünf Events, in die Gesamt- ternationalen Leichtathletik; denn an diesem Tage wertung fließen aber jeweils nur ihre besten drei fand das Meeting Copernicus Cup statt, das jetzt zum Ergebnisse ein. Zudem dürfen sich die Athleten über ersten Male Teil der IAAF World Indoor Tour ist. Diese attraktive Preisgelder freuen. Bereits bei jedem Event Veranstaltungsserie umfasst weltweit neben Thorn erhalten die drei Bestplatzierten ,  bzw.  noch die vier Treffen in Boston (am . Januar) so- US-Dollar. Sogar für die nachfolgenden drei Plätze Abrisshaus an der Culmer Chaussee wie in Düsseldorf, Karlsruhe und Birmingham (am werden noch kleinere Summen gezahlt. Der Tour-Ge- ., . bzw. . Februar). Zum Gesamtprogramm der samtsieger einer Disziplin erhält dann immerhin Piotr Olecki Bromberg

ERWEITERUNG DES NATOSTÜTZPUNKTS Das seit  in Bromberg ansässige Joint-Force-Trai- ning-Centre JFTC der NATO, das direkt dem strate- gischen Hauptquartier in Norfolk in den Vereinigten Foto: Jurasza-Universitätsklinikum Staaten untersteht, wird in den nächsten Monaten ERFOLGREICHE LEBERTRANSPLANTATION aufwändig erweitert. Es erhält neue Räume für Kon- Einem -köpfigen interdisziplinären Ärzteteam ferenzen ; ferner wird der Bürotrakt renoviert. Darü- ist unter Leitung von Dr. hab. Maciej Słupski am ber hinaus werden neue Zufahrtswege und Park- Jurasza- Universitätsklinikum eine Lebertransplanta- plätze angelegt. Die Maßnahmen kosten insgesamt tion gelungen. Am . Januar  übertrug dieses  Mio. Złoty. – Im JFTC, das unter dem Kommando Team mit Ärzten aus Bromberg und Warschau einer des deutschen Generalmajors Wilhelm Grün steht, -jährigen Frau aus Bromberg die Leber einer bei werden zurzeit  Soldaten und Zivilexperten für einem Verkehrsunfall verstorbenen -Jährigen. Die eine Tätigkeit in Afghanistan vorbereitet. Nach Fertig- Entnahme des Organs dauerte drei Stunden, die stellung der Erweiterungsarbeiten soll das JFTC dann eigentliche Transplantation weitere fünf Stunden. in der Lage sein, bis zu . Soldaten gleichzeitig Die erfolgreiche Operation ist ein großer Fortschritt auszubilden. Dabei geht es nicht um eine Kampfaus- in der medizinischen Versorgung der Region, denn bildung, vielmehr werden Fähigkeiten für die Arbeit bisher sind derartige Transplantationen nur in War- of Economics University Rafał Bruski via Poznań Foto: in internationalen Stäben trainiert, die bei NATO-Mis- schau, Kattowitz, Stettin und Breslau durchgeführt oder Bürgermeistern auf zwei Wahlperioden zu be- sionen zum Einsatz kommen. Die Erweiterung des worden. Auf der Warteliste des Universitätsklinikums grenzen. Von dieser nicht nur unter Kommunalpoli- NATO-Stützpunkts hat für die Stadt nicht nur eine stehen bereits sechs weitere Personen ( in ganz tikern heftig umstrittenen Gesetzesänderung wäre politische Bedeutung, sondern wird sich auch positiv Polen), so dass die nächste Organübertragung schon auch der für die Stadt bisher äußerst erfolgreich auf die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwick- fest eingeplant ist. tätige – und der PO angehörende – Stadtpräsident lung auswirken. Rafał Bruski betroffen, da er sich bereits in seiner BALDIGES ENDE DER AMTSZEIT ? Die Warschauer zweiten Amtsperiode befindet. Das Gesetzesvorha- Regierung plant, die Amtszeit bei Inhabern kommu- ben wird daher auch in Bromberg noch zu einigen naler Spitzenämter wie Stadtpräsidenten, Landräten Diskussionen führen. Ulrich Bonk

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essiert sind. Ein tre endes Beispiel für solche Bemühungen war in die- Kultur-Informatione sem Jahr ein Vortrag von Dr. Mariusz Owsiński vom Stutthof-Museum, der am . Februar im Historischen Weichselwerder- Park eindrücklich aus dem »Land am ee« über »Das Ende von Tiegenhof« gesprochen hat. D  R    F  B     Dank einem Projekt des Historischen Museums der Stadt Danzig ist seit kurzem eine Vielzahl von Digitalisaten online zugänglich. Im Rah- P   –      men eines vom Ministerium für Kultur und nationales Erbe mit nan- Auf den . Februar hatte das Danziger Kulturzentrum Stacja Orunia zierten und in der Zeitspanne vom Oktober bis zum Dezember  zum Geburtstag von Arthur Schopenhauer eingeladen. Der berühmte durchgeführten Projekts wurden mehr als . Objekte digitalisiert Jubilar hätte an diesem Tag sein . Lebensjahr vollendet. Das Charak- und auf einem speziell zu diesem Zweck eingerichteten Internetpor- terbild und das Scha en Schopenhauers wurde von einem Philosophen, tal – http://dziedzictwo.pomorze.pl – zur Verfügung gestellt. Geboten Dr. habil. Romuald Piekarski, sowie von der Jugendschri stellerin Anna werden zum einen alte Fotos von Danzig, Zoppot und der Umgebung. Czerwińska-Rydel nähergebracht. Czerwińska-Rydel ist die Schöpferin Sie zeigen sowohl Bauten, Denkmäler und architektonische Details als einer Kinderbuchreihe, die junge Leser mit berühmten Personen wie auch Personen (z. B. aus einem Fotoalbum des schwedischen Konsuls in Fryderyk Chopin, dem Schri steller Józef Ignacy Kraszewski, Maria Danzig). Neben der Bildersammlung gibt es zum anderen die Kategorie Skłodowska-Curie oder Janusz Korczak vertraut macht. Einen beson- der Bernsteinsammlung. Diese Abbildungen erfassen vor allem künst- deren Platz räumt die Autorin berühmten Danziger Persönlichkeiten lerische Objekte, die u. a. von der staatlichen Manufaktur in Königsberg ein. Hier wäre z. B. Konstanze Zierenberg (Konstancja Czirenberg) zu hergestellt wurden. Das Portal ist ein Pilotprojekt. Deshalb ist die Sei- nennen, eine außergewöhnlich schöne, begabte und gebildete Frau, die te noch ganz schlicht gestaltet : Eine Suche nach Titeln oder Schlüssel- von  bis  lebte und die vor allem als Sängerin berühmt war. Da- wörtern ist bislang noch nicht möglich. Das Museum ho jedoch, in neben stellte sich Anna Czerwińska-Rydel auch die keineswegs leich- diesem Jahr zusätzliche Geldmittel einzuwerben und damit dann die te Aufgabe, Jugendliche in die pessimistische Weltsicht Schopenhauers Homepage ausbauen zu können. Bedauerlich ist allerdings, dass etliche einzuführen. Ihre an junge Menschen gerichtete Biographie des Danzi- Objektbeschreibungen – insbesondere bei den deutschen Angaben – ger Philosophen erschien  unter dem Titel Życie pod psem według sprachlich fehlerha sind. Artura Shopenhauera [Das Hundeleben nach Arthur Schopenhauer]. – Auch der Ort, an dem die Geburtstagsfeier stattfand, war nicht zufällig N  A   S gewählt : An das Grundstück, auf dem sich heutzutage das Kulturzen- trum be ndet, grenzte im . Jahrhundert das Gut, das Schopenhauers Großvater gehörte. Erhalten geblieben sind Überreste der schönen, gro- ßen Parkanlage, in der der Philosoph vermutlich als Kind spielte. Wie man der Homepage des Kulturzentrums entnehmen kann, bemüht sich das Institut, die Familientraditionen des Hauses Schopenhauer fortzu- setzen, das für alle Gäste o en war und in dem das kulturelle und intel- lektuelle Leben orierte. Den Gästen wurden übrigens neben den Re- feraten melancholische Musikeinspielungen und der speziell gemixte Drink »Weltschmerz« angeboten. Sie selbst brauchten, wie die Veran- stalter der Geburtstagsparty hervorhoben, ihrerseits keine Geschenke mitzubringen.

D  U      W  In den ersten Monaten eines jeden Jahres wird in den Städten des ehemaligen Ost- und West- Vor dem Vergessen bewahren [Ocalone od zapomnienia] lautet der Ti- preußen die Erinnerung an die tel einer neuen Sonderausstellung des Regionalmuseums in Schlochau Weichsel- Oder-Operation wach. (Człuchów), in der Neuerwerbungen aus den Jahren  bis  prä- Bis zur politischen Wende muss- sentiert werden. Unter den Exponaten be nden sich beispielsweise Mi- ten die Jahrestage, an denen die litaria, Zinnwaren oder regionale Erinnerungsstücke wie Postkarten. Rote Armee die einzelnen Orte Das Museum setzt die Tradition des Schlochauer Heimatmuseums aus erobert hatte, als Befreiung be- der Vorkriegszeit fort, indem es sich vor allem mit der Geschichte der jubelt werden, und selbstver- Stadt und des Kreises beschä igt. Dazu gehören wertvolle archäologi- ständlicher Weise wurden auch sche Zeugnisse aus der vorchristlichen Zeit bis zum Mittelalter wie auch stets das Heldentum der russi- die materielle Kultur der kaschubischen Einwohner. Seit  hat das schen Soldaten und die »brü- Museum seinen Sitz in den restaurierten Innenräumen des Schlochauer derliche Freundscha « zwischen Schlosses, dessen Geschichte bis ins . Jahrhundert zurückreicht und der Volksrepublik Polen und der das die – nach der Marienburg – zweitgrößte Burganlage des Deutschen Sowjetunion betont. Inzwischen Ordens gewesen ist. Die Sonderausstellung ist noch bis zum . April ge- können diese Ereignisse allerdings viel unbefangener und tiefergreifend ö net. ❧ Joanna Szkolnicka re ektiert werden. Statt der obligatorischen Schulfeiern und Festappelle werden nun Vorträge und Diskussionen organisiert, die an den konkre- ten historischen Vorgängen und an vorurteilsfreien Sichtweisen inter-

Der We preuße 3/2017 13 14 Der We preuße 3/2017 GESCHICHTE UND KULTUR E   B (–) – Wissenschaler, Nobelpreisträger, Unternehmensgründer aus Hansdorf, Kreis Rosenberg

Von Ulrike Enke »In den Tagen vor der Preisverleihung lag eine gewisse Spannung in der Lu. Die Namen der Gewinner wurden geheimgehalten – sie waren nicht, wie heute, schon Monate im voraus bekannt gegeben worden. Als drei vornehme deutschsprachige Herren mit dem Zug aus dem Süden anreisten und zum Grand Hotel gebracht wurden war klar, daß dies die Gewinner sein mußten. […]. Die Preise wurden in der großen Halle der königlich-schwedischen Musikakademie in Nybroviken vergeben. […] Dann traten die drei Preisträger ein […]. Zuerst kam der stattliche Deutsche Wilhelm Kon- rad von Röntgen mit seinem langen dunklen Professorenbart, dann der lächelnde, blonde, glattrasierte Däne Jakobus Hendricus van tHo, ge- folgt von dem eleganten deutschen Medizinpreisgewinner Emil Adolf von Behring.«

Der hier zitierte Augenzeugenbericht von der allerersten Nobel- preisverleihung aus dem Jahre  stammt von dem damals -jäh- rigen Studenten Folke Henschen (–), dem späteren Professor am Karolinska-Institut Stockholm und Vorsitzenden des medizinischen Nobel-Komitees. Ganz Stockholm muss von einer gleichermaßen erwartungsvollen wie festlichen Atmosphäre erfüllt gewesen sein, und man kann vermu- ten, dass sich auch die Preisträger in einer dem besonderen Anlass ange- messenen Stimmung befanden. Emil von Behring, der unter einem klei- nen Kreis ernstzunehmender Konkurrenten ausgewählt worden war, Universität Marburg Universität erhielt den Medizinnobelpreis für seine anwendungsbezogenen For- schungen zur Diphtheriebekämpfung, oder wie es auf der Preis urkunde auf Schwedisch heißt, »für seine Arbeiten betreend die Serumtherapie und besonders deren Anwendung gegen Diphtherie.« - Philipps Nachlass, Die Preisverleihung im Dezember  bildete den Höhepunkt einer außerordentlich erfolgreichen Periode in Behrings Leben. Bereits 

© Behring - war er mit dem wichtigen Prix Alberto Levi zur Erforschung der Diph- Portrait Emil von Behrings therie ausgezeichnet worden ; seitdem war er nicht nur zum Ehrenmit- vor der Nobelpreisverleihung () glied angesehener deutscher Gesellschaen wie der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellscha in Frankfurt am Main und dem Verein für Innere Medizin in Berlin ernannt worden, sondern hatte auch internati- onale Würdigungen in Form von Ehrenmitgliedschaen erfahren – so bei der Gesellscha der Kinderärzte der Universität Moskau, der Kaiser- lichen Ärztegesellscha zu Wilna, der Königlichen Italienischen Gesell- scha für Hygiene und der Société Impériale de Médecine de Constantino- ◀ Rechtes Blatt der Urkunde über die Verleihung ble. Zudem wurde er am . Januar  anlässlich des . Jahres tages des Nobelpreises für Medizin an Emil von Behring der Erhebung Preußens zum Königreich von Kaiser Wilhelm II. in den (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Pharmaserv GmbH & Co. KG, Marburg) erblichen Adelsstand erhoben.

HERKUNFT, JUGEND UND STUDIUM Alle diese mit hohem gesellschalichem Renommee verbundenen Auszeichnungen waren dem Wissenschaler wahrlich nicht in die Wie- ge gelegt worden. Der am . März  geborene Emil wuchs in den bescheidenen Verhältnissen eines Dorfschullehrerhaushalts im dama- ligen Hansdorf in Westpreußen (heute Ławice) auf. Die Menschen in Hansdorf und den umliegenden Siedlungen lebten von Ackerbau und Feldarbeit ; das Lehrergehalt war knapp und wurde zum Teil in Natu- ralien ausgezahlt. Als Behrings Vater August  seine Stelle im Dorf antrat, bestand sein Einkommen aus  Morgen Landnutzung, einigen

Der We preuße 3/2017 15 Links: Album mit dem wieder aufge- bauten Schulhaus in Hansdorf. Das Schulhaus war in den er Jahren abgerissen und vergrößert wieder- errichtet worden. (Das Fotoalbum stammt aus den späteren er Jahren, in denen der Kreis Rosenberg noch »Zollgrenzbezirk« war.)

Rechts: Behrings Mutter Augustine Behring, geb. Zech (–)

© Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg

Scheeln Getreide und  Talern pro Jahr, die später auf  Taler auf- che Orgelbegleitung in der Kirche gehörte schließlich zu den Aufgaben gestockt wurden. ( Taler entsprachen in Behrings Geburtsjahr, , der Dorfschullehrer. Schwester Emma berichtet ihrem Bruder Albert einer Kaura von .  Euro.) Aus den Familienbriefen wissen wir aus Berlin vom geplanten Besuch »englischer und französischer Stun- zudem, dass die Familie auch Kühe hielt. Emil war das füne von drei- den« oder den Karten für Adolphe Adams Komische Oper Der Postillon zehn Kindern, das erste Kind seiner Mutter Augustine, die der Vater von Lonjumeau. nach dem Tod der ersten Ehefrau geheiratet hatte. Der Bildungsgang eines begabten Dorfschullehrerkindes sah entwe- Doch von einem Prekariat nach soziologischen Kategorien kann der wiederum den Lehrerberuf oder aber als höchste Aufstiegsmög- nicht gesprochen werden. Die Familie war zwar arm an materiellen lichkeit den Beruf des Pfarrers vor. Ab Oktober  besuchte Behring Reichtümern, aber beide Eltern entstammten Lehrerfamilien, hatten in- sieben Jahre lang das Gymnasium in Hohenstein (Olsztynek), das im- nerhalb der dör ichen Gemeinscha ein gewisses Ansehen und konn- merhin  km von seinem Dorf entfernt war. In Hohenstein war er nicht ten ihren Kindern eine Basisbildung mitgeben. Man hatte Zugang zu der einzige »Auswärtige«, die Schulchronik verzeichnet immer wie- Büchern und Musik. Fünf der Geschwister wurden ebenfalls Lehrer der auch Schüler aus dem Kreis Rosenberg, aus dem Behring stammte. oder heirateten Angehörige dieses Berufes. In den bis heute erhaltenen Ob die frühe Entfernung vom Heimatort auch mit einer Entfremdung Familienbriefen tauscht man sich beispielsweise intensiv über neue Or- von der Familie einherging, können wir nicht sagen, aus der Schul- geln und Orgelwerke für den Sonntagsgottesdienst aus ; die sonntägli- und Studienzeit sind keine Briefe erhalten. In Behrings Abiturjahr  vermerkt die Schulchronik als Berufsziel des -jährigen Hans- dorfers etwas unbestimmt »Philologie«. Weshalb der Abiturient sich dann kurzer hand für das Medizinstudium entschied, kann im Nachhi- nein nicht mit Sicherheit gesagt werden. Anekdoten, wie sie beispiels- weise (etwa ) in der in Königsberg erscheinenden Preußischen Zei- tung abgedruckt wurden, erzählen von der »Vorsehung« in Gestalt des Oberstabsarztes Dr. Blumensath, der »bestimmend auf das Schicksal des jungen Studenten« eingegrien habe. Sozusagen auf dem Weg in Richtung eologie studium in Königsberg habe eine Fügung Behring mit dem Neen des Pfarrers Leipolz aus Raudnitz zusammen gebracht, und Blumensath habe Behring auf die Möglichkeit eines Studiums an der Militärärztlichen Akademie in Berlin hingewiesen. So nahm dann das Schicksal seinen Lauf ! Tatsächlich bot die Pépinière, das »Medicinisch-chirurgische Fried- rich-Wilhelm-Institut« in Berlin, dem jungen Behring die Chance eines kostenlosen Medizinstudiums. In dem Institut wurden die preußischen Militärärzte ausgebildet, das unentgeltliche Studium war jedoch ver- bunden mit der Verp ichtung zu einer achtjährigen Dienstzeit als Mi- litärarzt. Das Studium verlief nach Plan. Bereits nach vier Jahren, , leg- Universität Marburg Universität te Behring seine medizinische Promotion über Neuere Beobachtungen über die Neurotomia opticociliaris vor, eine theoretische, auf Protokollen aus der Augenklinik der Berliner Charité basierende Arbeit. Gewidmet ist sie den »theuren Eltern in Liebe und Dankbarkeit«. - Philipps Nachlass,

DER »RETTER DER KINDER« UND SEINE ERFOLGE AM MARKT

© Behring - Weg von Chirurgie und Augenheilkunde wandte sich der junge Arzt schon bald seinem Lebensthema, der Bekämpfung von Infekti- Emil von Behring als junger Militärarzt, um . Fotograf: J. Lawitzky onskrankheiten und der damit verbundenen Frage von angeborener und erworbener Immunität zu. Begegnet war er der von ansteckenden Krankheiten ausgehenden tödlichen Bedrohung bereits in seinem letz-

16 Der We preuße 3/2017 GESCHICHTE UND KULTUR

Den überragenden Erfolg Emil von Behrings belegt die eindrucksvolle Diphtherie-Sterblichkeitskurve der Jahre  bis . Neben der Verleihung des Ehrentitels »Retter der Kinder« dokumentierten zahlreiche persönliche Anschreiben von Eltern, deren Kinder an Diphtherie erkrankten und geheilt werden konnten, zudem die große internationale Popularität des Forschers.

»Sterblichkeit an Diphtherie in deutschen Städten über . Einwohner, auf . Lebende berechnet (nach H. Kossel)« © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg Philipps-Universität © Behring-Nachlass, Marburg Philipps-Universität © Behring-Nachlass, »Behring – der Retter der Kinder« [undatiert] Schreiben der achtjährigen Irene Gutzmer aus Jena mit einem herzlichen Dank an den »Onkel Behring, dessen Serum« sie »geheilt hat« . ten Schuljahr, als sowohl in Hohenstein als auch in Hansdorf eine Cho- lera-Epidemie grassierte, der auch zwei Mitschüler zum Opfer  elen. Nach Abschluss des Studiums führte die militärärztliche Tätigkeit Behring nach Wohlau, Posen, Winzig und Bojanowo, danach zu einem Forschungsaufenthalt in das Pharmakologische Institut der Universität Bonn.  wurde er an das Hygienische Institut der Universität Berlin, das von dem bekannten Bakteriologen Robert Koch (–) geleitet wurde, abkommandiert. Hier gelang es ihm gemeinsam mit dem japani- schen Gastwissenscha ler Shibasaburô Kitasato, ein Heilmittel gegen die Diphtherie zu entwickeln, das zunächst an Tieren getestet und ab  mit großem Erfolg bei der Behandlung diphtheriekranker Kinder ein- © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg gesetzt wurde. Neben der Cholera, den Masern, der Tuberkulose und der Ruhr war es die Diphtherie, die erschreckend hohe Sterbezi ern aufwies. Allein in Preußen starben von  bis  jährlich durch- schnittlich . Säuglinge und Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren an Diphtherie oder »häutiger Bräune«. Bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren war die Diphtherie die häu gste Todes ursache. Als die in Höchst am Main ansässigen Farbwerke auf das von Behring entwickelte Diphtherieheilserum aufmerksam wurden, boten sie dem jungen Wissenscha ler eine  nanziell äußerst lukrative Zusammenar- beit an, die er ohne zu zögern annahm. Bereits im August  kam das seinen Namen tragende »Diphtherie-Heilmittel dargestellt nach Behring Ehrlich« auf den Markt, das in unterschiedlichen Stärken bezo- © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg gen werden konnte. Etiketten von »Behring’s Diphtherie-Heilmittel« Für die  gegründeten Farbwerke, die zunächst schwerpunktmä- verschiedener Stärke ßig Teerfarben hergestellt hatten, bedeutete die Investition in pharma-

Der We preuße 3/2017 17 zeutische Produkte die Erschließung neuer Märkte, die mit der Ho - nung auf größere Gewinne verbunden war. Der Vertrag von  bot Lieber Emiel! Behring eine Gewinnbeteiligung von zunächst fünfzig Prozent. Schon Für deinen lieben Geburtstagswunsch meinen herzlichen Dank. Das im ersten Produktionsjahr erhielt er . Mark, eine Summe, die Geschenk hat ja mich auch mancher Sorgen überhoben, aber hast du dich dem fachen Jahresgehalt eines Universitätsprofessors entsprach. Zu- nicht Entbehrungen deswegen auferlegen dürfen, von Hermann erfuhr ich, dem richteten die Farbwerke  für Behring ein privates Serumfor- das du schon für Bernhard  Mark geschickt hast […]. schungsinstitut auf dem Marburger Schlossberg ein, für welches er Nun danke ich dir auch herzlich für das schöne Geburtstagsgeschenk, Gott jährlich . Mark zum Unterhalt sowie zur Finanzierung externer der Herr wird es dir reichlich vergelten, und deine Ferien wirst du doch bei Mitarbeiter bezog. Im Gegenzug verp ichtete sich Behring, auch zu- uns zubringen, wir alle bitten dich darum, auch Biebers, es ist so herrlich kün ige Forschungsergebnisse Höchst zur Verfügung zu stellen – ein schön, in Berlin, kanns nicht schöner sein als jetzt in unserem Garten, die Punkt, der in den Folgejahren zu ausgedehnten Streitigkeiten zwischen vorige Nacht kalbte uns eine Kuh, und da waren Albert und ich auf, aber es den Parteien führen sollte bis hin zum Bruch, was  in die Grün- war wirklich zu schade wieder zu Bette zu gehen. dung des Marburger Behringwerks mündete. Von Frau Hintze hörte ich, das Du sehr angegri en bist, und Erholung dir Im Frühjahr  stiegen Bremer Kaufleute und Bankiers als Geld- sehr noth thut, daher nochmals, komme zu uns wir alle haben ja dich sehr geber und Aufsichtsratsmitglieder in das Marburger Behringwerk ein, lieb, Albert und Emma [haben] schon alles zu deiner Aufnahme [bereitet]. das nun als GmbH  rmierte und den Namen Behringwerke Bremen und Von uns werde ich schon nichts schreiben, denn ho entlich wirst du doch Marburg trug. Bald nach Kriegsbeginn machten die Behringwerke ihren recht bald hier eintre en, bitte uns nur vorher Nachricht zu geben, Hauptumsatz nicht mehr durch die Produktion des Diphtherieheilse- mit dem Wunsche auf Wiedersehn rums, sondern durch den Verkauf eines Tetanusserums, das während Deine Mutter des Ersten Weltkriegs an der Front bei der Behandlung verletzter Sol- A. Behring daten zum Einsatz kam. Ausgezeichnet von Kaiser Wilhelm mit dem Augustine Behring an ihren Sohn Emil Behring, um  Eisernen Kreuz, erhielt Behring nun nicht nur den Ehrentitel »Retter © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg der Kinder«, sondern auch den des »Retters der Soldaten«.

DAS LEBEN EINES WELTLÄUFIGEN MANNES Dank der Zusammenarbeit mit den Farbwerken in Höchst und durch den Au au eines eigenen pharmazeutischen Werks war der Hansdor- fer Lehrersjunge zu einem reichen Mann geworden, der seinen Wohl- stand auch nach außen hin zeigte – etwa durch ein besonders gestaltetes Briefpapier, auf dem er mit Stolz seine äußerst großzügige Marburger Villa im italienischen Stil präsentierte. Er unternahm mehrere Kreuz- fahrten, die überhaupt erst seit wenigen Jahre von der HAPAG ange- boten wurden, verkehrte in regierungsnahen Kreisen und knüp e Kontakte zu Industriellen, die er bei seinen Auslandsaufenthalten ken- nenlernte. Einerseits geschätzt als brillanter, gebildeter und liebenswür- diger Gesellscha er, war er andererseits wegen seiner Unbeugsamkeit bei geschä lichen Verhandlungen und wissenscha lichen Auseinan- dersetzungen in »Prioritätsfragen« gefürchtet und wurde auch von ehe- maligen Freunden gemieden. Geld, unternehmerischer Ein uss und die wissenscha liche Aner- kennung in der ganzen Welt trugen dazu bei, dass Behring sich mehr und mehr von seiner sozialen und geographischen Herkun entfernte. Zur Beerdigung der eigenen Mutter, die im Januar  starb, reiste er nicht nach Hansdorf, angeblich verhindert durch eine eigene Erkran- kung. Zu einzelnen Geschwistern, insbesondere zu Emma, die ihm vor seiner Heirat für mehrere Jahre den Haushalt in Berlin und später in Marburg führte, und zu Bertha, die den Lehrer Hermann Bieber gehei- ratet hatte – wie auch zu deren Sohn Walter, der selbst Medizinprofes- sor wurde und während seiner Ausbildung einige Zeit in Marburg ver- brachte – hielt er losen Kontakt. Die Begegnungen fanden aber nicht in der westpreußischen Heimat, sondern in Berlin oder Marburg statt, wo seine Ehefrau Else von Behring (–) ein gastliches Haus führte. Tatsächlich bildete die neue Familie den privaten Mittelpunkt seines Lebens. Sie bestand aus Else von Behring, mit der er seit  verheira- tet war und mit der er sechs Söhne hatte, und seinen Schwiegereltern Elise und Bernhard Spinola, letzterer der Verwaltungsdirektor der Cha- rité mit Beziehungen zum Hof. Die nur unwesentlich ältere Schwieger- mutter nannte er zärtlich »Mama« und unterschrieb seine Briefe mit © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg »Emilchen«. Behrings Marburger Briefpapier mit seiner Villa , Die unbestreitbar beeindruckende Persönlichkeit Behrings zeichnet hier mit einem Brief an seinen Arzt Rudolph einer von dessen Weggefährten, der Kinderarzt Otto Heubner (– von Hoesslin vom . Mai   ), in seinen Erinnerungen mit klaren Worten nach. Heubner, der

18 Der We preuße 3/2017 GESCHICHTE UND KULTUR Universität Marburg Universität - Philipps Nachlass, © Behring -

Trauerfeier für Emil von Behring in der Alten Aula der Universität Marburg

in Leipzig und in Berlin als Professor für Kinderheilkun- de arbeitete, hatte Behrings Forschung und die Anwen- dung der Se rumtherapie fast von Anfang an begleitet. Er publizierte unermüdlich über die segensreiche Wirkung des Diph therieheilserums und hielt auf internationalen Kongressen Vorträge zum ema. In seinen Erinnerun- gen widmet er eine Seite auch dem Hansdorfer Serum- forscher. Dort heißt es : Behring war einer »der interessantesten Menschen, die mir in meinem Leben begegnet sind [...]. Er war ein glänzender analytischer Kopf, dessen kühne Ideen von streng mathematischer Anschauung beherrscht waren. Von mittlerer Größe und soldatischer Haltung (als wir uns kennenlernten, war er noch Stabsarzt) machte der rötlichblonde Mann sofort bei der ersten Begegnung den Eindruck eines auf sich selbst stehenden Forschers. Sein helles Auge mit durchdringendem, zuweilen et- was stechendem Blick gewann bei der Diskussion, die sich sofort beim persönlichen Verkehr entspann, einen äußerst beherrschenden Ausdruck. Er stand mit seiner ganzen Denkweise völlig außerhalb jeder Schulmeinung © Behring-Nachlass, Philipps-Universität Marburg und Tradition und pegte dies sogar mit Vorliebe zu be- Das Behring-Mausoleum in Marburg tonen. Dabei war er aber Einwürfen gegenüber nicht absprechend, sondern ging auf sie mit ernstesten Erörterungen ein. Es war ein seltener Genuß für mich, von einem solchen ursprünglichen Forschergenie mit Gedankenreihen überutet zu werden, die mir ganz neue Gesichtskreise eröneten. In seinen Manieren blieb er dabei im- mer ein Kavalier mit vornehmer Attitüde, obwohl er nicht aus beson- ders hochstehenden Kreisen stammte. Er war ein Lehrerssohn. Welchen Kontrast bildete diese geniale Natur mit manchem anderen auch origi- nellen Kopf, der aber das savoir vivre nicht gelernt hatte !« (Otto Heubners Lebenschronik ; von ihm selbst verfaßt und mit seinem Willen nach seinem Dr. Ulrike Enke studierte Germanistik und Biologie in Bonn Tode herausgegeben von seinem ältesten Sohn Wolfgang Heubner. Berlin  , S.  f.) und promovierte in Gießen über die Rezensionstätigkeit des Anatomen Samuel Thomas Soemmerring; gegenwärtig leitet die Medizinhistorikerin das von der DFG geförderte Behring starb am . März  nach langer Krankheit an den Folgen Forschungsprojekt Emil von Behring ( –  ). Person, einer Lungenentzündung. Am . April  wurde er in seinem Mauso- Wissenschaftler, Unternehmer (Behring-Biographie) an der Universität Marburg. Zahlreiche Publikationen zur Medizin- leum auf der Marburger Elsenhöhe beigesetzt. ❧ geschichte Hessens, zu Samuel Thomas Soemmerring sowie zu Emil von Behring als Wissenschaftler und Unternehmer.

Der We preuße 3/2017 19 Auf Antrag des »Fräuleins Johanna Braun« dure am ­. November ˆ‚ In seinen Ausführungen zur in dem Doppelhaus des ehemaligen vornehmen Gasthofes Das Englische Haus „Elbinger Innenstadt heute“ am Friedrich-Wilhelm-Platz / , links vor dem Rathaus, eine zweite private DW / ist Hans-Jürgen höhere Töchterschule erönen. Der pädagogisch kenntnisreichen Elbingerin Schuch aus darstellungstech- Johanna Braun, der Schulvorsteherin, standen mehrere erfahrene Gymnasi- nischen Gründen nicht auf die allehrer, zwei evangelische Prediger und einige Lehrerinnen zur Seite. Das Kaiserin-Auguste- Viktoria- Schulgeld düre ähnlich wie in Stettin und Tilsit einen bis drei Taler pro Schü- Schule eingegangen – was eine lerin und Monat betragen haben. ˆ­ wurde die Elbinger Schulwelt durch die frühere Schülerin in einem Leserbrief ausdrücklich bedauert hat. Diese Einrichtung der Altstädtischen Mädchenmittelschule am Elbinguss ergänzt. enttäuschte Erwartung hat die Redaktion zum Anlass genommen, den Nach intensiven Verhandlungen des Magistrats mit Johanna Braun über- Autor als Ergänzung des früheren Überblicks um eine ausführlichere nahm die Stadt im Sommer ˆ€ die Höhere Töchterschule mit ‡‡ Schüle- Schilderung der speziellen Schul- und Gebäudegeschichte zu bitten. rinnen. Johanna Braun trennte sich nach ƒ Jahren von ihrem erfolgreichen Lebenswerk und zog sich vorzeitig in den Ruhestand zurück. Sie war in der Stadt sehr angesehen, der Magistrat hatte sie immer unterstützt, und die Schülerinnen hatten ihre Schulvorsteherin verehrt. Die Stadtverordnetenver- sammlung hatte mit der Umwandlung der Privatschule in eine höhere öent- Die Kaiserin- liche Töchterschule auch den Kauf des Schulgebäudes beschlossen und den naturwissenschalich und philosophisch ausgebildeten Dr. Rudolph Schmidt Auguste-Viktoria- zum Schulleiter gewählt. Auch die andere Privatschule für höhere Töchter war inzwischen geschlossen worden. Seitdem gab es nur noch die städti- sche Schule. Schule in Elbing Am . Oktober ˆ€ wurde die Schule als städtische Höhere Töchterschule erönet. Dem Schulleiter standen elf Lehrkräe zur Seite : sechs Lehrer und fünf Lehrerinnen. Die nun ƒ Schülerinnen besuchten sechs aufsteigende Von der Privatschule zur städtischen Klassen, bald waren es acht Jahreskurse. Da die Zahl der Schülerinnen in den und zur staatlichen Schule Folgejahren stark anstieg, sorgte die Stadt für einen eindrucksvollen Neubau, der in den Jahren ˆ‡ˆ–ˆ†€ am Kleinen Lustgarten, an der Ecke Altstädti- sche Wallstraße ‡–† / Poststraße, gebaut und ˆ†€ festlich eingeweiht wurde. Inzwischen war die Zahl der Schülerinnen auf ­‡­ angestiegen. Es gab neun aufsteigende und drei Parallelklassen. Das €. Schuljubiläum wurde am . Oktober ˆ†† gefeiert. Bei der Berech- nung wurde die Übernahme der Schule durch die Stadt zugrunde gelegt. Zu einer besonderen Jubelfeier wurde der Festakt zum €ƒ-jährigen Bestehen als »städtische höhere Mädchenschule«, denn zu dieser Gelegenheit über- brachte Oberbürgermeister Heinrich Elditt nicht nur die Glückwünsche des Magistrats, sondern konnte zudem die Nachricht übermitteln, dass Kaiser Wilhelm II. ihm mit Schreiben vom . September  ƒ die Genehmigung mitgeteilt habe, dass die »städtische höhere Mädchenschule in Elbing, Regie- rungsbezirk Danzig, den Namen Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin« künig tragen dürfe : Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule. Seitdem stand dieser Name bis  ­€ in Goldlettern über dem Schulpor- tal. Die Kaiserin besuchte mehrmals die Schule, wenn sie in das von ihr sehr Das Hauptgebäude der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule geliebte Cadinen fuhr. So manch einen Blumenstrauß konnte die Namenspa- am Kl. Lustgarten (). Im Mitteltrakt befindet sich tronin von den Schülerinnen entgegennehmen. im Obergeschoß die Aula, darunter der Haupteingang. Sieben Jahre später,  ƒ , wurde die Schule als höhere Lehranstalt aner- kannt und als Vollanstalt (Höhere Mädchenschule mit Lyzeum) der Höheren Knabenschule gleichgestellt. Die Höhere Töchterschule hatte sich zu einem ie einstige Ordens- und Hansestadt Elbing war eine Schulstadt mit Lyzeum entwickelt. Ab   wurde die Schule nur noch Lyzeum genannt, Tradition. Die Söhne der wirtschalich gut gestellten Familien hat- und das Höhere Lehrerinnenseminar hieß seitdem Oberlyzeum. Dem Ober- ten die Möglichkeit, das bereits €‚€ vom Rat der Stadt gegründete lyzeum waren eine Seminarklasse sowie eine Frauenschule angeschlossen. Gymnasium – das Athenaeum Elbingense – zu besuchen. Für die Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang der Schülerinnenzahl war diese DTöchter dieser Familien gab es bis zum Ende des ˆ. Jahrhunderts keine gleich- bald wieder angestiegen. Um  ƒ wurde der bis dahin aus  Personen beste- wertige Bildungseinrichtung. Sie wurde – nicht nur in Elbing – gar nicht ver- hende Lehrkörper einschließlich des Direktors auf ‚ Lehrerinnen und Leh- misst. Die Kommunen stellten dafür keine Mittel zur Verfügung, und diese rer erweitert. Einstellung hielt sich lange, sogar als die Lücke im Bildungssystem zuneh- Die größer gewordene Mädchenschule benötigte auch mehr Klassen und mend deutlicher wurde. sonstige Räume. Daher wurde in den Jahren  –  ein Erweiterungsbau In dieser Situation traten zunächst private höhere Töchterschulen auf den geschaen. Es handelte sich um einen Anbau auf der linken Seite der Post- Plan. In Elbing entstand die erste davon ˆƒ. Andere kleine Anstalten »für straße. Er war ‚‡ Meter lang und zwölf Meter tief, enthielt elf Klassenzim- die gutsituierten Bürgerkreise« folgten. Zeitweise boten mehrere Privatschu- mer, einen Zeichensaal, einen Physik- und einen Chemieraum, eine Dun- len nebeneinander ihre Dienste an. Im Jahre ˆ‚ gab es aber nur noch eine kelkammer und andere Nebenräume. An diesem Klassenbau wurde in der sogenannte Höhere Töchterschule. Alle anderen waren eingegangen. Zudem Poststraße auch eine ƒ Meter lange und zwölf Meter breite Turnhalle mit bestanden inzwischen allerdings einige normale Volksschulen. u. a. zwei Umkleideräumen angebaut.

20 Der We preuße 3/2017 GESCHICHTE UND KULTUR

hörens-, sehens- und wissenswert

GASTEIG  KULTUR FÜR MÜNCHEN Mi, . März, . Uhr Vortrag Dr. Jürgen Zarusky: „Geschichte, die noch qualmt“ – Erinnerungskonflikte in Europa Anmeldung mög- lich unter www.mvhs.de (Gasteig-Kultur für München, Vortragssaal der Bibliothek, Rosenheimer Str. ,  München – www.gasteig.de)

MUSEUM SCHLOSS FELLENBERG So, . März, . Uhr Lesung mit Hans Bollinger aus seinem Buch Unterwegs in Polen – Eine Liebeserklärung an ein unterschätz- tes Land (Museum Schloss Fellenberg, Torstraße a,  Merzig – www.museum-schloss-fellenberg.de)

DEUTSCHES POLENINSTITUT  DARMSTADT Mi, . März, . Uhr Lesung mit Matthias Kneip: Reise in West- Die Schule vor der Renovierung () polen. Orte, die Geschichte erzählen, im Rahmen der Reihe Quo Vadis Polonia? Polen, Deutschland und Europa im Fokus (DPI, Vortrags- Mit der Lehrerbildungsreform in Preußen wurde  ‡ auch das Lehrerinnenseminar saal, Residenzschloss, Marktplatz ,  Darmstadt – an der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule in Elbing geschlossen. Die letzte Lehrerinnen- www.deutsches-polen-institut.de) prüfung fand  ‡ statt, und zeitgleich die erste Abiturprüfung. Es kam dem Abitur an der Oberrealschule gleich. Aus dem bisherigen Lyzeum wurde das Oberlyzeum. Eine MARTINOPITZBIBLIOTHEK MOB  HERNE wieder neue Änderung erfolgte  ‚†. Aus dem Oberlyzeum wurde die Oberschule für Do, . März, . Uhr Buchvorstellung Wolfgang Rothe: Zur Mädchen mit dem Zusatz »sprachliche Form«, und  ‚ˆ trat parallel dazu der Typus der Siedlungsgeschichte von Preußisch-Litthauen am Beispiel der Oberschule für Mädchen in der »hauswirtschalichen Form«. Die Frauenschule wurde Region des Kirchspiel Tollmingkehmen und Umgebung (MOB, abgeschaŠ. Die Bezeichnungs- und Namensvielfalt führte dazu, dass die Elbinger mal Berliner Platz ,  Herne – martin-opitz-bibliothek.de) vom Lyzeum, dann vom Oberlyzeum oder von der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule sprachen (wobei der zweite Vorname auch gelegentlich »Victoria« geschrieben wurde). GÜNTER GRASSHAUS  LÜBECK Alle drei höheren Schulen in der Stadt Elbing waren Gründungen bzw. Übernahmen Fr, . März, . Uhr Spaziergang NeuLand. Flucht, Vertrei- der Stadt : €‚€ das Gymnasium, ˆ­ (ˆ‚†) die Heinrich-von-Plauen-Schule (Ober- bung & Exil bei Günter Grass und Willy Brandt (Günter Grass-Haus, schule für Jungen) und ˆ€ (ˆ‚ ) die Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule (Oberschule Glockengießerstraße ,  Lübeck – grass-haus.de) für Mädchen). Das Gymnasium wurde ˆ­† vom Königreich Preußen übernommen, die Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule übernahm  ‚ der Freistaat Preußen. Nur die POLNISCHES INSTITUT  LEIPZIG Heinrich-von-Plauen-Schule blieb städtisch. Die Verstaatlichung des damaligen Oberly- Fr, . März, . Uhr Antoni Libera: Toccata C-Dur, Buchvorstel- zeums brachte der Stadt in der wirtschalich sehr schwierigen Zeit um  ‚ƒ eine erheb- lung mit dem Autor und Andriy Tsygichko (Klavier) (Polnisches liche, wenn auch keine vollständige Entlastung. Die städtischen Zuschüsse wurden deut- Institut, Markt ,  Leipzig – leipzig.polnischekultur.de) lich gemildert. Betrug der Zuschuss  ‚ƒ noch ‚ƒ.ƒƒƒ RM, sank er  ‚ auf .†ƒƒ RM. Allerdings hatte die Stadt vor der staatlichen Übernahme noch stark investieren müs- FREUNDSCHAFTSVEREIN TCZEW  WITTEN sen. Bauliche Veränderungen – wie die Vergrößerung des Schulhofs – machte der Staat Di, . März, . Uhr Polenbilder – der deutsche Blick. zur Bedingung für die Übernahme. Zu den Voraussetzungen gehörte auch der Erwerb Eine Veranstaltung des Freundschaftsvereins Tczew – Witten der benachbarten Villa Pamperin. Dort waren eine Wohnung für den Direktor und eine (Lehmkul Buchhandlung am Markt, Marktstr. ,  Witten – andere für den Hausmeister einzurichten. www.lehmkul-witten.de) Im Jahre  ­ fand wieder eine Jubiläumsveranstaltung statt. Das Lehrerkollegium und die Schülerinnen gedachten der eigentlichen Schulgründung durch Johanna Braun OSTPREUSSISCHES LANDESMUSEUM  LÜNEBURG vor ƒ Jahren. Da die Aula kriegsbedingt für den Zivilschutz zur Verfügung gestellt wor- Mi, . März, . Uhr Vortrag Dr. Burkhardt Göres: Das Bern- den war, wurde die Feier in Form eines Elternnachmittags »kriegsmäßig bescheiden« steinzimmer - seine Entstehung in -Preußen und in der Turnhalle gestaltet. Eine Lehrerin rief in einem Vortrag die Schulgeschichte in sein Schicksal (OL, Heiligengeiststraße ,  Lüneburg – Erinnerung, und Schülerinnen boten Stationen der Entwicklung in einer aus vier Sze- www.ostpreussisches-landesmuseum.de nen bestehenden Auührung dar. Der bei der Wehrmacht dienende Oberstudiendirek- tor Bruno Czerwinski war auf Kurzurlaub zur Feier nach Elbing gekommen und hielt INTENATIONALES MARITIMES MUSEUM  HAMBURG eine kleine Ansprache. Do, . März, . Uhr Kapitänsführung Frühe Globalisierung Da während des Zweiten Weltkrieges das Gebäude der Heinrich-von-Plauen-Schule am Beispiel der Hanse (IMM, Koreastraße ,  Hamburg – zeitweise als Notlazarett genutzt wurde, fanden die Schüler und das Lehrerkollegium www.imm-hamburg.de) ebenfalls im Gebäude der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Schule eine Unterkun. Die Räum- lichkeiten wurden von beiden Schulen genutzt, und zwar im wöchentlichen Wechsel, STIFTUNG GERHARTHAUPTMANNHAUS  DÜSSELDORF jeweils in der einen Woche am Vor- und in der anderen Woche am Nachmittag. Die Sa, . April, .–. Uhr Vortrag und Zeitzeugengespräch mit Schülerinnen und Schüler tauschten in den Schulbänken eißig Briefe aus. Die einge- Gerhard Erb: Das Wirken des Danziger Bischofs Carl Maria Splett bauten Tintenfasshalterungen dienten als Brie‹ästen. in Westdeutschland  bis , eine Veranstaltung des Adal- Das Gebäude hat den Krieg überstanden. Dort wurde das polnische Lyzeum Nr.  ein- bertus-Werks, Bildungswerk der Danziger Katholiken im Eichen- gerichtet, und vor wenigen Jahren ist es gründlich renoviert worden. dorff-Saal des GHH (Bismarckstr. ,  Düsseldorf – ■ Text und Bilder: Hans-Jürgen Schuch adalbertuswerk.de)

Der We preuße 3/2017 21 KULTURSTIFTUNG WESTPREUSSEN

BLICK ÜBER DEN ZAUN

Reichenbach Für die deutschen Vertriebenen war in den Jahren des Kalten Krieges nicht an eine Rück- kehr zu denken. Seit 1989/90 eröffneten sich aber neue Möglichkeiten, die in einem zweijährigen For- schungsprojekt erschlossen worden sind. Dessen Ergebnisse werden nun auf Schloss Krobnitz noch bis zum 26. März in der Ausstellung Heimat bleibt – Vertriebene Familien kehren zurück präsentiert. (Schloss Krobnitz, 02894 Reichenbach OT Krobnitz, Am Friedenstal 5 – oberlausitz-museum.de)

Bietigheim-Bissingen Die Städtische Galerie zeigt bis zum 26. März die Ausstellung »Was ich mit mir trage …« Gepäckstücke und ihre Fluchtgeschichten. Dort wird neben beeindruckenden künstlerischen Arbeiten eine vor Ort durchgeführte Recherche do- kumentiert. (Hauptstraße 60-64, 74321 Bietigheim- Bissingen – galerie.bietigheim-bissingen.de)

Haus des Deutschen Ostens – München Bis zum 31. März läuft im HDO die Ausstellung Kann Spuren von Heimat enthalten. Sie verdeutlicht den span- nungsvollen Prozess von Eingewöhnung und Identi- tätserhalt, der das Leben und Arbeiten der Deut- schen aus dem östlichen Europa bestimmt hat, und stellt dabei auch typische Gerichte vor. Eine Anmel- dung über [email protected] ist erforderlich. HDO, Am Lilienberg 5, 81669 München – www.hdo.bayern.de)

Warendorf Der Volksbund Deutsche Kriegsgräber- fürsorge hat eine Schulausstellung mit dem Titel geohen, vertrieben – angekommen !? konzipiert. Sie verdeutlicht Aspekte der Gewaltmigration im 20. und 21. Jahrhundert. Bis zum 31. März macht sie in der Volkshochschule Warendorf Station. (Altes Lehrer- seminar, Freckenhorster Straße 43, 48231 Waren- dorf – www.vhs-warendorf.de)

Ulm Das Donauschwäbische Zentralmuseum veran- staltet eine Ausstellung mit fotografischen Moment- aufnahmen von Dragoljub Zamurović, die Donau- DO, . MÄRZ ,  . UHR: schwaben im südöstlichen Europa heute zeigen. Die Vortrag von Dr. Markus Lörz, dem leitenden Ausstellung trägt den Titel Unter Anderen und kann Kurator des Siebenbürgischen Museums in bis zum 17. April besichtigt werden. (Schillerstraße 1, Gundelsheim, über das Thema: Siebenbürgen, Land 89077 Ulm – www.dzm-museum.de) jenseits der Wälder im Rahmen des Begleitpro- Foto: Siebenbürgisches Museum Gundelsheim gramms zur Sonderausstellung Die Gerufenen. Blick in die Dauerausstellung des Wolfenbüttel Es entstand eine Vielzahl von Luther- Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa Siebenbürgischen Museums Gundelsheim bildern – vom Heiligen und Aufklärer bis zum Für- n der Region im Karpatenbogen leben neben Rumänen auch Ungarn resp. Szekler, Roma und die deutsch- stenknecht und Antichrist –, die zum Teil bis heute sprachigen Siebenbürger Sachsen. – Angeworben durch die ungarischen Könige, kamen ab Mitte des . Jahr- wirksam geblieben sind. Die Ausstellung Lutherma- hunderts deutsche Siedler, vor allem Rhein- und Moselfranken (in der Folge von den Ungarn als „Sachsen“ nia – Ansichten einer Kultgur in der Herzog August bezeichnet), in das Land, das sich zu einer kulturellen und wirtschaftlichen Drehscheibe zwischen Ost und Bibliothek zeigt, dass diese Lutherbilder eine jeweili- West entwickelte.  bis  war Siebenbürgen autonomes Fürstentum unter osmanischer Oberhoheit, ge Herkunft und Geschichte haben, dass sie von der Idanach habsburgisches Kronland.  wurde es wieder Teil Ungarns, seit  Rumäniens. Die politische und sozialen und politischen Lage, von kulturellen Ent- wirtschaftliche Situation nach  bewirkte eine allmähliche, nach  verstärkte Auswanderung der Deutschen wicklungen und Krisen der jeweiligen Zeit geformt aus Rumänien. Von den ca. . Sachsen (vor dem Zweiten Weltkrieg) leben heute nur noch ca. . in Sie- worden sind. Die Ausstellung ist bis zum 17. April zu benbürgen. Seit  erforscht und vermittelt das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim am Neckar, seit sehen und kann unter www.luthermania.de auch  als Landesmuseum für Siebenbürgen, die Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen im Kontext ihres virtuell besichtigt werden. (Lessingplatz 1, multiethnischen Umfeldes. 38304 Wolfenbüttel – www.hab.de)

22 Der We preuße 3/2017 Fernseh-Tipps / Aus unserem Bücherangebot

FERNSEHTIPPS SAMSTAG, 4. 3. DONNERSTAG, 9. 3. DONNERSTAG, 16. 3. MONTAG, 27. 3. 7:05 MDR 23:05 N24 15:00 ZDFinfo 16 Uhr 3sat „Wintertochter“ (Making of zum Film) Die härtesten Gefängnisse der Welt. Rechts, zwo, drei – Driftet Europa ab? Seeleute des Nordens. Der Kapitän 7:30 MDR Piotrkow, Polen (Reportage, GB 2016) (Dokumentarfi lm, D 2016) (Dokumentation, D 2014) Wintertochter (Familienfi lm, D/PL 2011) SONNTAG, 12. 3. FREITAG, 17. 3. 16:30 Uhr 3sat 12:00 ZDFinfo 13:00 Phoenix 7:15 SWR Seeleute des Nordens. Der Maschinist Countdown zum Untergang. Das lange History Live. Flucht und Vertreibung – Brundibár – Eine Kinderoper aus dem (Dokumentation, D 2014) Ende des Zweiten Weltkrieges – ein ewiges Thema (Diskussionssendung, KZ Theresienstadt (Dokumentation) MITTWOCH, 29. 3. Oktober 1944 (Dokumentation, D 2015) D 2017) SAMSTAG, 18. 3. 18:35 Arte 15:45 ZDFinfo 18:32 RBB 13:15 RBB Grenzfl üsse. Die Oder – Von der Quelle bis Countdown zum Untergang. Das lange Kowalski & Schmidt (deutsch-polnisches Warschauer Notizen (Magazin von Griet zur Mündung (Dokumentation, D 2016) Ende des Zweiten Weltkrieges – Journal, D 2017) von Petersdorff, D 2017) DONNERSTAG, 30. 3. März 1945 (Dokumentation, D 2014) 23:50 MDR DIENSTAG, 21. 3. 2:20 ZDFneo 19:30 ZDFinfo Mama arbeitet im Westen. Eine Kindheit 15:00 ZDFinfo Terra X. Schliemanns Erben: Simon Wiesenthal oder in Polen (Dokumentation) Bismarck – Härte und Empfi ndsamkeit Auf der Spur des Prussia-Schatzes „Ich jagte Eichmann“ (Dokumentarfi lm) MONTAG, 13. 3. (Dokumentation) (Dokumentation, D 2008) 22:30 Phoenix 13:00 Phoenix SAMSTAG, 25. 3. 22:05 N24 Er nannte sich Hohenstein. Aus dem Planet Wissen. Spurensuche in Ost- 14:00 HR Panzerschokolade – Crystal Meth bei der Tagebuch eines deutschen Amtskommis- preußen (Magazin, D 2017) Ludwig auf Freiersfüßen Wehrmacht (Dokumentation) sars im besetzten Polen 1940–1942. 14:15 NDR (Komödie, D 1969) FREITAG, 31. 3. (Dokumentation, D, 1994) Ostpreußens Küste – Elche, Sand 16:30 Phoenix 15:15 ZDFinfo SONNTAG, 5. 3. und Seeadler. (Dokumentation) Vergessene Völker. Die Kaschuben Ostpreußens vergessene Schlösser 00:00 Phoenix DIENSTAG, 14. 3. in Polen (Dokumentation, D 2012) (Dokumentation) Drei Frauen aus Poddembice (Dokumen- 14:15 WDR 16:45 WDR SONNTAG, 9. 4. tarfi lm; Angehörige der damaligen deut- Ostpreußens Wälder. Land der Wisente, Tamina auf Ostseekreuzfahrt. Folge 1 16:45 Arte schen Minderheit in Polen sprechen über Wildpferde und Störche (Dokumentation) (Reportage) Metropolis (Magazin, D 2017; darin: Ereignisse, die der vorangegangene Film 19:45 Arte Metropolenreport Stettin – Wiedergeburt „Er nannte sich Hohenstein“ behandelt) 20:15 Phoenix Re: Die Sonntagskrieger – Polens Zivi- einer Stadt) 20:15 MDR Geheimnisvolle Orte. Stettin listen rüsten auf (Dokumentation, D 2016) (Dokumentation, D 2016) Ein Abend für Heinz Rennhack (Show zum MITTWOCH, 15. 3. 80. Geburtstag des Danziger Schauspie- SONNTAG, 26. 3. 22:25 3sat lers, 2017) 18:32 RBB Das bessere Leben (Gesellschaftsdrama, MITTWOCH, 8. 3. Kowalski & Schmidt (deutsch-polnisches F/PL/D 2011) 16:15 3sat Journal, D 2017) 22:40 Arte Frauen, die Geschichte machten. Vier Nächte mit Anna (Thriller, PL/F 2008) Königin Luise (Dokumentation, D 2013)

Geschichte und Geschichten der Stadt am Elbing uss Elbinger Autoren Stadtplan Elbing  Elbing-Abzeichen Elbing – . und Literatur  , Beiträge zum Elbing- aus fünf Jahrhunderten Städtewappen, als Nadel Kolloquium oder Brosche, goldfarben im November  von Alfred Podlech  ,– in Berlin,  S.  ,  S.,  Karten um , Bd.   ,–

Elbinger Heimatbuch. Elbinger Geschichte. Die Straßen Elbings. Meine Heimatstadt Elbing Geschichte und Geschich- Von der Gründung der Zeichnungen und Linol- ten vom Elbing fluss Eine kurzgefasste Stadt- Stadt  bis  drucke nach alten Grafi- geschichte mit Stadt- ken, Fotografien, eigenen von Friedrich Grund- plänen, Bildern von H.-J. Klein, Eindrücken und Original- mann, überarb. u. und Zeichnungen  S., s/w-Abb.  ,– zeichnungen nach , ergänzt von H.-J. Schuch, . Aufl.,  S.  , von Gerhard Liessau,  S.  ,   S.  ,–

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Der We preuße 3/2017 23 Deutsche Post AG Postvertriebsstück Entgelt bezahlt

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H7302 Nr. 3/2017 4. März 2017 ISSN 0043-4418 ZUM GUTEN SCHLUSS

Foto: Rafał Grosch

er Dichter Johannes Bobrowski, dessen Geburtstag sich als Komturei oder Starostei Mittelpunkt größerer Verwaltungseinhei- im nächsten Monat zum . Mal jährt (und an den auch ten gewesen ist. Nach den mannigfachen, im Laufe der Zeit am Turm DW erinnern wird), hat im . Kapitel seines Romans Levins und an der Burg vorgenommenen Veränderungen, die zum Teil auch Mühle lakonisch festgestellt : »Strasburg ist eine langwei- heute noch erkennbar sind, erscheint das Ensemble wie ein »Spei- Dlige Stadt, sagen alle Leute, sogar die Zigeuner.« Danach bemüht cher der Geschichte«. Vom Deutschen Orden und den kriegerischen er sich, diese Einschätzung genauer zu begründen, dabei wird aber Auseinandersetzungen mit Polen und Litauen über die »Schwedische deutlich, dass seine Sichtweise einer gewissen Willkür gehorcht : Er Sintut« bis zur Nutzung als Kaserne haben die Entwicklung und das hat sich entschlossen, Briesen eine größere Bedeutung zuzuerken- Geschick der Stadt dort ihre Spuren hinterlassen. Dabei ist es freilich nen, denn diese Stadt »liegt, was die Straßenverhältnisse anlangt, Friedrich Wilhelm IV. zu danken, dass er, nachdem die Burg schon erheblich günstiger für unsere Geschichte.« Pichtschuldig muss der Ende des . Jahrhunderts als Steinbruch für den Bau von Stadthäu- Autor deshalb auch einräumen, dass Strasburg – »und das haben wir sern genutzt worden war,  die weitere Zerstörung verbot und die bislang verschwiegen« – die Kreisstadt sei. »Kreisgericht, Kataster- Aufnahme von Arbeiten zum Erhalt des Turms anordnete ; und nicht amt, Landratsamt, das alles ist eigentlich für Strasburg bezeugt.« – zuletzt müssen die polnischen Restauratoren Erwähnung nden, die Unabhängig von aller dichterischen Freiheit lässt sich gewiss fragen, den Turm in den  er Jahren einschließlich des oberen Aufsatzes welche westpreußische Kreisstadt in der frühen Kaiserzeit, in der die mit seinen Wappenblenden und dem Zinnenkranz wiederhergestellt Handlung von Levins Mühle angesiedelt ist, nicht »langweilig« gewe- haben. – Dr. Rudolf Birkholz, der langjährige Heimatkreisvertreter von sen sei. Wer heute allerdings die lebendige – und nach Restaurierun- Strasburg, in dessen großer Monographie über den Kreis Strasburg gen und Renovierungen geradezu herausgeputzte – Stadt an der auch dieses Bauwerk detailliert beschrieben ist, hat jüngst übrigens Drewenz besucht, wird Bobrowskis Urteil gewiss nicht mehr bestätigt erläutert, dass sich der allen Westpreußen geläuge Name »Amts- nden. Vor allem zeigt der hier abgebildete »Amtsturm« unüberseh- turm« etwa  innerhalb der deutschen Bevölkerung gebildet habe bar, dass Strasburg nicht erst als Kreisstadt seit dem frühen . Jahr- und für sie erst seitdem fest mit dem Bauwerk verbunden sei – wäh- hundert eine gewisse Bedeutung gewonnen hatte. Dieses Bauwerk rend die Bewohner der heute polnischen Stadt Brodnica vom »Kreuz- bezeugt vielmehr, dass die Stadt schon zuvor seit Jahrhunderten auch ritter-Turm [Wieża Krzyżacka]« sprächen. DW / Astrid Kranefeld

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